Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Eine arbeits-, zivil- und strafrechtliche Betrachtung unter Einbeziehung des neuen § 32 BDSG
©2010
Masterarbeit
109 Seiten
Zusammenfassung
Einleitung:
Neben der Kontrolle der Funktionsfähigkeit der technischen Anlagen und der Wahrnehmung des Hausrechts dient die Videoüberwachung zumeist auch der Strafprävention und –aufklärung. Grundsätzlich hat jeder Einsatz von Videokameras in internen sowie in öffentlich zugänglichen Arbeitsräumen die Anwendung unterschiedlicher rechtlicher Regelungen zur Folge. Setzt der Arbeitgeber ein Videoüberwachungssystem ein und werden Arbeitnehmer von der Kamera erfasst, so führt deren Einsatz in jedem Fall zu einer Beschränkung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer. Dabei spielt die Eingriffsintensität eine entscheidende Rolle. Der Arbeitgeber kann sich ebenfalls auf grundrechtlich geschützte Interessen berufen, die er als Rechtfertigungsgründe für den Einsatz der Kamera am Arbeitsplatz geltend machen kann. Nach der Rechtsprechung des BAG kommt es auf eine Abwägung zwischen der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einerseits und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits an. Die wichtigste gesetzliche Vorgabe ist das BDSG, das gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG auch auf private Arbeitgeber Anwendung findet. Für die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen bietet das BDSG mit § 6b BDSG eine spezielle Erlaubnisnorm. Diese ist zu beachten, wenn der Arbeitgeber eine Videoüberwachung z. B. in Verkaufsräumen und Schalterhallen beabsichtigt. Eine analoge Anwendung des § 6b BDSG auf die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze scheidet allerdings aus. In diesem Fall stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 28 BDSG und des neuen § 32 BDSG. Letzterer soll allerdings das wiedergeben, was in der Rechtsprechung schon jetzt anerkannt ist und stellt somit – wie schon § 28 BDSG zuvor – keine spezielle Erlaubnisnorm für die Videoüberwachung am nicht öffentlich zugänglichen Arbeitsplatz dar. Des Weiteren können i. S. d. § 4 Abs. 1 BDSG neben der Einwilligung der Arbeitnehmer die Notwehrrechte gem. § 227 BGB und §§ 32, 34 StGB sowie kollektivrechtliche Vereinbarungen die Videoüberwachung rechtfertigen. Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Von grundlegender Bedeutung ist dabei § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG, der das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer schützt. Weiterhin können Videoaufzeichnungen im Fall eines Arbeitsgerichtsprozesses im Wege des Augenscheinbeweises in den Prozess eingeführt werden. [...]
Neben der Kontrolle der Funktionsfähigkeit der technischen Anlagen und der Wahrnehmung des Hausrechts dient die Videoüberwachung zumeist auch der Strafprävention und –aufklärung. Grundsätzlich hat jeder Einsatz von Videokameras in internen sowie in öffentlich zugänglichen Arbeitsräumen die Anwendung unterschiedlicher rechtlicher Regelungen zur Folge. Setzt der Arbeitgeber ein Videoüberwachungssystem ein und werden Arbeitnehmer von der Kamera erfasst, so führt deren Einsatz in jedem Fall zu einer Beschränkung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer. Dabei spielt die Eingriffsintensität eine entscheidende Rolle. Der Arbeitgeber kann sich ebenfalls auf grundrechtlich geschützte Interessen berufen, die er als Rechtfertigungsgründe für den Einsatz der Kamera am Arbeitsplatz geltend machen kann. Nach der Rechtsprechung des BAG kommt es auf eine Abwägung zwischen der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einerseits und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits an. Die wichtigste gesetzliche Vorgabe ist das BDSG, das gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG auch auf private Arbeitgeber Anwendung findet. Für die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen bietet das BDSG mit § 6b BDSG eine spezielle Erlaubnisnorm. Diese ist zu beachten, wenn der Arbeitgeber eine Videoüberwachung z. B. in Verkaufsräumen und Schalterhallen beabsichtigt. Eine analoge Anwendung des § 6b BDSG auf die Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze scheidet allerdings aus. In diesem Fall stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 28 BDSG und des neuen § 32 BDSG. Letzterer soll allerdings das wiedergeben, was in der Rechtsprechung schon jetzt anerkannt ist und stellt somit – wie schon § 28 BDSG zuvor – keine spezielle Erlaubnisnorm für die Videoüberwachung am nicht öffentlich zugänglichen Arbeitsplatz dar. Des Weiteren können i. S. d. § 4 Abs. 1 BDSG neben der Einwilligung der Arbeitnehmer die Notwehrrechte gem. § 227 BGB und §§ 32, 34 StGB sowie kollektivrechtliche Vereinbarungen die Videoüberwachung rechtfertigen. Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Von grundlegender Bedeutung ist dabei § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG, der das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer schützt. Weiterhin können Videoaufzeichnungen im Fall eines Arbeitsgerichtsprozesses im Wege des Augenscheinbeweises in den Prozess eingeführt werden. [...]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Krieger, Sergej: Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Eine arbeits-, zivil- und
strafrechtliche Betrachtung unter Einbeziehung des neuen § 32 BDSG, Hamburg,
Diplomica Verlag GmbH 2013
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3355-5
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2013
Zugl. Universität Paderborn, Paderborn, Deutschland, Masterarbeit, April 2010
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Printed in German
I
Executive Summary
Neben der Kontrolle der Funktionsfähigkeit der technischen Anlagen und der Wahr-
nehmung des Hausrechts dient die Videoüberwachung zumeist auch der Strafpräventi-
on und aufklärung. Grundsätzlich hat jeder Einsatz von Videokameras in internen
sowie in öffentlich zugänglichen Arbeitsräumen die Anwendung unterschiedlicher
rechtlicher Regelungen zur Folge. Setzt der Arbeitgeber ein Videoüberwachungssys-
tem ein und werden Arbeitnehmer von der Kamera erfasst, so führt deren Einsatz in
jedem Fall zu einer Beschränkung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeit-
nehmer. Dabei spielt die Eingriffsintensität eine entscheidende Rolle. Der Arbeitgeber
kann sich ebenfalls auf grundrechtlich geschützte Interessen berufen, die er als Recht-
fertigungsgründe für den Einsatz der Kamera am Arbeitsplatz geltend machen kann.
Nach der Rechtsprechung des BAG kommt es auf eine Abwägung zwischen der Inten-
sität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einerseits und den
berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits an. Die wichtigste gesetzliche
Vorgabe ist das BDSG, das gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG auch auf private Arbeitgeber
Anwendung findet. Für die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen
bietet das BDSG mit § 6b BDSG eine spezielle Erlaubnisnorm. Diese ist zu beachten,
wenn der Arbeitgeber eine Videoüberwachung z. B. in Verkaufsräumen und Schalter-
hallen beabsichtigt. Eine analoge Anwendung des § 6b BDSG auf die Videoüberwa-
chung nicht öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze scheidet allerdings aus. In diesem
Fall stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 28 BDSG und des neuen § 32
BDSG. Letzterer soll allerdings das wiedergeben, was in der Rechtsprechung schon
jetzt anerkannt ist und stellt somit wie schon § 28 BDSG zuvor keine spezielle Er-
laubnisnorm für die Videoüberwachung am nicht öffentlich zugänglichen Arbeitsplatz
dar. Des Weiteren können i. S. d. § 4 Abs. 1 BDSG neben der Einwilligung der Ar-
beitnehmer die Notwehrrechte gem. § 227 BGB und §§ 32, 34 StGB sowie kollektiv-
rechtliche Vereinbarungen die Videoüberwachung rechtfertigen. Besteht im Unter-
nehmen ein Betriebsrat, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG zu be-
achten. Von grundlegender Bedeutung ist dabei § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG, der das Per-
sönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer schützt. Weiterhin können Videoaufzeichnungen
im Fall eines Arbeitsgerichtsprozesses im Wege des Augenscheinbeweises in den Pro-
zess eingeführt werden. Selbst wenn die Verwertung der erlangten Aufnahmen in das
Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreift oder die Aufzeichnungen sogar unter
Verstoß gegen die Anforderungen des BDSG erlangt wurden, können diese dennoch in
Ausnahmefällen als Beweismittel verwertet werden. Schließlich hat eine rechtswidrige
Videoüberwachung zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen.
II
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ... IV
1.
Einleitung ...1
1.1 Rechtliche Einordnung der Thematik ...2
1.2 Gang der Untersuchung ...5
2.
