Lade Inhalt...

Job Rotation und Wissensmanagement

Die Auswirkungen von Job Rotation im General Management auf den Wissensfluss in großen Unternehmen

©2007 Masterarbeit 99 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Das Umfeld, in dem Unternehmen heute bestehen müssen, ist von großen und immer schneller werden Veränderungen geprägt. Immer mehr Unternehmen agieren weltweit und sind dem globalen Wettbewerb ausgesetzt. Jene, die die Auswirkungen dieser Veränderungen als erste erkennen und angemessen darauf reagieren oder Veränderungen gar zu ihren Gunsten vorantreiben, können sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten. Um dabei erfolgreich zu sein, muss nicht nur Wissen über die Veränderungen im Umfeld gewonnen werden; gerade international agierende Unternehmen, mit Produktions- und Vertriebsstätten in der ganzen Welt, stehen vor der Herausforderung, Wissen, das an einem Ort erarbeitet wurde, für die gesamte Organisation nutzbar zu machen. Fähigkeiten, die lokal entwickelt werden, müssen rasch an andere Unternehmenseinheiten übertragen werden, die davon auch profitieren können. Mehr oder weniger weit voneinander entfernte „Wissensinseln“ müssen verbunden werden.
Dafür ist der Wissensfluss zwischen den Organisationseinheiten von zentraler Bedeutung. Das richtige Wissen muss zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort. Doch das passiert nicht automatisch. Unterschiedliche Organisationseinheiten – und solche an unterschiedlichen Orten ganz besonders – sind nur sehr eingeschränkt miteinander verbunden.
In der Unternehmenspraxis sind viele Maßnahmen zu beobachten, bei denen der Wissensfluss zwischen regionalen Einheiten, aber auch zur Konzernzentrale, durch den Austausch von Personen gefördert werden soll: Der Produktionsexperte aus dem Stammwerk wird in die neu erworbene Fabrik in der Ukraine entsendet, um dort sein know how persönlich weiter zu geben; Entwicklungsingenieure werden für einige Monate nach Asien geschickt, um eine Vorstellung über die Anforderungen dortiger Kunden an neu zu entwickelnde Produkte zu bekommen.
Die gerade angeführten Beispiele sind Austauschprogramme, die eine Verbesserung des Wissensflusses zum Ziel haben.
Job Rotation von Führungskräften zwischen unterschiedlichen Standorten ist ein ähnliches Austauschprogramm, aber mit anderen Zielen: Es wird in Theorie und Praxis hauptsächlich aus dem Blickwinkel des Personalmanagements betrachtet bzw. praktiziert, jedoch kaum aus der Perspektive des Wissensmanagements untersucht, obwohl auch hier – wie bei anderen Austauschprogrammen – Auswirkungen auf den Wissensfluss vermutet werden können.
Genau dieser Frage soll in dieser Arbeit nachgegangen werden: Welche […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


S. Berndt Exenberger
Job Rotation und Wissensmanagement
Die Auswirkungen von Job Rotation im General Management auf den Wissensfluss in
großen Unternehmen
ISBN: 978-3-8366-0670-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. ARGE Bildungsmanagement Wien, Wien, Österreich, MA-Thesis / Master, 2007
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

1
Abstracts
Deutsch: Die vorliegende Arbeit wurde durchgeführt, um die Auswirkungen
von Job Rotation von Führungskräften zwischen regionalen Standorten großer
Wirtschaftsunternehmen auf den Wissensfluss in der Gesamtorganisation zu
untersuchen. Zunächst wurde eine theoretische Analyse der Bereiche Job Rota-
tion und Wissensmanagement in Hinblick auf die Themenstellung durchgeführt.
Dann wurde die Fragestellung am Fall eines großen, internationalen Unterneh-
mens mit einer österreichischen Tochtergesellschaft empirisch untersucht. Die
Untersuchung erfolgte durch qualitative Analyse von Interviews, die im narrati-
ven Stil sowohl mit rotierenden Führungskräften als auch mit Vertretern aus
dem lokalen Management der österreichischen Geschäftseinheit geführt wur-
den. Die Arbeit ergab deutliche Hinweise darauf, dass sich Job Rotation von
Führungskräften auf den Wissensfluss auswirkt: Rotierende Führungskräfte
sammeln Wissen und tragen es weiter; sie fördern den Auf- und Ausbau der für
den Wissensfluss wichtigen informellen Netzwerke; sie beeinflussen die Unter-
nehmenskultur, die ­ je nach Ausprägung ­ den Wissensfluss fördert oder
hemmt. Die Annahme, dass Job Rotation von Führungskräften auch zu einem
bewussten Umgang mit Wissen im Dienste der Gesamtorganisation führt,
wurde bei der Untersuchung nicht bestätigt.

