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Verkehrsplanung deutscher Städte zwischen 1920 und 1960

Dargestellt am Beispiel von Hannover

©2002 Magisterarbeit 137 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das hannoversche Straßensystem wurde in der Aufbauphase der Nachkriegszeit grundlegend neu strukturiert. Die Bombardierung durch Luftangriffe der Alliierte betraf in erheblichem Ausmaß das gesamte Stadtgebiet, die Innenstadt Hannovers wurde dabei fast völlig zerstört.
Stadtplaner, Architekten und die politischen Institutionen der Stadt sowie Teile der einflussreichen hannoverschen Wirtschaft und der Bevölkerung entwickelten gemeinsam neue Konzepte, um die vorausgesagte, massive Steigerung des motorisierten Verkehrs in der Zukunft bewältigen zu können. Das Straßenverkehrsnetz sollte das Grundgerippe der weiteren Stadtentwicklung werden. Die umfangreichen Zerstörungen des Stadtgebietes boten den Planern dabei die Chance, grundsätzliche Strukturprobleme der Vergangenheit aufzulösen. Neben der Neuordnung des Straßennetzes, das an die Entwicklung des Automobils als dominierende Zukunftstechnologie angepasst werden musste, stand auch die Auflockerung und Überplanung der alten Stadtstruktur im Vordergrund der Überlegung.
In den 60er Jahren wurde der Neuaufbau Hannovers mit einem „Wunder“ verglichen, das bundesweit als einzigartig galt. Hannover wurde unter Rudolf Hillebrecht und seinen Mitarbeitern zur „autogerechten Stadt“ auf- und ausgebaut.
Gang der Untersuchung:
Die vorliegende Arbeit will die Entwicklungslinien und -stufen der Verkehrswege in und um Hannover darstellen. Dabei soll der Schwerpunkt der Ausarbeitung in der Zeit der 30er bis zur Mitte der 50er Jahre liegen. Dieser Zeitraum wurde gewählt, da mit dem Stadtbaurat Elkart eine Epoche begann, in der weit reichende Überlegungen erarbeitet wurden, wie das Straßennetz den zukünftigen Anforderungen des Verkehrs angepasst werden konnte.
Um die Entwicklung der Straßenführung in Hannover sowie deren Weiterentwicklung darstellen zu können, ist es notwendig, einen Exkurs in die Vergangenheit zu unternehmen und die Entwicklung der historischen Straßenverläufe seit Gründung der Stadt kurz darzustellen. Ebenso ist die Betrachtung der geographischen Lage Hannovers, und die damit zusammenhängende historische Entwicklung in Bezug auf die Handelswege und Verkehrsstraßen eine wichtige Voruntersuchung, um die Gesamtzusammenhänge der Entwicklung im hannoverschen Verkehrsnetz erkennen zu können.
Es wird sich im Verlauf der Arbeit zeigen, dass Hannover im bearbeiteten Zeitraum unterschiedliche Paradigmen des Städtebaus erfahren hat. Der Stadtbau der Gründerzeit unterschied sich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Axel Düker
Verkehrsplanung deutscher Städte zwischen 1920 und 1960
Dargestellt am Beispiel von Hannover
ISBN: 978-3-8366-0737-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität Hannover, Hannover, Deutschland, Magisterarbeit, 2002
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

1
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung zum Thema und zur Literaturlage
3
2
Die Ursprünge der Stadt Hannover
7
2.1 Von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft
8
2.2 Rohstoffe, Siedlungs- und Straßenentwicklung
10
2.3 Handelswege im Raum Hannover
13
2.4 Die Beschaffenheit der Wege
16
3
Stadt- und Verkehrsplanungen zwischen 1933 und 1945
19
3.1 Gesamtdeutsche
Entwicklung
21
3.1.1 Ideologie und Geschichte der Reichsautobahn
24
3.1.2 Architekten und Stadtplanung im NS Regime
29
3.1.3 Speer und der Arbeitsstab Wiederaufbauplanung
31
3.1.4 Die Schadensbilanz deutscher Städte
37
3.2 Stadt- und Verkehrsplanungen unter Karl Elkart
41
3.2.1 Hannoversche Verkehrsstraßen in den 30er Jahren
43
3.2.2
Elkarts
Ringstraßensystem
45
3.2.3 Planungen Parteibauten und Sichtachsen
49
4
Die Zerstörung Hannovers 1940 - 1945
53
4.1 Aufbaupläne nach der Zerstörung 1943
57
4.2 Das Ende des Krieges und der politische Neuanfang
61
4.3 Die Räumung und Verwendung der Trümmer
64
5
Stadt- und Verkehrsplanungen zwischen 1945 und 1955
66
5.1 Planungen in der Amtszeit Otto Mefferts
66
5.2 Der Wiederaufbau- und Generalverkehrsplan 1947
69

2
5.3 Der Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht
73
5.3.1 Die Jahre 1947/48 und der Kollegialplan
77
5.3.2 Öffentlichkeitsarbeit und Gründung der
Aufbaugemeinschaft 81
5.3.3 Der Innenstadtwettbewerb 1948/49
85
5.3.4 Verkehrsplanungen im Generalplan 1950
91
5.3.5 Die Tangenten um die Innenstadt
98
5.3.6
Radialstraßen
und
Tangenten
101
5.3.7 Künstlerische Aspekte im Straßenbau
104
6
Verkehrsplanungen in anderen Städten nach 1945
108
6.1 Berlin
110
6.2 Magdeburg
117
7 Schlussbetrachtung
122
Literaturverzeichnis 127
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
133
Abkürzungsverzeichnis 134

3
1 Einleitung zum Thema und zur Literaturlage
Das hannoversche Straßensystem wurde in der Aufbauphase der
Nachkriegszeit grundlegend neu strukturiert. Die Bombardierung
durch Luftangriffe der Alliierte betraf in erheblichem Ausmaß das ge-
samte Stadtgebiet, die Innenstadt Hannovers wurde dabei fast völlig
zerstört.
Stadtplaner, Architekten und die politischen Institutionen der Stadt
sowie Teile der einflussreichen hannoverschen Wirtschaft und der
Bevölkerung entwickelten gemeinsam neue Konzepte, um die vor-
ausgesagte, massive Steigerung des motorisierten Verkehrs in der
Zukunft bewältigen zu können. Das Straßenverkehrsnetz sollte das
Grundgerippe der weiteren Stadtentwicklung werden. Die umfang-
reichen Zerstörungen des Stadtgebietes boten den Planern dabei
die Chance, grundsätzliche Strukturprobleme der Vergangenheit
aufzulösen. Neben der Neuordnung des Straßennetzes, das an die
Entwicklung des Automobils als dominierende Zukunftstechnologie
angepasst werden musste, stand auch die Auflockerung und Über-
planung der alten Stadtstruktur im Vordergrund der Überlegung.
In den 60er Jahren wurde der Neuaufbau Hannovers mit einem
,,Wunder"
1
verglichen, das bundesweit als einzigartig galt. Hannover
wurde unter Rudolf Hillebrecht und seinen Mitarbeitern zur ,,autoge-
rechten Stadt" auf- und ausgebaut.
Die vorliegende Arbeit will die Entwicklungslinien und -stufen der
Verkehrswege in und um Hannover darstellen. Dabei soll der
Schwerpunkt der Ausarbeitung in der Zeit der 30er bis zur Mitte der
50er Jahre liegen. Dieser Zeitraum wurde gewählt, da mit dem
Stadtbaurat Elkart eine Epoche begann, in der weit reichende Über-
legungen erarbeitet wurden, wie das Straßennetz den zukünftigen
Anforderungen des Verkehrs angepasst werden konnte.
1
Der Spiegel, Hillebrecht ­ Das Wunder von Hannover.

