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Entwicklungslinien urbaner Schrumpfung - Gefahren, Chancen und Potenziale für die Stadt Porto/Portugal

©2012 Diplomarbeit 212 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
1.1, Anlass und Problemstellung:
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich im Allgemeinen mit dem global auftretenden Phänomen der Stadtschrumpfung sowie im Speziellen mit dem konkreten Beispiel einer schrumpfenden Stadt, wobei hier die in Portugal gelegene Stadt Porto als Fallbeispiel untersucht wird.
Den Anlass für die nähere Beschäftigung mit der Thematik der Stadtschrumpfung stellte ein Aufenthalt in der portugiesischen Stadt Porto dar, im Rahmen dessen bei einem Stadtrundgang offensichtliche Probleme der Stadt zutage traten, wobei insbesondere im Innenstadtbereich zahlreiche Leerstände zu verzeichnen waren. Bei näherer Betrachtung wurde schnell deutlich, dass diese Problematik überwiegend Häuser mit alter, maroder Bausubstanz betraf, wobei im Erdgeschoss meist Ladennutzungen vorherrschten, während die darüber liegenden, leer stehenden, Geschosse dem Anschein nach einer Wohnfunktion zuzuordnen waren. Dies legte unter anderem die Hypothese nahe, dass diese Form des Wohnens im gegenwärtigen Zustand nicht mehr gefragt und somit unzeitgemäß ist.
Ausgehend von diesen Beobachtungen tat sich darauffolgend die Fragestellung auf, ob diese Annahme tatsächlich zutrifft und welche Ursachen bzw. Gründe hierfür Ausschlag gebend sind, da die Stadt als solche als touristisch orientiert wahrgenommen und offensichtlich auch von zahlreichen Touristen angenommen wurde. Vor diesem Hintergrund war es wenig nachvollziehbar, dass ausgerechnet die für die Attraktivität der Stadt, und somit das touristische Image, essenziellen Altstadtbereiche einem fortschreitenden Verfall überlassen wurden und das Ergreifen von Gegenmaßnahmen augenscheinlich kaum erkennbar war.
Bei näherer Recherche diesbezüglich im Nachgang des Aufenthalts wurde unsere Aufmerksamkeit auf den derzeitigen Forschungsstand der Stadtschrumpfungsthematik sowie insbesondere auf die Identifikation möglicher Ursachen und Folgen gelenkt, wobei festgestellt werden konnte, dass dem Phänomen internationale Brisanz zukommt und weltweit zahlreiche Experten ihre Fachkompetenz in den Diskurs einfließen lassen (siehe hierzu exemplarisch Hollander et al. 2009). Hierbei wurde jedoch auch deutlich, dass die Thematik ein vergleichsweise junges Forschungsfeld darstellt, welches beispielsweise in Deutschland, insbesondere im Osten der Republik, erst seit Beginn der Jahrtausendwende durch den Bericht der Leerstandskommission in den Fokus der breiteren öffentlichen Wahrnehmung gerückt ist […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Anlass und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Fragestellungen
1.3 Vorgehensweise

2. Stadtschrumpfung im internationalen Kontext
2.1 Einführung in die Thematik globaler urbaner Schrumpfungsprozesse
2.2 Ursachen der Stadtschrumpfung
2.2.1 Bevölkerungsentwicklung
2.2.2 Verlagerungsprozesse bedingt durch Veränderungen
2.2.3 Sonstige Ursachen
2.3 Folgen und Auswirkungen der Stadtschrumpfung
2.4 Konzepte zur Typisierung von Schrumpfungsprozessen
2.4.1 Einordnung anhand der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung
2.4.2 Ansatz der Einteilung nach Schrumpfungstypen
2.4.3 Ansatz der Einteilung nach „Conceptual Frameworks“
2.4.4 Einordnung der Stadt in ein Leitbild
2.5 Wahrnehmung, Umgang und planerische Reaktionen bezüglich urbaner Schrumpfung
2.5.1 Wahrnehmung der Schrumpfung im Kontext des 20. Jahrhunderts
2.5.2 Planerische Reaktionen auf die Schrumpfung im 21. Jahrhundert
2.5.3 Angewandte Stadtentwicklungspolitiken, städtebauliche Instrumente, Strategienund Maßnahmenkonzepte zum Umgang mit der Schrumpfung
2.6 Zwischenfazit Kapitel

3. Stadtschrumpfung im nationalen Kontext
3.1 Begründung der Auswahl des betrachteten Staates: Portugal
3.2 Entwicklung und Ausgangslage Portugal
3.2.1 Bevölkerungsstruktur und -entwicklung
3.2.2 Wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung
3.2.3 Räumliche Entwicklung
3.3 Betrachtung des portugiesischen Planungssystems
3.3.1 Übergeordnete Raumordnungsinstrumente
3.3.2 Kommunale Planungsinstrumente
3.4 Urbane Schrumpfungsprozesse in Portugal
3.4.1 Räumliche Verteilung
3.4.2 Wahrnehmung und Umgang
3.5 Zwischenfazit Kapitel

4. Stadtschrumpfung im lokalen Kontext am Beispiel der Stadt Porto
4.1 Begründung der Auswahl der betrachteten Stadt: Porto
4.2 Entwicklung und Ausgangslage in Porto – Strukturanalyse
4.2.1 Geografische Lage und administrative Gliederung
4.2.2 Bevölkerungsstruktur und -entwicklung
4.2.3 Wirtschaftliche Bedeutung und Entwicklung
4.2.4 Historische Stadtentwicklung und -struktur
4.3 Ursachen und Folgen der Leerstandsproblematik in Porto
4.4 Charakteristika des Schrumpfungsprozesses in Porto
4.5 Planerischer Umgang mit der Problematik in Porto
4.5.1 Erste Ansätze: 1974 bis
4.5.2 Aktuelle Herangehensweise (ab 2004)
4.5.3 Expertenmeinungen und -befragung
4.5.4 Bewertung der bisher durchgeführten Maßnahmen und Strategien
4.6 Zwischenfazit Kapitel

5. Anregungen und Handlungsempfehlungen bezüglich der Stadtschrumpfungsthematik in Porto
5.1 SWOT-Analyse zur Entwicklung der Alt- und Innenstadt Portos als Entscheidungs grundlage für künftige Strategieausrichtungen
5.2 Fragebogen Wohnwünsche
5.2.1 Fragebogen zur Erhebung der Wohnwünsche und -vorstellungen der im Ballungs- raum Porto lebenden bzw. arbeitenden Menschen
5.2.2 Erläuterung des Fragebogens
5.3 Exkurs: Herangehensweisen an die Problematik in einer ähnlich betroffenen Stadt – Beispiel Barcelona
5.4 Zwischenfazit Kapitel

6. Abschließendes Resumé und Fazit

Glossar

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Anlass und Problemstellung

Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich im Allgemeinen mit dem global auftretenden Phänomen der Stadtschrumpfung sowie im Speziellen mit dem konkreten Beispiel einer schrumpfenden Stadt, wobei hier die in Portugal gelegene Stadt Porto als Fallbeispiel untersucht wird.

Den Anlass für die nähere Beschäftigung mit der Thematik der Stadtschrumpfung stellte ein Aufenthalt in der portugiesischen Stadt Porto dar, im Rahmen dessen bei einem Stadtrundgang offensichtliche Probleme der Stadt zutage traten, wobei insbesondere im Innenstadtbereich zahlreiche Leerstände zu verzeichnen waren. Bei näherer Betrachtung wurde schnell deutlich, dass diese Problematik überwiegend Häuser mit alter, maroder Bausubstanz betraf, wobei im Erdgeschoss meist Ladennutzungen vorherrschten, während die darüber liegenden, leer stehenden, Geschosse dem Anschein nach einer Wohnfunktion zuzuordnen waren. Dies legte unter anderem die Hypothese nahe, dass diese Form des Wohnens im gegenwärtigen Zustand nicht mehr gefragt und somit unzeitgemäß ist.

Ausgehend von diesen Beobachtungen tat sich darauffolgend die Fragestellung auf, ob diese Annahme tatsächlich zutrifft und welche Ursachen bzw. Gründe hierfür Ausschlag gebend sind, da die Stadt als solche als touristisch orientiert wahrgenommen und offensichtlich auch von zahlreichen Touristen angenommen wurde. Vor diesem Hintergrund war es wenig nachvollziehbar, dass ausgerechnet die für die Attraktivität der Stadt, und somit das touristische Image, essenziellen Altstadtbereiche einem fortschreitenden Verfall überlassen wurden und das Ergreifen von Gegenmaßnahmen augenscheinlich kaum erkennbar war.

Bei näherer Recherche diesbezüglich im Nachgang des Aufenthalts wurde unsere Aufmerksamkeit auf den derzeitigen Forschungsstand der Stadtschrumpfungsthematik sowie insbesondere auf die Identifikation möglicher Ursachen und Folgen gelenkt, wobei festgestellt werden konnte, dass dem Phänomen internationale Brisanz zukommt und weltweit zahlreiche Experten ihre Fachkompetenz in den Diskurs einfließen lassen (siehe hierzu exemplarisch Hollander et al. 2009). Hierbei wurde jedoch auch deutlich, dass die Thematik ein vergleichsweise junges Forschungsfeld darstellt, welches beispielsweise in Deutschland, insbesondere im Osten der Republik, erst seit Beginn der Jahrtausendwende durch den Bericht der Leerstandskommission in den Fokus der breiteren öffentlichen Wahrnehmung gerückt ist (Pfeiffer, Porsch und Simons 2000), woraufhin auch zunehmend Artikel in Fachzeitschriften wie in „Der Architekt“ unter dem Titel „Shrink Positive ?“ (Bund Deutscher Architekten BDA 2001) oder in der „Stadtbauwelt“ unter der Überschrift „Die perforierte Stadt“ (Lütke-Daldrup 2001) erschienen, in welchen das Phänomen eingehender thematisiert und das Management der Stadtschrumpfung als zentrales zukünftiges Handlungsfeld von Stadtplanern und Architekten erkannt wurde.

Ebenso erfolgten zunehmend in den internationalen Kontext eingebettete Untersuchungen zu diesem Themenfeld, exemplarisch von Philipp Oswalt, der sich in den Publikationen „Schrumpfende Städte“ – Band 1 (2004) und 2 (2005) – erstmals anhand ausgewählter Fallbeispiele mit weltweiten Ursachen und Auswirkungen der Entwicklung auseinandersetzt und experimentelle Handlungskonzepte vorstellt. In den Folgejahren erschienen zudem weitere Forschungsergebnisse in Zeitschriften wie etwa der „Berliner Debatte Initial“, in welcher die Stadtschrumpfungsthematik in der Ausgabe „Schrumpfende Städte International“ (Heft 1/2007) aufgegriffen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet wurde. So wurden im Speziellen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und beispielhaft schrumpfende Städte in den USA, in Westeuropa, Mexiko und Australien näher thematisiert, welche unter verschiedenen Bedingungen eine Schrumpfung erfahren (Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Forschung und Publizistik mbH 2007).

Da jedoch ebenfalls mit den Schrumpfungsprozessen konfrontierte andere Regionen in Europa offenkundig durchaus in der Fachdiskussion thematisiert, jedoch noch wenig in der Öffentlichkeit behandelt werden, stellt sich die Frage, ob die Wahrnehmung und der Umgang der Fachwelt sowie der politischen Instanzen in anderen europäischen Staaten und Städten, wie im Speziellen in Porto, mittlerweile ähnlich ausgeprägt ist wie in Deutschland und ob Programme oder Handlungsstrategien, etwa analog zum „ Stadtumbau Ost“, bestehen, dem Phänomen pro-aktiv entgegen zu treten.

Als einen besonders spannenden Aspekt des Stadtschrumpfung sdiskurses kann die Tatsache angesehen werden, dass Schrumpfung einen vielerorts neuartigen Stadtentwicklung styp darstellt, welchem bisher auf planerischer Seite nur bedingt erprobte Umgangs- und Handlungsweisen gegenüber stehen. Somit wird ein Umdenken bezüglich der klassischen tradierten Perspektivvorstellungen und Reaktionsweisen der Stadtentwicklung erforderlich, welche primär auf die Generierung fortwährenden Wachstums ausgerichtet sind (vgl. hierzu z.B. Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 55). In der Folge führt dies zur Notwendigkeit einer Ergänzung und Überarbeitung des bisherigen, überwiegend im Zeitalter der Expansion der Städte verhafteten, Instrumentenrepertoires der Stadtentwicklung und setzt darüber hinaus die politische Bereitschaft voraus, sich mit dem Schrumpfungsprozess zu arrangieren und die sich abzeichnenden Veränderungen nicht allein unter Teilaspekten zu realisieren. Vielmehr gilt es, sämtliche im Kontext der Schrumpfung relevante Faktoren in einen Gesamtzusammenhang zu stellen, welcher das Thema Lebensqualität und daraus resultierende Ansprüche sowie auch ökonomische und städtebauliche Prozesse in gleichem Maße berücksichtigt.

