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CSR in Deutschland: Kritische Diskussion zweier Initiativen zur Unternehmensverantwortung

©2011 Masterarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Zum Thema:
Die Finanz-, Banken- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre hat die kapitalistisch geprägte Welt erschüttert. Sie hat Fragen aufgeworfen, die in dieser Tragweite nie zuvor gestellt wurden, darunter das Thema der Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft. Zwar ist dieses Problem nicht neu - schon seit Jahrzehnten werden Konzepte zur Unternehmensverantwortung diskutiert -, doch hebt die Krise die Aktualität und Relevanz von verantwortlichem unternehmerischen Handeln in besonderer Weise hervor, da ein rein kurzfristig ausgerichtetes Gewinnstreben als eine ihrer Hauptursachen angesehen wird.
Konsequenterweise hat sowohl die wissenschaftliche als auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Unternehmensverantwortung im Zuge der Ursachenfindung für die Krise einen enormen Schub erfahren. Hierbei ist der Idee der Corporate Social Responsibility (CSR) als Konzeption der strategischen Ausrichtung von Unternehmen eine besondere Bedeutung beizumessen. Wird sie nämlich vollständig in die Unternehmensstrategie eingebunden, kann sie dazu führen, dass jegliches unternehmerisches Handeln per se gegenüber der Gesellschaft verantwortlich erfolgt. Dadurch hebt sie sich von anderen Konzepten ab, die zwar punktuelles soziales Engagement von Unternehmen zu fördern und unterstützen vermögen, jedoch nicht einen derart tiefgreifenden, ganzheitlichen Ansatz verfolgen.
So liegt es nahe, dass sich Politik und Wirtschaft in die gesellschaftliche Debatte mit Initiativen einbringen, welche die aktive Ausgestaltung von Unternehmensverantwortung fördern und anerkennen sollen. Zwei dieser Initiativen werden in der vorliegenden Arbeit vor dem Hintergrund des CSR-Ansatzes diskutiert und beurteilt. Dabei handelt es sich einerseits um das im Herbst 2010 veröffentlichte und von mittlerweile rund 40 deutschen Unternehmen ratifizierte ‘Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft’ und andererseits die zur selben Zeit von der Bundesregierung vorgestellte ‘Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Aktionsplan CSR)’.
Aufbau der Arbeit:
Kapitel 2 verfolgt das Ziel, den Begriff CSR mittels einer umfangreichen Literaturanalyse möglichst präzise zu erfassen. Hierzu wird vorab der Begriff der Verantwortung (und weiterführend der Unternehmensverantwortung) definiert. Darauf aufbauend wird erklärt, warum und inwiefern verantwortliches unternehmerisches Handeln ein tiefgreifendes […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Zum Thema
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Corporate Social Responsibility (CSR)
2.1 Zur Relevanz von Unternehmensverantwortung
2.2 CSR als Fundament des strategischen Managements
2.3 Aktionsfelder von CSR
2.3.1 „People“ – Soziale Verantwortung
2.3.2 „Planet“ – Ökologische Verantwortung
2.3.3 „Profit“ – Ökonomische Verantwortung

3 Diskussion von zwei aktuellen Initiativen zu CSR
3.1 „Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft“
3.1.1 Hintergründe zum Leitbild
3.1.2 Inhalte des Leitbilds
3.1.3 Das Leitbild aus der Perspektive der beteiligten Unternehmen
3.1.4 Die gesellschaftliche Perspektive des Leitbilds
3.1.5 Resümee der Analyse des Leitbilds
3.2 „Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Aktionsplan CSR)“
3.2.1 Hintergründe zum Aktionsplan
3.2.2 Inhalte des Aktionsplans
3.2.3 Der Aktionsplan aus der Perspektive der Wirtschaft
3.2.4 Die gesellschaftliche Perspektive des Aktionsplans
3.2.5 Resümee der Analyse des Aktionsplans

4 Bewertung der Initiativen
4.1 Kriterien zur strukturellen Einordnung von CSR-Initiativen
4.2 Vergleich von Leitbild und Aktionsplan
4.3 Fazit
4.4 Abschließende Empfehlung

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang

Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft

Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Aktionsplan CSR)

NACH DRUCKVORLAGE: SILBENTRENNUNG und Ligaturen!. Ebenda bei gleichlautenden Autoren. Bei Aktualisierung des IV Überschriften checken!

1 Einleitung

1.1 Zum Thema

Die Finanz-, Banken- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre hat die kapitalistisch geprägte Welt erschüttert. Sie hat Fragen aufgeworfen, die in dieser Tragweite nie zuvor gestellt wurden, darunter das Thema der Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft.[1] Zwar ist dieses Problem nicht neu – schon seit Jahrzehnten werden Konzepte zur Unternehmensverantwortung diskutiert[2] –, doch hebt die Krise die Aktualität und Relevanz von verantwortlichem unternehmerischen Handeln in besonderer Weise hervor, da ein rein kurzfristig ausgerichtetes Gewinnstreben als eine ihrer Hauptursachen angesehen wird.[3]

Konsequenterweise hat sowohl die wissenschaftliche als auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Unternehmensverantwortung im Zuge der Ursachenfindung für die Krise einen enormen Schub erfahren. Hierbei ist der Idee der Corporate Social Responsibility (CSR) als Konzeption der strategischen Ausrichtung von Unternehmen eine besondere Bedeutung beizumessen. Wird sie nämlich vollständig in die Unternehmensstrategie eingebunden, kann sie dazu führen, dass jegliches unternehmerisches Handeln per se gegenüber der Gesellschaft verantwortlich erfolgt. Dadurch hebt sie sich von anderen Konzepten ab, die zwar punktuelles soziales Engagement von Unternehmen zu fördern und unterstützen vermögen, jedoch nicht einen derart tiefgreifenden, ganzheitlichen Ansatz verfolgen.

