Lade Inhalt...

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge

Ursachenanalyse und kritische Beurteilung

©2007 Diplomarbeit 60 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Jahre 1889 verabschiedete der Reichstag das erste deutsche Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz. Es verpflichtete alle Arbeiter zwischen 16 und 70 Jahren in die Rentenkasse einzuzahlen. Ausgezahlt wurde die Rente erst mit 70 Jahren. Dies war nicht nur aus heutiger Perspektive enorm hoch, sondern vor allem aus damaliger Zeit beinahe utopisch, wenn man bedenkt, dass die Lebenserwartung in dieser Zeit bei 40 Jahren lag. Verdiente ein Arbeiter zur Erwerbszeit zwischen 350 und 550 Mark, dann erhielt er ab dem 70. Lebensjahr eine Rente in Höhe von 11,25 Mark. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine Mindestrente eingeführt und das durchschnittliche Rentenniveau lag bei ca. 30 % des Nettolohns.
Die Intention der Rente war damals, die Bevölkerung vor einer Altersarmut zu bewahren, als Einkommensersatz sollte sie nicht dienen. Die Renten wurden bisher über das Kapitaldeckungsverfahren organisiert, in dem jeder Versicherte seinen eigenen Kapitalstock bildete, der dann im Alter als eine Einkommensquelle diente. 1957 beschloss der deutsche Bundestag den Wechsel zum Umlageverfahren, besser bekannt als Generationenvertrag. Seit diesem historischen Moment werden alle Rentner von den derzeit Versicherten der GRV finanziert in der Hoffnung, dass die nachfolgende Generation das Gleiche für sie tut. Das System entwickelte sich sehr gut und die Renten, „die ursprünglich den Unterhalt im Alter nur erleichtern, nicht aber vollständig decken sollten und die noch bis in die 1950er Jahre oftmals nicht zum Leben ausreichten, wurden Lohnersatzleistungen mit dem Ziel, den erworbenen Lebensstandard zu sichern.“ Die gesetzliche Rente wurde zum Einkommensersatz.
Seit dem Fall der Mauer im Jahre 1989 und dem rückläufigen Bevölkerungswachstum funktioniert aber das Umlageverfahren nicht mehr. Immer mehr Rentnern stehen immer weniger Einzahler gegenüber. Dies wird unterstützt durch die rückläufige demographische Entwicklung. Veranschaulicht wird das durch den immer größer werdenden Altersquotienten, der das Verhältnis aus 60-Jährigen und Älteren zu der Altersgruppe 20 bis 59 Jahren widerspiegelt und im Moment bei 46 liegt. Das heißt, dass heute 1 Rentner von ein bisschen mehr als 2 Einzahlern in die GRV finanziert wird, Tendenz sinkend. Noch bedeutender für alle zukünftigen Rentner ist aber, dass trotz hoher Beiträge, die Höhe der Renten abnehmen wird. Geht man von einer Rentenerwartung von 70 % aus, dann liegt die Versorgungslücke bei etwa 15 […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Steffen Liebert
Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge
Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
ISBN: 978-3-8366-0578-6
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Berufsakademie Heidenheim, Heidenheim, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
I
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... III
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...V
1
EINLEITUNG ... 1
2
AKTIVIERUNG ZUR ALTERSVORSORGE ­ EIN BEZUGSRAHMEN ... 3
2.1
Aktivierung im engeren Sinne ...3
2.2
Aktivierung im Rahmen der Konsumentenforschung...6
2.3
Aktivierung im Kontext der Altersvorsorgeproblematik...8
3
URSACHENANALYSE DES AKTIVIERUNGSPROBLEMS ... 9
3.1
Schwache Finanzkraft als Ursache des Aktivierungsproblems...9
3.2
Psychologische Aspekte der mangelnden Aktiviertheit...11
3.2.1
Altersvorsorgekonto als deaktivierender Faktor...11
3.2.2
Unsicherheit als Hemmungsfaktor ...12
3.2.3
Unterbewertung der Altersvorsorge aufgrund überzogener Abdiskontierung ...14
3.3
Gesellschaftliche Determinanten des Aktivierungsproblems ...15
3.3.1
Deaktiviertheit der jungen Generation aufgrund der sozialen Werte und Motive ...16
3.3.2
Familienzyklus als maßgeblicher Einflussfaktor auf das Sparverhalten...18
3.3.3
Mangelnde Aktiviertheit der Deutschen aufgrund von Aversion gegen die
Altersvorsorgethematik ...20
3.3.3.1
Grundsätzliche Abneigung gegen das Thema ,,Alter" ...20
3.3.3.2
Zusätzliche Aversion gegen das Thema ,,Finanzen"...20
3.3.3.3
Mangelndes Wissen als Folge der Aversion und Ursache von Fehlentscheidungen...21
4
AKTIVIERUNG BISHER ­ EINE KRITISCHE BEURTEILUNG ... 24
4.1
Aktivierungsversuche von Seiten des Staates ...25
4.1.1
Verspätete Lancierung des Aktivierungsreizes ...25
4.1.2
Das Altersvermögensgesetz von 2001 und weitere Aktivierungsversuche in der Kritik ...27
4.1.2.1
Die staatliche Zulage als missbrauchter Aktivierungsreiz ...27
4.1.2.2
Unzureichende Maßnahmen gegen die Unsicherheit ...29
4.1.2.3
Unzureichende Simplifizierung des Systems für den Einzelnen ...30
4.1.2.4
Mangelhafte Renteninformation vom Gesetzgeber...30
4.1.2.5
Unzureichende Aktivierung bei der zweitwichtigsten Vorsorgeform Immobilie ...31
4.2
Aktivierung von Seiten der Arbeitgeber...33
4.3
Aktivierungsversuche von Produktanbietern...34
5
FAZIT UND SKIZZIERUNG EINER LÖSUNGSIDEE ... 36
ANHANG... 41
LITERATURVERZEICHNIS... 49

