Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
©2007
Diplomarbeit
168 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Bedeutende Unternehmenstransaktionen in der Film- und Fernsehindustrie haben in den letzten Jahren vielfach für Aufsehen und Schlagzeilen gesorgt. Als derzeit wohl bekanntestes Beispiel kann in diesem Zusammenhang die geplante und letztlich vom Kartellamt untersagte Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch den Axel Springer Verlag genannt werden. Überdies weisen gegenwärtige Aktivitäten darauf hin, dass der Mergers & Acquisitions (M&A)-Markt im Film- und Fernsehsektor auch in Zukunft in Bewegung bleiben wird. So stellt die fünfprozentige Beteiligung der KTB-Technologie Beteiligungsgesellschaft an der Filmgesellschaft Senator Entertainment AG nur ein aktuelles Beispiel für die Relevanz von Unternehmensbewertungen in der Film- und Fernsehindustrie dar. Ein weiteres Exempel statuiert der am 6. März 2007 erfolgte Vollzug des Anteilskaufvertrags zwischen German Media Partners, dem bisherigen Mehrheitsgesellschafter der ProSiebenSat.1 Media AG und der Lavena Holding 4 GmbH, einer Holding, die durch KKR bzw. Permira beratene Fonds kontrolliert wird.
Diese und viele weitere M&A-Aktivitäten weisen darauf hin, dass nicht nur organisches, sondern auch externes Wachstum in der Film- und Fernsehindustrie an Bedeutung gewinnt. Diese Relevanz rückt insbesondere im Lichte wachsenden Wettbewerbs sowie des für kleine Unternehmen hohen Risikos und der induzierten schlechten Finanzierungsmöglichkeiten in den Vordergrund. So konstatierten ebenfalls verschiedene Unternehmensvertreter, dass die Größe eines Film- bzw. Fernsehunternehmens für den langfristigen Erfolg eine Schlüsselrolle einnimmt. Jedoch wurden in der Vergangenheit, vor allem zu Zeiten des Neuen Marktes, häufig die Hoffnungen, die im Vorfeld einer Übernahme des entsprechenden Film- oder Fernsehunternehmens an ein externes Wachstum geknüpft wurden, im Nachhinein enttäuscht. Die Preise und Konditionen einer solchen Transaktion deuten daher auf erheblichen Diskussionsbedarf über die korrekte Ermittlung von Entscheidungswerten in der Film- und Fernsehindustrie hin. In diesem Zusammenhang scheint es, als würden die traditionellen Bewertungsmethoden den Besonderheiten dieser Branche, die vor allem in dem eminenten Anteil immaterieller Werte, wie Filmrechten und Humankapital liegen, nicht gerecht werden. Diese konzeptionellen Schwächen zeigen die Notwendigkeit zur Erfassung eben dieses großen Anteils immaterieller Vermögenswerte durch spezielle Bewertungsmethoden, die die etablierten […]
Bedeutende Unternehmenstransaktionen in der Film- und Fernsehindustrie haben in den letzten Jahren vielfach für Aufsehen und Schlagzeilen gesorgt. Als derzeit wohl bekanntestes Beispiel kann in diesem Zusammenhang die geplante und letztlich vom Kartellamt untersagte Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch den Axel Springer Verlag genannt werden. Überdies weisen gegenwärtige Aktivitäten darauf hin, dass der Mergers & Acquisitions (M&A)-Markt im Film- und Fernsehsektor auch in Zukunft in Bewegung bleiben wird. So stellt die fünfprozentige Beteiligung der KTB-Technologie Beteiligungsgesellschaft an der Filmgesellschaft Senator Entertainment AG nur ein aktuelles Beispiel für die Relevanz von Unternehmensbewertungen in der Film- und Fernsehindustrie dar. Ein weiteres Exempel statuiert der am 6. März 2007 erfolgte Vollzug des Anteilskaufvertrags zwischen German Media Partners, dem bisherigen Mehrheitsgesellschafter der ProSiebenSat.1 Media AG und der Lavena Holding 4 GmbH, einer Holding, die durch KKR bzw. Permira beratene Fonds kontrolliert wird.
Diese und viele weitere M&A-Aktivitäten weisen darauf hin, dass nicht nur organisches, sondern auch externes Wachstum in der Film- und Fernsehindustrie an Bedeutung gewinnt. Diese Relevanz rückt insbesondere im Lichte wachsenden Wettbewerbs sowie des für kleine Unternehmen hohen Risikos und der induzierten schlechten Finanzierungsmöglichkeiten in den Vordergrund. So konstatierten ebenfalls verschiedene Unternehmensvertreter, dass die Größe eines Film- bzw. Fernsehunternehmens für den langfristigen Erfolg eine Schlüsselrolle einnimmt. Jedoch wurden in der Vergangenheit, vor allem zu Zeiten des Neuen Marktes, häufig die Hoffnungen, die im Vorfeld einer Übernahme des entsprechenden Film- oder Fernsehunternehmens an ein externes Wachstum geknüpft wurden, im Nachhinein enttäuscht. Die Preise und Konditionen einer solchen Transaktion deuten daher auf erheblichen Diskussionsbedarf über die korrekte Ermittlung von Entscheidungswerten in der Film- und Fernsehindustrie hin. In diesem Zusammenhang scheint es, als würden die traditionellen Bewertungsmethoden den Besonderheiten dieser Branche, die vor allem in dem eminenten Anteil immaterieller Werte, wie Filmrechten und Humankapital liegen, nicht gerecht werden. Diese konzeptionellen Schwächen zeigen die Notwendigkeit zur Erfassung eben dieses großen Anteils immaterieller Vermögenswerte durch spezielle Bewertungsmethoden, die die etablierten […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Insa Niemeyer
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
ISBN: 978-3-8366-0821-3
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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Printed in Germany
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
II
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1
Einleitung...1
1.1
Relevanz des Themas ...1
1.2
Zielsetzung der Arbeit ...3
1.3
Gang der Untersuchung...3
2
Grundlagen der Bewertung von Film- und Fernsehunternehmen ...5
2.1
Charakteristika der Branche ...5
2.1.1
Filmindustrie ...6
2.1.2
Fernsehindustrie ...13
2.2
Unternehmenswert...18
2.2.1
Allgemeine Definition ...18
2.2.2
Definition bei Film- und Fernsehunternehmen ...20
3
Film- und fernsehspezifisches Anforderungsprofil an ein
Unternehmensbewertungsmodell...22
3.1
Abbildung der Werttreiber ...23
3.1.1
Library ...24
3.1.2
Humankapital ...25
3.1.3
Strukturkapital ...27
3.2
Abbildung der Risiken...29
3.3
Abbildung der sonstigen Kriterien ...32
3.3.1
Flexibilität ...32
3.3.2
Vollständigkeit und reales Bild der Ertragskraft ...32
3.3.3
Praktikabilität ...34
3.4
Zusammenfassender Kriterienkatalog ...35
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
III
4
Methoden der Unternehmensbewertung und ihre Anwendbarkeit auf die
Film- und Fernsehindustrie ...35
4.1
Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) ...37
4.1.1
Überblick ...37
4.1.2
Cash Flow-Definition im WACC-Ansatz ...42
4.1.3
Cash Flow-Prognose...43
4.1.3.1
Planungshorizont ...43
4.1.3.2
Detailprognosephase ...46
4.1.4
Diskontierungssatz ...54
4.1.5
Anwendbarkeit des Verfahrens auf Film- und Fernsehunternehmen...57
4.1.5.1
Abbildbarkeit der Werttreiber ...58
4.1.5.2
Abbildbarkeit der Risiken ...62
4.1.5.3
Abbildbarkeit der sonstigen Kriterien ...64
4.2
Multiplikatorverfahren ...67
4.2.1
Überblick ...67
4.2.2
Anwendbarkeit des Verfahrens auf Film- und Fernsehunternehmen...68
4.2.2.1
Abbildbarkeit der Werttreiber ...69
4.2.2.2
Abbildbarkeit der Risiken ...70
4.2.2.3
Abbildbarkeit der sonstigen Kriterien ...70
4.3
Vergleichende Übersicht und Diskussion ...72
5
Gestaltungshinweise zur Verbesserung der Validität der Unternehmens-
bewertung in der Film- und Fernsehindustrie...75
5.1
Humanvermögensrechnung...76
5.1.1
Kostenbasierte Modelle...76
5.1.2
Wertbasierte Modelle ...79
5.2
Realoptionsansatz...81
5.2.1
Überblick ...81
5.2.2
Anwendung auf die Film- und Fernsehindustrie ...82
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
I
6
Fazit und Ausblick ...86
Anhangsverzeichnis... VIII
Literaturverzeichnis... IX
Verzeichnis der Expertengespräche ... XXI
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Die Struktur der Film- und Fernsehwirtschaft ...6
Abbildung 2:
Verwertungskette eines Filmwerkes ...8
Abbildung 3:
Interdependenzen der TV-Märkte ...14
Abbildung 4:
Unternehmenswert von Film- und Fernsehunternehmen ...20
Abbildung 5:
Kriterienkatalog zur Bewertung von Film- und
Fernsehunternehmen ...35
Abbildung 6:
Klassifizierung der Verfahren zur Unternehmensbewertung...36
Abbildung 7:
DCF-Varianten ...38
Abbildung 8:
Der Wert einer Library im Zeitverlauf ...45
Abbildung 9:
Detailprognosephase und die ewige Rente...46
Abbildung 10:
Ausgestaltungsmerkmale eines Filmrechtes ...52
Abbildung 11:
Rechtewürfel zur Erfassung bewertungsrelevanter Komponenten ...53
Abbildung 12:
Darstellung des systematischen und unsystematischen Risikos...56
Abbildung 13:
Das Discounted-Cash Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) ...57
Abbildung 14:
Entscheidungsbaum von der Drehbuchentwicklung bis zum
Kinostart in der Filmproduktion...84
Abbildung 15:
Entscheidungsbaum bezüglich des Werbeeinsatzes in der
Filmindustrie
...85
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Werttreiber der Film- und Fernsehindustrie ...29
Tabelle 2:
Risiken der Film- und Fernsehindustrie ...31
Tabelle 3:
Der verwendete Cash Flow-Begriff beim WACC-Ansatz ...42
Tabelle 4:
Vergleichende Übersicht der beurteilten Unternehmensbewertungs-
modelle
...73
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
VII
Abkürzungsverzeichnis
AG
Aktiengesellschaft
APV
Adjusted Present Value
b2b
business to business
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
CAPM
Capital Asset Pricing Model
CF
Cash Flow
DCF
Discounted Cash Flow
DVD
Digital Versatile Disc
EBIT
Earnings Before Interest and Tax
EBITDA
Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization
EVA
Economic Value Added
FCF
Free Cash Flow
FTE
Flow to Equity
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GoU
Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
HGB
Handelsgesetzbuch
HRA
Human Resource Accounting
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer
IFRS
International Financial Reporting Standard
KCFV
Kurs-Cash Flow-Verhältnis
KGV
Kurs-Gewinn-Verhältnis
M&A
Mergers & Acquisitions
OCF
Operating Cash Flow
P&A Print-and-Advertising-Ausgaben
TCF
Total Cash Flow
TV
Television
US
United States
USA
United States of America
US-GAAP
United States- Generally Accepted Accounting Principles
WACC
Weighted Average Cost of Capital
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
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1
1
Einleitung
1.1
Relevanz des Themas
Bedeutende Unternehmenstransaktionen in der Film- und Fernsehindustrie haben in den
letzten Jahren vielfach für Aufsehen und Schlagzeilen gesorgt. Als derzeit wohl bekann-
testes Beispiel kann in diesem Zusammenhang die geplante und letztlich vom Kartell-
amt untersagte Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch den Axel Springer Ver-
lag genannt werden. Überdies weisen gegenwärtige Aktivitäten darauf hin, dass der
Mergers & Acquisitions (M&A)-Markt im Film- und Fernsehsektor auch in Zukunft in
Bewegung bleiben wird. So stellt die fünfprozentige Beteiligung der KTB-Technologie
Beteiligungsgesellschaft an der Filmgesellschaft Senator Entertainment AG nur ein ak-
tuelles Beispiel für die Relevanz von Unternehmensbewertungen in der Film- und Fern-
sehindustrie dar.
