Lade Inhalt...

Die Patentierbarkeit von Computerprogrammen nach deutschem, europäischem und US-amerikanischem Recht

©2011 Bachelorarbeit 63 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Computerimplementierte Erfindungen sind Erfindungen, deren Umsetzung die Verwendung eines Computers (Datenverarbeitungsanlage) oder anderer programmierter Apparate erfordert. Dabei wird mindestens ein Merkmal der Erfindung mittels eines Computerprogramms (Datenverarbeitungsprogramm) realisiert.
Der Status computerimplementierter Erfindungen hat sich längst zu einer der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts entwickelt. Seit Langem sind Entwicklungen in diesem Sektor in allen Lebensbereichen zu finden, da sie (Arbeits-) Abläufe erleichtern und somit einen wesentlichen Teil der Wirtschaftsleistung und Innovativität eines Landes verkörpern. Trotzdem oder gerade deshalb beschäftigt die Frage, ob und inwieweit Entwicklungen auf dem Gebiet der Computerprogramme patentierbar sind, die Juristen seit Jahrzehnten. Dies ist unter anderem damit zu begründen, dass es sich bei computerimplementierten Erfindungen im Gegensatz zu anderen Bereichen der Technik wie z. B. dem Maschinenbau oder der Elektrotechnik, welche sich gemeinsam mit dem Patentsystem entwickelten, um eine radikale technische Neuerung handelt, welche es erst im etablierten Patentrecht unterzubringen gilt. Eines der Hauptprobleme in der Softwarepatentdebatte ist das Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition der Begriffe ‘Computerprogramm’ bzw. ‘Software’. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, dass sich die Bestimmungen für den gesetzmäßigen Schutzbereich von Patent-Ausschlussrechten in den USA einerseits und Europa/Deutschland andererseits zum Teil erheblich unterscheiden. Während die Technizität im europäischen Raum bei der Prüfung der gesetzlichen Erfordernisse eine dominierende Rolle spielt und Computerprogramme ‘als solche’ grundsätzlich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, kennt das US-amerikanische Recht weder einen solchen Ausschluss noch stellt es besonders hohe Anforderungen an die Technizität von Erfindungen. Das in den USA geltende Fallrecht erschließt deshalb ein immer breiteres Feld von geistigen Schöpfungen für den Patentschutz, während nach europäischem und deutschem Recht nur Patente für technische Erfindungen erteilt werden. Trotz dieser unterschiedlichen Ansätze ist dem deutschen, dem europäischen und dem US-amerikanischen Patentrecht gemein, dass die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen angesichts der rapiden wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung nach wie vor nicht abschließend […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Benjamin Strom
Die Patentierbarkeit von Computerprogrammen nach deutschem, europäischem und
US-amerikanischem Recht
ISBN: 978-3-8428-2813-1
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2012
Zugl. Fachhochschule Bielefeld - University of Applied Sciences, Bielefeld, Deutschland,
Bachelorarbeit, 2011
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2012

Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ... III
A.
Einleitung ... 5
B.
Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht ... 7
I.
Allgemeine Patentierungsvoraussetzungen ... 7
1.
Erfindung ... 7
2.
Neuheit und erfinderische Tätigkeit ... 9
3.
Gewerbliche Anwendbarkeit ... 10
II.
Patentschutz für computerimplementierte
Erfindungen/Computerprogramme ... 10
1.
Technischer Charakter bzw. Technizität ... 11
2.
Entscheidungspraxis ... 11
a)
Unmittelbarer Einsatz von Naturkräften als Ausgangspunkt ... 12
b)
Die Kerntheorie ... 13
c)
Gesamtbetrachtung von Software und anderen Funktionen der
Erfindung ... 15
d)
Erweiterung des Technizitätsbegriffes ... 16
aa)
Technische Überlegungen statt unmittelbarer Einwirkung auf
Naturkräfte ... 17
bb)
Patentfähigkeit von Vorrichtungen ... 18
e)
Die Lösung eines konkreten technischen Problems ... 19
III.
Fazit deutsches Recht ... 22
C.
Patentschutz für Computerprogramme nach europäischem
Recht... 23
I.
Allgemeine Patentierungsvoraussetzungen ... 23
1.
Erfindung ... 23
2.
Neuheit und erfinderische Tätigkeit ... 24
3.
Gewerbliche Anwendbarkeit ... 24
II.
Patentschutz für computerimplementierte
Erfindungen/Computerprogramme ... 25
1.
Technischer Charakter bzw. Technizität ... 25
2.
Entscheidungspraxis ... 25
a)
Die Lehre als Ganzes leistet einen erfinderischen Beitrag zum
Stand der Technik auf einem vom Patentschutz nicht
ausgeschlossenen Gebiet ... 26
b)
Erweiterung des Technizitätsbegriffes ... 28
aa)
Technische Überlegung ... 28
bb)
Vorrichtungen ... 28
c)
Bewirkung eines weiteren technischen Effektes ... 29
III.
Fazit europäisches Recht ... 31