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
III
Abkürzungsverzeichnis
GRV
Gesetzliche
Rentenversicherung
DIA
Deutsches Institut für Altersvorsorge
AVmG Altersvermögensgesetz
bAV
betriebliche
Altersvorsorge

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Formatio reticularis des zentralen Nervensystems... 4
Abbildung 2: Darstellung der Abhängigkeit zwischen Aktivierung und Leistung. 5
Abbildung 3: Abhängigkeit zwischen Sparbeginn und Sparbetrag. ... 16
Abbildung 4: Mangelnder Wissensstand beim Thema Altersvorsorge. ... 23
Abbildung 5: Bevölkerungspyramide der Bundesrepublik Deutschland. ... 26

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
1
1 Einleitung
Im Jahre 1889 verabschiedete der Reichstag das erste deutsche Invaliditäts-
und Altersversicherungsgesetz. Es verpflichtete alle Arbeiter zwischen 16 und
70 Jahren in die Rentenkasse einzuzahlen. Ausgezahlt wurde die Rente erst
mit 70 Jahren. Dies war nicht nur aus heutiger Perspektive enorm hoch, son-
dern vor allem aus damaliger Zeit beinahe utopisch, wenn man bedenkt, dass
die Lebenserwartung in dieser Zeit bei 40 Jahren lag. Verdiente ein Arbeiter zur
Erwerbszeit zwischen 350 und 550 Mark, dann erhielt er ab dem 70. Lebensjahr
eine Rente in Höhe von 11,25 Mark.
1
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine
Mindestrente eingeführt und das durchschnittliche Rentenniveau lag bei ca.
30 % des Nettolohns. Die Intention der Rente war damals, die Bevölkerung vor
einer Altersarmut zu bewahren, als Einkommensersatz sollte sie nicht dienen.
Die Renten wurden bisher über das Kapitaldeckungsverfahren organisiert, in
dem jeder Versicherte seinen eigenen Kapitalstock bildete, der dann im Alter
als eine Einkommensquelle diente. 1957 beschloss der deutsche Bundestag
den Wechsel zum Umlageverfahren, besser bekannt als Generationenvertrag.
2
Seit diesem historischen Moment werden alle Rentner von den derzeit Versi-
cherten der GRV finanziert in der Hoffnung, dass die nachfolgende Generation
das Gleiche für sie tut. Das System entwickelte sich sehr gut und die Renten,
,,die ursprünglich den Unterhalt im Alter nur erleichtern, nicht aber vollständig
decken sollten und die noch bis in die 1950er Jahre oftmals nicht zum Leben
ausreichten, wurden Lohnersatzleistungen mit dem Ziel, den erworbenen Le-
bensstandard zu sichern."
3
Die gesetzliche Rente wurde zum Einkommenser-
satz.
Seit dem Fall der Mauer im Jahre 1989 und dem rückläufigen Bevölkerungs-
wachstum funktioniert aber das Umlageverfahren nicht mehr. Immer mehr
Rentnern stehen immer weniger Einzahler gegenüber. Dies wird unterstützt
durch die rückläufige demographische Entwicklung. Veranschaulicht wird das
durch den immer größer werdenden Altersquotienten, der das Verhältnis aus
1
Vgl. Rüdel H-J. (2007).
2
Vgl. Datz N. (2003), S. 13.
3
Haerendel U., Fisch S. (2000), S. 13.