So liegt es nahe, dass sich Politik und Wirtschaft in die gesellschaftliche Debatte mit Initiativen einbringen, welche die aktive Ausgestaltung von Unternehmensverantwortung fördern und anerkennen sollen. Zwei dieser Initiativen werden in der vorliegenden Arbeit vor dem Hintergrund des CSR-Ansatzes diskutiert und beurteilt. Dabei handelt es sich einerseits um das im Herbst 2010 veröffentlichte und von mittlerweile rund 40 deutschen Unternehmen[4] ratifizierte „Leitbild für verantwortliches Handeln in der Wirtschaft“ und andererseits die zur selben Zeit von der Bundesregierung vorgestellte „Nationale Strategie zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Aktionsplan CSR)“.

1.2 Aufbau der Arbeit

Kapitel 2 verfolgt das Ziel, den Begriff CSR mittels einer umfangreichen Literaturanalyse möglichst präzise zu erfassen. Hierzu wird vorab der Begriff der Verantwortung (und weiterführend der Unternehmensverantwortung) definiert. Darauf aufbauend wird erklärt, warum und inwiefern verantwortliches unternehmerisches Handeln ein tiefgreifendes strategisches Konzept benötigt. Schließlich wird CSR als ein hierfür geeigneter Ansatz dargestellt. Dazu erfolgt eine Abgrenzung basierend auf der wissenschaftlichen Diskussion, die von einer Erläuterung der Aktionsfelder des CSR-Ansatzes abgerundet wird.

Diese ausführliche Darstellung ist notwendig, um in Kapitel 3 die Initiativen zur Unternehmensverantwortung wissenschaftlich fundiert inhaltlich untersuchen zu können. Da CSR eine gewichtige Zielsetzung verfolgt, erscheint es angebracht, entsprechende Initiativen vorrangig auf ihre inhaltliche Komponente hin zu untersuchen. Hierzu wird jeweils zunächst kurz die Initiative im gesellschaftlichen Kontext vorgestellt und anschließend ihre Inhalte beschrieben. Diese werden kategorisiert und in Bezug zu den zuvor erarbeiteten CSR-Aktionsfeldern gesetzt sowie ihre diesbezüglichen Auswirkungen auf Gesellschaft und Unternehmen überprüft. Abschließend werden die Ergebnisse dem Aufbau der CSR-Definition folgend zusammengefasst.

Kapitel 4 ordnet die Initiativen nach strukturellen Kriterien und unterzieht sie in Verbindung mit der Inhaltsanalyse einem Vergleich. Darauf aufbauend kann eine abschließende Bewertung gegeben werden, welche durch eine Optimierungsempfehlung ergänzt wird, die ferner auch einen allgemeingültigen Charakter für die Ausgestaltung von CSR-Initiativen hat.

2 Corporate Social Responsibility (CSR)

2.1 Zur Relevanz von Unternehmensverantwortung

„Verantwortung besteht darin, in die Bedingungen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil zu investieren.“[5]

Dieser Satz bringt ziemlich genau auf den Punkt, was Verantwortung bedeutet. Vor allem aber entwirft Suchanek hiermit eine spezielle Form der Goldenen Regel, die praktisch immer dann Gültigkeit besitzt, wenn über Unternehmensverantwortung gesprochen wird. Aufgrund seines Universalitätsanspruchs soll der Satz zum besseren Verständnis entflochten werden: Zunächst lässt sich feststellen, dass Verantwortung nur vorhanden sein kann, wenn zwei Parteien berücksichtigt werden[6] – im Falle der Unternehmensverantwortung das Unternehmen auf der einen, und seine Anspruchsgruppen (Stakeholder), konkret die Gesellschaft,[7] auf der anderen Seite. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien ist gewissen Bedingungen unterworfen, die sich auf sehr greifbare formale Art zeigen oder auch einen diffusen abstrakten Charakter haben können. Ist bereits eine der Parteien willens und bestrebt, diese Bedingungen zu verändern, also in ihre Beschaffenheit zu investieren, und berücksichtigt dabei, dass dies einen gegenseitigen Vorteil nach sich zieht, so zeigt sie Verantwortung.[8]

Die Gesellschaft als eine der Parteien lässt sich durch den Staat repräsentieren. Es wäre also eine Möglichkeit zu fordern, dass der Staat durch geeignete Gesetzgebung und Rechtsprechung die angesprochenen Bedingungen verändert und sich somit als einziger Akteur verantwortlich zu verhalten hat. Dies wäre in einer Marktwirtschaft allerdings ein eher zweifelhafter Weg: Einerseits kann vom Staat nicht erwartet werden, dass er in der angebrachten Geschwindigkeit auf neue Herausforderungen zu reagieren bereit ist und andererseits dürfte eine Überregulierung zu erwarten sein, die wirtschaftlich massiv hemmend wirken kann.[9] Dies begrenzt dennoch nicht die Aufgabe des Staates, eine „aktivierende“ Funktion inne haben zu müssen, also Voraussetzungen zu schaffen, unter denen sich die Unternehmen unterstützt und gleichermaßen gefordert sehen, von sich aus aktiv in die Verbesserung der Bedingungen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zu investieren,[10] also Verantwortung zu übernehmen.

Den angesprochenen Schwächen des Staates stehen die spezifischen Stärken der Unternehmen gegenüber, welche insbesondere über die finanziellen Möglichkeiten zur Geltung kommen: Immerhin gibt es große Konzerne, die höhere Bilanzsummen aufweisen können als die Bruttoinlandsprodukte mancher Nationalstaaten ausmachen,[11] ihre Standortentscheidungen bestimmen über das Wohlergehen ganzer Regionen – entsprechend groß sind auch ihre Verflechtungen in Politik und Gesellschaft. Doch selbst kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben mitunter durch ihre lokale Verwurzelung einen erheblichen Einfluss auf kommunale und soziale Entwicklungsprozesse.[12] Die Möglichkeiten der Unternehmen, gesellschaftliche Änderungen hervorrufen zu können – und zwar, indem sie in die Bedingungen für die gesellschaftliche Zusammenarbeit investieren – sind also ausgesprochen umfangreich. Hier zeigt sich, dass ein verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln von der Gesellschaft generell eingefordert werden kann und sogar muss.

