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Politik im Vorfeld von Irak-Krieg und Zweitem Makedonischen Krieg

Ein historischer Vergleich zwischen den USA und der Römischen Republik

©2007 Magisterarbeit 146 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Historisch vergleichende Analysen sind selten [...] In einer jungen Disziplin wie der vergleichenden Policy-Forschung ist dem Fortschritt der Wissenschaft am besten gedient, wenn man viel Platz für Experimente und Innovation schafft.“ Manfred G. Schmidt.
„Sehr unterschiedliche Systeme zu vergleichen, hat auf der Entscheidungsebene nicht viel Sinn. Ein Vergleich, wie unterschiedliche Länder ein ähnliches Politikresultat mit unterschiedlichen Instrumenten [..] erreichten, kann hingegen außerordentlich fruchtbar sein.“ Klaus von Beyme.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht analog dem antiken Rom und ein Vergleich ist keine Gleichstellung. Vielmehr geht ein wissenschaftlicher Vergleich zunächst von der inhaltlichen Verschiedenartigkeit der beobachteten Objekte aus, bevor er überhaupt in der Lage ist, Parallelen nachzuweisen.
In dieser Arbeit sollen die außenpolitischen Inhalte des politischen Systems der USA hinsichtlich des Iraks untersucht werden. Der Zeitrahmen reicht dabei vom 11.September 2001 bis zum 1. Mai 2003, also von den Terroranschlägen auf New York und Washington bis zum offiziellen Ende der Hauptkampfhandlungen des Irak-Krieges. Die dortigen zu findenden politischen Inhalte stehen im Vergleich zu den außenpolitischen Inhalten der Römischen Republik hinsichtlich Makedonien. Hierbei liegt das Augenmerk auf den Jahren 202 bis 197 v. Chr., also vom Ende des Zweiten Punischen Krieges bis zum Ende des Zweiten Makedonischen Krieges. Vor allem geht es dabei um die verfolgten Policies, die im Vorfeld der beiden Kriege zu deren jeweiliger Entstehung beitrugen.
Anschließend an diese Einleitung wird zuerst auf die Konzeption und die Fragestellung der Arbeit eingegangen, dann auf die theoretischen Vorüberlegungen zum Thema, die Quellenlage und die Untersuchungsobjekte, die anzuwendenden Arbeitsmethoden sowie das einzusetzende Analyseverfahren. Danach wird im Kapitel I der Arbeit immer konzentrierter zu beweisen sein, warum ein Vergleich erstens zwischen Moderne und Antike, zweitens konkreter zwischen den USA und der Römischen Republik und drittens ganz konkret zwischen dem Irak-Krieg und dem Zweiten Makedonischen Krieg überhaupt machbar und gleichzeitig auch sinnvoll und relevant ist.
Während die ersten beiden Punkte dabei die hier notwendigen unabhängigen Variablen für die folgenden Untersuchungen erarbeiten, beschäftigt sich der dritte mit der ähnlichen Krisensituation und der Anwendung einer […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Martin Weiß
Politik im Vorfeld von Irak-Krieg und Zweitem Makedonischen Krieg ­ Ein historischer
Vergleich zwischen den USA und der Römischen Republik
ISBN: 978-3-8366-0475-8
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Deutschland, Magisterarbeit,
2007
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http://www.diplom.de, Hamburg 2007
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Bei allen Dingen liegt der letzte Maßstab für die Beurteilung nicht in den Hand-
lungen selbst, sondern in den Motiven und Absichten der Handelnden.
Polybios

3
Danksagung
Der Dank des Autors richtet sich an alle gesellschaftlichen und politischen Akteu-
re, die 1989/1990 die Wiedervereinigung Deutschlands möglich machten. Ohne
sie wäre es dem Autor, einem damals zehnjährigen Thälmannpionier der
sozialistischen DDR, nicht möglich gewesen, ein Jahrzehnt später in einem
wirklich demokratischen Staat die ideologiefreien Wissenschaften der Politologie
und der Historik kennen- und lieben zu lernen. Diese mutigen Männer und
Frauen ermöglichten ihm als die erste Ursache das Studium dieser Zweige der
Geisteswissenschaften.
Innerhalb dieses Studiums gebührt der besondere Dank Herrn Prof. Dr.
Everhard Holtmann, welcher seit der ersten besuchten Vorlesung seitens des
Autors mit Fachwissen und objektivem Wissenschaftsverständnis bei diesem die
Begeisterung für die Beschäftigung mit der Politik immer weiter verstärkte. Au-
ßerdem nahm er das vielleicht nicht ganz alltägliche, interdisziplinäre Thema
dieser Magisterarbeit als Betreuer an und untersützte den Autor mit Rat und Tat
bei dessen Ausarbeitung. Weiterer Dank gilt Herrn Dr. Christian Mileta, welcher
sich nur kurz nach seiner eigenen Habilitation bereit erklärte, die nun vorliegende
Arbeit von der Seite der Althistoriker zu betreuen und zu unterstützen. Im Vorfeld
half sein Zuspruch und sein Fachwissen, dass sich der Autor an die Ausarbei-
tung des Themas dieser Magisterarbeit wagte.
Ein besonderer Dank gilt den Eltern des Autors, ohne deren Unterstützung
dieser wohl nicht den schließlich gewählten Bildungsweg hätte einschlagen
können. Seiner Mutter, Frau Sybille Weiß, dankt er für ihre mannigfaltige Unter-
stützung bis zum Ende seines Studiums und im Speziellen für das Korrekturlesen
zahlreicher schriftlicher Arbeiten, diese Magisterarbeit ist dann wohl die letzte.
Seinem Vater, Hans-Joachim Weiß, dankt er ebenfalls für dessen ununterbro-
chene Unterstützung.
Dank gilt gleichwohl dem Internet, jener beinahe unvorstellbaren und nicht
mehr konkret lokalisierbaren Informationsquelle, ohne welche sich die benötigten
Untersuchungsgegenstände für den Autor wohl so nicht erschlossen hätten.
Und, last but not least, gebührt der Dank des Autors, ohne hier Anzeichen
schizophrener Zustände erkennen zu lassen, ihm selbst. Denn letzendlich war er
es, welcher diese Arbeit niederschrieb und letzendlich die vollständige Verant-
wortung für die Fehler und Schwächen derselben zu tragen hat.

5
Gliederung:
1.
Vorwort... 7
2.
Einleitung... 8
2.1.
Konzeption und Fragestellung... 9
2.2.
Theoretische Überlegungen ... 11
2.3.
Quellenlage - Untersuchungsobjekte ... 12
2.4.
Methoden ... 13
KAPITEL I ­ DIE RAHMENBEDINGUNGEN... 15
1.
Antike und Moderne... 15
2.
USA und Römische Republik ... 19
2.1.
Das politische System ... 22
2.1.1.
Analyseverfahren... 22
2.1.2.
USA ... 23
2.1.3.
Römische Republik... 25
2.1.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 26
2.1.5.
Zusammenfassung: Senat / Präsident = Senat / Konsul? ... 27
2.2.
Die Gesellschaft... 28
2.2.1.
Analyseverfahren... 28
2.2.2.
USA ... 28
2.2.3.
Römische Republik... 30
2.2.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 33
2.2.5. Zusammenfassung:
American Dream = Mos maiorum?... 34
2.3.
Die Wirtschaft... 35
2.3.1.
Analyseverfahren... 35
2.3.2.
USA ... 36
2.3.3.
Römische Republik... 37
2.3.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 40
2.3.5.
Zusammenfassung: Wall Street = Latifundien? ... 40
2.4.
Zusammenfassung: Moderne Demokratie = Antike Republik? ... 41
3.
Irak-Krieg und Zweiter Makedonischer Krieg ... 42
3.1.
Analyseverfahren... 42
3.2.
Irak-Krieg ... 43
3.2.1.
Vorgeschichte und Kontext... 43
3.2.2.
Ablauf... 45
3.2.3.
Krisensituation ... 46
3.3.
Zweiter Makedonischer Krieg ... 48
3.3.1
Vorgeschichte und Kontext... 48
3.3.2. Ablauf... 50
3.3.3. Krisensituation ... 51
3.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 52
3.5.
Zusammenfassung: 2003 n.Chr. = 200 v. Chr.? ... 54
4.
Außenpolitischer Entscheidungsprozeß in einer Krisensituation... 55
4.1.
Analyseverfahren... 55
4.2.
USA... 56
4.3.
Römische Republik... 58
4.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 60
4.5.
Zusammenfassung: US-Krisenpolitik = Römische Krisenpolitik?... 61
5.
Pax ­ Definitionen und Konzepte ... 62
5.1. Analyseverfahren... 62
5.2.
Pax Americana ... 63

6
5.3.
Pax Romana ... 65
5.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 66
5.5.
Zusammenfassung: Pax Americana = Pax Romana?... 67
6.
Zusammenfassung Kapitel I ... 69
KAPITEL II ­ DIE POLITISCHEN INHALTE... 71
1.
Analyseverfahren... 71
2.
Die Politikursachen... 72
2.1.
Analyseraster... 72
2.2.
USA ­ Die Neokonservativen und 9/11 ... 74
2.3.
Römische Republik ­ Hannibal und Nachrichten vom Osten... 76
2.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 78
3.
Die Politikformulierung ... 79
3.1.
Analyseraster... 79
3.2.
USA ­ Saddam Hussein bedroht Amerika ... 80
3.3.
Römische Republik ­ Philipp V. geht zu weit ... 84
3.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 88
4.
Die Politikdurchführung ... 92
4.1.
Analyseraster... 92
4.2.
USA ­ NSS, UNO und AH-64... 93
4.3.
Römische Republik ­ Zenturien, Legaten und Trieren... 99
4.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 106
5.
Die Politikwirkung... 110
5.1.
Analyseraster... 110
5.2.
USA ­ GIs in Bagdad und vier weitere Jahre im Weißen Haus ... 111
5.3.
Römische Republik - Friedensbringer und Schiedsrichter ... 113
5.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 115
6.
Verhältnis Ziele ­ Mittel ... 117
6.1.
Analyseraster... 117
6.2.
Sieg! Und was kommt danach?... 118
6.3.
Die Legionen vom Tiber... 120
6.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 122
7.
Zusammenfassung: Does polity matter? ... 123
8.
Die Kriege als Wegpunkte einer Pax... 125
8.1.
Analyseverfahren... 125
8.2.
Irak-Krieg Pax Americana ... 125
8.3.
Zweiter Makedonischer Krieg Pax Romana... 126
8.4.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten ... 127
8.5.
Zusammenfassung: Die USA auf dem Weg zum neuen Rom? ... 128
SCHLUßBETRACHTUNG... 131
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 133
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ... 135