4
Um die Entwicklung der Straßenführung in Hannover sowie deren
Weiterentwicklung darstellen zu können, ist es notwendig, einen Ex-
kurs in die Vergangenheit zu unternehmen und die Entwicklung der
historischen Straßenverläufe seit Gründung der Stadt kurz darzustel-
len. Ebenso ist die Betrachtung der geographischen Lage Hanno-
vers, und die damit zusammenhängende historische Entwicklung in
Bezug auf die Handelswege und Verkehrsstraßen eine wichtige Vor-
untersuchung, um die Gesamtzusammenhänge der Entwicklung im
hannoverschen Verkehrsnetz erkennen zu können.
Es wird sich im Verlauf der Arbeit zeigen, dass Hannover im
bearbeiteten Zeitraum unterschiedliche Paradigmen des Städtebaus
erfahren hat. Der Stadtbau der Gründerzeit unterschied sich funda-
mental von den Ansprüchen der Nationalsozialisten und der Nach-
kriegszeit. Auch die Anlegung von Straßen war diesen Paradigmen
unterworfen.
Die Grundkonzepte des heutigen Straßensystems wurden nicht erst
in der Zeit nach 1945 entwickelt, sondern es entstanden sehr ähnli-
che Konzepte und Vorstellungen bereits zu Beginn der 30er Jahre.
Neben der primären Darstellung der Verkehrsplanungen werden
wichtige Randaspekte beleuchtet, die dazu beitragen, die konkreten
Überlegungen in größere Zusammenhänge einzuordnen. Der künst-
lerische Gestaltungsanspruch, den Alwin Seifert für den Bau der
Reichsautobahn begründet hatte, findet sich fast wortgleich in den
Beschreibungen zum Wiederaufbau Hannovers wieder.
Für eine umfassende Darstellung der hannoverschen Verkehrspla-
nung ist es weiterhin notwendig, die Biographien und Arbeitszu-
sammenhänge der beteiligten Personen näher zu betrachten. Es
wird sich zeigen, dass es keinen personellen Bruch zwischen
Kriegsende und der Wiederaufbauphase gegeben hat. Die treiben-
den Kräfte des Wiederaufbaus haben bereits vor und während des
Krieges als Stadtplaner und Architekten im Nationalsozialismus Kar-

5
riere gemacht. Das Kapitel über den Arbeitsstab Albert Speer gibt
Einblicke, in welchen Dimensionen bis 1945 Stadtplanung und Wie-
deraufbauplanung betrieben wurde.
Die Aufbauphase nach 1945 wird zeigen, wie dieselben Stadtplaner
und Architekten bruchlos in den demokratischen Wiederaufbau ü-
bernommen wurden. Statt Monumentalbauten und gigantischen
Aufmarschstraßen wurden neue Straßenzüge in betont geschwun-
gener Ausführung erstellt. Bei dieser Bauweise wurde die naturbe-
tonende, künstlerische Gestaltung in den Vordergrund gestellt. Der
Monumentalbaustil der nationalsozialistischen Ära wurde durch das
Paradigma der Stadtlandschaft nach Reichow ersetzt, das auf die
organische Entwicklung der Stadt setzte. Auch dieses städtebauliche
Leitbild war keine Erfindung der Nachkriegszeit, sondern eine Wei-
terentwicklung der Siedlungsgrößenplanung von Feder und Gut-
schow.
Im letzten Kapitel der Arbeit wird die Entwicklung in Hannover mit
den Städten Berlin und Magdeburg verglichen. Der Wiederaufbau
Berlins sollte als Bandstadt im Verlauf des Urstromtals der Spree
durchgeführt werden. Die Funktionen Arbeiten und Wohnen wurden
zusammen mit einem netzartigen Verkehrssystem neu entworfen.
In Magdeburg bestanden aufgrund von politischen Maximen andere
Planungsvoraussetzungen als in westdeutschen Städten. Die Pla-
nung von Verkehrsstraßen orientierte sich im Innenstadtbereich
nicht ausschließlich an den Anforderungen des zukünftigen Autover-
kehrs, sondern an politisch-repräsentativen Vorgaben.
Historische Ereignisse, die für die Entwicklung der Stadt Hannover
von Bedeutung waren, werden in dieser Arbeit nur aufgenommen,
wenn sie in Zusammenhang mit der Entwicklung des Verkehrsnetzes
stehen. Die Arbeit will keine Chronik oder eine übergreifende Dar-
stellung der historischen Entwicklung leisten. Wichtige Ereignisse

6
werden entweder schlaglichtartig eingebunden, oder es wird auf die
weiterführende Literatur verwiesen.
Die Geschichte Hannovers ist in der Literatur gut erschlossen. Es
gibt eine Reihe von allgemeinen Darstellungen und Chroniken, die
eine lückenlose Betrachtung ermöglichen. Die Autoren Durth, Gut-
schow, Hauptmeyer, Manz, Mlynek und Röhrbein haben für die vor-
liegende Arbeit den größten Teil der Sekundärliteratur durch ihre
ausführlichen Vorarbeiten geliefert.
Für den Bereich der Stadtplanung stellen Durth und Gutschow mit
ihrer Reihe ,,Träume in Trümmern" einen wichtigen Informations- und
Quellenfundus dar. Bis auf wenige Ausnahmen, die an entsprechen-
den Stellen benannt werden, wurden keine unterschiedlichen Dar-
stellungen oder Auslegungen von historischen Umständen gefunden.
Die Erschließung des vorhandenen Quellenmaterials kann als gut
bezeichnet werden. Bedauerlicherweise sind eine Reihe von Quellen
in Form von Planungsunterlagen aus der Vorkriegszeit kurz nach
Kriegsende durch die Amerikaner vernichtet worden.
2
Für die Erstellung dieser Arbeit wurden, so weit es möglich war, Ori-
ginalquellen in Form von veröffentlichten Denkschriften und Aufsät-
zen verwendet. Quellenzitate, die in Sekundärliteratur verwendet
wurden, konnten nicht auf ihre Vollständigkeit überprüft werden.
Durth und Gutschow haben im Anhang ihrer Werke eine Reihe von
vollständigen Abschriften zentraler Quellen angefügt.
Die Quellenlage über die exakten Verläufe der Wege im Mittelalter
und der frühen Neuzeit sind nach Angabe von Schwarzwälder noch
nicht vollständig erforscht.
2
Auf den Verlust wird im hinteren Teil eingegangen.

7
2 Die Ursprünge der Stadt Hannover
Um die Entwicklung der Stadt Hannover und hier im Besonderen die
Entwicklung der Verkehrswege darzustellen, ist es notwendig, die
geographischen und landeskundlichen Besonderheiten der Region
zu betrachten. Diese lassen sich mit Hilfe der Landeskunde erläu-
tern.
Für den niedersächsischen Raum ist Hans Heinrich Seedorf eine der
herausragenden Persönlichkeiten, die sich mit Fragen der Landes-
kunde über Jahrzehnte beschäftigt haben.
Ein Teilbereich der Landeskunde behandelt die naturräumlichen
Veränderungen im Zeitverlauf. Die historisch-geographische Lan-
deskunde erforscht die Entwicklungen und Veränderungen der Na-
turlandschaft aufgrund von geographischen wie auch geologischen
Daten und Funden, um so z. B. Entwicklungsstufen von Flussläufen
zu ergründen. Als Naturräume werden Landschaften beschrieben,
die ohne Einflussnahme durch den Menschen entstanden sind. Kul-
turlandschaften entstehen aus Naturlandschaften in Folge von Ver-
änderung durch den Menschen.
3
3
Seedorf, Der Wert historisch-topographischer Karten, S. 409.

