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Die mathematische Untersuchung der Musterbildung auf Tierfellen

©2013 Masterarbeit 99 Seiten

Zusammenfassung

Einleitung:
In der vorliegenden Arbeit wollen wir uns mit einem faszinierenden Beispiel für Selbstorganisation in der Natur befassen, und zwar mit der Ausbildung von Fellmustern bei Tieren. Die Fragen, welche wir uns schon bei dem einen oder anderen Zoobesuch gestellt haben, sind: Wie kommt das Zebra zu seinen Streifen? Und wie der Leopard zu seinen Flecken? Die Natur ist voller Muster – doch welcher Musterbildungsprozess mag einer solchen Fellzeichnung zugrunde liegen? In seinem amüsanten Essay ‘How the leopard got its spots’ versuchte sich der Dschungelbuch-Autor Rudyard Kipling an einer Erklärung. Danach standen Zebra und Giraffe lange genug im Halbschatten unter den Bäumen: ‘… und nach langer Zeit, weil sie halb im Schatten und halb in der Sonne standen, und wegen der flimmernd-flackernden Schatten der Bäume, die auf sie fielen, wurde die Giraffe fleckig, und das Zebra gestreift.’.
Dem Leopard dagegen verhalf ein Mensch mit seinen Fingerabdrücken zu den Flecken: ’…dann presste der Äthiopier seine fünf Finger fest zusammen (es war noch viel Schwarz auf seiner neuen Haut übrig) und drückte sie überall auf den Leoparden, und überall, wo seine fünf Finger hinkamen, machten sie fünf kleine schwarze Abdrücke, alle ganz eng zusammen. Du kannst sie auf jedem beliebigen Leopardenfell sehen […] wenn du dir jetzt irgendeinen Leoparden genau anschaust, wirst du sehen, das es immer fünf Flecken sind – von fünf fetten schwarzen Fingerspitzen.’ Dieser nicht ganz ernst gemeinte Versuch, den Ursprung der Muster zu deuten, zeigt jedoch auch, dass wir bei Musterbildungsprozessen nicht unbedingt intuitiv zu einer Erklärung gelangen. Modelle und Hypothesen gab es in den vergangenen Jahren viele, doch erst jetzt beginnen Wissenschaftler, die molekularen Grundlagen der Musterbildung zu enträtseln. Biomathematiker fanden heraus: Die Entwicklung der Fellmuster lässt sich mit einem einzigen Modell beschreiben – für unterschiedliche Tiere.[...]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Jakob, Angelique: Die mathematische Untersuchung der Musterbildung auf Tierfellen,
Hamburg, Diplomica Verlag GmbH 2013
PDF-eBook-ISBN: 978-3-8428-3987-8
Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2013
Zugl. Universität Augsburg, Augsburg, Deutschland, Masterarbeit, Juli 2013
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http://www.diplom.de, Hamburg 2013
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
4
2. Die Entstehung von Tierfellmustern
8
2.1. Der Reaktions-Diffusions-Mechanismus - ein mathematisches Modell nach
Turing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.2. Diffusionsbedingte Instabilit¨
at nach Turing
. . . . . . . . . . . . . . . . .
9
2.3. Stabilit¨
atsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.3.1. Diffusionsgleichungssystem ohne Diffusion . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3.2. Diffusionsgleichungssystem mit Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.4. Beispiele einer Turing-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.5. Der Vergleich der Musterbildung mit der Realit¨
at . . . . . . . . . . . . . . 27
2.5.1. Die Musterungen eines Tierfells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.5.2. Typische Schwanzmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3. Verallgemeinerung auf mehrere Dimensionen
39
3.1. Wiederholung und Hauptresultate
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.2. Eigenschaften der Linearisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.3. Der Phasenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.4. Die fr¨
uhen Musterbildungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.4.1. Die Zerlegung der Phasenr¨
aume
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.4.2. Absch¨
atzungen f¨
ur die Nichtlinearit¨
at . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.4.3. Das Hauptresultat der fr¨
uhen Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.5. Ann¨
ahernd lineares Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
3.5.1. Lineare Absch¨
atzungen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.5.2. Absch¨
atzungen f¨
ur die Nichtlinearit¨
at . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3.5.3. Das Hauptresultat f¨
ur die sp¨
ate Phase . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4. Numerische Simulation von Mustern
72
4.1. Ortsdiskretisierung einfacher Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4.2. Allgemeine Grundlagen des Laplace-Operators
. . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3. Periodische Randbedingungen auf dem Rechteck . . . . . . . . . . . . . . 77
4.4. Zeitdiskretisierung im Euler-Verfahren: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.5. Realisierung des Schnakenberg-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.6. Realisierung des Thomas-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.7. Das explizite Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
4.8. Das implizite Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4.9. Das ADI-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.10. Simulation auf der Kegelstumpfoberfl¨
ache . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
4.10.1. Das explizite Euler-Verfahren auf dem Kegel
. . . . . . . . . . . . 88
4.10.2. Das ADI-Verfahren auf dem Kegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
2

Inhaltsverzeichnis
A. Anhang
89
A.1. Numerische Simulation des Rumpfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
A.2. Numerische Simulation von Extremit¨
aten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
B. Res¨
umee & Ausblick
92
C. Abbildungsverzeichnis
94
Literaturverzeichnis
96
3

1. Einleitung
1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit wollen wir uns mit einem faszinierenden Beispiel f¨
ur Selbst-
organisation in der Natur befassen, und zwar mit der Ausbildung von Fellmustern bei
Tieren. Die Fragen, welche wir uns schon bei dem einen oder anderen Zoobesuch gestellt
haben, sind: Wie kommt das Zebra zu seinen Streifen? Und wie der Leopard zu seinen
Flecken? Die Natur ist voller Muster ­ doch welcher Musterbildungsprozess mag einer
solchen Fellzeichnung zugrunde liegen? In seinem am¨
usanten Essay
"
How the leopard got
its spots" versuchte sich der Dschungelbuch-Autor Rudyard Kipling an einer Erkl¨
arung.
Danach standen Zebra und Giraffe lange genug im Halbschatten unter den B¨
aumen:
"
. . . und nach langer Zeit, weil sie halb im Schatten und halb in der Sonne standen,
und wegen der flimmernd-flackernden Schatten der B¨
aume, die auf sie fielen, wurde die
Giraffe fleckig, und das Zebra gestreift."
Dem Leopard dagegen verhalf ein Mensch mit seinen Fingerabdr¨
ucken zu den Fle-
cken:". . . dann presste der ¨
Athiopier seine f¨
unf Finger fest zusammen (es war noch viel
Schwarz auf seiner neuen Haut ¨
ubrig) und dr¨
uckte sie ¨
uberall auf den Leoparden, und
¨
uberall, wo seine f¨
unf Finger hinkamen, machten sie f¨
unf kleine schwarze Abdr¨
ucke, alle
ganz eng zusammen. Du kannst sie auf jedem beliebigen Leopardenfell sehen [. . . ] wenn
du dir jetzt irgendeinen Leoparden genau anschaust, wirst du sehen, das es immer f¨
unf
Flecken sind ­ von f¨
unf fetten schwarzen Fingerspitzen." [19] Dieser nicht ganz ernst
gemeinte Versuch, den Ursprung der Muster zu deuten, zeigt jedoch auch, dass wir bei
Musterbildungsprozessen nicht unbedingt intuitiv zu einer Erkl¨
arung gelangen. Model-
le und Hypothesen gab es in den vergangenen Jahren viele, doch erst jetzt beginnen
Wissenschaftler, die molekularen Grundlagen der Musterbildung zu entr¨
atseln. Bioma-
thematiker fanden heraus: Die Entwicklung der Fellmuster l¨
asst sich mit einem einzigen
Modell beschreiben ­ f¨
ur unterschiedliche Tiere.
Eine m¨
ogliche Erkl¨
arung f¨
ur die Entstehung biologischer Muster liefert in den 1950er-
Jahren der am 23. Juni 1912 in London geborenen Alan Turing. Turing war ein begna-
deter Mathematiker. Bereits 1936 hatte er das theoretische Konzept einer Maschine (die
sog. Turingmaschine) entwickelt, die in der Lage ist,
"
jedes vorstellbare mathematische
Problem zu l¨
osen, sofern dieses auch durch einen Algorithmus gel¨
ost werden kann" ­
und nahm damit quasi den Computer vorweg.[21] Den Informatikern gilt er seither als
Gr¨
undervater ihrer Disziplin. Bekannt wurde er jedoch vor allem, weil es ihm gelang, die
sagenumwobene Verschl¨
usselungsmaschine
"
Enigma" zu knacken, jene Maschine, die das
deutsche Milit¨
ar im Zweiten Weltkrieg zur Verschl¨
usselung seiner Nachrichten nutzte.
Bald war der britische Geheimdienst imstande, große Teile der chiffrierten deutschen
Funkspr¨
uche im Klartext zu lesen ­ ein Erfolg, der nachweislich zum Gelingen vieler
alliierter Kriegsoperationen beigetragen hat. F¨
ur viele von Turings mathematischen Ar-
beiten wurde auch nach Kriegsende nie die Geheimhaltung aufgehoben. 1952 entwarf
der Brite in seinem Beitrag
"
The Chemical Basis of Morphogenesis" ein mathemati-
sches Modell, um zu erkl¨
aren, wie der Leopard zu seinen Flecken bzw. das Zebra zu
seinen Streifen kommt­ ganz mathematisch versteht sich, denn sein Modell ließ sich
in einer einzigen Gleichung zusammenfassen. Seine ¨
Uberlegungen zur Musterbildung in
biologischen Systemen haben wesentlich zum Verst¨
andnis der Vorg¨
ange vor allem in der
4

