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Alkoholabhängigkeit in Familien und die Auswirkungen auf die Kinder

©2012 Bachelorarbeit 42 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung:
Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland Schätzungen zufolge 2,5 Millionen Menschen alkoholabhängig sind (vgl. Bloomfield 2008, 13), steht außer Frage, dass diese Menschen in der Sozialen Arbeit eine wichtige Rolle spielen. Zudem sind sie oft Mitglied einer Familie, die die Folgen dieser Krankheit mittragen müssen und ebenso häufig hilfebedürftig sind. Doch die Gesellschaft stigmatisiert nach wie vor die Alkoholabhängigkeit und nimmt sie als persönliches Defizit wahr, was die Familienangehörigen daran hindert Hilfe, die sie benötigen aufzusuchen (vgl. Teske 1994, 18f.). Diese Arbeit leistet Aufklärung und verdeutlicht, dass diese Erkrankung nicht mit persönlichem Versagen der Familienmitglieder verbunden ist, um die Schamgrenze der Betroffenen und von Außenstehenden zu reduzieren, Hilfe aufzusuchen oder anzubieten. Im Rahmen des Studiums absolvierte ich ein Praktikum an einer Förderschule, die unter anderem auch Jugendliche besuchten, dessen Eltern alkoholabhängig sind. Dabei stelle ich mir die Frage, in welcher Art und Weise eine elterliche Alkoholabhängigkeit die Entwicklung ihrer Kinder beeinflusst und wie sich der Familienalltag von anderen Familien unterscheidet.
Ziel dieser Arbeit ist, mit Hilfe der theoretischen Auseinandersetzung von fachlichen Literaturinhalten einen umfassenden Einblick in die Situation alkoholbelasteter Familien zu bekommen. Dabei ist der Fokus auf die Kinder gerichtet. Es soll insbesondere geklärt werden, welchen Belastungen die Kinder ausgesetzt sind und welche Auswirkungen die elterliche Alkoholabhängigkeit auf die Kinder hat. Dieses Wissen ist für die Soziale Arbeit von hoher Bedeutung.
Die Arbeit befasst sich hauptsächlich mit Familien, die aus zwei Elternteilen bestehen, von denen ein Elternteil alkoholabhängig ist. Die Einführung in die Thematik beginnt mit Daten und Fakten zum Thema Alkohol und der Alkoholabhängigkeit, sowie Kriterien, die eine Diagnose ermöglichen. Das dritte Kapitel beschreibt vordergründig die Auswirkungen auf die Familie und erläutert die typischen Merkmale. Im nachfolgenden Kapitel ist die Lebenssituation der Kinder im Blickfeld. Anschließend geht es um die Auswirkungen auf die Kinder und Faktoren, die diese Auswirkungen beeinflussen. Ab dem dritten Kapitel wird bereits ein Bezug auf die daraus resultierenden Folgen für die Kinder hergestellt, um so einen besseren Zusammenhang zwischen den Umständen und den Folgen zu verdeutlichen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sorge, Valerie: Alkoholabhängigkeit in Familien und die Auswirkungen auf die Kinder,
Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2013
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3834-5
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2013
Zugl. Fachhochschule Bielefeld, Bielefeld, Deutschland, Bachelorarbeit, August 2012
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Printed in Germany

Einleitung
2
Gliederung
1 Einleitung...3
2 Alkohol und Alkoholabhängigkeit...4
3 Alkoholabhängigkeit ­ eine Familienkrankheit...6
3.1 Familienregeln...7
3.2 Co-Abhängigkeit...10
4 Die Lebenssituation der Kinder...12
4.1 Belastende Gefühle...14
4.2 Kontinuierliche Enttäuschungen...15
4.3 Wünsche und Bedürfnisse...16
4.4 Beziehung zu den Eltern...17
5 Auswirkungen auf die Kinder...19
5.1 Übernahme von Rollen...20
5.2 Permanente Überforderung...25
5.3 Vernachlässigung und Gewalt...27
5.4 Alkoholembryopathie...29
5.5 Auffälligkeiten und mögliche Entwicklungsstörungen...32
5.6 Bedeutung von Risiko- und Schutzfaktoren...35
6 Resümee...38
Literaturverzeichnis...40