1
Ein weiteres Exempel statuiert der am 6. März 2007 erfolgte Vollzug
des Anteilskaufvertrags zwischen German Media Partners, dem bisherigen Mehrheits-
gesellschafter der ProSiebenSat.1 Media AG und der Lavena Holding 4 GmbH, einer
Holding, die durch KKR bzw. Permira beratene Fonds kontrolliert wird.
2
Diese und viele weitere M&A-Aktivitäten weisen darauf hin, dass nicht nur organi-
sches, sondern auch externes Wachstum in der Film- und Fernsehindustrie an Bedeu-
tung gewinnt. Diese Relevanz rückt insbesondere im Lichte wachsenden Wettbewerbs
sowie des für kleine Unternehmen hohen Risikos und der induzierten schlechten Finan-
zierungsmöglichkeiten in den Vordergrund.
3
So konstatierten ebenfalls verschiedene
Unternehmensvertreter, dass die Größe eines Film- bzw. Fernsehunternehmens für den
langfristigen Erfolg eine Schlüsselrolle einnimmt.
4
Jedoch wurden in der Vergangen-
heit, vor allem zu Zeiten des Neuen Marktes, häufig die Hoffnungen, die im Vorfeld
einer Übernahme des entsprechenden Film- oder Fernsehunternehmens an ein externes
Wachstum geknüpft wurden, im Nachhinein enttäuscht. Die Preise und Konditionen
einer solchen Transaktion deuten daher auf erheblichen Diskussionsbedarf über die kor-
rekte Ermittlung von Entscheidungswerten in der Film- und Fernsehindustrie hin.
5
In
diesem Zusammenhang scheint es, als würden die traditionellen Bewertungsmethoden
1
Vgl. o.V. (Medienbote) (2007), S. 3.
2
Vgl. o.V. (Pro7Sat1) (2007).
3
Vgl. Ulrich (2006), S. 59.
4
Vgl. Dr. Christian Franckenstein (Finanzvorstand, MME Moviement AG), 21.03.2007, S. A9, Hanns
Beese (Vorstandsmitglied, Constantin Film AG), 02.04.2007, S. A40, Stephan O. Hansch (Finanzvor-
stand, ODEON Film AG), 04.04.2007, S. A50.
5
Vgl. Vgl. Ulrich (2006), S. 57.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
2
den Besonderheiten dieser Branche, die vor allem in dem eminenten Anteil immateriel-
ler Werte, wie Filmrechten und Humankapital liegen, nicht gerecht werden.
6
Diese kon-
zeptionellen Schwächen zeigen die Notwendigkeit zur Erfassung eben dieses großen
Anteils immaterieller Vermögenswerte durch spezielle Bewertungsmethoden, die die
etablierten Unternehmensbewertungsmodelle in ihrer praktischen Konstruktion unter-
stützen sollen.
In der wissenschaftlichen Literatur fehlt den Ansätzen zur Unternehmensbewertung in
der Film- und Fernsehindustrie bisher jedoch die nötige konkrete Ausgestaltung. Ob-
wohl bekannt ist, dass man mit den traditionellen Methoden bei der Anwendung für
Film- und Fernsehunternehmen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt,
7
fanden bislang
kaum Untersuchungen zu branchenspezifischen Bewertungsverfahren statt. Vielmehr
werden hauptsächlich Erklärungsmodelle zur Diskrepanz zwischen Bewertungstheorie
und Wirklichkeit erörtert, aber keine Implikationen für spezielle Bewertungsmethoden
abgeleitet. Obwohl Karl Ulrich
8
im Jahr 2006 in einer Veröffentlichung auf die Beson-
derheiten der Bewertung von Medienunternehmen eingeht und die Schwächen der tradi-
tionellen Methoden aufdeckt, bleiben Lösungsansätze nur unzureichend erkennbar. Al-
lerdings publizierte Ulrich eine empirische Studie über die Bewertung einer Formatbib-
liothek eines TV-Produktionsunternehmens, die erste Resultate bringt.
9
Darüber hinaus
lieferten branchenspezifische Studien von Amram und Martin/Wang Ideen zur Verbes-
serung der Validität der Bewertungsergebnisse in diesem Bereich.
10
Größtenteils be-
schränkt sich die derzeitige Literatur aber auf die Analyse und Differenzierung der Bi-
lanzierungsvorschriften (HGB, IFRS, US-GAAP) des immateriellen Vermögens,
11
die
zweifelsohne die Ausgangsbasis einer fairen, prospektiven Unternehmensbewertung in
diesem Sektor darstellen. Allerdings sollten sich die Forschungsbemühungen nicht al-
lein auf diese rechnungslegerischen Vorschriften beschränken, da die gängigen Bewer-
tungsmodelle ohnehin unabhängig von der angewandten Bilanzierungsmethodik operie-
ren.
12
6
Vgl. Küting/Zwirner (2004b), S. 254.
7
Vgl. Bates (1998), S. 81ff., Choi/Kwon/Lobo (2000), S. 35ff.
8
Vgl. Ulrich (2006), S. 57ff.
9
Vgl. Ulrich (2006), S. 66ff.
10
Vgl. Martin/Wang (2001), S. 1ff., Amram (2002), S. 155ff., Amram (2003), S. 24ff.
11
Vgl. Küting/Zwirner (2001a), S. 200f., Küting/Zwirner (2001b), S. 573ff., Zwirner (2002), S. 245ff.,
Küting/Zwirner (2004a), S. 217ff., Küting/Zwirner (2004b), S. 251ff., Küting/Zwirner (2006), S.
921ff., Wagner (2006), S. 437.
12
Vgl. o.V. (IDW Standard) (2005), S. 2ff.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
3
1.2
Zielsetzung der Arbeit
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Beurteilung ausgewählter Unternehmens-
bewertungsmodelle hinsichtlich ihrer Eignung für die Film- und Fernsehindustrie. Der
Fokus richtet sich hierbei jedoch weniger auf die generelle Herleitung der Methoden,
die in der Literatur schon ausführlich behandelt wurde, sondern vielmehr auf die bran-
chenspezifischen Besonderheiten in der Anwendung der jeweiligen Verfahren. Anhand
dieser film- und fernsehspezifischen Anforderungen werden schließlich auch die Beur-
teilungskriterien entwickelt, auf deren Grundlage eine umfassende Prüfung der wesent-
lichen Bewertungsmethoden stattfindet. Aus Befragungen unterschiedlicher Branchen-
experten haben sich zwei Bewertungsmodelle als praxisrelevant herauskristallisiert, die
daher beide im Detail vorgestellt werden.
13
Die intensive Auseinandersetzung mit die-
sen traditionellen Unternehmensbewertungsmethoden im Zusammenhang mit der Film-
und Fernsehindustrie legt zum einen die Probleme offen, zu denen es bei der Anwen-
dung des jeweiligen Modells kommt, zum anderen wirft sie die Frage auf, wie in der
Praxis mit diesen Defiziten umgegangen wird und wie die speziellen Bewertungsme-
thoden in der Film- und Fernsehindustrie optimiert werden können. Der Schwerpunkt
liegt demnach auf der Identifikation dieser branchenspezifischen Schwierigkeiten, so-
wie der Entwicklung verschiedener Lösungsansätze. Dementsprechend verfolgt die Ar-
beit die Intention, Ideen und Ansätze zur Modifikation und Erweiterung der beste-
henden Bewertungselemente zu generieren, um ein valides ganzheitliches Unterneh-
mensbewertungsmodell zu konstruieren.
1.3
Gang der Untersuchung
Vor dem Hintergrund der aktuellen Relevanz von Unternehmensbewertungen im Be-
reich der Film- und Fernsehindustrie und ihrer Gestaltungsdefizite werden zunächst die
bewertungsrelevanten Besonderheiten der Branche dargestellt (Kapitel 2.1) und an-
schließend die begrifflichen Grundlagen zur Unternehmensbewertung unter Berücksich-
tigung der formulierten Zielsetzung definiert (Kapitel 2.2). Der Schwerpunkt wird
dabei auf dem deutschen Medienmarkt liegen, wobei zum Teil Verweise auf den ameri-
kanischen Film- und Fernsehsektor vorgenommen werden. Auf Basis dieser theoreti-
schen Grundlagen sowie der Einschätzungen aus der unternehmerischen Praxis, die aus
einer empirischen Studie
14
gewonnen wurden, folgt eine Analyse über die zwingenden
13
Allerdings gibt es weitere Methoden, die in der wissenschaftlichen Literatur branchenunabhängig
bereits vielfach analysiert wurden und auf die hier verwiesen werden kann. Vgl. hierzu unter anderem
Kerler (1999), S. 197ff., Mandl/Rabel (2002), S. 53ff., Ballwieser (2004), S. 1ff.
14
Die an die Branchenexperten gestellten Fragen sind im Anhang zu finden.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
4
Anforderungen, die an ein film- und fernsehspezifisches Unternehmensbewertungsmo-
dell gestellt werden müssen. Dieser Bewertungskatalog modifiziert allgemeine Beurtei-
lungskriterien für Unternehmensbewertungsmodelle in film- und fernsehspezifische
Anforderungen, anhand derer die selektierten Verfahren bewertet werden können (Ka-
pitel 3). Anschließend folgt ein Überblick über die gängigen Bewertungsmodelle (Ka-
pitel 4) und eine kurze Skizzierung der für die Film- und Fernsehpraxis relevanten Ver-
fahren in ihrem Aufbau und ihrer Zielsetzung (Kapitel 4.1.1 und Kapitel 4.2.1). Dar-
über hinaus wurden aus der empirischen Untersuchung, Kenntnisse über die film- und
fernsehspezifische Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem jeweiligen Verfahren
erlangt (Kapitel 4.1.2, Kapitel 4.1.3, Kapitel 4.1.4 und Kapitel 4.2.1), um eine ab-
schließende Beurteilung über die Anwendbarkeit des jeweiligen Bewertungsmodells
unter den Bedingungen des Kriterienkataloges geben zu können (Kapitel 4.1.5 und
Kapitel 4.2.2). Eine vergleichende Diskussion fasst die Vorzüge und Defizite der Un-
ternehmensbewertungsmodelle abschließend zusammen (Kapitel 4.3). Auf dieser
Grundlage werden Gestaltungshinweise ausgesprochen, die Ansatzpunkte für die Reali-
sierung eines branchenspezifischen Unternehmensbewertungsmodells aufzeigen (Kapi-
tel 5). Schließlich werden die Ergebnisse der Arbeit und deren Relevanz für die wissen-
schaftliche Theorie sowie die unternehmerische Praxis zusammengefasst und ein Aus-
blick auf die Zukunft der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
getätigt (Kapitel 6).
Bevor die Grundlagen der Bewertung von Film- und Fernsehunternehmen behandelt
werden, bleibt zu erwähnen, dass sich die gesamte Arbeit
15
auf Informationen sowohl
aus der gängigen, wissenschaftlichen Literatur als auch aus einer empirischen Studie
stützt. Im Rahmen dieser Studie wurden acht Expertengespräche durchgeführt, wobei
sowohl Vertreter der Film- und Fernsehbranche sowie Branchenexperten aus Unter-
nehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften befragt wurden. Themati-
siert wurde hierbei zunächst die Identifikation der branchenspezifischen Werttreiber und
Risiken, worauf sich Fragen zu den angewandten Bewertungsmodellen und deren Defi-
zite anschlossen. Darüber hinaus standen die Prognose der Einnahmen und die Berück-
sichtigung des Risikos im Fokus der Interviews. Die zehn Fragen wurden alle innerhalb
von 60 bis 90 Minuten in einem persönlichen Gespräch beantwortet.
15
Ausgenommen sind die theoretischen Grundlagen, demnach Kapitel 2.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
5
2
Grundlagen der Bewertung von Film- und Fernseh-
unternehmen
Bevor nun konkret auf die Bewertungsmethodik von Film- und Fernsehunternehmen
eingegangen wird, werden zunächst die Grundlagen bzw. die bewertungsrelevanten
Besonderheiten der Film- und Fernsehunternehmen in den folgenden Subkapiteln her-
ausgearbeitet.