1. Einleitung
Entwicklungsbiologie beigetragen.
Aus rein theoretischen Erw¨
agungen schlug Turing damals einen Reaktions-Diffusions-
Mechanismus (Turing-Mechanismus) vor, in dem zwei biochemische Substanzen durch
den K¨
orper des Tierembryos diffundieren, sich also aufgrund der thermischen Eigenbe-
wegung ihrer Molek¨
ule ausbreiten. Der Keim der Fellzeichnung wird n¨
amlich bekannter-
maßen schon in der embryonalen Phase gelegt. Er bewies mathematisch, dass ein solch
einfaches System eine Vielzahl von Mustern hervorbringen kann. An dieser Stelle wollen
wir bereits erw¨
ahnen, dass sich der Begriff
"
Musterbildung" sehr unterschiedlich inter-
pretieren l¨
asst. Er l¨
asst sich beispielsweise mit der Ornamentik in Verbindung bringen,
d.h. mit Fellzeichnungen von Tieren, Blattformen, periodischer K¨
orperstrukturen, Ober-
fl¨
achenstrukturen und schließlich der Gesamtstruktur eines Organismus. Wir werden uns
im Folgenden allerdings nur mit der Fellzeichnung von Tieren befassen. In seinem Modell
betrachtete Turing nun zwei unterschiedlich schnell diffundierende Substanzen, die mit-
einander reagieren. Ein ¨
uber kurze Entfernung wirkender Stoff, der Aktivator, f¨
ordert
seine eigene Produktion ­ was Chemiker als Autokatalyse bezeichnen ­ sowie die seines
sich rasch ausbreitenden Kontrahenten, des Inhibitors. Der Aktivator ist eine Substanz,
welche die Bildung von Melanin anregt, jenes Pigments das ab einer bestimmten Konzen-
tration gebildet wird und f¨
ur dunkles Fell sorgt. Der Inhibitor dagegen erreicht genau das
Gegenteil. Er verhindert die Produktion von Melanin und f¨
uhrt somit zu einem hellen
Fell. Ob also an einer bestimmten Stelle schwarzes oder weißes Fell entsteht ist von der
Menge der dort befindlichen beiden Stoffe abh¨
angig. (In anderen Worten: Der Aktivator
initiiert und verst¨
arkt eine Strukturbildung, der Inhibitor verhindert und schw¨
acht diese
ab.) Die Konzentrationen beider Stoffe k¨
onnen sich allerdings auch in einem Gleichge-
wichtszustand befinden.
Dieser Zustand ist jedoch lokal instabil. Jede lokale Zunahme des Aktivators wird sich
aufgrund der Autokatalyse weiter verst¨
arken, wodurch die Menge an Inhibitor ebenfalls
zunimmt. Der Aktivator ist dabei st¨
arker f¨
ordernd als der Inhibitor hemmend. Da sich
der Inhibitor schneller ausbreitet (wodurch er eine unregelm¨
aßige Verteilung stabilisiert)
und somit rasch von der Quelle des Aktivators entfernt, kann er den weiteren lokalen An-
stieg des Aktivators nicht aufhalten, bremst aber dessen Autokatalyse in der Umgebung.
Da dies so ist, verringert sich in einem gegebenen Bereich der Inhibitor schneller, und
eine Insel mit h¨
oherer Konzentration des Aktivators kann entstehen: Ph¨
anomenologisch
wird es ein Punkt oder ein Streifen. D.h., die Konzentration der an einem Haarfollikel
des Fells befindlichen Stoffe entscheidet also dar¨
uber, ob dort helles oder dunkles Fell
entsteht. Ver¨
andert man die verschiedenen Parameter wie Produktionsrate, Abbaurate
oder Diffusionsgeschwindigkeit, so kann leicht die eine oder andere Substanz in ver-
schiedenen Bereichen der Oberfl¨
ache die Oberhand gewinnen. Auf diese Weise lassen
sich fast beliebige Muster erzeugen und es ergeben sich je nach Fall Flecken, Streifen
oder optisch einfarbige Erscheinungsformen. Die genannten Parameter gehen ein in eine
sogenannte partielle Differentialgleichung. Und um nichts anderes geht es bei der Mus-
terbildung: Mithilfe partieller Differentialgleichungen ist es m¨
oglich, die Konzentrationen
beider Stoffe, also des Aktivators und des Inhibitors als Funktion ihrer gegenw¨
artigen
Konzentrationen miteinander in Beziehung zu setzen. Die partiellen Differentialgleichun-
gen beschreiben diesen Vorgang kontinuierlich. Diese lassen sich f¨
ur gew¨
ohnlich allerdings
5

