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Was kennzeichnet Führungs- und Nachwuchsführungskräfte in der postfordistischen Arbeitswelt?

©2012 Bachelorarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung:
Unsere liberal-demokratische Gesellschaft ist einem andauernden Wandlungsprozess unterworfen. An die Stelle der Industriegesellschaft ist längst eine postindustrielle Gesellschaft getreten. Vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts und gesamtgesellschaftlicher Tendenzen wie zum Beispiel der Globalisierung, dem demographischen Wandel und der Individualisierung vollziehen sich auf allen Ebenen der Arbeitswelt Umbrüche. Die über Jahrzehnte gebildeten und gefestigten grundlegenden Strukturen verändern sich immer rasanter. Die Dynamik der heutigen Zeit zwingt Organisationen und speziell Wirtschaftsunternehmen zur ständigen Anpassung an sich ändernde Erfordernisse. Aber nicht nur Unternehmen, sondern auch ihre Mitarbeiter sehen sich zunehmend einer veränderten Arbeitswelt gegenüber.
Im Kontrast zu den Charakteristika des Fordismus und Taylorismus werden im Theorieteil dieser Arbeit die in der postfordistischen Arbeitswelt zur Entfaltung kommenden Veränderungen und Auswirkungen auf die Akteure herauskristallisiert. So werden die Veränderung der Betriebs- und Arbeitsorganisation und ihre Folgen für die Mitarbeiter und Führungskräfte dargelegt. Diese Veränderungen ziehen das zunehmende Erfordernis der Personal- und Führungskräfteentwicklung nach sich.
Was aber macht die Akteure in dieser als postfordistisch charakterisierten Arbeitswelt aus? Gefragt wird nicht nach Arbeitnehmern, deren Berufe heute noch genauso ausgeübt werden wie vor beispielsweise 60 Jahren. Es soll vielmehr eine Zielgruppe betrachtet werden, bei der die vermeintliche Komplexität der heutigen Arbeitswelt besonders zum Vorschein tritt. Dafür wird die praktische Ebene betreten und betrachtet, welche Fähigkeiten Unternehmen von Führungs- und Nachwuchsführungskräften erwarten.
Angenommen wird hierbei, dass Anforderungen an eine Nachwuchsführungskraft besonders an einem schwierigen Prozess wie dem Übergang von der Mitarbeiterstelle zur Führungskraft deutlich gemacht werden können. Schließlich darf vermutet werden, dass die Anforderungen an Nachwuchsführungskräfte besonders beim Statuswechsel von der Mitarbeiterstelle zur Führungskraft zur Geltung kommen. So ist der Übergang des Mitarbeiters zur Führungskraft sowohl für den Betroffenen als auch für das Unternehmen mit Herausforderungen verbunden. Deswegen soll das Augenmerk nicht nur auf Seiten der Nachwuchskraft und dessen Fähigkeiten liegen bzw. den Fähigkeiten, welche das Unternehmen von ihr verlangt. [...]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Schleifer, Tobias: Was kennzeichnet Führungs- und Nachwuchsführungskräfte in der
postfordistischen Arbeitswelt? Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2013
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3439-2
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2013
Zugl. Universität Augsburg, Augsburg, Deutschland, Bachelorarbeit, Juli 2012
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Inhalt
1. Einleitung ... 3
2. Die Veränderung der Arbeitswelt ... 5
2.1 Fordismus und Taylorismus ... 5
2.2 Postfordismus ... 7
2.3 Die Führungskräfteentwicklung in der postfordistischen Arbeitswelt ...12
2.3.1 Führungskräfteentwicklung im Kontext der Personal- und Organisationsentwicklung ...12
2.3.2 Ziele und Aufgaben der Personal- und Führungskräfteentwicklung ...14
