Zum Spannungsverhältnis sozialer Gerechtigkeit und Freiheit
					
	
		©2011
		Magisterarbeit
		
			
				91 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Einleitung:
Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, das Verhältnis von sozialer Gerechtigkeit und Freiheit zu untersuchen. Der zentrale Untersuchungsgegenstand zielt auf die Frage ab, ob soziale Gerechtigkeit und Freiheit miteinander vereinbar sind, sich ausschließen oder gar bedingen. Hintergrund für die Wahl des Themas ist einerseits das persönliche Interesse des Autors und die historische Langlebigkeit (vgl. z.B. Oschek 2007: S 98) und andererseits die Aktualität des Themas, wie sie beispielsweise in der Gerechtigkeitsdebatte um den Sozialstaat zum Tragen kommt (vgl. z.B. Nullmeier 2001:S 211ff). Der Fokus liegt hierbei auf libertären und sozialliberalen, im sehr viel geringerem Umfang auch auf kommunitaristischen Theorien.
Es ist nicht zu verkennen, dass sich die Ideen Friedrich August von Hayeks durch die gesamte Arbeit ziehen und einen inhaltlichen Schwerpunkt bilden. Dies ist seiner fruchtbaren und umfassenden Auseinandersetzung mit der gewählten Thematik geschuldet und der persönlichen Wahl des Verfassers. Die Berücksichtigung des Kommunitarismus dient vor allem dazu, die Vielfalt die hinsichtlich der Auffassungen von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit vorliegen, zu veranschaulichen und eine Einseitigkeit der Arbeit in der theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik zu verhindern. [...]
			
		
	Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, das Verhältnis von sozialer Gerechtigkeit und Freiheit zu untersuchen. Der zentrale Untersuchungsgegenstand zielt auf die Frage ab, ob soziale Gerechtigkeit und Freiheit miteinander vereinbar sind, sich ausschließen oder gar bedingen. Hintergrund für die Wahl des Themas ist einerseits das persönliche Interesse des Autors und die historische Langlebigkeit (vgl. z.B. Oschek 2007: S 98) und andererseits die Aktualität des Themas, wie sie beispielsweise in der Gerechtigkeitsdebatte um den Sozialstaat zum Tragen kommt (vgl. z.B. Nullmeier 2001:S 211ff). Der Fokus liegt hierbei auf libertären und sozialliberalen, im sehr viel geringerem Umfang auch auf kommunitaristischen Theorien.
Es ist nicht zu verkennen, dass sich die Ideen Friedrich August von Hayeks durch die gesamte Arbeit ziehen und einen inhaltlichen Schwerpunkt bilden. Dies ist seiner fruchtbaren und umfassenden Auseinandersetzung mit der gewählten Thematik geschuldet und der persönlichen Wahl des Verfassers. Die Berücksichtigung des Kommunitarismus dient vor allem dazu, die Vielfalt die hinsichtlich der Auffassungen von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit vorliegen, zu veranschaulichen und eine Einseitigkeit der Arbeit in der theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik zu verhindern. [...]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Möller, Wolfram: Zum Spannungsverhältnis sozialer Gerechtigkeit und Freiheit, 
Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2013 
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3184-1 
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2013 
Zugl. Universität Potsdam, Potsdam, Deutschland, Magisterarbeit, August 2011 
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http://www.diplom.de, Hamburg 2013 
Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ... 1 
1.  Theoretische Grundlagen: Eine Einführung ...  3 
1.1  Zum Begriff der Gerechtigkeit ... 3 
1.2  Aristoteles: Distributive Gerechtigkeit ... 5
1.3  Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit ... 7
1.4  Das klassisch-liberale Verständnis ... 9
1.4.1  Thomas Hobbes: Naturzustand und Rechtssicherheit
 ...11 
1.4.2  Immanuel Kant: Recht und praktische Vernunft
 ...11 
1.5  Das kommunitaristische Verständnis ...12 
1.5.1  Chrarles Taylor: Kritik des atomistischen Individualismus
 ...13 
1.5.2  Michael Walzer: Die Spähren der Gerechtigkeit
 ...15 
1.5.3  Zusammenfassung ...16 
1.6  Sozialmoralische Gründe zur Rechtfertigung von Umverteilungsmaßnahmen ...17 
1.7  Exkurs zur Freiheit ...20 
1.7.1  Positive und negative Freiheit ...20 
1.7.2  Freiheit bei Friedrich August von Hayek ...23 
1.8 Zusammenfassung ...25 
2.  Soziale Gerechtigkeit und Freiheit im Wohlfahrtsstaat: Am Beispiel des  
deutschen Sozialstaates ...26 
2.1  Ziele und Aufgaben des Sozialstaates ...26
2.2  Verfassungsrechtliche Grundlagen des Sozialstaates ...28
2.3  Zusammenfassung ...29
2.4  Die Debatte um den Wohlfahrtsstaat ...30
2.4.1  Die Kritik am Sozialstaat
 ...31 
2.4.2  Die normativen Grundlagen der Debatte
 ...34 
2.5  Zusammenfassung ...36
3.  Zum Spannungsverhältnis von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit:  
Am Beispiel libertärer und sozialliberaler Positionen ...37 
3.1  Friedrich August von Hayek: Soziale Gerechtigkeit als Illusion ...39
3.1.1  Die Entwicklungsgeschichte der Freiheit: Die empiristische und rationalistische         
Position ...41
3.1.2  Der Niedergang des Liberalismus und der Aufstieg des Sozialismus ...43 
3.1.3  Die Planwirtschaft als Anmaßung von Wissen ...45 
3.1.4  Der Wohlfahrtsstaat und die soziale Gerechtigkeit ...48 
3.1.5  Der Rechtsstaat als Garant der Freiheit ...53 
3.1.6  Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit ...56 
3.1.7  Zum Verhältnis von Freiheit, Gleichheit und Recht ...58 
3.1.8  Zusammenfassung ...61 
3.2  John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness ...62
3.2.1  Die Grundstruktur einer gerechten Gesellschaft ...64 
3.2.2  Der Urzustand und der Schleier der Unwissenheit ...66 
3.2.3  Die zwei Grundsätze der Gerechtigkeit ...67 
3.2.3.1  Der erste Grundsatz: Das Primat der Freiheit ...69 
3.2.3.1  Der zweite Grundsatz: Das Differenzprinzip...70 
3.2.4  Soziale Gerechtigkeit und der Wert der Freiheit ...72 
3.2.5  Zum Problem der Verteilungsgerechtigkeit...74 
3.2.6  Moralische Gründe für die Regulierung ökonomischer und sozialer 
Ungleichheiten ...75 
3.2.7  Zusammenfassung ...75 
3.3 F.A.v. Hayek und John Rawls: Der Versuch einer Zusammenführung ...76 
4.   Fazit...80 
Literaturverzeichnis...83 
1 
,,Freiheit ist nicht nur ein System, in dem alle Regierungstätigkeit von Grundsätzen 
geleitet ist, sondern auch ein Ideal, das sich nicht erhalten wird, wenn es nicht selbst 
als beherrschendes Prinzip anerkannt wird. Wo an diesem Grundsatz nicht standhaft 
festgehalten wird, der keinen materiellen Vorteilen geopfert und höchstens zeitweilig 
durchbrochen werden darf [...] ist es fast unausbleiblich, daß die Freiheit Schritt für 
Schritt zerstört wird" (Hayek 1991: S 86). 