Wie relevant die Frage nach der unternehmerischen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ist, zeigte sich exemplarisch in der bereits eingangs angesprochenen Finanzkrise: Hier haben Unternehmen, in erster Linie Banken, mit hochspekulativen Anlagen unermessliche Geldwerte vernichtet, die ihnen im Endeffekt gar nicht gehörten. Obgleich die Gründe für das Ausmaß der Krise sehr vielschichtig sind, kann in Bezug auf die Goldene Regel konstatiert werden, dass vereinfacht gesagt die Bedingungen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit (insbesondere die mangelnde Regulierung der Finanzmärkte[13] ) von den entsprechenden Unternehmen zum eigenen Vorteil genutzt wurden, indem sie sich unreflektiert auf kurzfristige Renditen fokussierten.[14] Sie haben also gemäß der Goldenen Regel nicht verantwortlich gehandelt.

Dass eine Neuausrichtung der Finanzmärkte mit zahlreichen konkreten Optionen für ihre Regulierung gefordert wird, ist nur eine Konsequenz der Krise.[15] An dieser Stelle soll sie lediglich als Paradebeispiel dienen, um die Aktualität und Relevanz von verantwortlichem Handeln hervorzuheben. Um zu verstehen, wie systemimmanent das beschriebene unverantwortliche Handeln ist und welche Auswirkungen sich daraus ableiten lassen, ist es hilfreich, in einem kurzen Exkurs das Wesen des Managerkapitalismusʼ zu betrachten: Traditionell ist mit dem persönlichen Eigentum eines Unternehmers stets auch eine Verpflichtung verbunden,[16] bei dem der Eigentümer für die Konsequenzen seiner Entscheidungen haftet, also letztlich das Risiko trägt. Demgegenüber steht der „[…] Managerkapitalismus, in dem die Aktionäre heute eine Siemens-Aktie kaufen und sie morgen wieder verkaufen […]“,[17] das Eigentum demnach nicht mehr seine traditionelle Funktion besitzt. In dieser Form des Kapitalismusʼ kann somit das Eigentum faktisch nicht mehr verpflichten. Andere, nämlich Manager, übernehmen stellvertretend für die Eigentümer die Verantwortung. Somit sind (finanzielles) Risiko und Entscheidungsbefugnis voneinander getrennt. Das führt letztlich zu einem sorgloserem Umgang mit dem fremden Kapital, zumal die rechtlichen und persönlichen Konsequenzen der Manager bei Fehlverhalten verglichen mit dem eingegangenen Risiko eher gering anmuten.[18]

Dieses Dilemma lässt sich letztlich nur auflösen, wenn verantwortliches Handeln in die Strategie des Unternehmens so eingebunden wird, dass sich diesem kein Beteiligter entziehen kann. Anders formuliert muss die Unternehmensstrategie so ausgestaltet sein, dass jegliches unternehmerisches Handeln von vorneherein gesellschaftlich verantwortlich ist. Wie sich zeigen wird, vermag der CSR-Ansatz diesen Anspruch zu erfüllen.

2.2 CSR als Fundament des strategischen Managements

Wie dargestellt, ist die Verankerung von verantwortlichem Handeln in die Unternehmensstrategie von enormer Bedeutung für die Stakeholder des Unternehmens. Folgerichtig hat dies ganz erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise, wie das gesamte Unternehmen agiert. Im Prinzip stellt CSR die Basis jeglichen unternehmerischen Handelns dar und kann als Fundament des strategischen Managements angesehen werden. Es liegt nahe, dass eine solche tiefgreifende Verankerung schwerwiegende Konsequenzen bereits auf den Begriff des Unternehmens haben muss.

Gezeigt werden kann dies mithilfe eines weitgefassten Kapitalbegriffs: Wurde das Kapital eines Unternehmens bis in das 20. Jahrhundert hinein ausschließlich mit seinen materiellen Mitteln gleichgesetzt, so hat die Wirtschaftstheorie in den 1960er-Jahren angefangen, mit dem Begriff des Humankapitals auch die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter eines Unternehmens auf eine wirtschaftlich mindestens gleichbedeutende Stufe mit seinen materiellen Mitteln zu stellen.[19] Eine weitere Dimension führte Bourdieu 1976 ein, und zwar das symbolische Kapital, das knapp formuliert dem Abstraktum der Ehre einen theoretischen Wert zuweist.[20] Wird die Ehre als die eigene und die von der Umwelt bestimmte Bewertung des (unternehmerischen) Verhaltens angenommen[21] und das unternehmerische Handeln einer bestimmten gesellschaftlichen Verantwortung unterstellt,[22] so lässt sich das symbolische Kapital um den Verantwortungsgrad erweitern. Hierbei wird deutlich, dass diese dritte Kapitaldimension also ganz entscheidend durch CSR beeinflusst werden kann. Ähnlich dem Humankapital ist sie jedoch nicht sichtbar und somit auch nicht direkt zu erfassen. Dennoch kann die Vermehrung des symbolischen Kapitals auch ökonomische Ziele verfolgen: Der wirtschaftliche Ruf als eine von der Umwelt bestimmte Bewertung des unternehmerischen Handelns[23] weist eine ausgesprochene Nähe zum Ehrbegriff auf.[24] Die Vermehrung des symbolischen Kapitals eines Unternehmens verläuft also kongruent zur Verbesserung seines wirtschaftlichen Rufs.

So zeigt sich, dass CSR positive wirtschaftliche Auswirkungen hat und trotz seiner zunächst scheinbar idealistischen Ausgestaltung nicht als unökonomischer Fundamentalismus angesehen werden kann.[25] Bestimmte Sichtweisen wie die sogenannte Business-Case-Betrachtung stellen CSR gar als rein ökonomischen Erfolgsfaktor dar.[26] Der Grundannahme folgend, dass CSR vor allem „[…] positive Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes […]“[27] haben sollte, wird in dieser Arbeit eine solch direkte ökonomische Ausrichtung lediglich als unterstützendes Moment (nicht aber als Voraussetzung) für die Berücksichtigung von CSR angeführt.