7
1. Vorwort
,,Um die Absicht des Pol-Mil-Plans [politisch-militärischer Plan, A.A.] für al-
Qaida auszudrücken, griff ich auf einen Satz von Cato dem Älteren zurück,
dem römischen Senator und berühmten Redner, der im Jahr 201 v.Chr. ge-
gen Ende des 2. Punischen Krieges die Stimmung anheizte und jede Rede
mit dem Satz »Karthago muss zerstört werden« beendete, lateinisch: »Cete-
rum censeo, Carthaginem esse delendam.« Als der Pol-Mil-Plan verteilt wur-
de, kennzeichnete man ihn mit »Top Secret Delenda«."
1
Richard A. Clarke
Dieser Satz, des von 1998 bis 2003 unter Bill Clinton und George W. Bush als
,,Nationaler Koordinator für Sicherheit, Infrastruktur und Antiterrorpolitik" dienen-
den Richard A. Clarke, war der auslösende Impuls, die folgende Arbeit niederzu-
schreiben. Durch ihn enstand bei dem Autor dieser Arbeit die gedankliche Ver-
bindung zwischen der amerikanischen Außenpolitik am Anfang des dritten Jahr-
tausends und der römischen Außenpolitik an der Wende vom dritten zum zweiten
vorchristlichen Jahrhundert. Darüber hinaus weckte er das Erkenntnisinteresse,
sich eingehender mit diesem Thema zu beschäftigen. Schon bald traten dem
Autor vor sein geistiges Auge mannigfaltige Parallelen zwischen den Ereignissen
seit dem 11. September und jenen, als Rom zum Sprung zur Herrschaft über den
Mittelmeerraum ansetzte. Die Verbindung der USA mit dem antiken Rom ist
dabei kein neuer Ansatz. Doch fragte sich der Autor, durch sein Studium der
Politikwissenschaft wie der Geschichtswissenschaft gleichwohl mit einem Faible
für das antike Weltreich Rom wie für die moderne Weltmacht Amerika ausgestat-
tet, was sich wohl herausfinden läßt, wenn man die inhaltlichen Dimensionen der
Politik beider Systeme vergleichen würde. Mit dazu bei trug außerdem das
generelle Interesse an historischen Politikvergleichen, welche zwar in der heuti-
gen Welt populär zu sein scheinen, doch in ihrer großen Anzahl wissenschaftli-
chen Kriterien nicht standzuhalten in der Lage sind. Die folgende Magisterarbeit
stellt nun die Essenz der eingehenderen Beschäftigung mit den politischen
Inhalten der beiden gleichzeitig so entfernt wie nahe stehenden Systeme USA
und Römische Republik dar.
1
Clarke: 2004, S. 257.

8
2. Einleitung
,,Historisch vergleichende Analysen sind selten [...] In einer jungen Disziplin
wie der vergleichenden Policy-Forschung ist dem Fortschritt der Wissen-
schaft am besten gedient, wenn man viel Platz für Experimente und Innovati-
on schafft."
2
Manfred G. Schmidt
,,Sehr unterschiedliche Systeme zu vergleichen, hat auf der Entscheidungs-
ebene nicht viel Sinn. Ein Vergleich, wie unterschiedliche Länder ein ähnli-
ches Politikresultat mit unterschiedlichen Instrumenten [..] erreichten, kann
hingegen außerordentlich fruchtbar sein."
3
Klaus von Beyme
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht analog dem antiken Rom und ein
Vergleich ist keine Gleichstellung. Vielmehr geht ein wissenschaftlicher Vergleich
zunächst von der inhaltlichen Verschiedenartigkeit der beobachteten Objekte
aus, bevor er überhaupt in der Lage ist, Parallelen nachzuweisen.
4
In dieser Arbeit sollen die außenpolitischen Inhalte des politischen Systems
der USA hinsichtlich des Iraks untersucht werden. Der Zeitrahmen reicht dabei
vom 11.September 2001 bis zum 1. Mai 2003, also von den Terroranschlägen
auf New York und Washington bis zum offiziellen Ende der Hauptkampfhandlun-
gen des Irak-Krieges. Die dortigen zu findenden politischen Inhalte stehen im
Vergleich zu den außenpolitischen Inhalten der Römischen Republik hinsichtlich
Makedonien. Hierbei liegt das Augenmerk auf den Jahren 202 bis 197 v. Chr.,
also vom Ende des Zweiten Punischen Krieges bis zum Ende des Zweiten Ma-
kedonischen Krieges. Vor allem geht es dabei um die verfolgten Policies, die im
Vorfeld der beiden Kriege zu deren jeweiliger Entstehung beitrugen.
Anschließend an diese Einleitung wird zuerst auf die Konzeption und die
Fragestellung der Arbeit eingegangen, dann auf die theoretischen Vorüberlegun-
gen zum Thema, die Quellenlage und die Untersuchungsobjekte, die anzuwen-
denden Arbeitsmethoden sowie das einzusetzende Analyseverfahren. Danach
wird im Kapitel I der Arbeit immer konzentrierter zu beweisen sein, warum ein
Vergleich erstens zwischen Moderne und Antike, zweitens konkreter zwischen
den USA und der Römischen Republik und drittens ganz konkret zwischen dem
Irak-Krieg und dem Zweiten Makedonischen Krieg überhaupt machbar und
gleichzeitig auch sinnvoll und relevant ist. Während die ersten beiden Punkte
dabei die hier notwendigen unabhängigen Variablen für die folgenden Untersu-
chungen erarbeiten, beschäftigt sich der dritte mit der ähnlichen Krisensituation
2
Schmidt, Manfred G.: Vergleichende Policy-Forschung, in: Berg-Schlosser / Müller-
Rommel (Hrsg.): 1997, S. 207 ­ 221 (219/220).
3
Beyme: 1988, S. 336.
4
Vgl. Beyme: 1998, S. 50 f.

9
und der Anwendung einer Krisenbewältigungspolitik, welche wesentlich für den
Nachweis vergleichbarer Rahmenbedingungen und damit für die Relevanz des
vorzunehmenden Vergleiches sind. Im Anschluss folgt eine Einführung in die
Materie der Definitionen und Konzepte der Pax-Begriffe, also jener Gesichts-
punkt, der stets über den eigentlichen Feldanalysen schweben wird, und für
welchen die Ergebnisse jener im zu erwartenden Falle eine Wissensvermehrung
ermöglichen sollen. In Kapitel II der Arbeit erfolgen die beiden eigentlichen In-
haltsuntersuchungen und deren Vergleich anhand eines zuvor bei jedem Unter-
punkt erstellten Analyserasters. Eingegangen wird dabei auf die Ursachen, die
Formulierungen, die Durchführungen und die Wirkungen der Policies sowie
deren inhärentes Verhältnis von Zielen und Mitteln. Der Policy-Cycle im gesam-
ten Umfang wird untersucht. Um den gedanklichen Rahmen wieder zu schließen,
werden danach die dort festgestellten Ergebnisse in die Pax-Konzepte eingeord-
net und verglichen. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung der
Ergebnisse.
2.1. Konzeption und Fragestellung
Diese Arbeit ist konzipiert als Politikfeldanalyse, und zwar in zweifacher Hinsicht.
Sie untersucht das jeweils gleiche Politikfeld in zwei verschiedenen Systemen.
Dabei ist sie dem Bereich der vergleichenden Policy-Forschung zuzurechnen.
Das jeweils zu untersuchende Politikfeld stellt die Außenpolitik dar. Es geht in
diesem um die politischen Inhalte (Policies) in zwei politischen Systemen jeweils
innerhalb bestimmter Zeitabschnitte und unter bestimmten Rahmenbedingungen.
Und der Fokus liegt auf deren Vergleich mit Hilfe einer situationsbezogenen
Analyse, nicht um generelle Aussagen zu der Außenpolitik der USA und der
Römischen Republik.
Die Hauptthese lautet, dass sich das politische Handeln und die daraus resul-
tierenden politischen Inhalte auf dem Feld der Außenpolitik in zwei so unter-
schiedlichen politischen Systemen wie den heutigen Vereinigten Staaten von
Amerika und der antiken Römische Republik unter gewissen ähnlichen Rahmen-
bedingungen in einer Krisensituation einander annähern. Zwei Systeme, auf der
einen Seite die heute älteste Demokratie, auf der anderen eine eindeutig aristo-
kratisch dominierte antike Republik, kommen unter gewissen Bedingungen zu
ähnlichen Politikinhalten und -resultaten. Die verschiedenen Systeme ergeben in
einem bestimmten Fall kurzfristig wenig Unterschiede bei den Inhalten. Somit
legen die beiden, die zwar, wie aufzuzeigen sein wird, in einzelnen Punkten

10
strukturell ähnlich, aber insgesamt dennoch weit auseinander liegenden unter-
schiedlichen politischen Systeme, in einer vergleichbaren Krisensituation eine
vergleichbare, ja sogar ähnliche Handlungslogik in einem bestimmten Politikfeld,
nämlich der Außenpolitik, an den Tag. An dem Feld der Außenpolitik interessie-
ren hierbei das Zustandekommen der Policy im und die Wirkungen primär auf
das jeweilige System selbst und sekundär auf die äußeren Akteure.
Es wird im ersten Kapitel begründet, dass die Vereinigten Staaten von Ameri-
ka und die antike Römische Republik in ihrem Handeln weder völlig identisch
noch völlig unterschiedlich sind, eine wesentliche Voraussetzung für die An-
wendbarkeit eines Vergleiches.
5
Weiterhin wird bewiesen, dass wir es mit einer
vergleichbaren Krisensituation und einer daraus resultierenden Krisenbewälti-
gungspolitik zu tun haben. Im zweiten Kapitel werden dann direkt die Policies
untersucht und verglichen.
Aus dieser Untersuchung wird dann weitergehend beantwortet werden, ob
die politischen Inhalte auch vergleichbare Resultate erbringen, namentlich hin-
sichtlich einer zu errichtenden Pax. Die einzelnen Fragen, die sich daraus erge-
ben und im Laufe dieser Arbeit beantwortet werden, stellen sich wie folgend dar:
· Warum und wann ist ein Vergleich von modernen mit antiken Strukturen
überhaupt möglich, sinnvoll und gewinnbringend? (Kapitel I 1.)
· Warum und wann ist ein Vergleich zwischen den modernen Vereinigten
Staaten von Amerika und der antiken Römischen Republik überhaupt möglich
und auch sinnvoll? (Kapitel I 2.)
· Welche Typen politischer Systeme werden verglichen? (Kapitel I 2.1.-2.4.)
· Inwieweit lässt sich eine ähnlich gelagerte Krisensituation / Krisenbewälti-
gungspolitik im Vorfeld von Irak-Krieg bzw. Zweiten Makedonischen Krieg
nachweisen? (Kapitel I 3.)
· Wo liegen die grundlegenden Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten der
beiden Systeme hinsichtlich außenpolitischer Entscheidungen in einer Kri-
sensituation? (Kapitel I 4.)
· Welche politischen Inhalte werden jeweils im Vorfeld und während der zwei
Kriege warum, wann, wie, durch wen, zu welchem Zweck, mit welchen Zielen
und mit welchen Mitteln formuliert und durchgeführt? (Kapitel II 2.-4.)
· Auf welche Weise und unter welchen Handlungszwängen und ­grenzen
bestimmt dabei jeweils die Politik (im Sinne von Polity und Politics) die Politik
(im Sinne von Policy)? (Kapitel II 2.-4.)
5
Vgl. Sartori: 1970, S. 1035.