1. Einleitung
nicht l¨
osen. Ein Ansatz zur L¨
osung ist die Diskretisierung der PDG, womit man zu ge-
gebenem Zeitpunkt t ein Gleichungssystem erh¨
alt, aus dem sich die Konzentration zum
Zeitpunkt t + t berechnen l¨
asst. Durch vielfache Wiederholung eines solchen Rechen-
schrittes erh¨
alt man die Konzentrationen der beteiligten Substanzen im Verlauf der Zeit.
(Der zugrunde liegende Prozess bestimmt jedoch nicht die exakte Position und Gr¨
oße
von Farbflecken, sondern gibt lediglich Regeln vor, nach denen die Pigmentierung zu
erfolgen hat.)
Nicht erkl¨
aren konnte Turings Mustermodell, wie sich die Flecken im Laufe eines Tier-
lebens weiterentwickeln, wie also aus einfachen Fellt¨
upfeln komplexe Muster entstehen,
ahrend etwa eine Raubkatze erwachsen wird. Erst sp¨
ater wurde durch den Bioma-
thematiker Philip Maini von der University of Oxford und zwei Physiker aus Taiwan
gezeigt, dass sich die Fellmuster in zwei Phasen entwickeln. Zun¨
achst einmal entstehen
bei den Tierembryos die simplen Flecken, dann erst werden daraus Streifen, Rosetten
und andere Muster. Sie konnten schließlich theoretisch nachweisen, wie aus Baby-Flecken
komplizierte Fellmuster ausgewachsener Leoparden und Jaguare werden.
Wie wir im Verlauf der Arbeit feststellen werden, kommt noch ein anderer sehr wichtiger
Aspekt hinzu: Der Zeitpunkt, wann der Aktivator-Inhibitor-Prozess w¨
ahrend der Em-
bryonalentwicklung der Tiere in Gang gesetzt wird. Simulationen der angesprochenen
Reaktions-Diffusions-Gleichungen zeigen, dass kleine Tiere mit kurzer Tragezeit, wie bei-
spielsweise die Maus, einheitlich gef¨
arbt sein sollten. Und in der Tat sind sie das in der
Regel auch. Ist bei Aktivierung des Prozesses der Embryo allerdings bereits etwas gr¨
oßer,
wird das ausgewachsene Tier teils
"
schwarz", teils
"
weiß" sein. So verh¨
alt es sich bei der
Walliser Ziege. Dann nimmt die Komplexit¨
at der Muster mit zunehmender Fellfl¨
ache
zun¨
achst zu. Dalmatiner und Raubkatzen beispielsweise haben meist viele Flecken.
Wir werden zudem noch auf die Muster der Extremit¨
aten der Tiere (Schwanz bzw.
Beine) eingehen. Die L¨
osung der Reaktions-Diffusions-Gleichung ist eine Kombination
von Wellen. Dies f¨
uhrt in gr¨
oßeren Gebieten zum Wechsel von B¨
andern st¨
arkerer und
schw¨
acherer Aktivatorkonzentration und somit zum Wechsel von dunklen und hellen
Bereichen. In Rechtecks-Gebieten kann sich allerdings in Richtung einer geringen Aus-
dehnung keine ganze Welle ausbilden, w¨
ahrend in Richtung der gr¨
oßeren Ausdehnung
ein typischer Schwarz-Weiß-Wechsel vorliegen kann.
Wir werden im Folgenden auch zeigen, welche verschiedenen Arten der Musterungen
oglich sind. Unsere numerischen Simulationen werden dabei die Beobachtung un-
terst¨
utzen, dass es in der Natur keine Tiere gibt, welche auf dem Schwanz bis zur Spitze
gepunktet sind.
In der vorliegenden Arbeit befassen wir uns im folgenden Kapitel mit der Theorie
des Biomathematikers James D. Murray [1]. Wir werden zun¨
achst ganz allgemein das
Reaktions-Diffusions-Modell vorstellen und uns anschließend mit den einzelnen Parame-
tern besch¨
aftigen, welche die Musterbildung beeinflussen.
Das dritte Kapitel lehnt sich an die Ausarbeitung von Sander und Wanner [3] an. Hierbei
werden wir die im zweiten Kapitel betrachtete Theorie vertiefen. Wir bedienen uns dabei
der Theorie der Cahn-Hilliard-Gleichung f¨
ur die spinodale Entmischung angewendet auf
die Tierfellmusterungen.
6

1. Einleitung
Im vierten Kapitel befassen wir uns abschließend noch mit der numerischen Simulation
von Mustern, welche wir im Anhang mit der Realit¨
at vergleichen.
Abb. 1.1
: Beispiele f¨
ur verschiedene Tierfellmusterungen: Von links oben nach rechts unten Ze-
bra, Leopard, Giraffe, Tiger
7

2. Die Entstehung von Tierfellmustern
2. Die Entstehung von Tierfellmustern
Beginnen wir zun¨
achst mit einer eher biologisch motivierten Darstellung [5]. In der Bio-
logie besch¨
aftigt sich die sogenannte Embryologie mit der Bildung und Entwicklung eines
Embryos von der Befruchtung bis zur Geburt. Dies ist ein fortlaufender Prozess, welcher
einem Grundplan folgt, der bereits sehr fr¨
uh festgelegt wird. In diesem Zusammenhang
spielt die Entwicklung der Form und Gestalt des entstehenden Tieres eine f¨
ur uns sehr
wichtige Rolle. Dies wird als Morphogenese (
"
Gestaltbildung") bezeichnet.
In Bezug auf die Musterbildung wird f¨
ur die Umsetzung des Grundplans in einem Mo-
dell nach Wolpert (1969) davon ausgegangen, dass in den Hautzellen des Embryos eine
Konzentrationsverteilung von bestimmten Chemikalien, den sogenannten Morphogenen,
vorhanden ist. Die vorhandene Chemikalienkonzentration innerhalb einer solchen Haut-
zelle beeinflusst dementsprechend das Verhalten der darauf vorprogrammierten Zelle. Die
Konzentration wird durch die Zelle
"
ausgelesen", mit einer Referenzkonzentration ver-
glichen und so die Produktion des Farbstoffs Melanin gesteuert, welcher f¨
ur die Zellfarbe
verantwortlich ist. Im Folgenden wird nun davon ausgegangen, dass eine Zelle schwarz
wird, wenn die Konzentration der Morphogene oberhalb der Referenzkonzentration liegt
und weiß bei niedrigerer Konzentration.
Bei dieser Theorie wird jedoch oftmals die fehlende Genabh¨
angigkeit innerhalb des Mo-
dells bem¨
angelt. Es ist zwar bekannt, dass der Mechanismus genetisch kontrolliert wird,
aber auch, dass Gene allein nicht zur Erzeugung von Mustern beitragen k¨
onnen. Nur das
"
Rezept" f¨
ur den Musterbildungsprozess ist genetisch gespeichert, nicht aber das eigent-
liche Muster. Die Gene haben lediglich einen Einfluss auf die Erstellung des Grundplans.
Abb. 2.1
: Modell der Musterbildung
In der Tierwelt lassen sich die unterschiedlichsten Formen von Fellmustern beobachten,
wie wir es am Beispiel des Zebras oder des Leoparden erkennen k¨
onnen. Besch¨
aftigen
wir uns daher mit der Analyse dieser vielf¨
altigen Muster, so ergeben sich f¨
ur uns einige
Fragen:
1) Weshalb entstehen solche Muster?
2) Welche Art von Musterungen k¨
onnen in der Natur vorkommen?
3) Wie und zu welchem Zeitpunkt entstehen diese Muster?
8