2.1
Charakteristika der Branche
Die Film- und Fernsehindustrie lässt sich in unterschiedliche Wirtschaftszweige unter-
teilen, nämlich die Produktion, den Verleih, die Distribution über Filmtheater sowie die
Distribution über die Sender und Videotheken bis zum Endnachfrager.
16
Abbildung 1
gibt einen Überblick über die wichtigsten Wertschöpfungsstufen und Verwertungskanä-
le für audiovisuelle Medienprodukte, wobei der Fokus dieser Arbeit schraffiert hervor-
gehoben ist. Die folgenden Ausführungen richten sich somit auf die Betrachtung der
Unternehmen, die im Bereich der Filmherstellung und im Bereich der Herstellung von
TV-Programmen tätig sind. Des Weiteren werden die als Zwischenhändler fungieren-
den Lizenzhändler in die Analyse mit einbezogen, da hier ähnliche Bewertungsbeson-
derheiten zum Tragen kommen wie im Produktionsbereich. Die anderen Wertschöp-
fungsstufen fallen aus der Untersuchung heraus, weil die Struktur der gesamten Branche
sehr heterogen ist.
16
Vgl. Burr (2001), S. 335ff.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
6
Abbildung 1: Die Struktur der Film- und Fernsehwirtschaft
Quelle:
Kühnel (2003), S. 3 (modifiziert).
Unter den Begriff ,,Filmindustrie" fallen im Folgenden Produktionsunternehmen von
Kinofilmen sowie Unternehmen, die als Lizenzhändler
17
fungieren. Die TV-
Produzenten werden unter der Begrifflichkeit Fernsehindustrie zusammengefasst.
In den nachstehenden Subkapiteln werden zunächst die Filmindustrie sowie die Fern-
sehindustrie diskutiert und die für die Unternehmensbewertung relevanten Besonderhei-
ten herausgearbeitet.
2.1.1
Filmindustrie
Zunächst soll der Begriff Filmproduktion definiert und näher erläutert werden.
Der Produktionsbereich setzt sich aus sehr vielen kleinen und recht ähnlichen Unter-
nehmen zusammen, deren Aufgabe darin besteht, ein Filmwerk zu produzieren.
18
Unter
17
Wird synonym verwendet mit dem Begriff Filmrechtehändler und Filmverleih.
18
Vgl. Müller Lietzkow/Bouncken (2006), S. 9f.
Filmwirtschaft
Aktivitätsschwerpunkte
Wirtschaftszweige
Film- und Video-
herstellung
Herstellung von
TV-Programmen
TV-Produzenten
Kinofilm-
Produzenten
Filmverleih und
Videoprogramm-
anbieter
Videofilmproduzenten
Filmrechte-
händler
Videoprogramm-
anbieter
Filmverleih
Inland
Filmtheater
Verwertung in
anderen Wirt-
schaftszweigen
TV-Sender
Videotheken
sonstige Ver-
triebskanäle
Endnachfrage
Videoausleih und -
verkauf
Kino-
besucher
Filmtheater
Unternehmen
Filmvertrieb
Ausland
Filmexporte
Film- / TV-
Importe
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
7
einem Filmwerk sind ,,sämtliche filmischen Darstellungen, gleichgültig, für welche
Zwecke sie bestimmt sind, mit welchen technischen Mitteln und an welchem Ort sie
aufgenommen und wiedergegeben werden"
19
, zu verstehen. Filmproduktion ist also der
Herstellungsprozess eines solchen Filmwerkes
20
mit dem Ziel es zu verwerten. Diese
verwertbare Ware Film besteht zum einen aus materiellen Gütern wie dem Filmmateri-
al, zum anderen aber hauptsächlich aus immateriellen, schöpferischen Leistungen von
Personen. Das Gesamtwerk ist demzufolge ein immaterieller Vermögensgegenstand,
der gesetzlich durch Urheberrechte geschützt ist. Die Nutzung eines Films geschieht
durch die Verwertung dieser Urheberrechte bzw. der Nutzungsrechte durch den Inha-
ber
21
, die zu einem Zufluss von Zahlungsmitteln beim Filmproduzenten
22
führt. Hierbei
wird zwischen Verkauf (Auftragsproduktion
23
) und dem Regelfall in der Filmindustrie
(Eigenproduktion
24
) unterschieden.
25
Der Vermögensgegenstand Film kann grundsätz-
lich wie folgt definiert werden:
,,Filmvermögen ist das langfristig geschützte Recht zur wirtschaftlichen
Auswertung eines oder mehrerer Filme."
26
Im Hinblick auf die Besonderheiten der Bewertung von Filmproduktionsunternehmen
stellt sich die Frage nach einer adäquaten Bewertungsmethodik dieses immateriellen
Filmvermögens, da es den Hauptteil der Vermögenswerte des Produktionsunternehmens
ausmacht und den Teil darstellt, durch den Einnahmen generiert werden.
27
Der Filmrechtehandel übernimmt in der Filmindustrie eine so genannte ,,Gatekeeper"
28
-
Funktion, d.h. er ist das Bindeglied zwischen der Betriebsleistung und der Marktleis-
tung innerhalb der Wertschöpfungskette der Filmindustrie.
29
Seine Aufgabe ist es,
19
Castendyk (2004), S. 1.
20
Wird im Folgenden synonym mit dem Begriff Film verwendet.
21
In den USA kann eine natürliche Person die Urheberrechte, die aus ihrer schöpferischen Tätigkeit
resultieren, einer juristischen Person übertragen (work-for-hire-Klausel). Die großen Filmproduktions-
und Verleihunternehmen sind meist Inhaber aller Urheberrechte ihrer Filme. In Deutschland hingegen
können Urheberrechte selbst nicht übertragen werden, nur natürliche Personen können Urheberrechte
besitzen. Hier besteht aber die Möglichkeit, die Nutzungsrechte des Films an juristische Personen zu
übertragen.
22
Wird im Folgenden auch synonym mit dem Begriff Filmhersteller oder Filmproduktionsunternehmen
verwendet.
23
Vgl. Schwarz (2004a), S. 244: Eine Auftragsproduktion erfolgt durch einen Filmhersteller durch Ü-
bertragung eines Produktionsauftrages durch einen Auftraggeber. Der Auftraggeber erhält sämtliche
Rechte an der Produktion.
24
Vgl. Schwarz (2004a), S. 244: Bei einer Eigenproduktion wird der Film auf Eigeninitiative des Film-
herstellers produziert und er hat damit sämtliche Rechte am Film.
25
Vgl. Eggers (1997), S. 7ff.
26
Gercke (1958), S. 16.
27
Vgl. hierzu Kapitel 3.1.1.
28
Gatekeeper ist der englische Begriff für Informationsregulator.
29
Vgl. Gaitanides (2001), S. 78.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
8
Inhalte zu beschaffen und ,,eine möglichst effektive, kommerzielle Auswertung zu ge-
währleisten"
30
. Rechtehändler veräußern bzw. vermitteln Lizenzrechte an die weiteren
Auswertungsstufen
31
der Branche und sind dabei entweder mit der Produktionsstufe
verbunden und werten somit eigene Filmrechte aus oder handeln als Verkaufsagenten
der Produktionsunternehmen.
32
Außerdem treten sie als Financiers eines Produktionsun-
ternehmens auf und erhalten im Gegenzug die Auswertungsrechte der Filmwerke, wo-
bei sie einen Teil oder sämtliche Lizenzrechte an einem Film für einen bestimmten Zeit-
raum und ein bestimmtes Gebiet
33
, z.B. im deutschsprachigen Raum, erwerben. Dabei
bezahlen sie in der Regel eine Minimumgarantie zuzüglich eines erlösabhängigen An-
teils an das Produktionsunternehmen. Die Rechtehändler sind also für die regionale
Auswertung der Ware Film zuständig.
34
Einnahmen
Wie erwähnt, ist das Hauptmerkmal eines jeden Unternehmens die Leistungserstellung
zum Zwecke einer Verwertung dieser Leistung, demnach das Erzielen von Erlösen des
Filmproduzenten durch die Vermietung
35
oder den Verkauf der am Film erworbenen
Rechte. Die für die Bewertung wichtige Erlössituation eines Filmproduktionsunterneh-
mens kann durch den üblichen Verwertungszyklus der Filmrechte verdeutlicht werden:
Abbildung 2:
Verwertungskette eines Filmwerkes
Quelle:
Kühnel (2003), S. 5.
30
Hennerkes (2002), S. 29.
31
Vgl. hierzu Abbildung 1.
32
Vgl. Kallas (1991), S. 143ff.
33
Wird im Folgenden mit dem Begriff Territories synonym verwendet.
34
Vgl. Kallas (1991), S. 124f.
35
Die Rechte, einen Film für eine bestimmte Zeit innerhalb eines bestimmten Gebietes auf eine be-
stimmte Art auswerten zu dürfen, werden für einen gewissen Zeitraum gewährt und fallen nach Ver-
tragsende wieder an den Produzenten zurück.
Stufe 1
(6 - 18 Monate)
Produktion
(6 - 18 Monate)
Erst-
verwertung
Zweit-
verwertung
Nebenrechte: Audio, Print, Interaktive Medien, Merchandising, Internet
DVD
Pay - TV
Free - TV
Pay - TV
Free - TV
Stufe 2
(6 18 Monate)
Stufe 3
(18 24 Monate)
Stufe 4
(ab 18 Monate)
Kino
DVD
Pay - TV
Free - TV
Dritt-
verwertung
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
9
Die Nutzungsrechte lassen sich nach Art der Verwertung in Kino-, DVD- und Fern-
sehrechte unterteilen. Die erste Stufe im Auswertungszyklus mit einem Zeitraum von
bis zu sechs Monaten ist das Kino. Die Nutzungsrechte für die Kinoauswertung werden
in Form einer Filmkopie zunächst von einem Filmverleiher erworben, der diese verviel-
fältigt und anschließend gegen eine Verleihmiete an die Kinos weitergibt. Nach der Ki-
noauswertung folgt die DVD-Auswertung für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr.
Insgesamt eineinhalb Jahre nach der Filmfertigstellung erfolgt dann die Fernsehauswer-
tung, zunächst im Pay-TV, um später im Free-TV ausgestrahlt zu werden.
36
Nach eini-
gen Jahren fallen die Lizenzen wieder an den Produzenten zurück, wodurch es bei er-
folgreichen Produktionen zur Zweit- und später Drittverwertung kommen kann.
37
Dieser sehr langfristige Auswertungszyklus impliziert im angelsächsischen Raum, dass
ein Großteil der Erlöse des Filmproduktionsunternehmens erst Monate oder sogar Jahre
nach Abschluss der Fertigstellung des Filmes fließen werden. In der deutschen Film-
wirtschaft, auf die in dieser Arbeit hauptsächliches Augenmerk gerichtet wird, sind die
Lizenzen hingegen bereits vor Fertigstellung des Filmwerkes auf die Lizenzhändler und
die Fernsehsender verteilt. Da die Sender bzw. Lizenzhändler zur Finanzierung des Fil-
mes beitragen, verlieren in Deutschland die Filmproduktionsunternehmen nach Ab-
schluss ihrer Arbeit für die nächsten Jahre meist sämtliche Rechte an dem Film.
38
Damit
entfällt zwar das Vertriebsrisiko des Produzenten, der bereits während der Produktion
Einnahmen verbuchen kann, aber die regelmäßigen Kapitalrückflüsse fließen meist we-
gen dieser starken finanziellen Abhängigkeit von den Lizenzhändlern bzw. Fernsehsen-
dern an dem Produktionsunternehmen vorbei. Eine begrenzte Möglichkeit, Übererlöse
zu erwirtschaften, besteht lediglich durch die oft nur geringe Beteiligung des Produzen-
ten an den Einnahmen der weiteren Verwertungsstufen. Erschwerend kommt hinzu,
dass der Produzent in allen Verwertungsstufen ein schwierig zu kalkulierendes Absatz-
risiko trägt, verstärkt durch die fehlende Möglichkeit der Preisgestaltung. Denn seine
Erlöse resultieren ausschließlich aus der abgesetzten Menge, also der Anzahl an ver-
kauften Kinokarten. In den darauf folgenden Stufen ergibt sich ebenfalls kein Weg zur
Preispolitik des Produzenten.
