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Die alliierte Invasion 1944 und Joseph Goebbels

Die Schlacht in der Normandie in seiner Wahrnehmung und Propaganda

©2007 Magisterarbeit 180 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Warum gerade Joseph Goebbels und die Invasion der Alliierten? Dies war eine Frage, die ich im Laufe der Realisierung des Projekts diverse Male zu beantworten hatte. Eine nicht ganz unberechtigte Frage. Was kann bei der doch breit gefächerten deutschen Geschichte gerade zu der Konzentration auf eine Person aus dem engsten Kreis des nationalsozialistischen Regimes führen? Bereits 1949 wurden mit der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland die ersten Werke über das Leben von Joseph Goebbels veröffentlicht. Anzunehmen ist, dass heute eigentlich kaum eine neue Erkenntnis über ihn zu erwarten ist. In der Beleuchtung der Kombination von der Person Goebbels mit dem Thema der alliierten Landung am 6. Juni 1944 in Nordfrankreich eröffnen sich jedoch weitere Forschungsbereiche, die bisher sehr wenig bearbeitet wurden.
Die Operationen am 6. Juni 1944 in der Normandie bildeten in ihrer Gesamtheit den ersten Schritt zu dem, was als „Kalter Krieg“ den Weg in die Geschichtsbücher finden sollte. Allein in diesem Zusammenhang scheint es schon Grund genug zu sein, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Mit dem Erfolg der Landung ging die Reorganisation Frankreichs und schließlich Europas einher. Begründet war dies auf der Konstituierung einer neuen Politik der Vereinigten Staaten von Amerika, die im Gegensatz zu der von 1918/19 stand. Es war die Bereitschaft vorhanden, nunmehr auf dem europäischen Kontinent so lange zu bleiben, bis Deutschland völlig unterworfen und damit eine neue Machtsphäre gesichert war.
Bis heute gilt die Invasion als eine, wenn nicht sogar als die größte, amphibische Landung der Kriegsgeschichte. Trotzdem ist festzuhalten, dass sie im Wesentlichen aus westalliierter Sicht kriegsentscheidend war. Das sowjetische Russland hatte bis 1944 deutlich mehr Lasten des Krieges zu tragen gehabt, ganz zu schweigen von den über drei Jahre hinweg geleisteten Anstrengungen bei der Kräftebindung deutscher Truppen. Die Kämpfe an der Ostfront machten eine ständige Verstärkung der deutschen Einheiten durch Soldaten aus den in Frankreich stehenden Verbänden notwendig. Damit wurde die westliche Flanke wieder entblößt, die im Grunde noch gegen England und Amerika zu sichern war. Durch die Intensivierung des Luftkrieges hatten die Westalliierten seit 1943 die ersten Grundlagen für die Rückkehr auf das europäische Festland schaffen können. Mit den Beginn der Invasion wurde schließlich das militärische Ende des „Dritten Reiches“ […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Rüdiger von Dehn
Die alliierte Invasion 1944 und Joseph Goebbels
Die Schlacht in der Normandie in seiner Wahrnehmung und Propaganda
ISBN: 978-3-8366-0688-2
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Deutschland, Magisterarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

1
Inhalt
Inhalt... 1
Ein Wort des Dankes... 3
Einleitung in das Thema ... 5
I. Kapitel: Begriffe und Idee-Strukturen... 11
I.1
Goebbels' Begriff der Propaganda ... 11
I.2
Quellenlage... 16
II. Kapitel: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda vor und nach
dem 6. Juni 1944 ... 23
II.1 Das Leben des Dr. Paul Joseph Goebbels. Eine Charakterstudie... 23
II.2 ,,Dr. G." und der ,,Wüstenfuchs". Der Mythos des ,,unbesiegbaren"
Feldmarschalls... 30
II.3 Die alliierte Invasion in den Medien ... 37
II.3.1
,,Die Lage" und die Tagesparolen des Reichspressechefs... 37
II.3.2
Die ,,Deutsche Wochenschau"... 44
II.3.3
,,Der General-Anzeiger" (Wuppertal) und ,,Der Völkische Beobachter" ... 52
II.3.4. Die Wochenzeitung ,,Das Reich" ... 55
II.3.5
Die Abwehr der Invasion in der Literatur ... 64
II.3.6
Die Person Goebbels' und die deutsche Propaganda zur Landung aus
amerikanischer Sicht ... 66
III. Kapitel: Goebbels' Wahrnehmung der Invasion... 73
III.1
Der ,,private Krieg" ­ Die Landung in der Darstellung der Tagebücher... 73
III.1.1 Von Dieppe 1942 bis zur Normandie 1944... 73
III.1.2 Die erste Woche nach der Landung... 89
III.1.3
Der Kampf um Cherbourg... 99
III.1.4 Der Kampf um Caen ... 108

2
III.1.5 Der gedankliche und militärische Stellungskrieg von Juli bis
August 1944 ... 112
III.1.6 Der Bewegungskrieg in Frankreich ­ Das Ende der ,,Invasion" ... 116
III.1.7
Das Thema der Invasion in ausgewählten Reden... 121
III.2
Der Blick aus der Nähe... 126
III.2.1 Wilfred von Oven ... 126
III.2.2 Rudolf Semler... 130
III.2.3 Albert Speer... 133
III.3
Die Landung als ,,entscheidende" Schlacht im ,,totalen Krieg" ­
Ein Fazit... 135
III.3.1 Goebbels' Bild des Krieges ... 135
III.3.2 Goebbels' Rezeption der Invasion... 137
IV. Kapitel: Reaktionen auf die Kriegsführung im Westen ... 138
IV.1 Die Wahrnehmung der Landung und Propaganda an den anderen Fronten... 138
IV.2 Die Stimmung in der deutschen Bevölkerung... 143
IV.3 Die Wirksamkeit der Goebbels'schen Propaganda im In- und Ausland
­ Eine allgemeine Einschätzung... 149
V. Kapitel: Ergebnisse ... 153
V.1 Zusammenfassung und Einschätzung der Betrachtungen ... 153
V.2 Warum diese Fallstudie? Ein Nachwort ... 154
Anhang... 157
Abkürzungsverzeichnis ... 157
Gedächtnisprotokoll des Gesprächs des Autors mit Frau Pomsel
vom 4. Januar 2005... 159
Quellenverzeichnis ... 163
Literaturverzeichnis... 171

3
Ein Wort des Dankes
Eine Arbeit wie diese erfordert grundsätzlich die Unterstützung durch verschiedene Perso-
nen aus allen gesellschaftlichen Kreisen. Mein Dank gilt all denen, ohne deren Hilfe die
vorliegende Darstellung nicht möglich gewesen wäre.
Zuerst ist es mir ein Anliegen, Herrn Flint Whitlock ganz besonders zu danken, der es mir
ermöglichte, Material aus den USA zu bekommen, welches mir einen Einblick in die
Rezeption der Goebbels'schen Propaganda in Amerika in den vierziger Jahren erlaubte.
Eine Quelle von großem Wert, will man dem Anspruch auf ein möglichst komplettiertes
Bild seiner Wahrnehmung der Geschehnisse des Jahres 1944 gerecht werden. Mein Dank
gilt auch den Mitarbeitern des Bundesarchivs in Berlin, Freiburg und Koblenz, die mir
verschiedene Quellen aus dem Propagandaministerium zur Verfügung stellten.
Des Weiteren ist hier Frau Brunhilde Pomsel zu nennen, die mir im Rahmen eines Oral-
History-Interviews die Menschen und die Zeit des Joseph Goebbels zu verstehen half. Sie
war von 1942 bis 1945 in seinem Ministerium als Sekretärin beschäftigt und stand zuwei-
len im direkten Kontakt zu Goebbels selbst. Ihr verdanke ich es auch, die Person Goebbels'
in ihrem historischen Kontext besser zu erfassen und nicht vorab nach heutigen Maßstäben
zu beurteilen. Kurz gesagt, sie verhalf mir dazu, aus dem Verständnis der Zeit des Zweiten
Weltkrieges heraus, seine Person in den Gesamtzusammenhang zu stellen und auch zu
,,verstehen".
Letztendlich wäre die Arbeit nicht zustande gekommen, wäre mir nicht eine große Unter-
stützung seitens des Historischen Seminars der Bergischen Universität Wuppertal, speziell
durch Herrn Professor Dr. Franz Knipping, zuteil geworden.
Zuletzt sei schließlich meinen Eltern zutiefst empfundener Dank ausgedrückt, die mein
stetiges Arbeiten und Archiv-Pendeln nach besten Möglichkeiten und Kräften unterstütz-
ten. Ohne sie wäre die zuweilen anstrengende und kräftezehrende Arbeit kaum zu dem
angestrebten Ziel vorangetrieben worden. Schließlich dürften sie mit Beendigung der

4
vorliegenden Fallstudie die freudige Gewissheit bekommen, dass der ungebetene Rheydter,
beziehungsweise ,,Berliner Gast", nun endlich wieder das Haus verlassen hat.

5
Einleitung in das Thema
Warum gerade Joseph Goebbels und die Invasion der Alliierten? Dies war eine Frage, die
ich im Laufe der Realisierung des Projekts diverse Male zu beantworten hatte. Eine nicht
ganz unberechtigte Frage. Was kann bei der doch breit gefächerten deutschen Geschichte
gerade zu der Konzentration auf eine Person aus dem engsten Kreis des nationalsozialisti-
schen Regimes führen? Bereits 1949 wurden mit der Entstehung der Bundesrepublik
Deutschland die ersten Werke über das Leben von Joseph Goebbels veröffentlicht. Anzu-
nehmen ist, dass heute eigentlich kaum eine neue Erkenntnis über ihn zu erwarten ist. In
der Beleuchtung der Kombination von der Person Goebbels mit dem Thema der alliierten
Landung am 6. Juni 1944 in Nordfrankreich eröffnen sich jedoch weitere Forschungsberei-
che, die bisher sehr wenig bearbeitet wurden.
Die Operationen am 6. Juni 1944 in der Normandie bildeten in ihrer Gesamtheit den ersten
Schritt zu dem, was als ,,Kalter Krieg" den Weg in die Geschichtsbücher finden sollte.
Allein in diesem Zusammenhang scheint es schon Grund genug zu sein, sich mit dem
Thema auseinander zu setzen. Mit dem Erfolg der Landung ging die Reorganisation Frank-
reichs und schließlich Europas einher. Begründet war dies auf der Konstituierung einer
neuen Politik der Vereinigten Staaten von Amerika, die im Gegensatz zu der von 1918/19
stand. Es war die Bereitschaft vorhanden, nunmehr auf dem europäischen Kontinent so
lange zu bleiben, bis Deutschland völlig unterworfen und damit eine neue Machtsphäre
gesichert war.
Bis heute gilt die Invasion als eine, wenn nicht sogar als die größte, amphibische Landung
der Kriegsgeschichte. Trotzdem ist festzuhalten, dass sie im Wesentlichen aus westalliier-
ter Sicht kriegsentscheidend war. Das sowjetische Russland hatte bis 1944 deutlich mehr
Lasten des Krieges zu tragen gehabt, ganz zu schweigen von den über drei Jahre hinweg
geleisteten Anstrengungen bei der Kräftebindung deutscher Truppen. Die Kämpfe an der
Ostfront machten eine ständige Verstärkung der deutschen Einheiten durch Soldaten aus
den in Frankreich stehenden Verbänden notwendig. Damit wurde die westliche Flanke
wieder entblößt, die im Grunde noch gegen England und Amerika zu sichern war. Durch
die Intensivierung des Luftkrieges hatten die Westalliierten seit 1943 die ersten Grundla-

6
gen für die Rückkehr auf das europäische Festland schaffen können. Mit den Beginn der
Invasion wurde schließlich das militärische Ende des ,,Dritten Reiches" eingeleitet. Die
wirkliche Bedeutung lag aber in der Implementierung ideologischer Werte für die nächsten
Jahrzehnte.
So wurde das Ereignis der Landung von der deutschen Bevölkerung und der nationalsozia-
listischen Führung unterschiedlich aufgenommen. Joseph Goebbels repräsentierte die
letztgenannte Gruppe in höchstem Maße und gilt bis heute als eine Person, die einen
ungemein großen Einfluss auf Adolf Hitler auszuüben wusste. Gleichzeitig verstand er es
sehr gut, die seit dem Jahr 1919 enttäuschten Massen in Deutschland für die eigenen Ziele,
d.h. für die Ziele der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei, nutzbar und gefügig zu ma-
chen. Mit Hitler war es ihm endlich möglich gewesen, aus seiner eigenen Position des
,,gescheiterten Germanisten" herauszukommen. Schon in der, um den zeitgenössischen
Begriff hier einzuführen, ,,Kampfzeit" der NSDAP stand er eng an der Seite des Mannes,
dem er zuerst Bücher, dann sein Leben widmen und schließlich das eigene Leben und das
seiner Familie opfern sollte.
Ab 1933 war er schließlich durch Adolf Hitler in die Position gehoben worden, die für die
Medienlandschaft in Deutschland prägend wurde. Die Ernennung zum Reichsminister für
Volksaufklärung und Propaganda im März 1933 eröffnete ihm Wege, nun für die Partei
medial das zu erreichen, was die Schlägertrupps der SA kaum längerfristig bewerkstelligen
konnten, nämlich die Lenkbarkeit der Massen auf Dauer zu garantieren, um diese für die
eigenen Zwecke einsetzen zu können. Damit war er in eine Machtposition gekommen, aus
der er das ganze gesellschaftliche Leben im ,,Dritten Reich" umstrukturieren konnte.
Dies wiederum war eng an seine Wahrnehmung der politischen Geschehnisse gebunden.
Nur wenn er wirklich erkannte, was im ,,Reich" vor sich ging, konnte er ganz im Sinne
,,seines Führers" auch darauf propagandistisch reagieren. Dies nahm in den Jahren 1934
bis 1938 schließlich konkret strukturierte Formen an, die eine Rücknahme seiner persönli-
chen Macht nicht mehr möglich machten. Sein Wille, immer mehr Entscheidungsgewalt
dazuzugewinnen, war schließlich ein Grund für ständige Konfrontationen mit Joachim von
Ribbentrop und Hermann Göring.

