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Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme für gewerbliche Bestandsgebäude im Vergleich: Eine Entscheidungsgrundlage

©2012 Bachelorarbeit 122 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung:
1.1, Problemstellung:
Die Baubranche kann wie kaum eine andere Branche einen entscheidenden, gesellschaftsrelevanten Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Rund 40 % des bundesdeutschen Endenergieverbrauchs und ca. ein Drittel der Kohlenstoffdioxid-Emissionen sind dem Gebäudebereich zuzurechnen und die Einsparpotenziale sind enorm hoch. Die Bundesregierung hat als Ziel bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand definiert, welcher mit der bevorstehenden Energiewende eng verknüpft ist. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es großer Anstrengungen und die Immobilienwirtschaft steht dabei in zentraler Position. Nachhaltigkeit ist das Stichwort in dieser Aufgabenstellung. Dieser Begriff ist allerdings in der Öffentlichkeit oft zu einer Worthülse geworden, die mit allerlei Bedeutungen gefüllt wird. ‘Existierende Gebäude und Studien zeigen das 50 bis 80 % in der Energieproduktivität rentabel machbar sind.’ Büro- und Verwaltungsgebäude bilden einen gewichtigen Teil dieser Bestandsgebäude. Aufgrund ihrer Größe, des Nutzungszwecks und der Marktanforderungen sind sie im Besonderen prädestiniert für eine Überprüfung, bei der große Einsparpotenziale aufgedeckt und Synergieeffekte genutzt werden können. Was der Markt dabei verlangt und welche Strategie diesbezüglich mit den Immobilienportfolios verfolgt wird, gilt es zu entscheiden. Die Anforderungen durch Gesetzte und Verordnungen, nicht nur zur Energieeinsparung, steigen. In diesem Zusammenhang wird auch immer öfter Notwendigkeit und Nutzen von Nachhaltigkeitszertifikaten diskutiert. Wann eine Zertifizierung sinnvoll ist und für wen, sind Fragen, die sich die Entscheider dabei stellen müssen. Nachhaltigkeitszertifizierungen von Gebäuden werden zahlreicher, wie auch in den Kernstandorten der deutschen Immobilienwirtschaft zu erkennen ist. Im Kanon der wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema ist davon mehrfach zu lesen, doch tun sich weitere Fragen in diesem Zusammenhang auf. Es gibt vielfältige Gründe Bestandsimmobilien zertifizieren zu lassen, aber mit welchem am Markt verfügbaren System? Darüber hinaus setzt eine solche Entscheidung ein grundlegendes Verständnis der verfügbaren Zertifizierungssysteme voraus. Ökonomisches und ökologisches Handeln muss keinen Zielkonflikt darstellen, aber wie ist das konkret zu bewerkstelligen und an die Stakeholder zu kommunizieren? [...]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Wolny, Dietmar A.: Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme für gewerbliche
Bestandsgebäude im Vergleich: Eine Entscheidungsgrundlage, Hamburg,
Diplomica Verlag GmbH 2013
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3508-5
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2013
Zugl. Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Berlin, Deutschland, Bachelorarbeit,
Juli 2012
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http://www.diplom.de, Hamburg 2013
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ... 4
1
Einleitung ... 7
1.1
Problemstellung ... 7
1.2
Zielsetzung ... 8
1.3
Vorgehensweise ... 8
2
Grundlagen ... 9
2.1
Nachhaltigkeit ... 9
2.1.1
Politischer Diskurs ... 9
2.1.2
Leitmarkt Nachhaltiges Bauen ... 12
2.1.3
Nachhaltigkeit bei Immobilien ... 14
2.1.4
Begriffe für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft ... 15
2.2
Definition Bestandsgebäude ... 19
2.2.1
Zeitliche Frist nach Baufertigstellung ... 19
2.2.2
Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Gebäudes ... 20
2.3
Begriffe und Aufgaben in der Immobilienwirtschaft ... 21
2.3.1
Immobilienmanagement ­ Definition und Ziele ... 22
2.4
Relevante Normen ... 24
2.5
Grundlagen der Zertifizierung ... 25
2.5.1
Entwicklung der Zertifizierungssysteme für Gebäude ... 26
2.5.2
Anforderungen an Zertifizierungssysteme für Gebäude ... 29
2.5.3
Vorteile einer Nachhaltigkeitszertifizierung ... 30
2.5.4
Neubau vs. Bestandsgebäude ... 32
3
Immobilienwirtschaft ... 34
3.1
Vorgehen ... 34
3.2
Corporate Responsibility ... 35
3.3
Strategie ... 37
3.4
Zielkonflikt zwischen Nutzern und Investoren ... 39
3.5
Green Leases ... 42
3.6
Risiken bei Bestandsimmobilien ... 43
3.7
Zertifizierungsbeispiele ... 45
3.8
Zusammenfassung ... 47
3.9
Entscheidungskriterien ... 47
4
Zertifizierungssysteme im Detail ... 49
4.1
Relevante Zertifizierungssysteme ... 49
4.2
BREEAM ... 51
4.2.1
BREEAM In-use ... 52

Inhaltsverzeichnis
3
4.2.2
BREEAM In-use DE ... 54
4.2.3
Zertifizierungsprozess ... 56
4.2.4
Kosten ... 57
4.2.5
Marktpotenzial ... 58
4.2.6
Kritik ... 58
4.3
LEED ... 59
4.3.1
LEED Existing Buildings: Operations and Maintenance ... 61
4.3.2
Zertifizierungsprozess ... 62
4.3.3
Kosten ... 65
4.3.4
Marktpotenzial ... 66
4.3.5
Kritik ... 67
4.4
DGNB ... 68
4.4.1
Bestand Büro und Verwaltungsgebäude 2012 ... 69
4.4.2
Kosten ... 70
4.4.3
Bewertungsmethodik ... 72
4.4.4
Marktpotenzial ... 73
4.4.5
Kritik ... 73
5
Systemvergleich ... 74
5.1
Struktureller Vergleich ... 74
5.2
Unterscheidungsmerkmale ... 78
5.3
Systemverbreitung in Europa ... 79
5.4
Systemverbreitung in Deutschland ... 81
5.5
Hinweise für den Zertifizierungsprozess ... 82
5.6
Abgleich der Anforderungen und Kriterien: Entscheider ­ Systeme ... 83
6
Fazit ... 84
6.1
Zusammenfassung ... 84
6.2
Ergebnis ... 85
6.3
Ausblick ... 86
Literaturverzeichnis ... 88
Internetquellen ... 91
Bilderverzeichnis ... 96
Tabellenverzeichnis ... 97
Anhang A ... 99
Anhang B ... 112