39
Neben der Auswertung der Filmrechte hat der Produzent
eine weitere Option, Erlöse zu erwirtschaften. Stellt er nämlich den Film kostengünsti-
ger her, als er vorab kalkuliert hat, entstehen schon aus der Minimumgarantie
Deckungsbeiträge für ihn.
36
Vgl. Sauer (2007), S. 15.
37
Vgl. Martin/Wang (2001), S. 11.
38
Vgl. Kallas (1991), S. 113.
39
Vgl. Litman (1998), S. 16.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
10
Darüber hinaus generieren die Rechtehändler Erlöse durch die Auswertung der Filme
entlang dieser typischen Verwertungskette, da sie, wie erwähnt, meist alle oder einen
Teil der Rechte vom Produktionsunternehmen erworben haben. Die Erfolgsfaktoren der
Filme variieren allerdings auf den einzelnen Auswertungsstufen. Der wirtschaftliche
Erfolg eines Spielfilms und damit auch des Lizenzhändlers wird auf den nachgelagerten
Auswertungsstufen oft entscheidend durch den Kinoerfolg des Titels beeinflusst. In der
Literatur wird von ,,success breeds success"
40
bzw. vom ,,Kinoergebnis als Zugpferd der
Verwertungskette"
41
gesprochen. Ist der Kinostart erfolgreich, schließt sich häufig eine
Kettenreaktion erfolgreicher Auswertungsstufen an. So beeinflusst der Umsatz am Ki-
noeröffnungswochenende die gesamten Kinoumsätze, die wiederum zusammen mit
anderen Faktoren
42
die Umsätze in allen weiteren Verwertungsstufen beeinflussen.
Ausnahmen bilden allerdings gewisse Genres
43
, wie beispielsweise Kinder- oder Hor-
rorfilme, die erfahrungsgemäß erst in der DVD-Auswertung zum Erfolg führen. Es wird
ersichtlich, dass sich die Einnahmen der Lizenzrechtehändler aus der Verwertung der
einzelnen Filmrechte im Vorfeld nur schwer prognostizieren lassen. Wie im Verlauf
dieser Arbeit noch ausführlich dargestellt wird, spielt gerade dieser Aspekt der Prognos-
tizierbarkeit der Einnahmen in der Bewertung eine besondere Rolle.
Risiken
Insgesamt kann man in der Filmindustrie von drei spezifischen Risiken ausgehen. Zu-
erst entsteht ein Produktionsrisiko beim Filmproduktionsunternehmen. Das bedeutet,
dass immer ein Risiko besteht, ob der Film tatsächlich hergestellt werden kann oder ob
das Projekt abgebrochen werden muss.
44
Damit würde es unter Umständen zum Total-
ausfall der geplanten Erlöse im Produktionsunternehmen kommen.
45
Deshalb sind qua-
lifizierte Mitarbeiter insbesondere bei der Auswahl geeigneter Drehbücher notwendig,
um dieses Risiko zu minimieren.
Als zweites Risiko kann das Kostenrisiko genannt werden, das ebenfalls beim Film-
produzenten liegt. Es besteht immer ein Risiko, ob das Filmprojekt auch im Rahmen des
geplanten Budgets hergestellt werden kann. Insbesondere ist hierbei zu erwähnen, dass
40
Hennig-Thurau/Housten/Walsh (2003), S. 40.
41
Gaitanides (2001), S. 79.
42
Andere Faktoren sind gemäß den Experteninterviews bestimmte Wertdeterminanten, wie der Cast, die
Regie, das Genre.
43
Unter Genre versteht man die Art oder Gattung, mit der Filmwerke oder TV-Produktionen nach dem
künstlerischen Inhalt eingeteilt werden können. Beispielsweise Fiction oder Krimi.
44
Vgl. Kallas (1991), S. 143.
45
Vgl. Martin/Wang (2001), S. 7.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
11
der wirtschaftliche Erfolg eines Filmes speziell von der schauspielerischen Besetzung
abhängt. Die Aufwendungen für die Zahlungen der Gagen sind oft immens hoch, wes-
halb es auch zu sehr hohen Kosten in der Produktion kommen kann. Übersteigen die
Kosten im Laufe des Herstellungsprozesses das Budget, können infolgedessen auch
weniger Erlöse generiert werden.
46
Ergänzend muss hierzu erwähnt werden, dass die
Herstellungskosten nicht von der Zuschauerzahl abhängen. Unter diesem Gesichtspunkt
kann es zwar zu außerordentlich hohen Gewinnen kommen, aber eben auch zu hohen
Verlusten. Um diesen Sachverhalt zu präzisieren, wird für den Moment angenommen,
Kino sei die einzige Verwertungsmöglichkeit für Filme, was die Gültigkeit des Ergeb-
nisses jedoch nicht beeinträchtigt. Es gilt unter diesen vereinfachten Annahmen also:
BO = p*x
KE = ap*av*BO
wobei BO (Box Office) die Einnahmen der Kinos aus der Aufführung eines Filmes,
p den Preis der Kinokarte und x die Kino-Besucherzahl darstellt. KE sind die Einnah-
men des Filmproduzenten, a
v
der Anteil des Verleihs an den Kinoeinnahmen und a
p
der
Anteil des Produzenten an den Verleiheinnahmen. Dann gilt für den Erlös des Filmpro-
duzenten:
KE = a
p
*a
v
*p*x
Bezeichnet C die Aufwendungen, die zur Produktion des Filmwerkes anfallen und wird
angenommen, es gäbe variable Kosten V(x) = k*x, so gilt für den Erfolg G des Produ-
zenten:
G = a
p
*a
v
*p*x - C - k*x
Dann ist die Absatzelastizität des Erfolgs
=
x
k
-
C
-
x
p
av
ap
x
k
-
x
p
av
ap
=
G
x
dx
dG
Verändert man k und C so, dass die Gesamtkosten gleich bleiben, d.h.
dC
x
dk
= - und
lei
nter dieser Bedingung nach k ab, so erhält man:
G
x
x
G
x
d
-
=
-
-
-
=
2
G
dk
dC
-
*
x)
*
k
-
x
*
p
*
av
*
ap
(
*
dk
46
Vgl. Kallas (1991), S. 142.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
12
Demnach steigt die Absatzelastizität des Erfolgs mit dem Fixkostenanteil an den Pro-
duktionskosten.
47
Bleibt also bei einem ,,normalen" Produkt die Nachfrage hinter den
Erwartungen zurück, so wird eine geringere Stückzahl mit verhältnismäßig geringeren
Gesamtkosten produziert. Bei der Filmproduktion hingegen sind die Gesamtkosten im
Falle einer geringeren Nachfrage unverändert und die Verluste sind entsprechend grö-
ßer.
48
Als drittes Risiko wird das Vertriebsrisiko identifiziert. Dieses liegt bei Filmprodukti-
onen im angelsächsischen Raum beim Filmproduktionsunternehmen. Hier wird der
Film zuerst produziert und anschließend werden die Rechte daran verkauft.
49
In
Deutschland hingegen liegt das Vertriebsrisiko beim Filmrechtehändler, da dieser vorab
die Rechte am zu produzierenden Film erworben hat. Bei ihm liegt also auch das Aus-
wertungsrisiko. Das hohe Vertriebsrisiko in der Filmindustrie rührt daher, dass jeder
produzierte Film mit Sicherheit keine Wiederholung einer anderen Produktion ist. Film-
produktion kann also nach folgender Definition auch als Projekt charakterisiert werden:
,,Der Begriff Projekt (...) steht im Gegensatz zu sich dauernd wiederho-
lenden Vorgängen. Er beinhaltet, dass eine betriebliche Leistungserstel-
lung einmalig in ganz bestimmter Weise durchgeführt wird."
50
Demnach ist jede Filmherstellung und -verwertung ein Projekt und ist auch als ein sol-
ches mit entsprechendem Risiko behaftet. Es lassen sich aufgrund dieses projektartigen
Charakters der Branche kaum relevante Erfahrungen über das Nachfrageverhalten
sammeln. Der Zusammenhang von Produktionsaufwand und Erlösen ist demzufolge
stochastisch unabhängig
51
. Das bedeutet, dass sich der Filmproduzent einer mindestens
bis zur Uraufführung unbekannten Nachfragefunktion gegenüber sieht und impliziert,
dass kaum Annahmen über den Absatz und damit über künftige Erlöse, die aus der
Verwertung des Filmes generiert werden sollen, getroffen werden können. Auch die
Nachahmung erfolgreicher Filme führt ebenso wenig sicher zum Erfolg wie Kinofort-
setzungen.
52
Nachdem nun die bewertungsrelevanten Besonderheiten der Filmindustrie dargestellt
47
Zu beachten ist, dass für G < 0 die Ungleichung
ür |
Fall gilt.
48
Vgl. Frank (1993), S. 58f.
49
Vgl. Amram (2002), S. 156.
50
Wille/Gewald/Weber (1972), S. 16.
51
Unter stochastischer Unabhängigkeit versteht man in wahrscheinlichkeitstheoretischer Hinsicht den
Umstand, dass Ereignisse sich in Bezug auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit nicht gegenseitig beein-
flussen, also voneinander unabhängig sind.
52
Vgl. Frank (1993), S. 33ff.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
13
wurden, folgt im nächsten Abschnitt der Blick auf die Fernsehindustrie.
2.1.2
Fernsehindustrie
Eine Besonderheit des deutschen Fernsehmarktes liegt darin, dass es mit gebührenfi-
nanzierten, werbefinanzierten und entgeltfinanzierten Sendern ein Nebeneinander ver-
schiedener Anbietertypen gibt. Differenziert man nach der Trägerschaft, sind öffentlich
rechtliche- und private Sender zu unterscheiden, wobei sich die öffentlich-rechtlichen-
überwiegend durch Gebühren finanzieren und die privaten Anbieter hingegen durch
Werbeerlöse.
53
Aus diesem Grund zeichnen sich die privaten Fernsehsender, im Gegen-
satz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern durch einen dualen Produktmarkt aus: Für
die Zuschauer wird das Programm angeboten, für die werbetreibende Industrie der
Werberaum zur Verfügung gestellt.
54
Aus diesen Überlegungen ergeben sich die fol-
genden Märkte für private Fernsehsender:
55
1.
Auf dem Rezipientenmarkt bieten die Fernsehsender das Fernsehprogramm,
also die produzierten Filme, an und konkurrieren dort mit anderen Sendern um
die Gunst der Zuschauer mit dem Ziel eines möglichst hohen Marktanteils.
2.
Auf dem Werbemarkt bietet der Fernsehsender Werbezeiten an, um Einnah-
men zu generieren. Hier stehen sie in erster Linie in direkter Konkurrenz zu an-
deren Fernsehsendern sowie weiteren Medien wie beispielsweise Zeitungen,
Zeitschriften und dem Internet.
Sieht man also von den öffentlich-rechtlichen Sendern und dem Pay-TV ab, so stellen
Werbeeinnahmen den Großteil der Erlöse der Fernsehsender dar. Aus diesem Grund
ergeben sich zwischen den oben genannten Märkten folgende Abhängigkeiten, die als
Anzeigen-Auflagen-Spirale bezeichnet werden: Wie erfolgreich ein Fernsehsender ist,
ergibt sich unter anderem aus seinem Marktanteil. Ein hoher Marktanteil führt indes zu
gesteigerten Werbeeinnahmen, die wiederum für ein attraktiveres Programm genutzt
werden. Ist das Programmangebot attraktiv, erreicht das Unternehmen einen hohen Zu-
schaueranteil und damit eine höhere Nachfrage bzw. Zahlungsbereitschaft bei den Wer-
betreibenden, die wiederum zu Erlössteigerungen beim Fernsehsender führt.
56
Die Att-
raktivität eines Fernsehsenders für seine Werbekunden ergibt sich mithin vor allem aus
seiner Zuschauerquote aufgrund eines attraktiven Programms zur Erreichung der
53
Vgl. Berg/Rott (2000), S. 5.
54
Vgl. Ricken (2000), S. 17.