7
Mit Beginn des Krieges war Goebbels zum Herrn über die Presse und den Rundfunk in
Deutschland geworden und hatte damit das Steuerungselement in der Hand, das nun das
Wesen des ,,bolschewistischen" Feindbilds und der ,,plutokratischen" Westmächte in allen
Gesellschaftsschichten einführen konnte. Die durch ihn wahrgenommene Realität konnte,
ganz im Sinne des Mechanismus der Gleichschaltung der Gesellschaft, zur Realität der
Massen werden. Die daraus für die Partei resultierende Machtbasis bildete die Grundlage
für die Durchführung des ,,totalen Krieges", der 1943 im Sportpalast ausgerufen und 1944
auch umgesetzt wurde. Der 6. Juni 1944 eröffnete schließlich eine von den Alliierten
diktierte Form des ,,totalen Krieges", die durch die Propaganda im ,,Reich" aufzufangen
und abzufangen war, wollte er nicht seine Glaubwürdigkeit verlieren.
In Bezug auf die alliierte Invasion sind unzählige Forschungen und Arbeiten bis heute
vorgelegt worden. Die kaum überschaubare Liste von Publikationen zum 60. Jahrestag der
Landung alliierter Streitkräfte in der Normandie spricht für sich. Bis heute, so scheint es,
ist dem Zusammenhang von Personengeschichte im politisch-publizistischen Bereich und
einem Ereignis wie der Eröffnung der ,,zweiten Front" in der Forschung kaum Tribut
gezollt worden. Es besteht allerdings eine enge Beziehung zwischen der Wahrnehmung der
Kriegslage in der obersten nationalsozialistischen Führungsschicht und den militär-
politisch getroffenen Entscheidungen. Dies zeigt sich beispielsweise bei der so genannten
,,Panzerkontroverse", die zwischen Erwin Rommel, Geyr von Schweppenburg, Gerd von
Rundstedt und Heinz Guderian ausgetragen wurde und erst durch ein Machtwort Hitlers
beendet werden konnte.
1
Alle folgenden Überlegungen zur Operation ,,Overlord" werden schließlich auch auf die
Frage zu konzentrieren sein, in welchem Kontext die Invasion im Sinne einer Anlandung
verschiedener Truppenverbände von See her begann und in der Folge durch den Beginn
selbstständiger in sich geschlossener Bodenoperationen beendet wurde. Kurz gesagt: bis zu
welcher Phase des Krieges wurde ,,die Invasion" von Goebbels noch im abgeschlossenen
Kontext einer Landung gesehen? Die von Piekalkiewicz formulierte Festlegung auf den
31. Juli 1944, den Tag des Ausbruchs der alliierten Truppen aus dem Brückenkopf, ist aus
militärhistorischer Interpretation sehr gut zu entwickeln, doch greift diese im Kontext
individueller Wahrnehmung zu kurz.
2
Eine ähnliche Feststellung bildet die Grundlage für
1
Ian Kershaw: Hitler 1936-1945. Stuttgart 2000, 849.
2
Janusz Piekalkiewicz: Die Invasion. Frankreich 1944. Augsburg 1998, 190.

8
Vogels Diskussion über die Landung in der Normandie. So gilt die Eroberung der Bretagne
auch noch als Teil der Operation ,,Overlord" und damit der Invasion.
3
Die von Mönch
entwickelte Definition, dass es sich bei der Invasion um ein ,,räumlich begrenztes Ereig-
nis" handelte, ist wiederum zu allgemein gefasst, als dass sie für die folgende Analyse
nützlich erscheint.
4
Der thematische Bogen erfährt schließlich durch die Anfügung erster Elemente zur Perso-
nengeschichte des ,,Dritten Reiches" seine konkrete Fassbarkeit. So lohnt es sich, in die-
sem Zusammenhang einen Blick auf den Personenkreis zu werfen, der das System in der
so genannten ,,zweiten Kampfzeit"
5
der NSDAP mit schuf und ab 1933 aktiv steuerte. Fast
symbolhaft für die Gesamtentwicklung sticht die Person Goebbels' hierbei hervor.
Die Vorstellung der Rezeption und Perzeption der Kriegslage aus seiner Sicht hat jedoch
einen besonderen Wert, der sich in der Umsetzung seiner propagandistischen Mittel nie-
derschlägt. Die Frage ist also, inwieweit das, was er privat äußerte und festschrieb, in der
Propaganda wieder zu finden ist. Wo sind demnach heute die Feindbilder oder die persön-
lichen Einstellungen im Kontext der Landung wieder zu erkennen? So sind es also zwei
komplexe Themenlinien, die es im Folgenden zu verknüpfen, aber auch zu entwirren gilt.
Die erste Linie lässt sich auf die Formulierung der persönlichen Wahrnehmung des Krieges
konzentrieren, die in den Betrachtungen den Schwerpunkt bildet. Die zweite wiederum ist
ausschließlich auf den Aspekt der Entwicklung, Umsetzung und Wirksamkeit der Propa-
ganda begrenzt. Im Falle des konkreten Ereignisses der ,,Operation Overlord" sind diese
beiden Themengebiete zu kombinieren, wobei das Hauptaugenmerk durchweg auf die
Wahrnehmung des Ministers zu legen sein wird.
Vier Themenkomplexe sollen im Folgenden nun entwickelt werden, die die Betrachtungen
zu Joseph Goebbels und der alliierten Invasion 1944 stützen. Nachdem nunmehr im Gro-
ben umrissen ist, wie die erste Entwicklungsphase nationalsozialistischer Propaganda
erfolgte, wird in einem nächsten Schritt Bezug auf die Quellenlage herzustellen sein. Für
eine genauere Einordnung und Einbindung in das Gesamtthema ist anschließend erforder-
lich, Bezüge zur Person Goebbels' selbst und den Strukturen der Propaganda vor und nach
3
Detlef Vogel: Kriegsführung in Westeuropa. Von der Invasion in der Normandie bis zur zeitweisen
Stabilisierung der Front im Herbst 1944. In: Hans Umbreit (Hrsg.): Invasion 1944 (= Vorträge zur Mi-
litärgeschichte, Bd. 16). Hamburg 1998, 145.
4
Winfried Mönch: Entscheidungsschlacht ,,Invasion" 1944? Prognosen und Diagnosen (= Historische
Mitteilungen, Beiheft 41). Stuttgart 2001, 18.
5
Werner Bräuniger: Hitlers Kontrahenten in der NSDAP 1921-1945. München 2004, 11.

9
dem 6. Juni 1944 herzustellen. Es sind hierbei Elemente zu entwickeln, die einen Eindruck
davon geben, wie die Rezeption der Wirklichkeit des Krieges in die Propaganda mit ein-
fließt oder gar nicht berücksichtigt wird.
Im dritten Kapitel, dem Hauptteil der Arbeit, liegt der Schwerpunkt der Betrachtungen auf
der Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Landung in der Normandie als historisches
Ereignis an sich und der Personengeschichte. Ein intensives Auseinandersetzen mit den
Schriftzeugnissen von Goebbels und anderen Vertretern aus der Führungsschicht des
Propagandaministeriums wird hierbei den eigentlichen Forschungsgegenstand bilden. Im
Folgenden sollen ausgewählte Ausgaben des Wuppertaler ,,General-Anzeigers", Artikel
aus wenigstens zwei Ausgaben des ,,Völkischen Beobachters" und der Wochenzeitung
,,Das Reich" einen Eindruck von der Behandlung der Invasion in den Medien geben.
Ergänzt wird dies durch eine Analyse der nach der Landung veröffentlichten ersten Ausga-
be von der ,,Deutschen Wochenschau" und der geplanten Verarbeitung des Themenkom-
plexes in der literarischen Gattung des Romans.
Das vierte Kapitel wird von der Sache her eine Ergänzung der Wahrnehmung Goebbels'
sein. Hier soll dem Aspekt nachgegangen werden, wie weit die Propaganda im Kontext der
Invasion auf die Soldaten und die deutsche Bevölkerung Wirksamkeit wirkte.
Wuppertal, den 29. Oktober 2005

11
I.
Kapitel: Begriffe und Idee-Strukturen
I.1
Goebbels' Begriff der Propaganda
Im Zeitalter von allgegenwärtigen Massenmedien und -kommunikationsmitteln ist die
deutliche Klärung und Abgrenzung des Propagandabegriffs unbedingt erforderlich. Im
Zusammenhang mit der Themenstellung ist zunächst konkret die Vorstellung von Propa-
ganda zu beleuchten, die seitens Adolf Hitlers bereits 1926 in seinem Buch ,,Mein Kampf"
formuliert wurde. Dadurch ist eine konkrete Absteckung der gesellschaftlichen Bereiche
möglich, die nach Goebbels von der Propaganda betroffen waren. Es wird hier dieser
Ansatz gewählt, wenngleich dies als ein zu traditioneller Betrachtungsrahmen bewertet
werden kann.
6
Die Frage ist natürlich, ob dieser auch noch 1944 Gültigkeit besaß und ob
Goebbels sich diesen überhaupt zu Eigen gemacht hat. Der Blick auf die Vorstellungen
Hitlers in Bezug auf die Bedeutung und Definition von Propaganda ist also eine Voraus-
setzung für die Analyse der Goebbels'schen Agitation.
Hitler wurde sich der Wirksamkeit der Propaganda erstmals bewusst, als er sah, wie diese
durch seine ideologischen Feinde, namentlich die Marxisten und Leninisten, zur Anwen-
dung gebracht wurde.
7
Seine Vorstellung von der eigentlichen Kriegspropaganda war eng
an die selbst gemachten Erfahrungen während des Ersten Weltkrieges gebunden.
8
Von
Anfang an sah er das Hauptziel in der Kriegspropaganda ausschließlich darin, den noch
immer andauernden so genannten Existenzkampf des ,,deutschen Volkes" zu unterstützen
und den zu führenden Krieg auf diese Art zu realisieren. Bemerkenswert ist hierbei, dass
einem möglichen Zustand des Friedens in der Gesellschaft gar kein Raum geboten wurde.
So wundert es nicht, dass Menschlichkeit dabei nicht vorkam und nach seiner Auffassung
auch nicht die Grundlage war, wonach der Kampf des Volkes zu beginnen hat.
Die Aufgaben und Prinzipien von Propaganda umriss er durchaus konkret und für seine
Zwecke allumfassend:
6
Thymian Bussemer: ,,Über Propaganda zu diskutieren hat wenig Zweck." Zur Medien- und Propagan-
dapolitik von Joseph Goebbels. In: Lutz Hachmeister und Michael Kloft (Hrsg.): Das Goebbels-
Experiment. Propaganda und Politik. München 2005, 49.
7
Michael Burleigh: Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Gesamtdarstellung. Frankfurt am Main
²2000, 148f., 159.
8
Adolf Hitler: Mein Kampf. Bd. I, München
241
1937, 193f.

12
,,An wen hat sich die Propaganda zu wenden? An die wissenschaftliche Intelligenz oder an die
wenig gebildete Masse? Sie hat sich nur an die Masse zu wenden. [...] Die Aufgabe der Propaganda
liegt nicht in einer wissenschaftlichen Ausbildung des Einzelnen, sondern in einem Hinweisen der
Masse auf bestimmte Tatsachen, Vorgänge, Notwendigkeiten usw., deren Bedeutung dadurch erst in
den Gesichtskreis der Masse gerückt werden soll. [...] So muß ihr Wirken auch immer mehr auf das
Gefühl gerichtet sein und nur sehr bedingt auf den so genannten Verstand."
9
Die Emotionalisierung eines Sachverhaltes war ein elementarer Bestandteil der Vorstel-
lungen von Propaganda, die auch von Goebbels 1944 durchweg vertreten und umgesetzt
wurden.
10
Die Forderung nach der Konzentration der Propaganda auf die Masse der Be-
völkerung ist der zweite Teil, der bei der Umreißung des Goebbels'schen Propagandabeg-
riffs hervorsticht. Der Adressatenkreis, beziehungsweise die Zielgruppe, war damit klar
hervorgehoben. Das einzelne Individuum hatte aus dieser Sicht auf die Gesellschaft gänz-
lich an Wert verloren.
11
Was hier schon deutlich wird ist die Tatsache, dass nur die so
genannte ,,Volksgemeinschaft" Gültigkeit in Bezug auf politische Wahrnehmung haben
konnte. Grundlegend für das Funktionieren des Konzepts war, dass die Propaganda nicht
mit der Ideologie des Regimes gleichgesetzt wurde. Sie hätte damit sonst gänzlich die
Brauchbarkeit als ,,Waffe" verloren.
12
Allein diese Formulierungen Hitlers erlauben die erste Feststellung, dass Goebbels' eigene
Prinzipien für die Lenkung der Massen hier in ,,Mein Kampf" teilweise ihren Ursprung
gefunden hatten. Des Weiteren band Hitler die erfolgreiche Agitation an das Element der
ständigen Wiederholung eines auf bestimmte Eckpunkte und Stichworte reduzierten Sach-
verhaltes. Dabei waren jedoch keine zu hohen, den Sachverhalt betreffenden Erwartungen
im Volk zu entwickeln.
13
Auch hierbei handelt es sich um weitere Dinge, die durchweg das
Fundament für Joseph Goebbels' Definition von Propaganda bilden. Schließlich wurde der
Umgang mit jeder Form der Medien zur politischen Steuerung der Gesellschaft durch
Hitler in den Kontext des Militärischen gestellt. Die Kategorisierung der Propaganda als
,,geistige Waffe"
14
war ein Phänomen, welches von Goebbels ohnehin bereitwillig aufge-
nommen und in seine eigene Struktur der Propagandaführung integriert wurde.
9
Hitler, 196f.
10
David Welch: The Third Reich. Politics and Propaganda. London und New York 1993, 20.
11
Peter Longerich: Nationalsozialistische Propaganda. In: Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke und
Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.): Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herr-
schaft (= Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte, Bd. 23). Düsseldorf 1992, 292f.
12
Jörg Echternkamp: Im Kampf an der inneren und äußeren Front. In: ders. (Hrsg.): Die deutsche
Kriegsgesellschaft 1939-1945. Politisierung, Vernichtung, Überleben (= Das Deutsche Reich und der
Zweite Weltkrieg, Bd. IX/I). München 2004, 20.
13
Hitler, 198f.
14
Ebd., 204.