11
· Welche bewussten und unbewussten Wirkungen entfalten diese Inhalte im
jeweiligen politischen System? (Kapitel II 5.)
· In welchen Verhältnissen stehen die jeweils angestrebten Ziele zu den ver-
wendeten Mitteln? (Kapitel II 6.)
· Welche Parallelen und Unterschiede lassen sich jeweils daraus folgend
zwischen den zwei Fallstudien nachweisen? (Kapitel II 2.-6.)
· Does Polity matter? (Kapitel II 7.)
· Welche Bedeutungen haben die Policies hinsichtlich einer Pax? (Kapitel II 8.)
2.2. Theoretische Überlegungen
Die gesamte Analyse orientiert sich logischerweise an den hierfür relevanten
Theorien der Politikwissenschaft. Naheliegend sind dies, da die Außenpolitik
behandelt wird, jene der Internationalen Beziehungen. Die rein realistische oder
idealistische Betrachtungsweise beider Kriege macht wenig Sinn, vielmehr ist
eine Kombination beider Denkansätze angebracht. Sowohl beim Irak-Krieg als
auch beim Zweiten Makedonischen Krieg ging es zwar primär um Machtfragen,
jedoch nicht in ihrer reinen Form. Vielmehr spielten bei beiden auch Fragen nach
Regeln und Werten besondere Rollen. Das politische Handeln der Amerikaner
wie das der Römer erfolgte sowohl nach wertrationalen wie auch zweckrationa-
len Überlegungen. Des Weiteren haben wir es in beiden Fällen mit einer Ver-
schränkung von Weltpolitik, Regionalpolitik und Innenpolitik zu tun. Neben den
Theorien der Internationalen Beziehungen spielen jedoch insbesondere system-
theoretische Betrachtungen eine bedeutende Rolle, da der Kern der Untersu-
chung die politischen Inhalte betrifft. Der Hauptfokus liegt auf der Entstehung,
Formulierung und Durchführung außenpolitischer Inhalte in den Systemen selbst.
Die USA als quasi der Prototyp eines präsidentiellen Regierungssystems steht
dabei der klassischen römischen Republik gegenüber, überliefert als die ideale
Verbindung monarchischer, oligarchischer und demokratischer Verfassungsele-
mente.
6
Da die drei üblichen Untersuchungsphasen Politikformulierung, Politikdurch-
führung und Politikwirkung bei einer Inhaltsanalyse der Außenpolitik in ihrer
6
Zur USA als Prototyp eines präsidentiellen Regierungssystem vgl. Brunner: 1979, S.
149 ff., 259 ff.; Steffani: 1979; Fraenkel: 1981, S. 242 ff., zum Mischverfassungscha-
rakter der römischen Republik vgl. Polybios 6.11-18., Riklin: 2006, S. 73 ff.; Grae-
ber: 1965.

12
Reinform zu wenig produktiv sind, kommt neben diesen Phasen dem Verhältnis
zwischen Zielen und Mitteln eine besondere Bedeutung zu.
7
2.3. Quellenlage - Untersuchungsobjekte
Der Irak-Krieg liegt beim Verfassen dieser Arbeit nur reichlich drei Jahre zurück,
der Zweite Makedonische Krieg über 2.200 Jahre. Die Vereinigten Staaten von
Amerika sind ein heute existierender Staat, die Römische Republik als Staats-
form endete vor gut 2.000 Jahren mit dem Übergang zum Prinzipat. Dies wirkt
sich natürlich auf die zur Verfügung stehenden Quellen aus. Untersuchungsge-
genstände dieser Arbeit sind sowohl primäre Quellen als auch Sekundärliteratur.
Während wir über das politische System der USA und ihr Engagement im Irak
eine nahezu unüberschaubare Anzahl an wissenschaftlichen und öffentlichen
Informationen und Publikationen finden, ist die Lage bei Rom, gerade was primä-
re Quellen angeht, doch schon sehr eingeschränkt. Und finden sich auch gerade
für die USA zahlreiche wissenschaftlich erhobene Datensätze z.B. mit Umfrage-
ergebnissen, so stehen uns solche doch für das zweite Jahrhundert vor Christus
nicht zur Verfügung. Somit muss sich ein wissenschaftlicher Vergleich dieser
zwei Objekte, will er denn seriös sein, an der divergierenden Quellenlage und
deren Auswertung orientieren.
8
Die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Politikwis-
senschaft werden dabei ergänzt durch jene der Historik. Neben ausgewählten
Werken der Sekundärliteratur finden sich als primäre Quellen zu den USA und
dem Irak-Krieg zahlreiche Dokumente, Erlasse und Reden der staatlichen wie
nicht-staatlichen involvierten Akteure.
9
Wichtig ist hier neben anderen vor allem
die Nationale Sicherheitsstrategie des Jahres 2002. Die Hauptquelle für den zu
untersuchenden Abschnitt der römischen Geschichte und zur Verfassung der
Römischen Republik allgemein ist das Werk des Polybios aus dem zweiten
Jahrhundert vor Christus.
10
Dazu kommt die spätere Darstellung der römischen
Geschichte des Titus Livius.
11
Über den Aufbau des römischen Staates finden wir
7
Vgl. Dittgen: 1998, S. 43 ff.
8
Zur Römischen Republik vgl. Demandt: 1995: S. 382 ff., Bleicken: 1995, S. 288 ff.
9
Eine wertvolle Quellensammlung mit sämtlichen Reden aller amerikanischer
Präsidenten stellt ,,The American Presidency Project" dar, unter:
http://www.presidency.ucsb.edu.
10
Hier werden verwendet die Polybios-Ausgaben von Drexler: 1978/79; Scott-Kilvert /
Walbank: 1979; Eisen: 1973.
11
Hier werden verwendet die Livius-Ausgaben von Hillen: 1997; Briscoe: 1991; Feix:
1981; Feger: 1981.

13
weiterhin in Ciceros Schriften eine fundierte Untersuchungsgrundlage.
12
Über
bestimmte involvierte römische Akteure berichtet in Biographien Plutarch, eine
weitere reichhaltige Quelle.
13
2.4. Methoden
Die anzuwendende Methode stellen zwei anzufertigende Fallstudien und deren
Vergleich anhand eines vor jedem Unterpunkt aufgestellten Analyserasters dar.
Die Vergleichsachse verläuft dabei stets entlang eines kombinierten Quer- und
Längsschnittes. Es werden zwei Systeme verglichen, die sowohl zeitlich als auch
räumlich voneinander getrennt sind. Dies sind namentlich die Vereinigten Staa-
ten von Amerika der Jahre 2002/2003 und die klassische Römische Republik um
das Jahr 200 vor Christus. Zuerst werden die unabhängigen Variablen der Politik
bestimmt und gegenübergestellt, die strukturellen und prozessualen Rahmenbe-
dingungen (Polity / Politics), unter welchen die späteren Inhaltsanalysen ablau-
fen. Diese Rahmenbedingungen setzen sich zusammen aus dem jeweiligen
politischen System, der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Merkmale jener,
der Vorgeschichte und dem Ablauf der beiden Kriege mit der jeweiligen Krisensi-
tuation und der für die Außenpolitik in einer solchen Situation relevanten System-
teile und ihrer Funktionsweise. Auch wird auf die übergeordneten Pax-Begriffe
eingegangen werden. Bei der Festlegung dieser Rahmenbedingungen erfolgt
logischerweise schon eine bewusst vollzogene Selektion und Heraushebung für
die politischen Inhalte (Policies) relevanter Punkte. Denn auf diese politischen
und sozioökonomischen Rahmenbedingungen bauen die zwei eigentlichen
inhaltlichen Analysen auf. Dort werden die vorher definierten abhängigen Variab-
len untersucht, die Policies. Die kausalen Zusammenhänge bei den politischen
Inhalten innerhalb der beiden Systeme bestimmten das Erkenntnisinteresse.
14
Die beiden Fallstudien sind dabei stets nicht getrennt voneinander zu be-
trachten, sondern gerade der stetige Vergleich beider dient dem Hauptziel der
Arbeit, die These nach einer Annäherung der US-amerikanischen Politik an die
der antiken Römischen Republik in einem gewissen Extremfall zu beweisen.
12
Hier werden verwendet die Cicero-Ausgaben von Fuhrmann: 2000; Nickel (Hrsg.):
1994; Brückner (Hrsg.): 1994 / 1993; Karsten (Hrsg.): 1965.
13
Hier wird verwendet die Plutarch-Ausgabe von Ziegler: 1980.
14
Vgl. Beyme: 1988, S. 53 f.