3. Was Führungs- und Nachwuchsführungskräfte kennzeichnet ...17
3.1 Derzeitiger Forschungsstand ...17
3.2 Erläuterungen zum Methodischen Vorgehen ...21
3.3 Der Übergang zur Führungskraft als Transition ...24
3.3.1 Die langfristige Beschäftigungsfähigkeit und Anforderungen an Nachwuchsführungskräfte ...27
3.3.2 Die Wirksamkeit von Instrumenten zur Identifikation von Nachwuchsführungskräften ...35
3.3.3 Die Bewältigung des Transitionsprozesses...41
3.4 Was kennzeichnet darüber hinaus eine moderne Führungskraft? ...47
4. Resümee und Anknüpfungspunkte ...51
Literaturverzeichnis ...54

3
1. Einleitung
Unsere liberal-demokratische Gesellschaft ist einem andauernden Wandlungsprozess
unterworfen. An die Stelle der Industriegesellschaft ist längst eine postindustrielle Ge-
sellschaft getreten. Vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts und gesamtgesell-
schaftlicher Tendenzen wie zum Beispiel der Globalisierung, dem demographischen
Wandel und der Individualisierung vollziehen sich auf allen Ebenen der Arbeitswelt
Umbrüche. Die über Jahrzehnte gebildeten und gefestigten grundlegenden Strukturen
verändern sich immer rasanter. Die Dynamik der heutigen Zeit zwingt Organisationen
und speziell Wirtschaftsunternehmen zur ständigen Anpassung an sich ändernde Erfor-
dernisse. Aber nicht nur Unternehmen, sondern auch ihre Mitarbeiter sehen sich zu-
nehmend einer veränderten Arbeitswelt gegenüber.
Im Kontrast zu den Charakteristika des Fordismus und Taylorismus werden im Theorie-
teil dieser Arbeit die in der postfordistischen Arbeitswelt zur Entfaltung kommenden
Veränderungen und Auswirkungen auf die Akteure herauskristallisiert. So werden die
Veränderung der Betriebs- und Arbeitsorganisation und ihre Folgen für die Mitarbeiter
und Führungskräfte dargelegt. Diese Veränderungen ziehen das zunehmende Erforder-
nis der Personal- und Führungskräfteentwicklung nach sich.
Was aber macht die Akteure in dieser als postfordistisch charakterisierten Arbeitswelt
aus? Gefragt wird nicht nach Arbeitnehmern, deren Berufe heute noch genauso ausge-
übt werden wie vor beispielsweise 60 Jahren. Es soll vielmehr eine Zielgruppe betrach-
tet werden, bei der die vermeintliche Komplexität der heutigen Arbeitswelt besonders
zum Vorschein tritt. Dafür wird die praktische Ebene betreten und betrachtet, welche
Fähigkeiten Unternehmen von Führungs- und Nachwuchsführungskräften erwarten.
Angenommen wird hierbei, dass Anforderungen an eine Nachwuchsführungskraft be-
sonders an einem schwierigen Prozess wie dem Übergang
1
von der Mitarbeiterstelle zur
Führungskraft deutlich gemacht werden können. Schließlich darf vermutet werden, dass
die Anforderungen an Nachwuchsführungskräfte besonders beim Statuswechsel von der
Mitarbeiterstelle zur Führungskraft zur Geltung kommen. So ist der Übergang des Mit-
arbeiters zur Führungskraft sowohl für den Betroffenen als auch für das Unternehmen
mit Herausforderungen verbunden. Deswegen soll das Augenmerk nicht nur auf Seiten
der Nachwuchskraft und dessen Fähigkeiten liegen bzw. den Fähigkeiten, welche das
Unternehmen von ihr verlangt. Mindestens genauso wichtig ist die Betrachtung der Un-
1
Der Übergang als ,,Transition" wird in Kapitel 3.3 erläutert.

4
ternehmensseite, also wie die Unternehmen Nachwuchsführungskräfte identifizieren
und inwiefern sie diese in ihrem Übergang zur Führungskraft unterstützen. Schließlich
wird darauf eingegangen, was darüber hinaus eine moderne Führungskraft ausmacht.