2.1. Der Reaktions-Diffusions-Mechanismus - ein mathematisches Modell nach Turing
Zur Beantwortung dieser Fragen werden wir uns in diesem Kapitel mit Mechanismen
besch¨
aftigen, welche solche r¨
aumlichen Muster und Formen erzeugen k¨
onnen. Dabei
handelt es sich um sogenannte Reaktions-Diffusions-(Musterbildungs-)Mechanismen. Die
Theorie dieses Kapitels stammt gr¨
oßtenteils aus den Werken von Murray [1] und Brit-
ton[2]. Ein paar weitere ¨
Uberlegungen befinden sich in [4], [5], [6] und [8].
2.1. Der Reaktions-Diffusions-Mechanismus - ein mathematisches Modell
nach Turing
1952 formulierte der britische Mathematiker Alan Turing Gleichungen bestehend aus
zwei chemischen Komponenten, die ein Reaktions-Diffusions-System beschreiben k¨
onnen.
Turing behauptet, dass diese zwei Chemikalien unter gewissen Voraussetzungen mitein-
ander reagieren k¨
onnen und dabei vielf¨
altige Muster entstehen. Dies sind die nach ihm
benannten sogenannten
"
Turing-Muster". Solch eine allgemeine Reaktions-Diffusions-
Gleichung hat die Form
c
t
= f (c) + Dc
(2.1)
in einem von einer Substanz eingenommenen Gebiet
R
n
. c bezeichne dabei die mor-
phogenen Konzentrationen, f entspricht der Reaktionskinetik, D ist die Diagonalmatrix
von positiv konstanten Diffusionskoeffizienten und enth¨
alt die zweite Ableitung bzgl.
der r¨
aumlichen Variable x. Dieses Kapitel behandelt allerdings haupts¨
achlich Modelle
ur zwei chemische Komponenten A(r, t) (Aktivator) und B(r, t) (Inhibitor), wobei r den
Ort und t die Zeit angibt. Die Gleichungen haben die Form:
A
t
= F (A, B) + D
A
A
(2.2)
B
t
= G(A, B) + D
B
B
Hierbei sind A und B die Morphogenkonzentrationen, F bzw. G die nichtlinearen Reak-
tionsfunktionen und D
A
bzw. D
B
die entsprechenden Diffusionskoeffizienten.
2.2. Diffusionsbedingte Instabilit¨
at nach Turing
Turings Idee ist einfach. Er behauptet, dass bei Abwesenheit der Diffusion, d.h. jegli-
cher r¨
aumlichen Ver¨
anderung (D
A
= D
B
= 0), die Konzentrationen A bzw. B gegen
ein linear stabiles station¨
ares Gleichgewicht streben, wodurch die r¨
aumlich inhomoge-
nen Muster durch eine diffusionsbedingte Instabili¨
at (d.h. falls D
A
= D
B
) unter gewissen
Bedingungen (welche wir im weiteren Verlauf noch ausf¨
uhrlich behandeln werden) weiter-
entwickelt werden k¨
onnen. Daraus ergibt sich die nach ihm benannte Turing-Instabilit¨
at :
· Ohne Diffusion ist der Gleichgewichtszustand gegen¨uber kleinen St¨orungen stabil
· Mit Diffusion ist der homogene Gleichgewichtszustand bei kleinen St¨orungen instabil
9

2.2. Diffusionsbedingte Instabilit¨
at nach Turing
Da wir in der Regel davon ausgehen, dass sich Diffusion stabilisierend auswirkt, be-
trachten wir zun¨
achst noch ein eher
"
realit¨
atsfernes" Beispiel. Mit dessen Hilfe k¨
onnen
wir uns das Ph¨
anomen der diffusionsbedingten Instabilit¨
at, dass wir also durch Diffusi-
on und Reaktion zweier Chemikalien ein inhomogenes Konzentrationsmuster erhalten,
besser vorstellen.
Wir stellen uns dazu eine trockene Wiese vor, auf welcher sich zun¨
achst gleichm¨
aßig
verteilt Grash¨
upfer befinden. Ein interessanter Aspekt dieser Tiere ist, dass sie davon
fliegen k¨
onnen, wenn es ihnen zu warm wird. Dabei werden sie allerdings so stark schwit-
zen, dass sie das umliegende Gras sehr stark befeuchten. Es sei zudem erw¨
ahnt, dass die
Temperatur auf der gesamten Wiese gleich hoch ist. Nun wird dieses Gleichgewicht durch
einen Menschen gest¨
ort, welcher ein brennendes Streichholz in diese Wiese wirft. Das
trockene Gras wird sofort Feuer fangen und das Feuer wird sich kreisf¨
ormig ausbreiten.
Die sich in der N¨
ahe befindenden Grash¨
upfer werden reagieren und versuchen, davon zu
fliegen, wobei sie wie schon erw¨
ahnt das Gras befeuchten werden. Der Aktivator (Feuer)
sorgt also daf¨
ur, dass die Grash¨
upfer den Inhibitor (Schweiß) produzieren. Da sich der
Aktivator ausbreitet (diffundiert), wird sich auch der Inhibitor ausbreiten. Das Feuer
erreicht schließlich diese Stellen, an denen das Gras feucht ist und wird dadurch aufge-
halten.
Wenn wir nach dem Brand die Wiese von oben betrachten, so werden wir das fle-
ckige Muster gut erkennen. Erweitern wir nun dieses Beispiel insofern, als dass viele
Streichh¨
olzer in die Wiese geworfen werden, dann werden wir viele Brandflecken bzw.
Muster beobachten k¨
onnen.
An diesem Beispiel l¨
asst sich der destabilisierende Effekt sehr gut erkennen. Und ob-
wohl wir grunds¨
atzlich davon ausgehen, dass Diffusion einen Stabilisierungseffekt be-
sitzt, sehen wir hier, dass ein Zusammenspiel zwischen Diffusion und Kinetik (Bewegung)
manchmal mit entsprechenden Randbedingungen destabilisierend wirkt und somit zu ei-
ner Musterbildung f¨
uhrt.
Eine weitere f¨
ur uns sehr wichtige Erkenntnis aus diesem Beispiel ist, dass sich der Inhi-
bitor schneller als der Aktivator ausbreiten muss, damit ein Muster entstehen kann. Wir
werden dieses Ph¨
anomen im Folgenden allerdings noch detaillierter und mathematisch
er¨
ortern.
Wie wollen dazu nun drei geeignete Reaktionsfunktionspaare vorstellen und genauer
untersuchen.
Das einfachste System f¨
ur die Reaktions-Diffusions-Gleichung stammt von Schnakenberg.
Dieses bezieht sich auf die Gleichungen aus (2.2) und hat die Reaktionsfunktionen:
F (A, B) = k
1
- k
2
A + k
3
A
2
B
(2.3)
G(A, B) = k
4
- k
3
A
2
B
wobei die k's die positiven Geschwindigkeitskonstanten sind. k
1
ist dabei eine Quelle
von A,
-k
2
A ist eine exponentielle Senke und A wird autokatalytisch
1
durch den Term
1
Definition Autokatalyse: Ein Prozess, in welchem eine Chemikalie in die eigene Produktion involviert
10