Abkürzungsverzeichnis
$ Dollar
Euro
ABRI
Architecture and Building Research Institut
ASHREA
American Society of Heating, Refrigerating and Air-
Conditioning Engineers
BCA Singapur
Building & Construction Authority
BGB Bürgerliches
Gesetzbuch
BGF
Brutto-Grundfläche
BHKW Blockheizkraftwerk
BIP Bruttoinlandsprodukt
BMU
Bundesministeriums für Umwelt
BMVBS
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung
BNB
Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen
BRE
Building Research Establishment
BREEAM
Building Research Establishment Environmental
Assessment Method
bzw.
beziehungsweise
CASBEE
Comprehensive Assessment System for Building
Environmental Efficiency
CEN
Comité Européen de Normalisation
CR
Corporate Responsibility
CSR
Corporate Social Responsibility
CZ Tschechische
Republik
DGNB
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V.
DIFNI
Deutsches Privates Institut für Nachhaltige
Immobilienwirtschaft GmbH & Co. KG
DIN
Deutsche Institut für Normung e. V.
DRESO
Drees & Sommer
e.V.
eingetragener Verein
EBOM
Existing Buildings: Operations & Maintenance
ect. et
cetera
EnEV Energieeinsparverordnung
EPA
Environmental Protection Agency
EPBD
Energy Performance of Buildings Directive
EU Europäische
Union
FM Facility
Management
GBCI
Green Building Certification Institute
GBP
Great Britain Pound
GEFMA
German Facility Management Association
Green Star NZ
Green Star New Zealand

Abkürzungsverzeichnis
5
HGB Handelsgesetzbuch
HK Beam
Hong Kong Building Environmental Assessment
Method
HQE
Haute Qualité Environnementale
IBU
Institut Bauen und Umwelt e.V.
IEA
International Energy Agency
Inc.
Incorporated (Zusatz für eine
amerikanische/kanadische Unternehmensform)
IPCC
Intergovernmental Panel on Climate Change
ISO
International Organization for Standardization
k.A.
keine Angabe
K.-o.-Kriterien
Knocked Out-Kriterium (im Sinne von
Mindestanforderung)
LEED
Leadership in Energy and Environmental Design
Ltd.
Limited (britische Unternehmensform)
m
Meter
m² Quadratmeter
NABERS
National Australian Built Environment Rating System
NSO
National Scheme Operator
o.ä.
oder ähnliche
ÖGNI
Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige
Immobilienwirtschaft
PDF
Portable Document Format
REMI
Real Estate Management Institute
RICS
Royal Institution of Chartered Surveyors
S. Seite
SA South
Africa
SB Tool
Sustainable Building Tool
SBAT
Sustainable Building Assessment Tool
SRI
Socially Responsible (Property) Investment
TGA Technische
Gebäudeausrüstung
TGBRS
TERI Green Building Rating System
TÜV
Technischer Überwachungs-Verein
u.a.
unter anderem; und andere
UNEP
United Nations Environment Programme
UNO
United Nations Organization
US United
States
USA
United States of America
USD
United States Dollar
USGBC
US Green Building Council
USGBC
United States Green Building Council
usw.
und so weiter
VDI
Verein Deutscher Ingenieure
vgl.
vergleiche
VOB
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen
vs. versus

Abkürzungsverzeichnis
6
WBCSD
World Business Council for Sustainable Development
WGBC
World Green Building Council
z.B. zum
Beispiel

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Baubranche kann wie kaum eine andere Branche einen entscheidenden,
gesellschaftsrelevanten Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Rund 40 % des
bundesdeutschen Endenergieverbrauchs
1
und ca. ein Drittel der Kohlenstoffdioxid-
Emissionen sind dem Gebäudebereich zuzurechnen und die Einsparpotenziale sind enorm
hoch. Die Bundesregierung hat als Ziel bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand
definiert, welcher mit der bevorstehenden Energiewende eng verknüpft ist.
2
Um dieses Ziel
zu erreichen, bedarf es großer Anstrengungen und die Immobilienwirtschaft steht dabei in
zentraler Position. Nachhaltigkeit ist das Stichwort in dieser Aufgabenstellung. Dieser
Begriff ist allerdings in der Öffentlichkeit oft zu einer Worthülse geworden, die mit allerlei
Bedeutungen gefüllt wird. ,,Existierende Gebäude und Studien zeigen das 50 bis 80 % in
der Energieproduktivität rentabel machbar sind."
3
Büro- und Verwaltungsgebäude bilden
einen gewichtigen Teil dieser Bestandsgebäude. Aufgrund ihrer Größe, des
Nutzungszwecks und der Marktanforderungen sind sie im Besonderen prädestiniert für
eine Überprüfung, bei der große Einsparpotenziale aufgedeckt und Synergieeffekte genutzt
werden können. Was der Markt dabei verlangt und welche Strategie diesbezüglich mit den
Immobilienportfolios verfolgt wird, gilt es zu entscheiden. Die Anforderungen durch
Gesetzte und Verordnungen, nicht nur zur Energieeinsparung, steigen. In diesem
Zusammenhang wird auch immer öfter Notwendigkeit und Nutzen von
Nachhaltigkeitszertifikaten diskutiert. Wann eine Zertifizierung sinnvoll ist und für wen,
sind Fragen, die sich die Entscheider dabei stellen müssen. Nachhaltigkeitszertifizierungen
von Gebäuden werden zahlreicher, wie auch in den Kernstandorten der deutschen
Immobilienwirtschaft zu erkennen ist.
4
Im Kanon der wissenschaftlichen und
nichtwissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema ist davon mehrfach zu lesen,
doch tun sich weitere Fragen in diesem Zusammenhang auf. Es gibt vielfältige Gründe
Bestandsimmobilien zertifizieren zu lassen, aber mit welchem am Markt verfügbaren
System? Darüber hinaus setzt eine solche Entscheidung ein grundlegendes Verständnis der
verfügbaren Zertifizierungssysteme voraus. Ökonomisches und ökologisches Handeln
1
Die Endenergie ist die Energie in der Form, wie sie beim Konsument ankommt, etwa von Brenn- und
Treibstoffen oder elektrischer Energie. Siehe: Energielexikon (30.05.2012), Internetquelle
2
Vgl. Ziel 2050 (30.05.2012), Internetquelle
3
Weizsäcker (2009), S. 97
4
Basierend auf einer eigenen Untersuchung. Siehe Anhang B