Die Überlegung, welche Fähigkeiten Unternehmen von Führungs- und Nachwuchsfüh-
rungskräften erwarten, wird auf folgende Forschungsfrage erweitert:
,,Was kennzeichnet Führungs- und Nachwuchsführungskräfte in der postfordisti-
schen Arbeitswelt?
"
Durch diese Formulierung sollen auch die Eigenschaften von Führungs- und Nach-
wuchsführungskräften erfasst werden, die die vom Unternehmen geforderten Fähigkei-
ten nicht abdecken, aber für die Übernahme von Führungsverantwortung möglicher-
weise trotzdem eine Rolle spielen.
Um diese Fragestellung praxisnah beleuchten zu können, wurden insgesamt fünf perso-
nalverantwortliche Mitarbeiter aus Unternehmen aus dem Regierungsbezirk Schwaben
befragt. Bei den Unternehmen handelt es sich allesamt um Großunternehmen
2
. Es ist
anzunehmen, dass es bei diesem Thema zwischen großen, mittleren und kleinen Unter-
nehmen zum Teil gravierende Unterschiede gibt, wobei der Fokus auf Großkonzerne
eine einheitlichere Darstellung ermöglichen soll. Darüber hinaus besitzen Großunter-
nehmen in personalstrategischen Fragen und Ansprüchen an Führungskräfte eine ver-
meintlich höhere Komplexität als mittelständische und kleine, was die Angelegenheit
vielseitiger und interessanter gestalten könnte.
2
Im Handelsgesetzbuch werden Großunternehmen als solche eingestuft wenn sie zwei der folgenden drei
Merkmale überschreiten: ,,1. 16 060 000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausge-
wiesenen Fehlbetrags (§ 268 Abs. 3). 2. 32 120 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem
Abschlußstichtag. 3. Im Jahresdurchschnitt zweihundertfünfzig Arbeitnehmer." (HGB § 267)

5
2. Die Veränderung der Arbeitswelt
Die Anforderungen an Führungskräfte
3
sind in die postfordistischen Arbeitsstrukturen
eingebettet, daher wird nachfolgend der Begriff des ,,Postfordismus" erläutert. Aber
bevor der Postfordismus mit seinen Auswirkungen auf die Betriebsstrukturen und Ar-
beitnehmer fokussiert wird, soll zunächst auf den ,,Fordismus" und ,,Taylorismus" ein-
gegangen werden. Im Kontext der Begrifflichkeiten ,Fordismus` und ,Postfordismus`
wird ein Kontrast geschaffen, was die Anforderungen an Arbeitnehmer in den beiden
unterschiedlichen Wirtschaftsformen betrifft.
2.1 Fordismus und Taylorismus
Nach dem ersten Weltkrieg etablierte der amerikanische Automobilfabrikant Henry
Ford (1863 ­ 1947) eine neue Produktionsweise, die gemeinhin als Fordismus bekannt
ist. Der Fordismus bezeichnet ,,...die Gesamtheit der technischen, wirtschaftlichen. u.
sozial politischen Grundsätze, (...) die in ihren Auswirkungen maßgeblich zur Heraus-
bildung der Massenkonsumgesellschaft in den USA und danach in anderen westlichen
Gesellschaften (Westeuropa, Japan) beigetragen haben." (Hillmann 1994, S. 230) Der
Fordismus ermöglichte eine Produktivitätssteigerung, die eine kostengünstige Herstel-
lung standardisierter Massengüter ermöglichte. So konnten breite Bevölkerungsschich-
ten mit technisch vergleichsweise hochwertigen und gleichzeitig günstigen Gütern ver-
sorgt werden.
Das Augenmerk soll an dieser Stelle jedoch auf die Charakteristika der Arbeitswelt, die
sich hinter dem Begriff des Fordismus verbergen, gelegt werden. Die fordistische Pro-
duktion basiert auf der Grundlage des Taylorismus
4
. Taylor entwarf ein System der wis-
senschaftlichen Betriebsführung, das mittels der Arbeitsrationalisierung ein Höchstmaß
an Leistung zur Folge haben sollte - das ,,scientific management" (Ritzer 1995, S. 53).