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen

Als Teilergebnis der Arbeit wird in einem ersten Schritt angestrebt, die allgemeine Entwicklung und das Ausmaß der Stadtschrumpfungsthematik, zunächst weltweit – vor allem jedoch tiefer gehend mit Blick auf Europa – zu umreißen sowie darauf aufbauend deren Ursachen und Folgen zu ergründen, wobei der derzeitige Forschungsstand zum Thema aufgezeigt werden soll. Hierzu sollen insbesondere folgende forschungsleitende Fragen im Zentrum des Interesses stehen und im Laufe der Arbeit Beantwortung finden:

Fragenblock I: Übergeordnete Leitfragen zur Einführung in das Thema Stadtschrumpfung

1) Was ist Stadtschrumpfung (Entwicklung, Definition, Wahrnehmung)?
2) Wie stellt sich der aktuelle Stand der Forschung bzw. des Diskurses zur Thematik dar?
3) Wo findet Stadtschrumpfung auf globaler Ebene statt?
4) Welche Ursachen liegen dem Schrumpfungsprozess zugrunde?
5) Welche Folgen und Auswirkungen ergeben sich für die betroffenen Städte?
Hierbei soll sich auch mit dem Umgang und der Wahrnehmung des Phänomens auf politischer, öffentlicher und planerischer Ebene befasst werden, wobei insbesondere nachfolgende Fragestellung von Bedeutung ist:
6) Wie wurde mit der Stadtschrumpfungsthematik in der Vergangenheit (insbesondere seit Beginn der Industrialisierung) umgegangen?
7) Wie nimmt man das Phänomen Stadtschrumpfung heute wahr und wie wird damit umgegangen?
8) Wird die Stadtschrumpfung heute überwiegend als Problem oder als Chance gesehen?
In Bezug auf den Staat Portugal, in welchem die Stadt Porto als gewähltes Fallbeispiel gelegen ist, sollen in einem weiteren Teilschritt zunächst grundlegende Rahmenbedingungen recherchiert werden:
Fragenblock II: Spezifische Rahmenbedingungen in Portugal
9) Wie stellen sich demografische Entwicklung und allgemeine wirtschaftliche Ausgangslage in Portugal dar?
10) Wie ist das portugiesische Stadtplanungssystem aufgebaut und organisiert?
11) In welchen Regionen findet Schrumpfung, wo Wachstum statt?
Die daraus resultierenden Erkenntnisse sollen eine Einordnung der Stadt Porto im nationalen Kontext möglich machen und ein Grundverständnis für die Situation vor Ort schaffen. Parallel hierzu ist es für die weitere Arbeit notwendig, Informationen über die spezielle Ausgangslage in Porto einzuholen und die Stadtschrumpfung zu charakterisieren, wobei nachstehende Leitfragen im Fokus des Interesses stehen:
Fragenblock III: Spezifische Rahmenbedingungen der Stadt Porto
12) Wie stellen sich demografische Entwicklung und allgemeine wirtschaftliche Ausgangslage in Porto dar?
13) Welche Bereiche der Stadt sind schwerpunktmäßig von Schrumpfung betroffen?
14) Welche Bedeutung haben die schrumpfenden Stadtteile für die Stadt?
15) Welche Ursachen der Schrumpfung sind im Falle der Stadt Porto Ausschlag gebend?
16) Welche Folgen und Auswirkungen ergeben sich aus der Schrumpfung für die Stadt Porto?
17) Ist der vorgefundene Leerstand vorrangig auf den Schrumpfungsprozess zurückzuführen oder Konsequenz aus unzeitgemäßen Bau- und Wohnformen?
18) Welche Strategien und Konzepte zum Umgang mit der Stadtschrumpfung werden seitens der Stadt Porto vorangetrieben?
19) Welche Planungs- und Handlungsansätze verfolgen ähnlich betroffene Städte?

Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen sollen als Ergebnis der Arbeit ein Überblick über planerische Handlungsweisen am konkreten Beispiel von Porto gegeben, sowie eine Bewertung und kritische Reflektion der bestehenden Anstrengungen vorgenommen werden, um über die eigentliche Arbeit hinaus reichende Denkanstöße geben zu können, mit der urbanen Schrumpfung unter den vorhandenen Rahmenbedingungen umzugehen. Insbesondere soll des Weiteren aufgezeigt werden, dass durchaus Möglichkeiten bestehen, die Stadtentwicklung auch unter Schrumpfungsbedingungen aktiv zu gestalten, ohne vor den Herausforderungen von vornherein zu kapitulieren.

Um dies bewerkstelligen zu können, ist unter anderem die Offenlegung von sich aus den Schrumpfungsprozessen ergebenden Chancen und Risiken notwendig, da hieraus der erste Schritt gemacht ist, der Schrumpfung selbstbewusst und offensiv entgegenzutreten. Auf dieser Grundlage wird ein auf Zukunftsfähigkeit gerichtetes Handeln ermöglicht, im Zuge dessen im Idealfall die Potenziale der Stadt kontinuierlich ausgebaut, sich bietende Chancen genutzt sowie negative Entwicklungen vermindert werden können.

1.3 Vorgehensweise

Gedanklich soll die vorliegende Arbeit in 2 Abschnitte gegliedert sein. Zum einen in jenen, welcher sich Grundlagen schaffend mit den Begriffsbestimmungen, Entwicklungen und Fragestellungen zum Themenfeld urbaner Schrumpfung im Allgemeinen befasst, sowie zum anderen in einen Abschnitt, welcher einen konkreten räumlichen Bezug auf Landes- und Stadtebene aufweist, um die spezifischen Ausprägungen sowie ausgelöste Entwicklungen und Reaktionen von Schrumpfungsprozessen zu beleuchten.

Um in die Thematik einzuführen, sollen zunächst einschlägige, sich mit dem Thema auseinandersetzende, Literatur herangezogen und ausgewertet, sowie der aktuelle Forschungsdiskurs nachvollzogen und beschrieben werden.

Hauptaugenmerk soll hierbei auf die Herausarbeitung der wesentlichen Aspekte des Themenfelds, insbesondere auf die Identifikation grundlegender Ursachen, Folgen und Auswirkungen, unterschiedlicher Wahrnehmungen des Schrumpfungsprozesses sowie politischer und planerischer Umgangsweisen gelegt werden.

Mit Blick auf die zur Klärung der Fragestellungen aus der Zielsetzung notwendigen Erkenntnisse wird eine Einteilung in drei Betrachtungsebenen vorgenommen:

- Betrachtungsebene 1: Schrumpfung im internationalen Kontext
- Betrachtungsebene 2: Schrumpfung im nationalen Kontext
- Betrachtungsebene 3: Schrumpfung im lokalen Kontext

Hierbei soll zunächst die Stadtschrumpfungsthematik in einem internationalen Kontext erfasst werden, um die Aktualität und Brisanz der Thematik deutlich zu machen. Darauf folgend soll in einem weiteren Schritt, aufbauend auf dem Vorangegangenen, eine nähere Betrachtung auf nationaler Ebene erfolgen, indem das Phänomen der Schrumpfung in Portugal herausgestellt und untersucht wird, um schlussendlich die Grundvoraussetzungen für eine Bewertung der sich in der Stadt Porto vollziehenden Schrumpfungsprozesse zu schaffen und diese in einen umfassenden Kontext einbetten zu können.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Betrachtungsschwerpunkt in erster Linie auf das Stadtgebiet Portos gerichtet ist, jedoch auch der Großraum Grande Porto und insbesondere direkt angrenzende Stadtteile benachbarter Kommunen in die Überlegungen mit einbezogen werden, da ein über die Gemeindegrenzen hinaus gehender Horizont für einen nachhaltigen Erfolg unumgänglich erscheint.

Der weiteren Arbeit wird folgende methodische Vorgehensweise zugrunde gelegt:

Vorbereitend zur Identifikation der Ursachen der Schrumpfungsprozesse in Porto wird zunächst eine Strukturanalyse vorgenommen, welche mittels quantitativer Aussagen einen Überblick über die derzeitige Situation und voraussichtliche Entwicklungen verschaffen soll. Hierauf aufbauend können nun stadtteilbezogene Analysen zur Frage durchgeführt werden, in welchen Bereichen der Stadt Schrumpfung stattfindet und worauf sie in den einzelnen Gebieten jeweils zurückzuführen ist.

Da angenommen wird, dass der vorherrschende Leerstand, gerade im Altstadtbereich, auf eine nicht zeitgemäße Bauform zurückzuführen ist, soll ein Fragebogen erstellt werden, welcher über Wohnwünsche und -präferenzen der (potenziellen) Stadtbewohner aller Altersgruppen und Haushaltsformen Auskunft geben soll und somit eine qualitative Einschätzung ermöglicht, inwiefern die Wünsche in Bezug auf die Wohnsituation im Vergleich zur bestehenden divergieren.

Des Weiteren sollen im Rahmen einer SWOT-Analyse Stärken sowie Schwächen herausgearbeitet werden, um einen Ansatzpunkt für zukünftige erfolgsversprechende Strategien zu schaffen und Gefahren ungewollter Stadtentwicklung stendenzen aufzudecken.

Hierauf aufbauend sollen Schlüsse über die tatsächliche derzeitige Situation der Stadt gezogen sowie eine unvoreingenommene Bewertung der vorzufindenden Sachverhalte und sich daraus ergebender Entwicklungspotenziale vorgenommen werden.

Betreffend der Arbeitsorganisation ist anzumerken, dass die Ausarbeitung in einer 2er-Gruppe erfolgt, wobei keine genau definierten Zuständigkeitsbereiche zuzuordnen sind und die gesamte gemeinsame Arbeit aus einem zu jeder Zeit bestehenden intensiven Diskurs in Verbindung mit eingehenden Recherchen entstand, um zum vorliegenden umfassenden Ergebnis zu gelangen.

2. Stadtschrumpfung im internationalen Kontext

2.1 Einführung in die Thematik globaler urbaner Schrumpfungsprozesse

Der Begriff „ Stadtschrumpfung “ findet in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Fragestellungen der Stadtentwicklung häufig als Schlagwort Verwendung, wobei oftmals im Dunkeln bleibt, welche komplexen Entwicklungen sich dahinter verbergen und welche Tragweite dem beschriebenen Phänomen tatsächlich zukommt. Dennoch wird durch die Verwendung des Wortes „Schrumpfung“ meist automatisch eine negative normative Wertvorstellung impliziert sowie im planerischen Sinne eine Art Systemversagen assoziiert, was eine pragmatische Annäherung an das Themenfeld zusätzlich erschwert (vgl. hierzu Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 55).

Im wertneutralen Sinne bezeichnet „Schrumpfung“ allgemein gesehen einen Vorgang des Abnehmens bzw. Schwindens, sowohl bezogen auf das Volumen bzw. die physische Größe, als auch die Verringerung einer Anzahl der vorhandenen Menge, und stellt somit den natürlichen Gegenprozess von „Wachstum“ dar. Somit besteht zwischen den beiden Elementen eine Wechselbeziehung, welche in vielen Wissensbereichen als zyklisch-rhythmische Prozesse in Form eines geschlossenen Kreislaufs zu Tage treten (z.B. auch in Biologie und Mathematik). Hieraus ergibt sich als Konsequenz ebenfalls die Tatsache, dass jedes Wachstum ein „zeitlich begrenzter Transformationsprozess“ (Oswalt, Overmeyer und Prigge 2002, 22) ist und eine natürliche Grenze hat, und Schrumpfung somit daneben einen auf lange Sicht unumgänglichen Teilprozess darstellt, welcher integraler Bestandteil jedweder Entwicklung ist. Eine negative Wertung erfolgt somit immer erst durch die Betrachtung aus einem bestimmten, durch Normen definierten, Blickwinkel und ist daher nicht zwingend vorauszusetzen (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 56).

Phänomen Stadtschrumpfung

Städtische Schrumpfungsprozesse stellen seit Beginn des 21. Jahrhunderts ein weltweit zu beobachtendes und nicht mehr zu leugnendes Phänomen dar. Während in den Jahren 1960 bis 1990 etwa ein Sechstel der Großstädte weltweit an Bevölkerung verlor, so hat sich prozentual gesehen der Anteil dieser seit Beginn der 1990er Jahre drastisch, auf rund ein Viertel, erhöht. Ursächlich hierfür sind vielfältige und -schichtige Prozesse, welche derzeit noch nicht gänzlich untersucht und erforscht sind, wobei insbesondere noch Bedarf an Untersuchungen besteht, welche einen internationalen Vergleich ermöglichen und Aufschluss über die Wirkungsketten von Schrumpfungsprozessen geben (Internetauftritt des Fachgebiets Raumordnung und Planungstheorie der Technischen Universität Dortmund 2012b).

Aufgrund der Tatsache, dass die Stadtentwicklung spolitiken und -planungen seit Beginn der Industrialisierung traditionell auf Wachstum fixiert und entsprechend ausgerichtet waren und es zum großen Teil heute noch sind, wurde sich der Schrumpfungsthematik nur zögerlich angenommen und diese als zukünftige Entwicklungsperspektive akzeptiert.

Dies hat zur Folge, dass die auf Schrumpfung der Städte ausgerichteten Untersuchungen ein vergleichsweise junges Forschungs- und Handlungsfeld darstellen, welches derzeit noch darin begriffen ist, sich in Wissenschaft und Planung vollends zu etablieren.

Um einen Einstieg in die Thematik und den derzeitigen Wissensstand zu finden, wird sich im Folgenden zunächst mit dem Phänomen urbaner Schrumpfung, vor allem im deutschsprachigen Kontext, befasst, um ein Grundverständnis für das Themenfeld sowie im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Arbeit zu schaffen.