13
Damit ist dem Gedanken Bussemers, die generelle Strukturlosigkeit der Propaganda betref-
fend, doch entschieden zu widersprechen.
15
Goebbels Verarbeitung der Geschehnisse in
der Normandie zeigen sehr gut, dass die Gestaltung der Propaganda auf ein Sich-
Nichtfestlegen ausgerichtet war und damit doch eine gewisse Form besaß. Es handelt sich
dabei um ein allgemein gültiges Merkmal, welches bereits 1950 im Rahmen einer Disserta-
tion an der Ludwig-Maximilian Universität zu München im Umgang mit dem Thema der
Invasion in der ,,Frankfurter Presse" herausgearbeitet worden ist.
16
Goebbels, wie auch Hitler, suchten die Öffentlichkeit, um ihre eigenen Vorstellungen von
Propaganda darzulegen. Mit ,,Mein Kampf" veröffentlichte Hitler seine Ansprüche an die
allgemeine Kriegspropaganda. Goebbels hingegen beschränkte sich auf die Darstellung im
Rahmen von Leitartikeln in ,,Das Reich" im Juli 1941 und auf eine Anzahl von Reden. So
hatte er zu diesem Zeitpunkt schon den Anspruch formuliert, dass Propaganda stets an
einige nachvollziehbare Wahrheiten zu binden sei. Ein Grundsatz, dem er bis 1944 stets
treu bleiben sollte. So konnten sich Hitler und Goebbels über die Jahre, bis ins Jahr 1944,
sehr gut ergänzen, wobei es dem Minister immer wieder gelang, ,,seinen Führer" im Volk
wirksam zu ,,vermarkten".
17
Hier war aber sehr bald ein entscheidender Umbruch in der
Propagandaentwicklung im Sinne der Werbung für die Politik zu verzeichnen gewesen, da
das ,,Produkt" Hitler sich seit 1942 kaum mehr der Öffentlichkeit stellte, obwohl dies von
Goebbels immer wieder gefordert wurde.
18
Ganz im Verständnis der von Hitler 1927 formulierten Säulen für die professionelle Agita-
tion im Krieg setzte Goebbels diese mit einer Form der Kriegsführung auf eine Stufe. So
war es ihm auch möglich, sein Presseressort zu einem Teil der Kriegsmaschinerie des
,,Deutschen Reichs" zu machen.
19
Durch die Betonung der speziell in der Presse zu benut-
zenden Sprache der Soldaten konnte er wenigstens sprachlich seine Vorstellung verwirkli-
chen, selbst zur Gemeinschaft der Soldaten zu gehören. Durch die Gründung von in die
Wehrmacht eingegliederten Propaganda-Kompanien war es ihm schließlich sogar gelun-
15
Bussemer, 50f.
16
Hans Schaller: Landung und Invasion im Lichte der Propaganda der Frankfurter Presse. Maschinenschr.
Manuskript, Bad Homburg v. d. Höhe 1950, 10f.
17
Joachim C. Fest: Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft. München
8
2004,
120.
18
Longerich, Nationalsozialistische Propaganda, 296f.; Ian Kershaw: Der Hitler-Mythos. Führerkult und
Volksmeinung. Stuttgart ²1999, 188; Randall L. Bytwerk: Bending Spines. The Propagandas of Nazi
Germany and the German Democratic Republic. East Lansing 2004, 44f.
19
Das Reich. Deutsche Wochenzeitung, 06.07.1941, Joseph Goebbels: Nachrichtenpolitik.

14
gen, seine eigene Presse-Armee zu etablieren.
20
Die von Hitler erwogene Militarisierung
der Propaganda war damit erfüllt und fand im April 1943 ihren Höhepunkt, als die Propa-
ganda-Kompanien zu einer eigenen Waffengattung erhoben wurden.
21
Bereits am 8. Sep-
tember 1939 hatte er per ,,Führerbefehl" den Propaganda-Apparat mit den regulär kämp-
fenden Teilstreitkräften der Wehrmacht gleichgesetzt.
22
Auch lehnte Goebbels sich in der
Vorstellung von Pressepolitik an ,,seinen Führer" an, wenn er darauf verwies, dass es in
Bezug auf Entwicklungen im Krieg tunlichst vermieden werden sollte, zu hohe Erwartun-
gen über den Ausgang einer Schlacht oder ähnliche Dinge zu implementieren.
23
1942 formulierte Goebbels schließlich eine recht simple Definition von Propaganda, die
endgültig parallel zu dem lief, wenn nicht sogar eine reine Kopie dessen darstellte, was
Adolf Hitler schon 1927 zu Papier bringen ließ. So fügte der nunmehrige Propagandami-
nister weitere drei Säulen zu seinem Propagandabegriff hinzu, die den Erfolg der Massen-
beeinflussung zu garantieren hatten.
,,Ich kann wieder sehr viel lernen; vor allem, daß das Volk meistens viel primitiver ist, als wir uns
das vorstellen. Das Wesen der Propaganda ist deshalb die Einfachheit und die Wiederholung. Nur
wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann, und den Mut hat, sie auch gegen die Ein-
sprüche der Intellektuellen ewig in dieser vereinfachten Form zu wiederholen, der wird auf die Dau-
er zu grundlegenden Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen. Wer einen
anderen Weg einschlägt, mag den oder jenen labilen Intellektuellenkreis beeinflussen, das Volk ist
er nicht einmal an der Oberfläche zu ritzen in der Lage."
24
Die Forderung nach Einfachheit der Informationen bildete die erste Grundlage für seine
Vorstellung von Propaganda. Als Zweites kam auch hier ergänzend die stetige Wiederho-
lung, wie ,,Aufklärung" in die Öffentlichkeit lanciert wurde, zur Definition hinzu. Als
20
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands, Teil I,
Aufzeichnungen 1923-1941 (Bd. VI: August 1938-Juni 1939). München 1998, 286f.; Christian Härtel:
,,Soldat unter Soldaten". Der Journalist Joseph Goebbels. In: Lutz Hachmeister und Michael Kloft
(Hrsg.): Das Goebbels-Experiment. Propaganda und Politik. München 2005, 23ff., 25f.
21
Ulrike Bartels: Die Wochenschau im Dritten Reich. Entwicklung und Funktion eines Massenmediums
unter besonderer Berücksichtigung völkisch-nationaler Inhalte (= Europäische Hochschulschriften,
Reihe III, Bd. 995). Frankfurt am Main 2005, 222; Doris Kohlmann-Viand: NS-Pressepolitik im Zwei-
ten Weltkrieg. Die ,,Vertrauliche Information" als Mittel der Presselenkung (= Kommunikation und
Politik, Bd. 23). München, London, New York u.a. 1991, 49.
22
,,Führer-Erlasse" 1939-1945 . Edition sämtlicher überlieferter, nicht im Reichsgesetzblatt abgedruckter,
von Hitler während des Zweiten Weltkrieges schriftlicher Direktiven aus den Bereichen Staat, Partei,
Wirtschaft, Besatzungspolitik und Militärverwaltung, hrsg. von Martin Moll. Stuttgart 1997, Dokument
5, 08.09.1939, 91; vgl. dazu auch: Felix Moeller: Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten
Reich. Berlin 1998, 371ff.
23
Das Reich, Goebbels, 06.07.1941.
24
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands. Teil II,
Diktate 1941-1945 (Bd. III: Januar-März 1942). New Providence, London und Paris 1994, 29.01.1942,
213.

15
dritter Punkt wurde die Frage nach der Dauerhaftigkeit und Durchhaltefähigkeit einer
Information thematisiert. Dieser Aspekt setzte damit auch voraus, dass sich die Öffentlich-
keit mit den Elementen der Propaganda und den wirklichen Ereignissen auseinandersetzte,
was im Fall der Landung der Alliierten in der Normandie gänzlich erfüllt war. Goebbels
hatte damit klar den Anspruch verfolgt, auf dem einfachsten Weg die Massen im Land
durch eine ,,Informationsberieselung" zu seinem Instrument zu machen. Damit wurde eine
direkte Militarisierung des Volkes selbst zunächst nicht angestrebt.
25
Der Minister selbst
artikulierte den Gedanken der Gleichsetzung der Propaganda mit dem Kampfeswillen auf
militärischer Ebene bereits sehr konkret in einer Rede im Jahre 1935, als er ,,aktive Propa-
ganda" als ein aktives Vorgehen im Sinne eines Angriffs gegen einen klar definierten
Gegner charakterisierte.
26
Interessant ist hierbei, dass Hitler und auch Goebbels sich der Notwendigkeit bewusst
waren, auf jeden Fall eine große Distanz zu der im Volk lebenden Intelligenz zu wahren.
Für Goebbels basierte das Wesen der Propaganda trotzdem, oder gerade deswegen, auf
einem didaktischen Anspruch, den er selbst sogar als tragenden Grundsatz für die Staats-
führung erneut klassifizierte.
27
Die Bevölkerung war politisch durch die Propaganda zu
erziehen und steuerbar zu machen und nicht in eine Gesinnung zu pressen, was er am 25.
März 1933 im Haus des Rundfunks öffentlich proklamierte.
28
Zusammenfassend lassen sich also sechs wesentliche Merkmale für das Wesen der Goeb-
bels'schen Propaganda herleiten. Die vier nochmals hier besonders hervorzuhebenden
Elemente sind: die stetige Wiederholung von bestimmten Schlagworten, die Emotionalisie-
rung eines Sachverhaltes, das Einfügen von gegebenenfalls selbst entwickelten Wahrheits-
elementen
29
und schließlich die Vermeidung einer auf die Kriegslage bezogenen zu opti-
mistischen Einstellung. All diese Aspekte werden im weiteren Verlauf der Betrachtungen,
gerade im Rahmen der Beschäftigung mit zeitgenössischen Zeitungen und Goebbels'
eigenen Reden, in unterschiedlich ausgeprägten Formen immer wieder zu kennzeichnen
sein. Im weiteren Vorgehen wird es von Interesse sein, ob und inwieweit Goebbels sich so
25
Echternkamp, 19.
26
Goebbels Reden 1932-1945, hrsg. von Helmut Heiber. Bd. I, Bindlach 1991. Dokument 27,
16.09.1935, 262f.
27
Fröhlich, Tb II Bd. III, 30.01.1942, 223; vgl. hierzu auch: Deutsche Presse. Zeitschrift für die gesamten
Interessen des Zeitungswesens. Organ des Reichsverbandes der Deutschen Presse e.V. 23 (1933), 279;
Welch, The Third Reich. Politics and Propaganda, 17, 23.
28
Heiber, Goebbels Reden, Bd.I, Dokument Nr. 13, 25.03.1933, 94f.
29
Ernst K. Bramsted: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda 1925-1945. Frankfurt am Main
1971, 437; Leonard W. Doob: Goebbels' Principles of Propaganda. In: Robert Jackall (Hrsg.): Propa-
ganda. New York 1995, 197f.

16
an seine eigenen Regeln gehalten hat. Eine andere hier zu behandelnde Frage wäre bei-
spielsweise auch, wie sich die für die Öffentlichkeit entwickelte Realität der Propaganda
mit den Alltagserfahrungen der Menschen im ,,Reich", bei den Soldaten am Atlantikwall
und an anderen Fronten in Einklang bringen ließ?
30
I.2
Quellenlage
Die Komplexität der Themenfelder des Zweiten Weltkriegs und die Geschichte der natio-
nalsozialistischen Propaganda machen es zwangsweise erforderlich, sich konkret auf einen
Zeitrahmen zu beschränken. So bieten sich die Betrachtungen zur alliierten Invasion in der
Normandie besonders an, da gleichzeitig der breit gefächerte Quellenbestand, in gedruck-
ter, wie auch ungedruckter Form, eine Vielzahl von Überlegungsansätzen liefert.
Die Benutzung verschiedener Memoiren der jeweils in die Situation des Krieges eingebun-
denen Personen eröffnet für eine Arbeit wie diese ein erstes Quellenpotential. Doch ist
dabei grundsätzlich die Frage zu stellen, welches Wissen der jeweilige Verfasser, nach
dem Krieg, durch die Lektüre von Sekundärliteratur oder den Austausch mit anderen
Zeitzeugen hinzufügen konnte. Meist geht dies einher mit der literarischen Abschwächung
der zum damaligen Zeitpunkt bekleideten Position im militärischen oder zivilen Bereich
des Staates. Im Folgenden werden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Autoren besonders
herauszustellen sein.
Ähnliches gilt auch im Hinblick auf die Benutzung verschiedener Editionen von Tagebü-
chern, allen voran Goebbels' eigene Darstellungen, die er 1925 zu schreiben begonnen
hatte. Es ist unbestreitbar, dass seine Aufzeichnungen gänzlich für die Nachwelt formuliert
und durch ihn stilistisch vor der geplanten Drucklegung geglättet worden sind.
31
Heute
wird deutlich, dass der Drang, sich ein eigenes literarisches Denkmal zu setzen konstant
mit dem eigenen Machtzuwachs angestiegen war. So wurde sein Werk auch im Laufe der
Jahre zu einem Teil des von ihm organisierten Propagandaapparates.
32
Er trug sich sogar
mit der Absicht, das Gesamtwerk nochmals für den großen Leserkreis in der explizit
30
Rolf-Dieter Müller: Der letzte deutsche Krieg 1939-1945. Stuttgart 2005, 218.
31
Peter Bucher: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. In: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21.
Jahrhunderts 3 (1988), 91.
32
Joachim C. Fest: Joseph Goebbels. Eine Portraitskizze. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 43
(1995), 569; Elke Fröhlich: Joseph Goebbels und sein Tagebuch. Zu den handschriftlichen Aufzeich-
nungen von 1924 bis 1941. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 35 (1987), 490.