Die Arbeitszerlegung und die Spezialisierung der Teilarbeiter im Rahmen großbetrieb-
lich organisierter Produktion legte es nahe, dass die Wiederverknüpfung und Verbin-
dung der Arbeitsgänge durch eine Kontrolle bewirkt wird. Diese Kontrolle beinhaltet im
Taylorismus die Überwachung der Arbeiter, die Zuweisung der Arbeit an einzelne Teil-
arbeiter und darüber hinaus die genaue Vorgabe an die Arbeiter, wie die Arbeit auszu-
3
Zur Vereinfachung wird stets die männliche Form verwendet.
4
Benannt nach dessen Begründer, dem US-amerikanischen Ingenieur Frederick Winslow Taylor (1856 ­
1915).

6
führen sei (vgl. Abraham/Hinz 1984, S. 30). Die Prinzipien des Taylorismus sind in drei
Grundsätzen zusammengefasst: Die Loslösung des Arbeitsprozesses von den Fertigkei-
ten des Arbeiters, die Trennung von Planung und Ausführung und die Verwendung des
Wissensmonopols des Managements, jeden Schritt des Arbeitsprozesses und seiner
Ausführungsweise zu kontrollieren (vgl. ebd., S. 31). Taylor entwickelte sein System
nicht für vollmechanisierte Betriebe, sondern vorwiegend für einfache Tätigkeiten (zum
Beispiel Verladearbeiten). Das erstmals von Henry Ford 1914 eingesetzte Fließband
stellt den Höhepunkt und die Folge der systematischen Zerlegung der Arbeit dar (vgl.
ebd., S. 32).
An den Prinzipien des Taylorismus lassen sich die Grundlagen der fordistischen Pro-
duktion anschaulich darlegen. Durch die systematische Zerlegung von Arbeitsschritten
soll der Arbeiter seiner geistigen Leistung enthoben und leicht ersetzbar gemacht wer-
den. Darüber hinaus wird dem Arbeiter durch die Zerlegung der Arbeitsschritte der
Blick für den gesamtbetrieblichen Zusammenhang der Arbeitsschritte bewusst versperrt.
Der Arbeiter wird insgesamt also gewollt seiner Fähigkeiten entmündigt. Dadurch ent-
steht eine klare Hierarchie zwischen Arbeiter und Management. Allein die Führungs-
kräfte besitzen das Wissen über die Zusammenhänge der Arbeit (Planung und Durch-
führung) und können Entscheidungen treffen. Dieser patriarchalische Führungsstil ist
also gekennzeichnet durch eine strenge hierarchische Ordnung, Gehorsam und Disziplin
sowie die Nichtbeteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen. Neben dem charismati-
schen und bürokratischen Führungsstil stellt der patriarchalische Führungsstil eine der
drei Grundformen der Führung dar (vgl. Zell, o. J.). Diese basieren auf dem Herr-
schaftsbegriff von Max Weber, der wie folgt definiert ist:
,,Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei an-
gebbaren Personen Gehorsam zu finden." (Weber 2005, S. 38)
Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich bei dem fordistisch-tayloristischen Ansatz um
einen Idealtypus handelt. Abweichungen und Modifizierungen der leitenden Prinzipien
gab es in der Realität zur Genüge. Da ihre Realisierung einen relativ gleichförmigen
Arbeitsablauf erfordert, der wiederum möglichst hohe Stückzahlen und eine möglichst
geringe Variantenvielfalt und Produktkomplexität voraussetzt, wurden die Prinzipien
nur in wenigen Branchen in Reinform umgesetzt. Die Vorstellung, Arbeitsabläufe voll-
ständig standardisieren zu können, hat sich in vielen Branchen als Fiktion herausge-
stellt. In den meisten Arbeitsabläufen bleiben zumindest Nischen für unvorhergesehene

7
Handlungserfordernisse. Die Bedeutung des Taylorismus liegt also nicht primär in sei-
ner vollständigen Anwendung und Realisierung als vielmehr in seiner Funktion als Leit-
linie von Rationalisierung; so hatte der Taylorismus erhebliche Bedeutung für die Ma-
ximen, unter denen Rationalisierung betrieben wurde (vgl. Minssen 2006, S. 30). Der
Begriff des ,,Taylorismus" muss bei der Betrachtung von Arbeitsabläufen also mit Vor-
sicht verwendet werden. Für die vorliegende Arbeit ist aber seine Funktion als Leitlinie
von Rationalisierung von Bedeutung. Die Eingrenzung, die Arbeit durch die tayloristi-
schen Prinzipien erfuhr, steht im scharfen Kontrast mit der Entgrenzung der Arbeitsan-
forderungen im Rahmen der Herausbildung der modernen Gesellschaft. Wie die Dyna-
mik der modernen Gesellschaft sich auf die Arbeitswelt auswirkt, soll nun beschrieben
werden.