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
2
60-Jährigen und Älteren zu der Altersgruppe 20 bis 59 Jahren widerspiegelt und
im Moment bei 46 liegt.
4
Das heißt, dass heute 1 Rentner von ein bisschen
mehr als 2 Einzahlern in die GRV finanziert wird, Tendenz sinkend. Noch be-
deutender für alle zukünftigen Rentner ist aber, dass trotz hoher Beiträge, die
Höhe der Renten abnehmen wird. Geht man von einer Rentenerwartung von
70 % aus, dann liegt die Versorgungslücke bei etwa 15 bis 20 %.
5
Das Problem ist aber, dass die Deutschen in Anbetracht dieser ernsten Lage
nicht ausreichend zur Altersvorsorge aktiviert werden können. Im Durchschnitt
möchten die Deutschen im Ruhestand über 2.100 Euro monatlich verfügen. Sie
schätzen, dass dafür eine monatliche Ersparnis von ca. 250 Euro nötig wäre.
Es werden aber im Schnitt nur 198 Euro gespart. Jeder 6. befürchtet sogar, im
Alter seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln nicht bestreiten zu können. Es
besteht die Gefahr einer zukünftigen Altersarmut.
6
Das Problem der mangelnden Aktiviertheit der Deutschen beim Thema Alters-
vorsorge ist Gegenstand vieler Studien und Veröffentlichungen. Diese publizie-
ren meist statistische Durchschnittswerte. Das wertvolle Datenmaterial allein
wird aber der Frage, warum die deutsche Bevölkerung nicht ausreichend zur
Altersvorsorge aktiviert werden kann, meist nicht gerecht. Die großen Zahlen
werden zwar nach unterschiedlichen Kriterien aufgedröselt, die Ursachen und
Zusammenhänge bleiben aber ungeklärt. Das Ziel dieser Arbeit ist es, dieses
Aktivierungsproblem bei der Altersvorsorge zu analysieren und über die Ursa-
chen und Zusammenhänge Klarheit zu verschaffen. Dabei wird folgende Vor-
gehensweise gewählt:
Zu Beginn wird dem Leser ein grundsätzliches Verständnis des psychophysio-
logischen Aktivierungsbegriffes vermittelt. Auf Basis dieser Erläuterungen wird
die Anwendung der Aktivierungstheorie am Beispiel der Konsumentenforschung
verdeutlicht. Dies erleichtert dann die Übertragung auf die Altersvorsorgethema-
tik, da die Altersvorsorge im Grunde auch als Produkt verstanden werden kann,
zu dessen Kauf die Bevölkerung aktiviert werden soll. Die ,,Produkteigenschaf-
4
Vgl. Radermacher W. (2006), S. 2.
5
Vgl. o.V. (2007x).
6
Vgl. o.V. (2007l).