Einleitung 
Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, das Verhältnis von 
sozialer Gerechtigkeit und Freiheit zu untersuchen. Der zentrale 
Untersuchungsgegenstand zielt auf die Frage ab, ob soziale Gerechtigkeit 
und Freiheit miteinander vereinbar sind, sich ausschließen oder gar 
bedingen. Hintergrund für die Wahl des Themas ist einerseits das 
persönliche Interesse des Autors und die historische Langlebigkeit (vgl. 
z.B. Oschek 2007: S 98) und andererseits die Aktualität des Themas, wie 
sie beispielsweise in der Gerechtigkeitsdebatte um den Sozialstaat zum 
Tragen kommt (vgl. z.B. Nullmeier 2001:S 211ff).  Der Fokus liegt hierbei 
auf libertären und sozialliberalen, im sehr viel geringerem Umfang auch 
auf kommunitaristischen Theorien.  
Es ist nicht zu verkennen, dass sich die Ideen Friedrich August von 
Hayeks durch die gesamte Arbeit ziehen und einen inhaltlichen 
Schwerpunkt bilden. Dies ist seiner fruchtbaren und umfassenden 
Auseinandersetzung mit der gewählten Thematik geschuldet und der 
persönlichen Wahl des Verfassers. Die Berücksichtigung des 
Kommunitarismus dient vor allem dazu, die Vielfalt die hinsichtlich der 
Auffassungen von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit vorliegen, zu 
veranschaulichen und eine Einseitigkeit der Arbeit in der theoretischen 
Auseinandersetzung mit der Thematik zu verhindern. Es ist hingegen 
nicht Absicht des Autors, die Debatte zwischen dem Liberalismus und 
dem Kommunitarismus, die seit dem Erscheinen von John Rawls 
richtungsweisenden Werk ,,A Theory of Justice" 1971 entbrannt ist, näher 
zu beleuchten. 
2 
Um sich dem Untersuchungsgegenstand zu nähern und eine 
Verständnisgrundlage für die weitere Untersuchung zu schaffen, soll 
zunächst umrissen werden, was sich hinter den Begrifflichkeiten der 
sozialen Gerechtigkeit, der Gerechtigkeit im Allgemeinen und der Freiheit 
verbirgt und welche Ansichten aus dem Bereich der politischen 
Philosophie hierzu von den unterschiedlichen Denkrichtungen vertreten 
werden. Der Schwerpunkt liegt auch hier gemäß dem gewählten Fokus, 
auf den bereits erwähnten libertären und sozialliberalen sowie den 
kommunitaristischen Auffassungen. Es ist gleichwohl nicht der Anspruch 
des Verfassers, eine erschöpfende Übersicht über das breite Feld der 
Gerechtigkeits- und Freiheitstheorien zu liefern.  
Anschließend soll in aller Kürze untersucht werden, wo der Begriff der 
sozialen Gerechtigkeit außerhalb des philosophischen Diskurses zum 
Tragen kommt. Anhand des deutschen Sozialstaatsprinzips- und der 
Aufgabe, die dem deutschen Sozialstaat von wissenschaftlicher Seite 
beigemessen wird,soll aufgezeigt werden, inwiefern sich die 
bisher untersuchten Begrifflichkeiten in dieser gesellschaftlichen 
Institution wiederspiegeln. Ziel ist es, einen Anknüpfungspunkt zu dem 
untersuchten Gegenstand zu finden. Anhand der Debatte um den 
deutschen Sozialstaat soll aufgezeigt werden, dass der Kritik 
unterschiedliche normative Konzepte zugrunde liegen. Diese bereits oben 
angerissenen Konzepte sollen anschließend, sofern relevant, 
ausschnittsweise näher untersucht werden, um dem Verhältnis von 
Freiheit und sozialer Gerechtigkeit näher zu kommen. Im Anschluss soll 
der Versuch unternommen werden, die sogenannte libertäre- und 
sozialliberale Strömung kurz darzustellen, um anschließend, unter 
Berufung auf zwei maßgebliche Vertreter dieser Denkrichtungen, den 
Untersuchungsgegenstand näher zu beleuchten. Die Wahl fällt hierbei auf 
Friedrich August von Hayek und John Rawls. Gründe für diese Wahl sind 
in den teils sehr unterschiedlichen, jedoch sehr stringenten Auffassungen 
der beiden Autoren hinsichtlich Ihres Verhältnisses zur Gerechtigkeit und 
Freiheit zu suchen. Diesem Schwerpunkt der Arbeit schließt sich ein 
Vergleich der beiden Philosophen an, mit dem Zweck die bisherigen 
Erkenntnisse über den gewählten Gegenstand zusammenzufassen und 
3 
maßgebliche Unterschiede herauszuarbeiten. Die Arbeit schließt mit dem 
Überblick der erworbenen Erkenntnisse und einer persönlichen 
Betrachtung des Autors.  