Inhaltsverzeichnis
II
D.
Patentschutz für Computerprogramme nach US-
amerikanischem Recht ... 33
I.
Grunderfordernisse für die Patentfähigkeit ... 33
1.
Patentierbare Erfindungen ... 33
2.
Neuheit ... 34
3.
Nichtnaheliegen ... 34
4.
Offenbarung ... 35
II.
Besondere Kriterien für die Patentierbarkeit von
Computerprogrammen... 35
1.
Die Lehre bezüglich der Patentfähigkeit von
Computerprogrammen... 35
2.
Entscheidungspraxis ... 37
a)
Die ,,Gedankenschritt"-Doktrin ... 37
b)
Abkehr von der ,,Gedankenschritt"-Doktrin ... 38
c)
Die erste Supreme Court Entscheidung als Ausgangspunkt für die
Patentfähigkeit computerimplementierter Erfindungen ... 39
d)
Umdenken bei der Auslegung des Erfindungsbegriffes ... 41
e)
Höhepunkt der weiten Auslegung des Erfindungsbegriffes ... 43
aa)
,,useful, concrete and tangible result"-Test... 43
bb)
Patentfähigkeit von Geschäftsmethoden ... 44
f)
Rückkehr zur strengeren Auslegung des Erfindungsbegriffes ... 45
III.
Fazit US-amerikanisches Recht ... 47
E.
Fazit ... 49
Literaturverzeichnis ... V
Rechtsprechungsverzeichnis ... XII

Inhaltsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
Anm. Anmerkung
Art. Artikel
Aufl. Auflage
BGH Bundesgerichtshof
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
CAFC
Der Court of Appeals of the Federal Cercuit
CCPA
Court of Customs and Patent Appeals
D. h.
Dass heißt
DV-Anlage Datenverarbeitungsanlage
EPA Europäisches
Patentamt
EPÜ Europäisches
Patentübereinkommen
erw. erweiterte
etc. et
cetera
ff. (die)
folgenden
GebrMG Gebrauchsmustergesetz
gem. gemäß
GRUR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
GRUR Int
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
Internationaler
Teil
Hrsg. Herausgeber
IIC
International Review of Intellectual Property and
Competition
Law
In Re
In der Sache
i. S.
im Sinne
i. S. e.
im Sinne eines
i. S. d.
im Sinne des
i. S. v.
im Sinne von
Kap. Kapitel
MMR
Multimedia und Recht Zeitschrift für Informations-
Telekommunikations-
und
Medienrecht
neubearb. neubearbeitete

Inhaltsverzeichnis
IV
NJW Neue
Juristische
Wochenzeitschrift
Nr. Nummer
PatG Patentgesetz
Rn. Randnummer
S.
Seite / Satz
sog. sogenannt
Techn. Technische
TRIPS
Trade-Related Aspects of Intellectual Property
Rights
u. a.
unter anderen/m
überarb. überarbeitete
UrhR Urheberrecht
USA
United States of America
U.S.C.
United States Code
USPTO
United States Patent and Trademark Office
vollst. vollständig
z. B.
zum Beispiel