2.2 Postfordismus
Im Kontext gesellschaftlicher Tendenzen, vor allem im Zusammenhang mit dem Wer-
tewandel zugunsten fortschreitender Individualisierung (vgl. Hillmann 1994, S. 230f.),
kann schon seit den 1970er Jahren ein Übergang vom Fordismus zum Postfordismus
postuliert werden. Die Entfaltung postfordistischer Strukturen und ihre Folgen für die
Arbeitnehmer sollen in den nachfolgenden Punkten erläutert werden.
Die Veränderung der Betriebs- und Arbeitsorganisation durch neue Managementkon-
zepte
Im Zentrum der heutigen Arbeitswelt steht nicht mehr die arbeitsteilige, hierarchisch
organisierte, technisch unterstützte Fertigung größerer Stückzahlen von Sachgütern
durch lohnabhängige Beschäftigte. Immer bedeutsamer wird die Organisation sozialer
Beziehungen, vor allem durch wissens- und kommunikationsintensive Dienstleistungen.
(Heidenreich 2000 S. 107, in: Hubig, Unterwegs zur Wissensgesellschaft). Die Betriebe
reagieren auf den skizzierten Wandel mit grundlegenden Reorganisationen der Betriebs-
und Arbeitsorganisation. Die berufstypischen Aufgabenprofile lösen sich tendenziell
auf. Dieser Veränderungsprozess lässt sich als Weg von einer funktions- und berufsbe-
zogenen hin zu einer prozessorientierten Betriebs- und Arbeitsorganisation charakteri-
sieren (vgl. Schiersmann 2008, S. 18). Die traditionelle funktions- und berufsbezogene
Strukturierung wird durch eine Orientierung an den Geschäftsprozessen und damit an
den Abläufen ersetzt. Dieses neuartige Organisationsmodell soll die Innovationsfähig-

8
keit und Reaktionsgeschwindigkeit der Betriebe gegenüber zunehmend dynamischer
Marktentwicklungen erhöhen. Darüber hinaus wird die Erschließung von Wissenspo-
tenzialen intensiviert und Kooperationsstrukturen enthierarchisiert.
Die in Kapitel 2.1 erläuterten Charakteristika der Arbeitsorganisation wie zum Beispiel
hochgradig arbeitsteilige und streng hierarchische Organisationsformen verlieren ge-
genüber Dezentralisierung, Selbstorganisation und vernetzter Kooperation an Bedeu-
tung. Dies erfordert in den Betrieben flexible Spezialisierung, kleine selbst organisierte
Einheiten, neue Kooperationsformen (Team-, Gruppen- und Projektarbeit) und neue
Steuerungsformen, die individuelle Motivation und Kompetenz prämieren.