55
Vgl. Schröder (1997), S. 43f.
56
Vgl. Müller/Rott (1999), S. 3f.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
14
werberelevanten Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen, da diese als überdurchschnittlich
konsumbereit gelten.
57
Aus dieser Überlegung heraus resultiert ein dritter Markt der
Fernsehsender:
58
3.
Auf dem Programmbeschaffungsmarkt treten die Sender als Nachfrager auf.
Neben Eigen- und Auftragsproduktion werden bereits produzierte Programme
eingekauft, d.h. es werden Senderechte für die Nutzung über einen zeitlich be-
grenzten Raum erlangt.
So existiert eine starke Beziehung zwischen dem Programmbeschaffungs- und dem Re-
zipientenmarkt, da die Attraktivität der Inhalte den Nachfrageerfolg bei den Rezipienten
maßgeblich bestimmt.
59
Der Kreislauf dieser Interdependenzen zwischen den drei ge-
nannten Märkten wird in der folgenden Abbildung verdeutlicht, wobei die schraffierte
Fläche des Programmbeschaffungsmarktes den Schwerpunkt dieser Arbeit aufzeigt:
Abbildung 3: Interdependenzen der TV-Märkte
Quelle:
Ricken (2000), S. 19 (modifiziert).
Nachdem die Zusammenhänge des gesamten Fernsehmarktes dargestellt wurden, um
die wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den TV-Sendern und den TV-
Produzenten
60
herauszustellen, wird im Folgenden konkret auf die Besonderheiten der
Produktionsfirmen eingegangen, die auch im Fokus dieser Arbeit stehen werden.
Der Produktionsbegriff im Fernsehbereich erstreckt sich von der ersten Stoffidee bis zur
Abnahme der sendefertigen Kopie durch die Fernsehsender, sonach auf den gesamten
Vorgang der Entstehung eines Formats
61
, einschließlich Themen- und Kundenfindung.
62
57
Vgl. Berg/Rott (2000), S. 8.
58
Vgl. Wirtz (1994), S. 19ff.
59
Breyer-Mayländer (2004), S. 22.
60
Vgl. Seufert (2002), S. 3.
61
Formate sind Sendekonzepte mit gleicher optischer Gestaltung, Thematik und Struktur, aber wech-
selnden Inhalten.
62
Vgl. Schneider (1997), S. 7ff., de Haas (2000), S. 29.
Fernsehsender
Absatzmarkt
Beschaffungsmarkt
Rezipientenmarkt
Werbemarkt
Programmmarkt
Werbeerlöse
Programm-
einkauf
Marktanteil
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
15
Anders als in den USA
63
werden TV-Programme in Deutschland ausschließlich als Auf-
tragsproduktion hergestellt.
64
Damit existiert auf dem deutschen Markt kein unabhängi-
ges Angebot an Fernsehproduktionen und die Fernsehverwertungsrechte sind damit
direkt im Eigentum des jeweiligen Auftrag gebenden Fernsehsenders. Daher werden in
der Auftragsproduktion auch keine Einnahmen durch die Verwertung der Rechte gene-
riert, wie dies in der Filmindustrie der Fall ist.
Einnahmen
Die wesentlichen Auftraggeber
65
der deutschen Produktionsbranche und damit auch der
wichtigste Umsatzfaktor sind die Fernsehsender,
66
wobei die größte Nachfrage mit zwei
Dritteln des Volumens der deutschen Auftragsproduktionen von den privaten Sendern
67
ausgeht.
68
Die Höhe der Einschaltquote, die sich durch die Zuschauerakzeptanz des
Programms bestimmt, beeinflusst die Nachfrage nach neuen Formaten und damit die
Umsatzhöhe des Produktionsunternehmens. Die Quote ist folglich das wichtigste Krite-
rium, das die TV-Märkte verbindet.
69
Ein Auftragsproduzent in der Fernsehindustrie generiert demnach Einnahmen durch die
Produktion verschiedener Programmformate aufgrund eines Auftrages durch einen
Fernsehsender. Der Preis ergibt sich pro Sendeminute und variiert dabei nach Qualität
und dem damit verbundenen größeren Zeitaufwand bei der Stoffentwicklung oder nach
dem produzierten Genre.
70
Für die genaue Kalkulation der Preise wird das Drehbuch
systematisch ausgewertet, woraus dann ein Budget abgeleitet wird. Dieser finanzielle
Rahmen ist zwingend einzuhalten, da er die Basis des Vertrages zwischen Produzenten
und Sender darstellt. Dabei bedarf es vor allem der Einhaltung einer Zeitplanung wäh-
rend der Produktion, da ein Drehtag in der Regel ca. drei bis fünf Prozent des gesamten
Budgets in Anspruch nimmt und somit bei einem Budget von beispielsweise 1,5 Mio.
Euro einen Anteil von 45.000 bis 75.000 Euro beansprucht. Dieser Betrag ist unter Um-
ständen der Gewinn des Produzenten, der die Produktion unter betriebswirtschaftlichen
63
USA = United States of America.
64
Vgl. Pätzold/Röper (2006), S. 32ff.
65
Neben den Sendern können auch die Industrie oder Bildungseinrichtungen als Nachfrager auftreten.
Diese Gruppe ist jedoch zu vernachlässigen. Pay-TV Sender treten auf dem Beschaffungsmarkt nur
bei den Lizenzhändlern auf.
66
Vgl. Schneider (1997), S. 37.
67
Aus diesem Grund beschränken sich die Ausführungen auf Interdependenzen zwischen den Auftrags-
produzenten und privaten Fernsehsendern. Die öffentlich-rechtlichen-Sender, bei denen Zuschauer-
zahlen nicht in diesem Maße eine Rolle spielen, werden außer Acht gelassen.
68
Vgl. Pätzold/Röper (2006), S. 43.
69
Vgl. Schneider (1997), S. 5.
70
Vgl. Schneider, S. 5.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
16
Gesichtspunkten überhaupt erst lohnenswert macht.
71
Als Resultat müssen teilweise
Kostenersparnisse in Form von Drehortsverlagerungen sowie deren Auswirkungen auf
die Qualität des Produktes erörtert werden, um profitable Formate herstellen zu können.
Nachdem die Kosten kalkuliert wurden, wird üblicherweise ein Handlungs- sowie ein
Gewinnaufschlag addiert, um einen endgültigen Preis zu erhalten.
72
Nachdem die Einnahmenstruktur der TV-Auftragsproduzenten dargestellt wurde, folgt
eine Übersicht über die gängigen Risiken der Branche.
Risiken
Ein Risiko stellt die fragmentierte Anbieterstruktur der Fernsehproduzenten dar.
73
So
ist der TV-Produktionsmarkt in Deutschland, neben einigen wenigen großen Produkti-
onsunternehmen, durch viele kleine und mittelständische Betriebe gekennzeichnet, de-
ren Existenz nur durch ein Produkt oder wenige Produkte gesichert wird.
74
Es wird von
insgesamt ca. 1.500 TV-Produzenten ausgegangen, wobei sich die Anzahl der marktbe-
herrschenden großen Produktionsunternehmen auf einige Wenige
75
beschränkt. Die
Branche ist demnach zum einen von Innovationskraft geprägt, zum anderen aber auch
von einer Wettbewerbsintensität, die vielen Unternehmen die Wachstumsmöglichkeit
nimmt oder ihnen gänzlich die Geschäftsgrundlage entzieht, wenn die Sender auf Ver-
änderungen der Nachfrage reagieren müssen.
76
Ein weiteres Risiko der überwiegend
kleinen und mittleren Auftragsproduzenten liegt in den ungleichen Kräfteverhältnissen
gegenüber dem oligopolistischen Markt der Fernsehsender mit Milliardenumsätzen, die
den Druck auf die Produktionsunternehmen erhöhen und ihre Kontrahierungsmacht
gegenüber den Produzenten ausnutzen.
77
Als zweites müssen die Risiken genannt werden, die aus den Besonderheiten des Pro-
duktes resultieren. Zum einen ist die Vorhersage des Erfolgs einer Produktion im Vor-
feld nur sehr eingeschränkt möglich, weil es sich bei jeder Produktion um ein Unikat
handelt und die Akzeptanz durch die Rezipienten vielen unbestimmten Einflüssen
71
Vgl. Ziegler (2003), S. 58.
72
Vgl. Schneider (1997), S. 11f.
73
Vgl. Sauer (2003), S. 34.
74
Vgl. Usadel (2002), S. 1.
75
Vgl. Hachmeister/Anschlag (2003), S. 259f., o.V. (MME Moviement) (2005), S. 46: Gemäß des Ge-
schäftsberichtes 2005 der MME Moviement erzielten 22 TV-Produzenten einen Umsatz von mehr als
25 Mio. Euro, 32 einen Umsatz zwischen 12,5 und 25 Mio. Euro und 40 Produzenten einen Umsatz
zwischen 5 und 12,5 Mio. Euro. Unter 5 Mio. Euro sind ca. 405 Produzenten tätig und die restlichen
1.085 Produzenten erzielten ein Umsatzvolumen von weniger als 0,5 Mio. Euro pro Jahr.
76
Vgl. Pätzold/Röper (2006), S. 37.
77
Vgl. Seufert (2002), S. 11.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
17
unterworfen ist, die sich sehr schnell ändern können.
78
Da die Gesamtkosten einer Fern-
sehproduktion unabhängig von der Anzahl der Konsumenten sind, nehmen die Durch-
schnittskosten der Fernsehsender mit steigender Zuschauerzahl kontinuierlich ab.
79
Analog erhöhen sich die Durchschnittskosten im Nichterfolgsfall eines Formates. In
diesem Fall reduzieren die Sender die Anschlussaufträge und es kommt zu Erlösschmä-
lerungen beim Auftragsproduzenten. Zum anderen ist die Attraktivität der Formate in
hohem Maße von den Fähigkeiten einzelner an der Entstehung beteiligter Protagonisten,
die in erster Linie kreativ oder künstlerisch wirken, abhängig. Für Fernsehproduktions-
unternehmen sind demnach eine kompetente Geschäftsleitung wie auch erfahrene Mit-
arbeiter von hoher Bedeutung, um das Risiko eines Misserfolgs zu minimieren.
80
Darüber hinaus stellt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Werbemärkte nicht
nur ein beträchtliches Risiko für die Sender, sondern wegen der erwähnten Nachfrage-
dominanz der privaten Sender indirekt auch für die TV-Produzenten dar. Die Nachfrage
der Sender nach neuen Programmformaten und das damit verbundene Produktionsvo-
lumen der Auftragsproduzenten hängen demnach neben der Zuschauerakzeptanz der
Formate wesentlich von der Entwicklung der Werbemärkte ab.
81
Abschließend kann bezüglich der bewertungsrelevanten Branchenspezifika von Film-
und Fernsehunternehmen zusammengefasst werden, dass sowohl bei Filmproduktions-
unternehmen als auch bei Auftragsproduzenten die zentrale Bedeutung in den Chancen
und Risiken der Filmrechte bzw. Programmformate liegt. Nur ein erfolgreicher Film
bzw. ein attraktives Programm kann in dieser Branche Wert schaffen. Somit ist für die
Bewertung vor allem die gegenwärtige und zukünftige Library
82
bedeutsam und muss
auch mit all ihren Wertbestandteilen in die Unternehmensbewertung einfließen. Die
Gesamtheit aller Wert treibenden Faktoren und Risiken wird in Kapitel 3 zusammenfas-
send dargestellt.
Bevor nun konkret auf die zu berücksichtigenden Kriterien in einem Unternehmensbe-
wertungsmodell eingegangen wird, ist die Klärung der Bedeutung des Begriffs Unter-
nehmenswert unerlässlich.
78
Vgl. Usadel (2002), S. 1.
79
Vgl. Berg/Rott (2000), S. 16.
80
Vgl. Usadel (2002), S. 1, Lutz (2004), S. 164.
81
Vgl. Kiefer 2001, S. 318ff.