Bis hierher konnte gezeigt werden, dass dem verantwortlichen Handeln als Grundlage jeglicher Unternehmensstrategie eine erkennbare Relevanz seitens der Gesellschaft wie auch der Unternehmen innewohnt. Berechtigterweise ergibt sich daraus die Frage, welche Eigenschaften eine entsprechende Konzeption zur Unternehmensverantwortung haben muss, um tatsächlich eine langfristige, nachhaltige Wirkung entfalten zu können.

Es ist offensichtlich, dass ein Konzept, das die Grundlage einer jeden Unternehmensstrategie zu bilden bereit ist, nicht als maßgeschneiderter Plan anzusehen sein kann. Es muss eher eine Art Modell sein, das Möglichkeiten für individuelle Lösungen eröffnet. Immerhin sind Unternehmen nicht nur in ihren quantitativen und qualitativen Voraussetzungen sehr unterschiedlich (seien es die Größe, die Ressourcen oder der Fokus des Geschäftsmodells), sie unterliegen außerdem einem ständigen Wandel ihrer wirtschaftlichen Umweltbedingungen.[28]

Es erscheint nicht überraschend, dass ein Modell von dieser Tragweite einem recht vielschichtigen wissenschaftlichen Diskurs ausgeliefert ist. Dies ist in erheblichem Maße darauf zurückzuführen, dass der Begriff CSR im US-amerikanischen Raum entstanden ist, wo eine andere historische Einbindung von Unternehmen in die Gesellschaft besteht als in Deutschland und Mitteleuropa.[29] Hierbei fällt vor allem auf, dass die US-amerikanische Tradition ein Bild zeichnet, das grundverschieden ist zu dem eingangs beschriebenen Verständnis von Unternehmensverantwortung.

So sieht der amerikanische Ansatz Unternehmen eher wie individuelle Bürger, die als Teil der Gesellschaft eine gewisse Verantwortung für ihr Handeln übernehmen müssen.[30] Passenderweise hat sich hier der Begriff Corporate Citizenship (CC; deutsch „unternehmerische Bürgerschaft“) ausgebildet. Dieses Konzept setzt allerdings voraus, dass jeder Bürger und folglich auch jedes Unternehmen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten (der Legalität) völlig frei handeln kann – ob Handlungen einer moralischen Kontrolle standhalten, also auch legitim sind, spielt dabei keine Rolle. Die praktische Bedeutung dieses Ansatzes besteht vielmehr darin, gesellschaftliches Engagement in Kongruenz zur Unternehmensstrategie zu zeigen.[31] Einen Unterbau der Strategie stellt er allerdings nicht dar. Stattdessen werden gezielt soziale Projekte gefördert, selbst wenn diese nur mittelbar mit dem Geschäft des Unternehmens in Verbindung stehen. Plakativ gesprochen folgt CC tendenziell dem moralisch eher zweifelhaftem Dogma Tu Gutes und sprich darüber. Hierbei geht es vor allem darum, der Außenwelt zu zeigen, dass man sich als Unternehmen gesellschaftlich engagiert.[32] Dass dies nicht selten reine Marketing-Maßnahmen mit einem positiven gesellschaftlichen Nebeneffekt sind, wird in der Literatur durchaus auch kritisch reflektiert, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der wissenschaftlichen Diskussion wie auch in der gesellschaftlichen Rezeption nach wie vor auffällig häufig CC synonym zu CSR gebraucht wird.[33] Letztendlich ist dennoch – insbesondere in Europa – eine Tendenz zur unterschiedlichen Definition der beiden Begriffe festzustellen.[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 1: Abgrenzung von Corporate Social Responsibility zu Corporate Citizenship[35]

Einen Meilenstein für das gegenwärtige europäische Verständnis von CSR setzte hierbei die EU-Kommission im Jahre 2001 mit ihrer Definition im sogenannten Grünbuch unter dem Titel EU-Strategie für die soziale Verantwortung der Unternehmen. In dieser wird CSR ausgewiesen als ein „[…] Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale und ökologische Beziehungen in ihre Unternehmenstätigkeit sowie in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“.[36] Die im Oktober 2011 veröffentlichte erneuerte Strategie erkennt überdies die gesamte Gesellschaft als Stakeholder der Unternehmen an.[37] Bei der exemplarischen Auflistung von Teilaspekten der CSR in Kapitel 2.3 wird sichtbar, dass aufgrund des multidimensionalen Charakters von CSR die Stakeholder prinzipiell in allen Bereichen der Gesellschaft zu finden sind und diese Konkretisierung schließlich absolut zweckmäßig erscheint.

Weiterhin wird der Freiwilligkeit eine besondere Bedeutung beigemessen: Unmissverständlich erklärt die EU-Kommission, dass die soziale Verantwortung der Unternehmen stets über die rechtlichen Verpflichtungen hinaus umzusetzen ist.[38] Von Praktiken, wie sie beim CC-Konzept zum Tragen kommen, wird sich hingegen ausdrücklich distanziert:[39] So gilt es als offensichtlich, dass die Gesellschaft Vertrauen in Unternehmen verliert, die „[…] ihr ökologisches oder soziales Engagement übertrieben darstellen“.[40]

Die Hintergründe dieses CSR-Verständnisses werden im historischen Kontext deutlich. Dabei zeigt sich, dass die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen keine neue Idee ist, sondern sich über Jahrhunderte entwickelte. Veranschaulichen lässt sich dies in der Tradition des Ehrbaren Kaufmanns, dessen gesellschaftliche Berechtigung zum Unternehmertum auf verantwortlichem Handeln beruht.[41] Darüber hinaus sind die Unternehmen speziell in Deutschland relativ stark direkt beispielsweise durch Sozialversicherungszahlungen oder das duale Ausbildungssystem mit der Erbringung öffentlicher Aufgaben in das sozialstaatliche Gefüge eingebunden.[42] Es erscheint somit zweckmäßig, im weiteren Verlauf einzelne Thesen mit geschichtlichen Referenzen zu unterlegen.