Einleitung
3
1
Einleitung
Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland Schätzungen zufolge 2,5
Millionen Menschen alkoholabhängig sind (vgl. Bloomfield 2008, 13), steht
außer Frage, dass diese Menschen in der Sozialen Arbeit eine wichtige Rolle
spielen. Zudem sind sie oft Mitglied einer Familie, die die Folgen dieser
Krankheit mittragen müssen und ebenso häufig hilfebedürftig sind. Doch
die Gesellschaft stigmatisiert nach wie vor die Alkoholabhängigkeit und
nimmt sie als persönliches Defizit wahr, was die Familienangehörigen daran
hindert Hilfe, die sie benötigen aufzusuchen (vgl. Teske 1994, 18f.). Diese
Arbeit leistet Aufklärung und verdeutlicht, dass diese Erkrankung nicht mit
persönlichem Versagen der Familienmitglieder verbunden ist, um die
Schamgrenze der Betroffenen und von Außenstehenden zu reduzieren, Hil-
fe aufzusuchen oder anzubieten. Im Rahmen des Studiums absolvierte ich
ein Praktikum an einer Förderschule, die unter anderem auch Jugendliche
besuchten, dessen Eltern alkoholabhängig sind. Dabei stelle ich mir die
Frage, in welcher Art und Weise eine elterliche Alkoholabhängigkeit die
Entwicklung ihrer Kinder beeinflusst und wie sich der Familienalltag von
anderen Familien unterscheidet.
Ziel dieser Arbeit ist, mit Hilfe der theoretischen Auseinandersetzung von
fachlichen Literaturinhalten einen umfassenden Einblick in die Situation
alkoholbelasteter Familien zu bekommen. Dabei ist der Fokus auf die Kin-
der gerichtet. Es soll insbesondere geklärt werden, welchen Belastungen
die Kinder ausgesetzt sind und welche Auswirkungen die elterliche Alkohol-
abhängigkeit auf die Kinder hat. Dieses Wissen ist für die Soziale Arbeit
von hoher Bedeutung.
Die Arbeit befasst sich hauptsächlich mit Familien, die aus zwei Elternteilen
bestehen, von denen ein Elternteil alkoholabhängig ist. Die Einführung in
die Thematik beginnt mit Daten und Fakten zum Thema Alkohol und der
Alkoholabhängigkeit, sowie Kriterien, die eine Diagnose ermöglichen. Das
dritte Kapitel beschreibt vordergründig die Auswirkungen auf die Familie
und erläutert die typischen Merkmale. Im nachfolgenden Kapitel ist die
Lebenssituation der Kinder im Blickfeld. Anschließend geht es um die Aus-
wirkungen auf die Kinder und Faktoren, die diese Auswirkungen beeinflus-
sen. Ab dem dritten Kapitel wird bereits ein Bezug auf die daraus resultie-
renden Folgen für die Kinder hergestellt, um so einen besseren Zusam-
menhang zwischen den Umständen und den Folgen zu verdeutlichen.

Alkohol und Alkoholabhängigkeit
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2
Alkohol und Alkoholabhängigkeit
Die folgenden aufgeführten Fakten vermitteln Wissenswertes zum Thema
Alkohol und der Alkoholabhängigkeit, die durch den Konsum entwickelt
werden kann. Im Fokus stehen die Merkmale einer Alkoholabhängigkeit,
um aufzuzeigen, in welcher Art und Weise der Betroffene die Kontrolle ver-
liert und sein Leben vom Alkohol bestimmen lässt.
Der Begriff Alkohol kommt aus dem Arabischen (Al-Cool) und bedeutet Au-
genschminke. Die Substanz ist ein Pharmakon mit heilender, sowie giftiger
Wirkung und aufgrund der psychoaktiven Wirkung bewusstseins­ und ge-
fühlsverändernd (vgl. Soyka/Küfner 2008, 1ff.). Alkohol ist als Genuss-,
Rausch- oder Nahrungsmittel für den Menschen nach Wasser und Erdöl zur
drittwichtigsten Flüssigkeit geworden (vgl. Feuerlein 2008, 11). In der
Bundesrepublik Deutschland ist der Verzehr, Erwerb, Handel und Besitz ab
dem 16. beziehungsweise 18. Lebensjahr legal und gesellschaftlich akzep-
tiert. Durch den Alkoholkonsum besteht die Gefahr eine Alkoholabhängig-
keit zu entwickeln, von der ungefähr 2,5 Millionen in Deutschland lebende
Bürger betroffen sind (vgl. Bloomfield 2008, 13). Schätzungsweise befin-
den sich 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in einer
Familie, in der eine elterliche Alkoholabhängigkeit besteht (vgl. Klein et al.
2003 in Klein 2003). In jeder siebten Familie lebt ein Kind zeitweise, in
jeder Zwölften sogar dauerhaft unter den Umständen, dass Eltern(teile)
alkoholabhängig sind. (vgl. Klein 2003).
Die Fachliteratur beinhaltet über die Entstehung Theorien, die biologische,
psychologische und soziologische Ansätze umfassen. Das Individuum
durchläuft bis zur Alkoholabhängigkeit drei typische Schritte. Im ersten
Schritt beobachtet der Mensch in seiner Kindheit den Alkoholkonsum seiner
Mitmenschen und lernt, dass sich durch Alkoholkonsum eine angenehme
Wirkung erzielen lässt. Zudem erfährt er, wann und wo dieser angemessen
ist. Anschließend folgen die eigenen ersten Konsumerfahrungen. Im zwei-
ten Schritt gewöhnt er sich an den Alkoholkonsum in bestimmten Situatio-
nen und empfindet alternative Verhaltensweisen als unangenehm. Folglich
ist der Betroffene immer stärker auf die Wirkung und Unterstützung des
Alkohols angewiesen. Im dritten Schritt verfügt der Mensch über keinerlei
Verhaltensalternativen zum Konsum und entwickelt aus der Gewohnheit
eine Abhängigkeit, so dass er sich in einem Kreis bewegt, der sich mit der
Zeit verfestigt (vgl. Lindenmeyer 2008, 62ff.).