Grundlagen ...5
2.1 Begriffsbestimmung - Was ist Videoüberwachung? ...7
2.2 Zweck der Videoüberwachung am Arbeitsplatz ...9
3.Verfassungsrechtlicher Rahmen der Videoüberwachung am Arbeitsplatz ... 11
3.1 Darstellung der grundrechtlich geschützten Interessen ... 12
3.1.1 Grundrechte des Arbeitgebers ... 13
3.1.1.1 Recht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG ... 13
3.1.1.2 Recht auf Eigentum nach Art. 14 GG ... 14
3.1.2 Grundrechte des Arbeitnehmers ... 15
3.1.2.1 Würde des Menschen nach Art. 1 GG ... 15
3.1.2.2 Allgemeines Persönlichkeitsrecht ... 16
a) Das Recht am eigenen Bild... 18
b) Das Recht am eigenen Wort ... 18
c) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ... 19
d) Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch die
Videoüberwachung ... 20
3.1.3 Durch die Videoüberwachung tangierte Grundrechte betroffener Dritter ... 24
3.2 Ausgleich der widerstreitenden Interessen ... 25
4. Bundesdatenschutzgesetz ... 27
4.1 Notwendigkeit eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes ... 28
4.2 Anwendbarkeit des BDSG auf die Videoüberwachung ... 30
4.3 Der die Videoüberwachung veranlassende Arbeitgeber nach dem BDSG ... 32
4.4 Rechtfertigungstatbestände einer Videoüberwachung des Arbeitsplatzes nach dem
BDSG ... 32
4.4.1 Einwilligung des Arbeitnehmers in die Videoüberwachung ... 32
4.4.2 Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze nach § 6b BDSG ... 35
4.4.2.1 Videoüberwachung nach § 6b Abs. 1 BDSG... 36
4.4.2.2 Heimliche Videoüberwachung trotz § 6b Abs. 2 BDSG ... 40
4.4.2.3 Videoüberwachung betriebsfremder Dritter ... 42
4.4.2.4 Die weitere Verarbeitung erhobener Daten nach § 6b Abs. 3-5 BDSG ... 44
4.4.3 Videoüberwachung nicht öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze... 45
4.4.3.1 Videoüberwachung nach alter Rechtslage ... 46
a) Zulässigkeit der Videoüberwachung nach § 28 BDSG ... 46
b) Heimliche Videoüberwachung trotz § 4 Abs. 2 BDSG ... 47
4.4.3.2 Videoüberwachung nach neuer Rechtslage gem. § 32 BDSG n. F. und das
Konkurrenzverhältnis der Vorschrift zu § 28 BDSG ... 48
a) Zulässigkeit der Videoüberwachung nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG n. F. ... 49
b) Zulässigkeit der Videoüberwachung nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG n. F. ... 55
c) Bedeutung des § 32 Abs. 2 BDSG n. F. für die Videoüberwachung ... 62
d) Videoüberwachung von Maschinen oder sonstiger Anlagen ... 62
4.4.4 Notwehr und Notstand als Rechtfertigungstatbestände für eine Videoüberwachung
... 63
4.4.5 Videoüberwachung aufgrund kollektivrechtlicher Vereinbarungen ... 64
5. Betriebsverfassungsgesetz ... 65
5.1 Videoüberwachung durch Dritte ... 66
III
5.2 Sanktionen bei Nicht-Beachtung des Mitbestimmungsrechts ... 67
6. Kunsturhebergesetz ... 67
7. Prozessuale Verwertbarkeit der Videoaufnahmen ... 67
7.1 Verwertungsverbote bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ... 68
7.2 Verwertung rechtmäßig erlangter Videoaufnahmen... 69
7.3 Zweckbindung ... 69
7.4 Verwertung rechtswidrig erlangter Aufnahmen unter Verstoß gegen § 6b Abs. 1 BDSG
bzw. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG ... 70
7.5 Heimliche Videoüberwachung ... 70
7.6 Prozessuale Beweisverwertung bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts ... 72
7.7 Fernwirkungen der Beweisverwertungsverbote ... 73
7.8 Anfechtung eines Beweisbeschlusses ... 74
8. Rechtsfolgen bei rechtswidriger Videoüberwachung ... 74
8.1 Arbeitnehmerrechte bei rechtwidriger Videoüberwachung ... 74
8.2 Kostenerstattungsanspruch des Arbeitgebers bei rechtmäßiger Videoüberwachung ... 77
8.3 Strafrechtliche Folgen und Ordnungswidrigkeiten ... 78
9. Fazit und Ausblick ... 79
Literaturverzeichnis ... 83
Rechtsprechungsverzeichnis ... 93
Internetquellenverzeichnis ... 100
Politisches Schrifttum / Gesetzesbegründungen ... 102
IV
Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
AiB
Arbeitsrecht
im
Betrieb
AG
Amtsgericht
ArbG
Arbeitsgericht
AP
Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (Gesetzesstelle und
Entscheidungsnummer)
ArbG
Arbeitsgericht
Art.
Artikel
AuA
Arbeit
und
Arbeitsrecht
BAG
Bundesarbeitsgericht
BB
Der
Betriebs-Berater
BeckRS Beck-Rechtsprechung
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
BDSG
Bundesdatenschutzgesetz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BT-Drucks. Drucksache des Deutschen Bundestages
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht (Band und Seite)
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band und Seite)
CuA
Computer
und
Arbeit
d. Verf.
durch Verfasser
DB
Der Betrieb
DuD
Datenschutz und Datensicherheit
GG
Grundgesetz
Hrsg.
Herausgeber
i. S. d.
im Sinne des
i.V.m.
in Verbindung mit
JZ
Juristen-Zeitung
KUG
Kunsturhebergesetz
LAG
Landesarbeitsgericht
LDSG
Landesdatenschutzgesetz
n. F.
neue Fassung
NJOZ
Neue Juristische Online-Zeitschrift
V
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR Neue
Juristische
Wochenschrift
-
Rechtsprechungsreport
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZA-RR
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - Rechtsprechungsreport
PR
Der
Personalrat
RdA
Recht der Arbeit
RDV
Recht der Datenverarbeitung
S. Satz,
Seite
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozessordnung
VG
Verwaltungsgericht
ZfA
Zeitschrift für Arbeitsrecht
ZPO
Zivilprozessordnung
1
1.
Einleitung
Es war einmal ein einfacher Konditor mit einem einzigartigen Talent. Er konnte einige
wenige Zutaten, auch wenn sie noch so unvereinbar waren, zu einer Symphonie von
Geschmack und Genuss vereinen. Er war der Mozart unter den Konditoren und seine
Kuchen waren landesweit bekannt und begehrt.
Eines Tages stand ein überaus gut gekleideter Mann mit einem Koffer in der Hand vor
seiner Haustür und erklärte ihm, dass er Unternehmer sei und die Hilfe des Konditors
benötigte. Lächelnd gewährte ihm der Konditor Einlass und während die beiden Platz
nahmen, fragte er ihn höhnisch, wie denn ein einfacher Konditor einem Unternehmer
helfen könne: ,,Soll ich etwas für Sie backen?", fügte er fast schon lachend hinzu. ,,In
der Tat!", erwiderte der Unternehmer. Der Unternehmer fuhr fort und erklärte dem
Konditor, dass er selbständig sei und eine Menge Leute in seiner Firma beschäftige.
Sein Unternehmen bestünde wie er es selbst nannte aus vielen kleinen und großen
Zahnrädchen, wie der Finanzabteilung, der Produktionshalle, ja sogar einem Verkaufs-
raum, wo er seine Produkte sofort an den Mann brachte. Ferner hänge die Existenz
seines Unternehmens erheblich von der Produktivität und Loyalität seiner Mitarbeiter
ab. In letzter Zeit ließe jedoch beides zu wünschen übrig. Um den Draht zu den Mitar-
beitern nicht zu verlieren, beabsichtige er seine Belegschaft mit einem Kuchen des
besten Konditors des Landes zu überraschen. Auf diese Weise möchte er seinen Mit-
arbeitern eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen. Sodann öffnete der Unter-
nehmer seinen Koffer und zeigte dem Konditor den Inhalt. ,,In den Behältern, die Sie
hier sehen, befinden sich die Zutaten für den Kuchen.", fuhr der Unternehmer fort. Er
griff nach dem größten Behälter von allen und hielt ihn präsentierend mit beiden Hän-
den. ,,Das ist die wichtigste Zutat. Es ist die Hauptzutat, die Videoüberwachung!",
sprach er mit deutlicher Stimme. ,,Nutzen Sie den ganzen Inhalt des Behälters, darauf
bestehe ich. Sie werden allerdings schon bald feststellen, dass sich der süße Ge-
schmack der Videoüberwachung erst in Verbindung mit einigen weiteren Zutaten
schmackhaft entfaltet." Der Unternehmer griff wiederum mehrmals in seinen Koffer
und präsentierte dem Konditor die Zutaten Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, das
Bundesdatenschutzgesetz, die Notwehr und den Notstand sowie das Betriebsverfas-
sungsgesetz. Während der Konditor die Behälter interessiert betrachtete und jedem
einzelnen einen Geruchstest entnahm, fragte ihn der Unternehmer neugierig: ,,Und?