17
deutschen Bevölkerung komplett zu überarbeiten. Der tiefe Wunsch zur Selbstprofilierung
und das Denken in einer eigenen Vorstellung von historischen Kontexten und Dimensio-
nen lag hierbei offen auf der Hand.
33
Ein anderes Indiz dafür bildet die durch den Minister
in Auftrag gegebene Sicherung des Materials als Mikrofiche im Jahr 1944 und die erste
Veröffentlichung von Tagebuchblättern der Jahre 1932 und 1933.
34
In dieser Hinsicht
erscheint die Einschätzung der Quellen von Felix Moeller doch sehr plausibel: die Nach-
welt sollte auf jeden Fall von den Tagebüchern in publizistischer Weise profitieren.
35
Entscheidend bei der Benutzung des Selbstzeugnisses des Ministers ist, dass die Mitarbei-
ter im Ministerium die Erstellung des Tagebuchs mitverfolgen konnten. So ist heute
schwer festzustellen, an welcher Stelle beispielsweise die Stenographen des Ministers,
Richard Otte, Otto Jacobs, sowie der Pionier auf dem Gebiet der Mikrofichierung, Joseph
Goebel
36
, selbst noch Einfluss auf den Text genommen haben.
37
Gerade Otte hatte nach
dem 20. April 1945 mehrere Möglichkeiten gehabt, gezielt verschiedene Teile des Manu-
skripts zu vernichten.
38
Auch ist nicht bekannt, welches Material unter Umständen durch
Journalisten und den Verlag Hoffmann & Campe zurückgehalten wurde, wobei anzumer-
ken ist, dass sich eben dieses auf das Jahr 1945 beschränkte. Es darf nicht der Hinweis
fehlen, dass gerade der Jahrgang 1944 der Tagebuchaufzeichnungen längere Zeit im Besitz
des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR war und dort im Sinne einer
politischen Auswertung genutzt werden konnte und letztlich sicherlich auch politisch
instrumentalisiert wurde.
39
Die im Quai d'Orsay aufgefundenen Teilbestände der Tagebü-
cher werden in den folgenden Betrachtungen nicht weiter beachtet, da diese keine neuen
Fragmente oder Erkenntnisse beinhalten und damit die vom Institut für Zeitgeschichte
herausgegebene Edition weder ergänzen noch fortführen.
40
33
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands, Teil I,
Aufzeichnungen 1923-1941 (Bd. IX: Dezember 1940-Juli 1941). München 1998, 212.
34
Horst Möller: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Quelle, Überlieferung, Edition. In: Klaus Olden-
hage, Hermann Schreyer und Wolfram Werner (Hrsg.): Archiv und Geschichte (= Schriften des Bun-
desarchivs, Bd. 57). Düsseldorf 2000, 674.
35
Moeller, 33ff.
36
Elke Fröhlich: Joseph Goebbels und sein Tagebuch, 498.
37
Moeller, 40; Bucher, Die Tagebücher von Joseph Goebbels, 90; Fröhlich, Tb II Bd. XII, Vorwort, 15;
Astrid M. Eckert und Stefan Mertens: Glasplatten im märkischen Sand. Zur Überlieferungsgeschichte
der Tageseinträge und Diktate von Joseph Goebbels. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 52 (
2004), 479.
38
Fröhlich, Joseph Goebbels und sein Tagebuch, 500.
39
Joseph Goebbels: Tagebücher 1924-1945 (Bd. I: 1924-1929), hrsg. von Ralf Georg Reuth. München
³2003, 11f., 18; Möller, 675; vgl. dazu auch: Bernd Sösemann: Die Tagebuchaufzeichnungen des Jo-
seph Goebbels und ihre unzulänglichen Veröffentlichungen. In: Publizistik. Vierteljahresheft für Kom-
munikationsforschung 37 (1992), 226, 229; sowie: Fröhlich, Joseph Goebbels und sein Tagebuch, 502.
40
Eckert, 499f.

18
Trotz der langen, nicht immer nachvollziehbaren und scheinbar längst nicht beendeten
Überlieferungsgeschichte der Tagebücher sind diese die Hauptquelle der vorliegenden
Arbeit. Es gibt sonst kaum zeitgenössisches Quellenmaterial, welches konkret aufzeigt,
wie der Propagandaminister seine Realität des ,,Dritten Reiches" sehen und bewerten
wollte.
41
Möller ist in Bezug auf den Quellenwert der Tagebücher Recht zu geben, dass sie
eine ,,politische Chronik aus nationalsozialistischer Sicht"
42
sind, die einen einzigartigen
Einblick in die Führung des ,,Dritten Reiches" ermöglichen. Auch gilt dies für die Interpre-
tation der militärischen Lage des ,,Reiches" auf der Basis der den Tagebucheinträgen
vorangestellten Berichte, die jedoch nicht von Goebbels selbst abgefasst wurden.
43
Es ist aber anzumerken, dass das Material nicht ohne Kritik an der Edition selbst zu benut-
zen ist. Die von Sösemann höchst kritisch formulierten Anmerkungen zur Methodik und
Bearbeitung, die bis 1987 veröffentlichten ersten vier Tagebuchbände betreffend, sind in
gewissem Maße auf die Jahrgänge 1942 bis 1944 anwendbar. So ist auch beispielsweise
für den Tag der Invasion ohne weitere Kommentierung nur der Vermerk zu finden, dass
aus verschiedenen Transkriptionen die Darstellung über die Landung rekonstruiert wurde.
Es ist jedoch nicht zu erkennen, wo welches Material eingefügt und gegebenenfalls ergänzt
worden ist. Die spezifische Fragestellung der Arbeit macht eine Erschließung der Materia-
lien aber trotzdem sehr gut möglich.
44
Ansonsten gilt es, sich von der scharfen Kritik zu
distanzieren. Sösemann vermied gänzlich in einem 1992 veröffentlichten Artikel, die
Bedeutung seiner eigenen Person in der Überlieferungsgeschichte der Tagebücher, gerade
in Bezug auf eine Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit, einzubrin-
gen.
45
Das erschüttert die Glaubwürdigkeit seiner Argumentation, die eine derart negative
Bewertung nur begrenzt haltbar und angemessen erscheinen lässt.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die nicht immer nachvollziehbare Kritik Beers an
der Fröhlich-Edition der Tagebücher kurz einzugehen. Die Argumentation, dass sprachli-
che und stilistische Mängel auf die Fälschung des Tagebuchs hinweisen, greift eindeutig zu
41
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands, Teil II,
Diktate 1941-1945 (Bd. XII: April-Juni 1944). München, New Providence, London und Paris 1995,
Vorwort, 7ff.
42
Möller, 674.
43
Ebd., 682ff.
44
Sösemann, 218ff.
45
Vgl. hierzu besonders: Reuth, Tb Bd. I, Vorwort, 16f.

19
kurz.
46
Die Betrachtung verschiedener Reden des Ministers zeigen sehr deutlich, dass er
immer wieder dazu neigte, mangelhafte Satzkonstruktionen und einen falschen Wort-
gebrauch zu benutzen. Die allgemein gefassten Formulierungen für die Kritikpunkte an der
Veröffentlichung der ersten vier Bände wurden dahingehend fortgeführt, dass das Fehlen
zeithistorisch wichtiger Ereignisse zur kritischen Distanz mahne, und dies wiederum ein
weiteres Merkmal für den Status der Fälschung sei. Auch dies ist für den hier zu betrach-
tenden Zusammenhang zu revidieren. Die Geschehnisse des Jahres 1944 finden sehr detail-
reich ihren Niederschlag in den Diktaten des Tagebuchs und lassen sich durch verschiede-
ne weitere Quellenmaterialien sehr gut stützen. Von einer bewussten Ausklammerung
durch Dritte ist in den Folgebänden der Edition nicht grundsätzlich auszugehen.
47
Die
stetige singuläre Stützung der Kritik im Bereich der Sekundärliteratur auf das Wochenma-
gazin ,,Der Spiegel" lässt die Seriosität der Argumentation noch weiter verblassen.
Für die Wahrnehmung und Darstellung der Goebbels'schen Propaganda im Ausland wer-
den zu den Betrachtungen ausgewählte Artikel der ,,New York Times" zu Grunde gelegt
werden. Diese wiederum sind durchgehend auf die Person Goebbels' und die Vorgeschich-
te des ,,D-Day" fokussiert. Die nach der Landung erschienenen Reportagen konnten leider
nicht beschafft und eingearbeitet werden. Trotzdem bietet das Material einen sehr guten
Überblick über die Elemente, die seitens der deutschen Propaganda-maschinerie in die
Vereinigten Staaten transferiert und schließlich dort rezipiert wurden. Über die Vielfältig-
keit der Interpretationen der alliierten Invasion in den U.S.-Medien ließen sich ohnehin
weit vernetzte Betrachtungen und eigenständige Arbeiten verfassen.
Weitere ausgewählte Zeitungsartikel bieten schließlich einen ausgiebigen Einblick in den
deutschen Umgang mit der Invasion in der Propaganda, welche sich bekanntlich auch noch
auf die Filmindustrie stützte, die es im Rahmen einer Ausgabe der ,,Deutschen Wochen-
schau" hier mit einzubringen gilt. Die Gesamtheit der vorhandenen Primärmaterialien zum
Themenbereich der Landung in Kombination mit der deutschen Propagandamaschinerie
unter Führung von Joseph Goebbels lässt sich hier jedoch kaum widerspiegeln und ein-
bringen. Die Einbettung der Tagebucheinträge des Reichsministers in andere Quellenmate-
rialien helfen, die von Moll formulierten Gefahren der Darstellung eines verzerrten Bildes
46
Albert M. Beer: Die Tagebücher von Dr. Joseph Goebbels: Eine Fälschung? Überarbeitete Fassung
eines Vortrages auf der Tagung der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt am 14.05.1988.
Maschinenschr. Manuskript, Ellwangen 1988, 22.
47
Ebd., 34f.

20
der Goebbels'schen Wahrnehmung durch nur punktuelle Zitierung zu umgehen. Die Siche-
rung des ,,inneren Quellenwertes" ist damit auf jeden Fall erbracht.
48
Dieser Quellenwert erschließt sich dem Leser in vollem Maße, wenn auch die all-
wöchentlich durch den Sicherheitsdienst der SS herausgegebenen Berichte über die
Stimmung im so genannten ,,Dritten Reich" und in den besetzten Gebieten mit
berücksichtigt werden. Für die Darstellung in seinen eigenen Aufzeichnungen bildeten bis
zu einem gewissen Grad eben diese Berichte, wie auch der Wehrmachtsbericht, immer
wieder die Materialgrundlagen. Gleichzeitig waren sie ein Wegweiser für den Minister für
notwendige Verbesserungen in der Propaganda über den gesamten Zeitraum des Krieges
hinweg. Hinzu kommt noch der Gedanke, dass Goebbels bei der Benutzung einer solchen
Quelle, den Tagebuchaufzeichnungen eine ganz offizielle und institutionell gebundene
Prägung zu geben vermochte.
Das Einfügen von verschiedenen Feldpostbriefen in die Arbeit ist die Erschließung einer
bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu Unrecht unterschätzten Quelle in der
Historiographie als Kombinationsmöglichkeit von Kriegsgeschehen und Propaganda. Sie
bieten die Möglichkeit der konkreten Nachvollziehbarkeit der subjektiven Reaktionen auf
die Propaganda zur Invasion von Wehrmachtsangehörigen aller Waffengattungen. Trotz
der Postzensur findet sich dort eine Vielzahl von sowohl kritischen, wie auch zustimmen-
den Anmerkungen, die einen Eindruck von der Einstellung des von Goebbels so oft ge-
rühmten ,,deutschen Soldaten" im Hinblick auf die alliierte Landung in der Normandie und
die damit verbundene Propaganda geben. Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen
Informationsfluss zwischen dem Frontgeschehen und der ,,Heimat" handelte, der außerhalb
der Kontrolle des Ministers stand und 1944 einen entscheidenden Beitrag zur öffentlichen
Meinungsbildung leistete.
49
So wird in der Historiographie immerhin ein Fünftel bis ein
Viertel der Korrespondenz als die Stimmung in Deutschland negativ beeinflussend bewer-
48
Martin Moll: Mikrofiche Edition ,,Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP". Eine zentrale Quelle zur
Mediengeschichte des Dritten Reiches und ein notwendiges Korrektiv zu Goebbels' Tagebüchern. In:
Publizistik. Vierteljahreshefte für Kommunikationsforschung 37 (1992), 493ff.
49
Katrin A. Kilian: Kriegsstimmungen. Emotionen einfacher Soldaten in Feldpostbriefen. In: Jörg
Echternkamp (Hrsg.): Die deutsche Kriegesgesellschaft 1939-1945. Ausbeutung, Deutungen, Ausgren-
zungen (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. IX/II). München 2005, 251f.; Welch,
The Third Reich. Politics and Propaganda, 103.