8
2.1 Von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft
Seit der Besiedlung im Gebiet des heutigen Niedersachsen vor ca.
5.000 Jahren wird die Naturlandschaft kontinuierlich vom Menschen
beeinflusst und verändert und somit zur Kulturlandschaft. In Gebie-
ten, wo ursprünglich Wälder und Buschland vorherrschten, entstan-
den Ackerflächen und durch Übernutzung zum Teil auch Heideflä-
chen.
4
Standorte von Siedlungen, Städten, Industrien und Verkehrsanlagen
haben in der Regel einen historischen Hintergrund, der sich zum Teil
bis auf die naturräumlichen Ursprünge zurückführen lässt. Durch die
Besiedlung der Landschaft und der damit einhergehenden Gestal-
tung lassen sich Entwicklungszusammenhänge und ursprüngliche
Voraussetzungen aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehen.
Hier findet die Landeskunde ihren Ansatz. Sie versucht, die Entwick-
lungslinien der räumlichen Veränderungen nachzuzeichnen, um so-
mit eine Erklärung für die Gegenwart abgeben zu können. Durch
Aufzeigen der historischen Kontinuität stellen die Ergebnisse der
Landeskunde oftmals ein wichtiges Fundament für weitere Planun-
gen in der Zukunft bereit.
5
Im Folgenden soll ein kurzer Einblick in die Entwicklung der Natur-
landschaft der Region des heutigen Niedersachsens und für den
Raum Hannover gegeben werden.
Niedersachsen befindet sich in Europa zwischen dem Nordwest- und
osteuropäischen Tiefland und dem mittel- und südeuropäischen
Bergland. Durch diese Grenzlage zwischen verschiedenen Natur-
räumen kommt es zu einer Vielzahl von Landschaften.
6
4
Ebd., S. 408.
5
Ebd., S. 409.
6
Seedorf, Landeskundliche Ausstellung 1998, S. 12.

9
Niedersachsen besteht aus fünf Großlandschaften, die an der Küste
mit der Marsch beginnen. Landeinwärts folgen die Geesten und
Moore, die aus Ablagerungen der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 bis
12.000 Jahren entstanden sind. Diese Landschaftsart nimmt unge-
fähr zwei Drittel der Fläche Niedersachsens ein. Weiter in Richtung
Süden liegt vor den Berg- und Hügelregionen der Mittelgebirge die
fruchtbare Lössbörde. Sie besteht aus Ablagerungen, die sich nach
der letzten Eiszeit gebildet haben. Als letzte Großlandschaft schließt
sich der Harz als wirkliches Mittelgebirge dem Berg- und Hügelland
an.
7
Hannover liegt genau auf der Grenze zwischen der fruchtbaren
Lößregion im Süden und der kargen Landschaft der Geest im Nor-
den Niedersachsens.
8
Die oben beschriebenen Höhenrücken südlich Hannovers waren die
Fundstätten für Holz, Steinkohle und Natursteinen als Baumaterial
für Stadtbefestigungen, Häuser und Kirchen. In späteren Zeiten
wurden hier auch Steine für die Befestigung der Wege und Chaus-
seen abgebaut. Neben dem Vorteil der Rohstoffquellen für den Bau
der Stadtanlagen waren die oben beschriebenen Höhenzüge für die
Verkehrsentwicklung Hannovers von großer Bedeutung. Die frucht-
baren Böden im Süden Hannovers ermöglichten die Versorgung der
jungen Stadt mit Getreide. Zum Teil konnten Getreideüberschüsse
auch in die nördlichen, kargeren Regionen verkauft werden.
7
Ebd., S 14.
8
Ebd., S. 17.
Hauptmeyer, Hannover in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Stadt und Über-
lieferung, S. 14.

10
2.2 Rohstoffe, Siedlungs- und Straßenentwicklung
Für die Entwicklung der Dörfer und der Siedlungsdichte waren ne-
ben den Bodenqualitäten auch die Handelswege entscheidend.
Nach Seedorf lagen die Dörfer im Leinetal bei Hannover zur damali-
gen Zeit ungefähr zwei Kilometer auseinander. Die Dichte der Dör-
fer, wird wie bereits erwähnt, auf die guten Ackerböden der Löss-
börde sowie auf die Nebeneinkünfte der Handwerker durch die Han-
delswege zurückgeführt.
Im Norden Hannovers war die Siedlungsdichte durch die schlechte-
ren Böden und die fehlenden Handelswege geringer. Die Bauern
lebten zum größten Teil von der Viehzucht. Ein zu starker Holzein-
schlag und eine Übernutzung der Wälder für die Viehwirtschaft führ-
ten dazu, dass sich die ursprünglichen Waldbestände im Laufe der
Zeit zu Heideflächen entwickelten.
9
Auf der Kurhannoverschen Lan-
desaufnahme aus dem Jahre 1781 sind die ehemaligen Waldgebiete
bereits als Heideflächen ausgewiesen.
10
Aufgrund der geographischen Situation verläuft, damals wie heute,
der Hauptverkehr von Westen in Richtung Osten durch das Gebiet
Hannovers. Fast alle Fernhandelsstraßen überquerten die Leine
zwischen dem Lindener Berg und dem hohen Dünenufer Hannovers
an einer Stelle, an der die Leine sich in mindestens vier einzelne
Arme aufteilte. Mit den damaligen Fuhrwerken war der Fluss so rela-
tiv leicht zu durchqueren.
Der Übergang über die Leine zog nicht nur Händler an, die sich hier
niederließen, sondern auch die Grafen von Roden, die den Über-
gang von der Burg Lauenrode
11
aus kontrollierten und mit Abgaben
belegten. Das leichte Durchfahren an dieser Stelle der Leine war
wohl einer der Hauptgründe für die Entstehung Hannovers. Für die
9
Seedorf, Von der Naturlandschaft, S. 196.
10 Ebd., S. 197.
11 Die Burg Lauenrode wurde spätestens seit 1215 zum Schutz der Stadt und
zur Kontrolle des Leineübergangs benutzt; vgl. hier: Müller, Die Geschichte
der Stadt Hannover, S. 102.