Alkohol und Alkoholabhängigkeit
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Die Alkoholabhängigkeit ist seit dem Jahr 1968 in der Bundesrepublik
Deutschland als Krankheit definiert und anerkannt. Davor nannte sie sich
"Trinksucht". In den Augen der Gesellschaft, war der Abhängige ein min-
derwertiger Mensch, der sich nicht unter Kontrolle hatte, sowie in seinem
Leben versagte (vgl. Liptow 2000, 5). Die Alkoholabhängigkeit ist nicht nur
eine körperliche und psychische Krankheit, sie verändert die ganze Persön-
lichkeit des Menschen, dessen Gefühlsleben und Denkweisen. Die abhängi-
ge Person verleugnet die Krankheit viele Jahre, manchmal sogar bis zu ih-
rem Tod, vor sich selbst und vor seinen Mitmenschen (vgl. Lambrou 2008,
15). Eines der größten und bekanntesten Klassifikationssysteme zur Diag-
nostik psychischer Störungen ist die zehnte Ausgabe des ,,International
Classification of Diseases" (ICD-10). Es definiert sechs Kriterien, von denen
mindestens drei innerhalb des letzten Jahres gleichzeitig auftreten müssen,
um die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit stellen zu können:
x Starkes Verlangen oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren.
x Reduzierte Kontrollfähigkeit bezüglich Beginn, Ende und Menge des
Alkoholkonsums.
x Körperliche Entzugserscheinungen bei Konsumreduktion und ­
stopp, sowie Alkoholkonsum mit dem Ziel der Linderung oder Ver-
meidung von Entzugssymptomen.
x Entwicklung einer Toleranz, so dass zunehmend höhere Dosen er-
forderlich sind, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
x Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interes-
sen zugunsten des Alkoholkonsums.
x Anhaltender Alkoholkonsum trotz des Wissens über schädliche Fol-
gen (vgl. Dilling et al. 2010, 99f.).
Alkoholabhängige unterscheiden sich in der konsumierenden Alkoholmen-
ge, dem Konsumzweck und -zeitraum. Einige Forscher kategorisierten die
Typologien der Alkoholabhängigkeit. Eine der Ältesten und Bekanntesten
stellte Jellinek auf. Er unterscheidet zwischen fünf Subgruppen, wobei auch
Mischformen möglich sind:
x Alpha-Trinker konsumieren in Belastungs- und Konfliktsituationen
aus psychischen Gründen, um Spannungen, wie Stress oder Angst
abzubauen, da sie über keine anderen Bewältigungsstrategien ver-
fügen
x Beta-Trinker konsumieren gelegentlich. Das Trinken wird durch so-
ziale Umstände im Privat- und Berufsleben bestimmt.

