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Kriminalpädagogik im Jugendalter

Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit

©2006 Diplomarbeit 123 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Zu Beginn der Arbeit beschäftige ich mich mit verschiedenen kriminologischen Theorien und Ansätzen. Da ich mich in meiner Diplomarbeit auf die kriminalpädagogischen Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit spezialisieren werde, möchte ich nur einen ausgewählten Einblick über die möglichen Hintergründe abweichenden Verhaltens in Form von kriminellen Handlungen geben. Mir ist jodoch bewusst, dass über die im III. Kapitel unter Punkt 1 – 4 dargestellten biologischen, psychologischen, sozialstrukturellen und multifaktoriellen Kriminalitätstheorien und Ansätze heraus weitere interessante wissenschaftliche Erkenntnisse existieren.
Nach der theoretischen Einführung, widme ich mich im IV. Kapitel den Thema Jugendalter und Kriminalität. Mir ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, unter Punkt 1 einen zwar knappen aber wesentlichen Einblick in die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen zu liefern. Darüber hinaus werde ich anhand der ´Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes NRW aus dem Jahr 2oo5` und der ´Statistik über Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW aus dem Jahr 2oo4` das Hell- und Dunkelfeld der Jugendkriminalität über die letzten Jahre und verschiedene Deliktschwerpunkte, namentlich ´Bagatelldelikte`, Eigentumsdelikte, Gewaltdelikte sowie Drogen und Kriminalität darstellen.
Bevor ich auf die Aufgabenfeldern der kriminalpädagogischen Jugendsozialarbeit eingehen werde, werde ich im V. Kapitel zunächst die Angebote und Aufgaben des Jugendamtes beschreiben. Die unterschiedlichen Bereiche der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit und damit die verschiedenen Hilfen zur Erziehung, die im Achten Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfegesetz) normiert sind, stellen wesentliche sozialpädagogische Handlungsmöglichkeiten dar, das Kindeswohl und die Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person zu gewährleisten.
Das VI. Kapitel befasst sich mit dem ersten von drei Aufgabenfeldern der kriminalpädagogischen Jugendsozialarbeit, der Jugendgerichtshilfe. Unter Punkt 1 und 2 werden die nötige berufliche Qualifizierung und relevante rechtliche Grundlagen erläutert. Unter Punkt 3 und 4 werde ich die öffentlichen und freien Träger sowie die „Auftraggeber“ in Form von Jugendstaatsanwaltschaft und Jugendgericht darstellen, um einen organisatorischen Einblick zu vermitteln. Durch die Beschreibung des Erstgesprächs mit dem jugendlichen oder heranwachsenden Straftäter möchte ich in […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Jana Buhrmester
Die kriminalpädagogischen Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit
Die Jugendgerichtshilfe, die Bewährungshilfe, soziale Arbeit in der Jugendstrafanstalt
ISBN: 978-3-8366-0435-2
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Fachhochschule Bielefeld - University of Applied Sciences, Bielefeld, Deutschland,
Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis:
I. Vorwort ... 1
II. Einleitung ... 2
III. Kriminologische Theorien und Ansätze ... 5
1. Biologische Kriminalitätstheorien ... 5
1.1 Zwillingsforschung ... 5
1.2 Adoptionsforschung ... 6
2. Psychologische Kriminalitätstheorien ... 6
2.1 Lerntheorien ... 6
2.2 Tiefenpsychologisch fundierte Theorien ... 7
3. Sozialstrukturelle Kriminalitätstheorien ... 9
3.1 Anomietheorie ... 9
3.2 Labeling Approach ... 10
4. Multifaktorielle Ansätze ... 11
IV. Jugendalter und Kriminalität ... 13
1. Entdeckung und Verständnis von Jugend ... 13
2. Jugendkriminalität im Dunkelfeld ... 15
3. Registrierte Jugendkriminalität ... 16
3.1 Vorkommen und Entwicklung von Jugendkriminalität ... 16
3.2 Deliktschwerpunkte der Jugendkriminalität ... 18
3.2.1 'Bagatelldelikte' ... 18
3.2.2 Eigentumsdelikte ... 19
3.2.3 Gewaltdelikte ... 21
3.2.4 Drogen und Kriminalität ... 22
V. Angebote und Aufgaben des Jugendamtes ... 24
1. Jugendarbeit (§ 11 SGB VIII) ... 24
2. Jugendsozialarbeit (§13 SGB VIII) ... 25
3. Hilfen zur Erziehung (§§ 28 ­ 35 SGB VIII) ... 26
VI. Die Jugendgerichtshilfe ... 33
1. Die Qualifikation ... 33
2. Die rechtlichen Grundlagen ... 33
2.1 Die Mitwirkung in Verfahren nach dem JGG gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 8
SGB VIII ... 34
2.2 Die Jugendgerichtshilfe gemäß § 38 JGG ... 34