Die Problematik schrumpfender Städte wurde in Deutschland erstmals in nennenswertem Ausmaß in den 1970er Jahren im Stadtentwicklung sdiskurs thematisiert und wahrgenommen. Grund hierfür waren in erster Linie sich abzeichnende demografische Entwicklungen hin zu gravierend abnehmenden Gesamtbevölkerungszahlen, welche unter anderem auf die Einführung der Antibabypille und veränderte Lebensstile zurückzuführen waren, sowie ein zunehmender Wirtschaftsstrukturwandel, welcher insbesondere in Zentren der industriellen Produktion zum Verlust von Arbeitsplätzen und in der Folge zu Abwanderung und Einwohnerverlusten führte (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 55).

In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff Stadtschrumpfung im Wesentlichen als Synonym für Bevölkerungsrückgang und wirtschaftliche Niedergangsprozesse etabliert und wird häufig ohne tiefer gehende inhaltliche Definition zur Beschreibung krisenhafter Stadtentwicklung verwendet. Auch heute beschränkt sich die Betrachtung der Thematik oftmals maximal auf jene 2 Themenfelder sowie die daraus resultierenden direkten Auswirkungen wie Leerstand und Infrastrukturmindernutzungen (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 55), da diese Faktoren grob als auslösende Prozesse zahlenmäßiger Veränderungen der Stadtentwicklung erkannt werden (Lang 2003). Dies zeigt sich beispielsweise auch darin, wie sich mit dem Phänomen auseinander setzende Institutionen den Schrumpfungsprozess verstehen, exemplarisch etwa die Bundestransferstelle Stadtumbau Ost, welche die Thematik wie folgt zu definieren versucht:

„Dieser in der öffentlichen Diskussion über Stadtentwicklung relativ neue Begriff beschreibt die Tatsache des Bevölkerungsverlustes und somit des Überangebotes von Infrastruktureinrichtungen und Wohnungen“ (Internetplattform der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost 2006).

Da jedoch im Laufe der letzten Jahre durch eingehende Recherchen sowie Untersuchungen von sich zunehmend mit dem Phänomen beschäftigenden Fachvertretern aus Wissenschaft und Praxis erkannt wurde, dass dieser Blickwinkel zu kurz gegriffen ist, wird folgende Definition, wenn auch nicht abschließend, für die Beschreibung der Begrifflichkeit als umfassender angesehen:

Stadtschrumpfungen sind stadtregionale Wandlungsprozesse, welche mehrdimensional sind, über rein demografische und ökonomische Prozesse hinausgehen, sich gegenseitig vielfach überlagern und tiefgreifende Auswirkungen auf alle städtischen Lebensformen haben“ (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 55).

Aus dieser Sichtweise geht hervor, dass der Prozess der Stadtschrumpfung einen hohen Intensitätsgrad mit sich verstärkenden Folgewirkungen aufweist, welcher kaum durch klassische Strategien und Maßnahmen abgewendet werden kann. Für den Umgang mit der Problematik bedeutet dies gleichzeitig, dass ein grundlegender Wandel im Verständnis der Öffentlichkeit vorausgesetzt werden muss und die Entwicklung nicht als kurzfristige Schwankung angesehen, sondern als zukünftiges progressives Handlungsfeld angenommen werden sollte. Dies fordert in erster Linie von den zuständigen Fachstellen zunächst eine hohe Engagement- und Aufwandsbereitschaft, ein Umdenken zuzulassen, in welchem Stadtentwicklung nicht, als normative Grundvoraussetzung des Erfolgs, Wachstum voraussetzt und Schrumpfung als Bedrohung wahrgenommen wird (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 55).

Auch wenn diese Wertvorstellung seit Beginn der Industrialisierung einen zentralen Bestandteil der Überlegungen zur Stadtentwicklung darstellte und bis heute vielerorts in den Wahrnehmungen verhaftet ist, wird bei näherer Betrachtung der Geschichte des Stadtwesens schnell deutlich, dass es schon immer neben Wachstumsphasen vorangegangene Dekaden der Schrumpfung, beispielhaft hervorgerufen durch Epidemien oder Verwüstungen, gab. Dies wiederum zeigt auf, dass Wachstum niemals linear verläuft, sondern eher als zyklischer und pulsierender, aber dennoch rhythmischer natürlicher Prozess wahrgenommen werden sollte, der bei Änderungen der Rahmenbedingungen ein flexibles, der jeweiligen Situation gerechtes, Handeln erfordert (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 55).

Hierbei bleibt anzumerken, dass sich dieses Verständnis des Wandlungsprozesses und des Zusammenhangs der Begrifflichkeiten Wachstum und Schrumpfung nicht erst seit der Veröffentlichung des Berichts der Leerstandskommission (Pfeiffer, Porsch und Simons 2000) im November 2000, betreffend des wohnungswirtschaftlichen Strukturwandels in den neuen Bundesländern, entwickelt hat, sondern sich auch schon vereinzelt tiefgreifender mit den Niedergangsprozessen des wirtschaftlichen Strukturwandels zwischen 1960 und 1970 auseinander gesetzt wurde. So erfolgte bereits 1972 durch den Beirat der Raumordnung eine Unterscheidung der Verdichtungsräume in 3 Kategorien – expandierende, stagnierende und schrumpfende Räume – woraus sich Ansätze eines langsamen Perspektivwechsels abzeichneten, welcher jedoch durch das Fehlen weitgehenderer theoretischer Erklärungen gehemmt wurde und somit nur begrenzt im Verständnis der Öffentlichkeit sowie der Politik Anklang fand und sich verfestigte (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 57).

Zu einer tiefgreifenderen Aufnahme des Ansatzes kam es erst in den kommenden Jahren durch die Veröffentlichung des Sammelbandes „Leben im Jahr 2000 und danach – Perspektiven für die nächsten Generationen“ von den Stadtsoziologen und Bevölkerungswissenschaftlern Mackensen, Umbach und Jung. Aus ihrer Publikation, in welcher sich weiterhin mit der Problematik und möglichen Auswirkungen der angemahnten rückläufigen Bevölkerungsentwicklung, sowie der daraus resultierenden Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland, in Form einer Studie befasst wurde, gingen interdisziplinäre Forschungsergebnisse und damit einhergehende neue Denkmodelle hervor, welche die Grundlage für neue, weniger negativ behaftete, Überlegungen schufen und neben soziologischen, ökonomischen und ökologischen Teilaspekten auch das Thema „Städte im Umbruch“ in die Diskussion einbezogen (vgl. hierzu Jung, Mackensen und Umbach 1984).

Während sich Mackensen, Umbach und Jung mehr auf den demografischen Aspekt konzentrierten, versuchten die Stadtsoziologen Häußermann und Siebel dem Phänomen, unter Berücksichtigung des derzeitigen Forschungsstandes, einen mehrdimensionalen Charakter zu verleihen. In ihrer ersten Veröffentlichung „Neue Urbanität“ im Jahr 1987, fand zunächst der Gesichtspunkt des ökonomischen Strukturwandels in den 1960er Jahren tiefergehende Beachtung, welcher als auslösende Kraft für städtische Schieflagen ausgemacht wurde, wobei angemerkt wurde, dass wirtschaftliche Entwicklungen sich dennoch regional unterschiedlich vollziehen und Wachstumsräume durchaus noch existent sind (vgl. hierzu Häußermann und Siebel 1987). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen erschien 1988 eine weitere Veröffentlichung mit dem Titel „Die schrumpfende Stadt und die Stadtsoziologie“ (Häußermann und Siebel 1988), in der man weitergreifend von Schrumpfung als neuem Stadtentwicklung styp sprach, welcher jedoch nicht als Gegentyp der wachsenden Stadt, sondern in erster Linie als deutliche Profilabhebung gegenüber der gedeihenden Stadt verstanden werden soll (vgl. hierzu Häußermann und Siebel 1988).

In einem abschließenden Gedankenschritt wurde nach Möglichkeiten und Ansätzen einer alternativen Stadtpolitik gesucht, welche der neuen Urbanität einen positiven Charakter verleihen und sie ausfüllten sollte (vgl. hierzu Häußermann und Siebel 1988).

Trotz all der vorangegangenen Versuche den Schrumpfungsprozess der „breiten Masse“ und vor allem den politisch Verantwortlichen vor Augen zu führen, blieben aktives Handeln in Richtung der Annahme und Umwandlung des Problems weitestgehend aus. Vielmehr kam es sogar durch politische Umbrüche und die Euphorie des „Wendewachstums“ in den 1990er Jahren zu einer weiteren abrupten Unterbrechung, was die Debatte um Schrumpfung in den Hintergrund rücken ließ und dieser, trotz weiterhin vereinzelter mahnender Stimmen, von Seiten der Politik nur noch wenig Beachtung geschenkt wurde (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 59).

Diese Entwicklung des Schrumpfungsdiskurses zeigt auf, dass das Phänomen mit vielen seiner umgebenden Begrifflichkeiten, wie beispielsweise Stadtumbau und Regenerierung, damals unter dem Leitbild der Stadterneuerung, bereits vor über 30 Jahren, wenn auch nicht mit all seinen Facetten, erkannt wurde, jedoch heute immer noch ein vergleichsweise junges Forschungsfeld darstellt, welchem sich bis Anfang des neuen Jahrtausends von Seiten der Politik nur zögerlich angenommen wurde. Dies mag nicht zuletzt auch damit zusammen hängen, dass in der Konsequenz erhebliche Schwerpunktverschiebungen für die planerische Entwicklung der betroffenen Städte notwendig werden, im Rahmen derer völlig neue Handlungsweisen zu erwarten sein werden.

Insbesondere bedeutet dies eine Verlagerung der Prioritäten, von einer auf die Erschließung neuer Baugebiete ausgerichteten Planungsphilosophie, hin zu einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Bestand und dem Umgang mit diesem, was instrumentell mit zunehmender Wahrscheinlichkeit letztendlich in Stadterneuerungsmaßnahmen sowie verstärkt in Projekten aus dem Handlungsfeld des Stadtumbaus münden wird. Insgesamt wird somit in gewissem Sinne ein „geordneter Rückzug“ in Sachen Stadtentwicklung eingeleitet, im Zuge dessen gesteuertes Wachstum durch gezielte Konsolidierung der Stadtstruktur und qualitative Aufwertung des Gesamtgefüges abgelöst wird, um vor allem quantitativen Überschuss auszugleichen (Informationsportal zum Stadtumbau 2009).

Abb. 01: Handlungsbereiche der gegenwärtigen Stadtentwicklung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Informationsportal zum Stadtumbau. 2009. „ Stadtumbau im Konsens. “ Abgerufen am 12.01.2012. http://www.stadtumbau-im-konsens.de/index.cfm.

Trotz dieser Verschiebungen ist, im Gegensatz zu den rein wachstumsorientierten Planungsstrategien der Vergangenheit, durch die Rahmenbedingungen der heutigen Zeit eine Parallelität der 3 Handlungsbereiche der Stadtentwicklung (siehe Abb. 01) vorauszusetzen, da neben schrumpfenden Städten und Räumen ebenfalls jene existieren, die sich in einem Wachstumsprozess befinden bzw. stagnieren (Informationsportal zum Stadtumbau 2009).

Denn ebenfalls bei der heute oftmals im Zentrum stehenden Thematik des Stadtumbaus kann von einer weitestgehenden Ausblendung der Mehrdimensionalität der Schrumpfungsprozesse gesprochen werden, da vor allem wohnungswirtschaftliche Belange im Vordergrund stehen und somit beispielweise das noch weitestgehend unerforschte, jedoch bestehende „Spannungsfeld zwischen Rationalität und Normativität“ im Schrumpfungsdiskurs aufgrund mangelnder Betrachtung gesellschaftlicher Wertvorstellungen keine ausreichende Berücksichtigung findet (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 68).

Im Kontext der heute oftmals im Zentrum stehenden Thematik des Stadtumbaus kann von einer weitestgehenden Ausblendung der Mehrdimensionalität von Schrumpfungsprozessen gesprochen werden, da vor allem wohnungswirtschaftliche Belange im Vordergrund stehen und somit beispielweise das noch weitestgehend unerforschte, jedoch bestehende „Spannungsfeld zwischen Rationalität und Normativität“ im Schrumpfungsdiskurs aufgrund mangelnder Betrachtung gesellschaftlicher Wertvorstellungen kaum Berücksichtigung findet (Brandstetter, Lang und Pfeifer 2005, 68).

Mit dem Beschluss zur Aufstellung des Bund-Länder-Städtebauförderprogramms „ Stadtumbau Ost“ 2001 (Informationsportal Stadtumbau Ost 2012), welches übergeordnet zum Ziel hat, lebenswerte Städte und attraktives Wohnen in den neuen Bundesländern zu schaffen, ist ein Meilenstein gesetzt worden, welcher einen langsamen Perspektivwechsel bezüglich einer integrierten Stadtentwicklung erkennen lässt. So werden beispielsweise Aspekte wie Rückbau leer stehender Wohnungen oder aber auch die Attraktivitätssteigerung von Innenstädten, sowie erhaltenswerten Stadtteilen in städtebaulichen Entwicklungskonzepten aufgegriffen und im Zuge dessen ausformuliert, wobei immer der Gesichtspunkt des langfristigen Schrumpfungsprozesses, und nicht jener des Wachstums, übergeordnet wird (Internetauftritt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2012).