3
English: The study was done in order to identify the effects, which job rotation
on management level between regional business units of large companies
might have on the knowledge flow in the entire organisation. This was done by
a survey in a large international company with a local business unit in Austria.
Qualitative interviews were done with rotating and local managers as well. The
results indicate that job rotation on management level influences the knowl-
edge flow: Rotating managers collect and distribute knowledge; they contribute
to the growth of informal networks which are essential for knowledge flow; and
they influence the (sub)culture(s) in the company which also have ­ positive or
negative ­ effects on knowledge flow. The assumption, that rotating managers
wilfully influence the knowledge flow in favour of the entire organisation could
not be verified in the study.

5
Inhaltsverzeichnis
Abstracts... 1
Inhaltsverzeichnis ... 5
1 Einleitung ... 7
1.1
Ausgangssituation, Problemstellung, Fragestellung ...7
1.2
Aufbau und Gliederung der Arbeit ...8
2 Theoretischer Bezugsrahmen... 10
2.1
Unternehmen und Führungskraft ... 10
2.2
Job Rotation... 12
2.2.1
Definition... 12
2.2.2
Die Verweildauer... 15
2.2.3
Historische Entwicklung ... 17
2.2.4
Verbreitung in der Praxis ... 18
2.2.5
Der Nutzen von Job Rotation... 24
2.2.6
Nachteile von Job Rotation... 26
2.2.7
Hinweise auf wissensmanagementrelevante Aspekte... 28
2.3
Wissensmanagement ... 30
2.3.1
Wissen ... 30
2.3.2
Wissensmanagement... 37
2.3.3
Der Wissensfluss ... 44
2.4
Auswirkungen von Job Rotation auf den Wissensfluss ... 54
2.4.1
Auswirkungen auf die individuelle Wissensbasis der
rotierenden Führungskraft ... 55
2.4.2
Bewusste Verteilung von lokalem Wissen in der
Gesamtorganisation... 55
2.4.3
Auswirkungen auf die informellen Netzwerke... 56
2.4.4
Auswirkungen auf die Unternehmenskultur... 56
2.4.5
Das Entstehen von Wissenslücken ... 57
3 Hypothesen ... 58
4 Empirische Untersuchung... 60
4.1
Beschreibung der Forschungsmethode... 60
4.2
Begründung der Forschungsmethode ... 61
4.3
Durchführung der Untersuchung ... 62
4.3.1
Fragestellung... 62
4.3.2
Auswahl der Untersuchungseinheit und Rahmenbedingungen ... 62
4.3.3
Durchführung der Interviews... 64
4.3.4
Auswertung ... 65

6
4.3.5
Ergebnisse...66
5 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick... 86
5.1
Diskussion der Ergebnisse ...86
5.2
Ausblick ...90
5.2.1
Gestaltungsvorschläge für JR von Führungskräften ...90
5.2.2
Neue Fragestellungen ...92
6 Verzeichnisse... 95
6.1
Literaturverzeichnis...95
6.2
Abbildungsverzeichnis ...99
6.3
Tabellenverzeichnis...99
6.4
Abkürzungsverzeichnis ... 101