Diese Arbeit folgt der Kantischen Tradition, Philosophie als 
Erkenntnissystem allgemeinverbindlicher Normen und Werte zu 
verstehen. (vgl. Hinsch 1998: S 19) Es ist nicht Intention des Autors, aus 
der nachfolgenden Betrachtung direkte Bezüge zu realpolitischen 
Maßnahmen der sozialen Gerechtigkeit zu ziehen oder solche zu 
bewerten. Die Betrachtungen über den deutschen Sozialstaat sind in 
dieser Hinsicht mit Rekurs auf den philosophischen Hintergrund zu 
verstehen und dienen der Veranschaulichung der Thematik sowie der 
Herausarbeitung und Herleitung philosophischer Ansichten.  
1.  Theoretische Grundlagen: Eine Einführung 
Die Beschäftigung mit dem Wohlfahrtsstaat und seiner 
Umverteilungspraxis, führt unweigerlich zum Begriff der Gerechtigkeit, 
speziell der sozialen Gerechtigkeit. Die Auseinandersetzung mit dem 
Gerechtigkeitsbegriff ist hierbei ungleich älter als der Wohlfahrtsstaat 
moderner Prägung. Bereits Plato und Aristoteles legten wesentliche 
Charakteristika der Gerechtigkeit fest, schon seit damals [...] gilt 
Gerechtigkeit als moralische Leitidee für Recht, Staat und Politik sowie als 
eine der wichtigsten individuellen Tugenden" (Oschek 2007: S 98). 
1.1  Zum Begriff der Gerechtigkeit 
,,Gerechtigkeit ist kein absoluter, sondern ein relativer Begriff, dessen  
konkreter Inhalt in Relation steht zu bestimmten sozialen Zielen und 
Sinngehalten" (Walzer 1994: S 440). Aber auch wenn darüber, was 
Gerechtigkeit eigentlich genau bedeutet, sehr unterschiedliche, teils 
konträre Meinungen existieren, kann man nicht ausschließen, dass allen 
Ansichten nicht doch ein gemeinsames Konzept zu Grunde liegt. Die Idee 
zumindest, dass eine Gesellschaft nur dann als gerecht angesehen 
werden kann, wenn sie bestimmten moralischen Standards entspricht, ist 
4 
uralt (vgl. Koller 2000: S 120f). So entzündet sich der Streit nicht daran, 
ob eine Gesellschaft gerecht oder ungerecht sein soll sondern was unter 
Gerechtigkeit an sich zu verstehen ist. 
Verstanden als ein moralisches Konzept bezieht sich Gerechtigkeit auf 
soziale Verhältnisse und soziales Handeln zwischen Menschen (vgl. Koller 
2000: S 121). ,,Gerechtigkeit ist sui generis auf soziale Zusammenhänge 
bezogen: In Ihrer jeweiligen institutionellen Form weist sie die 
angemessenen Anteile an Rechten, Einkommen, Vermögen und Bildung 
zu und entscheidet somit über die Verteilung von Chancen und Teilhabe 
in einer Gesellschaft" (Penz/Priddat 2007: S  51). Wenn auch der Begriff 
der Gerechtigkeit auf vielfältige Weise, z.B. bezogen auf Personen, 
Staaten, Beziehungen etc. verwendet wird, so sind doch als 
Gemeinsamkeit die allgemeinen Normen bzw. Regeln 
zwischenmenschlichen Handelns herauszustreichen. (vgl. Koller 2000: S 
122). So ist Gerechtigkeit über kulturelle Grenzen hinweg durch 
Prinzipien gekennzeichnet, die allgemeinverbindlichen Charakter haben: 
In der Unparteilichkeit drückt sich die Gleichheit vor dem Gesetz aus, im 
Prinzip der Gegenseitigkeit die Überzeugung, niemanden etwas zuzufügen 
das man sich selber nicht wünscht. Die Tauschgerechtigkeit beschreibt 
ein faires Nehmen und Geben, ohne den anderen zu übervorteilen und 
die Vorstellung einer ausgleichenden Gerechtigkeit findet vor allem in der 
Gerichtsbarkeit ihre Anwendung. Darüber hinaus gibt es eine breite 
Übereinkunft über die zu schützenden Rechte. Gerechtigkeit bezieht sich 
ferner auch auf die moralische Bewertung menschlichen Handelns. 
Gemeint ist, dass jede Handlung nach moralischen Kriterien als gut oder 
schlecht eingestuft wird. Eine Handlung, die für jeden einzelnen 
Menschen einer Gesellschaft als gut angesehen werden kann, ist als 
moralische, nicht verhandelbare Grundlage dieser Gesellschaft zu 
betrachteten (vgl. Oschek 2007: S 99).  
,,Unparteilichkeit und Wechselseitigkeit der Gerechtigkeit gebieten es, dass das 
Zusammenleben derart gestaltet wird, dass sich die Vor- und Nachteile gleichmäßig 
verteilen bzw. die Vorteile allen und jedem gleichermaßen zugute kommen" (Oschek 
2007: S 99).  