Analog hierzu erfolgte ebenfalls im Westen der Bundesrepublik im darauf folgenden Jahr (2002) die Initiierung des Programms „ Stadtumbau West“, welches im Rahmen des Forschungsprojektes „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) durchgeführt wurde, wobei der Fokus hier insbesondere auf die Aufwertung von Innenstädten, die Anpassung von Wohn- und Wirtschaftsstandorten sowie die Brachflächen revitalisierung gelegt wurde (Internetplattform der Bundestransferstelle Stadtumbau West 2011).

Eine rechtliche Verankerung der Stadtumbauthematik wurde schließlich im Jahr 2004, im Rahmen des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau (EAG Bau), mit der Aufnahme der §§ 171a-d („Stadtumbaumaßnahmen“, „Stadtumbaugebiet, städtebauliches Entwicklungskonzept“, „Stadtumbauvertrag“, „Sicherung von Durchführungsmaßnahmen“) in das Baugesetzbuch (BauGB) erreicht, welche die bestehenden Instrumente des besonderen Städtebaurechts ergänzten.

Im Zuge dieser Entwicklung des Stadtplanungswesens, welche sich anfangs zum großen Teil auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkte, da dies weltweit das erste Land mit enormer sich abzeichnender natürlicher Bevölkerungsschrumpfung und sich daraus ergebenden sichtbar schwerwiegenden Folgen war, ist eine intensive Debatte unter Stadtplanern und -forschern angeregt worden, welche sich bis heute, auch auf globaler Ebene, vollzieht (Birg 2006, 121).

Ein Grund hierfür ist nicht zuletzt die Tatsache, dass Prognosen zufolge die Wachstumsrate der Weltbevölkerung, welche seit den 1970er Jahren zunehmend sinkt, bis zum Jahr 2070 voraussichtlich auf null fallen und darauffolgend negativ sein wird (Birg 2006, 121). Ganze Länder werden erstmals in eine Phase kontinuierlicher Bevölkerungsverluste eintreten (Rieniets 2006, 31). Somit sind sich hieraus ergebende Folgewirkungen der Bevölkerungsschrumpfung auf globaler Ebene zu Teilen früher oder später unumkehrbar, wenngleich Wachstumsprozesse selbst dann noch, wenn auch in zunehmend räumlich polarisierter Form, weiterhin bestehen und gleichzeitig vorzufinden sein werden (Oswalt und Rieniets 2006, 7).

Mit den Fragen, wie sich diese parallel verlaufenden Prozesse im globalen Maßstab abzeichnen und wie man das Phänomen für die Öffentlichkeit greifbarer machen könnte, wurde sich seitens einer Reihe von Autoren bereits eingehender befasst, so zum Beispiel im Rahmen eines interdisziplinären Initiativprojektes der Kulturstiftung des Bundes (2002-2008) unter dem Titel „Shrinking Cities“, in welchem anhand diverser Fallbeispiele weltweit die Pole der Schrumpfung lokalisiert und die Entwicklungen des 21. Jahrhunderts prognostiziert und beleuchtet wurden, um die Möglichkeiten einer Beeinflussung und Mitgestaltung der gesellschaftlichen Prozesse auszuloten. Erwähnenswerte aktuelle Publikationen, welche aus dem internationalen Erfahrungsaustausch zwischen Architekten, Künstlern, Wissenschaftlern und lokalen Initiativen hervorgingen, sind etwa jene vom Architekten Philipp Oswalt unter den Titeln „Schrumpfende Städte – Band 1: Internationale Untersuchung“ und „Schrumpfende Städte – Band 2: Handlungskonzepte“ herausgegebenen sowie der in Zusammenarbeit mit dem Stadtforscher Tim Rieniets veröffentlichte „Atlas of Shrinking Cities / Atlas der schrumpfenden Städte“ (Internetauftritt der Kulturstiftung des Bundes 2012).

Im Zuge der Veröffentlichung der Ergebnisse des Projekts, welche unter anderem im Rahmen von Ausstellungen und Veranstaltungen stattfand, wurde in der Fachwelt der Begriff „Shrinking City / Schrumpfende Stadt“ nachhaltig etabliert und ein wesentlicher Beitrag zur öffentlichen Wahrnehmung der urbanen Schrumpfung geleistet (Internetauftritt der Kulturstiftung des Bundes 2012).

Des Weiteren werden beispielsweise ebenso seit 2004 seitens des Shrinking Cities International Research Network fortwährend weltweit vergleichende Forschungsstudien zum Thema durchgeführt und angeregt, um Gründe, Erscheinungsformen, räumliche Ausprägungen sowie die Wirksamkeit möglicher Steuerungsmaßnahmen zu beleuchten und einen nachhaltigen internationalen Austausch zu etablieren. Als Ziel hierbei wird langfristig die Erarbeitung eines theoretischen sowie auch methodischen Instrumentariums gesehen, welches die Analyse schrumpfender Städte weltweit erleichtern soll (Internetauftritt des Shrinking Cities International Research Networks 2012).

Daneben existiert derzeit exemplarisch auch das Projekt COST Action TU0803 – Cities regrowing smaller (CIRES), welches durch die European Cooperation of Science and Technology initiiert wurde (Laufzeit 2008–2012) und die Förderung von interdisziplinärem Wissen bezüglich Regenerierungsstrategien in von Schrumpfung betroffenen Städten innerhalb Europas zum Ziel hat (Internetplattform des Projektes COST Action TU803 – Cities Regrowing Smaller (CIRES) 2012), wobei als Ergebnisse „ein gemeinsames Glossar, eine Synopse zum einschlägigen Stand der Forschung, exemplarische Regenerierungsstrategien und eine Best-Practice-Datenbank“ (Internetauftritt des Fachgebiets Raumordnung und Planungstheorie der Technischen Universität Dortmund 2012a) angestrebt werden.

Somit kann auf Basis des Vorangegangenen festgestellt werden, dass sich des Phänomens Stadtschrumpfung mittlerweile vielerorts angenommen wird und durchaus Anstrengungen, sowohl auf nationaler, als auch internationaler Ebene, bestehen, Strategien und Überlegungen auszuformulieren, um den urbanen Schrumpfungsprozessen entgegen zu treten.

Lokalisierung der Problematik auf globaler Ebene

Auch wenn die Stadtbevölkerung Prognosen zufolge global gesehen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weiterhin wachsen und darauffolgend erst eine Stagnation bzw. innerhalb Nationen ein langsamer Rückgang eintreten wird, existieren gegenwärtig zahlreiche schrumpfende Städte, welche sich aufgrund räumlicher Ungleichheiten sowie ungleichzeitiger regionaler Entwicklungen in dieser Form abzeichnen. So verloren ca. 25 % der Großstädte weltweit seit Anfang der 1990er Jahre zumindest Phasenweise an Bevölkerung (Internetauftritt der Kulturstiftung des Bundes 2012), wobei dieser Anteil jedoch nicht als konstant angesehen werden kann, sondern zukünftig kontinuierlich zunehmen wird, sodass im Laufe der Zeit Wachstum und Schrumpfung deutlicher nebeneinander einhergehen und sich die Waage halten werden. Anzumerken bleibt hierbei jedoch, dass die globalen Verstädterungsprozesse generell voraussichtlich bis zum Jahr 2100 weitestgehend zu einem Abschluss gekommen sein werden, wobei auch dann als Folge keine Stagnations- oder Schrumpfungsepoche anschließen, sondern sich eine räumliche Polarisierung innerhalb der Länder sowie Städte stärker ausprägen wird, was wiederum größer werdende Differenzen zwischen wirtschaftsschwachen, peripher gelegenen Räumen und prosperierenden Wachstumspolen mit sich bringen wird (Oswalt und Rieniets 2006, 7).

Zentral für die Betrachtung schrumpfender Städte ist zunächst die Frage, wie „Stadt“ definiert ist, da global gesehen je nach Region unterschiedlichste Maßstäbe angelegt und verschiedenste Kriterien in die Begriffsbestimmung mit einbezogen werden. Um eine einheitliche Grundlage für die in dieser Arbeit vorliegenden Ausführungen zu schaffen, wird im Weiteren die international anwendbare Definition des Shrinking Cities International Research Networks (SCIRN) vorausgesetzt. Diese legt schrumpfende Städte als dicht bewohnte urbane Gebiete mit einer Bevölkerungszahl von mindestens 10.000 Einwohnern fest, welche über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren in großem Umfang Bürger verloren haben sowie wirtschaftliche Wandlungsprozesse mit Merkmalen einer Strukturkrise durchlaufen (Hollander et al. 2009, 224).

Schätzungen zufolge war schon vor der Finanzkrise (ab ca. 2007) jede vierte Stadt weltweit mit mehr als 100.000 Einwohnern von Schrumpfung betroffen (Rieniets 2006, 31), seit Mitte des 20. Jahrhunderts verloren mehr als 450 Städte dieser Größenordnung sogar ein Zehntel oder mehr ihrer Bewohner (Mills 2004).

Bei Betrachtung der kontinentalen bzw. nationalen Entwicklung des Phänomens stellt sich deutlich heraus, dass anfangs allen voran die wohlhabenden Industrienationen Europas wie Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien sowie Nordamerikas (USA) und vereinzelt Asiens (Japan), vor allem seit den 1970er Jahren primär betroffen waren, und ein Anteil von rund 80 % der schrumpfenden Städte weltweit hier zu finden war. Ebenfalls berührt und abrupt von dem Phänomen eingeholt wurden, mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem Zusammenbruch der langjährigen Planwirtschaft, ab den 1990er Jahren eine Vielzahl von Großstädten postsozialistischer Länder wie beispielsweise Russland, Ukraine oder Kasachstan, welche ab diesem Zeitpunkt stark rückläufige Geburtenraten sowie sinkende Lebenserwartungen zu verzeichnen haben (Rieniets 2006, 31) und ihr Schicksal bis heute noch unter anderem mit Regionen Afrikas (Südafrika) und des Nahen Ostens (Iran) teilen (Internetplattform des Projektbüros Schrumpfende Städte 2012).

Abb. 02: Karte weltweit schrumpfender Großstädte zwischen 1950 bis 2000

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Internetplattform des Projektbüros Schrumpfende Städte. 2012. „ Weltkarten.“ Abgerufen am 19.01.2012. http://www.shrinkingcities.com/weltkarten.0.html.

Generell kann jedoch dennoch davon gesprochen werden, dass der Schwerpunkt urbaner Schrumpfungsprozesse größtenteils in Europa sowie den USA stattfindet und sich dort auch zukünftig weiterhin verstärken wird, da vor allem Europa kaum Anteil am weltweiten Bevölkerungswachstum hat (Spiegel Online 2009). Großteile Afrikas, Asiens, Südamerikas und Australiens bleiben in nennenswertem Ausmaß weitestgehend von dem Phänomen verschont, wobei sich jedoch auch hier punktuell durchaus Schrumpfungsprozesse vollziehen (vgl. hierzu exemplarisch Torres Moraes 2009 sowie Martinez-Fernandez und Wu 2009).

Betreffend der Wachstumspole und Verstädterungsprozesse kann gesagt werden, dass sich diese auch weiterhin parallel und vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern überdurchschnittlich feststellen lassen. Im Jahr 2030 werden Prognosen zufolge die Bewohnerzahlen dieser Städte auf 3,9 Milliarden ansteigen, was im Vergleich mit den „reichen“ Ländern (rund 1 Milliarde) fast viermal so viele Einwohner umfasst (Internetauftritt der Bundeszentrale für politische Bildung 2012).

Abb. 03: Entwicklung der städtischen Bevölkerung nach Regionen (in Prozent der Gesamtbevölkerung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der Internetplattform der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. 2011. „ Entwicklung der städtischen Bevölkerung nach Regionen (in Prozent der Gesamtbevölkerung).“ Abgerufen am 05.02.2012. http://www.weltbevoelkerung.de/uploads/tx_tspagefileshortcut/Entwicklung_der_staedtischen_Bevoelkerung_nach_Regionen_11.11.pdf.

Es ist somit festzustellen, dass nicht die ärmeren Länder der Erde, sondern die Reichsten die meisten schrumpfenden Städte zu verzeichnen haben, wobei anzumerken bleibt, dass die sich vollziehenden Prozesse auf differierende Gründe zurückzuführen sind und unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterliegen, was eine Pauschalisierung, generelle Lokalisierung und Verallgemeinerung des Phänomens unmöglich macht.

Im weitergehenden Verlauf dieser Arbeit wird, aufbauend auf den zuvor gewonnenen Erkenntnissen und der bestehenden Komplexität des Phänomens, der Fokus betreffend der Schrumpfungsprozesse weitestgehend auf die Entwicklungen in Europa gelegt. Dies begründet sich im Wesentlichen darin, dass sich eine Vielzahl der global betroffenen Städte, nicht zuletzt auch die im Rahmen dieser Arbeit betrachtete Stadt Porto, auf diesem Kontinent befindet und eine hier konzentrierte Betrachtung als zielführendste Vorgehensweise angesehen wird.