11
Siedlungsentwicklung kam neben dem Leineübergang auch die
günstige geographische Lage der späteren Altstadt in Betracht. Sie
lag oberhalb der Überschwemmungsgrenze und hatte einen leicht zu
erreichenden Grundwasserzugang in ca. 1,70 m bis 1,90 m Tiefe.
12
Alle zentralen Straßen Hannovers führten innerhalb der Stadtmauern
parallel zur Leine. Hauptmeyer weist darauf hin, dass um 1241 die
für Hannover typischen Urstraßenzüge bereits bestanden. Sie verlie-
fen parallel zur Leine und verbanden die Siedlungsbauten mit der
Marktkirche und dem eigentlichen Markt.
13
Der Ausstellungskatalog 750 Jahre Verkehr in Hannover
14
stellt mit
zwei Karten die Straßenzüge um 1800 und um 1998 gegenüber. Von
Südwesten betrachtet sind als Urstraßen die Burgstraße mit der Ver-
längerung in die Leinstraße, die Knochenhauerstraße und die Köbe-
lingerstraße zu nennen. Nordwestlich der Marktkirche schließt sich
in gleicher Richtung die Schmiedestraße und die Marktstraße an. Als
letzte Hauptstraße ist die Osterstraße über die Jahrhunderte erhal-
ten geblieben. Neben diesen Straßenzügen lassen sich eine Reihe
weiterer Querverbindungen feststellen, die ebenfalls die vielen Ver-
änderungen der Stadt überlebt haben. Zu nennen sind hier exempla-
risch: die Seilwinderstraße, Kramerstraße, Schuhmacherstraße,
Corviniusstraße und der Bohlendamm.
15
Während der Epoche des Städtewachstums verlief Hannovers Ent-
wicklung als Handelsstadt, im Gegensatz zu einigen umliegenden
Kleinstädten, mit Verzögerung. Hildesheim, Goslar und Braun-
schweig hatten bereits in den vorherigen Jahrhunderten entweder
größere Handelsplätze, oder waren kirchliche Zentren.
16
Bis zum
Ende des Mittelalters holte Hannover in der Entwicklung auf und er-
12 Plath, Die Geschichte der Stadt Hannover, S. 15.
13 Hauptmeyer, Hannover in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 14.
14 Eckermann, 750 Jahre Verkehr in und um Hannover.
15 Eckermann, 750 Jahre Verkehr in und um Hannover, S. 8-9,
vgl.
auch:
Kleffner, Der Stadtplan von Hannover und seine Entwicklung, in: Jahrbuch
der Geographischen Gesellschaft zu Hannover für 1940 und 1942, Teil 1, S.
265.
16 Hauptmeyer, Hannover in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 16.

12
reichte eine Einwohnerzahl von ca. 5.000 Menschen. Damit war
Hannover zu einer normalen Handels- und Gewerbestadt geworden.
Der Vorsprung, den Braunschweig, Lüneburg, Hildesheim und Gos-
lar hatten, konnte jedoch noch nicht komplett aufgeholt werden.
17
Seit Hannover zur Residenzstadt wurde und damit die Territorialver-
waltung mit ihren Beamten beherbergte, beschleunigte sich die Ent-
wicklung der Stadt gegenüber den umliegenden Orten. Die Bevölke-
rungszahl stieg bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf ca. 17.000
an. Zu Beginn des 19. Jahrhundert holte Hannover Braunschweig
als die bis dahin traditionell führende Stadt in der Entwicklung ein.
18
Die Einordnung Hannovers in das Gefüge der überregionalen Struk-
turen verlief über die Jahrhunderte der Geschichte nicht einheitlich.
Nach Hauptmeyer war Hannover zu keiner Zeit in der Situation, ei-
nen Führungsanspruch des niedersächsischen Raumes gegenüber
den europäischen Regionen zu behaupten. Im frühen Mittelalter von
ca. 500-1000 befand sich Niedersachsen am nordöstlichen Rand der
europäischen Wirtschaftsregionen West- und Südeuropas. Von ca.
1000 bis 1450 lag die Region zwischen den höher entwickelten Re-
gionen Norditaliens, Süddeutschlands und Flanderns sowie den
Randbereichen Skandinaviens und Osteuropas. In der frühen Neu-
zeit blieb diese Mittellage bestehen und wurde noch durch die
Schaffung neuer Weltzentren verstärkt. Flandern, Frankreich, Nie-
derlande und England bauten ihre Vormachtstellung gegenüber dem
restlichen Europa weiter aus. Erst mit der Industrialisierung konnte
Deutschland den Vorsprung der Nachbarn aufholen. Auch hier blieb
Niedersachsen hinter den großen Industrieregionen und Städten
Deutschlands zurück.
19
17 Ebd. S. 17.
18 Ebd. S. 24, 18.
19 Ebd. S. 22.
Hauptmeyer, Niedersachsen vor 1945, S. 33f.

13
2.3 Handelswege im Raum Hannover
Im Folgenden sollen die Verläufe der wichtigsten ehemaligen Fern-
handelsstraßen grob nachgezeichnet werden. Dabei wird sich zei-
gen, dass man die Ursprünge eines Großteils der heutigen Ver-
kehrsstraßen bis vor die Zeit des Mittelalters zurückverfolgen kann.
Für eine schematische Darstellung bieten sich Überblickwerke an,
wie die Stadtgeschichte Hannovers oder die Geschichte Nieder-
sachsens
20
. Auch Seedorf gibt grobe Übersichten zu den wichtigsten
Fernhandelswegen. Genauere Darstellungen zeigen sich in den ein-
schlägigen historischen Kartenwerken, die in den Literaturangaben
der Geschichte Niedersachsens angegeben sind. Neben den histori-
schen Karten gibt es einige Beiträge über zeitgenössische Berichte
von Handelsreisenden, die von Schwarzwälder in Reisen und Rei-
sende in Nordwestdeutschland
21
behandelt werden.
22
Handelswaren wurden nicht ausschließlich über den Landweg trans-
portiert. Dort, wo es möglich war, wurden Waren auch mit Schiffen
verschickt. Die Transportstrecken auf dem Wasser sollen hier nicht
näher beschrieben werden.
23
Es ist zu beachten, dass die detaillier-
ten Verläufe der Wege nur schemenhaft nachgezeichnet werden
können. Zum einen ist der Stand über den genauen Verlauf der We-
ge nicht für alle Verbindungen vollständig erforscht, zum anderen
haben sich die exakten Streckenführungen über die Jahrhunderte
immer wieder verändert. An dieser Stelle sollen deshalb nur die gro-
ben Richtungen und wichtigsten Orte benannt werden.
24
Die Ent-
wicklung des heutigen Straßensystems lässt sich in den Grundzügen
bereits in den Anfängen der Stadtgründung und den darauf folgen-
den Jahrhunderten beobachten.
20 Boetticher, Geschichte Niedersachsens.
21 Schwarzwälder, Reisen und Reisende in Nordwestdeutschland.
22 Boetticher, Geschichte Niedersachsens, S. 476, hier vor allem die FN 641.
23 Ebd., S. 477.
24 Ebd., S. 482.

14
Die heutige B 6 verbindet die Städte Krakau, Leipzig, Goslar und
Bremen. Um 1781 führte dieser Weg durch das Gebiet Hannovers,
von Nordwesten nach Südosten an den Orten Berenbostel, Stöcken,
Herrenhausen, Hannover, Döhren, Wülfel, Laatzen, Grasdorf in
Richtung Hildesheim.
Von Westen führte ein Fernhandelsweg über Seelze Ahlem, Limmer
und Linden nach Hannover. Heute verläuft die B 65 in gleicher Rich-
tung, jedoch etwas südlicher durch die Ortschaften Empelde, Ever-
loh, Ditterke, Göxe, Stemmen in Richtung Minden.
Die Nord-Süd-Verbindung bestand schon sehr früh in Form von zwei
Handelswegen, die sich im Leinetal zu beiden Uferseiten hinzogen.
Der Weg auf der westlichen Uferseite verknüpfte die Pfalz Gronau,
Einbeck, Alfeld, Pattensen, Arnum, Devese und Hannover.
Er verlief somit als heutige, ,,ehemalige"
25
B 3 von Hamburg über
Hannover, Göttingen, Frankfurt bis nach Basel.
26
Die B 3 führte bis
nach dem II. Weltkrieg über die Podbielskistraße und die Lister Mei-
le bis zur Stadtmitte zum Kröpcke.
Der Weg auf der östlichen Uferseite verband die Orte Northeim,
Gandersheim, Hildesheim und Hannover. Innerhalb Hannovers ver-
lief die Straße als Leinstraße. Es wird angenommen, dass es sich
hierbei um die älteste Straße Hannovers handelt.
27
Auch dieser Ver-
lauf existiert in fast unveränderter Form im südlichen Verlauf der
heutigen B 6. Nach Darstellung der Hannoverschen Stadtgeschichte
besaßen die Handelswege der Nord-Süd-Richtung bereits seit der
Urgeschichte eine europäische Bedeutung. Die Handelswege, die in
West-Ost-Richtung bei Hannover die Leine überquerten, hatten da-
gegen bis zum hohen Mittelalter eher eine regionale Bedeutung.
28
25 Die B3 wurde nach Kriegsende in östlicher Richtung an Hannover vorbeige-
führt. Ursprünglich verlief sie über den Kröpcke.
26 Seedorf, Von der Naturlandschaft, S. 199.
27 Müller, Die Geschichte der Stadt Hannover, S. 101.
28 Plath, Die Geschichte der Stadt Hannover, S. 16;
Müller, Die Geschichte der Stadt Hannover, S. 82.