82
Der Begriff wird in der Praxis verwendet und meint die Rechte an den fertig gestellten Filmwerken.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
18
2.2
Unternehmenswert
Eine sachgerechte Analyse der Bewertung von Unternehmen der Film- und Fernsehin-
dustrie setzt in einem ersten Schritt die Ermittlung des zugrunde zu legenden Bewer-
tungskonzeptes voraus. Erst in einem zweiten Schritt ist unter Berücksichtigung der
branchenspezifischen Charakteristika zu prüfen, ob die traditionellen Bewertungsver-
fahren für die Anwendung in der Film- und Fernsehindustrie geeignet sind.
2.2.1
Allgemeine Definition
Um auf die Frage der Nützlichkeit der Gesamtbewertung eines Unternehmens antwor-
ten zu können, muss zunächst eine Klärung der Begrifflichkeit ,,Wert" erfolgen. In den
Wirtschaftswissenschaften steht der Wert eines Gutes ,,für die Bedeutung, die einem
Gut in Hinblick auf die Bedürfnisbefriedigung beigemessen wird"
83
. Demnach steigt der
Wert eines Gutes mit dem Nutzen, den es für andere darstellt. Diese Wertdefinition ist
in der Weise auf die Unternehmensbewertung übertragbar, als dass der Unternehmens-
wert von dem Nutzen bestimmt wird, den seine potenziellen Investoren aus ihm ziehen
können. Allerdings gibt es keinen absoluten, objektiv richtigen Unternehmenswert, da
unterschiedliche Investoren auch unterschiedliche Präferenzen und damit Nutzenfunkti-
onen haben. Dieser Nutzen besteht sowohl aus quantitativen als auch qualitativen
84
Zielerreichungskomponenten. Da der qualitative Teil jedoch kaum operationalisierbar
ist, soll in der folgenden Untersuchung hauptsächliches Augenmerk auf den monetär
bewertbaren Nutzen gelegt werden.
,,Der Unternehmenswert definiert sich als der monetär bewertbare Nut-
zen, den das Bewertungssubjekt
85
zukünftig aus dem Bewertungsobjekt
86
erzielen kann und der sich bei ausschließlich finanzieller Zielsetzung im
Barwert der mit dem Eigentum an den Unternehmen verbundenen Netto-
zuflüsse an die Unternehmenseigner konkretisiert."
87
Überdies verfolgen Unternehmensbewertungen unterschiedliche Ziele und werden zu
verschiedenen Zwecken durchgeführt. Auch diese funktionale Sichtweise der Unter-
nehmensbewertung besagt, dass der jeweils zu ermittelnde Wert nicht als allgemeingül-
tig anzusehen ist. Vielmehr hat dieser nur eine begrenzte Gültigkeit für den jeweiligen
83
o.V. (Brockhaus) (1994), S. 82.
84
Vgl. Egger (2006), S. 97ff.: Qualitative Wertkomponenten wie beispielsweise Ruhm und Prestigebe-
einflussen den individuellen Wert eines Unternehmens.
85
Das Bewertungssubjekt wird synonym mit dem Begriff Bewerter verwendet.
86
Das Bewertungsobjekt entspricht dem zu bewertenden Unternehmen.
87
Dreyer (2004), S. 25.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
19
mit der Bewertung verfolgten Zweck. Gemäß Hayn ,,muss bei der Wertermittlung somit
neben der interpersonellen Differenzierung in Abhängigkeit vom Bewertungssubjekt,
auch eine intrapersonelle Differenzierung in Abhängigkeit vom Bewertungszweck be-
rücksichtigt werden."
88
Je nach Bewertungszweck ergeben sich folgende Arten der Un-
ternehmenswertdefinition:
89
· Entscheidungswert
· Marktwert
· Schiedswert
· Argumentationswert
· Bemessungswert
Der auch als Grenzpreis bekannte Entscheidungswert soll in M&A-Transaktionen für
den potenziellen Käufer die Preisobergrenze bzw. die maximale Zahlungsbereitschaft
und für den potenziellen Verkäufer die Preisuntergrenze darstellen. Hingegen ist das
Ziel der Ermittlung des Marktwertes, die Bewertung des Unternehmens aus Sicht des
Kapitalmarktes bzw. der dort agierenden Kapitalgeber widerzuspiegeln. Die Festlegung
von Schiedswerten dient dem Zweck der Bestimmung eines akzeptierten Einigungs-
wertes im Falle divergierender Interessen zwischen Käufer und Verkäufer eines Unter-
nehmens. Die Ermittlung von Argumentationswerten zielt darauf ab, Argumente für
Verhandlungen zu liefern, wohingegen Bemessungswerte Unternehmenswerte darstel-
len, die auf der Grundlage exakt definierter Verfahren bestimmt werden. Sie dienen als
Bemessungsgrundlage bestimmter Sachverhalte, z.B. zur Bestimmung von Substanz-
steuern.
90
In der folgenden Arbeit wird ausschließlich der Entscheidungswert betrachtet, denn
dieser bildet im Allgemeinen den Ausgangspunkt für die Ermittlung der anderen darge-
stellten Werte. So bestimmt man bei einem Schiedsspruch zunächst die Entscheidungs-
werte der Parteien, um einen fairen Schiedswert feststellen zu können. Auch bei der
Ermittlung von Argumentationswerten sind im Rahmen von Verhandlungen die eigenen
und die Grenzpreise des Verhandlungspartners wichtig. Letztendlich lässt sich auch der
Marktwert eines Unternehmens aus den Entscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer
ableiten. Lediglich der Bemessungswert leitet sich nicht zwangsläufig aus dem
88
Hayn (2003), S. 38.
89
Vgl. Drukarczyk (2001), S. 128ff.
90
Vgl. Korthals (2005), S. 21f.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
20
Entscheidungswert ab. Er wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht näher beleuchtet,
weil es für dessen Ermittlung gesetzliche Vorschriften gibt und dadurch kein For-
schungsbedarf besteht.
Zusätzlich wird aus Gründen der Komplexitätsreduktion die persönliche Einkommens-
steuer im Folgenden außer Acht gelassen. Diese zwar unrealistische Annahme stellt
allerdings insofern kein Problem dar, als dass eine Anpassung der Werte an die indivi-
duelle Steuersituation problemlos möglich ist und die Kernaussagen dieser Arbeit erhal-
ten bleiben.
91
Aus gleichen Gründen bleibt auch der Einfluss der Kapitalstruktur hier
außen vor.
2.2.2
Definition bei Film- und Fernsehunternehmen
Wie bereits erläutert, stellt der Unternehmenswert eine subjektive Größe dar, die von
den Zielsetzungen und Präferenzen der Anleger abhängig ist. Dies ist auch bei Investo-
ren der Film- und Fernsehindustrie der Fall. Alle Anleger haben gemein, dass sie einen
Nutzen aus einer Beteiligung an einem Film- und Fernsehunternehmen ziehen und dafür
bereit sind, einen bestimmten Preis zu bezahlen. Die Art des Nutzens kann jedoch bei
verschiedenen Anlegergruppen auch in dieser Branche sehr unterschiedlich sein. Fi-
nanzinvestoren sind primär an den zu erwartenden Gewinnen und einer Wertsteigerung
ihrer Anlage interessiert. Strategische Investoren nutzen hingegen z.B. die zu erwer-
benden Formatsbibliotheken als Content oder Fernsehsender kaufen sich bei Filmpro-
duktionsunternehmen ein, um ihren Einfluss in dieser Sparte zu erhöhen. Aus der Dar-
stellung dieser unterschiedlichen Anlegergruppen und ihren Zielsetzungen lassen sich
zwei unterschiedliche Wertbestandteile des Unternehmenswertes von Film- und Fern-
sehunternehmen ableiten:
Abbildung 4: Unternehmenswert von Film- und Fernsehunternehmen
Quelle:
Korthals (2005), S. 23 (modifiziert).
91
Vgl. Schultze (2001), S. 239ff.
Finanzinvestoren
(Kapitalanleger)
Strategische Investo-
ren (z.B. Content-
Verwerter)
Unternehmens-
wert
Finanzwert
strategischer
Wert
Art der Wert-
generierung
Potenzielle
Investoren
Finanzielle Über-
schüsse , die innerhalb
des Filmunternehmens
erwirtschaftet werden.
Finanzielle Überschüs-
se aus Geschäften
zwischen Kapitalge-
bern und Dritten.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
21
Sowohl der Finanzwert als auch der strategische Wert ergeben sich aus der Eigenschaft
der Gewinnmaximierung als Ziel der Unternehmen der Film- und Fernsehindustrie.
92
Anders ausgedrückt: Da es sich bei Film- und Fernsehunternehmen um gewinnorientier-
te Unternehmen handelt, besteht der Wert des Unternehmens zwangsläufig in der Mög-
lichkeit der Erwirtschaftung finanzieller Überschüsse für seine Anteilseigner.
Der Finanzwert resultiert dabei aus den finanziellen Überschüssen, die innerhalb des
Film- oder Fernsehunternehmens erwirtschaftet werden und dann an den Investor flie-
ßen. Der Finanzwert entspricht infolgedessen dem Barwert der zukünftigen Nettoab-
flüsse.
93
Wie noch gezeigt wird, stellt die Bestimmung eben dieser finanziellen Über-
schüsse bei der Bewertung von Film- und Fernsehunternehmen die besondere Heraus-
forderung dar.
94
Der strategische Wert entsteht durch die finanziellen Überschüsse, die
zwar nicht direkt im Film- bzw. Fernsehunternehmen, sondern beim Investor entstehen,
aber dennoch auf die Beteiligung an dem Unternehmen zurückzuführen sind. Dieser
Wert kann z.B. durch Kostenvorteile oder auch Umsatzsteigerungen entstehen.
Ein Vergleich der beiden Wertdefinitionen lässt erkennen, dass dem strategischen Wert
eine deutlich höhere Subjektivität innewohnt als dem Finanzwert, da er stark von dem
beteiligten Investor abhängt. Die höhere Subjektivität hat zur Folge, dass auch die
Bandbreite möglicher Unternehmenswerte deutlich höher ausfällt als beim Finanzwert.
Der Gesamtwert eines Unternehmens der Film- und Fernsehbranche ergibt sich additiv
aus einer Kombination der beiden Wertkomponenten, wobei die genaue Gewichtung
von den Zielsetzungen des Investors abhängt. Für einen strategischen Investor ist zu-
nächst der strategische Wert von Bedeutung. Allerdings findet auch in diesem Fall der
Finanzwert bei der Entscheidungswertbestimmung Berücksichtigung, vorausgesetzt er
ist ein rational handelnder homo oeconomicus
95
. Daraus wird deutlich, dass sich der
Unternehmenswert zwar aus der Kombination der beiden Wertkomponenten zusam-
mensetzt, der Finanzwert aber in allen Fällen Berücksichtigung findet und damit eine
wichtige Untergrenze des Unternehmensgesamtwertes bildet. Aufgrund dieser Tatsache
und der deutlich höheren Subjektivität des strategischen Werts, wird sich die folgende
Arbeit auf die Bestimmung des Finanzwertes als Unternehmensgesamtwert in der Film-
und Fernsehindustrie beschränken.
92
Vgl. Schröder (1997), S. 43.
93
Vgl. o.V. (IDW) (2002), S. 2.
94
Vgl. hierzu Kapitel 4.1.3.
95
Vgl. Wöhe (2000), S. 44: Der homo oeconomicus ist der absolut zweck-rational handelnde Akteur.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
22
3
Film- und fernsehspezifisches Anforderungsprofil an ein
Unternehmensbewertungsmodell
Bevor nun in Kapitel 4 die gängigen Unternehmensbewertungsmethoden näher erläutert
und einer Anwendbarkeitsprüfung auf die Film- und Fernsehindustrie unterzogen wer-
den, muss zunächst ein Kriterienkatalog entwickelt werden. Dieser Katalog gibt Anfor-
derungen vor, die ein solches Modell für eine erfolgreiche Bewertung in dieser Branche
mitbringen muss.
Ein Unternehmensbewertungsmodell versucht, wie alle theoretischen Modelle zum
Zwecke der Komplexitätsreduktion, die Realität durch Fokussierung auf die wesentli-
chen Aspekte einer systematischen Analyse zugänglich zu machen. Das heißt, dass ein
real existierendes Problem unter vereinfachenden Annahmen in eine Modellwelt trans-
formiert wird, um die Lösung dann zurück auf die Realität zu übertragen. Bei einem
solchen Partialmodell der Unternehmensbewertung werden durch diese Fokussierung
unter Umständen relevante Aspekte aus der Betrachtung ausgeschlossen.