2.2 Ursachen der Stadtschrumpfung

Urbane Schrumpfung kann vielerlei Gründe haben, wobei ein gegenwärtiges und deutliches Anzeichen immer der Verlust an Bevölkerung darstellt, hinter welchem sich wiederum die unterschiedlichsten Ursachen und Prozesse verbergen. Diese können in differenzierten Intensitätsgraden auftreten und im schlimmsten Fall sogar zur Aufgabe einer ganzen Stadt führen. So gab es schon im Laufe der Geschichte Vernichtungsphasen verursacht durch Kriege, Krankheitsepidemien sowie Natur- und Umweltkatastrophen, welche Menschenleben und deren Lebensgrundlagen innerhalb eines kurzen Zeitraums forderten und zu einer drastischen Bevölkerungsabnahme führten (Rieniets 2006, 31).

Auch die wirtschaftliche Situation, sowie Verluste im Bereich der natürlichen Ressourcen können Ausschlag gebend für die Entwicklung der Städte und deren Bevölkerungsanzahl sein und über Wachstum oder Schrumpfung entscheiden. Denn das Nichtvorhandensein eines Arbeitsplatzes oder anderer lebenswichtiger Ressourcen wie beispielsweise Wasser oder fruchtbarer Böden, führt zu Wanderungsbewegungen bzw. Standortverlagerungen, welche gerade peripher gelegene wirtschafts- bzw. ressourcenschwache Regionen hinnehmen müssen (Rieniets 2006, 31).

Generell lässt sich dennoch feststellen, dass die Bevölkerungsabnahme grob in zwei Bereiche untergliedert werden kann: In eine gezwungene, sich schnell vollziehende Abnahme durch oben genannte Vernichtungsphasen und andererseits in von Bevölkerungsteilen selbst entschiedene Abwanderung, bedingt durch Fehlen von Lebensgrundlagen oder aber auch Gütern der Daseinsvorsorge.

Abb. 04: Ursachen von Stadtschrumpfung und Wirkungsketten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von Oswalt, Philipp, und Tim Rieniets, Hrsg. 2006. Atlas der schrumpfenden Städte. Ostfildern: Hatje Cantz.

Im Nachfolgenden sollen unter anderem diese Gründe im Detail beschrieben sowie erläutert werden, um ein besseres Verständnis für die städtische Schrumpfungsproblematik zu ermöglichen und die Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen.

2.2.1 Bevölkerungsentwicklung

Anders als in Phasen der Vernichtung durch Kriege, Epidemien oder Natur- und Umweltkatastrophen findet heutiges urbanes Schrumpfen oftmals unter wachsendem Wohlstand und überwiegend ohne das Einwirken derartiger äußerer Einflüsse statt. Global gesehen betrifft dies wie schon erwähnt, insbesondere viele der reicheren Länder Europas sowie Russland, deren Bevölkerung zahlenmäßig durch niedrigere Geburten- als Sterberaten abnimmt und allmählich vergreist. Prognosen der UNO zu Folge wird die Bevölkerung Europas 2050 um 67 Millionen Menschen schrumpfen (Spiegel Online 2007).

Ausschlag gebend sind hierbei jedoch nicht nur natürliche Faktoren, sondern ebenso gesellschaftliche, welche unter anderem neben veränderten Wert- und Lebensvorstellungen, verbesserte Ernährungslagen und hygienische Zustände sowie den heutigen medizinischen Fortschritt mit einschließen und hierdurch die Lebenserwartung erhöhen. So wird beispielsweise ein Durchschnittseuropäer, welcher im Jahr 2011 noch ca. 76 Jahre alt wurde, im Jahr 2050 Prognosen der Vereinten Nationen zufolge bereits sechs Jahre älter werden (siehe Tab. 01). Hinzu kommt der so genannte Migrationssaldo, welcher sich aus der Differenz aus Zu- und Abwanderungen über Gebietsgrenzen hinweg ergibt und je nach Vorzeichen ein Bevölkerungswachstum oder einen Rückgang ausdrückt. Dieses Zusammenspiel der einzelnen Komponenten wird unter dem Fachausdruck „ Demografischer Wandel “ zusammengefasst (Internetauftritt der Demographie Kommunal GbR 2011), weltweit diskutiert sowie erforscht. Denn trotz weiterhin ansteigender Bevölkerungszahlen in anderen Ländern, wie in Regionen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, kann eine allgemeine Alterung der Bevölkerung bei teilweise leicht sinkenden Kinderzahlen festgestellt werden (Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2008, 3). Im Jahr 2050 werden ca. 2 Milliarden der auf der Erde lebenden Menschen ein Alter von über 60 Jahren erreicht haben (Spiegel Online 2007).

Aus Sicht von Bevölkerungswissenschaftlern wird eine Veränderung von altertümlichen hin zur modernen demografischen Verhältnissen als Demografischer Übergang bezeichnet, welcher die Entwicklung von hohen Geburten- und Sterberaten zu niedrigen beschreibt, wobei im Verlauf zunächst die Sterbefälle und darauffolgend die Geburtenzahlen zurückgehen und es in der Zwischenphase zu einem schnellen Wachstum der Bevölkerung kommt. Da jedoch diese Veränderungen in den unterschiedlichen Regionen der Welt nicht zeitgleich verlaufen und sich unter verschiedenen Rahmenbedingungen vollziehen, wird in der Theorie versucht, Gemeinsamkeiten der Entwicklung in einem so genannten fünf-Phasen-Modell darzustellen:

Phase 1: Vorindustrielle Gesellschaft

- hohe Geburten- und Sterberaten
- starke Schwankungen im Bereich der Sterblichkeit (teilweise jährlich)
- geringe durchschnittliche Lebenserwartung
- Folge: kein bis sehr langsames Wachstum der Bevölkerung

Phase 2: Beginn des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses

- Senkung der Sterblichkeitsrate / steigende Lebenserwartung
- hohe durchschnittliche Geburtenrate
- Folge: Bevölkerungswachstum

Phase 3: Einstellung auf den Modernisierungsprozess

- Beschränkung der Kinderzahl aufgrund niedrigerer Kindersterblichkeit
- sinkende Geburtenrate
- Folge: langsameres Bevölkerungswachstum

Phase 4: Ergebnis des Modernisierungsprozesses

- überwiegendes Einpendeln der Geburten- und Sterberate auf niedrigem Niveau
- Wunschvorstellung: Gleichgewicht zwischen Geburten und Sterbefällen
- Folge: teilweise Bevölkerungsabnahme, Erwartung nicht überall eingetreten

(vor allem Industriestaaten)

Phase 5: Trend Industriestaaten

- niedrigere Geburten- als Sterberaten
(auch teilweise Entwicklungsländer betroffen)
- Folge: einheimische Bevölkerungsschrumpfung

Anmerkung: ggf. Ausgleich durch Zuwanderung möglich

Diese fünf Phasen müssen jedoch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass sie lediglich als generalisiertes Modell dienen, den historischen Verlauf der demografischen Übergänge zu veranschaulichen und nicht für einen generellen Vollzug jeder Phase stehen, da in der Realität der Verlauf in einigen Regionen stark abweicht. Dies hat verschiedene Gründe. Zunächst kam es im Laufe der Zeit zu sich herausbildenden modernen urbanen Industriegesellschaften in Nordamerika und Europa, in welchen sich quasi eine selbst ergebende Regulierung im Bereich der Geburtenanzahl und Sterblichkeit vollzog und somit räumliche Differenzen entstanden, da Entwicklungsländer in ihren alten Strukturen verhafteten. Heute – im Zeitalter der Globalisierung – ist dies jedoch anders. Viele Entwicklungsländer profitieren von dem in den Industriestaaten entfachten Fortschritt in Medizin und Technik, was zur Folge hat, dass sich der demografische Übergang dort schneller vollzieht und die Phasen verkürzt werden können. Somit beschreibt das Modell weitestgehend den Verlauf des Übergangs der Industriestaaten in korrekter Form, auf welche größtenteils zunächst keinerlei äußere Einflüsse einwirkten und welche in der fünften Phase angekommen sind. Viele der Entwicklungs- und Schwellenländer befinden sich daneben derzeit erst in der dritten Phase (Münz und Ulrich 2007).

Aufgrund dieser Entwicklungen, welche in Zahlen wie in Tab. 01 gezeigt, zusammengefasst und gegenübergestellt werden können, ist global gesehen seit den 1970er Jahren eine sinkende Wachstumsrate der Weltbevölkerung zu verzeichnen, welche ca. um das Jahr 2070 bei null liegen und darauffolgend negativ sein wird (Birg 2006, 121). Wie sich die Weltbevölkerung danach und insbesondere jenseits des Jahres 2100 entwickeln wird, bleibt jedoch umstritten und kann aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten unvorhersehbarer Einflüsse und Wechselwirkungen nicht verlässlich vorhergesagt werden. Während sich Wissenschaftler weitestgehend einig sind, dass den Berechnungen zukünftig rückläufige Geburtenraten zugrunde gelegt werden müssen, ist dennoch nach wie vor unklar, in welcher Geschwindigkeit sich dieser Prozess abnehmender Familiengrößen vollzieht. Aufgrund der Tatsache, dass Letzteres den maßgeblich Einfluss nehmenden Faktor in Bezug auf den Zeitpunkt einer Stabilisierung der Weltbevölkerung darstellt, existieren mehrere mögliche Szenarien hierzu, wobei die mittlere Variante der Vereinten Nationen mit dem Eintritt einer langfristigen Stagnation des Wachstums erst ab dem Jahr 2100 rechnet. Die globale Bevölkerungszahl läge dann bei 10 Milliarden Menschen (Münz 1999).

Tab. 01: Übersicht zeitliche Entwicklung nach Kontinenten (mittlere Variante)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage des United Nations Data Retrieval System. 2012. „Statistics.“ Abgerufen am 28.02.2012. http://data.un.org/data.aspx?d=popdiv&f=variableID%3A68.

Anzumerken bleibt, dass die am wenigsten entwickelten Länder, allen voran jene in Afrika, weiterhin, wenn auch langsamer, wachsen werden und sich insgesamt eine Verlagerung der anteiligen Verteilung der Weltbevölkerung, bezogen auf die Kontinente, vollziehen wird (Birg 2006, 121). Während Europa sich bereits heute in einem Schrumpfungsprozess befindet, werden ebenso Lateinamerika und die Karibik sowie Asien, Prognosen der Vereinten Nationen zufolge, ab dem Jahr 2050 in diese Phase übergehen (siehe Tab. 01 und Abb. 05). Würde man die Weltbevölkerung des Jahres 2011 anhand einer Gruppe von 100 Personen illustrieren, wären hiervon 60 Erdenbürger Asiaten, 15 Afrikaner, 11 Europäer, 9 Lateinamerikaner und 5 Nordamerikaner, wohingegen bis 2050 ein Wachstum auf insgesamt 137 Menschen stattfände (Zuwachs ca. eine Person pro Jahr) und sich die Verteilung auf die Kontinente dahingehend verschieben würde, dass nunmehr 76 Asiaten, 33 Afrikaner, 11 Lateinamerikaner, 10 Europäer und 7 Nordamerikaner die Bevölkerung stellen würden (Internetauftritt der Stiftung Weltbevölkerung 2011).

Abb. 05: Geschätzte und prognostizierte Bevölkerungsentwicklung nach Regionen,

mittleres Szenario, 1950-2100 (in Milliarden)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der Internetplattform der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. 2011. „ Geschätzte und prognostizierte Bevölkerungsentwicklung nach Regionen, mittleres Szenario, 1950 – 2100 (in Milliarden).“ Abgerufen am 05.02.2012. http://www.weltbevoelkerung.de/uploads/tx_tspagefileshortcut/Geschaetzte_und_prognostizierte_Bevoelkerungsentwicklung_nach_Regionen.pdf.

Des Weiteren geht aus Abb. 05 und Abb. 06 hervor, dass sich jenseits des Jahres 2050 eine Annäherung der Bevölkerungszahlen und Anteile an der Weltbevölkerung der Asiaten und Afrikaner vollziehen wird, da der, derzeit noch bevölkerungsreichste, asiatische Kontinent ca. ab dem Jahr 2050 an Bevölkerung abnimmt, wohingegen die afrikanische nahezu konstant wächst.

Abb. 06: Entwicklung der Verteilung der Weltbevölkerung auf Kontinente

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Internetplattform Deutsche Stiftung Weltbevölkerung. 2011. „ Regionale Verteilung der Weltbevölkerung.“ Abgerufen am 05.02.2012. http://www.weltbevoelkerung.de/oberes-menue/publikationen-downloads/zu-unseren-themen/grafiken/bevoelkerungsentwicklung/regionale-verteilung-der-weltbevoelkerung.html.

Ebenso einher mit dem Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern geht die Erhöhung der Dichte der Bevölkerung vor allem in urbanen Regionen, wobei hier die innerstaatlichen Migrationsbewegungen aus ländlichen Regionen hinaus, zur Stadt hin, sowie der städtische Geburtenüberschuss Beachtung finden müssen und daher eine allgemeine Betrachtung der landesweiten Bevölkerungsentwicklung in der Regel wenig aussagekräftig ist (Birg 2006, 121).