5 
Aufgabe der Gerechtigkeit ist es also, die unterschiedlichen Interessen 
auf eine Art und Weise auszugleichen, die als angemessen angesehen 
wird. Darunter wird oft verstanden, dass jeder das bekommt was Ihm 
gebührt, wobei sich hier die Frage stellt, was darunter zu verstehen ist. 
Da es schwierig zu sein scheint, für alle Formen sozialen Handelns einen 
Gerechtigkeitsmaßstab zu definieren, mag der Versuch sinnvoll sein, 
einen solchen Standard jeweils für bestimmte Handlungsfelder 
festzulegen. Aristoteles beispielsweise unterschied zwischen distributiver 
und kommutativer Gerechtigkeit (vgl. Koller. 2000. S.122ff). 
1.2  Aristoteles: Distributive Gerechtigkeit  
Folgt man der aristotelischen Vorstellung von Gerechtigkeit, so teilt sich 
diese auf in ,,Die allgemeine Gerechtigkeit (Justitia universales) [...], die 
vollkommene Tugend und umfassende Rechtschaffenheit, [...] und die 
Gerechtigkeit (Justitia partikulares), deren Geltungskreis die äußeren 
Güter sind [...] Die partikulare Gerechtigkeit wiederum lässt sich in die 
ausgleichende Gerechtigkeit (Justitia direktiv) und die verteilende 
(Justitia Distributiva) unterteilen" (Oschek 2007: S 100). Hinsichtlich des 
Rechtsbereiches unterscheidet Aristoteles noch einmal zwischen dem 
immer gültigen Naturrecht und dem vom Menschen gesetzten Recht. 
Ersteres ist für alle Menschen gleich und unangreifbar  (vgl. Oschek 
2007: S 100). 
Bei diesen hier relevanten Betrachtungen soll es einzig um die partikulare 
Gerechtigkeit gehen. Die ausgleichende Gerechtigkeit (Justitia direktiv) 
stützt sich auf einen arithmetischen Gerechtigkeitsbegriff, also auf den 
Ausgleich einer rein quantitativen Ungleichheit oder Ungleichgewichtes. 
Der Schuldner, der diesen Mangel herbeigeführt hat, ist verpflichtet, 
diesen durch entsprechende Leistungen wieder auszugleichen. Eine 
Gewichtung oder Beurteilung findet nicht statt, da vor dem Gesetz alle 
Menschen gleich sind. Die verteilende Gerechtigkeit (Justitia Distributiva) 
hingegen basiert auf dem Prinzip der geometrischen bzw. proportionalen 
Gleichheit. Anders als die ausgleichende Gerechtigkeit betrifft diese den 
gesellschaftlichen Raum und befasst sich mit der Verteilung sozialer 
6 
Güter wie z.B. sozialer Anerkennung (vgl. Kersting 2000: S 17f). 
,,Während die arithmetische Gleichheit (...) eine Gleichheit des 
Wegsehens, der Entdifferenzierung ist, ist die proportionale Gleichheit 
(...) eine Gleichheit des Hinsehens, der Differenzierung" (Kersting 2000: 
S 18). 
Setzt sich die ausgleichende Gerechtigkeit nicht mit der Frage 
auseinander, ob eine Gleichverteilung gerecht ist oder nicht, ist die 
verteilende Gerechtigkeit mit dem Problem konfrontiert, dass eine 
Ungleichverteilung nicht automatisch ungerecht, eine Gleichverteilung 
nicht automatisch gerecht sein muss, es braucht also einen Maßstab der 
festlegt, welche Gleich- oder Ungleichverteilung für wen als gerecht zu 
gelten hat. Gerecht ist nach Aristoteles, wenn jeder, proportional zu 
seinem Einsatz bzw. Arbeit, gleich entlohnt wird (Gleiches Gleichen, 
Ungleiches Ungleichen). Eine solche Entlohnung kann sich sowohl auf 
Geldmittel als auch auf die Vergabe öffentlicher Ämter erstrecken (vgl. 
Bien 2010: S 154). Ist eine solche Verteilung in wirtschaftlicher Hinsicht 
noch relativ leicht zuzuweisen, ist die Zuteilung von öffentlicher 
Anerkennung und Ämtern weitaus schwieriger. Für Aristoteles stellt das 
Kriterium für einen gerechten Maßstab die Verdienstlichkeit und 
Würdigkeit dar. Ausgehend von der Einsicht, dass jeder Mensch und jede 
Gesellschaft andere Vorstellungen davon hat, was darunter zu verstehen 
ist, stößt die Verteilungsgerechtigkeit hier an ihre Grenzen (vgl. Kersting 
2000: S 19 ff). Aristoteles drückt diesen Sachverhalt folgendermaßen 
aus: ,,Denn darin, dass eine gewisse Würdigkeit das Richtmaß der 
distributiven Gerechtigkeit sein müsse, stimmt man allgemein überein, 
nur versteht nicht jedermann unter Würdigkeit das Selbe [...]" 
(Aristoteles 1985: S 107).  