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
3
ten" werden näher erläutert und dadurch wird klar, dass Altersvorsorge ein be-
sonderes Produkt ist, das den ,,Käufer" bis zum Eintritt in den Ruhestand be-
schäftigt. Es werden dabei vor allem die Wirkungen einzelner Merkmale auf die
Aktivierung des Individuums untersucht. Die Arbeit dient hingegen nicht zur
Aufklärung über die einzelnen Details der Rentensysteme. Im dritten Kapitel
werden zuerst die Hemmungsfaktoren beim Aktivierungsprozess auf der psy-
chischen Ebene des Individuums analysiert. Die Psyche des Menschen wird
von seiner sozialen Umwelt, in der er sich befindet, geprägt. Die gesellschaftli-
chen Determinanten haben maßgeblichen Einfluss auf das Vorsorgeverhalten
und werden deshalb im anschließenden Kapitel näher erörtert. Die Analyseer-
gebnisse der Ausführungen werden dann auf die bisherigen Aktivierungsversu-
che angewendet, um diese einer kritischen Beurteilung zu unterziehen. Dabei
werden sowohl die Bemühungen des Gesetzgebers als auch die Aktivierungs-
versuche von Seiten der Anbieter von Altersvorsorgeprodukten beurteilt. Die
Arbeit schließt mit dem fünften Kapitel, in dem ein Fazit gezogen wird und ein
möglicher Ausweg aus der Aktivierungskrise skizziert werden soll.
2 Aktivierung zur Altersvorsorge ­ ein Bezugsrahmen
Um einen Bezugsrahmen herzustellen, wird im Folgenden der Aktivierungsbeg-
riff zunächst aus streng aktivierungstheoretischer Perspektive erläutert. Darauf
aufbauend wird die Anwendung der Aktivierungstheorie in der Konsumentenfor-
schung vermittelt, die Grundlage für die Übertragung der Thematik auf die
Altersvorsorgeproblematik ist.
2.1 Aktivierung im engeren Sinne
Die inneren psychischen Vorgänge des menschlichen Organismus lassen sich
grundsätzlich in aktivierende und kognitive Prozesse unterteilen. Die aktivieren-
den Prozesse sind diejenigen, die den Organismus mit Energie versorgen und
in einen Zustand der Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit versetzen.
Sie sind dafür verantwortlich, dass überhaupt Verhalten zustande kommt.

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
4
Kognitive Vorgänge sind z.B. die Informationsaufnahme, -verarbeitung und
­speicherung oder auch Denken, Fühlen und Handeln.
7
Aktivierende und kognitive Prozesse stehen eng miteinander in Verbindung,
wobei die Aktivierung eine Schlüsselrolle einnimmt, da sie Grundbaustein für
die komplexeren, kognitiven Vorgänge ist.
8
Es besteht in der Literatur nicht im-
mer Einigkeit, wenn es um die Bedeutung der Begriffe ,,Aktivierung" und ,,Akti-
viertheit" (auch ,,Aktivierungsniveau") geht. Um Klarheit über die Verwendung
der Begriffe in dieser Arbeit zu verschaffen, ist unter ,,Aktivierung" ein Vorgang
zu verstehen, also eine Veränderung der ,,Aktiviertheit" (auch ,,Aktivierungsni-
veau"), die ihrerseits einen Zustand beschreibt.
9
Der Aktivierungsprozess wird mithilfe der psychophysiologischen Theorien er-
klärt und steht in direktem Zusammenhang mit dem zentralen Nervensystem.
Dort gibt es eine Funktionseinheit, die retikuläres Aktivierungssystem heißt. Sie
besteht hauptsächlich aus der ,,Formatio reticularis". Diese befindet sich im
Stammhirn und steht mit vielen anderen Funktionseinheiten des zentralen Ner-
vensystems in Verbindung.
10
Abbildung 1: Die Formatio reticularis des zentralen Nervensystems.
11
7
Vgl. Kroeber-Riel W., Weinberg P. (2003), S. 50 ff.
8
Vgl. Trommsdorff V. (1989), S. 43.
9
Vgl. Schandry R. (1988), S. 51.
10
Vgl. Kroeber-Riel W., Weinberg P. (2003), S. 58 f.
11
Kroeber-Riel W., Weinberg P. (2003), S. 59.