Wie finden Sie das Aroma vom Bundesdatenschutzgesetz? Mein Freund aus der Poli-
tik, Wolfgang S., hat der Zutat eine neuartige Substanz zugefügt: Den neuen § 32
BDSG. Mal schauen, ob dieser für Sie von Nutzen sein wird.", sagte der Unternehmer
2
lächelnd und ergänzte: ,,Denken Sie immer daran, dass der Geschmack der Video-
überwachung sehr intensiv ist. Ist dieser zu stark, kann er ein Würgegefühl erzeugen.
Besonders meine Büroangestellten haben da einen ganz sensiblen Gaumen." Der Kon-
ditor hörte dem Unternehmer aufmerksam zu, als dieser tiefeinatmend den kleinsten
Behälter von allen zögerlich hervorhob. ,,Das hier, das ist eine Zutat, die meiner Mei-
nung nach den Kuchen geschmacklich versaut und mit der Videoüberwachung so gar
nicht harmoniert. Aber die Leute lieben sie, besonders meine Mitarbeiter. Es ist das
Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ich bitte Sie diese Zutat irgendwie dem Kuchen bei-
zumischen. Meine Mitarbeiter sind sehr kritisch und sollte ihnen der Kuchen allen
Ernstes nicht schmecken, kann es für mich sogar rechtliche Konsequenzen haben.",
sagte der Unternehmer mit ernster Miene, während er gleichzeitig mit der Hand durch
sein Haar fuhr. ,,Und wenn wir schon dabei sind. Hier ist noch die Zutat: Prozessuale
Verwertbarkeit der Videoaufnahmen.", ergänzte der Unternehmer, als er diese aus sei-
nem Koffer holte. Sodann griff er ein letzes Mal in seinen Koffer, zückte ein Buch
hervor und drückte es dem Konditor in die Hand: ,,Das ist so etwas wie ein Ratgeber.
Benutzen Sie die Rechtsprechung, wenn Sie die Zutaten kombinieren." Schließlich
bedankte sich der Unternehmer bei dem Konditor und machte sich auf den Weg zum
Ausgang.
Es vergingen Monate und der Konditor musste schon bald feststellen, dass dieser Ku-
chen mit diesen speziellen Zutaten sein ganzes Talent abverlangte. Die Kombination
der Zutaten warf viele Fragen auf. Damit er sich nicht im Kreis drehte, beschloss der
Konditor, jede fehlgeschlagene und auch mal gelungene Kombination von Zutaten
niederzuschreiben. Dazu nahm er ein kleines Notizbuch und zierte dieses mit dem Ti-
tel:
Videoüberwachung am Arbeitsplatz Eine arbeits-, zivil- und strafrechtliche Betrach-
tung unter Einbeziehung des neuen § 32 BDSG
1.1 Rechtliche Einordnung der Thematik
Für eine angemessene Darstellung der Thematik, sind in einem ersten Schritt folgende
grundlegende Überlegungen anzustellen:
1.
Das Arbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Arbeitneh-
mern und Arbeitgebern (Individualarbeitsrecht), sowie zwischen den Koalitio-
nen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und zwischen Vertretungsorganen der
Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber (kollektives Arbeitsrecht
).
Es ist ein Kon-
3
strukt aus zahlreichen Einzelgesetzen (BGB, BetrVG, BDSG usw.) und ist pri-
vatrechtlicher Natur, soweit es die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer als Teilnehmer am privaten Rechtsverkehr umfasst.
1
2.
Eine zivilrechtliche Betrachtung verlangt die Untersuchung der Rechtsbezie-
hungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Teilnehmer am privaten
Rechtsverkehr, d. h. von rechtlich gleichgestellten Rechtssubjekten. Der die Vi-
deoüberwachung veranlassende Arbeitgeber ist als Privater dem ebenfalls pri-
vaten Arbeitnehmer gegenüberzustellen. Dies bedeutet, dass das Thema Video-
überwachung am Arbeitsplatz ausschließlich auf privater (zivilrechtlicher) Ebe-
ne zu betrachten ist. Videoüberwachungsmaßnahmen staatlicher Institutionen
sind außen vor zu lassen.
3.
Datenschutzrechtlich betrachtet, stellt die Überwachung der Beschäftigten mit-
tels Videokamera das Erheben von Daten dar, die Aufzeichnung des Bildmate-
rials eine Speicherung und das Betrachten der Aufzeichnung eine Nutzung. So-
gar das Vernichten der Aufzeichnung mittels technischer oder physikalischer
Methoden ist ein Löschen i. S. d. Datenschutzrechts.
2
Datenschutzrecht ist ein relativ "modernes" Rechtsgebiet. In Lexika aus dem
Anfang der siebziger Jahre fand sich der Begriff noch nicht.
3
Umso überra-
schender ist es, dass im heutigen Schrifttum z. T. von einer unüberschaubaren
und facettenreichen Vielzahl an gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz-
recht gesprochen wird.
4
Diese Vielfalt resultiert zum einen aus der Verteilung
der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern. Zum anderen er-
klärt sie sich aber auch mit der Forderung des BVerfG nach sog. bereichsspezi-
fischen
5
Regelungen.
6
Das derzeit geltende BDSG erfasst wie seine Vorgänger
von 1977 und 1990 grundsätzlich jede Form (automatisierter) Datenverarbei-
tung. Es beschränkt sich nicht nur auf das Bürger-Staat-Verhältnis, sondern hat
auch für private Datenverarbeiter seine Gültigkeit.
7
Dem neuen § 32 BDSG
kommt dabei eine besondere Rolle zu. Dieser regelt speziell die Datenerhebung,
1
Vgl. Hromadka, W./Maschmann, F.: Arbeitsrecht Band 1-Individualarbeitsrcht, 2008, S. 17 ff.
2
Vgl
.
Maties, M.: Arbeitnehmerüberwachung mittels Kamera?, NJW 31/2008, S. 2219.
3
Vgl. Gola, P./Wronka, G.: Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 2008, S. 1.
4
Vgl. Speichert, H.: Praxis des IT-Rechts, 2007, S. 139; Gola, P./Wronka, G.: Handbuch zum Arbeit-
nehmerdatenschutz, 2008, S. 10.
5
Eine Vielzahl bereichsspezifischer Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz findet sich z.B. im
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), im Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG), im Arbeitssi-
cherheitsgesetz (ArbSichG), im Telemediengesetz (TMG) und im Entwurf eines
Gendiagnostikgesetzes.
6
Vgl. Gola, P./Wronka, G.: Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 2008, S. 10.
7
Vgl. Däubler, W.: Gläserne Belegschaften, 2010, Rn. 39.
4
-verarbeitung und nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Somit
sind im Rahmen einer zivilrechtlichen Betrachtung der Videoüberwachung am
Arbeitsplatz die gesetzlichen Vorgaben des BDSG unbedingt zu beachten.
4.
Das Strafrecht wird in das Kern- und Nebenstrafrecht unterteilt. Das Kernstraf-
recht erstreckt sich über all die Normen, die Eingang in das StGB gefunden ha-
ben. Das Nebenstrafrecht umfasst dagegen all die Strafnormen, die sich nicht
im StGB sondern in anderen Gesetzen befinden,
8
wie z. B. § 44 BDSG.
9
Das
Strafrecht ist Teil des öffentlichen Rechts.
10
5.
Trotz der scheinbar unübersichtlichen gesetzlichen Vorschriften zum Daten-
schutz, hat es der Gesetzgeber bis heute versäumt klare Vorgaben für die Vi-
deoüberwachung am Arbeitsplatz zu schaffen. Auch ein Verweis auf den § 6b
BDSG in diesem Zusammenhang, ist als "unzureichend" abzulehnen, da sich
hier die Videoüberwachung ausschließlich auf öffentlich zugängliche Räume
beschränkt. Die öffentliche Zugänglichkeit wird an Arbeitsplätzen allerdings
häufig nicht vorliegen.
11
Gerade die Tatsache, dass es keine klaren Regelungen
zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz gibt, macht eine arbeits-, zivil- und
strafrechtliche Betrachtung der Thematik überaus notwendig. Denn die Video-
überwachung am Arbeitsplatz resultiert aus Sicht des Arbeitgebers aus berech-
tigten (wirtschaftlichen) Interessen. Aus Sicht des Arbeitnehmers sowie Dritt-
betroffener, steht diese allerdings in Konflikt mit dem ebenfalls berechtigten In-
teresse, eben nicht einer derartigen Überwachungsmethode ausgesetzt zu sein.
Dies bedeutet, dass eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz auch immer unter-
schiedliche Interessen tangiert,
12
die wiederum z. T. eindeutig gesetzlich hinter-
legt sind oder bereits in der Rechtsprechung eine besondere Aufmerksamkeit
erfuhren. Daher ist die Darstellung der durch die Videoüberwachung am Ar-
beitsplatz berührten Grundrechte für alle weiteren rechtlichen Überlegungen
maßgebend.