1 Einleitung
8
muss keinen Zielkonflikt darstellen, aber wie ist das konkret zu bewerkstelligen und an die
Stakeholder
5
zu kommunizieren? Kosten und Folgekosten der Zertifizierungen sind ein
weiterer Punkt, der bei Entscheidungen eine Rolle spielt. Von der Regierung werden
steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten angekündigt, die Steuerberater dazu veranlassen
an ihren Kunden kommunizieren, hier mit einer Strategie des Abwartens zu reagieren. Die
Verantwortlichen der Immobilienwirtschaft müssen Entscheidungen fällen, welche ­
bezogen auf die jeweiligen Immobilienportfolios ­ beträchtliche Auswirkungen auf die
zukünftige Wertentwicklung haben können, wobei auch der Zeitpunkt einer Entscheidung
von zentraler Bedeutung ist.
1.2 Zielsetzung
Resultierend aus der in Abschnitt 1.1 beschriebenen Problemstellung haben sich die
Aufgabenstellung und Zielsetzung der vorliegenden Arbeit entwickelt. Anspruch dieser
Studie ist es, neben der Beschreibung der relevanten, grundlegenden Begrifflichkeiten,
eine Übersicht der zurzeit am Markt verfügbaren, relevanten Nachhaltigkeits-
zertifizierungssysteme für bestehende, gewerbliche Büro- und Verwaltungsgebäude in
Deutschland, aufzuzeigen. Dabei soll herausgestellt werden, welche Besonderheiten im
jeweiligen System vorliegen und nach welchen Kategorien die Qualitätsbewertung
aufgebaut ist. Des Weiteren geht die Untersuchung auf die wirtschaftliche Bedeutung der
Nachhaltigkeitszertifikate für die Immobilienbranche, nicht nur unter Marketingaspekten,
ein. Hier soll herausgefunden werden, welche Kriterien auf Seiten der
Immobilienwirtschaft die größte Bedeutung haben. Mit einem systematischen Vergleich
der ausgewählten Zertifikate und einer abschließenden Zusammenfassung der Ergebnisse,
will die vorliegende Arbeit als Entscheidungsgrundlage dienen.
1.3 Vorgehensweise
Einleitend werden Grundlagen zum Verständnis der späteren Diskussion erörtert. Im
Anschluss untersucht die Studie die deutsche Immobilienwirtschaft daraufhin, welche
Kriterien und Anforderungen die Entscheider der Branche an ein Zertifizierungssystem für
gewerbliche Bestandsgebäude haben. Hiernach sollen die relevanten
Zertifizierungssysteme vorgestellt, analysiert und verglichen werden. Daraus resultierend
werden die Kriterien und Anforderungen der Zertifizierungssysteme mit denen der
Entscheider abgeglichen und ein Resümee gezogen.
5
Als Stakeholder wird eine Person oder Gruppe bezeichnet, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder
Ergebnis eines Prozesses oder Projektes hat.

2 Grundlagen
Um eine fachgerechte, präzise und nachvollziehbare Diskussion über das Thema der
Zertifizierung von Bestandsimmobilien unter verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit
zu führen, werden vorab einige dieser Begriffe oder Themengebiete definiert, erläutert und
voneinander abgegrenzt.
2.1 Nachhaltigkeit
Zunächst wird dargestellt, wie sich die politische Diskussion um den Begriff der
Nachhaltigkeit entwickelt hat und die internationale Umweltpolitik bis zum jetzigen
Zeitpunkt in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt ist. Diese Darstellung ist für die
vorliegende Studie von weitreichendem Interesse, weil das Verständnis der verschiedenen
Definitionen des Begriffs der Nachhaltigkeit daraus hervorgeht und somit seine steigende
gesellschaftliche Bedeutung transparenter wird. Für zukünftige Investitionsentscheidungen
in Bezug auf Immobilien ist der Nachhaltigkeitsaspekt kaum auszuklammern ­ seine
Relevanz ist nicht zu unterschätzen. Darauf aufbauend wird der Begriff in seinem
Zusammenhang mit der Immobilienwirtschaft erläutert und definiert.
Die ursprüngliche Definition des Begriffes der Nachhaltigkeit entstammt einer
forstwirtschaftlichen Abhandlung mit Namen ,,Sylvicultura Oeconimica" aus dem Jahr
1713, welche von dem sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz verfasst
wurde. In dieser Abhandlung thematisiert von Carlowitz den zunehmenden Holzbedarf und
weist auf eine Übernutzung der Wälder hin.
6
Diese rein ressourcenökonomische
Interpretation von Nachhaltigkeit hatte bis ins 20. Jahrhundert hinein Bestand. In den
letzten Jahrzehnten hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit jedoch zunehmend von seiner
fachspezifischen Bedeutung gelöst und ist zu einem politischen wie gesellschaftlichen
Leitkonzept geworden.
2.1.1 Politischer
Diskurs
Mit dem Bericht ,,Limits to Growth", zu Deutsch ,,Grenzen des Wachstums", der vom
Club of Rome
7
in Auftrag gegeben wurde und 1972 erschien, begann die politische
6
Vgl. Carlowitz (1732), S. 105­106
7
Der Club of Rome ist eine Vereinigung von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und
Politik aus allen Regionen unserer Erde. Er wurde 1968 von Aurelio Peccei und Alexander King ins Leben
gerufen, mit dem Ziel, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen

2 Grundlagen
10
Diskussion über das Thema Nachhaltigkeit auf internationalem Parkett.
8
Im selben Jahr
fand die UNO-Weltkonferenz über die menschliche Umwelt in Stockholm statt. Diese
Konferenz wird allgemein als Anfang der internationalen Umweltpolitik gesehen.
9
112
Mitgliedstaaten verpflichteten sich hier zur Zusammenarbeit beim Umweltschutz und das
United Nations Environment Programme (UNEP)
10
wurde gegründet. Diese Organisation
agiert noch heute als bedeutende Instanz im internationalen Umweltschutz. Als weiterer
Meilenstein im politischen Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit ist die 1987 als
,,Brundtland Report"
11
bekannt gewordene Veröffentlichung zu nennen. Den Namen trägt
der Bericht aufgrund der Vorsitzenden der Weltkommission für Umwelt und
Entwicklung
12
, der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland.
Die eigentliche Bezeichnung des Berichts lautet ,,Our Common Future" (,,Unsere
gemeinsame Zukunft"). Dieses Papier ist eines der am häufigsten zitierten Werke der
Umwelt- und Entwicklungsliteratur
13
und definiert das Konzept der nachhaltigen
Entwicklung auf zwei Arten:
1.
Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart
befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse
nicht befriedigen können.
14
2.
Im wesentlichen ist dauerhafte Entwicklung ein Wandlungsprozess, in dem die
Nutzung von Ressourcen, das Ziel von Investitionen, die Richtung technologischer
Entwicklung und institutioneller Wandel miteinander harmonieren und das
derzeitige und künftige Potenzial vergrößern, menschliche Bedürfnisse und
Wünsche zu erfüllen.
15
Die in Punkt eins genannte Definition der generationsübergreifenden, ökologischen
Gerechtigkeit ist Bestandteil der meisten danach vereinbarten internationalen
8
Vgl. Club of Rome (23.05.2012), Internetquelle
9
Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit (23.05.2012), Internetquelle
10
Umweltorganisation der Vereinten Nationen
11
Vgl. Brundtland Report (23.05.2012), Internetquelle
12
Im englischen Original: World Commission on Environment and Development (WECD)
13
Vgl. Wiki Brundtland Bericht (23.05.2012), Internetquelle
14
Harlem (1987), S. 51, Absatz 49
15
Harlem (1987), S. 49

2 Grundlagen
11
Umweltabkommen. Im Brundtland Report wurde erstmals das Leitbild einer nachhaltigen
Entwicklung definiert und damit die Grundlage für eine neue Politikstrategie geschaffen.
Die bis zu dem Zeitpunkt einzeln betrachteten Bereiche der Umweltpolitik, des Wachstums
der Städte, des Artensterbens, der Wüstenausbreitung, und der Nahrungsmittelversorgung
in Zusammenhang mit dem Bevölkerungswachstum wurden nun integrativ betrachtet.
Schlussfolgernd wurde klar, dass diese Probleme nicht durch Einzelmaßnahmen gelöst
werden können.
Der folgende Meilenstein war wiederum ein Dokument, welches als Agenda21
16
bekannt
ist. Die als eines von fünf Dokumenten auf der UNO-Konferenz über Umwelt und
Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 erarbeitete Agenda21 ist ein entwicklungs- und
umweltpolitisches Aktionsprogramm für das 21.
Jahrhundert, ein Leitpapier zur
nachhaltigen Entwicklung. Vielerorts ist diese Agenda zur Leitlinie öffentlichen Handels
geworden.
17
Sie wird lokal von zahlreichen Städten und Gemeinden adaptiert, wobei
grundsätzlich die Kriterien Ökonomie, Ökologie, soziale Ziele und Nachhaltigkeit gelten.
18
Als ergänzende nationale politische Initiative kann die im Februar 1992 vom Deutschen
Bundestag eingerichtete Enquete-Kommission
19
,,Schutz des Menschen und der Umwelt-
Wege zum nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen" gesehen werden, welche
ab 1995 ihre Arbeit unter dem Titel ,,Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltigen
zukunftsverträglichen Entwicklung" fortsetzte.
20
In der Diskussion zur Nachhaltigkeit
wurde von der Kommission das Drei-Säulen-Modell, dessen Ursprung nicht genau
herzuleiten ist, aufgenommen und definiert: ,,Die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und
soziale Ziele sollen gleichberechtigt und gleichwertig zueinander stehen und so ,eine
dreidimensionale Perspektive` (Enquete-Kommission) für eine nachhaltige
Gesellschaftspolitik formen. Ziel dabei ist die Sicherstellung und Verbesserung
ökologischer, ökonomischer und sozialer Leistungsfähigkeit. Diese bedingen einander, so
die Kommission, und können nicht ,teiloptimiert` werden."
21
Das Thema Nachhaltigkeit
16
Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit II (23.05.2012), Internetquelle
17
Vgl. Agenda21 (23.05.2012), Internetquelle
18
Vgl. Lokale Agenda Berlin (23.05.2012), Internetquelle
19
Enquete-Kommissionen sind vom deutschen Bundestag oder von einem Landesparlament eingesetzte
überfraktionelle Arbeitsgruppen, die langfristige Fragestellungen lösen sollen, in denen unterschiedliche
juristische, ökonomische, soziale oder ethische Aspekte abgewogen werden müssen
20
Vgl. BBSR Bericht Kompakt (2010), S. 3
21
Der aktuelle Begriff- Nr. 06/2004, S. 2. (23.05.2012), Internetquelle

2 Grundlagen
12
und seine gesellschaftliche Integration sind seither in der deutschen Politik verankert und
haben sich in mehreren Schritten bis zum jetzigen Zeitpunkt weiterentwickelt. 2002 wurde
die nationale Nachhaltigkeitsstrategie unter dem Titel ,,Perspektiven für Deutschland"
verabschiedet, in der, mittels 21 Indikatoren aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und
Gesellschaft, Entwicklungen kontinuierlich beobachtet werden. Seit dem Jahr 2004 legt die
Bundesregierung mit dem alle vier Jahre erscheinenden Fortschrittsbericht ein Monitoring
ihrer Nachhaltigkeitsstrategie vor. Mit dem seit 2006 zweijährig veröffentlichten
Indikatorenbericht dokumentiert das statistische Bundesamt die Fortschritte der
Nachhaltigkeitsentwicklung in der Bundesrepublik. 2009 wurde im Koalitionsvertrag das
Leitbild der Nachhaltigkeit verbindlich verankert. Demnach soll der Bund besonders im
Baubereich, auch zukünftig seiner Vorbildfunktion für Baukultur und Nachhaltigkeit bei
seinen Baumaßnahmen entsprechend, handeln.
22
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung hat zu diesem Zweck das ,,Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen
für Bundesbauten" für Gebäude der öffentlichen Hand entwickelt.
2.1.2 Leitmarkt Nachhaltiges Bauen
Den Akteuren der heutigen Immobilienwirtschaft ist bewusst, dass die Umsetzung
ressourcenschonender Konzepte und der Einsatz von energiesparenden Technologien kein
ökonomisches Minusgeschäft mehr ist, sondern sich, im Gegenteil, ein Mehrwert daraus
generieren lässt. Ebenfalls können dadurch Alleinstellungsmerkmale erarbeitet werden, die
dem Werterhalt der Gebäude zuträglich sind. Die Europäische Kommission hat 2007 bei
der Leitmarktinitiative nachhaltiges Bauen als einen von sechs Leitmärkten benannt. Die
Intention dabei war, innovationsfreundliche Märkte zu benennen, die das wirtschaftliche
Potenzial haben, ihr Volumen bis 2020 zu verdoppeln und eine beträchtliche Zahl an
Arbeitsplätzen zu schaffen.
23
Diese Märkte sollen auf koordinierte Weise gefördert werden
und die entsprechend benannten Ziele dabei Vorteile für Wirtschaft und Verbraucher in
ganz Europa erreichen. Die Kommission ging 2007 davon aus, dass 7 % aller Arbeitsplätze
in der EU zu diesem Zeitpunkt dem nachhaltigen Bauen zugerechnet werden können. Der
resultierende Aktionsplan sah für diesen Markt vor:
22
Vgl. BBSR Bericht Kompakt (2010), S. 3
23
Vgl. ebenda