Generell lässt sich dennoch sagen, dass global gesehen zwei Trends zu verfolgen sind: Bevölkerungsgewinne in Entwicklungs- und Schwellenländern und ein negativer Saldo bei den Industriestaaten. Hierbei kann nicht von einem Gewinner- oder Verlierer-Trend die Rede sein, da beide Entwicklungen Probleme sowohl in ökonomischen, ökologischen als auch sozialen Bereichen mit sich bringen können und Handlungsbedarfe aufwerfen. Eine Bevölkerungsabnahme muss jedoch nicht unbedingt in urbanen Strukturen spürbar werden, da verschiedene Faktoren, wie beispielsweise die wirtschaftliche Dynamik einer Stadt, Wanderungsbewegungen oder aber auch Sozial- und Bildungspolitik einen positiven Einfluss ausüben können. So sind meist erneut die armen wirtschaftsschwachen Regionen die Verlierer, welche mit Bevölkerungsabnahmen zu kämpfen haben. Denn erst ein negativer Saldo aus Zu- und Fortzügen, einhergehend mit einem negativen Saldo aus Geburten- und Sterbefällen, führt zu einer spürbar schrumpfenden sowie alternden Stadtbevölkerung.

2.2.2 Verlagerungsprozesse bedingt durch Veränderungen

Ob eine Stadt wächst oder schrumpft und ob sie prosperiert, hängt wie bereits aus Vorangegangenem hervorgehend, nicht nur von der natürlichen Bevölkerungsentwicklung ab, sondern wird ebenso von externen Faktoren beeinflusst. So ist es im Jahrhundert der Globalisierung, in welchem es Normalität ist, Produktionsstätten und Dienstleistungen aufgrund der weltweiten Vernetzung von Wirtschaftszweigen auslagern zu können und gegebenenfalls an einem völlig anderen Standort, oftmals über Grenzen hinweg, neu anzusiedeln, für eine Stadt nicht einfach, attraktiv zu bleiben. Ob sie dabei als Gewinner oder Verlierer aus dem immer stärker werdenden postindustriellen, internationalen Konkurrenzkampf um Einwohner, Unternehmen sowie Standortqualität hervorgeht, hängt meist zu einem großen Teil von den angewandten Strategien und Konzepten im Bereich der Sozial-, Familien- und Wirtschaftspolitik ab. Denn ein attraktives Angebot schafft unter anderem Arbeitsplätze, welche wiederum die Zuwanderung von Menschen bedingen und unterstützen. Im Gegensatz hierzu kann Abwanderung oftmals als Reaktion auf bestehende Defizite festgestellt werden, welche somit Schrumpfungstendenzen fördern können.

Migration ist also stark von dem Wunsch nach einer Verbesserung der Lebenssituation abhängig, welcher weltweit in unterschiedlichem Ausmaß besteht und bei Verwirklichung zu Umschichtungen und Polarisierungen auf lokaler, regionaler wie auch globaler Ebene führen kann. Weichen stellend für die Wahrscheinlichkeit einer realen Wanderung eines bis dato nur potenziellen Migranten ist jedoch in den meisten Fällen erst eine lohnenswerte Perspektive in einem anderen Land, den im Heimatland vorherrschenden negativen Rahmenbedingungen zu entfliehen. Im Konkreten bedeutet dies, dass sowohl Pushfaktoren (wie beispielsweise geringer Verdienst, Arbeitslosigkeit, politische Verfolgung oder auch ökologische Bedrohung) als auch Pullfaktoren (z.B. guter Arbeitsmarkt oder sichere politische Existenz), welche den möglichen Zielort ausmachen, einen Anreiz sowie eine Motivation bieten, das Risiko einer Migration einzugehen. Beschleunigt werden kann dieses Unterfangen des Weiteren durch für den Einzelnen angemessene sowie tragbare technische und soziale Kosten, welche die Erfolgsaussichten nicht mindern (Fassmann 2006, 99).

Ob eine Wanderung schlussendlich tatsächlich stattfindet, ist nicht nur von den individuellen entschlussbildenden Faktoren abhängig, sondern ebenso von den rechtlichen und technischen Bedingungen, auch in Bezug auf den Umgang mit Migranten in der Zielregion, welche sich global gesehen unterschiedlich darstellen.

So können sich beispielsweise EU-Bürger innerhalb der Europäischen Union bezüglich ihres Wohnorts weitestgehend frei bewegen, wohingegen sich Asylbewerber einem ausgesprochen aufwendigem Verfahren unterziehen müssen, in welchem ihr Status geprüft und ihre Wandermotive untersucht werden. Da jedoch die wenigsten im Sinne der rechtlich zugrunde liegenden Genfer Flüchtlingskonvention, welche bereits aus dem Jahr 1951 stammt (Internetauftritt der UNHCR-Vertretung für Deutschland und Österreich 2012), einen Status als politischer Flüchtling geltend machen können, werden sie, bei nicht sofortiger Abschiebung, nur zunächst geduldet und verweilen in unliebsamer Unsicherheit an dem Wunschzielort, anstatt ein „neues“ Leben beginnen zu können. Daneben finden Migranten, welche ihre Wanderung aus arbeitspolitischen Gründen vollziehen, jedoch mitunter als gewinnversprechenden Faktor Akzeptanz und werden gegebenenfalls vom jeweiligen Land sogar angeworben (Fassmann 2006, 99).

Ebenso können die so genannten technischen Möglichkeiten – neben den individuellen und rechtlichen – Ausschlag gebend für das reibungsfreie Gelingen des Unterfangens sein. Sie beinhalten die Methode der Grenzüberschreitung und Wanderung, sowohl aus politischer als auch Migrantensicht. Beispielhaft bildete der „Eiserne Vorhang“ zwischen West- und Osteuropa (1945-1989) eine starke, auch bauliche Barriere und unterband somit die Möglichkeit des freien Wechsels des Wohnsitzes (Fassmann 2006, 99). Auch heute noch werden bauliche Barrieren angewandt, um die Zahl der illegalen Einwanderer zu senken, wie es beispielhaft zwischen Mexiko und den USA der Fall ist (Focus Online 2009).

Generell kann gesagt werden, dass das Ausmaß bezogen auf die Quantität an Wanderungsprozessen in den vergangenen Jahrzehnten erkennbar zugenommen hat, da das Migrieren durch den fortschreitenden Stand der Technik und die Einführung des heutigen Massenverkehrsmittels Flugzeug erleichtert wird, wobei dennoch anzumerken bleibt, dass sich weltweit die meisten Bewegungen um das Ausgangsland herum, in Nachbarländer, vollziehen. Wenn größere Distanzen über Kontinente hinweg auf sich genommen werden, dann größtenteils nur in die wohlhabenden Staaten (z.B. USA, Großbritannien, Singapur, Vereinigte Arabische Emirate) (Fassmann 2006, 99).

Bezogen auf von Letzterem betroffene Personengruppen kann gesagt werden, dass es nicht die Armen und Ungebildeten sind, welche solch eine weitreichende Wanderung vollziehen, sondern insbesondere jene, welche die finanziellen Mittel aufbringen können, oftmals über ethnische oder familiäre Verbindungen in die Zielregion verfügen und bei welchen der Anreiz auf Verbesserung ihrer Situation dem des Heimatgefühls überwiegt (Angenendt 2009b).

Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten vollziehen eher Binnenwanderungen hin zu Metropolen. Somit lassen sich grade in Großstädten mit unterschiedlichen, wachsenden und prosperierenden Dienstleistungssektoren aufgrund der großen Anzahl an Arbeitsplätzen in verschiedenen Bereichen, die meisten Immigranten unterschiedlichster Schichten, mit sowohl hoher als auch geringer beruflicher Qualifikation, finden. Besonders betroffen sind hiervon jedoch Metropolen in Ländern der Dritten Welt, in welchen die Anonymität des Großstadtlebens sowie das Nichtvorhandensein sozialer Kontrolle ein weitestgehend reibungsfreies Untertauchen, gegebenenfalls auch ohne Aufenthaltsgenehmigung, ermöglicht (Fassmann 2006, 99). Im Zuge dessen erfolgt auch die Ergänzung der Bestimmung des Begriffs „Wanderung“ durch neue Wanderungsformen, wie beispielsweise Pendlerwanderungen oder „zirkuläre“ Migration, durch welche der Aufenthalt in einer bestimmten Region befristet ist und somit ein Austausch des Fortschritts bei Rückkehr ermöglicht wird (Angenendt 2009a).

Diese aktuell allgegenwärtigen arbeitsbedingten Wanderungen sind jedoch keine Neuerscheinung der heutigen Zeit, sondern waren bereits im Zeitalter der Industrialisierung, wenn auch nicht in diesem globalen Ausmaß, gegenwärtig und Bestandteil der Arbeitsbewegung.

Während sich die Wanderungsrichtung in der Industrialisierungsphase vor allem in den hoch entwickelten Ländern weitestgehend zu den Städten hin vollzog (Urbanisierung) und zu raschem Stadtwachstum führte, kam es, bedingt durch zunehmenden technischen Fortschritt, steigenden Wohlstand und voranschreitende Motorisierung der (arbeitenden) Bevölkerung, insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert, zu entgegengesetzten Suburbanisierung sprozessen (Hesse 2006, 97).

Hierunter ist die Ausdehnung der Kernstadt ins Umland zu verstehen, welche aus der Abwanderung von Stadtbevölkerungsteilen sowie der Standortverlagerung von Industrie, Gewerbe, Handel sowie Freizeit aus dem Stadtzentrum hinaus, in das städtische Umland, resultiert. Vorausgesetzt wird hierbei die Tatsache, dass die Gesamtbevölkerung bzw. die Anzahl der Beschäftigten der gesamten Stadtregion ansteigt (Hesse 2006, 97).

Während diese Definition das idealtypische Bild einer wachsenden Stadt widerspiegelt, stellt sich die Realität aufgrund stagnierender oder sogar abnehmender Bevölkerungszahlen heute oftmals anders dar. Bedingt durch die Dekonzentration der Bevölkerung und der damit einhergehenden Zersiedelung des urbanen Raums, kommt es häufig zu auftretenden Problemen für die betroffenen Gemeinden. Diese zeichnen sich beispielsweise in Form von erhöhten Erstellungs- und Unterhaltungskosten für Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, erhöhtem Verkehrsaufkommen oder auch zunehmendem Flächenverbrauch ab. Im Laufe der Zeit veränderte Lebensvorstellungen, einhergehend mit dem Wunsch, im „Grünen“ zu leben und ein Eigenheim zu besitzen, sowie dem gesteigerten Platzbedarf pro Einwohner, fördern diese Entwicklungen, welche durch meist niedrigere Bodenpreise im urbanen Umland verstärkt werden. Somit können diese Standortverlagerungen unter Umständen zur Schrumpfung und zum Funktionsverlust der Kernstadt sowie schlechtesten Falls sogar zum Leerlaufen dieser beitragen (Hesse 2006, 97).

Ebenso wie sich die Wertvorstellungen und Bedürfnisse veränderten, so erfolgte auch im Laufe des Entwicklungsprozesses ein Wandel der wirtschaftlichen Strukturen, von der landwirtschaftlichen und später industriellen Produktion, hin zu einer gesteigerten informations- und wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft. Diese ist wenig standortgebunden und kann sich durch den Globalisierungsprozess weltweit verbreiten. Anzumerken bliebt jedoch, dass die Verschiebung in den Strukturen und die damit zusammenhängende Neoliberalisierung nicht gänzlich reibungsfrei verlaufen und in der Vergangenheit in den meisten Fällen mit politischen, wirtschaftlichen oder auch sozialen Krisen einhergingen, welche letztendlich auch Auswirkungen auf die Besiedelungsstruktur hatten. So kam es nicht selten zum Niedergang einer einstmals florierenden Stadt/Region, welche durch industrielles Wachstum geprägt wurde (z.B. Ruhrgebiet), wohingegen andere aufgrund von Tertiärisierung aufstiegen. Diese stellt – in gewissem Sinne als neue „urbane Zone“ – bedingt auch durch vormals rein ergänzende Faktoren wie beispielsweise Tourismus oder Technologien, aufgrund nun veränderter Rahmenbedingungen einen neuen potenziellen Wachstumspol dar (Hesse 2006, 97).

In einen globalen Kontext eingebettet, kann diesbezüglich gesagt werden, dass diese wirtschaftliche Transformation als Kennzeichen der Moderne, wieder zunächst in den fortschrittlichen Industrieländern zu Tage trat und dort, den Prozess mit sich bringende Begleiterscheinungen, wie beispielsweise durch Stellenabbau im Primär- wie auch Sekundärsektor bedingte Schrumpfungen, spürbar wurden (Müller 2006, 123).

Bereits in den 1950er Jahren waren Begriffe wie „Urban decline“ und „Urban decay“ für die Beschreibung der aufgrund des Niedergangs der Altindustrie schrumpfenden Städte, vor allem in Nordengland (z.B. Manchester und Liverpool) und den USA (z.B. Detroit und Pittsburgh) gebräuchlich (Kühn und Liebmann 2009, 13). Auch in Deutschland waren vor der Wende insbesondere die altindustriellen Regionen der alten Länder sowie, nach der Wiedervereinigung, zusätzlich die Städte der neuen Bundesländer massiv betroffen, wo Arbeitsplatzabbau in Verbindung mit einer hohen Mobilität der jungen Bevölkerung zu starken Abwanderungsbewegungen und somit zu Überalterung und sozialer Erosion führten (Internetplattform der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost 2006).