2.2. Diffusionsbedingte Instabilit¨
at nach Turing
k
3
A
2
B in F (A, B) erzeugt, wobei die Substanz B zur F¨
orderung dieser Reaktion not-
wendig ist.
Ein weiteres System ist das empirische Substrat-Inhibitions-System von Thomas beste-
hend aus einer Produktion, einer linearen Zersetzung und einer nichtlinearen Reaktion:
F (A, B) = k
1
- k
2
A
- H(A, B)
G(A, B) = k
3
- k
4
B
- H(A, B)
(2.4)
H(A, B) =
k
5
AB
k
6
+ k
7
A + k
8
A
2
Hierbei ist A die Konzentration des Sauerstoffsubstrats und B die Konzentration des
harns¨
aureabbauenden Enzyms Uricase.
Das dritte System ist der Aktivator-Inhibitor-Mechanismus von Gierer und Meinhardt :
F (A, B) = k
1
- k
2
A +
k
3
A
2
B
(2.5)
G(A, B) = k
4
A
2
- k
5
B
Hierzu sei bemerkt, dass wir in dieser Arbeit nicht n¨
aher auf diese Art der Reakti-
onsfunktionen eingehen werden und sie hier lediglich erw¨
ahnt werden. Sie werden f¨
ur
gew¨
ohnlich bei der Untersuchung der Musterbildung auf Schneckenh¨
ausern bzw. Mu-
scheln eingesetzt.
Wir k¨
onnen jetzt das Differentialgleichungssystem (2.2) entdimensionalisieren
2
, um es
dadurch auf eine f¨
ur uns im weiteren Verlauf sehr n¨
utzliche allgemeine Form zu bringen.
Dazu betrachten wir unsere Reaktionsfunktionen aus (2.3)-(2.5). Durch das Einf¨
uhren
einer charakteristischen L¨
ange L und Setzen von
u = A
k
3
k
2
,
v = B
k
3
k
2
,
d =
D
B
D
A
,
(2.6)
a =
k
1
k
2
k
3
k
2
, b =
k
4
k
2
k
3
k
2
, =
L
2
k
2
D
A
erhalten wir am Beispiel des Schnakenberg-Modells das entdimensionalisierte Differen-
tialgleichungssystem:
u
t
= (a
- u + u
2
v) + u
(2.7)
v
t
= (b
- u
2
v) + dv
ist.
2
Bei einem realen Modell besteht ein wichtiger erster Schritt darin, das System in eine dimensionslose
Form und eine geeignete Skalierung zu ¨
uberf¨
uhren. Der Grund daf¨
ur ist, dass die Variablen und
Parameter in einem Modell im Allgemeinen eine (physikalische) Dimension besitzen und nur im
Vergleich mit anderen auftretenden Gr¨
oßen entschieden werden kann, ob ein Wert groß oder klein
ist. Daher ist es wichtig alle auftretenden Gr¨
oßen richtig zu skalieren, um letztlich absolute Gr¨
oßen
zu erhalten.
11

2.2. Diffusionsbedingte Instabilit¨
at nach Turing
sei dabei ein Maß f¨
ur die lineare Dimension des Gebiets
3
. Wir k¨
onnen in eine neue
angen und Zeitskala einbetten, indem wir r
und t f¨
ur r bzw. t setzen. Analog dazu
onnen wir die L¨
angenskala L so zu bestimmen, dass = 1 ist; d.h. L =
D
A
k
2
. Eine
ausf¨
uhrlichere Beschreibung ¨
uber den Vorgang der Entdimensionalisierung befindet sich
in [16] und [11].
Eine entsprechende entdimensionalisierte Form f¨
ur die Reaktionsfunktionen von Thomas
ist:
u
t
=
a
- u -
uv
1 + u + Ku
2
+ u
(2.8)
v
t
=
(b
- v) -
uv
1 + u + Ku
2
+ dv
Das System von Meinhardt ergibt sich zu:
u
t
=
a
- bu +
u
2
v
+ u
(2.9)
v
t
= (u
2
- v) + dv
Dabei sind die Konstanten a, b, , und K positive Parameter. a und b sind Basisge-
schwindigkeiten, mit welchen die Substrate produziert werden. In (2.8) gibt b
- v die
Relation zwischen der Grundproduktion und dem Abbau des vorhandenen Inhibitors
an. bestimmt dabei, wie schnell beides gemeinsam abl¨
auft. F¨
ur gegebenes v ist der
Term R(u, v) =
uv
1 + u + Ku
2
ur kleine u ein O(uv) und somit linear in u. F¨
ur große u
hingegen ist der Term ein O(v/Ku). Somit w¨
achst R f¨
ur kleine u mit u, aber f¨
ur große u
schwindet R mit u. Dies ist mit dem Begriff Substrat-Inhibition gemeint. Der Parameter
K ist ein Maß f¨
ur die Auspr¨
agung der Inhibition und gibt die Gesamtst¨
arke an. Diese
Parameter m¨
ussen im Folgenden geeignet gew¨
ahlt werden, damit das System gewisse
Voraussetzungen erf¨
ullt. Die Voraussetzungen an die Parameter werden in Kapitel 2.4
noch n¨
aher erl¨
autert.
Die oben genannten entdimensionalisierten Reaktions-Diffusions-Systeme werden in ei-
ner allgemeinen Form dargestellt:
u
t
= f (u, v) + u
(2.10)
v
t
= g(u, v) + dv
3
= L
2
k
2
D
A
regelt das Verh¨
altnis zwischen den Reaktions-Diffusions-Effekten.
12

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
Fassen wir zum Schluss dieses Abschnitts unsere Ergebnisse kurz zusammen:
· u steht f¨ur die Konzentration des Aktivators
· v steht f¨ur die Konzentration des Inhibitors
· d ist der Quotient aus der Diffusionsgeschwindigkeit des Inhibitors und der des Akti-
vators: d =
D
B
D
A
· ist ein Maß f¨ur die Gebietsgr¨oße in jeder Dimension (d.h. in 2 Dimensionen ist
proportional zur Fl¨
ache L
2
)
· u, v, d, sind dabei positiv
In der folgenden Abbildung werden die Reaktionsfunktionen noch graphisch veranschau-
licht. Dabei werden die sogenannten Nullklinen der jeweiligen Modelle betrachtet.
Abb. 2.2:
Nullklinen f (u, v) = 0, g(u, v) = 0. a) dimensionslose Reaktionsfunktion nach Schna-
kenberg (2.7) mit a = 0.2 und b = 2.0. b) Die Kinetiken nach Thomas (2.8) mit den Parameter-
werten a = 150, b = 100 und K = 0.05.
2.3. Stabilit¨
atsanalyse
Wie bereits zu Beginn von Abschnitt 2.2 erw¨
ahnt, liegt eine Turing-Instabilit¨
at des
Reaktions-Diffusions-Systems vor, wenn das homogene Gleichgewicht stabil bzw. insta-
bil ist gegen¨
uber kleinen St¨
orungen, falls keine bzw. eine Diffusion vorhanden ist.
Eine solche Turing-Instabilit¨
at f¨
uhrt dazu, dass sich im System r¨
aumlich station¨
are Mus-
ter ausbilden. Diese Muster h¨
angen u.a. von den Parametern der lokalen Reaktionsfunk-
tionen und den Diffusionskoeffizienten ab.
Wir fahren nun damit fort, die notwendigen und hinreichenden Bedingungen f¨
ur die
diffusionsbedingte Instabilit¨
at des Gleichgewichts herzuleiten. Um das Problem mathe-
matisch zu formulieren, ben¨
otigen wir Rand- und Anfangsbedingungen. Dabei w¨
ahlen
wir Nullfluss-Randbedingungen und feste Anfangsbedingungen. Das Rand-Anfangswert-
problem ist mit (2.10) gegeben durch
13