Neben der soeben beschriebenen Abgrenzung einer strategischen Implementierung gegenüber einer außenwirksamen Ausgestaltung konkreten sozialen Engagements beschäftigt sich ein Teil der Wissenschaft mit der Frage, welchen Einfluss die individuellen Entscheidungen einzelner auf die Umsetzbarkeit von CSR haben.[43] Hierbei wird deutlich, dass die Handlungen eines Managers nur schwer trennbar von den Unternehmenshandlungen zu betrachten sind und daran anknüpfend ihre Vorbildfunktion für die anderen Mitarbeiter zu einer Unternehmenskultur führen kann, die letztlich der praktischen Umsetzung der CSR entsprechen sollte. Da die Unternehmen als solche „[…] immer auf die moralischen Ansprüche individueller Menschen, etwa ihrer Mitarbeiterinnen, verweisen […]“[44] müssen, zeigt sich, dass CSR praktisch nur funktionieren kann, wenn eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Konzept – vor allem seitens des Managements – erfolgt. Gleichzeitig kann eine auf CSR begründete Unternehmenskultur freilich nur erarbeitet werden, wenn diese innerhalb des Unternehmens kommuniziert wird und sie eine intensive Beschäftigung im Management auf allen Ebenen des Unternehmens erfährt.[45]

Basierend auf den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Diskussion lässt sich nun eine Darstellung der konkreten einzelnen Aktionsfelder des CSR-Ansatzes zeichnen. Zwar gibt es nach wie vor keine einheitliche Abgrenzung der Wirkungsbereiche, doch scheint sich ein Konsens zu entwickeln,[46] der schlüssig erscheint und dieser Arbeit zu Grunde gelegt wird. Hiernach stützt sich das Konzept auf drei Säulen, die im angloamerikanischen Raum als „3-P-Konzept“ bezeichnet werden und die Themen Soziale Verantwortung (People), Ökologische Verantwortung (Planet) und Ökonomische Verantwortung (Profit) abdecken.[47] Für eine übersichtlich organisierte Überprüfung und inhaltliche Diskussion von Initiativen zur Unternehmensverantwortung ist eine derartige Anordnung ausgesprochen zweckdienlich. So lassen sich Teilaspekte eindeutig zuordnen und schließlich zielgenau bewerten. Auf Basis eines Perspektivenkatalogs von Oury[48] in Abgleich mit weiterer praxisorientierter CSR-Literatur[49] und unter Bezugnahme der weitgehend globalen, politisch legitimierten Aktionsrahmen UN Global Compact und OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen[50] erfolgt eine Konkretisierung der einzelnen Aktionsfelder. Nichtsdestotrotz soll die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben,[51] wohl aber dank ihrer fundamentalen Basis zur inhaltlichen Kriterienprüfung geeignet sein.

Obschon bereits erläutert wurde, dass CSR per definitionem die selbstverständliche Berücksichtigung von gesetzlichen Rahmenbedingungen voraussetzt, werden dennoch mitunter Prinzipien benannt, die in Deutschland oder anderen Ländern rechtlich vorgeschrieben sind. Die globalen Abhängigkeiten und Aktionsradien aller gesellschaftlichen Akteure veranschaulichen die Notwendigkeit eines derartigen Umfangs: Nationalstaatliches Denken und Handeln auf Basis nationaler Gesetze und Strukturen kann hierbei als nicht zweckmäßig und sogar hinderlich für die Entwicklung der Weltgesellschaft angesehen werden, wie der Club of Rome bereits in den 1970er-Jahren – noch lange Zeit vor der europäischen Integration – feststellte.[52] Dementsprechend führt die höhere Dynamik der Weltwirtschaft in Folge der Globalisierung dazu, dass sich „[…] insbesondere international tätige Unternehmen den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen des (National-)Staates zunehmend entziehen […]“[53] können und in „[…] rechtsfreie Räume oder Staaten, die nicht zur Durchsetzung ihres Rechts […] in der Lage sind […]“[54] oder den Rechtsmissbrauch dulden, vordringen. Hier verlangt schon der gesunde Menschenverstand eine freiwillige Verpflichtung, über die legale Notwendigkeit hinaus Verantwortung zu übernehmen. Eine derartige Bedingung also auch im CSR-Kontext verbindlich festzulegen, ist zielführend, damit auch national angelegte Initiativen von global agierenden Unternehmen als allgemeingültig verstanden werden.[55]

Zusammenfassend lassen sich als Grundvoraussetzungen für die inhaltliche Ausgestaltung des CSR-Ansatzes der Rahmen der Freiwilligkeit sowie die Einführung auf der strategischen Ebene deklarieren. Die trotz der strategischen Ausrichtung sehr starke Praxisorientierung begründet letztlich die Relevanz einer inhaltlichen Prüfung der Aktionsfelder.

2.3 Aktionsfelder von CSR

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung 2: Übersicht über die Aktionsfelder von CSR[56]

2.3.1 „People“ – Soziale Verantwortung

Von den drei Bereichen, in die das CSR-Konzept unterteilt werden kann, lässt sich der Bereich der sozialen Verantwortung als der älteste und am stärksten entwickelte ausmachen. Bereits in den 1920er-Jahren bewiesen die Hawthorne-Experimente, dass die Berücksichtigung der persönlichen Belange der Mitarbeiter entscheidende Auswirkungen auf die Arbeitsqualität und letztlich auf die Arbeitseffizienz im Unternehmen hat.[57] Die vorliegende Kategorisierung akzentuiert besonders in diesem Bereich zahlreiche Forderungen, die in weiten Teilen der Welt gesetzlichen Regeln folgen oder gar Menschenrechten entsprechen. Hier sei nochmals auf die Grundannahme verwiesen, dass (nationalstaatliche) Gesetze und Regelungen häufig nicht imstande sind, den allgemeingültigen Ansprüchen einer globalisierten Welt gerecht zu werden.

Garantie menschenwürdiger Arbeit

Hierunter fallen insbesondere die unwiderlegbaren Verbote von Sklaven- oder Zwangsarbeit sowie Kinderarbeit. Auf jene Menschenrechte haben wirtschaftlich agierende Unternehmen den stärksten Einfluss. Die weiteren Aspekte lassen sich sehr häufig auch unter den Begriff der Menschenwürde zusammenfassen, wobei es aber zweckmäßig erscheint, sie näher zu spezifizieren.