Als allgemein qualitativ feststellbare Merkmale der aus dem strukturellen Wandel hervorgehenden „Verlierer-Städte bzw. -regionen“, können somit oftmals Betriebsstillegungen von Monostrukturen, Brachflächen mit Altlastproblemen, ein geringes Potenzial innovativer und zukunftsfähiger Branchen, Imageprobleme sowie das Vorhandensein einer hohen Anzahl an Einwohnern, welche aufgrund fehlender Qualifikationen dem „neuen“ Arbeitsmarkt nicht gerecht werden können und in eine langfristige Arbeitslosigkeit eintreten, genannt werden (Maier und Beck 2000, 124). Aus arbeitsmarkt- und finanzpolitischer Perspektive lässt sich jedoch im Konkreten die wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt quantitativ vorrangig an den Indikatoren Arbeitsplatzangebot, Arbeitslosenzahlen sowie Bruttowertschöpfung festmachen (Lang 2003). Oftmals gehen mit den ökonomischen Problemen auch die bereits beschriebenen Prozesse der Suburbanisierung und der demografischen Entwicklung einher, die mit sinkenden Geburtenraten zusätzlich zur urbanen Schrumpfung beitragen und zukünftig eine zentrale Rolle spielen werden (Internetplattform der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost 2006).

Neben oben genannten ökonomischen sowie demografischen Ursachen urbaner Schrumpfung können ebenfalls politische Umbrüche angeführt werden, welche sich abrupt auf die Stadtentwicklung auswirken können und somit neue Bedingungen für Wirtschaft, Sozialwesen sowie Ideologie schaffen und eine grundlegende Veränderung herbeiführen (Oswalt und Rieniets 2006, 109). Als Beispiel können hier der Niedergang der UdSSR und der DDR genannt werden, durch welche – quasi über Nacht – das politische wie auch marktwirtschaftliche System zusammenbrach und schwerwiegende negative Folgen für den Arbeitsmarkt sowie die Bevölkerungsentwicklung resultierten (Laursen 2008, 73).

2.2.3 Sonstige Ursachen

Bewaffnete Konflikte, Kriege und Verfolgung

Kriege und bewaffnete Konflikte stellen in der Vergangenheit wie auch heute ein im Laufe der Zeit immer wieder auftretendes globales Problem dar. Durch sie werden meist eine große Anzahl von Menschen in Bewegung gesetzt, Menschenleben gefordert sowie ganze Städte und Dörfer zerstört. Allein im 20. Jahrhundert fielen ihnen ca. 110 Millionen Menschen zum Opfer, wobei eine Vielzahl der zweite Weltkrieg (1939-1945) durch massive Bombardierungen forderte. Diese Angriffe galten überwiegend Großstädten, da sie als Zentren der Produktion und Verwaltung als Machtsitze symbolisch Zerstörung finden sollten und somit Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen waren.

Auch zu Beginn des 21. Jahrhundert bestehen Kriegshandlungen und auch Völkermorde und ethnische Verfolgungen in Teilen der Welt fort. Beispielsweise sind hier der Irakkrieg (2003-2010) oder aber auch Bürgerkriege in Libyen und in Regionen Afrikas, wie Sudan oder Somalia zu nennen. Folge sind flüchtende Stadtbewohner und damit einhergehende leerlaufende und zerstörte Stadtgebiete. In Zahlen ausgedrückt sind es jährlich ca. 15 Millionen Menschen, welche aufgrund von Krieg, Rassismus, politischer oder religiöser Verfolgung aus ihrer Heimat fliehen (Oswalt und Rieniets 2006, 93). Das sich hieraus ergebende Ausmaß an Schaden und Verlust ist, abgesehen von menschlichen Tragödien, im weitesten Sinne zwar auch immer von der Dauer der Kriegshandlungen bzw. der Spannungen abhängig, jedoch nicht unbedingt für das Überleben der Stadt entscheidend. Vielmehr sind unter anderem Faktoren wie politische bzw. militärische Konfliktdynamik, Anpassungsfähigkeit und Reversibilität bezüglich der einwirkenden Kräfte sowie soziale und ökonomische Verflechtungen weichenstellend. So ist es bei guten Voraussetzungen durchaus möglich, eine Schrumpfung zwar vorläufig hinnehmen zu müssen, jedoch nach Beendung des Konflikts einen erneuten Wachstumsschub zu erreichen und Stadtbewohner zu gewinnen. In den meisten Fällen war und ist der Bevölkerungsverlust auch heute noch ein temporärer Sachverhalt, welcher durch die Rückkehr der Flüchtenden wieder ausgeglichen wird. Entstandene enorme Schäden sind wieder aufgebaut worden. Generell kann gesagt werden, dass kriegerische Handlungen meist die Städte veränderten und nicht vernichteten (Shaw 2006, 53).

Krankheiten

Vor allem dort, wo die Bevölkerungsdichte besonders hoch ist und Menschen in nächster Umgebung zusammenleben, kam und kommt es seit Jahrhunderten leicht zu Epidemien oder Seuchenausbrüchen, welche innerhalb kürzester Zeit Ausbreitung finden. Grund hierfür sind neben grundsätzlichen hygienischen Mängeln besonders die alltäglichen, hohen Kontaktzahlen der Bevölkerung und die damit einhergehenden geringen Distanzen, welche Krankheitserreger zurücklegen müssen. Auch die zunehmende Mobilität der Menschen über Ländergrenzen und Kontinente hinweg erleichtern den Erregern die Ausbreitung. So gab es in der Vergangenheit zahlreiche Epidemien, welche eine Großzahl an Menschenleben forderten und allen voran die Stadtbevölkerung drastisch dezimierten (Krüger 2006, 59).

Als schlimmste und todbringendste Epidemien der Menschheitsgeschichte können vor allem Pocken, (Spanische) Grippe, Pest, Malaria, Tuberkulose, Cholera, AIDS, Gelbfieber, Typhus sowie Kinderlähmung genannt werden. So fielen, um nur ein Beispiel zu nennen, allein zwischen den Jahren 1346 und 1352 durch den Ausbruch der Pest fast ein Drittel der europäischen Bevölkerung (25 Millionen Menschen) dem „Schwarzen Tod“ zum Opfer (Internetplattform der Bild Digital GmbH und Co. KG 2012).

Auch wenn im Laufe der Zeit mit zunehmend moderner werdenden Forschungsmethoden und Techniken gegen einige dieser Krankheiten Schutzmöglichkeiten entdeckt und die Gefahr größtenteils gebannt sowie die Betroffenenzahlen, vor allem in Industrieländern, drastisch verringert werden konnten, finden dennoch nach wie vor, insbesondere in Entwicklungsländern, zahlreiche Menschen durch Seuchen und Krankheiten, wie beispielsweise AIDS, den Tod. Hierbei bleibt jedoch anzumerken, dass bei Betrachtung der Auswirkungen auf das Stadtgefüge als solches, in Bezug gestellt mit der Stadtschrumpfungsthematik, diese oft durchaus hohe Anzahl an Todesfällen für die Städte keine große Bedeutung hat und urbane Schrumpfung kaum bis nicht festgestellt werden kann. Grund hierfür stellt die Tatsache dar, dass durch Zuzüge und höhere Geburtenraten, welche meist weit über jenen der Sterblichkeit liegen, weiterhin ein Bevölkerungswachstum stattfindet und somit eine zahlenmäßige Auswirkung kaum spürbar ist (Krüger 2006, 59).

Natur- und Umweltkatastrophen

Das Auftreten von Naturkatastrophen ist sowohl eine Erscheinung der Gegenwart als auch der Vergangenheit, wobei der Oberbegriff für vielerlei Ereignisse verwendet werden kann. So fallen beispielsweise Erdbeben, Überschwemmungen, Wirbelstürme, lang anhaltende Dürrephasen wie aber auch Großfeuer und große Epidemien darunter. Als eines der jüngsten Ereignisse mit verheerendem Ausmaß kann beispielhaft das Beben im Jahr 2011 vor Japan angeführt werden, welches einen Tsunami auslöste, der ganze Dörfer und Städte entlang der Küste mit sich riss, sowie einen Gau im Atomkraftwerk in Fukushima auslöste. Diese Katastrophe, welche über 19.300 Tote und zahlreiche Vermisste hinterließ, gilt als schwerste Umweltkatastrophe seit Tschernobyl (Spiegel Online 2012b). Die Sperrzone umfasst einen Radius von über 30 km um das Atomkraftwerk, Empfehlungen gingen weit darüber hinaus (80 km). Dies hätte als Konsequenz für eine der dicht besiedeltsten Regionen der Erde eine Aufgabe der Wohnstätten von insgesamt etwa 2 Millionen Menschen bedeutet, wurde jedoch aufgrund der auftretenden logistischen Probleme nicht durchgeführt (Spiegel Online 2011).

Generell kann bezüglich Naturkatastrophen jedoch gesagt werden, dass die Anzahl der Opfer in ärmeren Ländern tendenziell, aufgrund der rückständigen technischen Voraussetzungen, höher ausfällt als in Industrieländern. Dies zeigt auf, dass die auftretenden Auswirkungen eines solchen Extremereignisses, wie die Anzahl an Toten und Verletzten oder die Größe materieller Schäden nicht gänzlich nur von der physischen Kraft des Naturereignisses abhängig sind, sondern die Folgen jeweils von dem Bewusstsein, der frühzeitigen Gefahrerkennung, dem menschliche Handeln, sowie durch den präventiven Umgang mit der Gefahr und dem Risiko beeinflusst werden (De Swaaf 2011).

Betreffend der Bedeutung einer verheerenden Naturkatastrophe für eine Stadt und der darauffolgenden Entwicklung, kann gesagt werden, dass grundsätzlich in Katastrophen, die einen hohen Bevölkerungsverlust nach sich ziehen und in jene, welche vor allem materielle Zerstörung (wie z.B. in New Orleans 2005, vgl. Spiegel Online 2005) hervorrufen, unterschieden werden muss. Auffallend allerdings ist, dass unabhängig vom Ausmaß an Schäden, der Standort der betroffenen Städte in der Vergangenheit meist derselbe geblieben ist. Zu einer Verlagerung kommt es nur selten, meist bei Veränderung der Rahmenbedingungen (z.B. politischer Wille). Im Hinblick auf die städtische Entwicklung muss eine Naturkatastrophe somit nicht unbedingt nur nachteilig sein, sondern kann sogar Chancen bieten und Potenziale freilegen. In der Wiederaufbauphase zerstörter Stadtteile werden oftmals bereits lange diskutierte Strukturentscheidungen getroffen und ruhende „Energien“, mit dem Ziel Normalität zu schaffen, aktiviert. So kommt es für eine Stadt zu einer partiellen Modernisierung, meist unter Beibehalt der alten Grobstrukturen, welche den Weg des städtischen Lebens ebnet und gegebenenfalls Entwicklungsrückstände aufholen lässt (Schott 2006, 55).

Naturkatastrophen werden auch zukünftig ein wenig beeinflussbarer ständiger Begleiter der menschlichen Zivilisation bleiben und bedingt durch den Klimawandel Prognosen zu Folge möglicherweise zunehmend auftreten (Internetauftritt der Bundeszentrale für politische Bildung 2008). Wie mit der Gefahr umgegangen wird, bleibt dabei Entscheidung der jeweiligen Nationen, jedoch kann die Situation durch beispielsweise hohe CO2-Ausstöße vom Menschen verschärfend beeinflusst werden. Tatsache jedoch ist, dass durch die anthropogene Ausbeutung, einhergehend mit globaler Erwärmung, unter anderem Desertifikation, Wasserknappheit, bedingt durch lang andauernde Dürrephasen, sowie das Ansteigen des Meeresspiegels und die langsame Erschöpfung fossiler Bodenschätze zu verzeichnen sind. Wissenschaftler gehen davon aus, dass im Jahr 2025, unter der Voraussetzung eines weiterhin konstanten Wasserverbrauchs, für mindestens achtundvierzig Prozent der weltweiten Bevölkerung keine ausreichende Süßwasserversorgung gewährleistet werden kann (Oswalt und Rieniets 2006, 71). Ebenso in ihrer Existenz gefährdet werden daneben einzelne Wirtschaftsbereiche sein, deren Produktion auf dem Vorhandensein fossiler Energien, wie beispielsweise Erdöl, basiert (Oswalt und Rieniets 2006, 73). Bezogen auf die städtische Entwicklung kann gesagt werden, dass diese zwei Faktoren ebenfalls als Grundvoraussetzung für urbanes Bestehen und gegebenenfalls Wachstum dienen und sogar über den Niedergang entscheiden können, da sie bei nicht ausreichendem Vorhandensein zu Abwanderung und somit Schrumpfungsprozessen führen. Wie viele „Umwelt- bzw. Klimaflüchtlinge“ sich jedoch tatsächlich daraus ergeben und welche Regionen in Folge dessen schrumpfen könnten, bleibt weitestgehend unerforscht und umstritten (Bojanowski 2011).