21
tet.
50
Serrano geht sogar so weit, dass er eben dieser inoffiziellen Informationsbeschaffung
für die Zivilbevölkerung zwischenzeitlich mehr Bedeutung beimisst als der eigentlichen
durch Goebbels betriebenen Agitation.
51
Für die Einordnung verschiedener militärhistorischer Details ist im Zusammenhang der
Landung ein ergänzender Rückgriff auf das Kriegstagebuch des OKW und die Darstellun-
gen von Walter Warlimont, 1944 stellvertretender Chef des Wehrmachtsführungsstabes,
notwendig. Die Darstellung des Krieges aus der Perspektive des Oberkommandos ist
dahingehend interessant und mit zu berücksichtigen, da hier zu einem erheblichen Teil
Hitlers Reflexion der Schlacht mit einfloss, die sich der Propagandaminister immer wieder,
wenn es für ihn nützlich erschien, zu eigen machte. Ob und inwieweit der Herausgeber des
Kriegstagebuchs, Percy E. Schramm, die selbst gesetzten und auf Wissenschaftlichkeit
bedachten Grundsätze durchweg erfüllte, ist hier nicht weiter zu erörtern.
52
Durch die in der zuletzt genannten Quelle hervorstechende Grundtendenz, dass das Heer,
und damit das OKW, im Vergleich zu anderen Teilstreitkräften immer durchweg richtige
Entscheidungen traf, sind diverse Abstriche beim Gesamtquellenwert zu machen. Zwar gab
Warlimont in Bezug auf die Invasion 1944 in der Funktion als ,,Bürogeneral"
53
eine nach-
prüfbare sachlich-theoretische Beschreibung der möglichen Kampfverläufe, die sich aber
durchgehend auf das zu positive und auf Rechtfertigung ausgelegte Bild des Oberkom-
mandos stützte.
So sind beide Quellen nur ergänzend in Bezug auf militärische Sachfragen hinzuzuziehen.
Für die Beschäftigung mit der Landung 1944 scheint dies nicht ungerechtfertigt zu sein. So
ermöglicht die Beschränkung auf das angeführte Material einerseits eine klare Themenbe-
grenzung wie auch eine Stützung der Überlegungen auf die Säulen der Presse-Propaganda
und Militärgeschichte.
50
Vgl. hierzu besonders: Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes
der SS 1938-1945 (Bd. XVII: SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 4. Mai 1944-27. Juli 1944), hrsg. von
Heinz Boberach, 08.06.1944, 6578; Hersching 1984; Kershaw, Der Hitler-Mythos. Führerkult und
Volksmeinung, 256f.; ebd.: How Effective Was Nazi Propaganda? In: David Welch (Hrsg.): Nazi Pro-
paganda. Power and Limitations. London, Canberra und Totowa, N.J., 1983, 194.
51
Andrew Smith Serrano: German Propaganda in Military Decline 1943-1945. Durham 1999, 263.
52
Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtsführungsstab) (Bd. VIII: 1. Januar
1944-22. Mai 1945), hrsg. von Percy E. Schramm. Augsburg 2002, 1806, 1832f., 1845.
53
Walter Warlimont: Im Hauptquartier der deutschen Wehrmacht 1939-1945. Grundlagen. Formen.
Gestalten (Bd. II: November 1942-Mai 1945). Augsburg 1999, 570; Eva Rimmele: Warlimont, Walter.
In: Hermann Weiß (Hrsg.): Personenlexikon 1933-1945. Wien 2003, 479.

23
II.
Kapitel: Goebbels und die nationalsozialistische Propaganda vor und nach
dem 6. Juni 1944
II.1 Das Leben des Dr. Paul Joseph Goebbels. Eine Charakterstudie
Welche Wertmaßstäbe und Menschenbilder sind nun für die Bewertung der Wahrnehmung
von Joseph Goebbels anzulegen? Es mag wahrlich nicht sehr geschickt sein, mit einer
weiteren Frage in der Darstellung fortzufahren. Aber so ist es am besten möglich, einen
roten Faden in das verwobene und verworrene Leben des späteren Propagandaministers
einzuspinnen, der es verstand, sich durch eine geistvolle Dynamik vom Rest der national-
sozialistischen Führungsspitze abzuheben.
54
Um diese Frage beantworten zu können, ist es unumgänglich, einen Blick in die ,,besten
Jahre" des Paul Joseph Goebbels' zu werfen. 1897, als eines von sechs Kindern geboren,
wurde er durch seine Mutter mit einer besonderen Zuneigung bedacht.
55
Gerade diese
familiäre Bindung sollte ihn über die kommenden Jahre ­ im Frieden wie auch im Krieg ­
weiter begleiten. Als im August 1914 für Europa das bürgerliche Zeitalter gewaltsam zu
einem blutigen Ende gebracht wurde, hatte sich der nunmehr siebzehnjährige Goebbels
ganz dem patriotischen Treiben in der Gesellschaft verschrieben. Eine aktive Teilnahme
am Krieg war für ihn aber nicht möglich. Vom Musterungsarzt demütigend abgewiesen,
begann er in völliger Verklärung der kriegerischen Wirklichkeit, den Soldatentod als das
höchste Opfer für das Vaterland in Schulaufsätzen zu beschreiben.
56
Im Jahr 1921 promovierte er bei dem jüdischen Germanisten Max Freiherr von Walden-
berg und brachte sein sehr breit gefächertes Germanistik-Studium zu einem erfolgreichen
Ende.
57
Das Interesse für deutsche Literatur und Kultur hatte ihn jedoch nicht davon abhal-
ten können, sich mehr und mehr dem sozialistischen Gesellschaftsbild und der Idee des
Klassenkampfes zu widmen.
54
Fest, Joseph Goebbels. Eine Portraitskizze, 565.
55
Ralf Georg Reuth: Goebbels. Eine Biographie. München ³2004, 12.
56
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiographie. Regensbug 2002, 15.
57
Harald Peuschel: Die Männer um Hitler. Braune Biographien: Martin Bormann, Joseph Goebbels,
Hermann Göring, Reinhard Heydrich, Heinrich Himmler und andere. Düsseldorf 1982, 40.

24
Vier Jahre später begann er, seinen Alltag in Form eines Tagebuches festzuhalten. Genau
hier gilt es nun, in den Jahren 1925/26, die Betrachtungen einsetzen zu lassen. Goebbels,
1925 28 Jahre alt, war schließlich so der explizit deutschen Kultur verbunden, dass er,
obwohl eng in die Totenfeier für Schlageter
58
eingebunden, Zeit zum Besuch eines Beetho-
ven- und Grieg-Konzerts in Wuppertal-Elberfeld fand. Ereignisse wie das Begräbnis
ermöglichten es ihm erstmals, die Opfer aus den eigenen Reihen zu ,,Helden der Bewe-
gung" aufsteigen zu lassen.
59
Die SA gab ihm aber auch in dieser unruhigen Zeit offenbar
großen Halt und ein Gefühl der Kameradschaft und erfüllte gleichzeitig sein stetiges Zuge-
hörigkeitsverlangen zu einer gesellschaftlichen Schicht.
60
Eine Einstellung, die sich nach
seiner Ernennung zum Gauleiter von Berlin 1927 langsam negativ verändern sollte.
61
Acht
Jahre nach dem Ersten Weltkrieg hing er noch immer einer Idealform von Männergemein-
schaft nach, die ihm 1914 bis 1918 fast gänzlich verwehrt geblieben war, abgesehen von
seinem Einsatz als ,,Schreibtischsoldat" 1917 ­ ein Einsatz, der ohnehin nur wenige Wo-
chen dauerte.
62
Über diesen Punkt ist sich die Forschung bis heute noch nicht einig. So
wird auch in verschiedenen Darstellungen der Sekundärliteratur die Befreiung vom Wehr-
dienst hervorgehoben.
63
Goebbels' Ideal des Zusammenlebens war schon zu diesem Zeitpunkt die Vorstellung des
auf militärischen Säulen stehenden Gesellschaftsbildes.
64
Er schrieb am 8. Dezember 1925
in Bezug auf die Beerdigung:
,,1200 S.A. Mannschaften auf dem Wege zu Schlageters Grab. Eine Kuhle. In der Mitte ein Kreuz und
Grün, darauf ein Stahlhelm. Unsere Leute haben wunderbar gearbeitet. Ich hatt' einen Kameraden...
[...]. Rückmarsch. Auf der Königsallee Parademarsch. Das ist die Garde. Im Rhythmus des Gleich-
schritts singt die Idee. Gemeinsamkeit. Sozialismus! Nach Hause! Schöner Tag!"
65
58
Führender Kopf im aktiven Widerstand gegen die französischen Besatzungstruppen während des so
genannten ,,Ruhrkampfes", vgl. hierzu: Reuth, Goebbels. Eine Biographie, 63.
59
Fest, Joseph Goebbels. Eine Portraitskizze, 572.
60
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands, Teil I,
Aufzeichnungen 1923-1941 (Bd. I/II: Dezember 1925-Mai 1928). München 2005, 07.12.1925, 30f.;
Fest, Joseph Goebbels. Eine Portraitskizze, 567.
61
Bräuniger, 127.
62
Wunderlich, 18.
63
Vgl. hierzu: Elke Fröhlich: Joseph Goebbels. Der Propagandist. In: Roland Smelser und Rainer Zitel-
mann: Die Braune Elite. 22 biographische Skizzen. Darmstadt 1989, 53; Reuth: Goebbels. Eine Bio-
graphie, 30; Curt Riess: Joseph Goebbels. Eine Biographie. Baden-Baden 1950, 7f.
64
Fest, Das Gesicht des Dritten Reiches, 102, 124ff.
65
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 08.12.1925, 31.

25
Der sonst als eher ruhelos erscheinende Goebbels ging gefühlsmäßig im Zusammensein
mit den ,,Kameraden" völlig auf. Da fand er sich mit seiner Auffassung von einem gesell-
schaftlichem Zusammenleben in diesem Kreis verstanden. Dies gipfelte darin, dass er ­
noch vor der familiären Feier ­ mit den so genannten ,,Kameraden" eine für ihn als sehr
stimmungsvoll beschriebene Weihnachtsfeier 1925 beging. Demnach löste das Zusammen-
leben mit Gleichgesinnten schon fast die Position des familiären Zusammenseins für ihn
ab.
66
Dabei fällt jedoch auf, dass die Sicherung eines gewissen Familienlebens unbedingt
im Alltag vorhanden sein musste, anders ist sonst die von ihm früh formulierte Kinderliebe
nicht zu erklären:
,,
Abends mit den Kindern bei Konrad herumgetollt. Mit Kindern Weihnachten zu feiern ist das
Schönste, was ich mir denken kann. Ein tolles Treiben."
67
In seiner aktiven SA-Zeit ist aber noch eine andere Charaktereigenschaft zu erkennen, die
ihn bis in das Jahr 1945 prägte: sein fester Wille, so viel Arbeit wie möglich an einem Tag
erledigen zu können. Durch das ständige Arbeiten für die SA und die ,,Kameraden" ver-
suchte er, seinem Dasein eine neue Bestätigung zu verleihen. Hinzu kommt noch, dass das
Vergnügen an verbalen Auseinandersetzungen in dieser Zeit seinen Anfang nahm.
68
Sein
aktives Mitwirken in SA und in Partei brachte ihm immer größere Prestigeerfolge, so dass
er bei der Entwicklung dichter Vernetzungen der in Deutschland vertretenen Abteilungen
seine größtmögliche Unterstützung mit einfließen lassen konnte.
69
Trotz der zu bewälti-
genden Arbeit blieb er ein Familienmensch mit einer weiterhin engen Bindung an seine
Mutter. Sie repräsentierte eines der drei Elemente, die zu wichtigen Stützen in seinem auf
Arbeit fokussierten Leben geworden waren. Eben dieser stetige Einsatz für die Partei
bildete die Grundlage für sein gesellschaftliches Dasein, das er grundsätzlich mit seinem
literarischen Schaffen zu verbinden versuchte. So schrieb er 1925: ,,Dann geht's an die
weitere Arbeit. Heute noch alle Hände voll zu tun. Aber ich komme darüber."
70
Hierbei blühte er wiederum mental völlig auf und konnte die restlichen alltäglichen Ge-
schehnisse um sich herum vergessen.
71
66
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 21.12.1925, 36; Claus-Ekkehard Bärsch: Der junge Goebbels. Erlösung und
Vernichtung. München ³2004, 191.
67
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 29.12.1925, 38.
68
Ebd., Tb I Bd. I/II, 09.12.1925, 31.
69
Ebd., Tb I Bd. I/II, 16.12.1925; 18.12.1925, 34f.; Michael Beißwenger: Totalitäre Sprache und textuelle
Konstruktion von Welt am Beispiel ausgewählter Aufsätze von Joseph Goebbels über ,,die Juden".
Stuttgart 2000, 14.
70
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 10.12.1925, 32.
71
Ebd., Tb I Bd. I/II, 24.12.1925, 37.