15
Die heutige B 217 existierte im Mittelalter um 1250 ebenfalls als
Handelsweg und wurde in den 1760er Jahren als erste Straße im
Kurfürstentum Hannover als Chaussee ausgebaut
29
. Sie führte von
Hannover über Linden östlich an Bornum vorbei, über Wettbergen,
Ronnenberg, Weezen, Holtensen, Springe bis nach Hameln.
Die Darstellung der Geschichte Niedersachsens beschreibt das Feh-
len einer direkten Verbindung zwischen Hannover und Braunschweig
als auffällig. Es gab nur einen Weg, der indirekt über Burgdorf und
Peine nach Braunschweig führte. Der Hauptverkehr wurde über Hil-
desheim abgewickelt. Bis ins 18. Jahrhundert hinein gab es keine
direkte Verbindung. Man geht davon aus, dass die Geschäftsbezie-
hungen zwischen den beiden Städten eine direkte Verbindung nicht
benötigten.
30
29 Boetticher, Geschichte Niedersachsens, S. 496.
30 Ebd., S. 496.

16
2.4 Die Beschaffenheit der Wege
Die damaligen Handelswege und Straßen waren in einem schlechten
Zustand. Je nach Art des Unterbodens waren die Wege bei Regen
fast unpassierbar, da sie meist nicht befestigt waren. Es waren ein-
fache Erdwege, die durch die Witterung und durch die Fuhrwerke
mehr oder weniger ausgefahren waren. Nur an besonders schwieri-
gen Stellen gab es provisorische Befestigungen. Solche Reparatu-
ren wurden mit Faschinen und Holzbohlen oder durch Aufschüttung
von Sand oder Kies durchgeführt. In seltenen Fällen wurde eine
grobe Pflasterung vorgenommen.
31
Herzog Ernst August hatte um 1691 versucht, die Wege von und
nach Hannover in einen befahrbaren Zustand zu bringen. Er wollte
Hannover mit besseren Verkehrswegen zu einem Zentrum im mittle-
ren Niedersachsen ausbauen. Von Seiten des Hofes gab es zu jener
Zeit so gut wie keine Finanzmittel für den Straßenbau, da die Gelder
eher in Repräsentativbauten investiert wurden.
32
Erst im 18. Jahr-
hundert wurde begonnen, die Wege sorgfältiger auszubessern. Um
1786
33
setzte in Hannover der Bau der ersten beiden Chausseen
ein, die als Kunststraßen gegenüber den alten Wegen eine bessere,
wenn auch in den Anfangszeiten noch immer geringe Qualität hat-
ten.
34
Sie führten jeweils von Hannover ausgehend nach Göttingen
sowie nach Hameln.
35
Problematisch erwies sich die Beschaffung
von geeigneten Baumaterialien, die im Idealfall in der Nähe der
Chausseen lagen und eine entsprechende Belastung durch schwere
Fahrwerke aushalten mussten. Die ersten Pflasterungen mit Kalk-
stein erwiesen sich als zu weich. Härtere Steine und Kies mussten
31 Ebd., S. 478 ­ 479,
siehe
auch:
Mayer, Mende, 750 Jahre Verkehr in und um Hannover, S. 207.
32 Hauptmeyer, Die Geschichte der Stadt Hannover, S. 157.
33 In der ,,Die Geschichte Niedersachsens" wird vom Beginn des Chaussee-
baus um das Jahr 1786 geschrieben. Baldermann datiert den Beginn der
ersten Chausseen auf das Jahr 1763. vgl. FN 23.
34 Boetticher, Geschichte Niedersachsens, S. 478 ­ 479.
35 Baldermann, Die Entwicklung des Straßennetzes in Niedersachsen, S. 9,
11.

17
zum Teil von weit hergebracht werden. In der Regel wurden die
Chausseen mit den Materialien und Techniken gebaut, die man
kannte und die vor Ort zu finden waren. Im Norden Hannovers wur-
den die Chausseen lediglich mit einem gestampften Kiesbett befes-
tigt. Die Chaussee von Hannover nach Göttingen war die erste, bei
der eine geschlossene und dauerhafte Basaltsteindecke verbaut
wurde.
36
Um 1835 waren die Hauptverbindungen im Königreich
Hannover durch Chausseen ausgebaut. Von Hannover führten sie
südlich nach Kassel, nördlich über Nienburg und Syke nach Bremen,
westlich über Springe und Hameln nach Schaumburg-Lippe und
Minden. Ebenfalls gab es eine Chaussee über Hildesheim nach
Braunschweig. Zwei Drittel dieser Straßen waren mit einer ,,Stein-
bahn" versehen. Hiervon war lediglich ein Drittel mit einer festeren
,,Steinpflasterbahn" ausgeführt.
Neben den unterschiedlichen Materialien für den Bau der Chaus-
seen fällt eine weitere Besonderheit auf, die als Charakteristikum
beschrieben werden kann. Im Gegensatz zu den über lange Zeit
entstandenen Handelswegen wurden Chausseen konkret geplant.
Nach damaliger Vorstellung und ökonomischer Sicht musste eine
Verbindung zwischen zwei Punkten im Idealfall durch eine Linie her-
gestellt werden. Die Trassierung der ersten beiden Chausseen im
Königreich Hannover bestand nur aus geraden Teilstücken. Es gab
so gut wie keine Kurven im Straßenbau. Auch Höhenunterschiede im
Gelände wurden in der Regel nicht umgangen. Eindrucksvoll ist die-
se Bauweise auf der Kurhannoverschen Landesaufnahme zu se-
hen.
37
Erst um 1850 kann davon gesprochen werden, dass Hannover in ein
bestehendes System von Chausseen eingebunden war, das die
36 Mende, 750 Jahre Verkehr in und um Hannover, S. 207 ­ 208.
37 Baldermann, Die Entwicklung des Straßennetzes in Niedersachsen, S. 9,
15.