7
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation, Problemstellung, Fragestellung
Das Umfeld, in dem Unternehmen heute bestehen müssen, ist von großen und
immer schneller werden Veränderungen geprägt. Immer mehr Unternehmen
agieren weltweit und sind dem globalen Wettbewerb ausgesetzt. Jene, die die
Auswirkungen dieser Veränderungen als erste erkennen und angemessen
darauf reagieren oder Veränderungen gar zu ihren Gunsten vorantreiben,
können sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten. Um dabei erfolgreich zu sein,
muss nicht nur Wissen über die Veränderungen im Umfeld gewonnen werden;
gerade international agierende Unternehmen, mit Produktions- und Vertriebs-
stätten in der ganzen Welt, stehen vor der Herausforderung, Wissen, das an
einem Ort erarbeitet wurde, für die gesamte Organisation nutzbar zu machen.
Fähigkeiten, die lokal entwickelt werden, müssen rasch an andere Unterneh-
menseinheiten übertragen werden, die davon auch profitieren können. Mehr
oder weniger weit voneinander entfernte ,,Wissensinseln" müssen verbunden
werden.
Dafür ist der Wissensfluss zwischen den Organisationseinheiten von zentraler
Bedeutung. Das richtige Wissen muss zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen
Ort. Doch das passiert nicht automatisch. Unterschiedliche Organisationseinhei-
ten ­ und solche an unterschiedlichen Orten ganz besonders ­ sind nur sehr
eingeschränkt miteinander verbunden.
In der Unternehmenspraxis sind viele Maßnahmen zu beobachten, bei denen
der Wissensfluss zwischen regionalen Einheiten, aber auch zur Konzernzentrale,
durch den Austausch von Personen gefördert werden soll: Der Produktionsex-
perte aus dem Stammwerk wird in die neu erworbene Fabrik in der Ukraine
entsendet, um dort sein know how persönlich weiter zu geben; Entwicklungsin-

8
genieure werden für einige Monate nach Asien geschickt, um eine Vorstellung
über die Anforderungen dortiger Kunden an neu zu entwickelnde Produkte zu
bekommen.
Die gerade angeführten Beispiele sind Austauschprogramme, die eine Verbes-
serung des Wissensflusses zum Ziel haben.
Job Rotation von Führungskräften zwischen unterschiedlichen Standorten ist
ein ähnliches Austauschprogramm, aber mit anderen Zielen: Es wird in Theorie
und Praxis hauptsächlich aus dem Blickwinkel des Personalmanagements be-
trachtet bzw. praktiziert, jedoch kaum aus der Perspektive des Wissensmana-
gements untersucht, obwohl auch hier ­ wie bei anderen Austauschprogram-
men ­ Auswirkungen auf den Wissensfluss vermutet werden können.
Genau dieser Frage soll in dieser Arbeit nachgegangen werden: Welche Aus-
wirkungen hat Job Rotation von Führungskräften zwischen regiona-
len Standorten großer, internationaler Wirtschaftsunternehmen auf
den Wissensfluss in der Gesamtorganisation? Das ist die zentrale Frage-
stellung dieser Arbeit.
1.2 Aufbau und Gliederung der Arbeit
Im Anschluss an Kapitel 1, in dem auch die zentrale Fragestellung formuliert
wurde, werden im 2. Kapitel die für diese Arbeit wesentlichen theoretischen
Grundlagen aus den Bereichen Management (Unternehmen und Führungs-
kraft), Job Rotation und Wissensmanagement dargestellt, und mögliche Aus-
wirkungen von Job Rotation auf den Wissensfluss herausgearbeitet.
Die daraus abgeleiteten Hypothesen werden in Kapitel 3 beschrieben. Sie wer-
den im Kapitel 4 in einer Fallstudie empirisch überprüft.

9
In Kapitel 5 werden die Ergebnisse diskutiert und im Ausblick Gestaltungsemp-
fehlungen und neue Fragestellungen formuliert:
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Personenbezogene Bezeichnungen sind in Hinblick auf einen besseren Lesefluss
in männlicher Form dargestellt, meinen aber in gleicher Weise weibliche und
männliche Personen.
Kapitel 1
Einleitung
Zentrales Fragestellung der Masterthesis
Welche Auswirkungen hat Job Rotation von Führungskräften zwischen
regionalen Standorten großer, internationaler Wirtschaftsunternehmen
auf den Wissensfluss in der Gesamtorganisation?
Kapitel 2.1
Unternehmen und
Führungskraft
Kapitel 2.2
Job Rotation
Kapitel 2.3
Wissensmanagement
Kapitel 2.4
Auswirkungen von Job Rotation auf den Wissensfluss
Kapitel 3
Hypothesen
Kapitel 4
Empirische Untersuchung im Rahmen einer Fallstudie
Kapitel 5
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick
.
.
.
.