8
Vgl. Liebich-Frels, M.: Strafrecht, in: Lange, H.-J./Gasch, M.: Wörterbuch zur inneren Sicherheit,
2006, S. 319.
9
Vgl. Dammann, U.: § 44 BDSG, in: Simitis, S.: Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 2006,
Rn. 1 f.
10
Vgl. Liebich-Frels, M.: Strafrecht, in: Lange, H.-J./Gasch, M.: Wörterbuch zur inneren Sicherheit,
2006, S. 319.
11
Vgl. Grimm, D./Schiefer, J.: Videoüberwachung am Arbeitsplatz, RdA 06/2009, S. 331.
12
Vgl. BAG v. 29.06.2004-2 AZR 326/03, NZA 22/2004, S. 1281 ff.; BAG v. 14.12.2004-1 ABR
34/03, AP BetrVG 1972 § 87, Überwachung, Nr. 42, B II, 2f, cc; BAG v. 26.08.2008-1 ABR 16/07,
NZA 20/2008, S. 1190 ff.
5
1.2 Gang der Untersuchung
Ziel der Arbeit ist es aus dem "Wirrwarr" der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben und
der Rechtsprechung einen für die Videoüberwachung am Arbeitsplatz angemessenen
Überblick zu verschaffen. Hierzu werden kritische Fragestellungen aufgeworfen und
deren Lösungsansätze erörtert. Um ein erstes Verständnis für die Thematik zu vermit-
teln, werden in einem ersten Schritt rechtliche und gesellschaftliche Entwicklungen in
Hinblick auf die Videoüberwachung aufgezeigt. Sodann wird der Begriff Videoüber-
wachung definiert und die Zwecke, welche der Arbeitgeber mit einem derartigen
Überwachungssystem verfolgt, beleuchtet. In Kapitel 3 erfolgt die Darstellung der von
einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz berührten Grundrechtspositionen. Der ver-
fassungsrechtliche Rahmen ist grundlegend für alle weiteren rechtlichen Überlegun-
gen. In Kapitel 4 werden schließlich das BDSG und seine Erlaubnistatbestände analy-
siert. Als Erlaubnistatbestände kommen auch andere außerhalb des BDSG liegende
Vorschriften in Frage, die an dieser Stelle ebenfalls erörtert werden. In Kapitel 5 und 6
wird die Anwendbarkeit des BetrVG und des KUG auf die Videoüberwachung über-
prüft. Die Frage nach der prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Video-
aufnahmen wird in Rahmen des Kapitels 7 erörtert. Um aufzuzeigen, wann Videoauf-
zeichnungen trotz rechtswidriger Überwachung verwertet werden können, wird u. a.
auf das BDSG und seine Erlaubnistatbestände zurückgegriffen. Schließlich werden in
Kapitel 8 die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen bei rechtswidriger
Videoüberwachung von Arbeitnehmern aufgezeigt. Entsprechend wird untersucht,
welche Ansprüche für den Arbeitgeber bei rechtmäßiger Videoüberwachung entste-
hen. In Kapitel 9 werden die wichtigsten Aspekte und Ergebnisse zusammengefasst
und ein Ausblick auf die Zukunft gegeben.
2.
Grundlagen
Das Thema Kamera- und Videoüberwachung gewinnt seit den 1960-er Jahren in der
arbeitsrechtlichen Literatur zunehmend an Bedeutung.
13
Erste Entscheidungen des
BAG hierzu ergingen bereits am 14.05.1974
14
und 10.07.1979
15
. Während sich das
BAG in den ersten beiden Urteilen noch mit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebs-
rats bei Einführung und Anwendung von Kameras als technische Einrichtung befass-
13
Vgl. Monjau, H.: Die Zulässigkeit von Arbeitskontrollgeräten am Arbeitsplatz, BB 05/1964, S.224
ff.
14
Vgl. BAG v. 14.05.1974-1 ABR 45/73, NJW 44/1974, S. 2023 f.
15
Vgl. BAG v. 10.07.1979-1 ABR 97/77, AP BetrVG 1972 § 87, Überwachung, Nr. 4.
6
te
16
, folgte am 07.10.1987
17
erstmals eine Entscheidung zur Zulässigkeit der Video-
überwachung des Arbeitsplatzes. Dieses Urteil blieb über viele Jahre Orientierung für
die Entscheidungen der Untergerichte.
18
Es war insofern bedeutend, als dass das BAG
erstmalig die Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines Arbeitnehmers aufgrund einer
audio-visuellen Überwachung
19
in Betracht zog.
Seit den 1990-er Jahren schließlich lässt sich eine massive Verbreitung von Video-
überwachung in allen Bereichen der Gesellschaft feststellen. Diese resultiert aus der
rasanten Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und de-
ren Auswirkungen auf das Lebens- und Arbeitsumfeld.
20
Es verwundert also nicht,
dass die Bundesbürger sowohl in privaten wie auch in öffentlichen Räumen auf immer
mehr Kameras treffen. Vor allem in öffentlich zugänglichen Bereichen scheinen die
Bundesbürger ihr Grundrecht
21
, sich ohne Kamerabeobachtung durch die Öffentlich-
keit zu bewegen, leichtfertig aus der Hand zu geben. Folglich stellen Hempel und
Metelmann fest, ,,dass neue technikbasierte Formen sozialer Kontrolle gegenwärtig
eine Normalisierungsphase durchlaufen[...]."
22
Zu Recht, wie es scheint. An Tankstellen, in Supermärkten, in Bankfilialen usw. ist
das elektronische Auge mittlerweile Alltagsnormalität. Auch die Zahlen über die be-
triebenen Videoüberwachungssysteme untermauern eine weitreichende Verbreitung
der Videokontrolle in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten. So wird davon ausge-
gangen, dass in Deutschland zu Beginn des Jahrhunderts rund 400.000 Kameras zur
Überwachung in Betrieb waren. Dabei erfolgt die Überwachung überwiegend durch
Private. Die Zahlen staatlicher Videoüberwachung des öffentlichen Raumes sind hin-
gegen geringer.
23
Nach den Ermittlungserfolgen in London jedoch wird der Ruf nach
stärkerer staatlicher Videokontrolle auch in Deutschland lauter. Dieser findet zuneh-
16
Da es sich um die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen zur Überwachung von
Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handele, unterliegt gemäß
der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 14.7.1974 der Einsatz von Multimoment-Kameras
dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Aus der Entscheidung vom 10.7.1979 ergeht, dass auch
kurzzeitige Filmaufnahmen am Arbeitsplatz i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflich-
tig seien.
17
Vgl. BAG v. 07.10.1987-5 AZR 116/86, NZA 03/1988, S. 92 f.
18
Vgl. Müller, A.: Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, 2008, S.15.
19
Vgl. BAG v. 07.10.1987-5 AZR 116/86, NZA 03/1988, S. 92 f.
20
Vgl. Müller, A.: Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, 2008, S.15.
21
Die 59. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder stellt im Jahr 2002 fest:
,,Alle Menschen haben das Grundrecht, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ohne daß ihr Verhalten
durch Kameras aufgezeichnet wird."; vgl. Hempel, L./Metelmann, J.: Bild-Raum-Kontrolle, in: Hem-
pel, L./Metelmann, J. (Hrsg.): Bild-Raum-Kontrolle, 2005, S. 9.
22
Hempel, L./Metelmann, J.: Bild-RaumKontrolle, in: Hempel, L./Metelmann, J. (Hrsg.): Bild
Raum - Kontrolle, 2005, S. 15.
23
Vgl. Gras, M.: Überwachungsgesellschaft-Herausforderung für das Recht in Europa, in: Hempel,
L./Metelmann, J. (Hrsg): Bild-Raum-Kontrolle, 2005, S. 294.
7
mend Gehör bei konservativen Politikern, vor allem seit den fehlgeschlagenen Koffer-
bomben-Anschlägen auf zwei Regionalzüge.
24
Vor diesem Hintergrund weist Wolf-
gang Schäuble im Sommer 2006 in einem FOCUS-Interview darauf hin, dass ,,an je-
dem Brennpunkt öffentlicher Kommunikation, auf Bahnhöfen, Flughäfen, großen Stra-
ßen und Plätzen, [...] Videoüberwachung machbar und sinnvoll"
25
sei. Allerdings wird
Schäubles Handlungsspielraum aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten
26
erheb-
lich beschränkt. Aktuellere Zahlen hinsichtlich der Verbreitung staatlicher Video-
überwachung des öffentlichen Raumes sind daher noch abzuwarten.
Höhere Sensibilität zeigt der Bundesbürger dagegen in Bezug auf eine audio-visuelle
Überwachung im privaten und betrieblichen Bereich wie der Überwachung des Grund-
stücks, der Wohnung oder des Arbeitsplatzes. Belege dafür liefern die zahlreichen
Entscheidungen der Gerichte zur Zulässigkeit der Videoüberwachung im Rahmen von
Nachbarschafts- und Arbeitsrechtsstreitigkeiten.