Sicherung der menschlichen Gesundheit

Es gilt, die Gesundheit der Mitarbeiter dauerhaft zu sichern, indem Rechte auf regelmäßige Pausen und auf ein körperlich notwendiges Maß an Urlaub gewährleistet werden. Bereits 1920 beschreibt Sombart als eine der grundlegenden Wirtschaftsregeln die Ökonomie der Kräfte, darunter das vernünftige „Haushalten […] mit dem Körper“,[58] also die Achtung der Gesundheit als Voraussetzung für einen nachhaltigen Lebenswandel. Es muss sowohl die Gesundheit des klassischen Arbeiters beachtet werden wie auch die Gesundheit des Verantwortlichen, der über die Einhaltung dieser Regeln zu wachen hat. Immerhin kann geschlussfolgert werden, dass der bewusste Umgang mit der eigenen Gesundheit ebenso das Verständnis für das körperliche Wohlergehen anderer erhöht. In diesem Zuge spielt der Begriff der Work-Life-Balance eine zunehmend wichtige Rolle, welcher der Freizeit (wörtlich übersetzt Lebenszeit) des arbeitenden Menschen eine besondere Bedeutung beimisst. Dass dieses Thema seitens der Unternehmen zunehmend auf die Agenda gesetzt wird, ist durchaus auch mit rein wirtschaftlichen Überlegungen zu begründen. So ist der Zusammenhang zwischen Freizeit und Produktivität empirisch belegt: Die Motivation, gute Arbeit zu leisten, ist bei ausgeruhten Menschen erheblich höher.[59]

Unterstützung der individuellen Entwicklungsmöglichkeiten

Die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten weisen in besonderem Maße auf das Menschenrecht des Zugangs zu Bildung und der daraus resultierenden geistigen Entfaltung hin. Im historischen Kontext kann festgestellt werden, dass bereits die spätmittelalterlichen Kaufleute in Europa einen maßgeblichen Einfluss auf die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten, besonders ausgeprägt im Bereich der Kunst und Kultur, hatten. Dies ergab sich aus einem besonderen Selbstverständnis in Bezug auf ihre gesellschaftliche Umwelt: „Für ihren hohen sozialen Rang, für die Ehrerweisung, erwartete die Stadt, dass die Ehrbaren Kaufleute sich für die städtischen Belange einsetzten“.[60] Nach diesem Verständnis soll der Gesellschaft für ihren Beitrag am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gedankt werden.[61] Dabei gilt es, kein Mäzenentum zu betreiben, sondern Bildungsmöglichkeiten (auch unternehmensintern) zu schaffen.

Wahrung der individuellen Freiheit

Jeder Mensch sollte die Freiheit besitzen, seine religiöse, politische oder sexuelle Orientierung ausleben und auch seine Meinung kundtun zu dürfen. Selbst wenn dieser Anspruch vor dem Hintergrund moderner Staatsverfassungen als selbstverständlich gilt, so gibt es nach wie vor zahlreiche Gesellschaften, in denen dies nicht der Fall ist. Es sollte also für international agierende Unternehmen als Pflicht verstanden werden, eine globale Unternehmenskultur zu entwickeln, die individuelle Freiheiten konsequent ermöglicht. Hierunter fällt insbesondere die Freiheit der Gedanken, die zu bewahren und zu pflegen ist. Sie setzt die Impulse für eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Wesen und stärkt im Unternehmenskontext den Austausch über den Zustand des Unternehmens und dessen Mitglieder.[62] Somit ist sie unabdingbar für eine beständige Weiterentwicklung des Unternehmens im Sinne gesellschaftlicher Bedürfnisse und Problemstellungen.

Chancengleichheit und Gleichbehandlung

Menschliche Eigenschaften wie kultureller Hintergrund, Geschlecht, Hautfarbe oder sozialer Status dürfen nicht zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Menschen herangezogen werden.[63] Vielmehr noch müssen der Respekt gegenüber fremden Kulturen und das friedliche Zusammenleben als gesamtgesellschaftliche Ziele auch von Unternehmen aktiv mitgetragen werden.[64] Dies betrifft nicht nur die eigenen Arbeitnehmer des Unternehmens, sondern alle Stakeholder wie auch die Kunden, denen auf Augenhöhe zu begegnen ist.

Recht auf Privatsphäre

Unter das Recht auf Privatsphäre fallen alle Fragen des Datenschutzes, so sollten ausschließlich notwendige Daten gesammelt werden.[65] Da erst in jüngster Vergangenheit die Medien von zahlreichen Unternehmen in Deutschland berichteten, die ihre eigenen Mitarbeiter ausspionierten (und dabei im Übrigen nicht selten rechtliche Grenzen überschritten)[66] oder auch fahrlässig mit sensiblen Kundendaten umgingen,[67] ist die Aktualität und Tragweite dieser Thematik nicht zu unterschätzen.

Vereinigungsfreiheit und individuelle Interessenvertretung

Das klassische Beispiel für die individuelle Freiheit von Arbeitnehmern, sich vereinigen zu können und ihre Interessen vertreten zu lassen, sind zweifellos die Gewerkschaften. Obschon in Deutschland die Verankerung der Gewerkschaften in der Gesellschaft schwindet, gilt es hierzulande nach wie vor als selbstverständlich, sie als politisches Sprachrohr der Arbeiter und Angestellten wahrzunehmen. Zu einer wahrhaftigen CSR-Implementierung gehört daher auch, Arbeitsplätze nicht in andere Länder nur deshalb auszulagern, weil man dort vor eventuellen „unbequemen“ Fragen von Gewerkschaften oder anderen politischen Akteuren gefeit ist.