10
2 Theoretischer
Bezugsrahmen
2.1 Unternehmen und Führungskraft
In dieser Arbeit werden die Auswirkungen von Job Rotation von Führungskräf-
ten großer Unternehmen auf den Wissensfluss untersucht. Dieses Kapitel er-
klärt, was im Rahmen dieser Arbeit unter Unternehmen und Führungskraft
verstanden wird.
Als Unternehmen verstehen wir ­ in Anlehnung an den Organisationsbegriff
bei Rosenstiel
1
- ein gegenüber der Umwelt offenes soziales System, das dau-
erhaft bestimmte Ziele verfolgt und bestimmte Strukturen aufweist, die durch
Arbeitsteilung und eine Hierarchie von Verantwortung gekennzeichnet sind.
Das Augenmerk dieser Arbeit liegt auf Wirtschaftsunternehmen, das sind
Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen beschaffen, verwerten, verwal-
ten und am Markt absetzen, mit dem Ziel, dabei Gewinne zu erzielen. Wenn in
dieser Arbeit von Unternehmen die Rede ist, sind ausschließlich Wirtschaftsun-
ternehmen gemeint, und nicht auch Non ­ Profit ­ Unternehmen.
Unter Großunternehmen werden in dieser Arbeit Unternehmen mit mehr als
1.000 Mitarbeitern und mehreren regionalen Standorten in unterschiedlichen
Ländern verstanden. Die Arbeit konzentriert sich deshalb auf Großunterneh-
men, weil angenommen wird, dass bei ihnen ­ aufgrund der größeren Organi-
1
Rosenstiel et al., S. 25

11
sationskomplexität, wegen unterschiedlicher regionaler (Sub)kulturen und nicht
zuletzt wegen der Entfernungen zwischen den Standorten ­ dem Wissensfluss
eine besonders hohe Bedeutung zukommt.
Unter Führungskraft werden ,,im Unternehmen tätige Verantwortliche, die
anderen Personen Weisungen erteilen können und mit unterschiedlichen Kom-
petenzen ausgestattet sind [verstanden.]"
2
In dieser Arbeit geht es jedoch nicht um die Rotation von Team- oder Abtei-
lungsleitern (die meist dazu dient, zwischen kleineren Einheiten Spezialwissen
auszutauschen); es geht auch nicht um die Entsendung von Experten, die
ausdrücklich dazu dient, Fachwissen zu transferieren; und es geht nicht um
Ausbildungsprogramme für zukünftige Führungskräfte.
Die Arbeit konzentriert sich auf Führungskräfte der oberen Führungsebe-
nen, und meint damit Führungskräfte, die für mehrere Jahre Leitungsver-
antwortung für regionale Geschäftseinheiten oder diesen hierarchisch
gleichgestellte Leitungsaufgaben übernehmen.
2
Rahn, S. 29

12
2.2 Job Rotation
2.2.1 Definition
Nach Cheraskin ist Job Rotation ,,the systematic movement of employees from
job to job within an organization" (Cheraskin et al., S.1). Der wesentliche Un-
terschied zu einem einfachen Arbeitsplatzwechsel ist das Vorhandensein eines
systematischen Rotationsprogramms, das als Grundlage für den Wechsel auf
andere Arbeitsplätze dient.
Diese Definition deckt ganz unterschiedliche Arten von Rotationsprogrammen
ab, wie z.B.
· Die Rotation von Arbeitern zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen in der
Fließbandfertigung, um Arbeitsmonotonie und einseitige Belastung zu
vermeiden,
· Ausbildungsprogramme, bei denen Mitarbeiter alle Aufgaben durchlau-
fen, deren Kenntnis für ihre zukünftige Funktion von Bedeutung ist,
· oder auch die systematische Rotation von Führungskräften zwischen
verschiedenen Organisationseinheiten.
In der Literatur werden für Job Rotation drei Gestaltungsparameter genannt,
wie die folgende Abbildung zeigt
3
:
3
Vgl. z.B. Berthel, S. 279