3. Die Träger der Jugendgerichtshilfe gemäß § 3 Abs. 3 SGB VIII ... 35
3.1 Das Jugendamt ... 35
3.2 Die freien Träger der Jugendgerichtshilfe ... 37
4. Der ,,Auftraggeber" ... 38
4.1 Die
Jugendstaatsanwaltschaft ... 38
4.2 Das Jugendgericht ... 39
5. Der Erstkontakt mit dem jugendlichen Straftatverdächtigen ... 40
6. Die Diversion gemäß §§ 45, 47 JGG ... 43
7. Der Jugendgerichtshilfebericht (§ 38 Abs. 2 Satz 1,2 JGG) ... 45
7.1 Die Persönlichkeitserforschung ... 46
7.1.1 Erzieherische Gesichtspunkte ... 46
7.1.2 Soziale Gesichtspunkte ... 47
7.1.3 Sozialpädagogische Gesichtspunkte ... 47
7.2. Die Informationsquellen der Jugendgerichtshilfe ... 48
7.3 Der Maßnahmenvorschlag ...49
7.3.1 Die Erziehungsmaßregeln gemäß § 9 JGG ... 49
Weisungen (§ 10 JGG) ... 50
Hilfe zur Erziehung als Erziehungsbeistandschaft
(§ 12 Nr. 1 JGG) ... 53
Hilfe zur Erziehung in einer betreuten Wohnform
(§ 12 Nr. 2 JGG) ... 54
7.3.2 Die Zuchtmittel gemäß § 13 JGG ... 54
Verwarnung (§ 14 JGG) ... 55
Auflagen (§ 15 JGG) ... 55
Jugendarrest (§ 16 JGG) ... 57
7.3.3 Die Jugendstrafe gemäß §§ 17, 18 JGG ... 58
8. Die Anwesenheit in der Hauptverhandlung (§50 Abs. 3 JGG) ... 60
9. Die Aufsicht gemäß § 38 Abs. 2 Satz 5 ff. JGG ... 61
VII. Die Bewährungshilfe ... 63
1. Die Qualifikation ... 63
2. Die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen ... 64
2.1 Die Bewährungshilfe gemäß § 24 JGG ... 64
2.2 Die Dienst- und Fachaufsicht ... 65
3. Der Bewährungsbeschluss ... 65
3.1 Primäre Strafaussetzung zur Bewährung gemäß §§ 21, 57 JGG ... 66
3.2 Strafaussetzung der Restjugendstrafe gemäß § 88 Abs. 1 ­ 3 JGG ... 68
4. Der ausübende Bewährungshelfer ... 69
4.1 Der hauptamtliche Bewährungshelfer ... 69
4.2 Der ehrenamtliche Bewährungshelfer ... 69
5. Der (Erst-) Kontakt mit dem jugendlichen Straftäter ... 70
6. Die Zusammenarbeit mit dem jugendlichen Straftäter ... 74
6.1 Hilfe und Betreuung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1, 3 JGG ... 74
6.2 Kontrolle und Überwachung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 JGG ... 77

7. Die Zusammenarbeit mit der auftraggebenden Stelle ... 78
7.1 Die Berichtspflicht ... 78
7.1.1 Der Berichtsinhalt ... 78
7.1.2 Die Berichtsart ... 80
8. Die Informationsquellen des Bewährungshelfers ... 81
9. Nachbetreuung ... 82
VIII. Die Soziale Arbeit in der Jugendstrafanstalt ... 83
1. Die Qualifikation ... 83
2. Die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen ... 84
2.1 Die Dienst- und Fachaufsicht ... 84
2.2 Die Aufgabe des Jugendstrafvollzugs gemäß § 91 JGG ... 84
3. Der ausübende Vollzugshelfer ... 85
3.1 Der Sozialpädagoge ... 85
3.2 Der ehrenamtliche Vollzugshelfer ... 86
4. Die Aufgaben der Sozialen Arbeit in der Jugendstrafanstalt ... 87
4.1 Die Mitwirkung bei der Behandlungsuntersuchung gemäß
Nr. 2 VVJug ... 88
Der Vollzugsplan gemäß Nr. 3 VVJug ... 88
4.2 Die Hilfe bei der Aufnahme gemäß Nr. 63 VVJug ... 89
4.3 Die Hilfe während des Vollzugs gemäß Nr. 64 VVJug ... 90
4.4 Die Hilfe zur Entlassung gemäß Nr. 65 VVJug ... 92
5. Die Angebote der Sozialen Arbeit in der Jugendstrafanstalt ... 93
5.1 Gruppenarbeit und Einzelfallhilfe ... 93
5.1.1 Soziales Training ... 94
5.1.2 Schuldnerberatung ... 95
5.1.3 Suchtberatung ... 96
5.1.4 Familienberatung ... 97
IX. Vergleich der kriminalpädagogischen Aufgabenfelder der
Jugendsozialarbeit ... 98
1. Gemeinsamkeiten ... 99
Die Klientel ... 99
Das doppelte Mandat ... 100
2. Unterschiede ... 101
Die Betreuungsintensität ... 101
3. Individuelle Problematiken ... 102
X. Schlusswort ... 104