15
Kapitel I ­ Die Rahmenbedingungen
1.
Antike und Moderne
,,But in truth all historians without exception, one may say, have made this
claim the be-all and end-all of their work: namely that the study of history is at
once an education in the truest sense and a training for political career, and
that the most infallible, indeed the only method of learning how to bear with
dignity the vicissitudes of Fortune is to be reminded of the disasters suffered
by others."
15
Polybios
Zunächst einmal ist zu klären, welche Vorteile historische Politikvergleiche bieten
können, die moderne und antike Strukturen zum Thema haben, aber auch,
welche immanenten Schwierigkeiten zu beachten sind. Dieses ist zum einen
notwendig für die folgenden Untersuchungen, aber gleichzeitig soll es auch als
nützliche Anregung insgesamt für solch historische Politikvergleiche dienen.
Die Rezeption der Antike und der Vergleich ihrer einstigen Strukturen mit den
jeweils gegenwärtigen ist nicht neu, sondern zieht sich sowohl über 1.500 Jahre
europäischer Geschichte als auch über 400 Jahre amerikanischer Geschichte.
16
Während sich die Menschen im europäischen Mittelalter noch mannigfaltig in den
Traditionen antiker Wurzeln verankert fühlten, es sei hier nur an die Bedeutung
der lateinischen Sprache erinnert, und diesen überwiegend unwissend aber
stetig folgten, wandelte sich diese Rezeption mit der Renaissance.
17
Die Antike
wurde nun als abgeschlossene Epoche verstanden und, man denke nur an
Machiavellis Discorsi, zum Idealbild für die gegenwärtigen Zustände glorifiziert.
18
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts sprach man der Antike zunehmend ihren
uneingeschränkten Vorbildcharakter ab und betrachtete sie differenzierter. Sie
diente nun unter der Beachtung der gegenwärtigen Zustände als eingeschränkte
Ideenquelle, aber nicht mehr als die unumschränkte Lösungsvorlage. Mit dem
Einsetzen der Industrialisierung und dem Aufkommen der modernen Geschichts-
15
Polybios 1.1.
16
Zur Antike-Rezeption in Europa und Amerika vgl. zur kurzen Einführung Riecker:
2006, S. 17-37; Genauer zur Rezeption bis Ende des Mittelalters vgl. Dummer /
Kunze (Hrsg.): 1983, S. 3 ­ 300; Zur Rezeption in der Neuzeit in Europa vgl. ebd. S.
303 ­ 620; Buck/Heitmann (Hrsg.): 1983; Zur Rezeption in der Moderne in Europa
vgl. Weiler: 2004; Meyer: 2004, S. 33 ff.; Seidensticker/Vöhler (Hrsg.): 2001; Dum-
mer /Kunze (Hrsg.): 1983, S. 623 ­ 829; zur Rezeption in Amerika vgl. u.a. Bose:
1989; Urzidil: 1964.
17
Vgl. Demandt: 1995, S. 17.
18
Vgl. u.a. Machiavelli, Niccoló: Discorsi sopra la prima deca Tito Livio (Erörterungen
über die ersten zehn Bücher des Titus Livius) - Staat und Politik; Frankfurt am Main,
2000.

16
forschung unterlag der Vergleich mit antiken Strukturen abermals einer Korrek-
tur.
19
Die Unterschiede zwischen modernen und antiken Formen des menschli-
chen Zusammenlebens traten in den Mittelpunkt und die nun noch gezogenen
Vergleiche und die Berufung auf antike Muster gewannen teilweise an Absurdität.
Die wohl pervertierteste Form eines solchen Vergleiches findet sich dann auch in
dem Bezug Adolf Hitlers auf die Geschichte Roms als große ,,Lehrmeisterin".
20
Die vormals klassische Bildungstradition schwächte sich im 20. Jahrhundert
zunehmend ab, der Bezug auf die Antike geriet mit den ideologischen Auseinan-
dersetzungen im Kalten Krieg mehr und mehr in Vergessenheit. Nach dessen
Ende erfolgte dann aber eine Neubesinnung auf diese Methode. Denn durch die
nun einzigartige Machtstellung der USA auf der Welt als letzte verbliebene Su-
permacht begab sich die Wissenschaft auf die Suche nach einem vergleichbaren
Gebilde in der Menschheitsgeschichte und fand das über die Machtstellung am
besten vergleichbare in der westlichen Hemisphäre in dem antiken Römischen
Reich.
21
,,The reality [..] has come to pass: like it or not, America today is Rome,
committed irreversibly to the maintenance and, where feasible, expansion of
an empire that differs from every other empire in history."
22
Andrew Bacevich
Ein Vergleich moderner Strukturen mit solchen der Antike gehört noch lange
nicht in die ,,Rumpelkammer" der gegenwärtigen Forschungsmethoden, bietet er
doch unter genauen Prämissen immer noch einige gewichtige Vorteile. So stellen
zwar antike Strukturen nicht das heute zu erreichende ,,goldene" Idealbild dar,
liegen zwischen den heutigen und den einstigen Lebensumständen doch gewal-
tige Unterschiede in allen politischen und sozioökonomischen Bereichen. Doch
bieten antike Strukturen bei allen Unterschieden ein ,,neutrales" Vergleichsobjekt
für moderne Strukturen an, die doch zumindestens in der westlichen Hemisphäre
mehr oder weniger in der Tradition derselbigen stehen oder doch zumindestens
auf ihnen aufgebaut sind. Überlieferungen alter römischer und griechischer
Gedanken, Betrachtungen und Verwirklichungen auf politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Gebieten sind eben frei von heutigen aktuellen Einflüssen. Sie sind
resistent gegenüber schnelllebigen modernen Veränderungen und Strömungen.
19
Vgl. Riecker: 2006, S. 24 ff.
20
Vgl. Hitler, Adolf: Mein Kampf, München, 1937, S. 470; dazu Demandt, Alexander:
Hitler und die Antike in: Seidensticker/Vöhler: 2001, S. 136 ­ 157.
21
Genauer hierzu in Kapitel I 2.
22
Bacevich: 2002, S. 244.

17
Griechenland und Rom, die Entstehungsorte von Demokratie und Republik, zwei
mit der heutigen modernen westlichen Welt untrennbar verknüpften Struktur-
merkmalen, sind gleichzeitig weit entfernt und doch so nah an den heutigen
Zuständen. Sind die bestehenden Industriegesellschaften in einer sich globali-
sierenden Welt in vielerlei Hinsicht doch etwas völlig anderes als die antiken
Agrargesellschaften, lassen sich diese Unterschiede doch erst in einem Ver-
gleich vollends aufzeigen. Und die neuartigen Herrausforderungen an den Staat
als die grundlegende institutionelle Bedingung des menschlichen Zusammenle-
bens, gekennzeichnet durch die Prozesse der Entstaatlichung auf den Gebieten
der Politik, der Wirtschaft und Gesellschaft durch die Globalisierung, werfen
neuartige Fragen über die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Gesell-
schaft und Herrschaft, Selbstverständnis und Nation, Wirtschaft und Macht,
Freiheit und Kontrolle auf. Die Antike bietet uns mit ihren Strukturen eine Ver-
gleichsebene, auf der vor Jahrtausenden schon solche und ähnliche Fragen
diskutiert worden sind.
23
Der Staat an sich gehört wie die Geschichte selbst noch
lange nicht der Vergangenheit an, die Globalisierung nach westlichen Maßstab
bedeutet noch lange nicht die Manifestation der idealen Zustände menschlichen
Zusammenlebens. Von einem ,,Ende der Geschichte" und deren Lehren für
gegenwärtige Strukturen und Situationen, anzustellen in seriösen Vergleichen, zu
reden, ist es heute genau wie beim antiken ,,Weltstaat" Rom in der Spätantike zu
verfrüht.
24
Vielmehr bieten historische Vorgänge und Systeme weiterhin notwen-
dige Vergleichsobjekte für die heutige Zeit an.
,,In kritischer Absicht fragen wir nach den Voraussetzungen unserer staatli-
chen Systeme, suchen wir die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und
Recht, Wirtschaft und Macht an anderen historischen Gebilden, um sie bei
uns zu erkennen. Die Antike bietet uns Erklärungen und Vergleiche ­ beides
ist zum Selbstverständnis unabdingbar."
25
Alexander Demandt
Zu beachten ist bei solchen historischen Vergleichen jedoch zum einen die
stark unterschiedliche Quellenlage der Untersuchungseinheiten. Zu modernen
Strukturen findet sich heute eine mannigfaltige, oftmals unüberschaubare Zahl an
Publikationen, an Datensätzen, an Primär- und Sekundärquellen. Die Informati-
onsfülle ist manchmal so erdrückend, dass der Auswahlprozess der geeignetsten
und relevantesten Informationen die größte Schwierigkeit darstellen kann. Zu den
antiken Strukturen wiederum finden sich oftmals nur wenige primäre Quellen und
Überlieferungen. Die Lage der sekundären, wissenschaftlichen Publikationen ist
23
Vgl. Demandt: 1995, S. 18.
24
Zum Ende der Geschichte vgl. Fukuyama: 1992.
25
Demandt: 1995, S. 18.

18
zwar umfangreich, stützt sich aber zum Teil auf nur wenige erhaltenen Fragmen-
te aus der untersuchten Zeit. Moderne, mit wissenschaftlichen Methoden erho-
bene Interviews und Datensätze lassen sich logischerweise nicht finden, und
auch nicht anfertigen. Somit muss sich ein solcher historischer Vergleich an dem
zur Verfügung stehenden Material orientieren.
Zum anderen liegen zwischen den Untersuchungsgegenständen bei solch
einem historischen Politikvergleich mitunter mehr als 2.000 Jahre menschlicher
Entwicklung. Die Nationalstaatsbildung, die Aufklärung, die wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Revolutionen und Umbrüche, um nur einige Schlagwörter zu
nennen, lassen sich nicht einfach bei Seite schieben. Eine demokratisch verfass-
te Republik der westlichen Hemisphäre im Jahre 2007 hat mit einer antiken
Republik vielleicht die Bezeichnung gemein, die Organisationsprinzipien fußen
jedoch auf mannigfaltig geänderten Prämissen. So ist es unumgänglich in einem
solchen Vergleich die unterschiedlichen sozioökonomischen und politischen
Grundlagen und Rahmenbedingungen zu beachten, sowie die gleichsam ver-
wendeten, doch inhaltlich verschiedenen Begrifflichkeiten zu entschlüsseln. Nur
unter diesen Voraussetzungen kann eine Gegenüberstellung antiker und moder-
ner Strukturen gewinnbringende Erkenntnisse generieren, ohne in den Verdacht
der Willkürlichkeit abzugleiten.