26
Es ist bemerkenswert, dass hier trotzdem ein gewisser depressiver Zug in seinen Äußerun-
gen zu erkennen ist. Goebbels' Nerven waren also schon bei der ersten größeren Belastung
auf das Äußerste gespannt,
72
so dass von Charakterstärke bei ihm also kaum gesprochen
werden kann. Dies äußerte sich in späteren Ausführungen noch weitaus deutlicher. Sein
depressives Verhalten steigerte sich so weit, dass er zwischenzeitlich sein eigenes Leben
völlig entwertet sah.
73
Der stetige Kontakt zu verschiedenen Frauen bestärkte diese Ge-
fühlsregungen im positiven, wie auch im negativen Sinne. Er schrieb weiter am 12. De-
zember 1925:
,,Gestern Kompanieabend. Ich habe den Leuten von meinen Reisen erzählt und selten so andächtige
Zuhörer gehabt. Heute geht's nach Hause. Zu Mutter und Else. Ich freu` mich."
74
In diesem Jahr bildeten zwei Frauen den Mittelpunkt seines gesellschaftlichen Interesses.
Damit konzentrierte er sich nunmehr nur noch auf zwei Frauen, was seit seinem 18. Le-
bensjahr nicht immer der Fall gewesen war. Schon früh galt er unter seinen Klassenkame-
raden und später seinen Kommilitonen als unerbittlicher Charmeur.
75
Sein Frauenbild
schien schon in diesem Alter etwas gestört zu sein, so dass seine Ehe mit Magda Goebbels,
geborene Quandt, zwangsläufig davon mit beeinträchtigt wurde.
76
Seine Maßstäbe für das
Zusammenleben mit einer Frau wurden in diesen Jahren sehr konkret formuliert, wobei die
dem Nationalsozialismus entsprechende völkische Vorstellung sofort zu erkennen war.
Welch spricht in diesem Zusammenhang berechtigterweise von einem ,,ideological chau-
vinism."
77
Und dies war zu dem Zeitpunkt, als Goebbels selbst noch dem sozialistischen
Flügel der ,,Bewegung" nahe stand.
78
So war für ihn aber klar, dass die Frau gänzlich dem
Mann zu dienen und die vom Mann für sie in der Familie vorgegebene Rolle zu überneh-
men habe.
79
Dies ist jedoch nur ein Teil des für seinen Charakter eher widersprüchlich
erscheinenden bürgerlich-patriarchalischen Verständnisses für und von Frauen. Seine
damalige Lebensgefährtin Else Janke wurde in seinem Tagebuch mit den folgenden Fragen
in Zusammenhang gebracht:
72
Reuth, Goebbels. Eine Biographie, 63.
73
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 16.12.1935, 34.
74
Ebd., Tb I Bd. I/II, 12.12.1925, 32.
75
Wunderlich, 16; Bärsch, 113.
76
Elke Fröhlich: Goebbels, Magda. In: Hermann Weiß (Hrsg.): Personenlexikon 1933-1945. Wien 2003,
153f.
77
Welch, The Third Reich. Politics and Propaganda, 111.
78
Ulrich Höver: Joseph Goebbels. Ein nationaler Sozialist. Bonn und Berlin 1992, 196.
79
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 14.12.1925, 33.

27
,,Warum kann die Frau nicht restlos mit uns gehen? Kann man sie erziehen? Oder ist sie überhaupt
minderwertig? Frauen können nur in Ausnahmefällen Heldinnen sein! Else denkt viel zu sehr an
sich selbst. Sie ist so vernünftig."
80
Die Frau hatte also demnach zu ihrem Mann zu stehen und hatte sich einfach mit der
zugewiesenen Rolle abzufinden. Interessant ist, dass er die Frauen, die ihn umgaben, damit
völlig aus dem Bereich des selbstständig denkenden Individuums herausnahm. Zwei
weitere Aspekte sind in die Betrachtung mit einzufügen, um der Entschlüsselung des
Charakters von Joseph Goebbels näher zu kommen. So versetzte ihn gerade das Gerät in
Rage, das ihm 1933 seinen Aufstieg bescheren sollte:
,,
Radio! Radio! Radio im Hause! Der Deutsche vergißt über Radio Beruf und Vaterland! Radio! Das
moderne Verspießungsmittel! Alles zu Hause! Die Moral des Spießers!"
81
Allein die Wortwahl zeigt, welche verachtende Stellung er zu diesem neuen Medium
einnahm. Vielleicht ist es noch gar nicht einmal der wichtigste Teil in dieser Aussage.
Seine Gedanken sind klar darauf fokussiert, dass ,,der Deutsche" allein durch die richtige
Anwendung des Radios von allen sonst gebräuchlichen Werten in der Gesellschaft abge-
bracht werden könnte. Die Anspielung auf die Bezeichnung ,,der Deutsche" stützt unter
anderem auch noch den Gedanken zu dem eben entwickelten Frauenbild von Goebbels.
Eine Frau durfte, beziehungsweise konnte, gar nicht patriotisch sein. Ähnliches findet sich
bei seiner Bewertung des Buches von Gorch Fock wieder. Liebe zum Vaterland ­ sprich
alle Formen des Patriotismus ­ blieben für Joseph Goebbels gänzlich eine Angelegenheit
des männlichen Geschlechts und dessen Dominanz, so der Eindruck, der sich in seinen
Darstellungen entwickelt.
82
Der nächste hier noch anzuführende Aspekt ist seine Vorstellung von Krieg und Frieden
im Allgemeinen. Zuvor wurde schon seine Heldenidee in Kombination eines gefallenen
Soldaten dargestellt. Doch ging die Vorstellung von Krieg, die er mit dem inneren Kampf
der Gesellschaft an sich gleichsetzte, noch weiter. So beendete er die Tagebucheintragun-
gen für das Jahr 1925 mit den Worten: ,,Wir sind weiter gekommen! Wir müssen noch
unendlich viel weiter kommen! Es wird weiter gekämpft!"
83
80
Ebd., Tb I Bd. I/II, 16.12.1925, 34.
81
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 14.12.1925, 33.
82
Ebd., Tb I Bd. I/II, 08.01.1926, 43.
83
Ebd., Tb I Bd. I/II, 31.12.1935, 40.

28
Der Gedanke an Kampf und Vernichtung stand für ihn eng im Zusammenhang mit dem
Lösen alltäglicher sowie gesellschaftlicher Probleme.
84
Seine Karriere in der SA war für
ihn hierbei augenscheinlich am wichtigsten und bestärkte ihn in der Vorstellung, dass das
Leben an sich eine Art des dauerhaften Kampfes sei. Die Bereitschaft zu einer völligen
Hingabe für die von ihm vertretene und daran gebundene Ideologie ist unverkennbar.
Natürlich handelte es sich hierbei noch nicht um die neue staatspolitische Religionsvorstel-
lung, wie sie von Adolf Hitler verkörpert und in der deutschen Bevölkerung durch Goeb-
bels später implementiert wurde. Er gehörte zu diesem Zeitpunkt, wie angeführt, noch dem
sozialistischen Flügel der NSDAP an. Seine Anlehnung im Hinblick auf eine Ehrerbietung
für Hitler befand sich noch im Anfangsstadium. Die Beziehung zu ihm fußte ohnehin noch
auf dem Gedanken, dass er es sei, der Hitler auf eine politische Linie festlegen könnte.
85
Es bleibt aber die Tatsache festzuhalten, dass aufgrund der aus den Jahren 1918/19 ge-
machten Erfahrungen die Idee von Frieden im gesellschaftlichen Zusammenleben für ihn
durchweg negativ besetzt war. Das Stichwort Versailles darf hier als Umschreibung des
Sachverhalts genügen.
86
Die Verherrlichung des Krieges durch die Lektüre einschlägiger
Literatur, in diesem Falle von Ernst Jüngers
87
,,In Stahlgewittern", wurde schließlich sogar
in einen religiösen Zusammenhang gebracht: ,,Ich lese Ernst Jünger. ,,In Stahlgewittern".
Das Evangelium des Krieges. Grausam ­ groß."
88
Damit
hatte Goebbels begonnen, für sich ein neues Vorbild zur Interpretation für das We-
sen des total geführten Krieges zu erschließen, welches zwei Jahrzehnte später seine
Wahrnehmung dominierte. Das Buch von Jünger gab ihm damit den ersten Anstoß zur
Entwicklung einer radikalen Kriegsauffassung und gleichzeitig die Bestätigung seiner
Wahrnehmung des heroischen Soldatentums.
89
Er führte dies mit den Worten einige Tage
später fort:
84
Uwe Klußmann: ,,Ich hasse den Kapitalismus wie die Pest." Joseph Goebbels als nationaler Sozialist.
In: Lutz Hachmeister und Michael Kloft (Hrsg.): Das Goebbels-Experiment. Propaganda und Politik.
München 2005, 70; Höver, 196, 403.
85
Höver, 277, 282f.
86
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 02.01.1926, 40f.
87
Maurice Philip Rémy: Mythos Rommel. München 2002, 249ff.
88
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 13.01.1926, 44f.
89
Peter Longerich: Joseph Goebbels und der totale Krieg. Eine unbekannte Denkschrift des Propagan-
daministers vom 18. Juli 1944. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 35 (1987), 292.

29
,,Ernst Jünger ,,In Stahlgewittern" gestern zu Ende gelesen. Ein glänzendes, großes Buch. Grauener-
regend in seiner realistischen Größe. Schwung, nationale Leidenschaft, Elan, das deutsche Kriegs-
buch. Einer aus der jungen Generation ergreift das Wort über das tiefe seelische Ereignis Krieg und
verrichtet Wunder innerer Darstellung. Ein großes Buch. Dahinter steckt ein ganzer Kerl."
90
Der Krieg in seinem Wesen wurde durch Goebbels so verinnerlicht, dass es scheinbar für
ihn nur noch diese eine Möglichkeit für ein Zusammenleben in der Gesellschaft geben
konnte. So sah er später auch keine Menschen mehr im Krieg, sondern nur noch Unifor-
men und Material. Das Individuum war für ihn nicht von Bedeutung, wenn es nicht in
seine Weltvorstellung integriert werden konnte, was Parallelen zu dem Verhalten offen-
bart, das er schon 1934 im Zusammenhang mit dem so genannten ,,Röhm - Putsch" gezeigt
hatte.
91
Selbst 1945 verstärkte sich diese Einstellung nochmals dahingehend, dass das
Leben der Personen, die für seine und die Weltsicht seines ,,Führers" in den Kampf gehen
mussten, völlig entwertet wurde:
,,Ich empfange mittags etwa 300 Panzeroffiziere, die zu einem Kehrgang in Krampnitz zusammen-
gefasst sind. Es handelt sich um wunderbares Menschenmaterial, vor dem ich eine Rede halte."
92
Auch im Zusammenhang mit dem Ende des ,,Dritten Reiches" behielt er diese menschen-
verachtende Einstellung bei, die stets noch dem radikalen Propagandaverständnis Hitlers
entsprach, und aus seiner Sicht damit durchweg positiv besetzt war.
93
Die meisten in den
hier wiedergegebenen Auszügen ereigneten sich in einer Zeit, in der Goebbels finanziell
sehr große Probleme zu lösen hatte. Doch wurde die Arbeit für die Umsetzung der eigenen
Idee einer neuen Gesellschaft zunächst vor sein wirtschaftliches Wohl gesetzt. So wurde er
sich auch sehr bald klar darüber, dass die für ihn letzte gesellschaftliche Stütze nur noch
Adolf Hitler sein konnte. Aus der politischen Hilflosigkeit und Abhängigkeit heraus war
die Verstärkung seiner Depressionen damit unvermeidlich.
94
90
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 20.01.1926, 47.
91
Peuschel, 50; Reuth, Goebbels. Eine Biographie, 315ff.
92
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands, Teil II,
Diktate 194-1945 (Bd. XV: Januar-April 1945). München, New Providence, London und Paris 1994-
1995, 13.01.1945, 115.
93
Wolfgang Schieder und Christof Dipper: Propaganda. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhardt
Koselleck (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache
in Deutschland. Bd. 5, Stuttgart 1984, 109ff.
94
Fröhlich, Tb I Bd. I/II, 08.01.1926, 43; vgl. hierzu auch: Reuth, Goebbels. Eine Biographie, 63f.; Fest,
Joseph Goebbels. Eine Protraitskizze, 571f.; Kershaw, Der Hitler-Mythos. Führerkult und Volks-
meinung, 95f.

30
Es ist wohl kaum zuviel gesagt, wenn sein Verhalten gerade in der Mitte der zwanziger
Jahre als ausschlaggebend und prägend für sein weiteres Leben zu bewerten ist. Es ist ganz
eindeutig festzuhalten, dass in Bezug auf Goebbels' Verhalten kein Ansatz für dauerhaft
verankerte Maßstäbe zu finden ist. Diese ständige Ruhelosigkeit im Rahmen seiner Arbeit
und sein anhaltend depressives Verhalten lassen ihn in einer unglaublich schwachen ge-
sellschaftlichen und mentalen Position erscheinen. Weder versuchte er, diese Unsicherhei-
ten im Leben, die er kaum zu überwinden wusste, durch geschickte Wortwahl in seinem
Tagebuch zu überdecken, noch die Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion zu entwi-
ckeln, um so einen Ausweg aus den alltäglichen Problemen zu finden.
95
Eine Vielzahl der hier dargestellten Charaktereigenschaften werden im Zusammenhang der
Betrachtungen der alliierten Invasion 1944 wieder zu Tage treten. Nur durch diese vorweg
entwickelte Darstellung des Menschen Goebbels werden weitere Äußerungen in Bezug auf
die Landung an sich zu verstehen sein. Die besondere Betonung liegt hierbei in seiner
durchdringenden Verachtung gegenüber den Menschen, die nicht in seine Wahrnehmung
der Welt passten und nicht bereit waren, sich für die Ideale, für die er selbst einstand, zu
opfern.
Wie nahm diese durch charakterliche Widersprüche geprägte Person nun solch ein Ereignis
wie die Invasion am 6. Juni 1944 auf? Der Blick auf die Beziehung zwischen Erwin Rom-
mel und Goebbels macht die Faktoren des Militärischen und der Propaganda deutlich.
II.2 ,,Dr. G." und der ,,Wüstenfuchs". Der Mythos des ,,unbesiegbaren" Feldmar-
schalls
Um das Verständnis für die Wahrnehmung und Verarbeitung dessen nachvollziehen zu
können, was für Goebbels die Invasion bedeutete, muss ein Bezug zu dem Mann herge-
stellt werden, der durch den Minister den Bekanntheitsgrad bekam, der heute noch erfass-
bar ist. Gemeint ist Feldmarschall Erwin Rommel. Vorweg ist zunächst zu fragen, wie in
diesem Fall aber der viel zitierte Begriff des Mythos zu definieren ist. Sinnvoll ist es, sich
hierbei an den unlängst durch Krumeich entwickelten Fragenkatalog in Bezug auf Schlach-
tenmythen anzulehnen. Durch Goebbels wurde Rommel fast zu einem in der Epik anzusie-
95
Fest, Joseph Goebbels. Eine Portraitskizze, 569.