Alkoholabhängigkeit ­ eine Familienkrankheit
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x Gamma-Trinker können den Alkohol nicht in kleinen Mengen kon-
sumieren und erleiden einen Kontrollverlust. Sie haben den starken
Drang bis zu einem Vollrausch hin zu trinken.
x Delta-Trinker konsumieren, um den Alkoholgehalt im Blut gleichmä-
ßig auf einem bestimmten Pegel zu halten. Wird dieser unter-
schritten, kommt es zu Entzugserscheinungen. Sie haben Kontrolle
über die Alkoholmenge, so dass sie keinen Vollrausch erleben, je-
doch keine Kontrolle über den Trinkzeitpunkt.
x Epsilon-Trinker zeichnen sich durch Trink- und Abstinenzphasen
aus. Sie verspüren in zeitlichen Abständen einen unwiderstehlichen
Drang nach Alkohol und fallen in einen extremen und unkontrollier-
ten Konsum (vgl. Jellinek, 1960 in Feuerlein 2008, 76; Lindenmeyer
2005, 6).
Kritisch zu betrachten ist die Ausprägung der Alkoholabhängigkeit des Al-
pha- und Beta-Trinkers. Diese können eher als Vorstufen einer Abhängig-
keit gesehen werden.
Alkohol ist für die Gesellschaft von hoher Bedeutung. Allerdings ist die Ge-
fahr der Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit gegeben. Diese lässt sich
typisieren und anhand von bestimmten Kriterien eindeutig diagnostizieren.
Es sind 2,65 Millionen Kinder und Jugendliche von einer elterlichen Alkohol-
abhängigkeit betroffen. Das nächste Kapitel zeigt auf, wie sich diese
Krankheit auf die Familie auswirkt.
3
Alkoholabhängigkeit ­ eine Familienkrankheit
Wenn ein Elternteil in der Familie an der Alkoholabhängigkeit erkrankt,
kann das Leben nicht so weitergeführt werden, wie vor der Erkrankung.
Dieses Kapitel beschreibt, in welcher Art und Weise sich die Alkoholabhän-
gigkeit auf alle Familienmitglieder auswirkt.
Die Alkoholabhängigkeit eines Elternteils bringt die Familie aus dem Gleich-
gewicht. Sein durch den Alkohol verändertes Verhalten prägt die Verhal-
tensweisen des Partners, auf das folglich die Kinder angemessen reagieren
müssen (vgl. Lambrou 2008, 19f). Somit wird der Alltag von der Abhängig-
keit beeinflusst und verändert (vgl. Arenz-Greiving 2003a, 9). Das heißt,
dass unmittelbar alle Familienmitglieder mit den Krankheitsfolgen leben
müssen (vgl. Zobel 2008 44). Es ist für keinen Familienangehörigen mög-

Alkoholabhängigkeit ­ eine Familienkrankheit
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lich, die Alkoholabhängigkeit zu ignorieren. Die Familie reagiert mit ver-
schiedenen Verhaltensmustern und passt sich dem trinkenden Elternteil an,
um die mit der Krankheit verbundene Belastung auszubalancieren und so-
mit wieder ein Gleichgewicht herzustellen (vgl. Kolitzus 2009 44f).
Die Alkoholabhängigkeit eines Familienmitgliedes ist eine Familienkrank-
heit, weil sich alle in der Familie lebenden Personen unbewusst an die
Krankheit anpassen und diese somit Auswirkungen auf ihre Verhaltenswei-
sen hat. Das hat zur Folge, dass sich die Familienstrukturen verändern und
sich verschiedene Regeln, nach denen die Familie lebt, entwickeln.
3.1 Familienregeln
Die Alkoholabhängigkeit führt zu spezifischen familieninternen Regeln, nach
denen sich jedes Familienmitglied richtet. Dieses Kapitel fasst Literaturin-
halte zu typischen Familieneigenschaften in Form von Regeln zusammen.
Die Regeln stellt der alkoholabhängige Elternteil auf. Ziel ist es den Zugriff
auf Alkohol zu gewährleisten, negative Gefühle zu vermeiden und die Ei-
genabwehr zu schützen. In dem Maße, wie er die Kontrolle über den Kon-
sum und das Leben verliert, gewinnt er die Macht und Kontrolle über die
gesamte Familie. Hauptsächlich werden die Regeln durch Blicke, Gesten
und Reaktionen vermittelt, so dass sie unausgesprochen sind. Sie grenzen
die Familie von der Umwelt ab und blockieren die Persönlichkeitsentwick-
lung aller Beteiligten. Dies stellt einen schädlichen Faktor in ihrer Entwick-
lung dar und wirkt sich oft bis ins Erwachsenenalter aus (Arenz-Greiving
2003b). Diese Regeln sind in unterschiedlicher Stärke ausgeprägt und stel-
len gleichzeitig die typischen Merkmale dieser Familien dar.
Jeder behält das Wissen über die Alkoholabhängigkeit für sich. Eine alko-
holbelastete Familie behandelt die Alkoholabhängigkeit als Geheimnis. Alle
Familienmitglieder nehmen die Erkrankung als Defizit wahr, weil sie die
Gesellschaft stigmatisiert und somit das Bedürfnis entsteht, diese zu ver-
heimlichen (vgl. Teske 1994, 18f.). Diese Familienregel spricht niemand
offen aus. Die Kinder merken, dass der nicht trinkende Elternteil den ande-
ren schützt (s. Kap. 3.2) und beide die Krankheit nach außen verleugnen
(vgl. Woititz 2008, 18). Die Eltern versuchen sie sogar vor den Kindern zu
verheimlichen. Dieses Verhalten verstehen die Kinder als einen Hinweis,
ebenfalls darüber zu schweigen. Schlussendlich wissen alle in der Familie,
dass ein Alkoholproblem besteht, doch jeder behält diese Information für