18
Stadt in Norddeutschland als wichtigsten Verkehrsknoten bestätigte,
der sich im weiteren Verlauf der Geschichte noch erweitern sollte.
38
Abschließend ist an dieser Stelle als Zwischenfazit festzustellen,
dass die Entwicklung des Wege- und Straßennetzes bereits zu Be-
ginn des Chausseebaus die groben Richtungen des Verkehrs vorge-
geben hatte. Alle nachfolgenden Erweiterungen und Verdichtungen
der Verkehrsnetze brachten keine großen Veränderungen der
Hauptrichtungen hervor. Baldermann verweist zu dieser Aussage auf
frühere Autoren, die schon zwischen 1931 und 1952 Untersuchun-
gen zu diesem Aspekt durchgeführt haben.
39
Seit der Besiedlung im Mittelalter und der Frühen Neuzeit beschleu-
nigte sich die Entwicklung ab dem 19. Jahrhundert mit dem Bau der
Eisenbahn enorm. Aufgrund der technischen Begrenzungen der ers-
ten Lokomotiven verliefen die Trassen nördlich der Mittelgebirgs-
schwelle. Das nördlich von Hannover gelegene Flachland wurde
verständlicherweise für den Bau des Mittellandkanals genutzt wie
auch für den späteren Bau der Reichsautobahn und späteren
BAB 2. Mit der Zunahme der Verkehrsströme entwickelte sich Han-
nover in den letzten Jahrhunderten zu einem wirklichen Verkehrs-
kreuz in Niedersachen und Europa.
40
38 Mende, 750 Jahre Verkehr in und um Hannover, S. 220.
39 Baldermann, Die Entwicklung des Straßennetzes in Niedersachsen, S. 9,
73.
40 Seedorf, Von der Naturlandschaft, S. 194.

19
3 Stadt- und Verkehrsplanungen zwischen 1933 und 1945
Nachdem im vorherigen Kapitel ein grober Überblick über die Ent-
wicklung der Verkehrswege in Niedersachsen und Hannover gege-
ben wurde, werden in diesem Teil der Arbeit zwei Schwerpunkte be-
handelt. Im ersten Teil dieses Kapitels wird die Geschichte der
Reichsautobahn mit ihren ästhetischen Ansprüchen dargestellt. An-
schließend werden in kurzen Zügen einige der einflussreichsten Ar-
chitekten und Stadtplaner mit ihren Arbeitszusammenhängen vorge-
stellt. Im Kapitel über den Arbeitsstab Speer werden die Biographien
und Verbindungen weiter vertieft, um aufzuzeigen, wie bruchlos die
Arbeitsgemeinschaften bis in das Jahr 1945, und auch über das
Kriegsende hinaus zusammen arbeiteten. Die Erweiterung des Fo-
kus auf Berliner Einflüsse ist notwendig, um die detaillierte Darstel-
lung der hannoverschen Entwicklung in einen größeren Rahmen
einordnen zu können.
Im Anschluss an die Darstellung der übergeordneten Zusammen-
hänge wird im zweiten Teil des Kapitels auf die Stadtplanung in
Hannover unter dem Stadtbaurat Elkart eingegangen. Hier soll das
Augenmerk auf seinen Ausarbeitungen zum Verkehr und zu den Par-
teibauten liegen. Neben der Betrachtung Hannovers müssen die
Entwicklungen und Vorgaben mit einbezogen werden, die aus Berlin
kamen. Die Erweiterung dieses Fokus ist notwendig, damit die Dar-
stellung nicht zu fragmentarisch ausfällt.
Von der Machtergreifung Hitlers bis zum Ende des Krieges 1945 gab
es verschiedene Phasen der Stadtplanung, die nicht allein am Bei-
spiel Hannovers betrachtet werden können. Die Nationalsozialisten
planten von Anbeginn ihrer Herrschaft an die Neugestaltung der
Gauhauptstädte nach nationalsozialistischen Vorgaben. In diesem
Zusammenhang wurden Leitbilder der Stadtplanung und der Sied-
lungsformen neu entworfen bzw. bereits bestehende nach national-
sozialistischer Ideologie umgeformt. Außerhalb der Planungen für

20
Parteibauten und axialen Aufmarschstraßen kam der Sanierung von
bestehendem und der Planung von neuem Wohnraum große Bedeu-
tung zu. Das Leitbild der ,,gegliederten und aufgelockerten Stadt-
landschaft" stand dabei im Vordergrund. Als der Luftkrieg der Alliier-
ten ab den frühen 40er Jahren im ehemaligen Reich große Teile
ganzer Städte zerstörte, entwickelte sich ein Wandel unter den Pla-
nern und Architekten. Der Luftschutz im Städtebau erhielt größere
Priorität. Man verstärkte die Erarbeitung genereller Wiederaufbau-
planungen für die Zeit nach dem Krieg. Das Zusammenspiel von NS-
Architekten, Planern und Parteifunktionären war im sog. Dritten
Reich stark ausgeprägt. Viele dieser Kontakte und Verbindungen
wurden nach Kriegsende weitergeführt. Ein Bruch in der Kontinuität
ist nur vereinzelt zu erkennen. Um die oben genannten Aspekte zu
bearbeiten, bieten sich vor allem die Arbeiten von Werner Durth,
Niels Gutschow und Friedrich Lindau an. Die biographischen Ver-
flechtungen von Architekten mit dem NS-Regime und ihre Kontinui-
tät nach 1945 wurden von Durth ausführlich dargelegt
41
. Viele Ver-
bindungen unter Architekten und Stadtplanern spielten im Wieder-
aufbau ab 1945 eine große Rolle. Gute Darstellungen zur Entwick-
lung Hannovers sind im Band ,,Städte" aus der Reihe ,,Träume in
Trümmern"
42
, ebenfalls von Durth und Gutschow, enthalten.
Generelle Darstellungen zur Thematik der Wiederaufbauplanungen
werden im ersten Band ,,Konzepte" der Reihe ,,Träume in Trüm-
mern
43
" behandelt. Außer den Überlegungen in Deutschland werden
zum Vergleich andere europäische Städte herangezogen.
41 Durth,
Deutsche
Architekten.
42 Durth, Gutschow, Träume in Trümmern, Band 2, Städte.
43 Durth, Gutschow, Träume in Trümmern, Band 1, Konzepte.

21
3.1 Gesamtdeutsche Entwicklung
Baumaßnahmen, die in Hannover geplant und zum Teil auch reali-
siert wurden, können nicht losgelöst von einer weitläufigeren Be-
trachtung bewertet werden. Elkarts Arbeiten im Bereich der Altstadt-
sanierung, der Verkehrsplanungen und der Ausarbeitungen für Par-
teibauten müssen in einem Gesamtzusammenhang der Stadt- und
Lebenskulturplanungen der NSDAP gesehen werden.
Bereits auf dem Reichsparteitag der NSDAP 1934 hatte Hitler in ei-
ner Rede eine neue Zeit der Stadtarchitektur angekündigt. Diese
Entwicklung beinhaltete die Abkehr und den offenen Bruch mit der
städtebaulichen und der damit zusammenhängenden kulturellen
Vergangenheit des 19. Jahrhunderts. Die Zukunft sollte in ,,moder-
nen" Bauformen zum Ausdruck kommen, die vor allem den absolu-
ten, allgegenwärtigen Machtanspruch der Partei verkörpern sollten.
Seinen Kritikern warf Hitler vor, sie würden an alten ,,bürgerlich-
idealistischen Lebensstilen" hängen und hätten noch ,,keine Vorstel-
lung über die Größe der Umwälzung, die sich unterdes im deutschen
Volke vollzogen hat."
44
Als Konsequenz der nationalsozialistischen Architekturideologie be-
gann die NSDAP seit 1937 für die größten Städte des Reiches Um-
baupläne zu entwerfen. Die Gauhauptstädte, die als erstes aufge-
nommen wurden, waren Hamburg, München und Berlin. Am 4. Ok-
tober 1937 wurde zur rechtlichen Legitimierung der Planungen das
Gesetz zur Neugestaltung deutscher Städte verabschiedet. Nach
Planung der NSDAP sollte jede Gauhauptstadt zur Repräsentation
ihrer Macht ein ,,Forum"
45
in Form einer ,,Akro-Polis"
46
erhalten. Als
weitere Standardbauten waren eine riesige Versammlungshalle mit
44 Durth, Deutsche Architekten, S. 156.
45 Ebd., S. 157.
46 Ebd., S. 157.