19
2.
USA und Römische Republik
,,Ich bin mir sehr wohl der Umstände bewußt, die das amerikanische Regie-
rungssystem von anderen demokratischen [popular] Systemen der Antike wie
der Moderne unterscheidet, und die äußerste Umsicht erfordern, wenn man
Rückschlüsse von Fall zu Fall zieht."
26
Publius (James Madison)
,,Es gab in der Geschichte etliche Senate auf der Welt, aber nur zwei wirklich
große Senate, den römischen und den amerikanischen."
27
Robert Byrd
Es schließt sich nun die Frage an, ob ein solch historischer Politikvergleich auch
bei den in dieser Arbeit zu untersuchenden Gegenständen sinnvoll ist. Zunächst
ist der Bezug auf und der Vergleich mit dem antiken Rom in den Vereinigten
Staaten mindestens so alt wie die Nation selbst. Während der Konstitutionie-
rungszeit der Vereinigten Staaten in den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahr-
hunderts suchten die klassisch gebildeten Gründungsväter nach Vorbildern für
die neu zu schaffende Nation. Dabei bedienten sie sich, auch und vor allem in
der Abgrenzung zu den europäischen Monarchien, bei den demokratischen und
republikanischen Konzepten der griechischen und römischen Antike.
28
Insbeson-
dere die Konzeptionen Polybios´ und Ciceros über die Mischverfassung im
antiken republikanischen Rom stellten eine bedeutende Inspirationsquelle dar.
29
Diese nahmen sie jedoch nicht als Blaupause für den neu zu schaffenden Staat,
sondern sie sahen sich in der Tradition der Aufklärung, welche den antiken
Strukturen zwar aufgeschlossen gegenüber stand, sie aber unter den aktuellen
Herausforderungen der veränderten Zeit in kritischer Betrachtung weiterentwi-
ckelte.
30
Auch in den USA schwächte sich der Bezug auf die Antike in den folgenden
Jahrzehnten dem Zeitgeist entsprechend zunehmend ab, gerade während des
kalten Krieges und dem Kampf der großen Ideologien, er kam jedoch nie vol-
lends zum erliegen. Nach wie vor fanden und finden sich zahlreiche Beispiele für
die Verbundenheit Amerikas gerade mit dem alten Rom, seien es nun die von
26
Hamilton/Madison/Jay: The Federalist, Art. 63, vgl. Adams/Adams (Hg.): 1994, S.
383.
27
US-Senator Robert Byrd 1998 bei seiner Verteidigung als Geschworener im Prozess
gegen Präsident Bill Clinton Vgl. Bender: 2005, S. 21.
28
Vgl. Adams/Adams (Hg.): Hamilton/Madison/Jay: Die Federalist-Artikel, 1994; Zur
Antike-Rezeption in den Federalist Papers vgl. Bose: 1989, S. 1 ff., S. 27 ­ 38; Zur
Antike-Rezeption in der Gründerzeit allgemein mit weiterführender Literatur vgl. Rie-
cker: 2006, S. 19 ff.
29
Vgl. Bose: 1989, S. 65 ff.; Zur Rezeption des antiken Mischverfassungsmodells
durch James Madison vgl. Riklin: 2006, S. 299 ff.
30
Neben antiken Modellen dienten vor allem die ideengeschichtlichen Abhandlungen
Humes, Lockes und Montesquieus sowie das Beispiel der englischen Mischverfas-
sung als Vorbilder, vgl. hierzu mit weiterführender Literatur Bose: 1989, S. 39 ff..

20
Vergil abgeleiteten Zitate auf den Dollarscheinen, die in Latein verfassten Mottos
aus über 20 Bundesstaaten oder die Erinnerung an das alte Rom durch zahlrei-
che Reden amerikanischer Präsidenten.
31
,,Sometimes when I see those pillars I think of seeing them on the Acropolis
in Greece. I think of seeing them also in the Forum in Rome, great, stark pil-
lars - and I have walked in both at night, as I have walked down by the Ar-
chives at night from time to time. I think of what happened to Greece and to
Rome and, as you see, what is left - only the pillars."
32
Richard Nixon
Doch daneben erfuhr auch der wissenschaftliche Bezug auf das antike römische
Reich gerade nach dem Ende des Kalten Krieges eine neue Quantität und auch
Qualität. Mit den USA als der nun einzig verbliebenen Weltmacht fokusierte sich
das öffentliche wie wissenschaftliche Interesse ungezählter Autoren auf die
einstige erreichte Machtstellung der Stadt am Tiber und deren geschaffenes und
Jahrhunderte überdauerndes Weltreiches.
33
Die Vergleichsachse wurde nach
dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 mancherorts direkt an das Jahr 146
v. Chr. gelegt, der endgültigen Zerstörung Karthagos und der griechischen
Großmächte durch Rom. Dieses sah sich nun nach der Ausschaltung seiner
ehemals mächtigsten Gegenspieler als eine Kraft ohne echten weiteren Geg-
ner.
34
Nun erfülle die USA als die einzig verbliebene Supermacht, mit ihren
transatlantischen Verbündeten sowie auch Russland und Japan im Schlepptau,
heute eine vergleichbare die Rolle eines globalen Akteurs, der einer Mission
folgen müsse, die der Welt Frieden und Wohlstand bringen soll.
35
Insbesondere
diese Mission, welcher sich schon Rom nach Polybios gegenüber sah, und die
damals besagte, dass Rom mit seiner zunehmenden Beherrschung des Mittel-
meerraumes nur ein Vakuum ausfüllte, eine imperiale Verantwortung übernahm,
kam in den Blickpunkt.
36
Das Erkenntnisinteresse lag und liegt dabei in den
Fragen, inwieweit die heutige Macht der USA eigentlich reicht, wie sie sie unter
den verschiedenen Zielsetzungen am besten zur Geltung bringen kann und was
31
Vgl. insb. Riecker: 2006, S. 26 ff.; Reinhold: 1984; Richard: 1994; Die Mottos der
Staaten bei Ullrich/Rudloff (Hrsg.): 2005, S. 146 ­ 171.
32
Richard Nixon am 6.Juli 1971 über das für ihn eindrucksvollste Gebäude in Wa-
shington, das Nationalarchiv, unter: http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=3069.
33
Die Begriffe Weltreich und Weltmacht greifen im Bezug auf Rom nicht zu kurz,
beherrschte es zwar niemals den Globus, so jedoch den ihm bekannten Weltkreis
im Sinne der zivilisierten Welt, außerhalb der Grenzen nur noch umgebenen von
Barbaren.
34
Vgl. Bender: 2004, S. 148 ff.
35
Vgl. u.a. Brzezinski: 1997 / 1994; Hacke: 2001, S. 394 ff.; Huntington: 1999; Junker:
1995; Dembinski: 1994.
36
Polybios 31; Vgl. Riecker: 2006, S. 29; Kagan: 2003, S. 130 ff.

21
dies heute und in der Zukunft sowohl für die USA als auch für den Rest der Welt
bedeuten kann und wird.
37
,,Seit dem römischen Reich hat es in der Weltgeschichte kein Land gegeben,
das so übermächtig war, kulturell, wirtschaftlich, technisch und militärisch."
38
Charles Krauthammer
Schließlich löste nicht zuletzt der indirekte Bezug auf jenen Missionsgedan-
ken durch die Nationale Sicherheitsstrategie der USA im Jahre 2002 und der ein
Jahr später unter diesen Prämissen gestartete Irak-Krieg eine neue Flut derarti-
ger Vergleiche zwischen den beiden Systemen aus, wobei die Qualität jener
naturgemäß mannigfaltiger Schwankungen unterliegt.
39
Die Konzentration verla-
gerte sich nun insgesamt mehr und mehr zu einer Gegenüberstellung der Verei-
nigten Staaten mit dem Römischen Kaiserreich und der dort etablierten Pax
Romana. In Analogie dazu wurde das Konzept der Pax Americana, obschon
Jahrzehnte alt, neu überarbeitet und kritisch beleuchtet.
40
Somit ist dieser Vergleich zwischen dem antiken Rom und den modernen
USA nicht nur sehr beliebt bei den verschiedensten Autoren, sondern er ist auch
aktuell.
41
Doch kann er auch wissenschaftliche Erkenntnisse generieren? Die
Anwort lautet hierzu eindeutig ja, aber. Denn von eminenter Wichtigkeit ist, was
genau bei den beiden Systemen verglichen wird und unter welchen Zielsetzun-
gen. Eine bloße, wenn auch noch so detailliert vollzogene, Gegenüberstellung
der politischen Systeme enthüllt mit großer Sicherheit nur die bedeutenden
organisatorischen und strukturellen Unterschiede eines modernen demokrati-
schen Nationalstaates und einer antiken, aristokratisch dominierten Stadtrepu-
blik, später einer Monarchie. Doch kann eine Untersuchung unter der Frage, wie
zwei unterschiedliche politische Systeme unter ähnlichen Voraussetzungen in
einer ganz bestimmten Situation zu vergleichbaren politischen Inhalten kommen,
wissenschaftlich Sinn machen. Denn durch einen solchen Vergleich setzt man
die untersuchten Systeme nicht künstlich gleich, man wird ihrer Unterschiedlich-
keit gerecht und kann dennoch durch die erfolgte Gegenüberstellung wissen-
37
Sehr gut als Einstieg in das Thema: Speck / Sznaider (Hg.): 2003.
38
Krauthammer, Charles in: NYT, 2.4.2002.
39
Genauer zur NSS Kapitel II 4.2.; Die Bandbreite dieser Vergleiche beginnt bei
bloßen antiamerikanischen Pamphleten erstreckt sich über nüchterne wissenschaft-
liche Betrachtungen und reicht bis zu offenen Forderungen nach einem US-
amerikanischen Imperium, vgl. u.a. Barber: 2003; Bender: 2004; Brzezinski: 2004;
Cohen: 2004; Ferguson: 2004; Freedland: 2002; Hacke: 2001; Ikenberry: 2002;
Johnson: 2000; Münkler: 2005; Speck / Sznaider (Hg.): 2003; Todd: 2003; Tröster /
Coskun: 2003.
40
Genauer dazu Kapitel I 5.
41
Und nach Meinung des Autors wird er dies in absehbarer Zeit auch bleiben.