2 Grundlagen
13
· Den Geltungsbereich der Richtlinie über die Gesamteffizienz von Gebäuden
(2002/91/EG) aus[zu]weiten und EU-weite Energieeffizienzziele für neue und
renovierte Gebäude ein[zu]führen,
· die Entwicklung europäischer Standards an[zu]stoßen, welche die Nachhaltigkeit
von Bautechniken berücksichtigen.
24
Kritik an der Initiative übt Dr. Bert Van Roosebeke vom Zentrum für europäische Politik,
der in einer Analyse zu dieser Veröffentlichung schreibt: ,,Die Festlegung und Förderung
einzelner Märkte durch die EU-Kommission ist ordnungspolitisch abwegig. Letztlich läuft
die Förderung auf Subventionen unterschiedlicher Art hinaus, die mit einem
funktionierenden Markt nicht vereinbar sind."
25
Welche Meinung man auch vertreten
möchte, deutlich wird hierbei, dass die Thematik des nachhaltigen Bauens von
internationaler Bedeutung ist. Auf höchster, politischer Ebene werden Strategien
entwickelt, um eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen.
Nachhaltigkeitszertifizierungen von Gebäuden sind ein Teil des benannten Marktes ­ bzw.
ein Instrument mit dessen Hilfe, und der eines unabhängigen Dritten, die nachhaltigen
Eigenschaften verifiziert werden können.
Die Ergebnisse einer 2008 durchgeführten Studie unter 200 Führungskräften aus der
deutschen Immobilienwirtschaft (vgl. Abbildung 1 weiter unten) dokumentieren, dass in
der Wirtschaft ein Bewusstsein für die nachhaltigen Aspekte bei Immobilien vorhanden ist
­ deren Bedeutung nach Meinung der Führungskräfte zukünftig noch steigen wird. In
neueren Studien ist derselbe Trend zu identifizieren. Somit kann abschließend festgestellt
werden, dass die Masse der Befragten mit Ihrer Zukunftsschau richtig lag und sich der
Meinungstrend der Spitzenkräfte fortsetzt.
24
Vgl. Van Roosebeke (2008), S. 2
25
Centrum für Europäische Politik (03.06.2012), Internetquelle

2 Grundlagen
14
Abbildung 1 ­ Beeinflussung der Kaufentscheidung durch Nachhaltigkeit
2.1.3 Nachhaltigkeit bei Immobilien
Das eingangs beschriebene Drei-Säulen-Modell kann ebenso in der Immobilienbranche
angewendet werden. Die meisten Zertifizierungssysteme basieren auf diesem Konzept oder
beziehen es mit ein. Allerdings verstehen nicht alle Akteure in der deutschen
Immobilienwirtschaft das Gleiche unter dem Begriff der Nachhaltigkeit und so ist eine
Begriffsdefinition nötig
26
, wie eine Studie des Real Estate Management Instituts von 2009
zeigte.
27
26
Vgl. Rottke (2010), S. 34
27
Real Estate Management Institut (REMI): Umweltbewusstsein in der deutschen Immobilienwirtschaft,
2009. Der Studie des REMI war eine E-Mail-Umfrage unter 2275 Akteuren der deutschen
Immobilienwirtschaft vorausgegangen. Sie wurde im Zeitraum vom 3. Dezember 2008 bis zum 13. Februar
2009 durchgeführt. Die Rücklaufquote betrug 7,7 % (175 Fragebögen)

2 Grundlagen
15
Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, stimmten nur 4,7 % der Aussage zu, dass der Begriff der
Nachhaltigkeit klar definiert ist. Der überwiegende Teil der befragten Akteure ist also
unsicher in der Auslegung. Im folgenden Abschnitt wird deshalb eine Abgrenzung der
verschiedenen Begriffe, die in der Immobilienwirtschaft in Zusammenhang mit der
Bedeutung von Nachhaltigkeit genutzt werden, vorgenommen.
2.1.4 Begriffe für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft
Umwelteffizienz, Energieeffizienz, Ökoeffizienz, Green Building und Sustainable Building
sind Begriffe, die in sowohl der Immobilienwirtschaft als auch der Presse oft genutzt
werden, teilweise sogar synonym in ihrer Bedeutung für das Konzept der Nachhaltigkeit.
28
Umwelteffizienz wird vom Institut der deutschen Wirtschaft für den dort entwickelten
Umwelt-Effizienz-Indikator operationalisiert. Sie misst demnach den Umweltverbrauch,
der notwendig ist, um eine Einheit Bruttosozialprodukt (BIP) zu erzeugen. Dabei bezieht
sich die Umwelteffizienz auf den Einsatz aller Umweltressourcen, was die Wasser-, Luft-,
Flächen- und Energieeffizienz beinhaltet.
29
Diese Interpretation des Begriffs lässt den
Rückschluss zu, dass hier nicht das Drei-Säulen-Modell die Basis der Begriffsbedeutung
28
Vgl. Rottke (2010), S. 34
29
Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft (31.05.2012), Internetquelle
Abbildung 2 ­ Real Estate Management Studie 2009 ­ Bedeutung von Nachhaltigkeit