Grundsätzlich ist Verteilungsgerechtigkeit bei Aristoteles politischer Natur 
und spiegelt das ethische Selbstverständnis der Gesellschaft wieder. ,,Das 
Gemeinwesen der klassischen Politik ist kein Koordinationssystem, keine 
Befriedungs- und Konflikregulierungsmaschiene. Es ist der Ort des guten 
Lebens" (Kersting 2000:  S 21). Nur durch die aktive Teilhabe am 
gesellschaftlichen Leben und mit Hinblick auf das Gemeinwohl lassen sich 
7 
die natürlichen Fähigkeiten des Menschen wie seine Vernünftigkeit oder 
Sprachgewandtheit entwickeln, kann der Mensch letztlich seine 
Bestimmung verwirklichen. Als Anreizsystem dient hier ein ethisches 
Belohnungsprinzip, das dem Tugendhaften, der sich um sein Vaterland 
verdient gemacht hat, mit der ihm gebührenden sozialen Anerkennung 
und Ehrung würdigt. Die Verteilungsgerechtigkeit bezieht sich hier vor 
allem auf Tugendbelohnung (vgl. Kersting, 2000, S. 21f), wobei Tugend 
und Gerechtigkeit bei Aristoteles zusammenfallen, denn: ,,In der 
Gerechtigkeit ist jegliche Tugend enthalten; und sie gilt als die 
vollkommenste Tugend, weil sie die Anwendung der vollkommenden 
Tugend ist. Vollkommen ist sie aber, weil ihr Inhaber die Tugend auch 
gegen andere ausüben kann und nicht bloß für sich selbst" (Aristoteles 
1985: S 103). 
1.3  Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit
Die distributive Gerechtigkeit wird in der politischen Diskussion oft auch 
als soziale Gerechtigkeit oder Verteilungsgerechtigkeit bezeichnet 
(Merkel 2007: S 1). In diesem Sinne soll soziale Gerechtigkeit in dieser 
Arbeit zunächst als austeilende bzw. umverteilende Gerechtigkeit 
verstanden werden und der Begriff der sozialen Gerechtigkeit für alle auf 
diese Gerechtigkeitsform zutreffenden Beschreibungen verwendet 
werden, sofern sie nicht von anderen Autoren in einem anderen 
Sinnzusammenhang gesehen werden. 
Trotz teils stark voneinander abweichender Vorstellungen hinsichtlich 
dessen was soziale Gerechtigkeit ist, scheint es doch in der westlichen 
Hemisphäre einige gemeinsame Grundannahmen zu geben, die mit der 
allgemein angenommenen und akzeptierten Gleichheit aller Menschen 
einhergehen. Diese treten in Vorstellungen zu einer gerechten Verteilung 
der Güter und Lasten einer Gesellschaft zu Tage, wobei eine 
Ungleichverteilung allgemein akzeptierter Gründe bedarf und 
entsprechend legitimiert sein muss (vgl. Koller 2000: S 125f). Es stellt 
sich von daher die Frage, welche Güter denn  ,,[...] zu den gemeinsamen 
Gütern und Lasten [...] einer Gesellschaft gehören und deshalb einer 
8 
gerechten Verteilung bedürfen, und zweitens, welche Gründe [...] 
geeignet sind, Ungleichheiten [...] zu rechtfertigen (Koller 2000: S 125).  
Dass die Verteilung der Güter zu einer Sache der Gerechtigkeit wird, 
hängt mit dem Tatbestand zusammen, dass natürliche- und von 
Menschen geschaffene Güter nicht unbegrenzt vorhanden sind, aber von 
vielen Menschen besessen werden wollen. Dies betrifft vor allem 
materielle Güter, kann sich jedoch auch auf ideelle, unbegrenzte Güter 
wie die Gleichheit vor dem Gesetz beziehen, insofern widerstreitende 
Interessen vorliegen (vgl. Oschek 2007: S 101). Kersting drückt dies 
folgendermaßen aus: ,,Da jeder lieber mehr als weniger haben möchte, 
entstehen Konflikte, die nach einer allseits anerkannten Verteilungsregel 
verlangen [...] Zum einen darf sie nicht die Funktionsbedingungen des 
marktwirtschaftlichen Systems schädigen, zum anderen muss sie gerecht 
sein" (Kersting 2000: S 12). Allerdings sagt die Annahme, dass ein 
gesellschaftliches Verteilungssystem gerecht sein muss, noch sehr wenig 
darüber aus, was darunter zu verstehen sei und was nicht (vgl. Kneip 
2003: Seite 14). 
Problematisch bei der sozialen Gerechtigkeit ist zum Einen, dass 
Gleichverteilung auch ungerecht, Ungleichverteilung gerecht sein kann. 
Ausschlaggebend hierfür sind die angelegten Maßstäbe. Grundsätzlich 
gibt es dabei zwei verschiedene Ansätze soziale Gerechtigkeit zu denken: 
Die liberale Denkweise, basiert auf dem Individuum als Ausgangspunkt, 
die kommunitaristische, auf der Gemeinschaft. Je nach angelegtem 
Maßstab ergeben sich dadurch unterschiedliche Ansichten zu Art- und 
Umfang der sozialen Gerechtigkeit (vgl. Merkel 2007: S 2). 
Charles Taylor greift diesen Tatbestand auf: Seiner Ansicht nach sind 
Unterschiede in der Gerechtigkeitsauffassung wesentlich von einander 
abweichenden Ansichten hinsichtlich dessen geprägt, was unter dem 
Guten und der Würde des Menschen  zu verstehen ist, vor allem aber 
auch dadurch, ob die Verwirklichung des Menschlichen, oder Guten, von 
der Integration des Individuums in eine Gesellschaft abhängt, oder 
unabhängig, also autark, realisiert werden kann (vgl. Taylor 1988: S 
148ff). 
9 
Im Folgenden sollen die erwähnten Positionen kurz am Beispiel einiger 
wichtiger Vertreter der jeweiligen Denkrichtungen umrissen werden um 
für die spätere Untersuchung zum Spannungsfeld zwischen sozialer 
Gerechtigkeit und Freiheit eine Verständnisgrundlage zu schaffen. 
1.4  Das klassisch-liberale Verständnis  
,,Der Liberalismus [...] sieht die Hauptaufgabe in der Beschränkung der 
Staatsgewalt jeder Regierung, sei sie demokratisch oder nicht" (Hayek 
1991: S 125). 