A. Einleitung
5
A. Einleitung
Computerimplementierte Erfindungen
1
sind Erfindungen, deren Umsetzung
die Verwendung eines Computers (Datenverarbeitungsanlage) oder anderer
programmierter Apparate erfordert. Dabei wird mindestens ein Merkmal der
Erfindung mittels eines Computerprogramms (Datenverarbeitungsprogramm)
realisiert.
2
Der Status computerimplementierter Erfindungen hat sich längst zu einer der
Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts entwickelt. Seit Langem sind
Entwicklungen in diesem Sektor in allen Lebensbereichen zu finden, da sie
(Arbeits-) Abläufe erleichtern und somit einen wesentlichen Teil der Wirt-
schaftsleistung und Innovativität eines Landes verkörpern.
3
Trotzdem oder
gerade deshalb beschäftigt die Frage, ob und inwieweit Entwicklungen auf
dem Gebiet der Computerprogramme patentierbar sind, die Juristen seit
Jahrzehnten.
4
Dies ist unter anderem damit zu begründen, dass es sich bei
computerimplementierten Erfindungen im Gegensatz zu anderen Bereichen
der Technik wie z. B. dem Maschinenbau oder der Elektrotechnik, welche
sich gemeinsam mit dem Patentsystem entwickelten, um eine radikale tech-
nische Neuerung handelt, welche es erst im etablierten Patentrecht unterzub-
ringen gilt.
5
Eines der Hauptprobleme in der Softwarepatentdebatte ist das
Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition der Begriffe ,,Computerprog-
ramm" bzw. ,,Software".
6
Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, dass sich
die Bestimmungen für den gesetzmäßigen Schutzbereich von Patent-
Ausschlussrechten in den USA einerseits und Europa/Deutschland anderer-
seits zum Teil erheblich unterscheiden.
7
Während die Technizität im europä-
ischen Raum bei der Prüfung der gesetzlichen Erfordernisse eine dominie-
rende Rolle spielt und Computerprogramme ,,als solche" grundsätzlich von
der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, kennt das US-amerikanische
1
Die Begriffe ,,computerimplementiert", ,,softwarebezogen", ,,programmgestützt" etc. werden
in dieser Arbeit synonym verwendet; gleiches gilt für die Begriffe ,,Computerprogramm",
,,Software", ,,Programm" etc..
2
Basinski, de Beaumont, Betten, Correa, Freischem, Laurie, Miyasaka, Tani, de Visscher,
GRUR Int 2007, 44 (45).
3
Schauwecker, GRUR Int 2010, 1.
4
Lejeune/Siekmann, MMR 2010, 741.
5
Schauwecker, GRUR Int 2010, 1.
6
Laub, GRUR Int 2006, 629.
7
Laub, GRUR Int 2006, 629; Riederer, GRUR Int 2007, 402.