2 Grundlagen
16
bildet und Umwelteffizienz somit nicht dem Konzept der Nachhaltigkeit entspricht, wie
diese heutzutage verstanden wird.
Als Teilgebiet der Umwelteffizienz wird die Energieeffizienz wie folgt definiert: ,,Die
Energieeffizienz ist ein Maß für den Energieaufwand zur Erreichung eines festgelegten
Nutzens. Im Gegensatz zum Wirkungsgrad bedarf der Nutzen hier keiner energetischen
Definition. Ein Vorgang ist dann effizient, wenn ein bestimmter Nutzen mit minimalem
Energieaufwand erreicht wird. Dies entspricht dem ökonomischen Prinzip (namentlich
dem Minimalprinzip)."
30
Mit der Einführung der EG-Richtlinie 2002/91/EG Energy
Performance of Buildings Directive (EPBD) tauchte der Begriff der Energieeffizienz im
gängigen deutschen Sprachgebrauch auf.
31
Bei Immobilien wird der Energieverbrauch in
den meisten Fällen pro Quadratmeter angeben. Die Energieeffizienz bei Gebäuden kann
durch Energiesparmaßnahmen, wie z. B. eine verbesserte Wärmespeicherung und
Wärmedämmung, erreicht werden.
32
Bezug nehmend auf das Gesamtkonzept der
Nachhaltigkeit, deckt die Energieeffizienz nur einen Teil der ökologischen Dimension ab.
Das World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) definiert den Begriff
der Ökoeffizienz in dem im August 2000 unter dem Namen ,,eco-efficiency ­ creating
more value with less impact" veröffentlichten Papier folgendermaßen: ,,Ökoeffizienz wird
durch die Produktion von Gütern und das Anbieten von Dienstleistungen erreicht, welche
zu wettbewerbsfähigen Preisen menschliche Bedürfnisse befriedigen und die
Lebensqualität steigern, und durch eine gleichzeitige Reduktion des Ressourcenverbrauchs
und der Einflüsse auf die Umwelt über ihren Lebenszyklus gesehen, bis die erzeugte
Belastung zumindest im Einklang mit der erwarteten Belastbarkeit der Welt liegt."
33
30
Energieeffizienz Wuppertal Institut (14.06.2012), Internetquelle
31
Vgl. Seite ,,Energieeffizienz", in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie (31.05.2012), Internetquelle
32
Vgl. Rottke (2012), S. 35
33
WBCSD- Eco- Efficiency (31.05.2012), Internetquelle

2 Grundlagen
17
Ebenfalls hat das WBCSD sieben Punkte erarbeitet, die ein Unternehmen anwenden kann,
um seine Ökoeffizienz zu steigern oder ökoeffizient zu werden, und zwar:
1.
Reduktion der Energieintensität von Produkten,
2.
Reduktion der Materialintensität von Produkten,
3.
Reduktion von toxischen Einwirkungen,
4.
Steigerung der Recyclingfähigkeit von Produkten,
5.
Erhöhung des Anteils erneuerbarer Ressourcen,
6.
Erhöhung der Haltbarkeit von Produkten,
7.
Steigerung der Serviceintensität.
34
Das Konzept der Ökoeffizienz konzentriert sich also auf die ökologische und die
ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit. Wie bei den zuvor erläuterten
Begrifflichkeiten wird auch hier nicht das gesamte Konzept der Nachhaltigkeit erfüllt. Die
soziale Dimension fehlt. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch Ökoeffizienz nicht
als Synonym für den Begriff der Nachhaltigkeit verwendet werden sollte.
Ein Green Building, oder zu Deutsch Grünes Gebäude, wird von der Environmental
Protection Agency (EPA)
35
mit den folgenden Eigenschaften beschrieben:
· Effiziente Nutzung von Energie, Wasser und anderen Ressourcen
· Schutz der Gesundheit von Gebäudenutzern und Verbesserung der Produktivität
von Mitarbeitern
· Reduzierung von Abfall, Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung
36
|
37
Wie dieser Beschreibung zu entnehmen ist, wird auf die drei Hauptsäulen der
Nachhaltigkeit Bezug genommen. In einer anderen Definition von Green Building, die
Jerry Yudelson in seinem 2007 veröffentlichten Buch mit dem Titel ,,The green building
revolution" gibt, lautet es wie folgt: ,,Ein Grünes Gebäude ist eine
Hochleistungsimmobilie, welche die Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche
Gesundheit berücksichtigt und reduziert. Ein Grünes Gebäude ist so konzipiert, weniger
Energie und Wasser zu nutzen und reduziert die Umweltauswirkungen der verwendeten
34
Vgl. ebenda
35
Übersetzung auf Deutsch: Umweltschutz-Agentur
36
Environmental Protection Agency (31.05.2012), Internetquelle
37
Im englischen Original: ,,- Efficiently using energy, water, and other resources, - Protecting occupant
health and improving employee productivity, - Reducing waste, pollution and environmental degradation"

2 Grundlagen
18
Materialien über den gesamten Lebenszyklus."
38
|
39
Hier wird klar, dass diese Definition
sich vorrangig auf die ökologischen und teilweise auf die sozialen Dimensionen
konzentriert, die ökonomischen dabei aber außer Acht lässt.
Der Begriff nachhaltige Immobilie oder nachhaltiges Gebäude, der eine direkte
Übersetzung von Sustainable Building ist, beschreibt den weitreichendsten Ansatz und
berücksichtigt die ökonomische, ökologische und auch soziale Dimension, wie zuvor im
Drei-Säulen-Modell beschrieben. Damit eignet sich dieses Begriffsverständnis am besten
als Grundlage für die Beschreibung der in den Zertifizierungssystemen verfolgten Absicht.
Eine differenzierte Betrachtung von Green Buildings und nachhaltigen Gebäuden erscheint
sinnvoll und ist nachvollziehbar. Das Verständnis der Wirtschaft allerdings ist hierzu in
38
Yudelson (2008), S. 13
39
Im englischen Original: ,,A green building is a high-performance property that considers and reduces its
impact on the environment and human health. A green building is designed to use less energy and water and
reduce life-cycle environmental impacts of the materials used."
Abbildung 3 ­ Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit bei Immobilien