Anhang
1. Jugendgerichtshilfebericht ... 105
2. Erhebungsbogen ...108
3. Vollzugsplan gem. §§ 6 und 7 StVollzG bzw. Nr. 2 und 3 VVJug (Behand-
lungsuntersuchung/ Persönlichkeitserforschung und Vollzugsplan) ... 110
Literaturverzeichnis ... 113

1
I. Vorwort
Nachdem ich mein Abitur erfolgreich abgeschlossen hatte, musste auch ich mir die Frage
stellen, wie ich in Zukunft mein Leben gestalten würde.
Schnell kristallisierte sich heraus, dass ich durch meine zukünftige Arbeit Menschen
helfen und in ihrer Lebensführung unterstützen will.
Während meines freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) in einem Mutter ­ Kind - Kurheim kam
ich mit sehr unterschiedlichen Müttern und vielen problembelasteten Kindern und
Jugendlichen in Kontakt. Ich begann, das unterschiedliche Verhalten aufgrund der
individuellen Lebensgeschichten zu beobachten, denn ich war schon immer sehr an
menschlichen Verhaltensweisen und den dahinter steckenden Beweggründen interessiert.
Das FSJ bestärkte mich in dem Beschluss, in Zukunft mit verhaltensauffälligen Menschen
zusammenzuarbeiten und im Sommersemester 2001 begann ich mein Studium der
Sozialpädagogik an der Fachhochschule Bielefeld.
Durch das Blockpraktikum im Jugendzentrum Espelkamp und die parallel zur
Nachbereitung verlaufende Vorlesung von Herrn Prof. Morsch zum Thema
,,Jugendkriminalität und Dissozialität" entstand sehr schnell mein Entschluss, das
Studium, soweit es mir möglich war, durch Vorlesungen und Fachprüfungen auf die
kriminalpädagogische Soziale Arbeit zu lenken.
Die Diplomarbeit habe ich zum Anlass genommen, mich speziell mit den
Aufgabenbereichen der kriminalpädagogischen Jugendsozialarbeit auseinanderzusetzen.
Ich habe während der Bearbeitung sehr viele interessante Erkenntnisse gewonnen und
Erfahrungen gemacht (an dieser Stelle Dank an alle, die sich für mich Zeit genommen
haben ­ Herr Sendler, Herr Henze, Frau Tegeler und insbesondere Frau Röhr).
Ich wünsche dem Leser viel Spaß und hoffe, dass auch er neue Erkenntnisse gewinnen
kann.

2
II. Einleitung
Zu Beginn der Arbeit beschäftige ich mich mit verschiedenen
kriminologischen
Theorien und Ansätzen
. Da ich mich in meiner Diplomarbeit auf die
kriminalpädagogischen Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit spezialisieren werde,
möchte ich nur einen ausgewählten Einblick über die möglichen Hintergründe
abweichenden Verhaltens in Form von kriminellen Handlungen geben. Mir ist jodoch
bewusst, dass über die im III. Kapitel unter Punkt 1 ­ 4 dargestellten biologischen,
psychologischen, sozialstrukturellen und multifaktoriellen Kriminalitätstheorien und
Ansätze heraus weitere interessante wissenschaftliche Erkenntnisse existieren.
Nach der theoretischen Einführung, widme ich mich im IV. Kapitel den Thema
Jugendalter und Kriminalität
. Mir ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig,
unter Punkt 1 einen zwar knappen aber wesentlichen Einblick in die
Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen zu liefern. Darüber hinaus werde ich anhand
der ´Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes NRW aus dem Jahr 2oo5` und der ´Statistik
über Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW aus dem Jahr 2oo4` das Hell-
und Dunkelfeld der Jugendkriminalität über die letzten Jahre und verschiedene
Deliktschwerpunkte, namentlich ´Bagatelldelikte`, Eigentumsdelikte, Gewaltdelikte sowie
Drogen und Kriminalität darstellen.
Bevor ich auf die Aufgabenfeldern der kriminalpädagogischen Jugendsozialarbeit
eingehen werde, werde ich im V. Kapitel zunächst die
Angebote und Aufgaben des
Jugendamtes
beschreiben. Die unterschiedlichen Bereiche der Jugendarbeit und der
Jugendsozialarbeit und damit die verschiedenen Hilfen zur Erziehung, die im Achten
Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfegesetz) normiert sind, stellen wesentliche
sozialpädagogische Handlungsmöglichkeiten dar, das Kindeswohl und die Entwicklung zu
einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person zu gewährleisten.
Das VI. Kapitel befasst sich mit dem ersten von drei Aufgabenfeldern der
kriminalpädagogischen Jugendsozialarbeit, der
Jugendgerichtshilfe
. Unter Punkt 1 und
2 werden die nötige berufliche Qualifizierung und relevante rechtliche Grundlagen
erläutert. Unter Punkt 3 und 4 werde ich die öffentlichen und freien Träger sowie die
,,Auftraggeber" in Form von Jugendstaatsanwaltschaft und Jugendgericht darstellen, um
einen organisatorischen Einblick zu vermitteln. Durch die Beschreibung des
Erstgesprächs mit dem jugendlichen oder heranwachsenden Straftäter möchte ich in die
praktische Arbeit der Jugendgerichtshilfe einführen. Ab Punkt 6 werde ich die
´Hauptaufgaben` darstellen. Sie umfassen die Durchführung von Diversionsverfahren, die
Erstellung von Jugendgerichtshilfeberichten, die Anwesenheit in der Hauptverhandlung
und die Aufsicht von Weisungen und Auflagen, die der Richter im Falle einer Verurteilung