27
Dementsprechend gestaltet sich der Normalisierungsprozess in diesen Bereichen eher
mühsam. Jedoch ist die Frage durchaus berechtigt, ob vor dem Hintergrund des immer
lauter werdenden Aufschreis nach einem eigenständigen Arbeitnehmerdatenschutzge-
setz überhaupt von einem Normalisierungsprozess in Bezug auf die betriebliche Vi-
deoüberwachung gesprochen werden kann.
Schließlich begünstigt vor allem der sinkende Preis den zunehmenden Einsatz von
Kameras zum Zweck einer audio-visuellen Kontrolle. So kann jedermann mittlerweile
sowohl über den Fachhandel als auch über herkömmliche Versandhäuser preisgünstige
"Videowanzen" erwerben.
28
2.1 Begriffsbestimmung - Was ist Videoüberwachung?
Unter dem Begriff Videoüberwachung wird Beobachtung mit optisch-elektronischen
Einrichtungen verstanden.
29
Die technische Grundlage für die Videoüberwachung bil-
det die sich rasant weiterentwickelnde Videotechnik. Diese ermöglicht im Allgemei-
nen essentielle Funktionen wie eine elektronische Aufzeichnung, Speicherung, Bear-
24
Als am 31.07.2006 in den Regionalzügen nach Hamm und Koblenz platzierte Sprengstoffladungen
nicht explodierten, konnte das BKA die mutmaßlichen Bombenleger dank der Videoüberwachung auf
dem Kölner Hauptbahnhof identifizieren.
25
Vgl. Interview: Krumrey, H./Wiegold, T.: Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im FOCUS-
Interview, 28.08.2006.
Online:
www.wolfgang-schaeuble.de/fileadmin/user_upload/PDF/060828focus.pdf
, S. 1, zuletzt abge-
rufen am 26.10.2009.
26
Während der Bund durch die Bundespolizei für die Überwachung von Flughäfen und Bahnhöfen
verantwortlich ist, entscheiden über die meisten öffentlichen Flächen immer noch die Länder selbst.
27
Vgl. Müller, A.: Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, 2008, S. 20.
28
Vgl. Schierbaum, B.: Videoüberwachung am Arbeitsplatz, PR 05/2008, S. 180.
29
Vgl. § 6b BDSG.
8
beitung und Wiedergabe von Bild- und Toninformationen. Für das Thema Videoüber-
wachung am Arbeitsplatz sind diese Aspekte von immenser Bedeutung, da hierdurch
eine lückenlose und permanente Überwachung betrieblicher Abläufe durchgeführt
werden kann. Die moderne Videokamera selbst verfügt zudem über verschiedene Ei-
genschaften wie Ausschnittsvergrößerung (Zoom), Standbild, Zeitlupe und automati-
sche zeitliche Zuordnung. Außerdem folgt auch die Kamera dem globalen Trend der
Miniaturisierung und wird dementsprechend immer kleiner und damit für die heimli-
che bzw. verdeckte Überwachung auch am Arbeitsplatz tauglicher.
30
Darüber hinaus wird zwischen analoger und digitaler Videotechnik
31
unterschieden,
wobei derzeit die Digitalisierung technischer Geräte und Systeme unaufhaltsam voran-
schreitet. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist auch dieser Aspekt durchaus zu beach-
ten, da sich aufgrund der Digitalisierung deutlich flexiblere Einsatzmöglichkeiten der
Videoüberwachung ergeben.
32
In diesem Zusammenhang ist vor allem hervorzuheben,
dass das digitale Bildmaterial mit der entsprechenden Software am Computer bearbei-
tet werden kann. Dadurch können Bilder geschärft, geglättet oder vergrößert werden.
33
Außerdem erlaubt die Digitalisierung bei Verbindung der Kamera mit einer Datenbank
nicht nur eine technische Optimierung der Daten sondern auch eine vollautomatisierte
und "intelligente" Überwachung (Thinking Camera).
34
Bei der Videokontrolle am Ar-
beitsplatz ermöglicht diese Technologie eine Verringerung des Anfalls persönlicher
Daten des Arbeitnehmers. Demzufolge liefert die intelligente Videoüberwachung zu-
mindest einen Beitrag zur Datenvermeidung und reduzierung i. S. d. § 3a BDSG.
35
Letztlich ist die Wahl der zur Überwachung eingesetzten Videotechnik ebenfalls ent-
30
Vgl. Bäumler, H.: Probleme der Videoaufzeichnung und überwachung aus datenschutzrechtlicher
Sicht, in: Möller, K.-P./von Zezschwitz, F. (Hrsg.): Videoüberwachung Wohltat oder Plage?, 2000,
S. 58.
31
Eine ausführliche Gegenüberstellung analoger und digitaler Videoüberwachungstechnik bietet der
Bundesverband der Hersteller- und Errichterfirmen von Sicherheitssystemen. Online:
http://www.sanyo-video.de/download/192_Digitale_analoge_VUET.pdf
, S. 1 ff., zuletzt abgerufen am
29.10.2009.
32
Vgl. ebd., S. 1.
33
Vgl. Brückner, S.: Bildbearbeitung und verarbeitung unter kriminaltechnischen und forensischen
Aspekten, in Möller, K.-P./von Zezschwitz, F. (Hrsg.): Videoüberwachung-Wohltat oder Plage?, 2000,
S. 15 ff.
34
Mittels intelligenter Videoüberwachung werden Bewegungsabläufe in bestimmten routinisierten
Situationen durch Algorithmen eingeschätzt und vorherbestimmt. Ein Beispiel hierfür liefert Chicago.
Laut eines Spiegel-Online-Berichts wurde in der Stadt ein 250 Kameras umfassendes System instal-
liert und mit einer Software ausgestattet. Sobald ein Passant nur planlos herumläuft, sein Auto auf den
Seitenstreifen eines Highways lenkt oder Pakete irgendwo ablegt und sich entfernt, wird der "Ver-
dächtige" dank der Software automatisch aufgenommen; vgl. Hempel, L./Metelmann, J.: Bild-Raum
Kontrolle, in: Hempel, L./Metelmann, J. (Hrsg.): Bild-Raum-Kontrolle, 2005, S. 15; Bäumler, H.:
Probleme der Videoaufzeichnung und überwachung aus datenschutzrechtlicher Sicht, in: Möller, K.-
P./von Zezschwitz, F. (Hrsg.): Videoüberwachung Wohltat oder Plage?, 2000, S. 55 f.
35
Vgl. Müller, A.: Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, 2008, S. 27.
9
scheidend. Die verschiedenen Videotechniken haben nämlich eine unterschiedliche
Eingriffsintensität in das Persönlichkeitsrecht des überwachten Arbeitnehmers zur
Folge.
36
2.2 Zweck der Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Sobald die Medien wieder einmal einen echten oder vermeintlichen Datenskandal laut-
stark einläuten, ist die Aufregung zumeist groß. In Fällen einer Arbeitnehmerüberwa-
chung zeigt der Zeigefinger der breiten Öffentlichkeit sofort auf den "bösen" Arbeit-
geber. Zusätzlich wird durch Schlagzeilen wie ,,Angestellte an der elektronischen Lei-
ne"
37
, oder ,,Big Brother am Arbeitsplatz"
38
das berühmte Öl ins Feuer gegossen und
der Arbeitgeber schließlich auf die "Anklagebank" verbannt.
Wenn jedoch die Arbeit nicht wie geschuldet oder gar nicht erbracht und die Be-
triebsmittel sogar geklaut oder auf Kosten des Unternehmers betriebsfremd genutzt
werden, hat der Arbeitgeber durchaus berechtigte Zweifel an der Korrektheit der Leis-
tungserfüllung nach Treu und Glaube (§ 242 BGB) durch den Arbeitnehmer:
Laut einer Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers und der Uni-
versität Halle-Wittenberg beträgt der durch Wirtschaftskriminalität entstandene Scha-
den für jedes einzelne deutsche Großunternehmen allein im Jahr 2009 etwa 5,57 Milli-
onen Euro. Über 60 Prozent der deutschen Großunternehmen wurden in den vergange-
nen zwei Jahren Opfer von Diebstahl, Betrug, Wettbewerbsdelikten, Spionage, Kor-
ruption oder Verletzung von Schutz- bzw. Urheberrechten. Dabei befindet sich der
Feind zumeist in den eigenen Reihen. So werden die großen finanziellen Schäden
durch eigene Topmanager verursacht. Die Verluste durch sog. "kleine Delikte" (Baga-
telldelikte) stehen jedoch mit etwa 41% im Jahr 2009 denen der "großen Fische" in
kaum etwas nach. Die Bandbreite dieser Taten, die ebenfalls vor allem durch eigene
Mitarbeiter begangen werden, erstreckt sich vom Klau von Briefmarken, über Büro-
material bis hin zu Arbeitnehmern, die ihre Arbeitszeit für eigene Geschäfte nutzen.