Der folgende Exkurs über die Freiheit und die Betrachtungen, die sich mit 
Hayeks sozialphilosophischer Sichtweise auseinandersetzen, werden 
zeigen, dass es auch innerhalb der als Liberalismus bezeichneten 
Strömung sehr unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Entstehung 
und Planbarkeit freiheitlicher, gesellschaftlicher Institutionen gibt. Weicht 
doch Hayeks evolutionistisches Verständnis erheblich von den 
rationalistischen Auffassungen der Kontraktualisten wie Thomas Hobbes 
ab. Dennoch können einige Gemeinsamkeiten genannt werden, die 
unabhängig von diesen Differenzen als typische Merkmale des 
Liberalismus bezeichnet werden können, wobei hier, gemäß des 
gewählten Untersuchungsgegenstandes, Betrachtungen die sich mit der 
sozialen Gerechtigkeit auseinandersetzen, im Mittelpunkt stehen.     
Die Philosophie der Neuzeit verfolgt einen fundamental anderen Ansatz 
als das antike, auf tugendhafte Ethik ausgerichtete 
Gerechtigkeitsverständnis. Die noch bei Aristoteles vorzufindende 
Unterscheidung zwischen der arithmetischen und der proportionalen 
Gleichheit findet sich in der Neuzeit nicht wieder. Dem liegt ein 
Gerechtigkeitskonzept zu Grunde, das auf vernunftrechtlichen 
Vorstellungen fußt und letztlich die Rechtfertigung einer 
Eigentumsordnung darstellt, deren Schutz und Legitimation durch die 
Gleichheit vor dem Gesetz gegeben ist (vgl. Kersting 2000: S 22f). 
 ,,Gerechtigkeit herrscht, wenn Menschen ein gleiches Recht auf politische Teilhabe 
besitzen, unter dem Schutz demokratisch erzeugter und wirksam durchgesetzter Gesetze 
ihre Freiheit genießen und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Gerechtigkeit 
10 
herrscht, wenn das Recht alle gleichbehandelt und das Eigentum sicher ist" (Kersting 
2010: S 9). 
Basierend auf dieser Grundsetzung ist für den klassischen Liberalismus 
eines Kant oder Hobbes die Voraussetzung für die Gerechtigkeit in einer 
rechtsstaatlich verfassten Marktgesellschaft als gegeben zu betrachten 
(vgl. Kersting 2010: S 9).  
Zweck der atomistischen Sichtweise, einer auf dem Recht des Einzelnen 
basierenden Vorstellung der Selbstverwirklichung, ist es nicht, die im 
Naturzustand herrschenden Rechte zu ersetzen, sondern ganz im 
Gegenteil: Sinn und Zweck einer Gesellschaft fußt auf dem Schutz dieser 
(Eigentums-)Rechte durch Rechtssicherheit und Garantie der 
Selbstverwirklichung des Individuums. Gleichheit in diesem Sinne meint, 
dass jedes Individuum die gleichen, rechtlich garantierten Möglichkeiten 
in der Gesellschaft hat. Ist dieser Sachverhalt gegeben, ist dies als 
gerecht aufzufassen. Basierend auf dieser Sichtweise kann auch eine 
extreme Ungleichverteilung der Besitz- und Vermögensstände als gerecht 
betrachtet werden, soweit die rechtsphilosophische Auffassung von 
Gleichheit gegeben ist  (vgl. Taylor 1988: S 150ff). ,,Denn das [...] 
Erkenntnisprogramm zielt vordringlich auf eine Freilegung der 
erklärenden und rechtfertigenden Gründe einer Eigentumsordnung, die 
[...] gern als Verteilungsordnung, als Ordnung die jedem das Seine gibt, 
ausgelegt wird" (Kersting 2000: S 22f). 
Die von liberalen Autoren wie Locke vertretene Auffassung lehnt jegliche 
moralphilosophische Behandlung des Menschen als gesellschaftliches 
Wesen ab und geht stattdessen von einer atomistischen Sichtweise aus. 
Die Gesellschaft nimmt hier die Funktion ein, das Individuum bei seiner 
Selbstverwirklichung insofern zu unterstützen, dass es durch Eingriffe 
durch Dritte geschützt ist. Gerechtigkeit wird in diesem Zusammenhang 
verstanden als Rechtsgleichheit bzw.-Sicherheit (vgl. Taylor 1988: S. 
148ff). 
11 
1.4.1  Thomas Hobbes: Naturzustand und Rechtssicherheit 
Seinen Ursprung findet dieses Verständnis bei Hobbes rechtszentrierter 
Gerechtigkeitsvorstellung. Diese geht davon aus, dass der Mensch im 
Naturzustand auf alle Dinge einen Anspruch hat, die er seiner Vernunft 
folgend besitzen möchte. Da dies zwangsläufig zu Verteilungskämpfen 
führen muss, bedarf es einem Gesetz, das jedem Individuum den Schutz 
seines Eigentums garantiert. Diese Form der Festlegung führt zu Frieden 
und bedeutet im hobbesschen Sinne Gerechtigkeit (vgl. Hobbes 1992: S 
47f). Bei Hobbes findet sich keine Aussage hinsichtlich der sozialen 
Gerechtigkeit im Sinne einer Umverteilung von Gütern oder Einkommen. 
Alleine der Gegensatz zwischen dem gesetzlosen, durch Gewalt 
geprägten, und dem verrechteten Zustand ist Grundlage genug um von 
Gerechtigkeit zu sprechen. Maßgeblich verantwortlich für die 
Aufrechterhaltung der Rechtsordnung ist der Schiedsrichter, repräsentiert 
auf der einen Seite durch die Gesetzgebung, welche die grundlegenden 
Normen festlegt, sowie auf der anderen Seite durch die richterliche 
Instanz, welche im Einzelfall festlegt, was Recht ist (vgl. Kersting 2000: S 
23ff).  