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
u
t
= f (u, v) + u
v
t
= g(u, v) + dv
(2.11)
(n
· )
u
v
= 0
u(r, 0), v(r, 0) mit r auf gegeben,
wobei der geschlossene Rand des Reaktions-Diffusions-Gebiets ist und n die ¨
außere
Normale auf . Es sei u, v :
× [0, T ] R mit T > 0. Die Anfangsbedingungen u(r, 0)
und v(r, 0) (mit t = 0) werden im weiteren Verlauf vereinfacht mit u
0
bzw. v
0
bezeichnet.
Die Diffusionskonstante d sei positiv und die hinreichend glatten Funktionen f und g
beschreiben wie schon vorhin die Reaktionskinetiken. Die Konstante > 0 gibt die re-
lative St¨
arke der Reaktionsterme im Vergleich zu den Diffusionstermen wieder. Im Falle
= 0 entkoppeln die Gleichungen und die L¨
osungen konvergieren f¨
ur t
gegen
einen konstanten Zustand. Nachdem bekannt ist, dass eine Diffusion Unterschiede in der
Konzentration ausgleicht, w¨
urden wir das auch erwarten.
Es gibt mehrere Gr¨
unde daf¨
ur, warum Nullfluss-Randbedingungen gew¨
ahlt werden. Der
Hauptgrund daf¨
ur allerdings ist, dass wir an der Selbstorganisation der Muster interes-
siert sind; Nullfluss-Randbedingungen implizieren, dass kein Einfluss von außen auf das
System genommen wird.
Wir wollen nun im Einzelnen diskutieren, wann es zu Instabilit¨
aten kommen kann. Die
erste Aufgabe besteht darin, den homogenen Gleichgewichtszustand
4
zu ermitteln. Die-
sen erhalten wir als den Schnittpunkt der Nullklinen
f (u, v) = 0
und
g(u, v) = 0
und bezeichnen ihn im Folgenden mit (u
0
, v
0
). Somit sind (u, v) = (u
0
, v
0
) konstante
osungen unseres Differentialgleichungssystems mit den Randbedingungen. Der Grund
daf¨
ur ist, dass u
0
und v
0
nach der Entdimensionalisierung immer noch positive Gr¨
oßen
sind und dass am Schnittpunkt (u
0
, v
0
) dieser Nullklinen der Reaktionsfunktionen nur
Diffusion vorliegt. Da eine Diffusionsbewegung aber nur dann stattfindet, wenn Kon-
zentrationsunterschiede bestehen, wir allerdings davon ausgehen, dass auf dem ganzen
Gebiet der Wert von u und v zu Beginn konstant u
0
bzw. v
0
ist, finden weder Diffusion
noch Reaktion statt und wir haben unser gew¨
unschtes Gleichgewicht.
Dieser Gleichgewichtszustand kann anschließend gest¨
ort werden und wir setzen in jedem
Zeitpunkt
w =
u
- u
0
v
- v
0
=
w
1
w
2
.
(2.12)
4
Ein homogener Gleichgewichtszustand ist ein station¨
arer Zustand, bei welchem die chemischen Sub-
stanzen gut durchmischt und gleichm¨
aßig verteilt sind. Die Gleichgewichtspunkte sind die homogenen
(-
u = 0) und station¨aren (
t
-
u = 0) L¨osungen des Systems (2.11); d.h. alle r¨aumlichen und zeitli-
chen Ableitungen sind Null.
14

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
ur eine Turing-Instablilit¨
at werden sowohl der Gleichgewichtszustand als auch dessen
kleine St¨
orung vorausgesetzt. Die problemangepassten Anfangswerte sind, wie Turing es
verlangt, kleine St¨
orungen w
1
(r), w
2
(r) um die homogenen Gleichgewichtswerte u
0
, v
0
.
Daraus ergibt sich sodann u(r, 0) = u
0
+ w
1
(r) und v(r, 0) = v
0
+w
2
(r).
Liegen stabile Zust¨
ande vor, so kehren Systeme nach einer St¨
orung wieder in ihren
urspr¨
unglichen Zustand zur¨
uck. Bei instabilen Zust¨
anden gen¨
ugt allerdings eine beliebig
kleine St¨
orung, damit das System diesen Zustand verl¨
asst und in einen anderen Zustand
¨
ubergeht.
In den nun folgenden beiden Unterkapiteln betrachten wir die bereits vorhin erw¨
ahnten
Bedingungen, welche f¨
ur die Stabilit¨
at bzw. Instabilit¨
at der L¨
osung ben¨
otigt werden.
2.3.1. Diffusionsgleichungssystem ohne Diffusion
Zun¨
achst werden wir uns mit dem ersten Punkt der Turing-Instabilit¨
at besch¨
aftigen.
Hierbei setzt Turing voraus, dass das homogene Gleichgewicht bei einer kleinen St¨
orung
w stabil bleibt, falls keine r¨
aumliche Ver¨
anderung, d.h. Diffusion, vorhanden ist. Um
diese Forderung zu erf¨
ullen, bestimmen wir die dazugeh¨
origen Bedingungen.
Unter dem Gesichtspunkt, dass keine Diffusion vorliegt, vereinfacht sich unser Differen-
tialgleichungssystem (2.10) zu
u
t
= f (u, v)
(2.13)
v
t
= g(u, v)
Betrachten wir dazu die zeitliche Entwicklung der in (2.12) eingef¨
uhrten St¨
orung, so
erhalten wir unter Verwendung unseres Differentialgleichungssystems
U
t
=
u
t
v
t
=
f (u, v)
g(u, v)
.
Dieses System kann nun um den Gleichgewichtspunkt (u
0
, v
0
) entwickelt werden. Da
die Reaktionsfunktionen im Gleichgewichtszustand verschwinden und wir eine kleine
St¨
orung voraussetzen, betrachten wir dazu die Taylorentwicklung bis zu Termen erster
Ordnung. Die entsprechende Linearisierung ist somit gegeben durch
U
t
=
f (u
0
, v
0
) + f
u
(u
0
, v
0
)u + f
v
(u
0
, v
0
)v
g(u
0
, v
0
) + g
u
(u
0
, v
0
)u + g
v
(u
0
, v
0
)v
=
f
u
(u
0
, v
0
) f
v
(u
0
, v
0
)
g
u
(u
0
, v
0
) g
v
(u
0
, v
0
)
U = AU
(2.14)
Da die St¨
orung w klein vorausgesetzt ist, sind auch die quadratischen Terme in w
klein. Aufgrund dessen werden sie von Murray [1] vernachl¨
assigt. Um eine vereinfachte
Darstellung der Stabilit¨
atsmatrix A zu erhalten, definieren wir
A =
f
u
(u
0
, v
0
) f
v
(u
0
, v
0
)
g
u
(u
0
, v
0
) g
v
(u
0
, v
0
)
=
f
u
f
v
g
u
g
v
.
15