39
Ein ähnliches und laut der Result Group ein noch gravierenderes Bild zeichnet sich für
mittelständische Unternehmen in Deutschland ab. In einer im 2006 durchgeführten
Studie stellt die Result Group fest, dass gemessen an der Gesamtzahl der von Wirt-
schaftskriminalität betroffenen Firmen, der Mittelstand mit 65 Prozent überproportio-
36
Vgl. Müller, A.: Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, 2008, S. 22.
37
Vgl. Rötzer, F.: Angestellte an der elektronischen Leine, TP 2005.
Online:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20265/1.html
, zuletzt abgerufen am 05.11.2009.
38
Vgl. Steinkühler, B./Raif, A.: Big Brother am Arbeitsplatz-Arbeitnehmerüberwachung, AuA 4/2009,
S. 213 ff.
39
Vgl. Mechnich, M.: Wirtschaftskriminalität im Aufwind, 2009. Online:
http://www.n-
tv.de/wirtschaft/dossier/Wirtschaftskriminalitaet-im-Aufwind-article557079.html
, zuletzt abgerufen
am 09.11.2009.
10
nal geschädigt ist.
40
Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise ist außerdem
eher ein Anstieg als ein Rückgang der Wirtschaftskriminalität, sowohl in Großunter-
nehmen als auch in den Mittelständischen, zu erwarten. Mit dem Einsatz von Kameras
als Überwachungsinstrument im Unternehmen beabsichtigen viele Arbeitgeber, mögli-
che "Feinde" in den eigenen Reihen abzuschrecken und zu ertappen. Es wird vor allem
die ordnungsgemäße Nutzung des Arbeitgebereigentums und vermögens kontrolliert.
Ferner dient die Videoüberwachung jedoch auch zur Zugangskontrolle, um das Haus-
recht wahrzunehmen sowie zur präventiven und repressiven Bekämpfung von Strafta-
ten durch außenstehende Dritte.
41
Ein weiterer Zweck der Videoüberwachung am Arbeitsplatz folgt aus der Globalisie-
rung. Der daraus resultierende Druck zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit zwingt
viele Unternehmen zur Überprüfung und Ausschöpfung aller unternehmerischen Res-
sourcen und Kapazitäten. Weil jedoch die Verbesserung der Effektivität der Produkti-
onsabläufe auch an der Leistungsfähigkeit der Belegschaft ansetzt, haben Unternehmer
ein großes Interesse daran, Arbeitsleistung und verhalten sowie Produktionsabläufe
und Arbeitsvorgänge ihrer Mitarbeiter über eine Videoeinrichtung zu kontrollieren.
42
Letztlich resultiert der verbreitete Einsatz von Videoüberwachung aus den Sicherheits-
interessen des Arbeitgebers. So wird mittels einer Videoeinrichtung die Einhaltung der
internen Sicherheits- und Unfallschutzvorschriften durch den Arbeitnehmer kontrol-
liert sowie sicherheitsrelevante Anlagen und Räume überwacht. Bei sensiblen Anlagen
wie Kernkraft- oder Chemiewerken dient die Videoüberwachung u. a. dem Schutz vor
terroristischen Anschlägen. Besonders seit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten
vom 11. September 2001 existiert hier eine veränderte Sichtweise betrieblicher
Sicherheitsaspekte.
43
Spätestens seit dem Datenskandal beim Lebensmitteldiscounter Lidl ist klar, dass die
Videoüberwachung am Arbeitsplatz nicht nur den hier aufgeführten Zwecken dient,
sondern auch - ob berechtigt oder nicht sei zunächst dahingestellt - explizit zur Daten-
verarbeitung und nutzung eingesetzt wird. Laut dem von den Aufsichtsbehörden für
den Datenschutz vorgelegten Bericht in Sachen Lidl wurden durch heimliche Video-
überwachung, daneben aber auch durch Mithören von Telefonaten und durch persönli-
40
Vgl. Result Group: Studie - Wirtschaftskriminalität durch Informationsabflüsse, 2006. Online:
http://www.corporate-integrity.de/Downloads/WK_Broschuere_Web.pdf
, S.9, zuletzt abgerufen am
09.11.2009.
41
Vgl. Müller, A.: Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, 2008, S. 17.
42
Vgl. ebd., S. 15.
43
Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus wirkt sich auch auf die Unternehmen aus. Die EG-
Antiterrorismus-Verordnungen EG Nr. 2580/2001 vom 27.12.2001 und Nr. 881/2002 vom 27.05.2002
enthalten die Pflicht der Unternehmen zum Einfrieren von Geldern und das Verbot des Bereitstellens
wirtschaftlicher Ressourcen.
11
che Gespräche, Daten über die Beschäftigten ermittelt, gesammelt und zu schriftlichen
Berichten zusammengefasst. Die Datenschützer nennen u. a.
44
-
Einschätzung der Arbeitsleistung und Arbeitsmotivation des Mitarbeiters
-
Informationen über das Mitarbeiterverhalten gegenüber Kunden
-
Informationen zu den Führungsqualitäten von Vorgesetzten
-
Informationen über das Pausenverhalten einzelner Mitarbeiter
-
Gesundheitszustand und mögliche Schwangerschaften
-
Finanzielle Situation der Mitarbeiter und ihrer Familien
-
Vermutete Stimmungslage von Mitarbeitern
Zweifellos erscheinen die gesammelten Daten über Mitarbeiter etwas dubiös und es
stellt sich die Frage, was sich der Arbeitgeber davon verspricht.
Grundsätzlich hat jedoch jeder Einsatz von Videokameras in internen sowie in öffent-
lich zugänglichen Arbeitsräumen die Anwendung unterschiedlicher rechtlicher Rege-
lungen zur Folge.
45
3.Verfassungsrechtlicher Rahmen der Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Aufgrund der Rechtsprechung des BAG
46
herrscht Einigkeit darüber, dass bei der Vi-
deoüberwachung am Arbeitsplatz grundsätzlich unterschiedliche Grundrechtspostio-
nen von Arbeitgeber, Arbeitnehmer sowie Dritten berührt werden.
Auf zivilrechtlicher Ebene können sich Betroffene jedoch nur dann auf Grundrechts-
positionen berufen, wenn die Geltung der Grundrechte auch für das Arbeitsrecht bejaht
wird. Grundsätzlich sind die Grundrechte allerdings Abwehrrechte des Einzelnen ge-
gen den Staat und binden nach Art. 1 Abs. 3 GG nur Gesetzgebung, vollziehende Ge-
walt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
47
Demzufolge ließen sich
die Abwehrrechte von Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Dritten lediglich gegenüber
dem Staat erfassen. Damit hätten die Grundrechte keinerlei Wirkung auf das Privat-
rechtsverhältnis. Diese Auffassung entspricht jedoch nicht mehr der herrschenden
44
Vgl. Däubler, W.: Gläserne Belegschaften?, 2010, Rn. 2b.
45
Vgl. Tinnefeld, M.-T./Viethen, H-P.: Das Recht am eigenen Bild als besondere Form des allgemei-
nen Persönlichkeitsrechts, NZA 09/2003, S. 471.
46
Vgl. BAG v. 07.10.1987-5 AZR 116/86, NZA 03/1988, S. 92 ff.; BAG v. 27.03.2003-2 AZR 51/02,
NZA 21/2003, S. 1193 ff.; BAG v. 29.06.2004-2 AZR 326/03, NZA 22/2004, S. 1281 ff.; BAG v.
14.12.2004-1 ABR 34/03, AP BetrVG 1972 § 87, Überwachung, Nr. 42, B II, 2f, cc; BAG v.
26.08.2008-1 ABR 16/07, NZA 20/2008, S. 1190 ff.
47
Vgl. Richardi, R.: § 12 Grundrechte im Arbeitsverhältnis, in: Richardi, R. et al. (Hrsg.): Münchener
Handbuch zum Arbeitsrecht, 2009, Rn. 6.
12
Meinung und kann heute deshalb als überholt angesehen werden.
48
Im Mittelpunkt der
Diskussion steht vielmehr die Frage, ob eine unmittelbare oder eine mittelbare Dritt-
wirkung der Grundrechte anzunehmen ist.
Erstmalig aus der Begrenzung auf das unmittelbare Staat-Bürger-Verhältnis herausge-
löst wurden die Grundrechte durch die von Nipperdey begründete Lehre von der un-
mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Danach hat eine ganze Reihe von Grund-
rechten ,,die wichtige Funktion von Ordnungssätzen oder Grundsatznormen für die
gesamte Rechtsordnung"
49
. Laut Nipperdey verkörpert sich in ihnen eine objektive
Wertordnung. Er kommt deshalb zu dem Ergebnis:
Sie binden daher auch den Privatrechtsverkehr unmittelbar, dh. nicht erst auf Grund von Geset-
zen, die vom einfachen Gesetzgeber in Ausführung der Grundsatznorm erlassen worden sind.