31
delnden Charakter erhoben, was ihn damit zeitlich zu entrücken schien. Gleichzeitig nahm
er damit eine gute Möglichkeit für eine nationale Identitätsentwicklung wahr, die engstens
im militärischen Sachzusammenhang stand. Diese wusste er über die Medien selbstver-
ständlich dann zu verbreiten. So wurde der Offizier zum Helden für die kommende
Schlacht gemacht, dessen Wirkung für die Bevölkerung immer wieder modifiziert werden
musste.
96
Goebbels konnte Rommel aber nur deswegen in diesen Status erheben, weil er seine Be-
rühmtheit in den erfolgreichen Kämpfen des letzten populären Kriegsschauplatzes begrün-
den konnte.
97
Für den Propagandaminister war der Feldmarschall immer noch von dem
Gedanken geleitet, endlich seinen alten Gegnern, den Engländern, nun auch im Westen
entgegentreten zu können. Was ihn zu dieser Annahme brachte, ließ er in seiner Darstel-
lung jedoch offen. Es gibt aber noch einen weiteren Anknüpfungspunkt in der Beziehung
der beiden Charaktere.
Rommel war enorm an die Familie Goebbels gebunden, was der Minister immer wieder
mit Stolz feststellte.
98
Der enge private Kontakt Rommels war, obgleich propagandistisch
gesteuert, sehr leicht zu erkennen. Immerhin ließ er sich verschiedentlich mit den Kindern
von Goebbels ablichten und war im Hause des Ministers ohnehin ein gern gesehener
Gast.
99
Dies war nicht ohne Hintergedanken von Goebbels, der für sich auf diese Weise
einen Bedeutungszuwachs im Kreise der militärischen Führung beanspruchen konnte.
100
So
wundert es nicht sonderlich, dass er sich der achtungsvollen Haltung Hitlers Rommel
gegenüber zunächst anschloss.
,,
Rommel ist wieder der alte Kämpfe[r]. Er hat sich vollkommen von seiner Krankheit erholt. Von
Defätismus ist bei ihm nichts mehr zu entdecken; im Gegenteil, er brennt auf den Augenblick, sich
mit seinen alten Feinden auseinanderzusetzen. Im Ernstfall wird nicht Rundstedt sondern er das
Kommando übernehmen. Es liegt bei ihm zweifellos in den besten Händen."
101
Er stützte sich hier durchweg auf Hitlers Einstellung aus den Jahren 1941/1942. Für Goeb-
bels entsprach Rommel genau der Person, mit der eine Abwehrbereitschaft für die Bevöl-
96
Gerd Krumeich: Einleitung: Schlachtenmythen in der Geschichte. In: ders. und Susanne Brandt (Hrsg.):
Schlachtenmythen. Ereignis. Erzählung. Erinnerung. Köln 2003, 9.
97
Christian von Krockow: Hitler und seine Deutschen. Wien 2001, 241.
98
Ralf Georg Reuth: Rommel. Das Ende einer Legende. München und Zürich 2004, 89.
99
Ebd., Rommel, 189.
100
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands. Teil II,
Diktate 1941-1945 (Bd. VI: Oktober-Dezember 1942). München 1996, 04.10.1942, 59f.; vgl. hierzu
auch: Stephen E. Ambrose.: The Commanders. In: US News & World Report 116 (1994), 68.
101
Fröhlich, Tb II Bd. XII, 18.04.1944, 129.

32
kerung im Westen dargestellt werden konnte. So wird aus diesem Tagebucheintrag schon
klar, dass der Minister selbst darauf aus war, Rommel auch 1943/44 wieder zu einem
Symbol für die deutsche militärische Schlagkraft zu machen.
102
Seit dem Fall von Tobruk 1942 kannten die beiden sich ohnehin sehr gut. Einen Tag nach
dem Fall der Festung in Nordafrika ließ es sich der Minister auch nicht nehmen, Rommel
als ,,modernen General im besten Sinne des Wortes"
103
im Kreise um Adolf Hitler hervor-
zuheben. Nach dem Sieg über die dort kämpfenden englischen Truppen hatte er Rommel
endgültig als aussagekräftiges Sinnbild für deutsche Stärke erkannt und dem Volk als
Schwerpunkt der militärischen Schlagkraft propagandistisch zu reflektieren versucht.
104
Diese Mythenbildung hatte aber im eigenen Ministerium nur wenig Überzeugungskraft.
105
Das Anlehnen an den Rommel-Mythos auf gesellschaftlicher und propagandistischer
Ebene wurde trotzdem von nun an für die nächsten zwei Jahre konstant betrieben. Weil der
,,Führer" an den ,,Wüstenfuchs" glaubte, hielt auch Goebbels sich gänzlich an diese Maxi-
me, auch Rommel war schließlich sein ,,Produkt". Schon 1942 sah der Propagandaminister
in dem nun zum Feldmarschall ernannten Schwaben aber nicht mehr als eine Selbstbestäti-
gung für seine eigene Organisation der betriebenen Propaganda auf nationaler und interna-
tionaler Presseebene.
106
,,
Auch hier hat der Führer für Rommel Worte höchsten Lobes. Der Landende ist bei einer Invasion
immer der Dumme, denn er weiß nicht, worauf er stößt. Rommel, der Rache gebrütet hat, wird den
Engländern und Amerikanern eine heiße Suppe bereiten."
107
Diese Projektion eines anzunehmenden Sieges über die Invasion wurde noch durch seine
tief gefestigten Hoffnungen auf die Waffen-SS-Verbände gestützt. Dies gründete sich
102
Rémy, 116.
103
Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier. Vollständig überarbeitete und erweiterte Neuausgabe
mit bisher unbekannten Selbstzeugnissen Adolf Hitlers, Abbildungen, Augenzeugenberichten und Er-
läuterungen des Autors: Hitler, wie er wirklich war, hrsg. von Henry Picker. Stuttgart ³1976, 374.
104
Rémy, 87.
105
Gespräch des Autors mit Frau Brunhilde Pomsel am 04.01.2005.
106
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands. Teil II,
Diktate 1941-1945 (Bd. IV: April-Juni 1942). München 1996, 23.06.1942, 581; Burleigh, 494.
107
Fröhlich, Tb II Bd. XII, 18.04.1944, 138f.

33
darauf, dass ,,Sepp" Dietrich, ein Parteigenosse aus ,,der Kampfzeit" der NSDAP, dort die
Führung über das im Westen stehende I. SS-Panzerkorps übernommen hatte.
108
Die Wirksamkeit des militärischen Geheimdienstes der Alliierten, die eng an die Arbeit der
Résistance
109
gebunden war, schien für Goebbels völlig unbekannt zu sein. Für ihn durften
die landenden Truppen einfach nicht wissen, auf was sie stoßen könnten ­ ein völlig durch
Emotionen und wirklichkeitsfremde Wahrnehmung geprägtes Urteil. Eine andere Sicht auf
die Möglichkeiten der Westalliierten kam für ihn gar nicht in Frage. Die Unterschätzung
einer gut betriebenen Feindaufklärung ist in dieser Aussage maßgeblich. Während des
späteren Verlaufs der Landung der alliierten Streitkräfte ist auch kein Hinweis darauf zu
finden, dass er diese Einstellung je zu revidieren bereit war. Dass die angreifenden Streit-
kräfte durchweg über besseres Kartenmaterial bis auf die Ebene der Verteilung der deut-
schen Schützenlöcher an der Küste hatten, war ihm offensichtlich nicht bekannt.
110
Hieraus
ist also auch ein erster Hinweis dahingehend abzuleiten, dass Goebbels kaum konkrete
militärische Informationen beziehungsweise Material der Feindaufklärung und den Atlan-
tikwall betreffend, zur Verfügung hatte.
Viel eher klammerte er sich selbst an den Bekanntheitsgrad Rommels, der im feindlichen
Lager noch vorherrschte. Allein der gute Ruf des Feldmarschalls sollte die Invasion zu-
rückschlagen. Längst hatte der Minister für sich die Feststellung getroffen, dass dieser sein
Recht auf Selbstbestimmung im öffentlichen Leben verloren habe. Er war zwar ein Ele-
ment der Propaganda, aber auch ein leicht steuerbarer Rezipient, was Hans Speidel in
seinen Ausführungen über Rommel nicht wahrhaben wollte.
111
,,
Wir lassen Rommel über das Invasionsthema erneut zu Wort kommen. Er wirkt in England direkt
wie ein Landschreck. Die Engländer wissen ganz genau, wessen sie sich bei ihm zu versehen haben.
Sie rühmen sein außerordentliches operatives Geschick, das sich zweifellos bei den kommenden
Aktionen zu unseren Gunsten auswirken werde.
112
108
Vgl. hierzu besonders: Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtsführungs-
stab) (Bd. VII: 1. Januar 1944-22. Mai 1945), hrsg. von Percy E. Schramm. Augsburg 2002, 270;
Cristopher Clark: Josef ,,Sepp" Dietrich. Landsknecht im Dienste Hitlers. In: Roland Smelser und Enri-
co Syring (Hrsg.): Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe. Paderborn 2000, 122ff., 130;
Klaus A. Lankheit: Dietrich, Sepp (Joseph). In: Hermann Weiß (Hrsg.): Personenlexikon 1933-1945.
Wien 2003, 89.
109
Vgl. hierzu: Franz Knipping: ,,Résseaux" und ,,Mouvements" in der französischen Résistance 1940-
1945. In: Gerhardt Schulz (Hrsg.): Geheimdienste und Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg.
Göttingen 1982, 122ff., 125f.
110
Russell Hart: ,,With unbelieving eyes." The German Experience. In: Jane Penrose (Hrsg.): The D-Day
Companion. Leading Historians explore history's greatest amphibious assault. Oxford 2004, 234.
111
Hans Speidel: Invasion 1944. Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal. Tübingen und
Stuttgart ²1949, 65; vgl. hierzu auch: Beißwenger, 68.
112
Fröhlich, Tb II Bd. XII, 11.05.1944, 268.

34
Der Bezug zu den Engländern legt den Gedanken nahe, dass er erneut auf die für sie her-
vorgerufenen Niederlagen in Nordafrika anspielte. Der Minister hatte in dieser Zeit sichere
Informationen und Einfluss durch ,,seine" PK-Berichterstatter in der nordafrikanischen
Wüste sicherstellen können. Lutz Koch ist hier zu nennen, der mit Rommel 1944 auch
weiterhin in Frankreich zusammen war.
113
Alfred-Ingmar Berndt, einer der engsten Vertrauten Goebbels seit 1936 und Offizier der
Waffen-SS
114
, war 1943 aus Rommels Stab abgezogen worden und in die Position eines
Ministerialrats im Propagandaministerium versetzt worden. Diese Abkommandierung
bildete bereits in dieser Phase des Krieges die erste Grundlage für die im Juli 1944 einset-
zende Demontage des Feldmarschalls, die jedoch keinen dauerhaften Rückhalt in der
Gesellschaft fand.
115
Erhellt wird dies schließlich durch einen weiteren Aspekt, der die
beiden so unterschiedlichen Charaktere in Bezug auf die Invasionsthematik vereint. Eben
zu diesem Zeitpunkt, 1942, gab es noch keine derartige alliierte Luftüberlegenheit, die nun
den Ablauf des weiteren Kriegsverlaufs an allen Fronten diktierte:
,,Alles ist auf die Invasion eingestellt. Es ist durch die fortgesetzten anglo-amerikanischen Angriffe
auf unsere Verkehrsstränge eine gewisse Schwierigkeit in der Versorgungslage im Westen eingetre-
ten; aber diese muß in Kauf genommen werden. Unsere eigenen Truppen werden wir schon ausgie-
big versorgen können."
116
Die alliierte Beherrschung des Luftraums, die Rommel gerade in der letzen Phase des
Wüstenkriegs immer wieder hatte ertragen müssen, wurde durch Goebbels zunächst gera-
dezu bagatellisiert.
117
Er wollte die sich hier schon abzeichnenden Probleme des späteren
Kampfes im Westen einfach noch nicht wahrhaben. Es ist daraus zu folgern, dass ein
Erkennen der Grundlagen moderner Kriegsführung ­ des Bewegungskrieges ­, wie ihn das
,,Deutsche Reich" in den Jahren 1939-1941 vorexerziert hatte, auch hier wieder nicht
stattfand. Im Sommer 1944 stütze sich Goebbels auf eine Realität, die nunmehr zwei Jahre
113
Ebd., Tb II Bd. IV, 26.06.1042, 588; General-Anzeiger der Stadt Wuppertal. Bergisch-Märkische
Zeitung. 09.05.1944: Lutz Koch: Am Atlantikwall steht alles bereit! Geist und Technik gegen die Bal-
lung von Material und Mensch. Montgomery muß sich Rommel stellen; Reuth, Rommel, 154.
114
Fröhlich, Tb II Bd. VI, 04.10.1944, 65; Reuth: Rommel, 78, 154; Norbert Frei und Johannes Schmitz:
Journalismus im Dritten Reich. München ³1999, 211; Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten
Reich. Wer war was vor und nach 1945? Frankfurt am Main 2003, 42.
115
Boberach, Bd. XVII, 10.08.1944, 6704; Rémy, 199; Boog, Horst, Gerhard Krebs und Detlef Vogel: Das
Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und Ostasien
1943-1944/45 (= Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. VII). Stuttgart und München
2001, 638.
116
Fröhlich, Tb II Bd. Bd. XII, 13.05.1944, 283.
117
Rolf-Dieter Müller: Der Zweite Weltkrieg 1939-1945 (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschich-
te, Bd. 21). Stuttgart
10
2004, 313.