Die fortschreitende Technisierung, die auch von den Unternehmen mitbetrieben wird,
zwingt sie zur organisatorischen Anpassung. Veränderungen werden gleichzeitig aber
auch als Zeichen hoher Managementeffektivität gewertet. Deshalb sind Unternehmen
von sich aus bemüht, nicht nur in Bezug auf ihr Angebot innovativ zu sein, sondern
auch im Hinblick auf ihre organisatorischen Prozesse und Strukturen. Maßnahmen und
Tätigkeiten diesbezüglich werden unter dem Begriff change management zusammenge-
fasst. Auch wenn sich die Manager, wie schon die Herkunft des Wortes verlauten lässt
5
,
gerne in der Rolle des handelnden Akteurs sehen, so wird ihre Tätigkeit zu einem gro-
ßen Teil von Faktoren wie dem Druck der globalen und lokalen Konkurrenz bedingt.
Auch der Kapitalmarkt stellt die Bedingungen für das Handeln des Managements, wäh-
rend die Organisation, die Beschäftigung und die Arbeitsformen angepasst werden müs-
sen. Die sich rasch wandelnden technischen und ökonomischen Bedingungen machen
die radikale Restrukturierung der Organisation und der Arbeit zu einem notwendigen
Sachzwang (ebd., S. 193).
Die durch die verstärkte Konkurrenz gebotene Kundenorientierung lässt die Qualität
eines Produkts als immer wichtiger werdendes Kriterium des Wettbewerbsvorteils her-
vortreten und nicht mehr so sehr den Preis wie bei fordistischen Massenproduktionsgü-
tern. Durch die fortschreitende Individualisierung der Konsumenten sind standardisierte
Massenprodukte zudem weniger absatzkräftig. Somit spielen so genannte ,,Total Quali-
ty"-Management-Programme in der Organisation von Unternehmen eine immer größere
Rolle. Diese Programme zielen darauf ab, die Wettbewerbsposition der Unternehmen
durch ein qualitativ differenziertes Angebot zu steigern (Mikl-Horke 1991, S. 193).
Als weiterer wichtiger Eckpfeiler für Unternehmen in der postfordistischen Arbeitswelt
gilt das ,,Wissensmanagement". Die Veränderung der Gesellschaft hin zu einer wis-
5
Aus dem Englischen: to manage (handhaben, bewerkstelligen, leiten)

9
sensbasierten Gesellschaft schlägt sich hierbei in den Unternehmen nieder. Das Ziel des
Wissensmanagements besteht darin, ,,Wissen", welches sowohl in menschlichen als
auch in nicht-humanen Akteuren inkorporiert ist, für das Unternehmen nutzbar zu ma-
chen. Dies beruht weitestgehend auf der Sammlung von Informationswissen und findet
seinen Niederschlag beispielsweise in Kennziffern, Trainings, Workshops, Simulatio-
nen, Analysen und Wissensbilanzen. Insgesamt beschränkt sich die flexible Unterneh-
mung nicht mehr auf Kostenflexibilität, sondern wird zu einer Art ,,lernenden Organisa-
tion": ,,(...) die Organisation, die Maschinen und die Produkte werden immer ,intelli-
genter`, das Wissen der Menschen jedoch reduziert sich auf das für Unternehmen und
Wirtschaft nützliche." (Mikl-Horke 1991, S. 194)
Die ,,lernende Organisation" wird durch die Integration des Wissens der Arbeitnehmer
in das Unternehmen geschaffen. Ihre Expertise, Wissen und Talent werden systemisch
integriert und digitalisiert und somit zum Wissen des Unternehmens, das sich durch den
Aufbau von Datenbanken und Expertensystemen kontinuierlich kontrolliert. Das Unter-
nehmen entkoppelt das Wissen somit von Personen und integriert es in personenunab-
hängigen, anonymisierten Regelsystemen, die von autopoietischer ( selbsterhaltender )
Natur sind. Das Unternehmen schafft sich also Wissensstrukturen, die unabhängig von
Personen eine Art ,,kollektives Gedächtnis" bilden (vgl. ebd., S. 194).
Veränderungen für Mitarbeiter und Führungskräfte
Die Veränderungen, die sich für die Arbeitnehmer daraus ergeben, können mit der Be-
grifflichkeit der ,,Entgrenzung von Arbeit" beschrieben werden. Der Bezugspunkt der
nachfolgend behandelten Entgrenzungsprozesse stellt die zuvor beschriebene Normal-
arbeit in fordistisch-tayloristischer Prägung dar.