50
Allerdings wird im heutigen Schrifttum
51
überwiegend und in der Rechtsprechung des
Arbeitsrechts
52
seit Mitte der 80-er Jahre durch das BAG ausschließlich die Lehre von
der mittelbaren Drittwirkung vertreten. Wie schon die Lehre von der unmittelbaren
Drittwirkung, erkennt auch diese Auffassung an, dass Grundrechte und Privatrecht
nicht lediglich in einem beziehungslosen Nebeneinander stehen. Grundrechte sind je-
doch subjektiv-rechtliche Freiheitssicherungen gegenüber dem Staat. Sie lassen sich
deshalb nicht einfach auf das Verhältnis Privater untereinander übertragen.
53
Daher
wirken sie vielmehr mittelbar über die wertausfüllungsfähigen bzw. wertausfüllungs-
bedürftigen zivilrechtlichen Generalklauseln
54
in die privatrechtlichen Rechtsverhält-
nisse und damit auch in die Beziehungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien.
55
3.1 Darstellung der grundrechtlich geschützten Interessen
Wie festgestellt, wirken die Grundrechte im Rahmen der Lehre von der mittelbaren
48
Vgl. Stern, K.: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/1, 1988, S. 1530.
49
Nipperdey, H.-C.: Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 14.
50
Ebd., S. 14.
51
Vgl. Armbrüster, C.: § 134 Gesetzliches Verbot, in: Säcker, F.-J./Rixecker, R. (Hrsg.): Münchener
Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2006, Rn. 34; Pfalzgraf, P.: Arbeitnehmerüberwachung,
2003, S. 47; Richardi, R.: § 12 Grundrechte im Arbeitsverhältnis, in: Richardi, R. et al. (Hrsg.): Mün-
chener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2009, Rn. 10ff.; Stern, K.: Das Staatsrecht der Bundesrepublik
Deutschland Band III/1, 1988, S. 1543.
52
Vgl. BAG v. 27.02.1985- GS 1/84, NZA 22/1985, S. 702 f.;
BAG v. 27.05.1986-1 ABR 48/84, NZA
19/1986, S. 645 hinsichtlich Art. 10 GG;
BAG v. 27.09.1994-GS 1/89, NZA 23/1994, S. 1085;
BAG
v. 25.02.1998-7 AZR 641/96, NZA 13/1998, S. 715 f.; BAG v. 11.03.1998-7 AZR 700/96, NZA
13/1998 S. 716 ff.
53
Vgl. Dürig, G.: Grundrechte und Privatrechtsprechung, in: Festschrift für Nawiasky, H.: Vom Bon-
ner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung, 1956, S. 176.
54
z. B. die §§ 138, 242, 315, 826 BGB; vgl. Oetker, H: Die Ausprägung der Grundrechte des Arbeit-
nehmers in der Arbeitsrechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, RdA 01/2004, S. 11; Stern, K.:
Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/1, 1988, S. 1543.
55
Stern, K.: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band III/1, 1988, S. 1543.
13
Drittwirkung nicht selbst verpflichtend für die einzelnen Personen, sondern entfalten
ihre Wirksamkeit durch das Medium der privatrechtlichen Bestimmung.
56
Dies hat zur
Folge, dass bei der Anwendung privatrechtlicher Vorschriften, die Ausstrahlungswir-
kung der grundrechtlich geschützten Interessen zu beachten ist.
Sofern also die Video-
überwachung auf zivilrechtlicher Ebene im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhält-
nisses durchgeführt wird, ist hierbei grundsätzlich eine Auswirkung der Schutzpflicht-
inhalte der Grundrechte anzunehmen. Nun stellt sich die Frage nach den von der Vi-
deoüberwachung am Arbeitsplatz berührten Grundrechtspositionen.
3.1.1 Grundrechte des Arbeitgebers
Grundsätzlich ist das Überwachungsbedürfnis des Arbeitgebers dem Wesen des Ar-
beitsvertrages immanent.
57
Wie weit der Arbeitgeber dieses Recht näher ausgestalten
kann, ist allerdings von seinen grundrechtlich geschützten Interessen abhängig. In Fra-
ge kommen dabei insbesondere Art. 12 und 14 GG, welche die grundlegenden wirt-
schaftlichen Bedürfnisse des Arbeitgebers schützen. Sofern der Arbeitgeber als inlän-
dische juristische Person organisiert ist, kann sich dieser gem. Art. 19 Abs. 3 GG auf
die besagten Grundrechte berufen.
58
3.1.1.1 Recht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG
Über den Art. 12 Abs. 1 GG wird die Freiheit der Auswahl und der Ausübung von er-
werbsbezogenen Tätigkeiten in allen denkbaren Formen als Teilnahme am Wettbe-
werb geschützt. Dabei ist zu beachten, dass die arbeitsvertragliche Stellung des Ar-
beitgebers bzw. Unternehmers keinen Beruf kennzeichnet, sondern nur eine bestimmte
Form der Berufsausübung. Diese kann aber als solche den Schutz des Art. 12 GG be-
anspruchen.
59
Berufsfreiheit bedeutet in diesem Zusammenhang die Handlungs- und
Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers in allen Bereichen, die in irgendeiner Form für
sein Unternehmen von Belang sein können.
60
Somit fällt auch die Betätigung als Un-
ternehmer unter den einheitlichen Begriff der Berufsfreiheit.
61
Die Handlungs- und
Berufsfreiheit umfasst u. a. insbesondere die Organisation des Produktionsprozesses
56
Vgl. BVerfG v. 15.01.1958-1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, 205.
57
Vgl. Ehmann, H.: Datenverarbeitung und Persönlichkeitsschutz im Arbeitsverhältnis, NZA Beilage
01/1985, S. 10.
58
Vgl. Dieterich, T.: GG-Einleitung, in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter
Kommentar zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 6.
59
Vgl. Dieterich, T.: GG Art. 12, in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter Kom-
mentar zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 6; BVerfG v. 01.03.1979-1 BvR 532/77, BVerfGE 50, 290, 362.
60
Vgl. Söllner, A.: Die Bedeutung des Art. 12 GG für das Arbeitsrecht, AuA 02/1991, S. 46.
61
Vgl. BVerwG v. 18.04.1985-3 C 34/84, NJW 46/1985, S. 2775; BVerwG v. 18.10.1990-3 C 2/88,
NJW 28/1991, S. 1766 f.
14
und die Personalplanung zur Sicherung des betrieblichen Arbeitsablaufs.
62
3.1.1.2 Recht auf Eigentum nach Art. 14 GG
Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers bzw. Unternehmers an einer Verhinderung
der missbräuchlichen Nutzung der Betriebsmittel berührt im besonderen Maße den
Schutzbereich des Art. 14 GG und beinhaltet damit eine Bedeutung für das Arbeits-
verhältnis.
63
Zunächst ist festzustellen, dass das Eigentum im verfassungsrechtlichen
Sinne mehr als das Sacheigentum nach § 903 BGB ist. Die Eigentumsgewährleistung
des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst nämlich jedes vermögenswerte Recht, das dem
Inhaber ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und
zur eigenen Verfügung zugeordnet ist.
64
Für den Arbeitgeber ist schließlich von Bedeutung, dass das Unternehmen bzw. der
eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb zwar nicht als geschützte Eigentumsposi-
tion anzusehen sind,
65
wohl aber seine Bestandteile. Damit erstreckt sich die Eigen-
tumsgewährleistung des Art. 14 GG u. a. über die verschiedenen materiellen und im-
materiellen Betriebsmittel, die im Betrieb organisatorisch zusammengefasst werden.
66
Dazu zählen insbesondere die Betriebs- und Produktionsmittel sowie Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse.
67
Außerdem wird durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das wirt-
schaftliche Interesse des Arbeitgebers an der störungsfreien Ausübung seines Gewer-
bebetriebes geschützt.
68
Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer keine Befugnis, das vom
Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Arbeitsmaterial zu privaten Zwecken zu benutzen,
wie dies z. B. bei ,,Bagatelldelikten" (siehe 2.3) oft der Fall ist. Es handelt sich näm-
lich hierbei um Arbeitnehmereigentum.
69
62
Vgl. Kaehler, B.: Individualrechtliche Zulässigkeit des Einsatzes psychologischer Testverfahren zu
Zwecken der betrieblichen Bewerberauswahl, DB 05/2006, S. 277 ff.
63
Vgl. Pfalzgraf, P.: Arbeitnehmerüberwachung, 2003, S. 57 f.
64
Vgl. Dieterich, T.: GG Art. 14, in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter Kom-
mentar zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 4.
65
Das Zivilrecht hat bisher kein konkretes Rechtsinstitut ,,Unternehmen" so verfestigt, dass es der
rechtl. Anerkennung bedürfte. Es verwendet nur einen Sammelbegriff für wirtschaftlich verbundene
Betriebsmittel, Rechte, Chancen und faktische Gegebenheiten; vgl. hierzu Dieterich, T.: GG Art. 14,
in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 5.