1.4.2  Immanuel Kant: Recht und praktische Vernunft  
Kant zählt nicht nur zu den Klassikern des politischen Liberalismus, er 
kann neben John Locke als einer ihrer wichtigsten Begründer gelten (vgl. 
Meyer 2005: S 171). Ähnlich wie Locke tendiert auch Kants 
Rechtsauffassung zu einer ,,[...] weitgehenden Identifikation der 
Institution des Privateigentums mit dem politischen Grundwert der 
Freiheit" (Meyer 2005: S 171). Kersting drückt dies etwas vereinfachend 
folgendermaßen aus: ,,Da das natürliche Recht nur die Grundsätze von 
Eigentum und Vertrag umfasst, fällt das System der 
Verteilungsgerechtigkeit inhaltlich mit der liberalen Privatrechtsordnung 
zusammen" (Kersting, 2000, S 25). 
Zentrale Annahme Kants ist der Mensch als vernunftbegabtes Wesen. Der 
Begriff der Vernunft meint bei Kant die Fähigkeit, den Bereich der Sinne 
und somit der Natur zu überschreiten, ,,[...] sich selbst im Handeln 
erfahrbar zu machen [...]" (Nusser 2007: S 109).  Kant unterscheidet, 
12 
basierend auf David Hume und dessen Trennung von deskriptiven und 
präskriptiven Sätzen, den theoretischen und praktischen Gebrauch der 
Vernunft. Im kategorischen Imperativ findet sich die praktische Vernunft 
wieder, diese ermöglicht dem Menschen sein Handeln unabhängig von 
sinnlich bestimmten Gründen, wie z.B. den Trieben, zu wählen (vgl. 
Wallner 2001: S 41). Der kategorische Imperativ ist als höchstes 
Kriterium für jegliche Moral, als Handlungsanweisung zu verstehen, die 
auf das sittliche Verhalten der Menschen abzielt. Der Soll-Charakter 
ergibt sich hierbei aus dem Unterschied zum Sein: ,,Da die Menschen 
nicht durchweg sittlich richtig handeln, sollen sie es tun. Der Kategorische 
Imperativ stellt dabei keine Willkür einer politischen Macht dar, sondern 
soll aufgrund der Vernunft
einsichtig werden" (Wallner 2001: S 42). Der 
kategorische Imperativ bezieht sich letztlich auf subjektive Maxime. Diese 
Maxime sind Grundhaltungen, ,,[...] die einer Vielzahl, auch Vielfalt 
konkreter Handlungsabsichten ihre gemeinsame Richtung geben" 
(Wallner 2001: S 42). 
Wir werden bei unseren Betrachtungen von Rawls Konzeption der 
,,Theorie der Gerechtigkeit" auf diesen Umstand zurückkommen. 
Zunächst sei noch festzustellen, dass es bezogen auf den klassischen 
Liberalismus unzutreffend scheint von sozialer Gerechtigkeit zu sprechen, 
wie sie zu Beginn definiert wurde. Dies scheint wenig zielführend, da eine 
Umverteilung nicht vorgesehen bzw. als ungerecht betrachtet werden 
müsste.   
1.5  Das kommunitaristische Verständnis  
,,Das kommunitaristische Projekt ist der Versuch einer Wiederbelebung 
von Gemeinschaftsdenken unter den Bedingungen postmoderner 
Informations- und Dienstleistungsgesellschaften" (Schäfer 2001: S 7). 
Das Bedürfnis nach Gemeinschaftlichkeit in einer zunehmend von 
Einzelinteressen und Egoismus dominierten Gesellschaft ist das 
verbindende Element kommunitaristischer Theorien (vgl. Haus 2003: S 
11). 
Im Folgenden sollen kurz zwei kommunitaristische Positionen vorgestellt 
werden. Fokus ist gemäß dem gewählten Thema der Begriff der 
13 
(sozialen) Gerechtigkeit.   
1.5.1  Charles Taylor: Kritik des atomistischen Individualismus 
Eine kommunitaristische Auffassung des Menschen geht davon aus, dass 
der Mensch nur in und durch die Gesellschaft überhaupt zu einer 
Auffassung davon kommen kann, was unter Gerechtigkeit, Gut, Böse und 
menschlicher Würde zu verstehen ist. ,,[...] denn was der Mensch aus der 
Gesellschaft gewinnt, ist nicht Unterstützung bei der Verwirklichung 
seines jeweiligen Guten, sondern die Möglichkeit überhaupt, ein 
Handelnder zu sein, der das Gute anstrebt" (Taylor 1988: S 150).  
Während bei den atomistischen Vorstellungen der Begriff der Würde völlig 
vom Gesellschaftlichen abgegrenzt ist - von daher können dem Menschen 
auch im Naturzustand Rechte zugewiesen werden -  ist er bei der sozialen 
Konzeptionen des Menschen zwingend an die Gesellschaft gebunden, 
kann nur in dieser verwirklicht werden (vgl. Taylor 1998: S 150f). Dieser 
Ansatz geht davon aus, dass im Naturzustand ein 
Gerechtigkeitsverständnis vorherrscht, das auf archaische Vorstellungen 
von Mein und Dein basiert. Davon zu unterscheiden ist die distributive 
Gerechtigkeit, welche nur in einer Gesellschaft vorzufinden ist, gemeint 
sind Kooperationsbeziehungen zwischen Menschen, die trotz begrenzter 
Ressourcen gleichberechtigt miteinander interagieren (vgl. Taylor 1988: 
S 145f). Diese Vorstellung von Verteilungsgerechtigkeit basiert auf 
grundlegenden moralischen Vorstellungen, welche dem Menschen allein 
aufgrund seines Menschseins bestimmte Rechte zuspricht und darauf 
aufbauend davon ausgeht, dass jeder gleich behandelt werden sollte, 
wobei Taylor hier die arithmetische und proportionale 
Gleichheitsvorstellung eines  Aristoteles zu Grunde legt. Grundlegend 
dafür, was als gerecht im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit angesehen 
wird, ist die Vorstellung davon, was menschenwürdig ist und was ein 
,,Gutes Leben" ausmacht (vgl. Taylor 1988: S 147). 