22
schaftliche Erkenntnisse generieren. Und genau dies soll in vorliegender Arbeit
geschehen. Doch bevor nun die eigentlichen Kriege und die politischen Inhalte
zu vergleichen sind, müssen die Rahmenbedingungen ermittelt werden, unter
denen die Inhalstanalysen stattfinden.
2.1. Das politische System
2.1.1. Analyseverfahren
Im Folgenden wird systemtheoretisch die Frage beantwortet, welche politischen
Systeme in vorliegender Untersuchung gegenübergestellt werden.
42
Diese bilden
den ersten Teil der unabhängigen Variablen für die anschließende Untersuchung
der politischen Inhalte. Die typologischen Merkmale der beiden Systeme und die
daraus erkennbaren gravierenden Unterschiede aber auch partiellen Gemein-
samkeiten interessieren dabei. Die Analyse richtet sich in diesem Abschnitt
zunächst an den Punkten Herrschaftslegitimation, Herrschaftszugang, Herr-
schaftsanspruch, Herrschaftsmonopol, Herrschaftsstruktur und Herrschaftsweise
aus.
43
Ebenfalls wird auf die Rolle pluralistischer Akteure eingegangen.
42
Der genaue institutionelle Aufbau und die politischen Prozesse der umfassenden
politischen Systeme sollen hier nicht wiedergegeben werden, denn dies würde den
Rahmen der Arbeit deutlich sprengen. Ebenso stellen die folgenden Kapitel über die
Gesellschaft und die Wirtschaft keine erschöpfenden Untersuchungen dar. Diese
drei einführenden Kapitel dienen vielmehr der Verdeutlichung signifikanter Unter-
schiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Systemen und zeichnen den Rah-
men, in dem sich die anschließende Untersuchung bewegt. Die dann relevanten
Systemteile für diese Untersuchung eines jeweils bestimmten politischen Inhaltes
folgen mit ihrer Funktionsweise in Kapitel I 4.; Das Regelungsmodell der System-
theorie ermöglicht es, auch die unterschiedlichsten politischen Systeme gegenüber-
zustellen, und ist somit hier für die grundlegende Darlegung der Unterschiede von
großen Nutzen. Vgl. Dazu Naßmacher: 1991, 110 f.
43
Vgl. Brunner: 1979, S. 66; Merkel, Wolfgang / Croissant, Aurel: Formale und infor-
male Institutionen in defekten Demokratien. In: PVS (2000), 1, S.7.

23
2.1.2. USA
,,Das Volk beherrscht die politische Welt Amerikas wie Gott das Universum.
Das Volk ist Anfang und Ende aller Dinge; alles geht vom Volke aus, alles in
ihm auf."
44
Alexis de Tocqueville
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine demokratisch verfasste Republik,
ein moderner westlicher National- und Flächenstaat.
45
Der Begriff Republik
schließt dabei auf die Verfassung des Staates.
46
Als dualer Bundesstaat konzi-
piert sind die Kompetenzen der Einzelstaaten und des Bundes rechtlich strikt
getrennt, faktisch jedoch oftmals verschränkt.
47
Die USA definieren sich als Staat
über ihre Verfassung und ihr Territorium. Die Herrschaftslegitimation erfolgt
ausgehend von der demokratischen Verfassung über die Volkssouveränität.
48
Die
gesamte Macht liegt beim Volk. Verbunden mit dem Repräsentationsprinzip
erfolgt der Zugang zur Herrschaft über ein offenes, universelles, aktives und
passives Wahlrecht.
49
Der Anspruch dieser Herrschaft ist rechtsstaatlich definiert
und besitzt garantierte Grenzen.
50
Das durch die Wahlen und die demokratische
Verfassung legitimierte Herrschaftsmonopol liegt bei strikt gewaltenteilig organi-
sierten Institutionen. Die USA stellen dabei ein präsidentielles Regierungssystem
dar.
51
Der Präsident ist als Staatsoberhaupt und Regierungschef das exekutive
Element des Bundes.
52
Diese Funktion besitzen auf einzelstaatlicher Ebene die
Gouverneure. Der Kongress, bestehend aus zwei Kammern, dem Repräsentan-
tenhaus und dem Senat, bildet das legislative Element des Bundes.
53
Äquivalent
sind dies die einzelstaatlichen Parlamente. Die Judikative besteht aus dem
Obersten Gerichtshof, gefolgt von den 13 Berufungsgerichten und darunter den
94 Distriktgerichten.
54
Zwischen den gewaltenteilig organisierten Autoritäten
44
Tocqueville, 1, 1.4.
45
Zur Einführung in das politische System der USA vgl. Oldopp: 2005; Lösche /
Loeffelholz(Hrsg.): 2004, S. 202-506; Hübner: 2003; Detaillierter bei Lineber-
ry/Edwards: 1989; insb. bei Fraenkel: 1981; Dort finden sich auch zahlreiche Ver-
weise auf weiterführende Literatur.
46
Zu modernen Republikbegriffen vgl. Gallus / Jesse (Hg.): 2005, S. 281-370.
47
Vgl. Oldopp: 2005, S. 20 ff.; Lineberry: 1989, S.118 ff.; Fraenkel: 1981, S. 100­168.
48
Vgl. Fraenkel: 1981, S. 39-99.
49
Vgl. Oldopp: 2005, S. 159-190; Lineberry: 1989, S. 293-318.
50
Vgl. Fraenkel: 1981, S. 169-219.
51
Vgl. Steffani: 1979.
52
Vgl. Oldopp: 2005, S. 63-87; Lineberry: 1989, S. 423-464; Fraenkel: 1981, S.242-
278.
53
Vgl. Oldopp: 2005, S. 36-62; Lineberry: 1989, S. 377-422; Fraenkel: 1981, S.279-
332.
54
Vgl. Oldopp: 2005, S. 88-112; Lineberry: 1989, S. 503-542.

24
herrscht ein System der gegenseitigen Machtkontrolle und Machtbalance, der
,,checks and balances".
55
Rechtlich weitestgehend unabhängig voneinander
konzipiert und nur punktuell verschränkt, bedingen sie sich für eine erfolgreiche
politische Arbeit in der Praxis oftmals gegenseitig, ringen aber auch oftmals um
die politischen Hoheiten.
56
Die Herrschaftsstruktur ist dabei pluralistisch. Die zwei
großen Parteien, zahlreiche, nach den diversesten Grundsätzen organisierten
Interessenverbände und gesellschaftliche Gruppierungen bündeln, organisieren,
formulieren und verfolgen im politischen System unterschiedlichste Interessen
und nehmen damit Einfluß auf die politischen Prozesse.
57
Auch spielen sie bei
der Rekrutierung des Personals der politischen Institutionen eine gewichtige
Rolle. Die Herrschaftsweise ist insgesamt rechtsstaatlich.
55
Vgl. Lineberry: 1989, S. 93 f.
56
Vgl. Lineberry: 1989, S. 409 ff.; Fraenkel: 1981, S. 333-342.
57
Vgl. Oldopp: 2005, S. 113-158; Lineberry: 1989, S. 231-264 (Parteien) und S. 319-
350 (Interessenverbände).

25
2.1.3. Römische
Republik
,,Obgleich jede der drei Komponenten eine solche Macht hat, einander zu
schaden und auch zu helfen, sind sie in allen schwierigen Lagen so zweck-
mäßig miteinander verbunden, daß man unmöglich eine bessere Verfas-
sungsform als diese finden kann."
58
Polybios
,,Aufgabe des Senats ist es, mit seinem Rat den Staat zu fördern; Amtspflicht
des Magistrats ist es, dem Willen des Senats engagiert und gewissenhaft
nachzukommen; Aufgabe des Volkes ist es, die besten Maßnahmen und die
geeignetsten Männer durch seine Abstimmung auszuwählen und zu bestäti-
gen."
59
Cicero
Die klassische (hohe) Römische Republik (287 ­ 133 v. Chr.) war um das Jahr
200 v. Chr. eine eindeutig aristokratisch geprägte antike Stadtrepublik, die sich
im Laufe ihrer Entwicklung zu einem Flächenstaat entwickelte.
60
Die römische
Organisation der Herrschaft im Bundesgenossensystem in Italien ist dabei nicht
mit modernen Kategorien von Bundesstaat oder Staatenbund zu beschreiben
oder gar gleichzusetzen.
61
Die Republik besaß zu keinem Zeitpunkt eine ge-
schriebene Verfassung, die Struktur des Systems richtete sich nach traditionell
überlieferten und durch Einzelgesetze festgelegten Normen aus und war somit
historisch gewachsen.
62
Der Begriff Republik (res publica) steht zuerst nur als
Unterscheidung zu einem königlichen Staatsaufbau.
63
Der römische Staat defi-
nierte sich nicht über eine Verfassung sondern sowohl über die Rechtsgemein-
schaft seiner Bürger als auch über sein Territorium.
64
Rom stellte in der Antike
die gelungene Verbindung von demokratischen, aristokratischen und monarchi-
schen Herrschaftselementen dar.
65
Zwischen diesen Elementen, namentlich den
Volksversammlungen (Komitien), dem Senat und den Magistraten, bestand zwar
ein ausgeklügeltes und bewährtes System gegenseitiger Kontrolle, doch kann
man auf keinen Fall von einem nach modernen Maßstäben gewaltenteiligen
58
Polybios 6. 18.1.
59
Cicero: An Herennius 4.35.47.
60
Zur Einführung in das politische System der Römischen Republik vgl. Demandt:
1995, S. 377 ­ 408; Dahlheim: 1995, S. 343-364; ders.: 1992, Bd. 2., S. 58 ff.; Bel-
len: 1994; Detaillierter bei Bleicken: 1995, dort auch weiterführende Literatur; Das
Standardwerk ist Mommsen: 1885; Ab hier wird der Zusatz ,,v.Chr." bei den Jahres-
zahlen weggelassen, ist doch im Folgenden bei Jahreszahlen im Zusammenhang
mit der Römischen Republik, wenn nicht anders angegeben, stets von der vorchrist-
lichen Zeit die Rede.
61
Vgl. Hantos: 1983.
62
Vgl. Bleicken: 1975.
63
Zu antiken Republikbegriffen vgl. Gallup / Jesse (Hg.): 2005, S. 57 ­90.
64
Vgl. Demandt: 1995, S. 394.
65
Vgl. Polybios 6. 11-18., 6. 43-56.