22
dazugehörigem Appellplatz, Parteibauten und eine gewaltige Auf-
marschstraße mit einer ungefähren Breite von 100 m vorgesehen.
47
Bis 1940 wurde der Kreis der Städte, die unter das Bauprogramm
fielen, erweitert. Hitler wählte selbst fünf der wichtigsten Städte aus,
die als ,,Städte des Führers"
48
besonders gefördert wurden. Berlin,
Hamburg, Nürnberg, München und Linz zählten zu diesem Kreis, für
die ausdrücklich keine Begrenzung der Umbaukosten ausgespro-
chen wurde.
49
Die Ablehnung der Großstadt an sich wurde von den Nationalsozia-
listen bereits sehr früh begründet. Nach ihrer Meinung wuchsen die
Städte in den Gründerjahren und vor allem in der Zeit der Weimarer
Republik in unkontrollierter Weise an. In den beengten und unge-
sunden Wohnverhältnissen in den Mietshäusern, die zu jener Zeit
vorherrschten, sahen die Nationalsozialisten das Hauptproblem, das
das Zusammenwachsen ihrer ,,Volksgemeinschaft"
50
erschwerte. Die
enge Bebauung der Hinterhöfe, die zu kleinen Wohnquartiere und
die unüberschaubare Anordnung vieler Siedlungen gaben ihnen den
Anlass, eigene Planungen zu entwerfen. Die Erscheinung der Städte
wurde als Beweis für die Zerrissenheit der Weimarer Republik ge-
wertet. Um den ,,Volkskörper wieder zur Gesundung zu verhelfen"
51
,
sollten Großstädte und vor allem deren Wohnsiedlungen reorgani-
siert werden. So wie sich die allgemeine Anschauung über die Funk-
tion einer Gesellschaft an Modellen der Biologie orientierte, so wur-
de auch die Stadt als Lebensraum in dieses Bild integriert. Gottfried
Feder formulierte entsprechende Grundsätze bereits in den 20er
Jahren. 1934 wird Feder Reichskommissar für das Siedlungswe-
sen.
52
In der nationalsozialistischen Ideologie wurden moderne und
,,gesunde"
53
Stadtstrukturen mit dem biologischen Körper des Men-
47 Ebd., S. 157.
48 Ebd., S. 157.
49 Ebd., S. 157.
50 Durth, Gutschow, Träume in Trümmern, Band 1, S. 175.
51 Ebd., S 175.
52 Ebd., S 175.
53 Ebd., S. 179.

23
schen verglichen. Die ausufernden Großstädte galt es zu verklei-
nern, die enge Bebauung der Wohnviertel aufzulockern. Erweiterun-
gen bestehender Städte mussten nach dem Leitbild des ,,organi-
schen" Wachstums erfolgen.
Die nationalsozialistische Ideologie sah in diesem Bereich vor, dass
die Städte sich nach organischen Vorbildern von Zellen entwickeln
sollten. Die Familie wurde als die ,,Urzelle der Volksgemeinschaft"
54
angesehen. Nach Art einer Zellstruktur verbinden sich mehrere Ein-
zelzellen zu einem größeren, hierarchisch höheren ,,Zellkern"
55
. Die-
ser Zellkern wächst mit anderen Zellkernen zu Gliederungen, die
wiederum zu mehreren eine Stadt bilden konnten. Stadtneugründun-
gen sollten nach Feders Vorstellung ca. 20.000-30.000 Einwohner
insgesamt haben. Als Größenordnung einer Gliederung innerhalb
der Stadt schlug er das Einzugsgebiet einer Volksschule vor. Diese
Größenordnung wurde auch nach dem Krieg in vielen Planungen
wieder aufgenommen.
56
Konstanty Gutschow nahm für die Gestaltung des Elbufers in Ham-
burg die Anregungen Feders auf und entwickelte ein Siedlungskon-
zept, das sich an den Ortsgruppen der NSDAP
57
orientierte. Seine
Planungen trafen auf positive Resonanz in der Partei. Gutschow kri-
tisierte an den alten Siedlungsformen, dass sie kein organisches
Wachstumsprinzip enthielten. Die ,,Stadtlandschaft"
58
, die sich nach
organischem Vorbild entwickeln sollte, hätte neben den Aufgaben
zur Festigung der Volksgemeinschaft auch den Vorteil einer dezent-
ralisierten Verwaltung. Ein weiterer Gedanke, der im Verlauf der
40er Jahre an Bedeutung bekam, war die weiträumigere Besiedlung
zum besseren Schutz vor Luftangriffen.
59
Der Hinweis auf die Gefah-
54 Ebd., S. 177.
55 Ebd., S. 177.
56 Ebd., S. 177.
Müller-Reamisch, Leitbilder und Mythen, S. 27.
57 Durth, Stadtlandschaft, in: Müller-Reamisch, Leitbilder und Mythen, S. 52.
58 Durth, Gutschow, Träume in Trümmern, Band 1, S. 179.
59 Ebd., S. 178 ­ 179,
Lindau, Planen und Bauen, S. 24.

24
ren für die Städte durch Luftangriffe findet sich in fast allen Ausfüh-
rungen zur Stadtplanung in den Jahren zwischen 1933 und 1945.
60
Teilweise sind entsprechende Hinweise schon in früheren Jahren
gegeben, da bereits im I. Weltkrieg Luftschiffe für Bombardierungen
eingesetzt wurden. Spätestens seit der Vernichtung der spanischen
Stadt Guernica durch die Legion Condor im Jahre 1936 ist das Flug-
zeug als eine entscheidende Waffe des Krieges bekannt.
Nach dem Krieg hielt Gutschow an seinem Grundkonzept der Stadt-
landschaft fest. Aus politischen Gründen war die Größe der Organi-
sationseinheiten nicht mehr an NSDAP-Strukturen angelehnt. Als al-
ternative Größe konnte auch der Einflussbereich einer Kirche oder
die Größe der Nachbarschaftseinheiten aus angelsächsischen Pla-
nungen herangezogen werden.
61
3.1.1
Ideologie und Geschichte der Reichsautobahn
Für die Einordnung der nationalsozialistischen Bauideologie ist die
Betrachtung der Planung und Ausführung der Reichsautobahn hilf-
reich. Die Größenordnungen und das Erscheinungsbild der Partei-
bauten, die im Kapitel 3.2.3 am Beispiel Hannovers beschrieben
werden, können nicht automatisch mit den Grundsätzen für die Pla-
nung der Reichsautobahn gleichgesetzt werden.
Nur in Bezug auf die Dimensionierung des Projektes Reichsauto-
bahn wurden ebenso brachiale Größenverhältnisse für die Realisie-
rung gewählt. Ein besonders hervorzuhebender Unterschied, der
sich im Vergleich von Reichsautobahn zu anderen NS-Bauprojekten
zeigt, ist die Verbindung von Technik und Natur.
Die Einbindung der Technik, hier in Form von Straßen und den da-
zugehörigen Bauten, in die Natur und die Schaffung von ,,bestehen-
den Werten" hatte im Nationalsozialismus große Bedeutung. Einige
60 Habermann, Nieße u. a., Bedingungen der Stadtentwicklung, S. 395.
61 Durth, Gutschow, Träume in Trümmern, Band 1, S. 4.