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
A ist die Linearisierung von f und g am Gleichgewicht (u
0
, v
0
), d.h. die partiellen Ab-
leitungen werden jeweils am Punkt (u
0
, v
0
) berechnet. Das bedeutet auch, dass sich die
sp¨
ater abgeleiteten Bedingungen nicht auf jeden beliebigen Punkt (u, v) beziehen.
Um nun einen stabilen Zustand zu erhalten, soll die St¨
orung nach Turing abklingen, was
ur uns bedeutet, dass wir nach einer L¨
osung
U
e
t
(2.15)
der Differentialgleichung (2.14) U
t
= AU suchen, wobei die 's Eigenwerte von A
darstellen. (Der Ansatz U = e
t
bedeutet physikalisch die Aufspaltung der L¨
osungen in
verschiedene Moden, was oftmals als Bifurkation bezeichnet wird.) Das Gleichgewicht
(u
0
, v
0
) ist somit linear stabil, falls Re < 0, da in diesem Fall die L¨
osung U gegen 0
geht f¨
ur t
. Wenn also Re < 0, so klingt die L¨osung e
t
mit der Zeit ab und der
Zustand ist bei kleinen St¨
orungen ein stabiler station¨
arer Zustand. F¨
ur Re > 0 w¨
achst
die L¨
osung mit der Zeit exponentiell und der homogene Gleichgewichtspunkt ist bei
kleinen St¨
orungen dieses Zustands instabil. In anderen Worten heißt das f¨
ur uns, dass
(u
0
, v
0
) stabile L¨
osung von (2.13) ist, wenn A nur Eigenwerte mit negativem Realteil
besitzt.
Zur Berechnung dieser (zeitlichen) Eigenwerte betrachten wir daher die charakteristische
Gleichung des Systems.
|A - I| =
f
u
-
f
v
g
u
g
v
-
= 0
2
- (f
u
+ g
v
) +
2
(f
u
g
v
- f
v
g
u
) = 0
1/2
=
1
2
(f
u
+ g
v
)
± (f
u
+ g
v
)
2
- 4(f
u
g
v
- f
v
g
u
)
(2.16)
An dieser Stelle sei vermerkt, dass sich die Eigenwerte von A und A nur um den Faktor
unterscheiden.
Wir interessieren uns vor allem f¨
ur die Vorzeichen der Eigenwerte
1/2
. Falls beide ne-
gativ sind, wird die St¨
orung abklingen und der station¨
are Zustand ist stabil.
Eine hinreichende Bedingung f¨
ur Re < 0 und der Stabilit¨
at ohne Diffusion ist somit
gegeben durch:
trA = f
u
+ g
v
< 0
|A| = f
u
g
v
- f
v
g
u
> 0
(2.17)
Durch diese beiden Bedingungen f¨
ur die Stabilit¨
at des station¨
aren Zustands ist der erste
Teil f¨
ur eine Turing-Instabilit¨
at gezeigt. Sie garantieren bisher allerdings nur die Stabi-
lit¨
at des station¨
aren Zustands an einem bestimmten Ort und in Abwesenheit von jeglicher
aumlicher Ver¨
anderung. Daher werden wir uns im n¨
achsten Abschnitt mit dem zweiten
Fall, d.h. einer vorliegenden Diffusion, besch¨
aftigen.
2.3.2. Diffusionsgleichungssystem mit Diffusion
Aufgrund der Tatsache, dass wir uns eigentlich nicht f¨
ur den stabilen Zustand interes-
sieren, sondern wissen wollen, unter welchen Umst¨
anden es zur Musterbildung kommt,
16

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
betrachten wir nun die Bedingungen f¨
ur die Instabilit¨
at des station¨
aren Zustands.
Befassen wir uns also mit der zweiten Bedingung Turings, welche besagt, dass bei
vorhandener Diffusion das Gleichgewicht instabil wird. Dazu setzen wir im Folgenden
D
1
, D
2
= 0 voraus. Wir betrachten das vollst¨
andige Reaktions-Diffusions-System (2.11)
u
t
= f (u, v) + u
v
t
= g(u, v) + dv
und nochmals den St¨
orungsfaktor w aus (2.12) um das Gleichgewicht
w =
u
- u
0
v
- v
0
Entwickeln wir nun das volle System (2.11) um den Gleichgewichtszustand (u
0
, v
0
), so
erhalten wir ein System linearer partieller Differentialgleichungen. Die zeitliche Ableitung
des Vektors U =
u
v
mit der Linearisierung aus dem vorherigen Abschnitt und mit
u
0
= 0 und v
0
= 0 ergibt:
U
t
=
u
t
v
t
=
(f
u
u + f
v
v) + u
(g
u
u + g
v
v) + dv
= AU + DU
(2.18)
wobei D =
1
0
0
d
ist.
Um dieses System von Gleichungen unter Beachtung der Randbedingungen in (2.11)
zu l¨
osen, bestimmen wir zun¨
achst W (r) als eine zeitunabh¨
angige L¨
osung des r¨
aumlichen
Rand-Eigenwert-Problems, welches definiert ist durch
W + k
2
W = 0
auf
(2.19)
(n
· )W = 0
auf .
Zu den hier auftretenden (r¨
aumlichen) Eigenwerten k geh¨
oren die passenden (r¨
aumlichen)
Eigenfunktionen W
k
(r), die somit direkt vom betrachteten Gebiet abh¨
angen.
Betrachten wir beispielsweise ein eindimensionales Gebiet 0
y
p, so ergeben sich
die Eigenfunktionen W
k
(y)
cos
ny
p
mit n
N. Jede Eigenfunktion W
k
erf¨
ullt die
Nullflussbedingung bei y = 0 und y = p. Der Eigenwert ist in diesem Fall k =
n
p
.
(Die r¨
aumlichen Moden W
k
sind sinusf¨
ormig, gegeben durch cos(ky), sin(ky) oder einer
Linearkombination aus beidem. Diese erf¨
ullen
-W = k
2
W .)
Damit ist
1
k
=
p
n
ein Maß f¨
ur ein wellenf¨
ormiges Muster. Der Eigenwert k wird als
Wellenzahl
5
bezeichnet und
1
k
ist proportional zur Wellenl¨
ange
6
w; in diesem Beispiel
5
Die m¨
oglichen Wellenzahlen
k ergeben sich aus den Randbedingungen. Aufgrund der endlichen Gebiete
gibt es eine diskrete Menge an m¨
oglichen Wellenzahlen, da
n N.
6
Es sei vermerkt, dass die Wellenl¨
ange eines Musters nicht durch die Geometrie des Systems, sondern
durch die Systemparameter wie beispielsweise Reaktionskonstanten und Diffusionskoeffizienten be-
stimmt wird. Dies impliziert, dass bei einer vorgegebenen charakteristischen Wellenl¨
ange ein Muster
nur dann sichtbar wird, falls das Gebiet eine hinreichend große Ausdehnung besitzt.
17

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
ist w =
2
k
=
2a
n
. Von nun an beziehen wir uns mit k auf die Wellenzahl.
Wie gerade erw¨
ahnt sei nun W
k
(r) die zur Wellenzahl k geh¨
orige Eigenfunktion und jede
dieser Eigenfunktionen erf¨
ullt die Nullfluss-Randbedingungen. Da dieses Problem linear
ist, suchen wir anschließend nach L¨
osungen U (r, t) von (2.18) mit der Form
U (r, t) =
k
k
e
t
W
k
(r),
(2.20)
wobei die Konstanten
k
durch eine Fourier-Entwicklung der Anfangsbedingungen unter
Verwendung der W
k
(r) ermittelt werden. Wir betrachten die Reihe U (r, t) (2.20), von
der wir annehmen, dass sie eine L¨
osung des Rand-Anfangswertproblems (2.18) ist.
Die 's sind dabei die Eigenwerte; ihre Realteile bestimmen den zeitlichen Zuwachs.
Setzen wir nun (2.20) zusammen mit (2.19) formal in (2.18) ein, vertauschen Summation
und Differentation und k¨
urzen die zeitabh¨
angige L¨
osung e
t
, so ergibt sich f¨
ur alle k das
Rand-Eigenwertproblem
W
k
(r) = AW
k
(r) + DW
k
(r)
= AW
k
(r)
- Dk
2
W
k
(r)
Da wir im Folgenden nicht-triviale L¨
osungen f¨
ur W
k
(r) ben¨
otigen, berechnen wir den
Eigenwert als Nullstelle des charakteristischen Polynoms M (k
2
) = A
- k
2
· D
|(A - k
2
· D) - I| = 0
2
- ((f
u
+ g
v
)
- k
2
(1 + d)) +
h(k
2
)
dk
4
- k
2
(df
u
+ g
v
) +
2
(f
u
g
v
- f
v
g
u
)
1/2
=
1
2
(f
u
+ g
v
)
- k
2
(1 + d)
± ((f
u
+ g
v
)
- k
2
(1 + d))
2
- 4h(k
2
)
(2.21)
Das Gleichgewicht (u
0
, v
0
) ist hier nun linear stabil, wenn beide L¨
osungen von (2.21)
Re < 0 besitzen. Wir haben diese Bedingungen f¨
ur die Stabilit¨
at des Gleichgewichts
bereits f¨
ur die Abwesenheit der Diffusion eingef¨
uhrt, d.h. Re(k
2
= 0) < 0
7
.
Mit dem Ansatz (2.20) zeigt sich, dass das System linear instabil ist, falls Re(k) > 0
ur ein k = 0, wodurch wir sodann ein r¨
aumlich inhomogenes Muster erhalten.
Dies w¨
are theoretisch m¨
oglich, wenn entweder der Koeffizient von in (2.21) (d.h.
(f
u
+ g
v
)
- k
2
(1 + d)) positiv ist oder wenn h(k
2
) < 0 f¨
ur ein k = 0. Da (f
u
+ g
v
) < 0
ist (vgl. (2.17)) und k
2
(1 + d) > 0
k = 0, gilt
(f
u
+ g
v
)
- k
2
(1 + d) < 0.
Somit scheidet die erste Variante aus und wir zeigen nun, dass h(k
2
) < 0 ist f¨
ur ein
beliebiges k. Dies ergibt sich wie folgt aus den L¨
osungen von (2.21).
7
Der Ausdruck
= (k
2
) wird auch als '
Dispersionsrelation' bezeichnet. F¨ur Aussagen ¨uber die Sta-
bilit¨
at der L¨
osungen muss man also deren Abh¨
angigkeit von
k untersuchen. Eine Dispersionsrelation
ist der Zusammenhang zwischen der Wachstumsrate
und der Wellenzahl k.
18