13
Abbildung 2: Gestaltungsparameter von Job Rotation in Anlehnung an Hungenberg
(Quelle: Berthel, S. 279)
Bei der funktionsgebundenen Rotation wechseln Mitarbeiter innerhalb eines
Funktionsbereichs. Sie dient der Entwicklung von Fachkräften, wenn beispiels-
weise ein Maschinenarbeiter, der bisher nur das Drehen beherrscht hat, auch
beim Fräsen und Bohren eingesetzt wird.
Die funktionsübergreifende Rotation ­ also der Wechsel zwischen verschie-
denen Funktionsbereichen ­ erweitert den Wissenshorizont und fördert die
Entwicklung von Generalisten. Als Beispiel dafür sei der Einsatz von Mitarbei-
tern aus Entwicklungsabteilungen im Verkauf genannt. Ein besseres Verständ-
nis für die Kunden soll dazu führen, dass nicht an den Bedürfnissen der Kunden
vorbei entwickelt wird. Gerade für Führungskräfte wird der funktionsübergrei-
fenden Rotation in der Literatur steigende Bedeutung beigemessen, da ,,Aufga-
ben mit übergreifendem Charakter auf Führungsebenen zukünftig eher zuneh-
men werden." (Berthel, S. 279)
funktions-
gebunden
funktions-
übergreifend
horizontal
vertikal
Inter-
national
national
hierarchische
Bewegungs-
richtung
funktionaler
Horizont
Bewegungs-
reichweite

14
Bei der hierarchischen Bewegungsrichtung unterscheidet man horizontale und
vertikale Rotation. Bei der horizontalen Rotation bewegen sich Mitarbeiter auf
derselben Hierarchieebene, vertikale Rotation führt zu einem Einsatz auf einer
anderen Hierarchieebene.
Die Bewegungsreichweite gibt Auskunft über die örtlichen Auswirkungen
des Programms: Wird innerhalb eines Gebäudes oder innerhalb eines Standor-
tes gewechselt? Oder werden andere Standorte einbezogen und sogar Landes-
grenzen überschritten?
Gegenstand dieser Arbeit ist Job Rotation von Führungskräften der oberen
Führungsebenen von Großunternehmen mit unterschiedlichen regionalen
Standorten, bei der Führungskräfte jeweils für mehrere Jahre die Führungsver-
antwortung regionaler Geschäftseinheiten oder diesen hierarchisch gleichge-
stellte Leitungsaufgaben übernehmen:
Abbildung 3: Beispiel Job Rotation im Organisationsmodell von Schein (Quelle:
Schein (1971) (adaptiert))
Einfluss
Hierarchie
Führungsebene
Standort (Funktion)
A
B
C
D
E

15
Die Abbildung zeigt dazu ein Rotationsbeispiel, in dem eine Führungskraft von
der Aufgabe A zu B, C, D und letztendlich zu E rotiert. Die Führungskraft rotiert
zwischen unterschiedlichen Standorten, wobei sowohl horizontale (von A über B
nach C und von D nach E) als auch vertikale (von C nach D) Rotation stattfin-
den. Gerade bei Rotationsprogrammen für Führungskräfte sind meist auch
,,Karrieresprünge" vorgesehen.
Schein arbeitet in seinem Beitrag neben der vertikalen und horizontalen Bewe-
gungsrichtung noch eine weitere heraus, die er als ,,radial" bezeichnet.
4
Mitar-
beiter sind vom Zentrum der Macht eines Unternehmens mehr oder weniger
weit entfernt. In der Regel sind höhere Hierarchiestufen mit mehr Einfluss
verbunden als niedrigere. Schein weist jedoch auch auf die Abhängigkeit von
anderen Faktoren hin, wie beispielsweise persönliche Fähigkeiten, Verdienste
oder Dauer der Zugehörigkeit.
5
Die Zugehörigkeitsdauer zu einer bestimmten
Unternehmenseinheit ist von einem weiteren Gestaltungsparameter der Job
Rotation abhängig, nämlich von der Verweildauer.
2.2.2 Die
Verweildauer
Die Verweildauer gibt an, wie lange ein Mitarbeiter an einem Arbeitsplatz ein-
gesetzt wird, bevor er wieder rotiert.
Sie kann je nach Einsatzbereich ganz unterschiedliche Größenordnungen ha-
ben: Bei der Rotation von Arbeitern am Fließband geht es um Stunden, bei der
4
Vgl. Schein (1971), S. 403
5
Schein (1971), S. 406