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
5
Die Formatio Reticularis wird durch Impulse in Erregung versetzt, die direkt auf
externe oder interne Reize zurückgehen. Die entstandenen Erregungen werden
an die anderen Funktionseinheiten des zentralen Nervensystems übertragen
und versetzen diese in Funktionsbereitschaft.
12
Dadurch wird der Organismus
aktiviert.
Das Aktivierungsniveau befindet sich zwischen den Extremwerten
Tiefschlaf (Minimalwert) und Panik (Maximalwert). Die Abhängigkeit zwischen
Aktivierungsniveau und Leistungsfähigkeit wird durch die sog. Lambda-
Hypothese
13
veranschaulicht. Ausgehend vom Tiefschlaf wirkt eine zunehmen-
de Aktivierung als leistungsfördernd. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, nimmt ab
einem bestimmten Niveau die Leistungsfähigkeit allerdings wieder ab. Der Grad
der Aktivierung kann also sowohl fördernd also auch hemmend auf die Leistung
des Organismus wirken. Jeder befand sich z.B. schon in einer Prüfungssituation
und hat dabei gemerkt, dass ein gewisses Maß an Anspannung und Angeregt-
heit durchaus leistungsfördernd sein kann. Irgendwann wird aber ein Punkt er-
reicht, ab dem zusätzliche Anspannung eher negativ auf die Leistungsfähigkeit
wirkt. Man spricht in diesem Fall von Überaktiviertheit. Diese tritt bei einer an-
spruchsvollen Denkleistung früher auf, da dafür nur eine geringere Angeregtheit
notwendig ist als bei einer körperlich anspruchsvollen Leistung.
14
Abbildung 2: Darstellung der Abhängigkeit zwischen Aktivierung und Leistung.
15
12
Zu den Aktivierungstheorien siehe insbesondere auch Birbaumer N. (1975), S. 47-62; Thayer
R. E. (1989).
13
Auch genannt ,,Yerkes-Dodson-Kurve", ,,Umgekehrte U-Hypothese" oder ,,Kurvilineare Aktivie-
rungshypothese"; Vgl. dazu Fischer L., Wiswede Günter (2002), S. 108.
14
Vgl. Trommsdorff V. (1989), S.44.
15
Kroeber-Riel W., Weinberg P. (2003), S. 79.

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
6
Die Aktivierungstheorie kommt neben der Arbeitspsychologie hauptsächlich in
der Konsumentenforschung zur Anwendung.
16
Im Folgenden soll nun der Pro-
zess der Aktivierung am Beispiel der Konsumentenforschung erläutert werden.
Dies erleichtert die spätere Begriffserweiterung der Aktivierung, so dass der
Bezugsrahmen für die Problematik Aktivierung und Altersvorsorge geschlossen
werden kann.
2.2 Aktivierung im Rahmen der Konsumentenforschung
Aktivierung ist Grundvoraussetzung für die Kaufentscheidung. Für die Aktivie-
rung verantwortlich sind verschiedene Reize. Die aktivierenden Reize werden in
physische, kognitive und emotionale Reize eingeteilt. Während physische über
Farben und Töne erzeugt werden, kommen kognitive Reize meist durch Ver-
fremdungseffekte zustande wie z.B. das Abbilden einer Frau mit Bart. Eine
Sonderstellung nehmen die emotionalen Reize ein, da sie im Gegensatz zu den
anderen auf angeborene Auslösemechanismen des Menschen abzielen und
deshalb alle Individuen gleich ansprechen und auch keiner Abnutzung unterlie-
gen.
17
Beispiele dafür sind das Kindchenschema oder generell erotische Reize.
Da der Mensch in der Regel einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt ist, gilt es für
die Produktanbieter die Aufmerksamkeit der Kunden auf ihre Reize hinzulen-
ken. Dabei ist ,,Aufmerksamkeit (...) eine vorübergehende Erhöhung der Aktivie-
rung, die zur Sensibilisierung des Individuums gegenüber bestimmten Reizen
führt. Sie dient dazu, den Organismus reaktionsbereit zu machen und für be-
stimmte Funktionen zu aktivieren."
18
Strömen viele verschiedene Reize auf den
Menschen ein, dann dient die Aufmerksamkeit als ein Selektionsinstrument. Der
Nebeneffekt dabei ist, dass der Organismus gleichzeitig weniger sensibel oder
gar nicht auf andere Reize reagiert.
Für den Verkäufer gilt es, den Kunden für seine Produkte aufmerksam zu ma-
chen. Je nach Art und Intensität der Reize können diese auch zu einer negati-
ven Wirkung und damit zu schlechten Verkaufszahlen eines Produkts führen.
Dies liegt daran, dass der Reiz nicht unmittelbar zur Reaktion führt. Er wird zu-
16
Vgl. Fischer L., Wiswede Günter (2002), S.108.
17
Vgl. Kroeber-Riel W., Weinberg P. (2003), S.71 f.
18
Kroeber-Riel W., Weinberg P. (2003), S. 61.