14 
Taylor zufolge existieren im philosophischen Kontext vier unterschiedliche  
Rechtfertigungsansätze hinsichtlich der Verteilung- und Umverteilung von 
Gütern: 
 ,,(1) ein lockescher Atomismus, der sich auf das unveräußerliche Recht 
auf Eigentum konzentriert; (2) das Beitragsprinzip; (3) die Gruppe der 
liberalen und sozialdemokratischen Auffassungen die eine egalitäre 
Umverteilung rechtfertigen; und (4) marxistische Auffassungen, die das 
Problem distributiver Gerechtigkeit insgesamt deshalb zurückweisen, weil 
diese Frage in dieser Gesellschaft unlösbar [...] ist" (Taylor 1988: S 174). 
Der Erste Rechtfertigungsansatz basiert Taylor folgend auf einer 
atomistischen Vorstellung des Individuums, dessen Selbstverwirklichung 
und Vorstellung vom ,,Guten Leben" vor allem durch das Ausleben 
wirtschaftlicher Möglichkeiten und dem Konsum geprägt ist. Die 
Gesellschaft wird nicht als Ort der individuellen Selbstentfaltung 
betrachtet sondern stellt gewissermaßen die notwendigen Mittel zur 
Verfügung, um dem Verlangen nach Konsum Rechnung zu tragen. Da die 
Gesellschaft aus dieser instrumentellen Perspektive betrachtet nicht sehr 
attraktiv erscheint, zieht sich das Individuum immer mehr ins Private 
zurück. Diese Auffassung bedingt auch die atomistische Denkweise vieler 
Menschen. Zwar ist die westliche 
Gesellschaft in ihrer Komplexität von einer gegenseitigen Abhängigkeit 
gekennzeichnet, die historisch einmalig ist, jedoch sind die Erfahrungen 
und Auffassungen oft atomistischer Natur. Dies führt zu der Ansicht, alles 
was das Individuum zur Selbstentfaltung brauche, sei bereits in Ihm 
gegeben (vgl.Taylor 1988: S 168f). Taylors Kritik an diesem Konzept 
folgend liegt der fundamentale Fehler aller atomistischer Sichtweisen in 
der Ausblendung der Tatsache, dass das freie Individuum mit seinen 
Wünschen und Zielen, wie wir es heute verstehen, ohne eine 
gemeinsame, kulturelle, politische und rechtliche Gesellschaftsgeschichte 
in dieser Form gar nicht existieren würde. Es konnte sich also nur durch- 
und aus  der Gesellschaft heraus entwickeln. Atomistische Auffassungen 
weisen den gesellschaftlichen Institutionen jedoch nur eine 
Schutzfunktion zu, innerhalb dieser sich das Individuum autark 
15 
entwickeln kann. (Taylor 1988: S 175). Die Betrachtungsweise der 
gesellschaftlichen Institutionen als reine Schutzfunktion impliziert, dass 
fast jede Form der Ungleichheit als gerechtfertigt angesehen werden 
kann (vgl. Taylor 1988: S 177). 
,,Wenn wir jedoch uns diese Institutionen so vorstellen, dass sie das 
Verständnis von Freiheit aufrecht erhalten, insbesondere durch 
wechselseitigen Austausch und gemeinsames Beraten, dann sind größere 
Ungleichheiten inakzeptabel" (Taylor 1988: S 177). 
Anders als die von Taylor dargestellte atomistische Sichtweise des 
Individuums basiert die kommunitaristische Idee auf der Annahme, dass 
für das Funktionieren und den Zusammenhalt des sozialen Systems vor 
allem die sozialmoralische Ausrichtung ausschlaggebend ist, wobei hier in 
aufgeklärter Weise an Tugendorientierungen der Vormoderne angeknüpft 
wird (vgl. Schäfer 1998:  S75 ff). 
,,Es kommt aber weniger auf Tugendhaftigkeit an als vielmehr auf das sich selbst als 
sinnvoll erlebende partizipatorische und bürgerschaftliche Engagement, das durch 
Vorbild, Beispiel und befriedigende Wirkung, das soziale Leben interessanter und 
erträglicher mach." (Schäfer 1998: S 77). 
Ein reiner Fürsorgestaat stößt hier aus finanziellen als auch 
sozialmoralischen Gründen auf Ablehnung. Der Kommunitarismus geht 
dabei von der These aus, dass die erweiterten partizipativen 
Möglichkeiten die Fähigkeit zur Selbstverwaltung verbessern. Staatliche 
Sozialpolitik, im Sinne einer als verteilende soziale Gerechtigkeit 
verstandene Politik, wird hier nur für den Notfall garantiert, letztlich soll 
die Zivilgesellschaft soweit wie möglich den Sozialstaat ersetzen  (vgl. 
Schäfer 1998: S 77f). 
1.5.2  Michael Walzer: Die Sphären der Gerechtigkeit  
,,Theorien der distributiven Gerechtigkeit handeln von einem sozialen 
Prozeß, dem gemeinhin folgendes Erscheinungsbild nachgesagt wird: 
Menschen verteilen Güter an (andere) Menschen" (Walzer 1994: S 30). 
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2011
- ISBN (eBook)
- 9783842831841
- Dateigröße
- 619 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Potsdam – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
- Erscheinungsdatum
- 2014 (März)
- Note
- 1,8
- Produktsicherheit
- Diplom.de
 
					