Wie sieht die neue Arbeitswelt aus, die die Grundsätze des Taylorismus im Zuge ge-
samtgesellschaftlicher Entwicklungen scheinbar hinter sich gelassen hat?
Durch Dezentralisierung, Selbstorganisation und vernetzter Kooperation werden Mobi-
lität, Flexibilität und Selbstorganisationfähigkeit zu neuen Leitkategorien für das Indi-
viduum im Arbeitsverhalten. Zugleich wachsen, im gesellschaftlichen Zusammenhang
gesehen, in einer durch starke Veränderungsdynamik und Unsicherheiten geprägten
Umwelt Anforderungen an das Individuum, welche Lernbereitschaft, Selbstbewusst-
sein, Flexibilität und Kooperation betreffen (vgl. Schiersmann 2008, S. 19). Gerade die
neuen Managementkonzepte und die Restrukturierung der Organisation der Arbeit ver-
ändern die Rolle und die Erwartungen an die Mitarbeiter grundlegend und transportie-

10
ren Unsicherheiten. Die Maßnahmen des Managements umfassen oft negative Auswir-
kungen wie Kündigungen, Versetzung, Intensivierung des Arbeitsdrucks und der Belas-
tung. Im Idealtypus der fordistisch-tayloristisch geprägten Arbeit war für die meisten
Beschäftigten neben einer unbefristeten Vollzeitstelle die lebenslange Betriebszugehö-
rigkeit genauso der Regelfall wie ,,...inflexible, hochstandardisierte Arbeitszeiten, ein
fest umrissener Arbeitsort (Betrieb und Arbeitsplatz), eine gewisse und dauerhafte
Übereinstimmung von erworbener Qualifikation und ausgeübter Tätigkeit, die Ein- bzw.
Unterordnung in betriebliche Hierarchien und deutlich eingeschränkte individuelle
Handlungs- und Dispositionsspielräume." (Kratzer 2003, S. 45) Flexibilisierungsmaß-
nahmen werden von Managern heutzutage oft mit der Alternative der Monotonie, die
die fordistische Massenproduktion prägt, gerechtfertigt. Die Flexibilisierung wird aus
ihrer Perspektive durchaus als Fortschritt und Verbesserung für die Mitarbeiter verkauft
(vgl. Mikl-Horke 1991, S. 193).
Die Unternehmen erwarten heutzutage Aktivität und Eigenverantwortlichkeit von ihren
Mitarbeitern, im Gegensatz dazu steht die bloß passive und restriktiv zur Verfügung
stehende Arbeitskraft des Mitarbeiters im fordistischen Zeitalter. Die Sicherung der
permanenten Qualifizierung der Arbeitskräfte und die Kontrolle der Qualität ihres Ar-
beitsbeitrags treten in den Vordergrund, während simple Arbeitsmotivation an Bedeu-
tung einbüßt. Kontrolle ist in diesem Fall nicht als kostenintensive externe Kontrolle zu
verstehen, sondern vielmehr als Selbstkontrolle. Für den Mitarbeiter zieht dies eine er-
höhte Autonomie nach sich, die aber mit ständigem Erfolgsdruck verbunden ist. So er-
folgen von Unternehmensseite immer seltener strenge Handlungsvorgaben, was die Zie-
lerreichung angeht; was letztendlich zählt ist das Ergebnis (vgl. Böttcher 2010, S. 20).