16
in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Rotation von Führungskräften um
Jahre.
Ed Schein beschreibt zwei Phasen, die mit dem Wechsel in ein anderes Subsys-
tem einer Organisation verbunden sind
6
:
· In der Sozialisationsphase beeinflusst die Organisation das Indivi-
duum: Es erfolgt eine kulturelle Anpassung des neuen Mitglieds an die
Kultur der Teilorganisation. Wer wichtige kulturelle Normen nicht beach-
tet, bekommt trotz hoher hierarchischer Stellung nur wenig Einfluss. Der
Wechsel von einer Gruppe in eine andere ist immer mit einer Sozialisati-
on verbunden, auch wenn beide Gruppen Teil einer gemeinsamen grö-
ßeren Organisation sind.
7
Die Fähigkeit eines rotierenden Mitarbeiters,
sich in einer neuen Subkultur zurecht zu finden und Einfluss zu sichern,
ist eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung für das Gelingen von Job Rota-
tion.
· In der Innovationsphase beeinflusst das Individuum die Organisation:
Es erhält Einfluss, kann etwas bewegen.
Schein stellt neben anderen die folgenden beiden Hypothesen auf, die im Zu-
sammenhang mit dem Thema dieser Arbeit von Interesse sind:
· In frühen Karrierephasen sind die Sozialisationsphasen relativ lange und
die Innovationsphasen relativ kurz, in späteren Karrierephasen ist es
umgekehrt.
8
· Der Einfluss des Individuums auf die Organisationseinheit ist in der Mitte
zwischen zwei Funktionswechsel am größten. Es muss weit genug vom
6
Schein (1971), S. 402
7
Schein (1971), S. 409
8
Schein (1971), S. 422

17
Einritt in die Teilorganisation entfernt sein, um in der neuen Subkultur
bereits Macht und Einfluss erworben zu haben, es muss aber auch noch
weit genug vom nächsten Wechsel entfernt sein, um sich voll auf die
derzeitige ­ und nicht schon auf die nächste - Aufgabe zu konzentrieren.
Die oben angeführten Argumente unterstreichen die Bedeutung der Verweil-
dauer für den Erfolg von Rotationsprogrammen für Führungskräfte: Nur wenn
die Verweildauer so angelegt ist, dass zwischen zwei Rotationen Zeit für eine
angemessen lange Innovationsphase bleibt, kann die rotierende Führungskraft
tatsächlich etwas bewegen.
2.2.3 Historische
Entwicklung
Burgdorf (S.6 ff.) weist darauf hin, dass sich Job Rotation in unterschiedlichen
Kulturkreisen zwar zeitlich parallel aber mit ganz unterschiedlichen Zielrichtun-
gen entwickelt hat und führt drei Wurzeln an:
· Die ,,Shaker" in Nordamerika: Die ,,Shaker" sind eine religiöse Le-
bensgemeinschaft, die sich von den ,,Quakern" Ende des 18. Jahrhun-
derts abspaltete. Sie praktizierten innerhalb ihrer Gemeinschaft bereits
damals Job Rotation und waren für ihren Einfallsreichtum und ihre Erfin-
dungen bekannt. Cosgel und Miceli (S. 5 f.) vermuten hier einen Zu-
sammenhang zwischen Job Rotation und Innovationsfähigkeit.
· ,,Kibbuzim" auf dem Gebiet des heutigen Israel: Kibbuzim sind
Dorfgemeinschaften mit hohem Anteil an Gemeinschaftseigentum und
basisdemokratischen Strukturen. Der erste Kibbuz wurde 1910 von Ein-
wanderern aus Weißrussland gegründet. Das Rotationsprinzip wurde zu-
nächst insbesondere für die Besetzung der öffentlichen Ämter angewen-
det. In der Folge setzte sich das Prinzip aber auch in den landwirtschaft-
lichen und industriellen Betrieben durch. Die Rotation war hier haupt-
sächlich durch den Gleichheitsgedanken motiviert und nicht durch wirt-