Alkoholabhängigkeit ­ eine Familienkrankheit
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sich. Kinder lernen, dass lügen für die Familie erlaubt und gewünscht ist,
um die Krankheit zu verheimlichen, währenddessen es sonst verboten ist
(vgl. Teske 1994, 19). Der Alkohol ist ein Tabuthema, denn darüber zu
sprechen verursacht unkontrollierten Ärger und starke Ablehnung, was die
Kinder vermeiden wollen. Folglich übernehmen sie Handlungen, die dazu
dienen die Alkoholabhängigkeit zu verbergen (vgl. Lambrou 2008, 26f).
Aus Scham isoliert sich die Familie, um das Risiko zu verringern, dass fami-
liäre Probleme nach außen reflektiert werden. Die Isolation und das
Schamgefühl erschwert allerdings die Bereitschaft Hilfe aufzusuchen und
anzunehmen (vgl. Teske 1994, 19). Das Aufrechterhalten der Fassade, das
Bild der ordentlichen Familie fördert indirekt die Alkoholabhängigkeit, weil
die Familienmitglieder dazu verhelfen, dass Außenstehende den Abhängi-
gen nicht mit seinem Alkoholproblem konfrontieren und dieser sich folglich
nicht damit auseinandersetzen muss.
Die Probleme aufgrund der Alkoholabhängigkeit werden verleugnet. Die
Eltern und Kinder sprechen weder innerhalb noch außerhalb der Familie
über Probleme, die aufgrund der Alkoholabhängigkeit entstehen. Eltern
erkennen zum Teil Schwierigkeiten, führen diese jedoch keinesfalls auf die
Alkoholabhängigkeit als Ursache zurück. Sie spielen den zu hohen Alkohol-
konsum herunter oder beschreiben ihn als Folge von Problemen oder ande-
ren ungünstigen Umständen, wie beispielsweise viel Stress, ungezogene
Kinder oder einer Reihe von Konflikten. Die Verfälschung der Tatsachen hat
zur Folge, dass Kinder an ihrer Wahrnehmung zweifeln, sich als anormal
empfinden und das Gefühl verinnerlichen, dass es für die häuslichen
Schwierigkeiten keine Hilfe und keinen Ausweg gibt (vgl. Arenz-Greiving
2003a, 23).
Jeder verdrängt negative Gefühle. Das Leben in einer von der Alkoholab-
hängigkeit betroffene Familie, beinhaltet viele belastende und schmerzhaf-
te Ereignisse, die bei allen negative Gefühle verursachen. Das Verdrängen
hat den Zweck, seelische Schmerzen zu vermeiden und folglich das Leben
zu vereinfachen (vgl. Arenz-Greiving 2003a, 24). Negative Gefühle wie
Traurigkeit, Wut, Scham und Enttäuschung sind bei dem alkoholabhängi-
gen Elternteil auch vorhanden. Um sich zum Beispiel vor Auseinanderset-
zungen mit den Konsumfolgen zu schützen, bekämpft er diese. Gefühle, die
er selber nicht zulässt, sind bei den Kindern ebenfalls unerwünscht (vgl.
Lambrou 2008, 73). Zudem steht hinter dieser Regel die Ansicht, dass man
seinen Gefühlen nur begrenzt vertrauen kann (vgl. Arenz-Greiving 2003a,
23). Da es offiziell keine Probleme aufgrund des Alkoholkonsums gibt, äu-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783842838345
Dateigröße
829 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Bielefeld – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Note
1,2
Zurück

Titel: Alkoholabhängigkeit in Familien und die Auswirkungen auf die Kinder
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