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
7
erst entschlüsselt und einer Wertung unterzogen. Diese ist von Mensch zu
Mensch unterschiedlich. Negative Wirkungen können auftreten, wenn durch
den Aktivierungsreiz von der inhaltlichen Botschaft abgelenkt wird, oder es z.B.
aufgrund von als überzogen empfundener erotischer Reize zu einer Negativhal-
tung gegenüber dem Produkt kommt. Daneben ist darauf zu achten, dass die
gleiche Reizintensität nicht immer zur gleichen Reaktion führt. Als Beispiel wer-
den zwei Kommunikationsmittel A und B verwendet. A aktiviert mehr als B. Das
heißt, die Empfänger der Botschaft A stecken mehr Energie in die Informations-
verarbeitung als die Empfänger von B. Es kann aber auch sein, dass B mehr
aktiviert als A. Wenn A nämlich so stark aktiviert, dass die Empfänger einen
stärkeren Beeinflussungsdruck verspüren, der sie veranlasst, sich gegen die
Meinungsänderung zu sperren. Gleiche Reizintensität kann demnach zu unter-
schiedlicher Verarbeitung der Appelle führen, je nachdem ob sie positive oder
negative Emotionen bewirkt haben.
Geht man von einer positiven Emotion aus, dann folgen die kognitiven Prozes-
se wie Informationsaufnahme, -verarbeitung und schließlich der Entschei-
dungsprozess für den Kauf eines Produkts. In Abhängigkeit der Intensität der
kognitiven Prozesse werden unter anderem die affektive und die extensive
Kaufentscheidung unterschieden. Diese sind besonders vom Grad der Aktivie-
rung abhängig. Beim Affektivkauf oder auch Impulskauf genannt, reagiert der
Käufer ohne vorherige Information spontan auf Reize bestimmter Angebote am
Kaufort. Bei einer extensiven Kaufentscheidung hingegen ist das Involvement,
der Aufwand für die Auswahl individueller Entscheidungskriterien und für den
Vergleich unterschiedlicher Alternativen besonders groß. Dieses Verhalten wird
meist praktiziert, wenn der Kauf für den Kunden besonders wichtig ist, weil er
mit einem hohen Maß an Risiko verbunden ist, wie beispielsweise der Kauf ei-
ner Immobilie. Diese komplexeren Prozesse der Informationsaufnahme und -
verarbeitung erfordern eine entsprechende Aktiviertheit, die durch immer wie-
derkehrende Reize aufrechterhalten werden muss, bis es zur Kaufentscheidung
kommt. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass der Prozess frühzeitig unterbro-
chen wird und es nicht zum Kauf kommt.
19
19
Vgl. Bänsch A. (1996), S. 18.

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
8
2.3 Aktivierung im Kontext der Altersvorsorgeproblematik
Es wird angenommen, dass die Altersvorsorge eine extensive Kaufentschei-
dung ist, zu der die Bevölkerung aktiviert werden muss. Diese Kaufentschei-
dung ist aber eine Investition, über deren Höhe und Gültigkeit im Laufe eines
Erwerbslebens immer wieder neu disponiert werden kann und muss. Aus streng
aktivierungstheoretischer Sicht erfolgt die Aktivierung über die verschiedenen
Reize, die dann zu den komplexeren kognitiven Prozessen führen. In dieser
Arbeit soll die Aktivierung so verstanden werden, dass eine optimale Aktivie-
rung ein Vorgang ist, der das Ziel hat, die Bevölkerung nicht nur prinzipiell zur
Altersvorsorge zu bewegen, sondern auch in ausreichendem Maße und über
die gesamte Erwerbsphase betrachtet. Die Bedeutung der Aktivierung wird folg-
lich auf den kompletten Verhaltensprozess bezüglich der Altersvorsorge erwei-
tert und nicht nur der Aktivierungsreiz betrachtet, der letztlich zur Unterschrift
des Vorsorgevertrags führt. Nur so ist es möglich, die Ursachen für die man-
gelnde Aktiviertheit zu analysieren.
Der Altersvorsorgeprozess ist grundsätzlich der Entscheidungsprozess der In-
dividuen zwischen Konsum und Sparen. Es ist also primär eine Aktivierung zum
Sparen notwendig und innerhalb der Kategorie des Sparens muss das Indivi-
duum zum Altersvorsorgesparen aktiviert werden. Die Aktivierung im engeren
Sinne ist dabei genau so bedeutend wie die darauf folgenden Prozesse. Es sind
also nicht nur die unmittelbaren Reizeinwirkungen entscheidend, sondern auch
die Denkprozesse und bereits vorhandenen Einstellungen des Individuums, die
eine entscheidende Rolle während des Prozesses spielen.
Die Aktivierung betrifft aber nicht alle Arten der Altersvorsorge. Da die gesetzli-
che Rentenversicherung verpflichtend und deren Beitragshöhe
20
fix ist, stehen
im weiteren Fokus der Arbeit diejenigen Formen der Altersvorsorge, die abhän-
gig von der Initiative des Versicherten sind. Diese betreffen die staatlich unter-
stützten Formen der Altersvorsorge wie die Riester-Rente und die betriebliche
Altersvorsorge so wie die rein privaten Formen der Altersvorsorge.
20
Der Beitrag zur GRV liegt seit 2003 bei 19,5 % des Bruttojahresentgelts bzw. der Beitrags-
bemessungsgrenze von derzeit 62.400 Euro; vgl. o.V. (2007j).

Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge: Ursachenanalyse und kritische Beurteilung
9
3 Ursachenanalyse des Aktivierungsproblems
Im folgenden Teil der Arbeit werden die unterschiedlichen Ursachen des Akti-
vierungsproblems untersucht. Die Analyse geht dabei zunächst auf die Finanz-
kraft der Hauhalte ein, bevor grundsätzlich psychologische Ursachen heraus-
gearbeitet werden. Diese werden von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst,
die Teil der anschließenden Ausführungen sind. Die Vorgehensweise, vom
Blick auf das Individuum zur Betrachtung des Individuums im gesellschaftlichen
Zusammenhang, soll ein umfassendes Verständnis des Aktivierungsproblems
vermitteln.
3.1 Schwache Finanzkraft als Ursache des Aktivierungsprob-
lems
Die widersprüchliche Situation, dass auf der einen Seite das Wissen über das
mangelnde Vorsorgeengagement vorhanden ist und auf der anderen Seite
nichts dagegen getan wird, führt zunächst zu der Annahme, dass die deutsche
Bevölkerung trotz des Bewusstseins finanziell nicht in der Lage zu sein scheint,
ausreichend vorzusorgen. Dazu wird der Fokus auf das wirtschaftliche Verhal-
ten der Haushalte gerichtet. Egal ob Single- oder Familienhaushalt, jeder ver-
fügt über ein bestimmtes Einkommen, über dessen Verwendung entschieden
werden muss. Bei den Ausgaben gibt es, wirtschaftlich betrachtet, den Bereich
des autonomen Konsums. Das ist der Teil des Konsums, den die Haushalte
unabhängig von der Höhe des Einkommens tätigen.
21
Er dient im Wesentlichen
zur Deckung der Grundbedürfnisse des Haushalts. Ist die Differenz aus verfüg-
barem Haushaltseinkommen und autonomen Konsum positiv, so steht ein freier
Betrag zur Disposition. Die Haushalte stehen dann vor der Entscheidung, ob
der Betrag für Konsum- oder für Sparzwecke verwendet werden soll. Geht man
von streng rationalem Verhalten der Haushaltsmitglieder aus, dann werden sie
gemäß dem ökonomischen Prinzip versuchen, aus dem verfügbaren Betrag
den maximalen Nutzen zu erreichen.
22
Dabei werden alle möglichen Informatio-
nen herangezogen und die Entscheidungsalternativen auf Wirtschaftlichkeit hin
geprüft, bevor die subjektiv vernünftigste ausgewählt wird. Da der Informations-
21
Vgl. Mussel G. (2004), S. 71.
22
Vgl. Hamm R. (2001), S. 94.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836605786
DOI
10.3239/9783836605786
Dateigröße
2.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Heidenheim, früher: Berufsakademie Heidenheim – Wirtschaft, Bank
Erscheinungsdatum
2007 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
private altersversorgung verbraucherverhalten aktivierungstheorie mentale buchführung riesterrente finanzkraft
Zurück

Titel: Das Aktivierungsproblem der Bevölkerung bei der Altersvorsorge
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
60 Seiten
Cookie-Einstellungen