35
alt war! Seine Wahrnehmung des Krieges schien in den Zeiten des Sieges der Wehrmacht
unverrückbar stehen geblieben zu sein. Der Triumph über die anlandenden kanadischen
Truppen bei Dieppe war hier mit großer Wahrscheinlichkeit wiederum der Anknüpfungs-
punkt. Immerhin hatten Rommel und er nach der gemeinsamen Sichtung des Dieppe-
Materials aus der Wochenschau genug Zeit, um sich über diese Thematik auszutau-
schen.
118
Durch den intensiven Kontakt zu dem in der alliierten Kriegsführung erfahrenen Erwin
Rommel konnte Goebbels die Bedeutung des Luftkriegs über Europa für die Invasion
langsam, wenn auch begrenzt, entschlüsseln. Eine Vielzahl von Bemerkungen im Tage-
buch zu diesem Bereich der Kriegsführung zeigt deutlich, dass das Thema für ihn sehr bald
als ausschlaggebend für den weiteren Kriegsverlauf bewertet wurde.
119
Er benannte sogar
die vier wichtigsten Säulen der Invasionsvorbereitung, die durch eine Ausweitung des
Luftkriegs im Rahmen des so genannten ,,Transportation"-Plans erfolgreich umgesetzt
wurden. Bahnanlagen, Befestigungen, mobile Einheiten
120
und Brücken wurden in seiner
Darstellung über die Luftlage als die entscheidenden Ziele in diesem Zusammenhang
benannt, aber nicht im Kontext der drohenden Landung als solche erkannt. Dass sich hier
eine langsame Isolierung des Landungsgebietes schon seit März 1944 abzuzeichnen be-
gann, blieb von ihm aber unkommentiert und zeigte erneut den Mangel jeglichen militäri-
schen Sachverstands auf. Seit 1917 wollte er eigentlich einem modernen Soldatenbild
entsprechen, war aber nicht fähig, die neue Art der Kriegsführung wahrzunehmen.
121
Durch die Verbindung zu Rommel war es ihm für wenigstens zwei Jahre möglich, in
engstem Kontakt mit einem Soldatenbild zu leben, welches für ihn als heroisch und den
Westmächten gänzlich überlegen galt. Goebbels und Rommel waren damit also weit davon
entfernt, in Bezug auf militärische Entwicklungen einen Konfrontationskurs einzuschlagen,
wie es Hans Speidel formuliert hatte. So ist eher der Eindruck festzuhalten, dass beide zu
diesem Zeitpunkt noch aufeinander angewiesen waren.
122
118
Fröhlich, Tb II Bd. VI, 01.10.1942, 38.
119
Fröhlich, Tb II Bd. XII, 30.05.1944, 367ff.
120
Knipping, 124; Boog/ Krebs/ Vogel, 481; Williamson Murray: ,,In the air, on the ground and in the
factories." Airpower. In: Jane Penrose (Hrsg.): The D-Day Companion. Leading Historians explore
history's greatest amphibious assault. Oxford 2004, 122ff.
121
Vgl. zur Luftkriegsthematik auch: Alfred Price: Die Luftschlacht. In: Tony Hall (Hrsg.): Operation
Overlord. Die Landung der Alliierten in der Normandie 1944. Stuttgart 1994, 130.
122
Speidel, 64.

36
Mit dem Einsetzen der Invasion und dem Bekanntwerden der Verbindungen Rommels zum
Kreis der das Attentat vom 20. Juli 1944 ausführenden Offiziere begann er den Mythos,
den er mit als Säule für die Verteidigung gegen eine Invasion geschaffen hatte, systema-
tisch zu demontieren.
123
So wurde seitens des Reichsministeriums für Volksaufklärung und
Propaganda dafür gesorgt, dass die Presse den Feldmarschall kontinuierlich zu vernachläs-
sigen begann. Die Bezugnahme auf seine Verletzungen nach dem Jagdbomberangriff vom
17. Juli 1944 erst am 3. August unterstrich dies nur zu gut.
124
Interessant ist in diesem
Zusammenhang auch die Tatsache, dass der Minister nicht einmal die Abwesenheit des
Feldmarschalls von seinem Hauptquartier in La Roche Guyon zum Zeitpunkt der Landung
weiter propagandistisch ausgewertet hatte.
125
Die Enttäuschung über das Verhalten des erfahrenen Truppenführers war letztendlich
Legitimation genug für Goebbels, um diesen aus seiner Realität des Krieges zu entfernen.
Durch die Verbindung zum Attentat war der propagandistische Wert ohnehin verloren. Mit
dem Zusammenbruch der Verteidigung und nach dem Erfolg der Invasion musste in logi-
scher Konsequenz auch die tragende propagandistische Säule der Verteidigung in der
Person Erwin Rommels zusammenbrechen oder ­ besser gesagt ­ zum Einsturz gebracht
werden.
126
Ob und welche Bewertung der Feldmarschall sich für die Goebbels'sche Agitation in
Bezug auf die Kriegsführung in der Normandie zu Eigen machte, ist kaum zu beantworten.
Trotz der vielfältigen Darstellungen über den Offizier in den Aufzeichnungen des Minis-
ters, findet sich indes keine Belegstelle in Rommels Schriften, die zeigt, dass er je Kontakt
zu Goebbels hatte, und ein wirkliches Interesse an der Kombination von Medien und
Kriegsführung verfolgte.
127
1944 stand jedoch nicht seine Vorstellung von Medienführung
im Lichte politischer Öffentlichkeit, sondern die des wortgewandten rheinischen Germa-
nisten.
123
Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, hrsg. von Elke Fröhlich im Auftrag des
Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des Staatlichen Archivdienstes Russlands, Teil II,
Diktate 1941-1945 (Bd. XIII: Juli-September 1944). München, New Providence, London und Paris
1995, 03.08.1944, 210.
124
General-Anzeiger der Stadt Wuppertal. Bergisch-Märkische Zeitung, 03.08.1944: Redaktion/ Berlin:
Autounfall Rommels.
125
Hart, 229.
126
Reuth, Rommel, 226f.; vgl. dazu auch: Fröhlich, Joseph Goebbels und sein Tagebuch, 518.
127
Erwin Rommel: Krieg ohne Hass, hrsg. von Lucie-Maria Rommel und Fritz Bayerlein. Heidenheim/
Brenz 1950, 379-401.

37
II.3 Die alliierte Invasion in den Medien
II.3.1 ,,Die Lage" und die Tagesparolen des Reichspressechefs
Nach diesem ersten Eindruck des gesellschaftlichen Verhaltens Goebbels' sind nun kon-
kret die Betrachtungen auf die offiziell durch Goebbels herausgegebenen Richtlinien für
die Presse und Parteiredner zum Thema der Invasion zu konzentrieren. Drei Tage nach der
Landung wurde eine Sonderanweisung herausgegeben, die eine grundlegende Einsicht in
die propagandistische Bearbeitung des Geschehens gibt. Elemente aus dieser Ausgabe von
,,Die Lage" werden nunmehr in verschiedenen Medien, sei es im Film oder verschiedenen
Tageszeitungen, immer wiederkehren und die Richtung der für die Öffentlichkeit darge-
stellten Realität der Schlacht in der Normandie charakterisieren.
,,Der Gegner ist nunmehr zu der seit langem erwarteten Auseinandersetzung im Westen angetreten.
Er setzt dabei seine in fünf Jahren gesammelten Reserven an Menschen und Material ein. Damit hat
die entscheidende Phase dieses Krieges begonnen. Ein Zweifel darüber, daß diese Entscheidung eine
unwiderrufliche ist [...] darf im deutschen Volke nicht mehr bestehen. Der Gegner weiß, daß es
auch für ihn kein Zurück mehr gibt."
128
Unmittelbar nach der Landung alliierter Streitkräfte in der Normandie wurde so bereits der
Gedanke des Existenzkampfes der deutschen Bevölkerung in den kommenden Wochen
propagiert. Es kam dabei immer wieder betont zum Ausdruck, dass die militärischen
Anstrengungen von den Alliierten sich im Falle einer Niederlage nicht ohne weiteres
wiederholen ließen, was ja auch durchweg der Realität entsprach. Das Bewusstsein über
die Schlagkraft der in England versammelten Truppen musste also auch auf der höchsten
Ebene des Propagandaministeriums und -stabes und damit auch bei Goebbels selbst vor-
handen gewesen sein. Informationen konnten nur durch den stellvertretenden Reichspropa-
gandaleiter Fischer und Stabsleiter Hadamovsky noch beeinflusst oder geschönt werden.
129
Dem Minister war auf jeden Fall eine Kopie der Anweisung vorgelegt worden, da sie
erstens unter seinem Namen an die Presse gegeben und zweitens ihm in seiner Funktion als
Gauleiter von Berlin regulär zuzustellen war.
130
Notwendig erscheint bei dieser Anweisung, den angesprochenen Zeitrahmen genauer zu
betrachten. Goebbels bezog seine Wahrnehmung der Landung zumeist auf einen Vergleich
zwischen den Operationen gegen Dieppe 1942 und die im Juni 1944 erfolgte Errichtung
128
Die Lage. Zentralinformationsdienst der Reichspropagandaleitung der NSDAP und des Reichsministe-
riums für Volksaufklärung und Propaganda, Folge D, Nr. 2/ 44, 09.06.1944, BA Berlin NSD 12/30-33.
129
Vgl. hierzu besonders: Helmut Heiber: Joseph Goebbels. Berlin 1962, Organigramm hinterer Einband.
130
Die Lage, 09.06.1944, BA Berlin NSD 12/30-33.

38
der ,,zweiten Front". So erscheint es doch merkwürdig, dass die Invasionsplanungen der
Alliierten schon auf das Jahr 1939 datiert wurden, also noch vor der Einbindung des briti-
schen Expeditionskorps in die Kämpfe um Frankreich 1940 und vor der Evakuierung der
meisten Truppenkontingente aus Dünkirchen! Es bestätigt somit sein extrem unrealisti-
sches auf England konzentriertes Feindbild, wenngleich eine Definition des ,,Gegners"
ausblieb.
Des Weiteren wird der hier angesprochene Entscheidungsfaktor der Schlacht grundlegend
für folgende Betrachtungen sein. Die zunächst konsequente Festlegung, dass es sich wirk-
lich um die letzte Krise im Krieg handelte, war gerade für die Wahrnehmung des Ministers
eher unüblich. Dies verhält sich ähnlich zu der Tatsache, dass die gerade erfolgte Landung
umgehend als eine eigenständige Front behandelt wurde, wobei es sogar zu einer Unter-
ordnung der Ostfront kam.
131
Schließlich wurden auf der zweiten Seite der Weisung die weiteren ,,offiziellen" Quellen
genannt, die für eine weitere Berichterstattung über die Invasion zu benutzen waren. Es
sind Quellen gewesen, die vom Minister schließlich selbst konsultiert wurden und sogar in
Teilen in seinem Tagebuch benutzt wurden.
,,Die Redner müssen in ihren Appellen an die Bevölkerung jegliche Überschwenglichkeit, vor allem
jegliche Prognosen über den vermutlichen Ablauf der Ereignisse unterlassen. Was über die Tatsa-
chen zu sagen ist, wird im Wehrmachtsbericht, in den amtlichen Kommentaren dazu und in den
Kriegsberichten der Öffentlichkeit bekannt gegeben."
132
Das bedingungslose Vertrauen auf den Sieg deutscher Waffen hatte aber offenbar nach
Stalingrad und der Kapitulation deutscher Truppen in Tunesien einen ersten Schaden
erlitten. So gibt diese Direktive schon den ersten Hinweis auf die Formulierung von Goeb-
bels' Forderung an die Presse, nicht zu viel Optimismus in der Bevölkerung zu verbrei-
ten.
133
Entscheidend ist aber die Tatsache, dass die Bewertung der militärischen Lage
durch das Propagandaministerium ­ von der höchsten Ebene bis hinunter zur kleinsten
Abteilung ­ auf dem Sachverstand des OKW beruhen bleiben sollte. Die propagandistische
Flexibilität für den militärischen als auch zivilen Bereich war durch diese doch sehr offene
Formulierung vorerst gesichert.
131
Die Lage, 09.06.1944, BA Berlin NSD 12/30-33.
132
Ebd.
133
Jay W. Baird: The Mythical World of Nazi War Propaganda 1939-1945. Minneapolis 1974, 217.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836606882
DOI
10.3239/9783836606882
Dateigröße
862 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bergische Universität Wuppertal – Fachbereich A - Geistes- und Kulturwissenschaften, Historisches Seminar
Erscheinungsdatum
2007 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
goebbels joseph normandie invasion geschichte zweiter weltkrieg militärgeschichte propaganda drittes reich
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Titel: Die alliierte Invasion 1944 und Joseph Goebbels
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