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anordnet. Auf den Jugendgerichtshilfebericht werde ich näher eingehen, indem ich die
Persönlichkeitserforschung aufgrund der erzieherischen, sozialen und
sozialpädagogischen Gesichtspunkte, die unterschiedlichen Informationsquellen und den
anschließenden Maßnahmenvorschlag erläutere.
In Kapitel VII werde ich mich mit dem Aufgabenfeld der
Bewährungshilfe
beschäftigen
und zunächst die benötigte berufliche Qualifikation sowie wesentliche rechtliche und
organisatorische Grundlagen darstellen. Anschließend werde ich die möglichen
Voraussetzungen eines Bewährungsbeschlusses erläutern, um den fachlichen Einstieg in
die Bewährungshilfe zu erleichtern. Unter Punkt 4 werde ich den hauptamtlichen vom
ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterscheiden. Durch die Beschreibung des (Erst-)
Kontaktes und die unterschiedlichen möglichen Informationsquellen möchte ich in die
´Hauptarbeit` der Bewährungshilfe einsteigen - die Zusammenarbeit mit dem jugendlichen
Straftäter. Sie umfasst Aufgaben der Hilfe und Betreuung als auch der Kontrolle und
Überwachung, die ich unter Punkt 7 darstellen werde. Die Zusammenarbeit mit der
auftraggebenden Stelle, die durch die Berichterstellung gewährleistet wird und jeweilige
Erkenntnisse aus den beiden Bereichen der Hilfe und Kontrolle beinhaltet, werde ich unter
Punkt 8 erläutern. Nachdem die Bewährungszeit abgelaufen ist, gibt es die Möglichkeit
der Nachbetreuung für den jugendlichen oder heranwachsenden Straftäter, bei der er sich
bei Problemen an den Bewährungshelfer wenden kann. Die Nachbetreuung wird unter
Punkt 9 dargestellt.
Die
Sozialen Arbeit in der Jugendstrafanstalt
ist Bestandteil des VIII. Kapitels. Ich
werde unter Punkt 1 und 2 zunächst auf Aspekte der Qualifikation und der rechtlichen und
organisatorischen Grundlagen, wie die Dienst- und Fachaufsicht und die gesetzliche
Aufgabenstellung nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) eingehen. Unter Punkt 3 stelle
ich den ausübenden Vollzugshelfer dar, der sich in hauptamtliche und ehrenamtliche
Vollzugshelfer aufteilt. Die ´Hauptaufgaben` werden ab Punkt 4 aufgegriffen. Sie
umfassen die Hilfe bei der Aufnahme, während des Vollzugs und zur Entlassung. Die
unterschiedlichen Hilfen werden durch Methoden der Gruppenarbeit und Einzelfallhilfe
gestaltet. Beispielhaft werden unter Punkt 5 das Soziale Training, die Schuldnerberatung,
Suchtberatung und Familienberatung dargestellt.
Abschließen werde ich diese Arbeit mit einem Vergleich der drei kriminalpädagogischen
Aufgabenfelder der Jugendsozialarbeit. Dazu habe ich Gespräche mit Vertretern aller drei
Berufsgruppen geführt, bei denen ich die Methode des ero ­ epischen Gesprächs
angewandt habe.