A. Einleitung
6
Recht weder einen solchen Ausschluss noch stellt es besonders hohe Anfor-
derungen an die Technizität von Erfindungen.
8
Das in den USA geltende Fall-
recht erschließt deshalb ein immer breiteres Feld von geistigen Schöpfungen
für den Patentschutz, während nach europäischem und deutschem Recht
nur Patente für technische Erfindungen erteilt werden.
9
Trotz dieser unter-
schiedlichen Ansätze ist dem deutschen, dem europäischen und dem US-
amerikanischen Patentrecht gemein, dass die Voraussetzungen für die Pa-
tentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen angesichts der rapiden
wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung nach wie vor nicht ab-
schließend geklärt und vollständig in das jeweilige Patentrecht integriert
sind.
10
Durch aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), der
technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) und
des Supreme Court ist diese Thematik wieder in den Fokus gerückt.
11
Ziel dieser Arbeit ist es, die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit von
Computerprogrammen zunächst nach deutschem, europäischem und
schließlich US-amerikanischem Recht zu erläutern und anhand der jeweili-
gen Entwicklung der Rechtsprechungspraxis die Schwierigkeit der Beurtei-
lung der Patentfähigkeit von Computerprogrammen aufzuzeigen.
Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Im Anschluss an diese
Einführung werden in den Kapiteln B bis D die einzelnen Patentrechte erläu-
tert. Dabei werden jeweils zuerst die allgemeinen Patentierungsvorausset-
zungen beschrieben. Anschließend wird auf die Problematik bei der Paten-
tierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen eingegangen und an-
hand der Entscheidungspraxis veranschaulicht. Jedes Kapitel schließt mit
einem kurzen Zwischenfazit, in dem die wichtigsten Erkenntnisse und die
aktuelle Rechtslage wiedergebeben werden, ab. Die Arbeit endet mit dem
Fazit, in dem die aktuelle Rechtslage zusammengefasst wird.
8
Harte-Bavendamm in Kilian/Heussen, 1. Abschnitt Teil 5, Patentrecht, Rn. 39;Laub, GRUR
Int 2006, 629 (649).
9
Laub, GRUR Int 2006, 629.
10
Harte-Bavendamm in Kilian/Heussen, 1. Abschnitt Teil 5, Patentrecht, Rn. 3; Laub, GRUR
Int 2006, 629; Schauwecker, GRUR Int 2010, 115 (124).
11
Lejeune/Siekmann, MMR 2010, 741; Taeger, NJW 2010, 3759 (3760).

B. Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht
7
B.
Patentschutz für Computerprogramme nach
deutschem Recht
I. Allgemeine
Patentierungsvoraussetzungen
Erfindungen auf allen Gebieten der Technik sind nach § 1 Abs. 1 PatG pa-
tentierbar, wenn sie neu sind, auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und ge-
werblich anwendbar sind.
12
In § 1 Abs. 3 PatG sind sogenannte Nicht-
Erfindungen (geistige Leistungen) aufgeführt, die von der Patentierbarkeit
ausgeschlossen sind.
13
Die Patentierungsvoraussetzungen Neuheit, Beruhen
auf erfinderischer Tätigkeit und gewerblicher Anwendbarkeit sind in den §§ 3
bis 5 PatG näher geregelt.
14
1. Erfindung
Nach § 1 Abs. 1 PatG wird der Begriff der Erfindung vorausgesetzt. Der Be-
griff selbst ist jedoch im Patentgesetz nicht definiert.
15
Das Fehlen einer Defi-
nition ist insbesondere dem ständigen technischen Fortschritt geschuldet.
16
So kann der Erfindungsbegriff dem jeweils neuesten Stand naturwissen-
schaftlicher Erkenntnisse angepasst werden.
17
Im Laufe der Zeit hat sich eine
Begriffsbestimmung der patentierbaren Erfindung, die die im Patentgesetz
aufgestellten Anforderungen im Wesentlichen erfasst, in der Rechtsprechung
des BGH herausgebildet.
18
Eine patentierbare Erfindung muss danach eine
,,Lehre zum technischen Handeln" sein.
19
Unter einer Lehre zum technischen
Handeln ist eine Anweisung zu verstehen, die mit bestimmten technischen
Mitteln zur Lösung einer technischen Aufgabe ein technisches Ergebnis er-
zielt.
20
Formal allgemeiner, aber sachlich gleichbedeutend, wird eine Erfin-
dung auch als eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz be-
herrschbarer Naturkräfte zur unmittelbaren Erreichung eines kausal über-
12
Pierson in Pierson/Ahrens/Fischer, S. 4.
13
Mes in Mes, PatG/GebrMG, § 1 PatG, Rn. 67.
14
Pierson in Pierson/Ahrens/Fischer, S.4.
15
Osterrieth, Rn. 105.
16
Ahrens, Rn. 82.
17
Ahrens in Ahrens/Pierson/Fischer, S. 48.
18
Osterrieth, Rn. 105.
19
Mes in Mes, PatG/GebrMG, § 1 PatG, Rn. 9.
20
BGH GRUR 1958, 602.

B. Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht
8
sehbaren technischen Erfolges definiert.
21
Nach dieser Definition kann nur
eine Anweisung oder Regel zum Handeln eine Erfindung sein. Dies geht aus
der Abgrenzung zur Entdeckung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG hervor. Danach
stellt eine Entdeckung grundsätzlich keine Erfindung dar.
22
Gegenstand einer
Erfindung können nur technische Lehren sein.
23
Einzig der technische Cha-
rakter bzw. die Technizität einer Lehre eignen sich zur Abgrenzung gegenü-
ber anderen schöpferischen Leistungen des Menschen, für die ein Patent-
schutz weder vorgesehen noch geeignet ist.
24
Es ist ausreichend, wenn eine
Lehre überhaupt einen technischen Charakter aufweist.
25
Daher ist auch eine
Kombination von technischen und nichttechnischen Merkmalen grundsätzlich
patentfähig.
26
Weitere Begriffsbestimmungen aus der geltenden Definition des Erfindungs-
begriffs werden wie folgt abgegrenzt:
Planmäßiges Handeln
Eine Lehre zum planmäßigen Handeln liegt nur dann vor, wenn ein Handeln
planbar ist. Dazu muss das Handeln einer gewissen Gesetz- und Regelmä-
ßigkeit unterliegen.
27
Einsatz beherrschbarer Naturkräfte
Der Hinweis auf den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte verdeutlicht die Ein-
schränkung des Begriffs der Erfindung auf den Bereich der Naturkräfte, in-
sbesondere der Physik, der Chemie und der Biologie. Dazu sind der men-
schliche Verstand und die durch ihn ausgelösten Tätigkeiten des Menschen
nicht zu zählen. Mit Naturkräften sind nur die Kräfte gemeint, die außerhalb
der menschlichen Verstandestätigkeit liegen und während ihres Einsatz vom
Menschen beherrscht werden.
28
21
Bacher/Melullis in Benkard, PatG, § 1, Rn. 43.
22
Bacher/Melullis in Benkard, PatG, § 1, Rn. 44.
23
Bacher/Melullis in Benkard, PatG, § 1, Rn. 45.
24
Harte-Bavendamm in Kilian/Heussen, 1. Abschnitt Teil 5, Patentrecht, Rn. 29.
25
Bacher/Melullis in Benkard, PatG, § 1, Rn. 45b.
26
Bacher/Melullis in Benkard, PatG, § 1, Rn. 45c.
27
Osterrieth, Rn. 106.
28
Bacher/Melullis in Benkard, PatG, § 1, Rn. 47 ­ 47a; Osterrieth, Rn. 107.

B. Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht
9
Unmittelbares Erreichen eines kausal übersehbaren Erfolges
Durch das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Erfolges wird nochmals die
Notwendigkeit des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte klargestellt und
präzisiert.
29
Für das Erreichen des Erfolgs muss der Einsatz von Naturkräften
kausal sein. Danach muss der mit einer Lehre angestrebte Erfolg unmittelbar
durch den Einsatz von Naturkräften erzielt werden. Dass heißt also auch oh-
ne zwischengeschaltete menschliche Verstandestätigkeit.
30
2.
Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum
Stand der Technik gehört. Als neuheitsschädlich gilt alles, was der Öffent-
lichkeit zugänglich gemacht worden ist.
31
Auf erfinderischer Tätigkeit beruht
eine Erfindung nach § 4 Abs. 1 S. 1 PatG, wenn sie sich für den Durch-
schnittsfachmann in nicht naheliegender Weise aus dem Stand der Technik
ergibt.
32
Nach diesen gesetzlichen Definitionen ist zu prüfen, ob sich im Prio-
ritätszeitpunkt der Anmeldung der Gegenstand, für den Patentschutz beans-
prucht wird, durch den Stand der Technik vorweggenommen oder dem
Fachmann nahegelegt war.
33
Stellt der Gegenstand als Ganzes betrachtet
die Lösung eines technischen Problems dar, ist er auch als Ganzes auf Neu-
heit und erfinderische Tätigkeit zu prüfen.
34
Der neuheitsschädliche Stand der
Technik umfasst alle Kenntnisse, die zum Zeitpunkt der Anmeldung der Öf-
fentlichkeit zugänglich waren.
35
Kenntnisse, die zu diesem Zeitpunkt nicht
zugänglich waren, dürfen bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderischer Tä-
tigkeit nicht in Betracht gezogen werden.
36
Bei der Neuheitsprüfung gilt dies
nicht für Kenntnisse aus nachveröffentlichten älteren Patentanmeldungen.
37
Erkenntnisse, die der Problemlösung dienten und nicht zum Stand der Tech-
nik gehörten, müssen, auch wenn sie keinen technischen Charakter aufwei-
29
Osterrieth, Rn. 108.
30
Bacher/Melullis in Benkard, PatG, § 1, Rn. 50.
31
Kraßer, 2. Abschnitt 3. Kap. § 17. I. a).
32
Ahrens in Pierson/Ahrens/Fischer, S. 58.
33
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. IV. c) ee).
34
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. IV. c) ee).
35
Straus, GRUR Int 1994, 89.
36
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. IV. c) ee).
37
Götting, S. 127, Rn. 10.

B. Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht
10
sen und für sich genommen nicht dem Patentschutz zugänglich wären, bei
der Prüfung berücksichtigt werden. Gleiches gilt für nichttechnische Hand-
lungsanweisungen. So können z. B. neue Geschäftsmethoden zu spezifi-
schen programm- oder computertechnischen Problemlösungen führen. Folg-
lich ist dann auch bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit von einem
Fachmann auszugehen, dem die neue Geschäftsmethode nicht zu Verfü-
gung stand, da diese nicht zum Stand der Technik gehörte.
38
3. Gewerbliche
Anwendbarkeit
Eine Erfindung muss gem. § 5 Abs. 1 PatG gewerblich anwendbar sein.
Ist der Gegenstand der Erfindung auf irgendeinem gewerblichen Gebiet ein-
schließlich der Landwirtschaft herstell- oder benutzbar, so ist die Erfindung
gewerblich anwendbar.
39
Auf eine tatsächliche gewerbliche Nutzung einer
Erfindung kommt es nicht an. Wichtig ist jedoch deren Ausführbarkeit. Dazu
muss die Erfindung in der Patentanmeldung ausreichend offenbart sein,
funktionieren, wiederholbar und fertig sein.
40
II.
Patentschutz für computerimplementierte Erfindun-
gen/Computerprogramme
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG sind Programme für Datenverarbeitungsanlagen
dem Patentschutz nicht zugänglich, da diese keine Erfindungen i. S. d. § 1
Abs. 1 PatG sind.
41
Dies gilt gem. § 1 Abs. 4 PatG nur für Computerprog-
ramme ,,als solche".
42
Damit soll verhindert werden, dass Erfindungen mit
nichttechnischen Lehren nicht schon deshalb patentierbar sind, weil sie be-
stimmungsgemäß den Einsatz eines Computers erfordern oder weil sie mit-
tels eines Computersystems implementiert werden, auf einem Datenträger
gespeichert sind bzw. die menschliche Information durch das Datenverarbei-
tungssystem erteilt werden.
43
In dieser Regelung ist das Grundproblem bei
38
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. IV. c) ee).
39
Lunze in Erdmann/Rojahn/Sosnitza, Rn. 127.
40
Ahrens in Pierson/Ahrens/Fischer, S. 54.
41
Lunze in Erdmann/Rojahn/Sosnitza, Rn. 86; Osterrieth, Rn. 131.
42
Ilzhöfer, Rn. 214.
43
Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhR, § 69 g, Rn. 10.

B. Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht
11
der Patentierung von Computerprogrammen zu sehen.
44
Die Differenzierung,
wann ein Computerprogramm als solches vorliegt bzw. wann nicht, stellt sich
als äußerst schwierig dar.
45
1.
Technischer Charakter bzw. Technizität
Ob ein Computerprogramm patentfähig ist, hängt insbesondere vom allge-
meinen Erfordernis der Technizität ab.
46
Entscheidend ist also, wann ein
Computerprogramm technischen Charakter hat.
47
Während die Fachwelt
Computerprogrammen den technischen Charakter ohne weiteres zuschreibt,
wird in der Jurisprudenz zwischen technischen und nichttechnischen Compu-
terprogrammen unterschieden. Insbesondere dem Computerprogramm ,,als
solchem" fehlt rechtswissenschaftlich gesehen der technische Charakter.
48
Ein Computerprogramm das der Steuerung von Hardware dient hat techni-
schen Charakter, weil es einen technischen Vorgang wie z. B. Messungen,
auslöst.
49
Jedoch reicht die reine physikalische Wirkung, wie beispielsweise
elektrische Ströme eines Programms auf den Computer allein nicht aus, um
dem Computerprogramm alleine oder in Kombination mit dem Computer
Technizität zu verleihen.
50
Ein Computerprogramm muss einen über die blo-
ße Steuerung eines Computers hinausgehenden technischen Effekt haben.
51
Auf dieser Grundlage prüfen Gerichte bei Computerprogrammen, ob die an-
zumeldende Erfindung tatsächlich einen Beitrag zur Technik leistet oder es
sich letztlich nur um eine Geschäftsmethode oder Ähnliches handelt.
52
2. Entscheidungspraxis
Bei der Beurteilung der Patentfähigkeit von Computerprogrammen ist die
Frage nach deren Technizität entscheidend.
53
Aufgrund der wachsenden Be-
44
Osterrieth, Rn. 131.
45
Lunze in Erdmann/Rojahn/Sosnitza, Rn. 86.
46
Kamlah, CR 2010, 485 (487).
47
Ahrens in Pierson/Ahrens/Fischer, S. 52.
48
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. IV. c) aa).
49
Harte-Bavendamm in Kilian/Heussen, 1. Abschnitt Teil 5, Patentrecht, Rn. 30.
50
Ahrens in Pierson/Ahrens/Fischer, S. 52.
51
Harte-Bavendamm in Kilian/Heussen, 1. Abschnitt Teil 5, Patentrecht, Rn. 30.
52
Kamlah, CR 2010, 485 (486 ­ 487).
53
Betten, GRUR 1995, 775 (789).

B. Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht
12
deutung von Computerprogrammen und der patentierungsfreundlicheren
Praxis des Europäischen Patentamtes haben die deutschen Gerichte ihre
restriktive Haltung sukzessiv gelockert.
54
a)
Unmittelbarer Einsatz von Naturkräften als Ausgangspunkt
Ausgehend von der Definition der Technizität aus der Rote-Taube-
Entscheidung
55
kommt es entscheidend darauf an, dass Naturkräfte und nicht
die zwischengeschaltete menschliche Verstandestätigkeit den Erfolg bewir-
ken.
56
Demnach ist ein Verfahren patentfähig, wenn es die Funktionsfähigkeit
der Datenverarbeitungsanlage zum Gegenstand hat und insbesondere deren
Arbeitsweise verbessert.
57
Dagegen kommt ein Patentschutz nicht in Be-
tracht, wenn die Lösung des im Patentanspruch beschriebenen Problems
ausschließlich mit Mitteln der Logik ohne Rückgriff auf Naturkräfte bewerk-
stelligt wird.
58
Ein Programm darf also kein Äquivalent zu einer entsprechen-
den menschlichen Tätigkeit sein.
59
,,Dispositionsprogramm"
60
Grundlage für die ersten Entscheidungen zur Patentierbarkeit von Compu-
terprogrammen war der Beschluss ,,Dispositionsprogramm".
61
Nicht patentfä-
hig waren danach Organisations- und Rechenprogramme zur Lösung be-
trieblicher Aufgaben, die mit Hilfe einer in Aufbau und Konstruktion bekann-
ten Datenverarbeitungsanlage angewandt wurden.
62
Der BGH erkannte zwar
an, dass eine Organisations- und Rechenregel eine Anweisung zu planmäßi-
gem Handeln darstellt und deren Befolgung zu einem kausal übersehbaren
Erfolg führt, es jedoch am Einsatz beherrschbarer Naturkräfte fehle.
63
Das ist
damit zu begründen, dass ein Mensch mit den notwendigen kaufmännischen
und mathematischen Kenntnissen diese betrieblichen Aufgaben auch bewäl-
tigen kann, ohne dabei Naturkräfte zu nutzen, zu denen die menschliche
54
Haedicke, S. 162, Rn. 17.
55
BGH GRUR 1969, 672.
56
Haedicke, S. 163, Rn. 18.
57
Harte-Bavendamm in Kilian/Heussen, 1. Abschnitt Teil 5, Patentrecht, Rn 42.
58
BGH GRUR 1977, 96 (98).
59
Haedicke, S. 163, Rn. 18.
60
BGH GRUR 1977, 96.
61
Osterrieth, Rn. 136.
62
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. III. c) aa).
63
Osterrieth, Rn. 136.