96
Damit ein
Bewertungsmodell trotz dieser Komplexitätsreduktion, auf Basis der Unternehmens-
wertdefinition und unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Besonderheiten, zu
validen Ergebnissen führt, muss es bestimmte Anforderungen erfüllen.
Erst einmal sind die allgemeinen, nahezu für jeden Bewertungszweck gültigen Grund-
prinzipien der Unternehmensbewertung einzuhalten. Da der Unternehmensbewertung
keine verbindlichen Rechtsnormen zugrunde liegen, definierte erstmals Moxter die
,,Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung" (GoU) wie folgt, um allge-
meingültige betriebswirtschaftliche Normen zu schaffen:
,,Unter den Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung ver-
steht man ein bestimmtes System von Bewertungsnormen; es soll Anlei-
tung zu zweckentsprechender Unternehmensbewertung geben, und es
soll, vor allem, die von Bewertungen Betroffenen schützen: den Bewerter
vor den Folgen von Kunstfehlern (§276 BGB
97
), die von der Bewertung
Betroffenen vor Nachteilen, die aus falschen Bewertungsmethoden resul-
tieren."
98
Auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) definiert ,,Grundsätze zur Durchführung
96
Vgl. Dreyer (2004), S. 68f.
97
Vgl. o.V. (BGB) (2002), S. 51.
98
Moxter (1983), S. 1.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
23
von Unternehmensbewertungen".
99
Sowohl die GoU von Moxter als auch die vom IDW
sind vom gewählten Bewertungsverfahren und in der Regel auch von der Unterneh-
mensgröße sowie der Branche unabhängig.
100
Da im Rahmen dieser Arbeit jedoch ausschließlich die Besonderheiten der Unterneh-
mensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie diskutiert werden, findet keine all-
gemeine Anwendbarkeitsprüfung der Bewertungsmodelle bezüglich dieser generell gül-
tigen Prinzipien statt. Es wird lediglich untersucht, ob die unterschiedlichen Methoden
geeignet sind, die spezifischen Merkmale der Branche zu berücksichtigen. Um zu vali-
den Ergebnissen zu gelangen, müssen die entsprechenden Verfahren demnach in der
Lage sein, die spezifischen Werttreiber und Risiken abzubilden sowie das Kriterium der
Flexibilität, der Vollständigkeit und der realen Ertragskraft in der Film- und Fernsehin-
dustrie zu erfüllen. Darüber hinaus soll das Anwendbarkeitskriterium ,,Praktikabilität"
in Bezug auf die Berücksichtigung dieser branchenspezifischen Besonderheiten des
jeweiligen Verfahrens in die Analyse einfließen. Für die Entwicklung dieses Kriterien-
katalogs wird sowohl auf die gängige Literatur, als auch auf die Aussagen verschiedener
Unternehmensvertreter der Film- und Fernsehindustrie, sowie Branchenexperten einiger
Beratungsgesellschaften aus qualifizierten Interviews zurückgegriffen. Die Befragung
thematisiert unter anderem die branchenspezifischen Werttreiber und Risiken und eignet
sich deshalb für die Entwicklung eines aussagekräftigen Anforderungskatalogs für Un-
ternehmensbewertungen in der Film- und Fernsehindustrie.
3.1
Abbildung der Werttreiber
Wie in Kapitel 4 noch gezeigt wird, ist den meisten Verfahren der Unternehmensbewer-
tung gemein, dass sie einer möglichst zuverlässigen Prognose künftiger Erfolgsgrößen
und Cash Flows bedürfen.
101
Dafür müssen zunächst die Werttreiber, die den Unter-
nehmenswert und damit die künftig den Kapitalgebern zur Verfügung stehenden freien
Cash Flows beeinflussen, identifiziert werden.
102
So stellen z.B. Umsatzwachstum und
Umsatzrendite Werttreiber im engen Sinne dar, weil diese Kennzahlen direkt den Cash
Flow beeinflussen, wohingegen sich die Werttreiber im weiteren Sinne als eine indirek-
te, demnach verursachende Größe im Unternehmen definieren.
103
Entscheidend sind
mithin für die Werttreiber im engen Sinne die beeinflussbaren, intern orientierten
99
Vgl. o.V. (IDW Standard) (2005), S. 8ff.
100
Vgl. Moxter (1984), S. 388.
101
Vgl. Küting/Zwirner (2006), S. 932f.
102
Vgl. Mandl/Rabel, (1997), S. 335ff.
103
Vgl. Töpfer/Mauerer (2000), S. 15.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
24
Werttreiber, die eine indirekte Bedeutung für den angestrebten Markterfolg haben. Aus
diesem Zusammenhang heraus stellt sich die Frage, welche speziellen Werttreiber im
weiteren Sinn in der Film- und Fernsehindustrie wirken. In den folgenden Subkapiteln
werden diese Werttreiber identifiziert, um später überprüfen zu können, ob eine korrek-
te Abbildung im jeweiligen Unternehmensbewertungsmodell erfolgen kann.
3.1.1
Library
Wie bereits zusammenfassend aus dem Kapitel 2.1 hervorging, ist der zentrale Wert-
treiber sowohl in der Film- als auch in der Fernsehindustrie die Library
104
und die damit
verbundenen zukünftigen Einnahmepotenziale. Auch Küting und Zwirner bestätigen,
dass eine ganzheitliche Bewertung eines Unternehmens dieser Branche insbesondere
eine valide Bewertung der einzelnen Filmrechte bedingt, da durch die Verwertung die-
ses selbst erstellten oder erworbenen immateriellen Vermögens über verschiedene geo-
grafische Distributionskanäle Erlöse und die damit korrespondierenden Cash Flows
generiert werden.
105
Dieser Zusammenhang bestätigt sich auch mehrfach in der Praxis.
So hängt die Qualität der einzelnen Filmrechte gemäß Wabnitz vor allem von der Ex-
klusivität, dem Thema, dem Cast, der Regie, dem Alter und den Print-and-Advertising-
Ausgaben (P&A-Ausgaben)
106
des Filmes ab.
107
Darüber hinaus können die einzelnen
Filmrechte vor allem beim Lizenzhandel nach den Territorien, der Rechteart
108
, einer
zeitlichen Komponente
109
und der Anzahl der Ausstrahlungen charakterisiert werden,
um schließlich Erlösströme schätzen zu können. Es findet also eine Prognose des Ein-
nahmenpotenzials anhand dieser Ausstattungskriterien der Filmrechte statt, da aufgrund
von Erfahrungswerten über die entsprechenden Ausstattungsmerkmale den Filmrechten
bestimmte Werte beigemessen werden können.
110
In der zu analysierenden Auftrags-
produktion der Fernsehindustrie können analoge Bedingungen angenommen werden.
104
Die Library bezeichnet in der Filmindustrie die Gesamtheit der zum Unternehmen gehörenden Film-
rechte. In der Fernsehindustrie stellt die Library die Formatsbibliothek dar und wird im Folgenden mit
diesem Begriff synonym verwendet.
105
Vgl. Küting /Zwirner (2004b), S. 251.
106
Vgl. Michael Wabnitz (Partner, Duff & Phelps), 28.03.2007, S. A22, Stephan O. Hansch (Finanzvor-
stand, ODEON Film AG), 04.04.2007, S. A52.
107
Vgl. Michael Wabnitz (Partner, Duff & Phelps), 28.03.2007, S. A22.
108
Es wird nach der Auswertungsart Kino, DVD, TV, etc. unterschieden.
109
Die zeitliche Komponente sagt aus, wie über welchen Zeitraum ein Recht erworben wurde, um es
dann für kürzere Zeiträume weiterzuverkaufen, um einen Mehrwert zu schaffen (Rechtehandel) oder
es innerhalb dieses Zeitraums ausstrahlen zu können (TV).
110
Vgl. David Kratz (Geschäftsleitung, Beta Film GmbH), 22.03.2007, S. A19, Michael Wabnitz (Part-
ner, Duff & Phelps), 28.03.2007, S. A26, Michael Salcher (Director, Advisory Corporate Finance,
KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG), 29.03.2007, S. A32, Hanns Beese (Vorstandsmitglied,
Constantin Film AG), 02.04.2007, S. A39f., Elmar Geissinger (Partner, Ziems & Partner), 02.04.2007,
S. A47.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
25
Zwar kommt es nicht zur beschriebenen Verwertung der Rechte, allerdings bestimmt
sich das Umsatzpotenzial auch hier durch die hergestellten bzw. herzustellenden Pro-
grammformate, bei denen sich der Erfolg auf ähnliche Faktoren stützt wie auch in der
Filmindustrie. Eine detaillierte Beschreibung der Einnahmenprognose aufgrund der be-
schriebenen Merkmale der verschiedenen Filmrechte und Formate wird in Kapitel 4
folgen. Abschließend kann konstatiert werden, dass die Werthaltigkeit des Gesamtun-
ternehmens primär von der Werthaltigkeit der Filmrechte und Formate abhängt, da die-
se die Geschäftstätigkeit des Unternehmens widerspiegeln. Damit stellt die Library bzw.
die Formatsbibliothek den wesentlichen Werttreiber in der Film- und Fernsehindustrie
dar, deren Einfluss es im Bewertungsmodell zu berücksichtigen gilt.
Es ist allerdings zu beachten, dass Qualitätsführerschaft bei jeder Art von Unternehmen
angestrebt wird, um langfristig erfolgreich zu sein.
111
Aus diesem Grund sollte im Rah-
men der Werttreiberanalyse eine umfassende Identifikation der Aktivitäten erfolgen, die
letztendlich in eine solche Qualitätsführerschaft münden. Es sind demnach neben dem
Einfluss des Library-Wertes als solches diejenigen Werttreiber zu identifizieren, die den
Wert der einzelnen Rechte maßgeblich mit beeinflussen.
3.1.2
Humankapital
Sowohl in der Filmproduktion als auch im Lizenzhandel und der Auftragsproduktion
der Fernsehindustrie wurde in Umfragen die starke Personenabhängigkeit der Branche
bestätigt.
112
Es wurde mehrfach erwähnt, dass insbesondere das kreative Personal für
die Werthaltigkeit dieser Unternehmen von zentraler Bedeutung sei.
113
So kam häufig
sowohl in der Praxis als auch in der Literatur zur Sprache, dass der Erfolg eines Film-
werkes oder Formates, der letztendlich den Erfolg des gesamten Unternehmens aus-
macht, hauptsächlich vom Produzenten abhängt.
114
Es gilt also vor allem das kreative
111
Vgl. Porter (1999b), S. 97ff. und 168ff.
112
Vgl. Dr. Christian Franckenstein (Finanzvorstand, MME Moviement AG), 21.03.2007, S. A9, David
Kratz (Geschäftsleitung, Beta Film GmbH), 22.03.2007, S. A15, Michael Wabnitz (Partner, Duff &
Phelps), 28.03.2007, S. A25, Michael Salcher (Director, Advisory Corporate Finance, KPMG Deut-
sche Treuhand-Gesellschaft AG), 29.03.2007, S. A28, Hanns Beese (Vorstandsmitglied, Constantin
Film AG), 02.04.2007, S. A35, Elmar Geissinger (Partner, Ziems & Partner), 02.04.2007, S. A46,
Stephan O. Hansch (Finanzvorstand, ODEON Film AG), 04.04.2007, S. A49.
113
Vgl. Santiago Ruiz de Vargas (Wirtschaftsprüfer, Nörr Stiefenhofer Lutz), 20.03.2007, S. A2, Dr.
Christian Franckenstein (Finanzvorstand, MME Moviement AG), 21.03.2007, S. A9, David Kratz
(Geschäftsleitung, Beta Film GmbH), 22.03.2007, S. A15, Michael Salcher (Director, Advisory Cor-
porate Finance, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG), 29.03.2007, S. A28, Hanns Beese
(Vorstandsmitglied, Constantin Film AG), 02.04.2007, S. A35, Stephan O. Hansch (Finanzvorstand,
ODEON Film AG), 04.04.2007, S. A49.