4
An dieser Stelle möchte ich einige Anmerkungen zu meiner Diplomarbeit machen:
-
In meinen Ausführungen verwende ich ausschließlich die Berufsbezeichnung des
Sozialpädagogen. Sie soll sowohl für den Sozialpädagogen als auch für den
Sozialarbeiter stehen. Ich habe nicht die Absicht die Aufgabe des Sozialarbeiters
zu mindern geschweige denn auszuschließen, sondern bediene mich hier meiner
zukünftigen Berufsbezeichnung als Sozialpädagogin.
-
Betreffend der Ansprache beider Geschlechter habe ich mich dafür entschieden,
- der besseren Lesbarkeit halber ­ nur die männliche Bezeichnung zu verwenden.
Selbstverständlich bezieht diese Form aber auch jeweils die weibliche Person mit
ein. Der Leser sollte also beachten, dass es sowohl Sozialpädagoginnen,
ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, Straftäterinnen etc. gibt.
-
Wenn ich in meiner Arbeit von Heranwachsenden bzw. heranwachsenden
Straftätern berichte, ist nur der Personenkreis gemeint, auf den materielles
Jugendstrafrecht angewandt wird. Dieses ergibt sich aus § 105 JGG (Anwendung
des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende) und beschreibt Vergehen, die ,,nach
der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat" (§ 105 Abs. 1 Nr. 2
JGG) als Jugendverfehlung eingestuft werden. Außerdem wird bei
Heranwachsenden das Jugendstrafrecht angewendet, wenn ,,die
Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der
Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und
geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand" (§ 105 Abs. 1 Nr. 1
JGG).

5
III. Kriminologische Theorien und Ansätze
Um einen geordneten Überblick zu leisten, werden die Kriminalitätstheorien den
Bezugswissenschaften Biologie, Psychologie und Soziologie zugeordnet. Die Einteilung
erfolgt demnach in biologische, psychologische und sozialstrukturelle
Kriminalitätstheorien. Daneben stelle ich ebenfalls einen multifaktoriellen Ansatz dar, der
eine Kombination von unterschiedlichen Erkenntnissen ermöglicht.
1. Biologische Kriminalitätstheorien
Biologische Kriminalitätstheorien sehen das Verbrechen als Schicksal. Es wird die
Auffassung vertreten, dass genetische Vorbedingungen für das Entstehen von Kriminalität
verantwortlich sind (vgl. Schmitt 2oo1, S. 16).
1.1 Zwillingsforschung
In den Studien der kriminologischen Zwillingsforschung werden eineiige und zweieiige
Zwillinge in Bezug zu ihrem Sozialverhalten, insbesondere zum Auftreten von kriminellem
Verhalten, untersucht.
Das Ergebnis ist, dass eineiige Zwillinge deutlich häufiger beidseitig strafbar auffällig sind
als die zweieiigen Probanden.
In einer aktuellen Beobachtungsstudie der Uni Bielefeld an 3oo Zwillingen im Alter von 18
­ 70 Jahren wurde ebenfalls die Wirkung von genetischen Faktoren und von
Umweltfaktoren auf psychische Merkmale untersucht.
Prof. Dr. Alois Angleitner, Prof. Dr. Frank M. Spinath und Dr. Heike Wolf kommen hier zu
dem Schluss, dass Verhaltenstendenzen in den Genen verankert sind. Aber man ist
diesen Tendenzen nicht passiv ausgeliefert, sondern kann sein Verhalten aktiv in die
gewünschte konforme oder gesellschaftlich abweichende Richtung lenken.
(vgl. www.uni-bielefeld.de/Universitaet/Einrichtungen/Zentrale%20Institute/Iwt/FWG/
Zwillingsforschung/Ergebnisse.html)
Aufgrund der Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung erscheint die Annahme plausibel,
dass ein Zusammenhang zwischen genetischen Anlagen und abweichendem Verhalten
besteht. Allerdings sollte man bei dieser Betrachtung nicht außer Acht lassen, dass
eineiige Zwillinge häufig in den gleichen sozialen Strukturen sozialisiert werden. Bei den
zweieiigen Zwillingen, besonders bei Bruder und Schwester, besteht eher die Möglichkeit,
zur individuelleren Sozialisation durch die Umwelt.