18
schaftliche Überlegungen. Dennoch kann man die Kibbuzim auch vom
wirtschaftlichen Standpunkt aus als Erfolgsgeschichte bezeichnen. Burg-
dorf (S. 10) führt an, dass ,, 3 Prozent der Bevölkerung des heutigen Is-
raels [...] in Kibbuzim [leben] und [...] 40 Prozent aller Agrarprodukte
und 10 bis 15 Prozent der Industriegüter im Land [erzeugen]."
· Als dritte Wurzel führt Burgdorf (S. 10 ff.) Japan an: Er begründet
dies mit den kulturellen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zum westli-
chen Individualismus ist die japanische Gesellschaft historisch gesehen
viel stärker vom Gruppendenken geprägt. In diesem Umfeld wurden
Aufgaben und Probleme nicht - wie in westlichen Industriegesellschaften
- in erster Linie durch ,,Spezialisten" gelöst, sondern durch die Gesamt-
gruppe, in der die Rollen je nach Fragestellung und Fähigkeiten immer
wieder neu verteilt wurden. Explizit erwähnt werden Rotationsmodelle in
der japanischen Industrie erstmals in Fallstudien aus den Fünfziger Jah-
ren des 20. Jahrhunderts (Burgdorf, S. 10).
In den westlichen Industriegesellschaften entwickelte sich Job Rotation ur-
sprünglich als Gegenbewegung zum ,,Taylorismus", der zur Steigerung der
Arbeiterproduktivität die Arbeitsteilung als Grundsatz wissenschaftlicher Be-
triebsführung einführte (vgl. Drucker, S. 38). Der Preis der Arbeitsteilung ­
etwa in der industriellen Fließbandfertigung ­ war hoch: Arbeitsmonotonie und
einseitige körperliche Belastungen führten zu hoher Fluktuation, Krankenstän-
den und Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen. Die Rotation zwischen
unterschiedlichen Aufgaben sollte diesen negativen Auswirkungen entgegen
wirken.
2.2.4
Verbreitung in der Praxis
Die meisten Untersuchungen über Job Rotation enthalten kaum Hinweise über
die Verbreitung in der unternehmerischen Praxis.

19
Die Arbeit von Eriksson und Ortega
9
stellt hier eine Ausnahme dar. Die Autoren
stützen ihre Untersuchung über den Nutzen von Job Rotation im wesentlichen
auf eine 1999/2000 durchgeführte Studie, in die 3.150 private dänische Unter-
nehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern einbezogen wurden (Rücklauf: 51%).
Zur Verbreitung von Job Rotation ergab sich aus der Studie folgendes Bild:
Tabelle 1: Percentage of Firms Using Job Rotation (Quelle: Eriksson et al., S. 16)
9
Eriksson, Tor und Ortega, Jaime: The Adoption of Job Rotation: Testing the Theories