114
Vgl. Michael Salcher (Director, Advisory Corporate Finance, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft
AG), 29.03.2007, S. A28, Stephan O. Hansch (Finanzvorstand, ODEON Film AG), 04.04.2007, S.
A49, Ziegler (2003), S. 55.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
_____________________________________________________________________
26
Personal an das Film- oder Fernsehunternehmen zu binden, um langfristig den Erfolg zu
sichern. Als ein weiterer wesentlicher Wert treibender Faktor im Bereich des Humanka-
pitals
115
wurde die Kompetenz des Managements genannt, das ein ,,Gefühl" für erfolg-
reiche Filme bzw. Programmformate entwickeln muss. Das Management sollte einer-
seits eine gewisse Risikofreude mitbringen, um in Projekte zu investieren, es sollte aber
andererseits auch Fehlinvestitionen erkennen können und gegebenenfalls korrigierend
eingreifen.
116
Darüber hinaus ist ein großer Erfahrungsschatz hinsichtlich des Verwer-
tungspotenzials der verschiedenen Filmrechte bzw. Formate entscheidend. So müssen
Mitarbeiter über umfangreiche Kenntnisse der verschiedenen Absatzmärkte verfügen,
um zu wissen, in welchen Territorien und zu welchem Preis die unterschiedlichen Film-
rechte und Fernsehformate auswertbar sind, um gewinnbringend arbeiten zu können.
117
Darüber hinaus müssen Mitarbeiter der Film- und Fernsehproduktionen in der Lage
sein, zielgruppenkonforme Formate zu produzieren, damit die werbewirksame Gruppe
angesprochen wird, die letztendlich die Einnahmen sichert.
118
Es wird ersichtlich, dass
dafür stark branchenspezifische Marktkenntnisse erforderlich sind, ohne die das Unter-
nehmen nicht nachhaltig Wert schaffen kann. Auch aus der vorstehenden Analyse der
Film- und Fernsehindustrie in dieser Arbeit
119
wurde deutlich, dass ein großer Anteil der
wesentlichen Werttreiber dieser Branche in den Bereich des Humankapitals fällt.
Generell gilt, dass die Qualität eines Produktes abhängig von der Qualität der eingesetz-
ten Produktionsfaktoren ist.
120
Wie gesehen, ist in der Film- und Fernsehindustrie der
Hauptproduktionsfaktor die Arbeitskraft und das Wissen
121
der Mitarbeiter, dement-
sprechend das Humankapital. Eine gute gegenwärtige und vor allem zukünftige Qualität
der Library setzt somit eine gute Qualität der Mitarbeiter und ihrer Fähigkeiten voraus.
Damit wird als wesentlicher Werttreiber der Film- und Fernsehindustrie das
115
Vgl. Edvinsson/Brünng (2000), S. 28: Das Humankapital definiert sich als die individuellen Fähigkei-
ten und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und stellt damit das personengebundene Potenzial
des Unternehmens dar.
116
Vgl. Michael Salcher (Director, Advisory Corporate Finance, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft
AG), 29.03.2007, S. A28, Hanns Beese (Vorstandsmitglied, Constantin Film AG), 02.04.2007, S.
A35.
117
Vgl. David Kratz (Geschäftsleitung, Beta Film GmbH), 22.03.2007, S. A15, Elmar Geissinger (Part-
ner, Ziems & Partner), 02.04.2007, S. A43.
118
Vgl. Santiago Ruiz de Vargas (Wirtschaftsprüfer, Nörr Stiefenhofer Lutz), 20.03.2007, S. A3, Hanns
Beese (Vorstandsmitglied, Constantin Film AG), 02.04.2007, S. A35f.
119
Vgl. Kapitel 2.1.
120
Vgl. Dreyer (2004), S. 79.
121
Vgl. Lasogga (2001a), S. 342: Unter Wissen soll hier die intelligente Verknüpfung von Informationen
und Erfahrungen, die in einem unmittelbaren Kontext stehen, verstanden werden. Vgl. Bullin-
ger/Wagner/Ohlhausen (2000), S. 82: Wissen kann daher als Ergebnis der Verarbeitung von Informa-
tionen durch das Bewusstsein und somit als verstandene Information bezeichnet werden.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
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27
Humankapital identifiziert und muss deshalb entsprechend in der Unternehmensbewer-
tung Berücksichtigung finden.
3.1.3
Strukturkapital
Neben dem Humankapital ist auch das Strukturkapital im Unternehmensbewertungs-
modell abzubilden. Das Strukturkapital bezeichnet bei Edvinsson/Malone
122
die unter-
stützende Infrastruktur des Humankapitals und besteht in seinen wesentlichen Ausprä-
gungen aus dem Organisationskapital und dem Beziehungskapital.
123
Dabei findet im
Bereich des Organisationskapitals noch eine Einteilung in Prozesskapital, Innovations-
kapital und Standortkapital statt. Das für die Film- und Fernsehindustrie entscheidende
Beziehungskapital, das auch Reputationskapital oder Customer Capital genannt
wird,
124
untergliedert sich in Kundenkapital, Lieferantenkapital und Investorenkapi-
tal.
125
Zu den Werttreibern aus dem Bereich des Kundenkapitals gehört vor allem die Fähig-
keit zum Aufbau und Erhalt eines Kundenstammes,
126
wie auch die empirische Unter-
suchung im Rahmen dieser Arbeit mehrfach bestätigt.
127
So wurde sowohl für die Film-
produktion und den Lizenzhandel als auch für die TV-Auftragsproduktion ein funktio-
nierendes b2b-Geschäft
128
als unerlässlich eingestuft. Dabei spielen in erster Linie die
Verkaufskontakte zu den Sendern der Key-Territories
129
eine Rolle, da ,,persönliche
Verbindungen in erheblichem Maße dazu beitragen, Aufträge zu erhalten"
130
. Ohne die
entsprechenden Kontakte zu den Sendern werden in diesem, durch Herrn Hansch der
ODEON Film so titulierten, face-to-face-Geschäft
131
teilweise auch attraktive Rechte
122
Vgl. Edvinsson/Malone (1997), S. 34ff.
123
Vgl. Hudak/Deser (2006), S. 24, Vollmar/Baral (2006), S. 31.
124
Vgl. Schützenhofer (2005), S. 63ff.
125
Das Organisationskapital spielt selbstverständlich auch bei Film- und Fernsehunternehmen eine Rolle,
stellt aber insofern keine Besonderheit der Branche dar, als dass das Organisationskapital mit seinen
Ausprägungen in jeder Branche relevant ist und in Film- und Fernsehindustrie damit nicht wichtiger
als in anderen Bereichen. Dem Beziehungskapital ist bei Film- und Fernsehunternehmen hingegen ei-
ne besondere Relevanz zuzuschreiben.
126
Vgl. Dreyer (2004), S. 91.
127
Vgl. Dr. Christian Franckenstein (Finanzvorstand, MME Moviement AG), 21.03.2007, S. A8f., David
Kratz (Geschäftsleitung, Beta Film GmbH), 22.03.2007, S. A15, Michael Salcher (Director, Advisory
Corporate Finance, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG), 29.03.2007, S. A29, Elmar Geis-
singer (Partner, Ziems & Partner), 02.04.2007, S. A43, Stephan O. Hansch (Finanzvorstand, ODEON
Film AG), 04.04.2007,S. A49.
128
B2b steht für Business-to-Business und stellt Geschäfte zwischen Unternehmen, ihren Lieferanten und
Händlern dar.
129
Vgl. David Kratz (Geschäftsleitung, Beta Film GmbH), 22.03.2007, S. A14: Die Key Territories stel-
len die Länder und Gebiete dar, in denen die Fernsehfilme und Filmrechte aufgrund der Marktstruktur
der Sender am besten verwertbar werden. In Europa sind Deutschland, Frankreich, Italien und Spa-
nien die Key Territories.
130
Vgl. Stephan O. Hansch (Finanzvorstand, ODEON Film AG), 04.04.2007, S. A49.
131
Vgl. Stephan O. Hansch (Finanzvorstand, ODEON Film AG), 04.04.2007, S. A49.
Besonderheiten der Unternehmensbewertung in der Film- und Fernsehindustrie
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28
unauswertbar.
132
Gerade vor dem Hintergrund der erhöhten Unsicherheit bezüglich der
erfolgreichen Auswertbarkeit des Filmwerks oder TV-Formats aufgrund des immanen-
ten hohen Projektcharakters treten Vertrauenseigenschaften in den Vordergrund. Die
Reputation
133
des Film- oder Fernsehunternehmens erlangt damit verkaufsentscheidende
Bedeutung und wird damit zum zentralen Werttreiber der Branche.
Für den Lizenzhandel ist neben dem Kundenkapital auch das Lieferantenkapital rele-
vant, da nicht nur die Konditionen der Verkaufsverträge, sondern auch der Einkaufsver-
träge wertentscheidend sind. Außerdem kommt dem Einkauf eine besondere Bedeutung
zu, da nur der Zugang zu aktueller Ware die Library am Leben erhalten kann.
134
Die
Dauer und Qualität der Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten stellen daher wesentliche
Werttreiber des Lieferantenkapitals dar.
135
Im Bereich des Investorkapitals ist neben der Gewinnung neuer Investoren auch die
Pflege der bestehenden Finanzierungsbeziehungen relevant. Diese manifestiert sich in
Investor-Relations-Maßnahmen, die sowohl die Hausbankbeziehungen als auch die Ka-
pitalgeberloyalität positiv beeinflussen sollen, um die Finanzierungssituation des Unter-
nehmens zu stärken.
136
Aufgrund des geringen Anteils des materiellen Vermögens am
Gesamtvermögen des Film- oder Fernsehunternehmens spielen Rechte und immaterielle
Vermögensgegenstände eine gewichtige Rolle. Die nur vage Einschätzbarkeit der Wert-
haltigkeit dieses immateriellen Vermögens hat üblicherweise zur Folge, dass der Bewer-
tungsprozess im Vorfeld von Finanzierungsverträgen erschwert wird, wodurch die Fi-
nanzierungsmöglichkeiten innerhalb dieser Branche begrenzt sind.
137
In einer risikobe-
wussten Bewertungskonzeption wird daher besonderes Augenmerk auf die genannten
humankapitalabhängigen Werttreiber gerichtet. Je besser also die Reputation des Film-
oder Fernsehunternehmens ist, desto vorteilhafter gestaltet sich auch die Finanzierungs-
situation.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es einem Unternehmensbewertungs-
modell möglich sein muss, diese spezifischen Werttreiber zu identifizieren und zu
132
Vgl. David Kratz (Geschäftsleitung, Beta Film GmbH), 22.03.2007, S. A15, Michael Salcher (Direc-
tor, Advisory Corporate Finance, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG), 29.03.2007, S. A29.
133
Joachimsen 2005, S. 152: ,,Unter Reputation wird gemeinhin der gute Ruf bzw. das Ansehen, den
bzw. das sich eine einzelne Person oder eine Institution aufgrund ihrer Kompetenz und Qualifikation
bei der Erbringung von gesellschaftlich relevanten Leistungen erworben hat." Vgl. Meffert/Bierwirth
2002, S. 189: Das Konstrukt der Reputation resultiert aus einer integrierten Bewertung der Unterneh-
mensimages im Zeitablauf, die von den Interessen und Perspektiven der verschiedenen Zielgruppen
des Unternehmens geprägt sind.
134
Vgl. Elmar Geissinger (Partner, Ziems & Partner), 02.04.2007, S. A43f.
135
Dreyer (2004), S. 91.
136
Vgl. Dreyer (2004), S. 93.
137
Vgl. Michael Wabnitz (Partner, Duff & Phelps), 28.03.2007, S. A23.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2007
- ISBN (eBook)
- 9783836608213
- DOI
- 10.3239/9783836608213
- Dateigröße
- 1.6 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Hamburg – Wirtschaftswissenschaften, Medienökonomie
- Erscheinungsdatum
- 2008 (Januar)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- filmwirtschaft unternehmensbewertung filmindustrie fernsehindustrie dcf-methode humankapital
- Produktsicherheit
- Diplom.de