66
Vgl. Dieterich, T.: GG Art. 14, in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter Kom-
mentar zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 20.
67
Vgl. Richardi, R.: § 10 Grundrechte im Arbeitsverhältnis, in: Richardi, R./Wlotzke, O. (Hrsg.):
Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2000, Rn. 6; Wolff, H.-A.: Der verfassungsrechtliche Schutz
der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, NJW 02/1997, S. 98 ff.
68
Vgl. BAG v. 14.12.2004-1 ABR 34/03, AP BetrVG 1972 § 87, Überwachung, Nr. 42, B II, 2f, aa.
69
Vgl. Blomeyer, W.: § 53 Weitere Pflichten zur Unterlassung von Schädigungen des Arbeitgebers, in:
Richardi, R./Wlotzke, O. (Hrsg.): Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2000, Rn. 51.
15
3.1.2 Grundrechte des Arbeitnehmers
Einleitend wurde bereits auf die Videotechnik und die daraus resultierenden Möglich-
keiten der Arbeitnehmerkontrolle hingewiesen. So kann mittels einer Videoüberwa-
chung am Arbeitsplatz das Verhalten des einzelnen Arbeitnehmers sekundengenau,
ohne Unterbrechung und auch ohne Kenntnis über die Kotrollmaßnahme erfasst wer-
den. Dies wiederum birgt aus Sicht des Arbeitgebers und unter Anbetracht daten-
schutzrechtlicher Aspekte die Gefahr, dass verschiedene Grundrechtspositionen des
Arbeitnehmers (rechtswidrig) berührt werden.
70
Das Interesse des Arbeitnehmers da-
gegen besteht darin, keinem übermäßigen Überwachungsdruck ausgesetzt zu sein und
hinreichenden Schutz der Persönlichkeit im Arbeitsleben zu erreichen.
71
Im nächsten Schritt werden die durch eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz betrof-
fenen Grundrechtspositionen des Arbeitnehmers dargestellt. Hierbei kommen vor al-
lem das Recht auf Menschenwürde, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie als
dessen Ausprägungen das Recht am eigenen Bild, das Recht am eigenen Wort sowie
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Frage.
3.1.2.1 Würde des Menschen nach Art. 1 GG
Das Recht auf Menschwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG nimmt innerhalb der Grundrechte
den obersten Rang ein und beherrscht somit alle anderen Verfassungsbestimmungen.
72
Folglich lässt sich die Wirkungsweise der Menschenwürdegarantie nur im Kontext mit
den übrigen Grundrechten deutlich machen. So dient sie ihnen als Richtschnur, als
Substanzgarantie und als Auffangtatbestand. Weil jedoch die Menschenwürde eine
grundlegende Bedeutung für alle anderen Verfassungsbestimmungen beinhaltet, lässt
sich der Schutzbereich nur schwierig bestimmen. Allgemein verstanden, dürfte aller-
dings die Menschenwürdegarantie die elementare Substanz menschlicher Persönlich-
keit schützen, mithin den Kernbereich der Individualität, Identität und Integrität.
73
Für
eine Konkretisierung bedarf es letztlich der Betrachtung der Umstände und der Intensi-
tät des Eingriffs in die Lebenssphäre des Einzelnen, somit der Auslegung des konkre-
ten Einzelfalls.
74
70
Vgl. BAG v. 29.06.2004-2 AZR 326/03, NZA 22/2004, S. 1280; BAG v. 14.12.2004-1 ABR 34/03,
AP BetrVG 1972 § 87, Überwachung, Nr. 42, B I; BAG v. 26.08.2008-1 ABR 16/07, NZA 20/2008,
S. 1189.
71
Vgl. Pfalzgraf, P.: Arbeitnehmerüberwachung, 2003, S. 63 f.
72
Vgl. BVerfG v. 16.01.1957-1 BvR 253/56, BVerfGE
6, 32, 46;
BVerfG v. 12.11.1997-1 BvR
479/92, BVerfGE 96, 375, 399;
BVerfG v. 03.03.2004-1 BvR 2378/98, NJW 2004, S. 1001; Fechner,
F.: Medienrecht, 2002, S. 22 f.;
73
Vgl. Dieterich, T.: GG Art. 1, in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter Kommen-
tar zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 6 ff.
74
Vgl. BVerfG v. 15.12.1970-2 BvF 1/69, BVerfGE 30, 1, 25.
16
Aus arbeitsrechtlicher Sicht hat der Art. 1 Abs. 1 GG eine grundlegende Bedeutung, da
auf diesem Grundrecht der Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers gestaltet
wird.
75
3.1.2.2 Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Das im Rahmen einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz wichtigste Recht, welches
vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden kann, ist das Allgemeine Persönlichkeits-
recht. Im Grundgesetz wird dieses nicht ausdrücklich erwähnt, sondern wurde vom
BVerfG
76
und dem BGH
77
aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als sog.
Rahmenrecht hergeleitet.
78
Dies bedeutet, dass die Rechtswidrigkeit der Verletzung
des Persönlichkeitsrechts erst aufgrund einer Güter- und Pflichtenabwägung festge-
stellt werden kann.
79
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die persönliche In-
tegrität des Menschen
80
und zielt darauf ab, die mit der Menschenwürdegarantie des
Art. 1 Abs. 1 GG eng verbundene Persönlichkeitssphäre und somit die Grundbedin-
gungen der Menschenwürde zu gewährleisten.
81
Es dient damit dem notwendigen Per-
sönlichkeitsschutz des Einzelnen vor rechtswidrigen Eingriffen in seine Sozial-, Pri-
vat- und Intimsphäre.
82
Ferner ergänzt es als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziel-
len, "benannten" Freiheitsrechte, die alle mittelbar auch dem Schutz der Persönlichkeit
dienen. Insoweit kann das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Auffanggrundrecht be-
zeichnet werden. Inhalt und Gewährleistungsumfang des Allgemeinen Persönlichkeits-
rechts werden durch Richterrecht konkretisiert.
83
Als objektive Norm gilt sein Rechtsgehalt auch im Privatrecht. Allerdings ist im Hin-
blick auf das Privatrecht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Grundrecht vom Zi-
75
Vgl. Zöllner, W./Loritz, K.-G.: Arbeitsrecht, 1998, S. 95.
76
Vgl. BVerfG v. 31.01.1973-2 BvR 454/71, NJW 20/1973, S. 892; BVerfG v. 14.02. 1973-1 BvR
112/65, NJW 28/1973, S. 1223;
BVerfG v. 05.06.1973-1 BvR 536/72, NJW 28/1973, S. 1227;
BVerfG v. 03.06.1980-1 BvR 185/77, NJW 38/1980, S. 2070;
BVerfG v. 15.12.1983-1 BvR 209, 269,
362, 420, 440, 484/83, NJW 08/1984, S. 421; BVerfG v. 07.05.1997-1 BvR 1974/93, NJW 40/1997,
S. 2670.
77
Vgl. BGH v. 25.05.1954- I ZR 211/53, NJW 38/1954, S. 1404; BGH v. 14.02.1958- I ZR 151/56,
BGHZ 26, 349, 354; BGH v. 10.03.1987-VI ZR 244/85, NJW 42/1987, S. 2667; BGH v. 13.11.1990-
VI ZR 104/90, NJW 24/1991, S. 1533; BGH v. 05.12.1995-VI ZR 332/94, NJW 15/1996, S. 985;
BGH v. 19.12.1995-VI ZR 15/95, NJW 17/1996, S. 1129.
78
Vgl. Epping, V.: Grundrechte, 2007, S. 261.
79
Vgl. Prinz, M./Peters, B.: Medienrecht, 1999, S. 63.
80
Vgl. Schmidt, I.: GG Art. 2, in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter Kommentar
zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 36.
81
Vgl. Heuchemer, M.: Lexikon des Strafrechts Persönlichkeitsrecht, in: von Heintschel-Heinegg, B.
(Hrsg.): Beck´scher Online-Kommentar StGB, 2009, Rn. 1; BVerfG v. 03.06.1980-1 BvR 185/77,
NJW 38/1980, S. 2070; BVerfG v. 13.05.1986-1 BvR 1542/84, NJW 30/1986, S. 1860.
82
Vgl. BVerfG v. 03.06.1987-1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369, 379 ff.
83
Vgl. Schmidt, I.: GG Art. 2, in: Müller-Glöge, R./Schmidt, I./Preis, U. (Hrsg.): Erfurter Kommentar
zum Arbeitsrecht, 2010, Rn. 36 f.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (eBook)
- 9783842833555
- Dateigröße
- 714 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Paderborn – Wirtschaftswissenschaften
- Erscheinungsdatum
- 2014 (März)
- Note
- 1,0
- Produktsicherheit
- Diplom.de