Dadurch wird der Arbeitnehmer verstärkt dem Markt ausgesetzt und fungiert als ,,Ar-
beitskraftunternehmer" (Voss/Pongartz 1998). Somit wächst der Leistungs- und Kon-
kurrenzdruck, da das Unternehmen mit der Art der Zielerreichung zufrieden sein muss,
beispielsweise durch kostengünstiges Vorgehen. Im Gegensatz zum kontrollierten taylo-
ristischen System geht es also nun nicht mehr um passive Erfüllung von fremdgesetzten
Aufgaben, sondern um die ,,explizite und verstärkte aktive Selbststeuerung und Selbst-
überwachung der eigenen Arbeit im Sinne allgemeiner Unternehmenserfordernisse"
(Voss/Pongartz 1998, S. 139). Das Individuum wird als Ganzes zur ,,human resource"
(Mikl-Horke 1991): Während im Taylorismus das Unternehmen sich lediglich an der
Arbeitskraft des Menschen bediente und sich durch die Zerlegung der Arbeitsschritte
von den persönlichen Fähigkeiten der Arbeitskräfte unabhängig machen wollte, be-

11
schreibt Mikl-Horke für die heutige Zeit eine scheinbar völlige Vereinnahmung des
Mitarbeiters (seiner Persönlichkeit, Vorstellungen, Einstellungen und Werten, Erfah-
rungen) durch das Unternehmen. Wobei die Vereinnahmung nicht unbedingt als passi-
ver Prozess, dem der Mitarbeiter ausgesetzt wird, zu verstehen ist, vielmehr muss sich
der Mitarbeiter, um erfolgreich zu sein, über seine bloße Arbeitskraft hinaus miteinbrin-
gen. So werden Konkurrenz und Partizipation vermehrt zu Eckpunkten der (sozialen)
Beziehungen in Unternehmen. Die Partizipation schlägt sich beispielsweise im Quali-
tätsmanagement nieder. Die Kundenzufriedenheit als oberstes Unternehmensziel erfor-
dert die Partizipation der Mitarbeiter in Bezug auf das Einbringen von Vorschlägen für
die Fehlerausmerzung, die Verbesserung der Qualität des Produkts und die Entwicklung
neuer Ideen. Von ihnen wird daher ständiges Mitdenken im Sinne der Qualitätssiche-
rung und -steigerung verlangt (vgl. Mikl-Horke 1991, S. 194f.). In diesem Sinne werden
bei den Mitarbeitern besonders persönliche, soziale und kognitive Fähigkeiten voraus-
gesetzt, die über die normale Arbeitsleistung hinausgehen. Diese subjektiven Potenzia-
le, die in der tayloristischen Arbeitsorganisation als Störfaktor betrachtet und daher ent-
fernt wurden, sollen nun wieder in die Arbeit eingebracht und genutzt werden (vgl.
Böttcher 2010, S. 21).
Diese Integration des Arbeitnehmers als Ganzes muss durch Führungskräfte mitgestaltet
werden. So betrachten fast alle neuen Führungstheorien sowohl Mitarbeiter als auch
Führungskräfte als bewusst handelnde Akteure und unterstreichen deren subjektive
Wahrnehmung der Führungssituation. Diese wird als vielschichtig, komplex, dynamisch
und mit der Umwelt vernetzt aufgefasst, also ein integrativer Führungsstil (Pretre, o. J.).
Die Erwartungen an die Rolle der Führungskräfte haben sich in aktuellen Management-
konzepten wie der ,,lernenden Organisation" in Richtung Berater, Coach und Entwickler
von Zukunftskonzepten erweitert. Eine auf Vertrauen gegründete Führungskultur ge-
währt ihren Mitarbeitern Freiräume, überträgt Verantwortung und herausfordernde Auf-
gaben an diese; die Führung gibt Macht an ihre Mitarbeiter ab. Dadurch werden an die
Mitarbeiter höhere Ansprüche gestellt.
Zugleich sollen Führungskräfte als Vorbild agieren und hohe Glaubwürdigkeit vermit-
teln. In Folge der Veränderungen in Organisationen sehen sich viele Führungskräfte
einer neuen Komplexität und einem erhöhten Druck durch neue Anforderungen und
Rollenerwartungen gegenüber (vgl. Böttcher 2010, S. 108f.).
Im Zuge der steigenden Ansprüche sowohl an Führungskräfte als auch an ,,normale"
Mitarbeiter investieren Unternehmen daher auch vermehrt in die Weiterentwicklung (z.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783842834392
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Note
2,0
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