2.3.2 „Planet“ – Ökologische Verantwortung

Der Klimawandel und die zunehmende Knappheit natürlicher Ressourcen zeigen zusehends, wie verletzbar das globale Ökosystem ist und welche Auswirkungen die Industrialisierung und die Ökonomisierung der Gesellschaft in den vergangenen 150 Jahren bereits nach sich gezogen haben. Es ist evident, dass für den Erhalt einer lebenswürdigen Natur – und damit letztlich für die Überlebensfähigkeit des Menschen[68] – die ökologische Verantwortung aller gesellschaftlichen Akteure von zentraler Bedeutung ist. Diese Thematik hat wegen ihrer Langfristigkeit den größten Einfluss auf zukünftige Generationen. Dass auch für jene Generationen bereits heute ethische Ansprüche geltend gemacht werden können, beweist Neuhäuser vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten Definition des Verantwortungsbegriffs. Demnach sind sie als Stakeholder zu berücksichtigen, wodurch auch ihnen gegenüber Unternehmensverantwortung besteht.[69] Letztlich unterstreicht diese Theorie die Wirkungskraft des Nachhaltigkeitsprinzips.

Vermeidung von Luftverschmutzung und Treibhausgasen

Dass der Klimawandel in besonderer Weise von der Verschmutzung der Luft durch Treibhausgase und unnatürlichen Konzentrationen anderer Stoffe abhängt, ist mehrfach belegt.[70] Als Hauptverursacher sind hier die Industrieproduktion und der Verkehrssektor zu nennen, wodurch diesen Bereichen eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wird.[71] Obgleich die Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde gegenwärtig noch gar nicht vollständig erfassbar sind, so offenbaren sich ganz konkrete Auswirkungen von Luftverunreinigungen bereits heute, etwa in der Gestalt von Smog oder Krankheiten.[72]

[...]


[1] Vgl. http://www.stayfair.de/Magazin_7296_obg/11-2011-nachhaltige-Geldanlagen_8197_obg/Finanzkrise-2-0_107116_obj (Stand 26.01.2012).

[2] Bereits im Jahre 1953 wurde der Begriff „Social Responsibility“ im Unternehmenskontext erstmals wissenschaftlich erörtert, woraufhin in den folgenden Dekaden das Interesse exponentiell gestiegen ist (vgl. Barth 2009, S. 39).

[3] Vgl. Hellwig 2011, S. 10 und Küng 2010, S. 88ff.

[4] Vgl. http://www.wcge.org/html/de/529.htm (Stand 17.02.2012).

[5] Suchanek 2010, S. 41.

[6] Diese These wirft freilich die Frage auf, was dann „Eigenverantwortung“ ist. Hier könnte ein philosophischer Diskurs geführt werden, der beispielsweise zeigen könnte, dass in diesem Falle die Verantwortung gegenüber zweier unterschiedlicher Akteure in einer Person bestünde (beispielsweise das „Moralverständnis“ gegenüber dem „schlechten Gewissen“).

[7] Im Kapitel 2.3 wird gezeigt, dass es sich bei der nicht näher abgegrenzten, allgemeinen Bezeichnung „Stakeholder eines Unternehmens“ um die gesamte Gesellschaft handeln kann.

[8] Oury prognostiziert in diesem Sinne, dass wirtschaftliche Investitionen in Sozialstruktur- und Umweltverbesserungen stabilere Märkte entwickeln, die weniger verletzbar sein werden (vgl. Oury 2007, S. VII).

[9] Vgl. Suchanek 2010, S. 45.

[10] Vgl. Braun 2010a, S. 9.

[11] vgl. Zahrnt 2003, S. 40.

[12] Vgl. Oury 2007, S. 3.

[13] Vgl. Hellwig 2011, S. 12ff.

[14] Vgl. Hellwig 2011, S. 10 und Küng 2010, S. 88ff.

[15] Unter anderem bei Menkhoff 2011, S. 25 wird jedoch auch eine ethische Diskussion der Finanzmärkte gefordert.

[16] Grundgesetz d. BRD, Art. 14 (2)

[17] Windolf 2010, S. 25.

[18] Vgl. Windolf 2010, S. 25ff. Im Anschluss (S. 30ff.) beschreibt Windolf die weitere Potenzierung dieser heiklen Trennung von Risiko und Verantwortung in der weiteren evolutionären Stufe des sogenannten Finanzmarkt-Kapitalismusʼ. Dessen spezifische Eigenschaften sind im Kontext dieser Arbeit allerdings nicht relevant.

[19] Vgl. Schultz 1986, S. 54f.

[20] Vgl. Klink 2008, S. 63 nach P. Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis, 1976, S. 335-357. Zuweilen auch unter dem Begriff „Reputationskapital“ zu finden (vgl. Leisinger 2008, S. 35f.).

[21] Vgl. Klink 2008, S. 58f.

[22] Dies kann im Falle einer verantwortlichen Unternehmensstrategie vorausgesetzt werden.

[23] Hierbei wird deutlich, dass insbesondere in der freien Marktwirtschaft der wirtschaftliche Ruf besonders leicht verletzbar ist, da dieses Wirtschaftssystem den größten Spielraum für freie Meinungsäußerungen lässt. Vgl. dazu auch Klink 2008, S. 59.

[24] Vgl. Klink 2008, S. 59.

[25] Vgl. Lammers/Schmitz 1995, S. 11ff.

[26] Vgl. Scherer/Picot 2008, S. 13f.

[27] Scherer/Picot 2008, S. 13.

[28] Vgl. Oury 2007, S. 4.

[29] Vgl. Braun 2010a, S. 11.

[30] Vgl. Visser 2010, S. 87.

[31] Vgl. Janes/Schneider 2010, S. 56ff.

[32] Vgl. Braun 2010b, S. 87.

[33] Zur synonymen Verwendung vgl. unter anderem Visser 2010, S. 86. Zur Kritik an CC im Allgemeinen und der Begriffskonfusion im Speziellen vgl. Neuhäuser 2011, S. 18: Hier befürchtet Neuhäuser sogar, dass CSR „[…] aufgrund des instrumentellen Missbrauchs selbst in Verruf […] geraten […]“ könnte.

[34] Vgl. Weber 2008, S. 44ff. und Welzel 2008, S. 67ff.