26
Modell sprechen.
66
Der aristokratisch geprägte Senat war Mittelpunkt des politi-
schen Geschehens, nicht durch rechtliche Bestimmungen sondern durch gesell-
schaftliche Normen.
67
Die Herrschaftslegitimation erfolgte zum einen Teil in den
Volksversammlungen eingeschränkt über die Volkssouveränität.
68
Zum anderen
Teil legitimierte sich die Herrschaft im Senat durch autokratische Prinzipien.
69
Der
Herrschaftszugang erfolgte zu den Magistraturen über ein eingeschränktes
Wahlrecht, zum Senat nach oligarchischen und aristokratischen Prinzipien.
70
Der
Herrschaftsanspruch war zwar umfangreich, aber dennoch gab es rechtlich
garantierte und sozial gewachsene Grenzen.
71
Das Monopol der Herrschaft lag
bei legitimierten Autoritäten, teilweise durch Wahlen, teilweise durch tradierte
Normen. Trotz der politischen Hoheit des Senats ist die Herrschaft als semiplura-
listisch zu klassifizieren, gab es doch noch einflussreiche Institutionen wie die
demokratisch legitimierten Volkstribunen.
72
Auch die Beschlüsse der Versamm-
lung des Plebs, die seit 287 die Gesetzgebung quantitativ dominierten, sind hier
zu nennen.
73
Doch vor allem der politische Willensbildungsprozess sowie die
Rekrutierung des politischen Personals lag beinahe exklusiv bei der aristokrati-
schen Nobilität.
74
Die Herrschaftsweise erfolgte nur sehr begrenzt repressiv, dem
Recht kam eine große Bedeutung zu.
75
2.1.4. Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Nach diesen nur kurz angerissenen Kriterien fallen schon die bedeutenden
Unterschiede zwischen den beiden politischen Systemen auf. Die USA fußen auf
den Grundprinzipien von Volkssouveränität und Gewaltenteilung, die Römische
Republik trotz vereinzelter demokratischer Elemente auf traditionell aristokrati-
schen Strukturen. In beiden Systemen finden sich eine funktionale Aufteilung des
Staates und seiner Aufgaben. In den Vereinigten Staaten ist diese strikt nach der
66
Vgl. Dahlheim: 1995, S. 346.
67
Vgl. Bleicken: 1995, S. 85 ff.
68
Vgl. ebd. S. 120 ­ 132; Jehne (Hg.): 1995, S. 1 ff.
69
Vgl. Adcock: 1961, S. 40 ff.
70
Vgl. zu den Magistraturen Bleicken: 1995, S. 97 ff.; zum Senat ebd. S. 42 ff. und 85
ff.
71
Vgl. Cicero, Rede für Cluentus, 146.; ders. de re publica, 2, 53-54.
72
Vgl. Bleicken: 1955, insb. S. 74 ­ 105.
73
Vgl. Bleicken: 1975, S. 244 ff.
74
Vgl. Bleicken: 1995, S. 182 ff.
75
Vgl. Bleicken: 1975, S. 137 ff., insb. S. 324 ff.

27
neuzeitlichen Gewaltenteilungslehre geregelt. In der Römischen Republik spie-
gelt sie, nach den erzwungenen Kompromissen während der Ständekämpfe, den
antiken Gedanken einer Symbiose von demokratischen, oligarchischen und
monarchischen Herrschaftselementen wider. Auch sind die Zuständigkeiten des
modernen Staates viel umfangreicher als bei dem antiken. Nach modernen
politikwissenschaftlichen Kriterien stellen die USA eine rechtsstaatliche Demokra-
tie dar, die römische Republik lässt sich hier wohl am besten irgendwo zwischen
einem autoritären Regime und einer defekten Demokratie einordnen.
76
Doch
neben den augenscheinlich großen Unterschieden finden sich auch vereinzelt
Schnittpunkte. So war zwar das gesamte Volk in Rom nicht der unumschränkte
Souverän, es konnte aber vor allem über die Volkstribunen und die legislativen
Funktionen der Volksversammlungen, insbesondere der Comitia Tributa und des
Concilium Plebis, unter diversen Einschränkungen auf demokratischen Wege die
Politik mitgestalten.
2.1.5. Zusammenfassung: Senat / Präsident = Senat / Konsul?
Die beiden zu untersuchenden politischen Systeme zeigen nach diesem nur
groben Überblick erwartungserfüllend schon beträchtliche Unterschiede hinsicht-
lich ihrem Aufbau. Die USA und Rom sind demnach weit davon entfernt, in
gleiche politikwissenschaftliche Kategorien und Typologien eingeordnet zu wer-
den. Doch finden sich bei allen Kontrasten auch Elemente, die auf zumindestens
ähnlichen Grundlagen ruhen. Dies sind zum einen der jeweils funktional geteilte
Aufbau des Staates in Form einer Republik, wobei die US-amerikanische dabei
natürlich moderneren Grundlinien und Begriffsinhalten folgt. Zum anderen sind
dies demokratisch legitimierte Elemente im politischen System Roms, welche
zwar nicht dominieren, aber auch nicht nur als Makulatur zu begreifen sind. Die
beiden Systeme sind in ihrem Aufbau und ihrem Selbstverständnis somit beleibe
nicht identisch, sondern verschieden. Doch auch nicht so komplett verschieden,
dass es eine wissenschaftliche Untersuchungsmethode mit einem Vergleich nicht
zulassen würde.
76
Die genaue Einordnung Roms in moderne Typologien ist schwierig, wenn nicht gar
in Vollständigkeit unmöglich. Sie soll aber auch nicht Gegenstand dieser Arbeit sein,
vielmehr soll hier nur verdeutlicht werden, welche bedeutenden Unterschiede grund-
legend zwischen den behandelten Systemen bestehen.

28
2.2. Die
Gesellschaft
2.2.1. Analyseverfahren
Zum politischen System gehören auch die gesellschaftlichen Grundlagen der zu
untersuchenden Systeme. Insbesondere das politische Handeln der Römischen
Republik ohne eine geschriebene Verfassung erschließt sich nur aus den sozia-
len Grundlagen. Deswegen wird im Folgenden auch etwas ausführlicher auf die
römische Sozialstruktur eingegangen werden. Sowohl die USA als auch die
Römische Republik stellen keine totalitären Systeme dar, die Sphäre der Gesell-
schaft ist bei beiden eng mit jener der Politik verbunden, übt auf sie Einfluss aus
und wird wiederum von jener beeinflusst. Somit bilden die jeweiligen sozialen
Grundbedingungen einen Teil der für diese Untersuchung benötigten Rahmen-
bedingungen. Welchen gesellschaftlichen Aufbau finden wir nun jeweils vor? Wie
ist / war die US-amerikanische und die römische Gesellschaft strukturiert und
fragmentiert? Auf welchen Normen und Werten fußt(e) das gesellschaftliche
Handeln? Welche Bedeutung kommt / kam der Religion zu? Dies soll im Folgen-
den beantwortet werden.
2.2.2. USA
,,E pluribus unum"
77
Als Einwanderungsland stellen die heute mittlerweile über 300 Millionen Ameri-
kaner eine mulitethnische und multikulturelle Gesellschaft dar.
78
Der einzelne
Staatsbürger definiert sich dabei nicht über Rasse oder Sprache, sondern über
sein Bekenntnis zur Verfassung der USA.
79
Dadurch erlangt man das Bürger-
recht. Durch dieses wiederum das aktive und passive Wahlrecht. Erwähnenswert
ist die Tatsache, dass man sich als ,,Greencard-soldier" über einen geleisteten
77
,,Aus vielen wird eines" ­ Text auf der Kuppel des Kapitols und auf den Dollarschei-
nen.
78
Zur Einführung vgl. BPB (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung, Nr. 268,
USA ­ Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft, Bonn 2004; Zur ethnischen Zusam-
mensetzung und Entwicklung vgl. Murswiek, Axel: Gesellschaft, in: Lösche / Loeffel-
holz (Hrsg.): 2004, S. 594 ­ 697 (597 ff.).
79
Vgl. Das amerikanische Treuegelöbnis (Pledge of Allegiance), bei Sautter:
2000,S.206.

29
Dienst im amerikanischen Militär das Bürgerrecht sozusagen ,,erkämpfen" kann.
80
Aus der Verfassung und der nationalen Geschichte entspringen einige Grund-
werte, die den sogenannten ,,American Way of Life" oder auch ,,American Dream"
ausmachen und zu dem sich die überwiegende Mehrheit der amerikanischen
Bürger bekennen.
81
Dieser gemeine Wertekatalog schafft erst die Grundlage für
eine gemeinsame amerikanische Identität in einer extrem heterogenen Gesell-
schaft.
82
Inspiriert durch protestantische Ideen der Gründerzeit wird in ihm zu-
nächst einmal die Gleichheit aller Bürger vor dem Recht, ihre Freiheit sowie das
Streben nach Glück jedes Einzelnen postuliert. Dazu kommen liberale Grundhal-
tungen. Der so vertretene Gleichheitsgrundsatz postuliert auch die reine Chan-
cengleichheit, somit finden sich verschiedene Gesellschaftsschichten. An der
Spitze steht eine ökonomische, intellektuelle und politische Elite. Danach das
Gros der sogenannten Mittelschicht und die darunter liegende Unterschicht.
83
Die
Gegensätze definieren sich vor allem über Einkommen und Besitz sowie über
den Gegensatz Stadt- und Landbevölkerung. Die Gesellschaft der USA ist über-
wiegend postheroisch eingestellt, der Frieden ist der ,,Normalzustand".
84
Jedoch
ist die amerikanische Gesellschaft keinesfalls rein pazifistisch ausgelegt. Der
Einsatz des aus Freiwilligen zusammengesetzten Militärs wird in notwendigen
,,Ausnahmen" durchaus akzeptiert und respektiert, jedoch nur unter der Bedin-
gung keiner oder zumindestens geringer Verluste für die eigenen Streitkräfte.
85
Dazu kommt die stark ausgeprägte, beinahe schon sagenhafte Mobilität der
Amerikaner. Der Religion kommt für den Amerikaner ebenfalls eine große Bedeu-
tung zu, sie ist in dieser säkularisierten Gesellschaft Privatsache des Einzelnen.
86
Doch gleichzeitig wird es ein Anwärter auf politische Ämter ohne jeglichen religi-
ösen Bezug sehr schwer haben aufzusteigen.
87
Prinzipiell steht ein solcher
Aufstieg zwar allen Bürgern offen, doch verlangen die zu leistenden Wahlkämpfe
gefestigte finanzielle Grundlagen und eine gewisse gesellschaftliche Unterstüt-
80
Vor allem illegal eingewanderte Latinos nutzen heute diese Möglichkeit, von ihnen
kämpften mehrere zehntausend im Irak, vgl. Westenfelder: 2004; insb. dazu
http://www.latinamericanstudies.org/latinos-war.htm [23.09.2006].
81
Vgl. Fluck, Winfried: Kultur, in: in: Lösche/v. Loeffelholz (Hrsg.): 2004, S. 698 f.
82
Zu sich ändernden und gleichbleibenden amerik. Gesellschaftswerten vgl. Murs-
wieck, Axel: Gesellschaft, in: Lösche/v. Loeffelholz (Hrsg.): 2004, S. 595 f.
83
Zu den Gesellschaftschichten vgl. Murswiek, Axel: Gesellschaft und Kultur, in:
Lösche / Loeffelholz (Hrsg.): 2004, S. 594 ­ 697 (604 ff.).
84
Vgl. Bellers: 1999, S. 146 ff.
85
Vgl. Bender: 2005, S. 266; Dittgen: 1998, S. 176 ff.
86
Vgl. Apel-Birnbaum, Gudrun: Protestantismus oder Pluralismus? Religion in den
USA, in: Unger (Hg.): 1988, S. 159 ­ 214.
87
Vgl. Prätorius: 2003.