2 Grundlagen
19
großen Teilen anders und setzt die Begriffe synonym ein. Es werden also mit einem Green
Building alle genannten Eigenschaften assoziiert, die ein nachhaltiges Gebäude definiert.
Ein bekanntes Monatsmagazin, welches mit Hauptaugenmerk über nachhaltiges Bauen
berichtet, erscheint mit dem Titel: Green Building
40
. Das Verständnis des Begriffs Green
Building und dessen sinngleicher Gebrauch zu nachhaltiges Gebäude, haben sich in der
Wirtschaftswelt etabliert und so werden in dieser Studie die Begriffe ebenfalls synonym
verwendet.
2.2 Definition
Bestandsgebäude
Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen Neubauten und Bestandsgebäuden. Ein
Neubau wird zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Bestandsgebäude. Dieser Übergang ist
nicht eindeutig festgelegt. Ein Bestandsgebäude kann nach verschiedenen Ansätzen
definiert werden. Um das zu verdeutlichen und die verschiedenen Ansätze der Systeme
verständlich zu machen, werden im Folgenden zwei dieser Ansätze dargestellt: zum einen
die zeitliche Frist nach Baufertigstellung und zum anderen der Zeitpunkt der
Inbetriebnahme des Gebäudes. Mit der Definition des Bestandsgebäudes wird gleichzeitig
auch eine Abgrenzung zum Neubau vorgenommen. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden
verschiedene Nutzungsprofile von ausgewählten Zertifizierungssystemen vorgestellt; für
das Verständnis der einzelnen Nutzungsprofile innerhalb der Systeme ist die
Unterscheidung zwischen Bestandsgebäude und Neubau von grundlegender Bedeutung.
Der Begriff Nutzungsprofil wird in Abbildung 9 zum besseren Verständnis den Begriffen
Zertifizierungssystem und Zertifikat zugeordnet. Wie in den fokussierten Nutzungsprofilen
der Zertifizierungssysteme die Anforderungen bzw. die Definition eines Bestandsgebäudes
gewählt wurde, wird in den jeweiligen Kapiteln erläutert.
2.2.1 Zeitliche Frist nach Baufertigstellung
Eine Möglichkeit der Unterscheidung von Neubau und Bestandsgebäude bietet die
Berücksichtigung des Zeitpunkts der Baufertigstellung. Hier gilt es, eine Unterscheidung
zwischen öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Bauabnahme zu treffen. Die
privatrechtliche Bauabnahme stellt zum einen den Gefahrenübergang vom
Bauunternehmer zum Bauherren dar und zum anderen den Beginn der
40
Green Building Magazin (20.05.2012), Internetquelle

2 Grundlagen
20
Gewährleistungsfrist. Für eine Definition der zeitlichen Frist könnte somit die
Gewährleistungsfrist dienen. Dabei wäre zu beachten, ob diese Frist nach der Vergabe- und
Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)
41
oder nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch
(BGB)
42
vereinbart wurde.
43
Die Verjährung der Mängelansprüche nach VOB/B § 13 tritt
nach vier Jahren in Kraft.
44
Die Verjährungsfrist der Mängelansprüche nach BGB § 634
hingegen findet nach fünf Jahren ein Ende.
45
Ein Neubau würde also nach Ablauf der
Gewährleistungsfrist als Bestandsgebäude definiert werden können.
2.2.2 Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Gebäudes
Die tatsächliche Nutzung des Gebäudes durch einen Mieter oder den Eigentümer und der
Zeitpunkt der Inbetriebnahme stellen ebenso Möglichkeiten für die Definition eines
Bestandsgebäudes dar. Lützendorf schlägt dazu folgende formulierte Ansätze vor:
,,Es handelt sich um ein Bestandsgebäude im Sinne der Bewertung und Zertifizierung,
wenn seit der Inbetriebnahme des Gebäudes X Monate (z. B. 24) vergangen sind. Ein
Gebäude gilt als in Betrieb genommen, wenn mindestens X % (z. B. 50 %) der Fläche durch
einen Mieter oder den Eigentümer des Gebäudes genutzt werden."
46
oder ,,Es handelt sich
um ein Bestandsgebäude im Sinne der Bewertung und Zertifizierung, wenn seit der
Inbetriebnahme des Gebäudes X Monate (z. B. 24) vergangen sind. Ein Gebäude gilt als in
Betrieb genommen, wenn der Erstbezug durch einen Mieter oder den Eigentümer des
Gebäudes ­ unabhängig vom Anteil der Fläche ­ stattgefunden hat."
47
41
Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen ist die Grundlage des Bauvertragswesens. Dabei ist
sie weder ein Gesetz noch eine Rechtsverordnung, aber eine allg. anerkannte Vertragsgrundlage. Sie wird
stets bes. vereinbart. In der Praxis wird ein Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherren und den
Bauausführenden begründet. Nach der VOB werden die Rechte und Pflichten geregelt. vgl.
Wirtschaftslexikon (20.05.2012), Internetquelle
42
BGB § 634 ­ Sachmängelhaftung: Bei der Sachmängelhaftung haftet ein Verkäufer, Vermieter oder
Werkunternehmer dafür, dass die verkaufte, vermietete oder hergestellte Sache nicht die vereinbarte Soll-
Beschaffenheit aufweist. Die Haftung kann je nach der Schwere des Mangels bzw. nach der Wahl des
Käufers, Mieters oder Werkbestellers in Nacherfüllung, Minderung, Schadensersatz, Rücktritt vom Vertrag
oder in einer Kündigung bestehen.
43
Vgl. Lützkendorf (2010), S. 1­93
44
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen / B § 13
45
Bürgerliches Gesetzbuch § 634
46
Lützkendorf (2010), S. 8
47
Ebenda

2 Grundlagen
21
Welche Definition eines Bestandsgebäudes in den für die Untersuchung gewählten
Zertifizierungssystemen zugrunde gelegt wurde, wird bei der Vorstellung der Systeme im
Detail besprochen.
2.3
Begriffe und Aufgaben in der Immobilienwirtschaft
Die Aufgabenverteilung und Einordnung der Begriffe und Aufgaben wird in Abbildung 4,
dem ,,Haus des Immobilienmanagements"
48
mit seinen zahlreichen, interdisziplinären
Ansätzen veranschaulicht.
Der Begriff des Immobilienmanagements wird mit dem englischen Real Estate
Management bezeichnet, hinzukommend gibt es in der Literatur keine einheitliche
Definition ­ daher wird in dieser Studie der Begriff ebenfalls synonym verwendet.
48
Vgl. Schulte (1999), S. 15
Abbildung 4 ­ Haus des Immobilienmangements