B. Patentschutz für Computerprogramme nach deutschem Recht
13
Verstandestätigkeit nicht zählt.
64
Weiter stellte der BGH fest, dass ein Com-
puterprogramm nur dann patentfähig sein kann, wenn dieses Programm ei-
nen neuen erfinderischen Aufbau der Datenverarbeitungsanlage erfordert
oder eine Anweisung enthält, diese auf neue, nicht naheliegende Weise zu
benutzen.
65
Diese ersten vom BGH festgelegten Grundsätze schlossen die
Patentierbarkeit von Computerprogrammen nicht aus, legten aber einen sehr
engen Rahmen fest. Die Folge war, dass den meisten Computerprogrammen
dieser technische Charakter abgesprochen und die Patentfähigkeit verneint
wurde.
66
,,Antiblockiersystem"
67
Lediglich in der Entscheidung ,,Antiblockiersystem" bejahte der BGH das Vor-
liegen eines technischen Charakters.
68
Gegenstand des Verfahrens war ein
Antiblockierregelsystem mechanischer und elektronischer Art mit bistabilen
Schaltvorrichtungen. Die einzelnen Elemente waren so miteinander verbun-
den, dass ein durch das überwachte Rad ausgelöstes Verzögerungs- oder
Beschleunigungssignal über die Steuerung von Ventilen den Bremsdruck
absenkte oder konstant hielt.
69
Die elektronische Einflussnahme auf die Be-
schleunigung bzw. Verzögerung des überwachten Rades stellt eine planmä-
ßige Ausnutzung von Naturkräften dar, mit deren Hilfe der kausale Erfolg, die
optimale Bremswirkung, erreicht wird.
70
b) Die
Kerntheorie
Die sog. ,,Kerntheorie" erschwerte die Patentierbarkeit computerimplemen-
tierter Erfindungen noch zusätzlich.
71
Diese Theorie stellte bei der Beurtei-
lung der Technizität auf den ,,Kern" der Erfindung ab. D. h. der konkrete Er-
findungsgegenstand wurde isoliert von seinen Begleitkomponenten beur-
teilt.
72
64
BGH GRUR 1977, 96 (98).
65
Grützmacher in Wandtke/Bullinger, UrhR, § 69 g, Rn. 12.
66
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. III. c) aa).
67
BGH GRUR 1980, 849.
68
Kraßer, 2. Abschnitt 1. Kap. § 12. III. c) aa).
69
BGH GRUR 1980, 849 (850).
70
BGH GRUR 1980. 849 (850).
71
Haedicke, S. 163, Rn. 19.
72
Ahrens, Rn. 97; Haedicke, S. 163, Rn. 19.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842828131
DOI
10.3239/9783842828131
Dateigröße
451 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Bielefeld – Wirtschaft, Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2012 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
deutsches patentrecht europäisches us-amerikanisches patentfähigkeit computerprogrammen erfindung
Zurück

Titel: Die Patentierbarkeit von Computerprogrammen nach deutschem, europäischem und US-amerikanischem Recht
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
63 Seiten
Cookie-Einstellungen