Anders als Naturkatastrophen werden Umweltverschmutzungen, wie beispielsweise Gas- und Chemieunglücke, Explosionen oder Atomunfälle, welche in Katastrophen ausufern können, durch anthropogenes Handeln hervorgerufen. Vom Menschen verursachte Belastungen in Form von Schadstoffen, lassen sich in Luft, Boden und Wasser messen und zahlenmäßig erfassen. Ein besonders hoher Anteil solcher Stoffe wird insbesondere in der Landwirtschaft und industriellen Produktion (z.B. Methan oder radioaktive Substanzen), dem Verkehrswesen (z.B. CO2) sowie privaten Haushalten, als Konsumenten schwer recyclebarer Produkte, erzeugt und stellt ein zunehmendes Problem dar. Der Überschuss an gesundheitsgefährdenden Schadstoffen wird vor allem beispielhaft an den „Dunstglocken“ (Smog) über urbanen Verdichtungsräumen sichtbar, welche des Weiteren aufgrund des hohen Anteils an Flächenversiegelung und Bodenverdichtung, Verkehrs- sowie Industrieemissionen (z.B. von Energiegewinnungsanlagen) das natürliche Potenzial zum Abbau von Schadstoffen zusätzlich einschränken. Somit gelten urbane Strukturen als besonderer Katalysator von Umweltverschmutzung (Lauinger 2006, 57).

Waren seit Beginn der Industrialisierungsphase zunächst vor allem Industrienationen betroffen, so sind es gegenwärtig, im Zeitalter der Globalisierung, insbesondere die Entwicklungs- und Schwellenländer, deren Stadtbevölkerung, bedingt durch verstärkte Ansiedlung industrieller Produktionsstätten, mit verschmutztem Grund- und Oberflächenwasser, kontaminierten Böden und Luftverschmutzung zu kämpfen haben. Als eine der weltweit schwerwiegendsten Umweltkatastrophen ist, neben der zuvor bereits erwähnten in Japan, beispielhaft das Chemie-Unglück in einem US-Konzern im Jahr 1984 in Bhopal (Indien) zu nennen, bei dem durch entweichende giftige Stoffe 8.000 Menschen ums Leben kamen und ca. 520.000 Menschen an Folgeschäden leiden (Lauinger 2006, 57). Durch die Verlagerung der Industrieproduktion in wirtschaftlichen Vorteil bringende Länder sind es überwiegend die Armen (z.B. Slumbewohner), welche unter den Auswirkungen der „alltäglichen“ Umweltverschmutzungen zu leiden haben und ihnen zum Opfer fallen. Hierbei bleibt jedoch anzumerken, dass, analog zu den Auswirkungen von Krankheiten, die Zahlen der an den Folgen sterbenden Menschen für die Stadt meist keinerlei Bedeutung in Bezug auf erkennbare Schrumpfungsprozesse haben, da die Wachstumsdynamik oftmals diejenige der Schrumpfung überwiegt (Krüger 2006, 59). Spürbare Auswirkungen für eine Stadt treten oftmals erst durch große punktuelle Natur- bzw. Umweltkatastrophen wie in Fukushima zu Tage.

2.3 Folgen und Auswirkungen der Stadtschrumpfung

Aus der Ursachenbetrachtung geht hervor, dass Stadtschrumpfung ein Phänomen ist, welches mannigfaltige Ursachen haben kann, sich lokal verschieden ausprägt, aber dennoch grundlegend auf zwei sich deutlich abzeichnenden Prozessen beruht. Zum einen dem Verlust an Einwohnern sowie zum anderen dem Nachlassen wirtschaftlicher Dynamik.

Diese zwei Komponenten bringen wiederum in Abhängigkeit stehende Folgeprozesse mit sich, welche in vielerlei Bereiche und auf unterschiedlichste Ebenen ausstrahlen können. Im Groben können hier beispielsweise das Wohnungswesen, der Städtebau und die Flächennutzung, das städtische Versorgungsnetz sowie die Infrastruktur, der kommunale Haushalt, die Umwelt oder aber auch die Sozialstruktur der Stadtgesellschaft als solche genannt werden. Somit sind alle Bereiche der Stadtentwicklung betroffen, welche sowohl quantitative als auch qualitative Veränderungen erfahren, wobei das Ausmaß von Intensität sowie Dauer der zwei Komponenten abhängig ist (Lang und Tenz 2003); je länger und ausgeprägter diese Prozesse anhalten, desto schwerwiegender stellen sich in der Regel die überwiegend negativen raumstrukturellen, sozialen, ökonomischen und unter Umständen auch ökologischen Folgen dar.

Insbesondere durch die Wohn- und Gewerbesuburbanisierung und die einhergehende veränderte bzw. teilweise zurückgehende Nachfrage im Bereich des städtischen Wohnungsmarktes, kommt es nicht selten, bedingt durch eine abnehmende Anzahl der Haushalte, zu Leerstands- und Brachflächenproblemen im Kern- und Innenstadtbereich. Ebenso können diese Verlagerungsprozesse eine Zunahme sozialräumlicher Segregation zwischen Kernstadt und Umland bewirken, da oftmals finanzstärkere Haushalte tendenziell in suburbane Bereiche ziehen, während finanziell schwache Einwohner in der Innenstadt zurück- und somit unter sich bleiben. Verstärkt wird dieser Prozess durch eine zugrunde liegende negative natürliche Bevölkerungsentwicklung, einen negativen Migrationssaldo sowie mit dem Trend gehende Auslagerungen städtischer Funktionen ins Umland. Somit kann bezogen auf die Stadtstruktur und den städtebaulichen Bestand unter Umständen hiermit ebenfalls eine generelle Abnahme der nutzungsspezifischen Dichte wie auch physische Schrumpfung des Stadtgefüges einhergehen (Lang und Tenz 2003).

Ein sich daraus parallel ergebendes und in Abhängigkeit stehendes zentrales Problem schrumpfender Städte stellt das wachsende zunehmende Missverhältnis zwischen Bewohnern und zu unterhaltender (technischer) Infrastruktureinrichtungen dar. Überdimensionierte Infrastrukturen zeichnen sich als Ergebnis sich entleerender Zentren im Innenbereich ab, wohingegen im Umland mitunter Neuerschließungen und Flächenversiegelungen zunehmen können. Bei sinkenden Bevölkerungszahlen wären rechnerisch weniger Kapazitäten zur Versorgung mit Wasser und zur Entsorgung von Müll und Abwasser notwendig, jedoch müssen vorhandene Strukturen zunächst unterhalten und finanziert werden. Insbesondere im Bereich der Verkehrserschließung sind bestehende Straßen in den überwiegenden Fällen notwendig und können nicht ohne weiteres zurückgebaut werden. Während Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs bis zu einem gewissen Grad unproblematischer an die sinkende Nachfrage angepasst werden können, sind bauliche Verkehrsinfrastrukturen zumindest mittelfristig zunächst vorhanden und müssen in Bezug auf Wartung und Erhaltung von immer weniger Nutzern finanziert werden. Resultat sind erhöhte finanzielle Belastungen für betreibende Institutionen, welche im Regelfall in der Folge auch durch steigende Gebühren und Beiträge an die Nutzer weiter gegeben werden müssen. Diese Situation entsteht vielerorts auch dadurch, dass in vielen Fällen die ebenfalls geringere Finanzkraft, bedingt durch weniger Einkommens- und Gewerbesteuern, der Stadt bzw. Gemeinde ein einseitiges Stemmen der Mehrkosten zunehmend unmöglich macht (Hollander et al. 2009, 230).

Ebenso können unter Umständen gesundheitliche Risiken bzw. hygienische und geruchliche Beeinträchtigungen entstehen, da aufgrund geringerer Nachfrage Frischwasser länger in den Leitungen verbleibt, was in der Folge die Wahrscheinlichkeit einer Keimbildung erhöht. Gleiches gilt für das Abwasser, welches durch zu geringe Fließgeschwindigkeiten bereits auf dem Weg zur Kläranlage zu faulen beginnt und nicht schnell genug beseitigt werden kann (Hollander et al. 2009, 230).

Auch im Bereich der sozialen Infrastruktur wie beispielsweise Kindergärten oder Schulen kann es schrumpfungsbedingt zu quantitativen Bedarfsveränderungen kommen, welche vermehrt einzelne Einrichtungen in Frage stellen. Im Falle einer tatsächlichen Schließung sozialer Infrastruktureinrichtungen aufgrund mangelnder Nachfrage wird dadurch in der Regel eine Minderung der lokalen Standortqualität bewirkt, welche in gleichem Maße auch die Attraktivität als Wohnstandort für potenzielle Zuzüge einschränkt (Lang 2002).

Des Weiteren kommt es durch die niedrigeren Verbraucherzahlen theoretisch zu einer tendenziell geringeren Inanspruchnahme von Umweltgütern, wie beispielsweise Energieverbrauch oder auch Wasser. Was auf den ersten Blick den Eindruck einer positiven Folge von Stadtschrumpfung für die Umwelt erweckt, ist jedoch bei näherer Betrachtung des Gesamtkontextes eher als negativ zu sehen, da zwar der Verbrauch im Stadtkern bzw. Innenstadtbereich abnimmt, jedoch außerhalb dessen häufig verstärkt auftritt. Denn neben der ebenso weiterhin bestehenden Notwendigkeit der Beheizung teilweise leer stehender Gebäude, kommt es aufgrund der Gewerbe- und Wohnsuburbanisierung und der dadurch entstehenden Zersiedelung zu sogar erhöhtem Ressourcen-, Energie- sowie Flächenverbrauch (Giebler 2008, 10). Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auch der zunehmende motorisierte Individualverkehr zu nennen, welcher sich durch die zunehmenden Pendelverkehre zwischen Stadt und suburbanem Raum verstärkt (Hoelscher 2004, 4). Hieraus resultieren weitere Lärm-, Schadstoff-, CO2- und Feinstaubbelastungen.

Im Stadtkern selbst geht mit der Schrumpfung meist zusätzlich eine beträchtliche visuelle, ästhetische Beeinträchtigung des Stadtbilds einher, welches durch Leerstand, Baulücken sowie aufgrund eines durch fehlende Mieteinnahmen beförderten Instandhaltungs- und Modernisierungsstaus abgewertet wird (Lang 2002).

Die Frage, welche sozialen Auswirkungen sich tatsächlich aus den Schrumpfungsprozessen ergeben, lässt sich nicht pauschal beantworten. Während die Tatsache einer Problemlagenbildung, eines durch rückläufige Geburtenraten und steigende Lebenserwartung bedingten allgemein ansteigenden „Altersquotienten“, und einer damit zusammenhängenden allmählichen Abnahme des Erwerbspersonen-Potenzials sowie der Steuereinnahmen, weitestgehend bekannt ist, sind andere Aspekte, die beispielsweise die Lebensqualität betreffen, nicht für jede schrumpfende Stadt verallgemeiner- und von vorn herein negativierbar. Denn je nach Rahmenbedingungen kann eine Schrumpfung durchaus sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringen und muss differenziert betrachtet werden (Hilpert und Kistler 2001).

Wie diese Veränderungen wirken, hängt – ebenso wie von ökonomischen Voraussetzungen – vom individuellen Stadtprofil ab, wobei insbesondere die Faktoren Größe, Dichte und Heterogenität sowie auch maßgeblich die Attraktivität und das Image der Stadt von Bedeutung sind. Darüber hinaus entscheidet das Zusammenspiel bzw. die Kombination der Schrumpfungsbereiche – demografische, wirtschaftliche, soziokulturelle sowie physische Schrumpfung – über Ausprägung und Intensität der sich konkret vollziehenden Entwicklungen und Auswirkungen. Meist größere und weiterhin strukturstarke Regionen mit attraktivem kulturellen, sozialen oder auch Bildungsangebot und gutem Image können durchaus den Veränderungen standhalten und freigelegtes Potenzial nutzen, wohingegen andere eher einem Niedergang geweiht sind (Laursen 2008, 80).

Während ältere Literatur überwiegend davon ausgeht, dass sich ausschließlich negative Folgen für die soziale Gerechtigkeit ergeben, so existieren heute durchaus Standpunkte, in Schrumpfung keine Bedrohung der Lebensqualität – weder von Armen noch Reichen – zu sehen. Im Gegenteil kann zudem in vielen Fällen davon ausgegangen werden, dass es durch die sich vollziehenden Entwicklungen in betroffenen Städten leichter wird, erschwingliches Wohneigentum zu erwerben (Hollander et al. 2009, 230).

Mit besonders schwerwiegenden Folgen, welche sich aus Stadtschrumpfungsprozessen ergeben, haben wie schon mehrfach erwähnt ländliche struktur- und eher imagelose Regionen zu kämpfen, da dort häufig die Anreizschaffung aufgrund schlechter Rahmenbedingungen von vornherein erschwert ist und mit voranschreitendem Prozess ein Entrinnen zusehends schwieriger wird. Denn generell lässt sich feststellen, dass durch den Schrumpfungsprozess mit all seinen auslösenden Faktoren und davon abhängigen Folgewirkungen eine Art Abwärtsspirale generiert wird, in welcher sich die Teilprozesse untereinander beeinflussen und gegenseitig verstärken (Franz 2003, 4).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783842848634
Dateigröße
9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau – Architektur / Raum- und Umweltplanung / Bauingenieurswesen, Studiengang Raum- und Umweltplanung
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,0
Schlagworte
architektur stadtplanung stadtschrumpfung raumplanung stadterneuerung raum- umweltplanung
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Titel: Entwicklungslinien urbaner Schrumpfung - Gefahren, Chancen und Potenziale für die Stadt Porto/Portugal
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