2 Grundlagen
22
2.3.1 Immobilienmanagement ­ Definition und Ziele
Die 1989 gegründete German Facility Management Association e. V., kurz GEFMA,
versteht sich als das deutsche Netzwerk der Entscheider im Facility Management (FM).
49
In der GEFMA Richtlinie 104 definiert die Organisation den Begriff des
Immobilienmanagements wie folgt: ,,Beim Immobilienmanagement steht das Gebäude als
Vermietungsobjekt im Mittelpunkt der Betrachtungen. Hauptziel des
Immobilienmanagements ist die Maximierung der Rendite, d. h. Erzielung höchstmöglicher
Mieteinnahmen bei gleichzeitiger Reduzierung des Aufwandes für den Vermieter. Der
Begriff Immobilienmanagement ist somit nicht anzuwenden bei selbstnutzenden
Gebäudeeigentümern, die keine Flächen vermieten ..."
50
Bogenberger widerspricht dieser
Aussage und begründet den Widerspruch mit dem Argument, dass viele Unternehmen
eigene Immobilienmanagementabteilungen gründen, ,,in denen der Immobilienbestand der
eigenen Gesellschaft bewirtschaftet wird."
51
Weiter führt er aus, dass sich das
Immobilienmanagement nicht nur auf die Nutzungsphase bezieht, sondern auf den
kompletten Lebenszyklus der Immobilie. Laut Bogenberger kann das
Immobilienmanagement in zwei Bereiche aufgeteilt werden: zum einen in den
kommerziellen und zum anderen in den betrieblich-öffentlichen. Das kommerzielle
Immobilienmanagement wird dabei als Corporate Real Estate Management (CREM) und
das betrieblich-öffentliche als Public Real Estate Management (PREM) bezeichnet.
52
Für
einen Immobilieneigentümer ist die Renditeorientierung als Zielgröße zu definieren und im
Fall eines betrieblich-öffentlichen Immobilienmanagements hingegen steht eine
Kostenorientierung als Zielgröße im Mittelpunkt. Mit der Renditeorientierung der
Eigentümer ist gemeint, die Immobilie als Kapitalanlage einzusetzen und die Immobilie
jederzeit verkaufen zu können, wenn sie den Renditeerwartungen nicht entspricht. Im
betrieblich-öffentlichen Immobilienmanagement wird versucht
53
,,die zum
Leistungserstellungsprozess notwendigen Immobilien zu optimieren, d. h. die Kosten für
den laufenden Betrieb der Immobilie zu reduzieren."
54
Im Gegensatz zum kommerziellen
49
Vgl. GEFMA (05.06.2012), Internetquelle
50
GEFMA 104 (1998), Managementbegriffe im Umfeld von Facility Management
51
Bogenberger (2009), in: Reisbeck und Schöne (2009), S. 17
52
Vgl. ebenda
53
Vgl. ebenda
54
Ebenda

2 Grundlagen
23
Immobilienmanagement ist im betrieblich-öffentlichen ein Verkauf der Immobilie nur
durch einen sogenannten Rückmietverkauf
55
möglich, weil die Immobilie in diesem Fall
zur Leistungserstellung im Kerngeschäft benötigt wird.
56
Als Ziel des
Immobilienmanagements sieht Bogenberger ,,eine möglichst optimale Verteilung und
Kombination von Ressourcen durch direkte Steuerung des immobilienorientierten
Wertschöpfungsprozesses, um Erfolgs- und Leistungspotenziale zu identifizieren, zu
generieren und somit die Rentabilität, den Wert sowie den Nutzen der Immobilie
nachhaltig zu steigern"
57
. In Anlehnung an die Unternehmensziele bzw. das Zielsystem der
Unternehmensführung teilt Homann
58
, wie in Abbildung 5 zu sehen ist, die Ziele in
ökonomische und nicht-ökonomische Ziele auf. Dabei nimmt er eine weitere
Differenzierung in leistungswirtschaftliche Ziele, finanzwirtschaftliche Ziele,
psychologische Ziele und soziologische Ziele vor.
Bei den Zieldefinitionen fällt auf, dass Bogenberger in seiner Definition den Begriff
,,nachhaltig" benutzt und sich ebenfalls auf das in Abbildung 4 dargestellte Zielsystem
bezieht. In diesem sind ökologische, ökonomische und soziale Ziele zu finden und, wie in
Abschnitt 2.1.3 Nachhaltigkeit bei Immobilien schon erwähnt, entspricht es somit dem
55
Der Rückmietverkauf ist eine Sonderform des Leasings, bei der eine Organisation eine Immobilie an eine
Leasinggesellschaft verkauft und sie zur weiteren Nutzung gleichzeitig wieder zurückleast. Vgl. dazu Sale-
Lease-Back (06.06.2012), Internetquelle
56
Vgl Bogenberger (2009), in: Reisbeck und Schöne (2009), S. 18
57
Ebenda
58
Vgl. Homann (1999) in: Schulte (1999), S. 63
Abbildung 5 ­ Ziele des Immobilienmanagements

2 Grundlagen
24
Drei-Säulen-Modell. Das aktuelle Zielsystem des Immobilienmanagements beinhaltet also
grundsätzlich einen nachhaltigen Ansatz.
2.4 Relevante
Normen
In den vergangenen Jahren wurden auf nationaler als auch internationaler Ebene eine Reihe
von Lösungsansätzen zum Beschreiben, Bewerten und Kommunizieren der
Nachhaltigkeitsqualität von Gebäuden veröffentlicht. Die Herangehensweisen und deren
Ergebnisse sind allerdings sehr unterschiedlich. Daher bedarf es einer internationalen
Harmonisierung dieser Grundlagen. Dafür sind die Normungsvorhaben in Zusammenhang
mit ISO/SC 59/SC 17 ,,Nachhaltiges Bauen" von Bedeutung. Der Aufbau der Norm ist in
Abbildung 6
59
strukturiert und übersichtlich dargestellt. Diese Vorhaben bilden die
Grundlage für CEN/TC 350 ,,Nachhaltigkeit von Gebäuden" auf europäischer Grundlage.
Die Beschreibung und Bewertung nachhaltiger Wirkungen von Gebäuden wird aktuell auf
nationaler (DIN ­ Deutsches Institut für Normung e. V.), europäischer (CEN) und
internationaler Ebene (ISO) geregelt. Die Struktur der Vornormen ist in Abbildung 7
dargestellt.
60
Abbildung 6 - ISO/TC 59/SC 17: Nachhaltigkeit im Bausektor
59
Eigene Darstellung: Vgl. Ebert (2010), S. 87
60
Eigene Darstellung: Vgl. ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783842835085
Dateigröße
7.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – Wirtschaftsingenieurwesen
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Note
2,0
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Titel: Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme für gewerbliche Bestandsgebäude im Vergleich: Eine Entscheidungsgrundlage
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