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
Da wir die Determinante in (2.17) als
|A| > 0 vorausgesetzt haben, ist eine notwendige
Bedingung f¨
ur die Erf¨
ullung der Ungleichung h(k
2
) < 0, dass
(df
u
+ g
v
) > 0
ist. Da aber zus¨
atzlich trA = (f
u
+ g
v
) < 0 aus (2.17) gilt, erhalten wir die notwendige
Bedingung d = 1 und die Forderung, dass f
u
und g
v
unterschiedliche Vorzeichen besitzen
ussen. Somit bekommen wir eine weitere Bedingung zu (2.17), welche unsere dritte
Bedingung zu Turings Instabilit¨
at darstellt:
df
u
+ g
v
> 0
d = 1.
(2.22)
Die Ungleichung (2.22) ist zwar notwendig, allerdings nicht hinreichend f¨
ur Re > 0.
Damit h(k
2
) f¨
ur ein k = 0 negativ ist, muss zudem noch das Minimum h
min
negativ
sein. Die Berechnung des Minimums liefert:
d
dk
2
h(k
2
) = 2dk
2
- (df
u
+ g
v
) = 0
k
2
=
df
u
+ g
v
2d
h
min
(k
2
) = d
2
(df
u
+ g
v
)
2
4d
2
+
2
|A| -
2
(df
u
+ g
v
)
2
2d
=
2
|A| -
(df
u
+ g
v
)
2
4d
(2.23)
Hierbei muss der letzte Term negativ werden, damit wir L¨
osungen aus (2.21) mit
Re > 0 erhalten.
Folglich ist die letzte Bedingung f¨
ur h
min
(k
2
) < 0 f¨
ur ein k
2
= 0 und zugleich unsere
letzte Bedingung der Turing-Instabilit¨
at gegeben durch:
(df
u
+ g
v
)
2
4d
>
|A|
(df
u
+ g
v
)
2
> (f
u
g
v
- f
v
g
u
)
· 4d
(df
u
+ g
v
)
2
- 4d(f
u
g
v
- f
v
g
u
) > 0
(2.24)
Bei der Bifurkation, d.h. wenn h
min
= 0 ist, setzen wir voraus, dass
|A| =
(df
u
+ g
v
)
2
4d
.
Indem wir diese Gleichung umschreiben (vgl. (2.24)), bestimmt dies f¨
ur feste kineti-
sche Parameter einen kritischen Diffusionskoeffizienten
8
d
c
(> 1) als die entsprechende
Nullstelle von
d
2
c
f
2
u
+ 2(2f
v
g
u
- f
u
g
v
)d
c
+ g
2
v
= 0
(2.25)
8
Dieser wird auch als Bifurkationsparameter bezeichnet; bei einer Bifurkation werden alle Parameter,
bis auf einen, fest gew¨
ahlt.
19

2.3. Stabilit¨
atsanalyse
Die kritische Wellenzahl k
c
9
ist dann gegeben durch
k
2
c
=
df
u
+ g
v
2d
c
=
|A|
d
c
=
f
u
g
v
- f
v
g
u
d
c
(2.26)
Hierbei spricht man auch davon, dass dies der Anfang einer Destabilisierung des Systems
(2.21) ist.
In Abb. 2.3(a) wird ersichtlich, wie h(k
2
) als eine Funktion von k
2
variiert f¨
ur verschie-
dene d und Abbildung (b) ist die entsprechende Dispersionsrelation (k
2
) mit einem
Bereich instabiler Wellenzahlen.
Abb. 2.3:
Bereich der Turing-Instabilit¨
at a) Graphik f¨
ur h(k
2
). F¨
ur d > d
c
gibt es k-Werte f¨
ur
welche h(k
2
) < 0 ist, d.h. die Turing-Bedingung erf¨
ullt b) Fett markiert ist der Bereich instabiler
Wellenzahlen
In Abbildung (a) ist h(k
2
) im Intervall k
2
1
< k
2
< k
2
2
negativ und damit ist auch Re > 0.
Die diesem Intervall entsprechenden Moden cos(kx) besitzen also eine positive Wachs-
tumsrate. Die Bedingungen daf¨
ur, dass 2 positive Nullstellen k
2
1/2
in der in Abbildung
(a) gezeigten Weise existieren, lassen sich aus (2.27) ablesen.
Wenn nun d anw¨
achst, ¨
uberschreitet die Dispersionsrelation die Achse Re = 0, wie in
Abbildung (b) ersichtlich ist.
ur d < d
c
sind alle r¨
aumlichen Moden stabil; es kann keine Instabilit¨
at entstehen.
ur d = d
c
ist eine r¨
aumlichen Mode mit k = k
c
"
gerade noch" stabil.
ur d > d
c
ist jede r¨
aumliche Mode mit einem Eigenwert, welcher k
2
1
< k
2
< k
2
2
erf¨
ullt,
instabil. Die Turing-Instabilit¨
at ist hierbei m¨
oglich, wird aber nur dann auftreten, wenn
das Intervall an m¨
oglichen L¨
osungen [k
2
1
, k
2
2
] einen Eigenwert k
n
enth¨
alt. F¨
ur d > d
c
gibt
es also ein Intervall von k-Werten, f¨
ur welches die St¨
orung anw¨
achst. Sie w¨
achst expo-
nentiell in der Zeit, also wie e
t
. Wenn wir keine kosinusf¨
ormigen St¨
orungen anlegen,
9
Eine Bifurkation zwischen den r¨
aumlich stabilen und instabilen Moden liegt vor, wenn
h
min
= 0. Wenn
dies erf¨
ullt ist, dann gibt es dort eine kritische Wellenzahl
k
c
.
20

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783842839878
Dateigröße
5.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Mathematik
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Note
1,3
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Titel: Die mathematische Untersuchung der Musterbildung auf Tierfellen
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