6
1.2 Adoptionsforschung
In der Adoptionsforschung der Kriminologie wird das soziale Verhalten von Adoptivkindern
und ihren leiblichen Eltern im Hinblick auf Gemeinsamkeiten untersucht.
Es wurde ermittelt, dass es einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der
Straffälligkeit des leiblichen Elternteils und der des Kindes gibt.
In einer Studie in Dänemark wurden über 23 Jahre (1924 ­ 1947) Untersuchungen
hinsichtlich der Straffälligkeit von Sohn, Adoptivvater und leiblichem Vater durchgeführt.
Die Tests ergaben, dass 14,7 % der straffälligen Adoptivsöhne einen kriminellen
Adoptivvater hatten, 20% der kriminalstrafrechtlich in Erscheinung getretenen adoptierten
Jungen waren durch den leiblichen Vater vorbelastet und bei 24,5% der kriminellen
Jungen lag eine Kriminalität beider Väter vor (vgl. Göppinger 1997).
Das bedeutet für die Wissenschaft, dass Gemeinsamkeiten im Verhalten aufgrund
genetischer Verursachensbedingungen erkennbar sind, denn der biologische Elternteil
und das leibliche Kind standen unterschiedlichen Umwelteinflüssen gegenüber. Das heißt,
dass das Kind weder in demselben Milieu wie der Elternteil aufgewachsen ist, noch wurde
es durch delinquente Eltern oder Bekannte aufgezogen, aus deren Verhalten es sich
entsprechende Handlungsmuster angeeignet hat und dennoch wurden 20 % der
vorbelasteten Söhne straffällig.
Man sollte jedoch bei diesem Untersuchungsergebnis beachten, dass viele Adoptivkinder
prägende Heimaufenthalte mit Gefühlen der Minderwertigkeit und Unterdrückung erlebt
haben sowie stark gewalttätiges Verhalten anderer Kinder miterleben mussten. Es können
kindliche Traumata stattgefunden haben, die späteres abweichendes Verhalten
begründen können.
2. Psychologische Kriminalitätstheorien
Im Hinblick auf delinquentes Verhalten wird in den folgenden Kriminalitätstheorien von
individuellen Fehlanpassungen an gesellschaftliche Verhaltensregeln gesprochen. Diese
resultieren nach der Lerntheorie aus falschen Lernobjekten und nach den
tiefenpsychologisch fundierten Theorien aus mangelhafter Ausbildung des ,,Über ­ Ich",
welches zu fehlender Selbstkontrolle führt.
2.1 Lerntheorie
,,Das Lernen von Verhaltensweisen umfasst die Verstärkung von erfolgreichen
Handlungsmustern und die Akzeptanz und Übernahme von Vorbildverhalten ebenso wie
die Internalisierung von Geboten und Verboten" (Göppinger 1997, S. 114).

7
Lernen kann sowohl durch die Interaktion mit Gruppen als auch mit Einzelpersonen
stattfinden.
Es beinhaltet die Akzeptanz und Übernahme von beobachtbarem Verhalten (z.B.
Verbrechenstechniken, Gewaltanwendung etc.) sowie Verhaltensmotivation und
Rationalisierungen krimineller Handlungen der Gruppe oder Einzelpersonen.
Findet ein Erfolgserlebnis statt, kann das zu einer Verstärkung von entsprechenden
Handlungsmustern führen. Ein mögliches Erfolgserlebnis beinhaltet neben den
materiellen Dingen die Anerkennung, Achtung und Freundschaft von Personen. Die
Kontrolle oder auch Macht über andere wird ebenfalls als Erfolg gesehen und genossen.
Die ´psychologische Regel der intermittierenden Verstärkung´ besagt in diesem
Zusammenhang, dass Misserfolge und Sanktionen nicht so schnell ein Verhalten
abbauen können, wie Erfolge und Duldung ein Verhalten aufbauen. Bei Misserfolgen kann
es sogar dazu kommen, dass das einmal Erfolgbringende und somit auch Erfolg
versprechende Verhalten hartnäckig geübt wird.
Sutherland verdeutlicht, dass erlerntes Verhalten durch eine Gruppe oder andere
Bezugspersonen nichts Abgeschlossenes und Festes ist. Das vormals Erlernte kann z.B.
durch eine andere Gruppe oder eine andere Zusammensetzung der Gruppe hinsichtlich
Häufigkeit, Dauer und Intensität variieren, denn Werte und Normen können sich verändert
haben und die Anerkennung von kriminellem Verhalten Vergangenheit sein (vgl. Schmitt
2001, S.20f).
Mein Fazit in Bezug zu den Lerntheorien ist, dass sie kriminelles Verhalten aufgrund von
entsprechenden Lernobjekten verständlich und nachvollziehbar für fast alle Deliktformen
erklären.
Der Aspekt der Sozialisation in der Gruppe und damit die Aneignung von Werten und
Normen der Gruppe oder einzelner Leitbilder dieser und der darauf resultierenden
Verhaltensweisen sind meiner Meinung nach wichtige und logische Gedankengänge.
Gerade auch der Aspekt des Lernens am Erfolg macht die Handlungshintergründe
durchsichtiger.
Allerdings fehlen Erklärungen für Affekt- oder Triebtaten, um ein ganzheitliches Bild
abliefern zu können. Diese können durch die tiefenpsychologisch fundierten Theorien
greifbarer werden.
2.2
Tiefenpsychologisch fundierte Theorien
Kontrolltheorie
Bei der tiefenpsychologisch fundierten ,,Kontrolltheorie", die auf dem psychoanalytischen
Erklärungsmodell von Freud basiert, geht es darum, Selbstkontrolle bzw.