20
Die Tabelle zeigt, dass
· Job Rotation im Bereich der Arbeiter häufiger eingesetzt wird als bei An-
gestellten: 19,5% der Unternehmen setzten Job Rotation bei Arbeitern
ein, nur 5,7 % bei Angestellten.
· Sie zeigt auch, dass die Verbreitung von Job Rotation von der Unter-
nehmensgröße abhängt: Von den Unternehmen bis 50 Mitarbeiter setz-
ten 10,2% Job Rotation für Arbeiter und nur 3,1% für Angestellte ein. In
Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern kam Job Rotation für Arbeiter
bei 37%, für Angestellte bei 18,5% zum Einsatz.
· Letztendlich hat auch die Branche einen erheblichen Einfluss auf den
Einsatz von Job Rotation: Während Unternehmen aus dem Produktions-
und (nicht näher definierten) Dienstleistungsbereich Job Rotation beson-
ders häufig bei Arbeitern einsetzten, liegt der Einsatzschwerpunkt für
Angestellte im Finanzsektor.
Die Studie zeigt auch, dass die Bedeutung von Job Rotation zunimmt: Nur 20%
jener Unternehmen, die Job Rotation zum Befragungszeitpunkt einsetzten,
haben das bereits vor 1990 getan. 40% haben damit zwischen 1990 und 1995,
und weitere 40% erst nach 1995 begonnen (Eriksson et al., S. 7).
Eine weitere empirische Untersuchung dazu liegt von Burgdorf vor, der insge-
samt 51 Fragebögen an Unternehmen in Japan, Deutschland und den USA
versandte (Rücklauf: 39%)
10
. Die Auswertung von Burgdorf ist für diese Arbeit
deshalb besonders interessant, weil sie zum überwiegenden Teil auf den Ant-
worten großer Industrieunternehmen basiert:
10
Siehe Burgdorf, S. 63 ff.

21
Unternehmensgröße
(Mitarbeiter)
0
2
4
6
8
10
12
14
> 1.000
100-999
< 100
k.A.
An
za
h
l U
n
te
rn
e
h
m
e
n
Abbildung 4: Untersuchung Burgdorf ­ Unternehmensgröße (Quelle: Burgdorf,
Anhang 3)
So hatten zwölf der 24 ausgewerteten Unternehmen mehr als 1.000 Mitarbeiter
(darunter alle sieben deutschen Betriebe), und drei zwischen 100 und 999
Mitarbeiter. Lediglich sechs Unternehmen gaben an, weniger als 100 Mitarbei-
ter zu beschäftigen.
22 der 24 Unternehmen können der Industrie zugeordnet werden.
Burgdorf kommt zu folgenden Ergebnissen und Schlüssen (Burgdorf S. 67 ff.):
· Alle japanischen Unternehmen gaben an, Job Rotation zu praktizieren.
Für Deutschland lag der Wert bei 71%, für die USA bei 75%.
· In den japanischen Unternehmen wird Job Rotation schon am längsten
praktiziert (im Durchschnitt seit 22,2 Jahren).

22
· Die deutschen Unternehmen sind mit den Rotationsmodellen am zufrie-
densten (Durchschnittswert 1,8), die japanischen Unternehmen dagegen
eher weniger (Durchschnittswert 2,7)
11
.
· Alle japanischen und drei von fünf deutschen Unternehmen, die Job Ro-
tation einsetzten, setzten sie sowohl horizontal als auch vertikal ein. In
den USA praktizierten vier der sechs Unternehmen die Rotation nur hori-
zontal.
· Alle japanischen und vier der fünf deutschen Unternehmen praktizierten
Job Rotation auch für Angestellte (USA: zwei von sechs).
Sehr interessant sind auch die Ergebnisse von Burgdorf zum Einsatz von Job
Rotation auf Managementebene:
Job Rotation im Management
0
1
2
3
4
5
6
Japan
D
USA
An
za
h
l Un
te
rn
eh
m
e
n
Einsatz
kein Einsatz
Abbildung 5: Untersuchung Burgdorf ­ Einsatz von Job Rotation im Management
(Quelle: Burgdorf, S. 72)
11
Burgdorf verwendet eine Notenskala von 1 (sehr zufrieden) bis 4 (unzufrieden)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836606707
DOI
10.3239/9783836606707
Dateigröße
880 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
ARGE Bildungsmanagement Wien – Supervision, Coaching & Organisationsentwicklung (OE)
Erscheinungsdatum
2007 (November)
Note
1,0
Schlagworte
multinationales unternehmen führungskraft jobrotation wissensmanagement rotation wissensfluss informelle netzwerke unternehmenskultur
Zurück

Titel: Job Rotation und Wissensmanagement
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
99 Seiten
Cookie-Einstellungen