25
der nationalsozialistischen Grundsätze zur Verbindung von Straßen-
bauten und Naturlandschaften mit ästhetischen Prinzipien können
auch in den Planungen und Trassenführungen der anbaufreien Ra-
dialstraßen und Zubringer in Hannover beobachtet werden.
62
Zur Geschichte der Autobahnen bzw. Straßen, die nur für den moto-
risierten Verkehr vorbehalten waren, wird die Dissertationsarbeit von
Claudia Windisch-Hojnacki herangezogen. Neben den geschichtli-
chen Entwicklungen von Autobahnen beschäftigt sich ein Großteil
der Arbeit von Windisch-Hojnacki mit den ästhetischen und künstle-
rischen Aspekten.
Mit der stärkeren Verbreitung des Automobils seit 1900 gab es im-
mer wieder Ansätze, Straßen zu entwickeln, die ausschließlich für
den motorisierten Verkehr vorbehalten sein sollten. In den Anfängen
solcher Überlegungen sollte die Ablehnung gegenüber solchen Stra-
ßen die Zahl ihrer Befürworter übersteigen.
63
In den 20er Jahren gründeten sich verschiedene Vereine und Ge-
sellschaften, die es sich zur Aufgabe machten, Entwürfe und Pla-
nungen für autogerechte Straßen zu entwickeln. Die meisten Über-
legungen bewegten sich jedoch um die Frage der Modernisierung
bestehender Straßen. Der Entwicklung reiner Autostraßen wurde
oftmals mit Ablehnung begegnet. Die Furcht vor der neuen Technik
und die Gefahr, die vermeintlich von ihr ausging, beherrschte die öf-
fentliche Meinung.
Die Vorarbeiten, die diese Vereine erstellten, wurden von den Natio-
nalsozialisten in ihre Planungen zum Autobahnbau übernommen und
als ihre eigenen Entwicklungen propagandistisch dargestellt.
64
In
den Jahren vor und während der Weimarer Republik entstanden ei-
ne Reihe von Straßenbauverbänden, die neben staatlichen Instituti-
62 Auf diese Zusammenhänge wird in hinteren Teil der Arbeit genauer einge-
gangen.
63 Windisch-Hojnacki, Die Reichsautobahn, S. 21-22.
64 Ebd., S. 25.

26
onen vor allem auch privatwirtschaftliche Mitglieder und Finanzge-
ber hatten.
65
Um 1925 stiegen die Verkehrszahlen besonders im
Rhein- und Ruhrgebiet drastisch an. Zur Entlastung und besseren
Verbindung der Städte wurde mit der Planung einer reinen Autostra-
ße begonnen. Die Umsetzung scheiterte jedoch an der Finanzie-
rungsfrage.
66
Der 1926 gegründete Verein zur Förderung der Auto-
straße Hamburg
67
-Frankfurt-Basel (Hafraba) machte einen neuen
Versuch, die Bedenken gegen reine Autostraßen aus dem Weg zu
räumen.
68
Der Hafraba-Verein plante eine Autobahnverbindung zwi-
schen den Hansestädten, Frankfurt und Basel.
Es sollte nur ein Teilstück als Versuchs- und Demonstrationsstrecke
gebaut werden, da die Finanzierung des Gesamtprojektes als unsi-
cher galt. Die detaillierten Planungsausführungen des Vereins wur-
den von den Nationalsozialisten später für den Bau der ersten Tras-
sen der Reichsautobahn genutzt.
69
Das Ende der Hafraba wurde
durch die Vorbehalte der Regierung in Finanzfragen sowie der politi-
schen Wirren der Weimarer Republik besiegelt.
70
Nachdem Hitler 1933 an die Macht kam, verkündete er seinen Wil-
len, die Verkehrsführungen im Reich neu zu gestalten. Die Finanzie-
rungsfrage, die in den Vorjahren alle Projekte scheitern ließ, löste er
mit dem Hinweis, eine gewisse Gebühr von den Benutzern zu ver-
langen. Des Weiteren verpflichtete er die Reichsbahn, sich mit der
zu gründenden Tochtergesellschaft "Reichsautobahn" an dem Pro-
jekt zu beteiligen. Am 27. Juni 1933 wird das entsprechende Gesetz
über die Errichtung eines Unternehmens ,,Reichsautobahn" erlas-
sen.
71
Mit Klärung der Finanzierung war der Weg des Reichauto-
65 Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße GmbH (AVUS) Berlin, Deutscher
Straßenbauverband (DStrBV)
66 Ebd., S. 31.
67 Später wurde statt Hamburg ,,Hansestädte" verwendet.
68 Ebd., S. 33-34.
69 Ebd., S. 36.
70 Ebd., S. 39.
71 Ebd., S. 49.

27
bahnbaus geebnet.
72
Für Hitler hatte die Schaffung eines Netzes
von Reichsautobahnen neben technischen und militärischen Aspek-
ten auch den Anspruch, ein Bauwerk zu erstellen, das es in Größe
und Umfang bisher nicht gegeben hatte. Ein für die ,,Ewigkeit" kon-
zipiertes ,,Kulturdokument"
73
sollte erschaffen werden, das die Ein-
heit des Volkes und den autoritären Machtanspruch des Staats end-
gültig festschreibt.
74
Hierzu gibt Windisch-Hojnacki ein Zitat von
Fritz Todt vom Juli 1933: ,,Wir haben nicht Straßen zu bauen, die
dem jetzigen Verkehr genügen. Die Entwicklung geht weiter, was wir
jetzt bauen, muss für die Generation geschaffen sein und diese
Straßen müssen noch in 20 Jahren den Wert besitzen, den sie heute
haben."
75
Der ,,kulturelle Aspekt", den Hitler benannte, war mit Sicherheit nicht
der einzige Grund für dieses Projekt. Die Reichsautobahn war vor
allem auch eine politische Entscheidung, die in expansiver und for-
cierender Absicht die Vorbereitung eines Angriffskrieges mit einkal-
kulierte. Am Anfang standen neben militärischen, die ästhetischen
Aspekte im Vordergrund.
76
Die Organisation der Reichsautobahn
77
wurde zentral geführt. Fritz
Todt wurde am 30. November 1933 zum Generalinspekteur für das
Deutsche Straßenwesen ernannt. Er baute sich einen gewaltigen
Apparat aus, der mit Fachleuten verschiedenster Fachrichtungen
besetzt war. Es sollten 7000 km Reichsautobahnen gebaut werden.
Nach der Machtergreifung Hitlers und der Gleichschaltung der Stra-
ßenbaubehörden stellten Eigentumsfragen bei der Ausarbeitung der
Trassierung kein Hindernis mehr dar.
78
Im August 1933 wurde die
ehemalige Hafraba in die ,,Gesellschaft zur Vorbereitung der
72 Ebd., S. 47.
73 Ebd., S. 17.
74 Ebd., S. 17.
75 Ebd., S. 49.
76 Ebd., S. 54.
77 Die Finanzierung der Reichsautobahn soll hier nicht näher beschrieben wer-
den. Vergleiche hier das zitierte Werk.
78 Ebd., S. 50-51.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783836607377
Dateigröße
11.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover – Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften, Geschichte
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,0
Schlagworte
hannover verkehrsplanung stadtplanung geschichte wiederaufbau hillebrecht zeitgeschichte regionalgeschichte
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Titel: Verkehrsplanung deutscher Städte zwischen 1920 und 1960
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