8
Selbstbeherrschung über die Verinnerlichung von äußerer Kontrolle, z.B. die durch
Erziehung vermittelten Gebote und Verbote, zu erlangen, um Bedürfnisse im Rahmen der
rechtlichen und gesellschaftlichen Normen zu befriedigen (vgl. Göppinger 1997, S. 108).
Das psychoanalytische Erklärungsmodell beinhaltet die drei psychischen Instanzen "Es",
"Ich" und "Über - Ich".
Das "Es" beinhaltet Triebregungen und Wünsche, die nach Bedürfnisbefriedigung
drängen.
Das "Über - Ich" bildet sich in den ersten Lebensjahren, indem die Moral-, Wert- und
Normvorstellungen der jeweiligen Gesellschaft durch eine ausreichende Erziehung
internalisiert, d.h. zu eigen gemacht werden.
Sowohl "Es" als auch "Über - Ich" befinden sich laut Freud im Unbewussten des
Menschen.
Das "Ich" ist eine Art Vermittlungsinstanz zwischen den anderen beiden Instanzen. Es
vermittelt die aus dem Unbewussten stammenden Triebe und lässt nur solche
Bedürfnisbefriedigungen zu, die mit den Vorstellungen des "Über - Ich" vereinbar sind.
Außerdem steht das "Ich" für ,,psychische Funktionen wie Gedächtnis, Wahrnehmung,
Denken und Bewegungskoordination" (Göppinger 1997, S. 109).
Aus diesen Erkenntnissen kann man folgern, dass sich die straffällige Person seinen
Trieben und Wünschen unterwirft und nach schneller, gelungener Bedürfnisbefriedigung
sucht, ohne den rechtlichen und gesellschaftlichen Normen zu folgen. Das "Über - Ich"
wurde durch eine ungenügende Erziehung mit mangelhafter äußerer Kontrolle nicht
ausreichend gebildet. So kommt es z.B. zu Affekt- und Triebtaten.
Durch das gesunde Zusammenspiel der drei Instanzen "Es", "Ich" und "Über - Ich" gelingt
es wiederum der unauffälligen, nicht straffälligen Person, seine kriminellen Triebe zu
verdrängen oder zu unterdrücken bzw. sie ,,angemessen" zu befriedigen. Das bedeutet,
sie handelt nach den rechtlichen und moralischen Gesetzen der Gesellschaft.
Halttheorie
Die ,,Halttheorie" von Reiss und Reckless besagt wie die Kontrolltheorie, dass
abweichendes Verhalten als ein Versagen im Erziehungsprozess zu verstehen ist. D.h.,
,,wenn der durch Familie, Freunde und Religion vermittelte äußere Halt und zugleich der
durch die Erziehung programmierte innere Halt fehlen" (Schmitt 2oo1, S. 19), führt dies zu
abweichenden Verhalten.

9
Bindungstheorie
Hirschi macht durch die ,,Bindungstheorie" deutlich, dass die Schwächung oder der Bruch
sozialer Bindungen zu kriminellen Handlungen führen kann. Grundlage für ein
gesellschaftlich konformes Verhalten ist die Einbindung in gesellschaftliche Systeme, die
anerkannte Werte und Normen vermitteln. Diese Systeme bilden sich durch Personen aus
dem häuslichen und sozialen Umfeld, wie z.B. durch Verwandte, Bekannte, Freunde oder
Vereinsmitglieder. Als eine andere Bindung wird auch der Glaube an die Verbindlichkeit
des gesellschaftlichen Wertesystems gesehen.
Kritisch anzumerken in Bezug zu den tiefenpsychologisch fundierten Theorien ist die
nötige Akzeptanz des psychoanalytischen Erklärungsmodells von Freud, welches als
Ausgangspunkt der psychologischen Kriminalitätstheorien gesehen wird.
Das bedeutet, die Existenz von "Es", "Ich" und "Über - Ich" darf nicht angezweifelt werden,
denn sonst verlieren die Theorien ihr Fundament.
Ansonsten ist die Kontroll-, Halt- und Bindungstheorie in der Grundaussage, dass
Selbstkontrolle nur da entstehen kann, wo äußere Kontrolle, äußerer und innerer Halt
vermittelt wird und die Einbindung in Systeme mit gesellschaftlich angemessenen Werten
und Normen gewährleistet ist, gut nachvollziehbar und verständlich.
3. Sozialstrukturelle Kriminalitätstheorien
Bei den sozialstrukturellen Kriminalitätstheorien handelt es sich um Theorien, die die
Kriminalität auf der makrosozialen Ebene erklären. Das heißt, es werden z.B. Regionen,
soziale ,,Brennpunkte" oder soziale Schichten untersucht, um die Entstehung von
kriminellem Verhalten zu erklären.
3.1 Die
Anomietheorie
,,Abweichendes Verhalten kann soziologisch gesehen werden als ein Symptom der
Diskrepanz zwischen kulturell vorgegebenen Erwartungen und den von der sozialen
Struktur bestimmten Wegen, diese Erwartungen zu befriedigen" (Merton in Göppinger
1997, S. 130)
Die Anomietheorie Mertons bietet einen Erklärungsansatz für die Verbindung von
Verbrechen und Sozialstruktur. Das Wort ,,Anomie" beschreibt den Zustand der
Gesetzlosigkeit bzw. Normlosigkeit innerhalb einer Gesellschaft.
Dieser Zustand tritt zum Beispiel ein, wenn Mitglieder einer sozialen Schicht bestimmte
gesellschaftliche Ziele erreichen wollen, jedoch nicht über die sozial gebilligten Mittel
verfügen, um diese erreichen zu können. Es stehen den Straftätern weder die finanziellen