30
zungbasis.
88
Dem Einzelnen bieten sich daneben jedoch auch vielfältige Mög-
lichkeiten für ein gesellschaftliches Engagement.
2.2.3. Römische
Republik
,,Moribus antiquis res stat Romana virisque."
89
Die römische Gesellschaft kann man unter sozialen und politischen Aspekten
betrachtend in unterschiedliche Gruppierungen einteilen.
90
Nach dem Kriterium
der persönlichen Freiheit in die rechtlich freien Bürger sowie die rechtlich voll-
kommen Unfreien, also die Sklaven.
91
Die römische Gesellschaft umfasste um
das Jahr 200 ca. 214.000 freie Bürger.
92
Diese definierten sich über ihr volles
oder eingeschränktes römisches Bürgerrecht.
93
Mit dem vollen Bürgerrecht
einher ging das Stimmrecht in den Volksversammlungen.
94
Bürger ohne Stimm-
recht konnten über einen geleisteten Militärdienst das volle Bürgerrecht erhal-
ten.
95
Die Pflicht, die aus dem Bürgerrecht entstand, war der zu leistende Militär-
dienst im Bürgerheer.
96
Nach ihrer Abstammung und ihrem Selbstverständnis
betrachtet, unterscheiden wir den Geburtsadel (Patrizier) von dem restlichen
freien Volk (Plebejer).
97
Das Kriterium des Vermögens einbringend kristallisiert
sich als oberste Gruppe die der Nobilität, bestehend aus den Patriziern und den
(neu-)reichen Plebejern heraus, sowie abgestuft weitere fünf Klassen (classes).
98
88
Vgl. Lineberry: 1989, S. 267 ­ 292, insb. 281 ff.
89
,,Die römische Macht beruht auf den Sitten und den Männern der Vergangenheit."
Aus den ,,Annalen" des Ennius, vgl. Cicero, De re publica, 5. 1.
90
Diese Einteilung kann nach den Kategorien ,,Stand", ,,Klasse" und ,,Schicht" erfolgen,
also nach der Rechtsstellung, dem quantitativen wie qualitativen Zugang zu Produk-
tionsmitteln sowie dem sozialen Charakter der Gruppierungen. Die Grenzen sind
dabei nicht starr ausgeprägt sondern mitunter fließend.
91
Da die Sklaven und ihre rechtsfreie Stellung in der römischen Gesellschaft als
Sache für diese Untersuchung keine Rolle spielen vgl. hierzu Lauffer, Siegfried: Die
Sklaverei in der griechisch-römischen Welt, in: Rapport du Congrès International
des Sciences Historiques 11 (1960), S. 87 ff.
92
Livius 29. 37.6.
93
Vgl. Bleicken: 1995, S. 22 ff.
94
Zur Rechtsstellung des civis Romanus und den Comitien vgl. König: 1992, S. 127 ff.
95
Vgl. Bleicken: 1995, S. 227 ff.
96
Vgl. Mommsen: 1885, Bd. III 1, S. 240 ff.
97
Vgl. Christ: 1984 (1).
98
Zum Eindringen den Plebejer in die politische Führungsschicht während der Stän-
dekämpfe vgl.: Bleicken, Jochen: Rom ­ Die Römische Welt, in: Propyläen ­ Welt-
geschichte, Bd. IV.1, Frankfurt/M., 1976, S. 61 ff.; auch Hoffmann, Wilhelm: Plebs,
in: RE Bd. XXI (1951), Sp. 76 ff.

31
Die politische Aktivität unterteilt die Oberschicht abermals in den politisch aktiven
Senatorenstand (ordo senatus) und in die des vermögenden aber politisch nahe-
zu inaktiven Ritterstand (ordo equester).
99
In der mittleren, klassischen Römi-
schen Republik bildete der Senatorenstand der Nobilität die politische führende
Schicht der Gesellschaft auf Grund ihres im Staate höchsten Sozialprestige.
Dieses stellte sie auch stets zur Schau und war dabei in ihrer inneren Struktur
erstaunlich geschlossen und stabil.
100
Grundsätzlich stand es zwar jedem freien
Bürger offen, in die oberen Schichten aufzusteigen. Doch haben wir es trotz
gelegentlicher Neulinge (homines novi) nicht mit einer stark fluktuierenden
Schicht zu tun, sondern mit einer Gruppe, die sich bezogen auf ihre Zugehörig-
keit mehr und mehr von dem großen Rest der Gesellschaft abschottete und auf
Grund ihres hohen Sozialprestige, dessen Fundament meist in der Vergangen-
heit lag, die Rekrutierungsbasis für die zumeist jährlich zu besetzenden Staats-
ämter bildete. Der Ritterstand, als politisch inaktive Klasse hauptsächlich über
sein Vermögen definiert, grenzte sich zum übrigen Volk über sein daraus
abgeleitetes gesondertes Stimmrecht in den Zenturiatskomitien ab.
101
Er über-
nahm dem Senatorenstand verbotene wirtschaftliche Aktivitäten.
102
Wichtige soziale Institutionen und zugleich die kleinsten sozialen und politi-
schen Einheiten waren die Familie (familia) und darüber die Sippe oder Großfa-
milie (gens).
103
In diesen regelte die Macht des jeweiligen Oberhauptes wichtige
Ordnungsfunktionen.
104
Sie bildeten zusammen mit dem Patronat das Grundge-
rüst der Gesellschaft, waren die strukturellen Systemmerkmale. Das den Römern
eigene Verhältnis zwischen einem Patron und einem Klient lässt sich definieren
als eine zwischenmenschliche Beziehung von Personen unterschiedlichen Ran-
ges, in der ein gegenseitiger Austausch von Leistungen und Gütern erfolgt.
105
Eine Person höheren Ranges, gekennzeichnet durch ein höheres Sozialprestige,
der Patron, ein Vertreter der Oberschicht, nahm dabei eine Person mit geringe-
rem Sozialprestige, den Klienten, einen Vertreter der Plebs, in ein Schutzverhält-
99
Vgl. allg. Stemmler: 1997; auch König: 1992, S. 77 f.; Bleicken: 1995: S. 67 ff.
100
Vgl. Christ: 1984, S. 30 f.
101
Dieses gesonderte Stimmrecht bedeutete aber dennoch kein übermäßig starkes
politisches Gewicht der Ritter. Vgl. dazu Stemmler: 1997, S. 154 ff.
102
Geregelt 218 v. Chr. durch die lex claudia de senatoribus, vgl. Livius 31. 63.2.
103
Zur gens Vgl. Bethe: 1935. S. 41f.
104
Dies ging soweit, dass dem Hausvater im privatrechtlichen Bereich das Recht
zustand, über Leben und Tod aller Familienangehörigen zu entscheiden.; Vgl. Kö-
nig: 1992, S. 120.; Alföldy: 1984, S.16f.; auch das XII-Tafel-Gesetz 4,1; Cicero, De
legibus 3, 8.19.
105
Vgl. Wallace-Hadrill (Hg.): 1989, S. 49.

32
nis auf.
106
Dieses war dabei aber nicht durch gesetzliche Vorschrift konkret
definiert sondern erfuhr seine Ausgestaltung im Privaten erst durch das jeweilige
persönliche, und bisweilen sehr unterschiedliche Verhältnis der Akteure.
107
Die
Beteiligten hatten also jeweils gewisse Rechte und Pflichten. Der Patron erwies
dem Klienten die Wohltat des Schutzes und der Hilfe, er sorgte dafür, dass ,,..der
Client als soziales Wesen nicht unterging..".
108
Dieser übte gegenüber dem
Patron im Gegenzug Gehorsam, begleitete ihn im Gefolge zu öffentlichen Ver-
sammlungen und unterstützte ihn dort politisch.
Die Religion spielte eine wichtige Rolle im Leben der Römer.
109
Sie erfuhr
ihre Äußerungen überall im alltäglichen Leben, war eine polytheistische Naturre-
ligion.
110
Das Verhältnis zwischen dem Römer und seinen Göttern war sehr
persönlich. Getrennt wurde das göttliche Wirken auf den privaten Bereich und
den streng geregelten gemeinschaftlichen Bereich.
111
Der Einklang mit dem
jeweiligen göttlichen Willen war handlungsweisend. Die Erkenntnis dafür ge-
schah über Zeichen (signa), die durch pedantische Riten gefunden und dann
gedeutet wurden.
112
Die strenge Einhaltung der Deutungsregeln war dabei im-
mens wichtig, um das göttliche Wohlwollen nicht zu verwirken. Die Deutungsho-
heit oblag im privaten Bereich der Familie stets deren Oberhaupt, im öffentlichen
Bereich den Priesterkollegien und den jeweiligen Magistraten.
113
Nur diese hatten
die notwendigen Autoritäten, Zeichen zu erkennen und zu deuten.
114
106
Vgl. Christ: 1984, S. 17 ff.; Hoffmann, Wilhelm: Plebs, in: RE Bd. XXI (1951), Sp. 76
ff.; Zur Gleichsetzung Plebejer-Clienten schon Cicero, De re publica 2. 16.
107
Vgl. Bleicken: 1995, S. 23 ff.; Rechtsphilosophische Grundlage des römischen
Patronats war dabei der Gedanke des "do ut des", also der ethischen und mitunter
auch rechtlichen Pflicht, eine empfangene Wohltat zu erwidern. Vgl. hierzu Cicero,
De officiis, 1. 47.; Diesem Grundsatz von ,,Geben und Nehmen" folgte auch die rö-
mische Religion.
108
Bleicken: 1995, S. 24.
109
Vgl. König: 1991, S. 7 f.
110
Vgl. Rüpke: 2001, S. 67 ff.; Bleicken: 1995, S. 171 ff.
111
Vgl. König: 1991, S. 47 ff.
112
Vgl. Rüpke: 2001, S. 86 ff.; Brink: 1994: S. 249 ff.
113
Vgl. Rawson: 1991, S. 149 ­ 168; Zu den einzelnen Priesterkollegien vgl. König:
1991, S. 105 ff.
114
Da die Priester Teil des politischen Systems waren, keine eigene abgeschlossene
Sphäre bildeten und da dem Senat quasi die Oberhoheit, nicht über die direkten
Deutungen, aber über die Deuter selbst oblag, konnte es in Rom nie zu einer Über-
lagerung durch die Religion kommen. Inwieweit dadurch die Religion mitunter zum
reinen Mittel der Politik degradiert wurde, vgl. u.a. Machiavelli: Discorsi I, Kap. 12 ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836604758
Dateigröße
703 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften, Studiengang Politikwissenschaft / Geschichte
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
außenpolitik irakkrieg vorgeschichte politikfeldanalyse policy politik
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