[35] Eigene Erstellung auf Basis der Literaturanalyse. Nach dieser Abgrenzung erfolgt die weitere Diskussion in dieser Arbeit.

[36] Vgl. EU-Kommission 2011, S. 4.

[37] Vgl. EU-Kommission 2011, S. 7.

[38] Vgl. EU-Kommission 2011, S. 4. Der Aspekt der Freiwilligkeit wird übrigens auch wissenschaftlich weitgehend geteilt. Dennoch gibt es Ausnahmen; so konstatiert beispielsweise Backhaus-Maul, CSR sei in Deutschland lediglich die „gesetzliche geregelte Verantwortung“, während CC als „freiwilliges Engagement“ zu definieren wäre. Er begründet dies einzig mit der Tatsache, dass es in Deutschland eine „traditionsgeprägte Staatlichkeit“ gäbe (Vgl. Backhaus-Maul 2010, S. 68). Diese These mag wissenschaftlich in Frage zu stellen sein. Man beachte jedoch eine europaweite Studie aus dem Jahre 2005, die ergab, dass die meisten Unternehmen den Begriff der sozialen Verantwortung vor allem als Einhaltung gesetzlicher Regeln definieren (Vgl. Barth 2009, S. 124f.).

[39] Gleichwohl gibt es Theorien, die CSR als Oberbegriff verstehen, unter dem sich auch CC einzuordnen vermag (vgl. Vilain 2010, S. 110f.). Die in dieser Arbeit zugrunde liegenden Definitionen der Begriffe schließen eine solche Konstruktion jedoch aus.

[40] Vgl. EU-Kommission 2011, S. 11. Demgemäß sind Marketing-Maßnahmen wie das in den 2000er-Jahren mehrfach durchgeführte beispielhafte Krombacher Regenwald-Projekt in keinster Weise mit dem CSR-Konzept vereinbar (zum tatsächlichen Effekt der Aktion und ihrer gesellschaftlichen Rezeption vgl. http://www.ltrebing.de/misc/krombacher-wwf/ (Stand 24.11.2011)).

[41] Vgl. Klink 2008, S. 58ff.

[42] Vgl. Backhaus-Maul 2010, S. 73.

[43] Vgl. Klink 2008, S. 58.

[44] Neuhäuser 2011, S. 272.

[45] Vgl. Oury 2007, S. 68ff. und Neuhäuser 2011, S. 248f.

[46] Vgl. Barth 2009, S. 5: An dieser Stelle wird die Definition der EU-Kommission als „mainstream definition“ bezeichnet, wodurch abermals ihre Bedeutsamkeit gewürdigt wird.

[47] Vgl. Oury 2007, S. 5ff.

[48] Vgl. Oury 2007, S.7ff.

[49] Insbesondere Visser 2010.

[50] Diese beiden Initiativen sind zwar für die unmittelbare praktische Umsetzung im Unternehmen eher ungeeignet, allerdings wegen ihrer Universalität und politischen Legitimation sehr mächtig. Daher werden sie auch umfassend in privat wie politisch entwickelten (darunter auch die in dieser Arbeit analysierten) CSR-Initiativen zitiert (vgl. OECD/ILO 2008, S. 22).

[51] Vor dem Hintergrund des Freiwilligkeitsprinzips jeglicher CSR-Initiativen und ihrer jeweiligen Ausgestaltung wäre dies auch gar nicht möglich.

[52] Vgl. Peccei 1974, S. 119.

[53] Vgl. Braun 2010b, S. 85.

[54] Vilain 2010, S. 108.

[55] Obendrein wird damit nochmals die strategische Ausrichtung von CSR verdeutlicht.

[56] Eigene Erstellung auf Basis der Literaturanalyse.

[57] Vgl. Walter-Busch 1989, S. 29.

[58] Sombart 1920, S. 142.

[59] Vgl. Visser 2010, S. 431f.

[60] Vgl. Klink 2008, S. 67.

[61] In der heutigen Zeit kann das neben der aktiven Förderung von Bildungsangeboten aber auch beispielsweise die Verbesserung der Lebensumstände in Schwellenländern durch die unternehmensseitige Schaffung des Zugangs zu Trinkwasser bedeuten (vgl. Visser 2010, S. 136).

[62] Ein Paradebeispiel für die vollständige Verweigerung von Gedankenfreiheit bildete der italienische Konzern Parmalat: Dort wurden Mitarbeiter, die sich nicht den Befehlen des Konzernchefs unterordneten, sondern bestimmte Praktiken hinterfragten, systematisch entlassen (vgl. Aßländer 2010, S. 38).

[63] Vgl. OECD 2011, S. 41.

[64] Ein möglicher CSR-Ansatz, Minderheiten zu unterstützen, am gesellschaftlichen Leben partizipieren zu können (vgl. Visser 2010, S. 138), wäre beispielsweise das Angebot freiwilliger Sprachkurse.

[65] Vgl. Visser 2010, S. 324f.

[66] Vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,547695,00.html (Stand 01.12.2011).

[67] Vgl. http://www.n-tv.de/ratgeber/Sparkasse-Koeln-Bonn-im-Visier-article393967.html (Stand 17.02.2012).

[68] Vgl. Küng 2010, S. 127.

[69] vgl. Neuhäuser 2011, S. 240ff.

[70] Vgl. Kaufmann/Müller 2009, S. 36.

[71] Vgl. Sperling et.al. 2009, S. 2.

[72] Vgl. Visser 2010, S. 317. In der Konsequenz verlangt hier die OECD die „[…] Entwicklung von Strategien zur Emissionsminderung“ (OECD 2011, S. 51).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2011
ISBN (eBook)
9783842830196
DOI
10.3239/9783842830196
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Beuth Hochschule für Technik Berlin – Fachbereich 01, Studiengang Management und Beratung
Erscheinungsdatum
2012 (April)
Note
1,0
Schlagworte
corporate social responsibility unternehmensverantwortung leitbild handeln unternehmen
Produktsicherheit
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Titel: CSR in Deutschland: Kritische Diskussion zweier Initiativen zur Unternehmensverantwortung
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