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Mittel zur Verfügung, noch besitzen sie ausreichende Möglichkeiten, um diese finanziellen
Mittel zu erreichen. Häufig fehlt z.B. eine ausreichende schulische Ausbildung und damit
entsprechende Verdienstmöglichkeiten, um sich bestimmte Ziele erarbeiten zu können.
Es kommt dazu, dass ,,die sozial gebilligten Ziele mit illegitimen, kriminellen Mitteln
verfolgt werden" (Schmitt 2oo1, S.22).
Es hat den Anschein, als würde sich die Anomietheorie speziell den Problemen der
Unterschicht widmen, indem sie auf den anomischen Druck aufmerksam macht, der
besagt, dass eine Diskrepanz zwischen erwünschten Idealen und erreichten Erfolgen
bzw. Errungenschaften als Verbrechensursache vorliegt. Das ist nicht der Fall, denn
ideale Vorstellungen von Wohlstand, Status, Erfolg etc. haben keine Grenzen und
betreffen somit auch den ,,Normalbürger" und den Vertreter der Oberschicht.
Auf der makrosozialen Ebene ist die Anomietheorie eine Möglichkeit, das
überdurchschnittliche Auftreten krimineller Handlungen in der Unterschicht zu erklären.
Individuell bietet sie jedoch nicht diese Möglichkeit. Es kann unter anderem durch die
Anomietheorie nicht erklärt werden, warum ein Mitglied einer sozial randständigen Familie
aufgrund eines anomischen Drucks straffällig wird, ein anderes jedoch unauffällig bleibt.
3.2 Labeling
Approach
,,Wir verurteilen die Tat nicht, weil sie ein Verbrechen ist, sondern sie ist ein Verbrechen,
weil wir sie verurteilen" (Durkheim in Schmitt 2oo1, S. 23).
Dieses Zitat von Durkheim beschreibt zutreffend den Grundgedanken des labeling
approach, von Göppinger auch ,,Etikettierungsansatz" genannt (Göppinger 1997, S. 133).
Es stellt die Zuweisung von abweichendem Verhalten aufgrund der Werte und Normen
innerhalb der jeweiligen Gesellschaft dar.
Lemert spricht in diesem Zusammenhang von der primären und sekundären Abweichung
(vgl. Schmitt 2oo1, S. 23).
Die primäre Abweichung ist die straffällige Tat als solche.
Die sekundäre Abweichung erfolgt auf die ,,Degradierungszeremonie" (Schmitt 2oo1, S.
23) durch die Gesellschaft. D.h., der straffällige Jugendliche wird aufgrund einer
Verurteilung als kriminell etikettiert. Die Werte und Normen der Gesellschaft können
solches Verhalten nicht anerkennen und die Bevölkerung grenzt den Jugendlichen aus.
Der Zugang zum ,,bürgerlichen" Leben zurück wird aufgrund der Rollenzuschreibung des
,,Kriminellen" erschwert (der Jugendliche findet z.B. keinen Ausbildungsplatz aufgrund
einer Vorstrafe). Er schließt sich Gruppierungen an, die ihn trotz oder gerade wegen

11
seiner gesellschaftlichen Etikettierung akzeptieren und anerkennen. Die Alternativen zu
deviantem Verhalten werden geringer. Zugleich akzeptiert der Jugendliche das Stigma
des Kriminellen und übernimmt die durch die Gesellschaft zugeschriebene Rolle. Es
entsteht eine kriminelle Karriere aufgrund der Etikettierung (vgl. Schmitt 2oo1, S. 23f).
Bei der Auseinandersetzung mit dem labeling approach möchte ich darauf hinweisen,
dass Tendenzen zur devianten Rolle vorliegen, bevor die Gesellschaft jemanden in diese
drängen kann, denn ohne der primären Abweichung kann es nicht zur sekundären
Abweichung kommen.
Die dargestellten Anomietheorie und der Labeling Approach genießen einen hohen
Stellenwert sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis. Sie bieten plausible
Beschreibungen der gesellschaftlichen Prozesse, die die Wiederholungskriminalität
fördern. Aber nicht jeder Straftäter ist auch Wiederholungstäter.
4. Multifaktorielle Ansätze
Multifaktorielle Ansätze bedienen sich vielen verschiedenen Faktoren, die die
Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen, um delinquentes Verhalten erklären zu können.
Göppinger hat unter diesem Blickwinkel seine Studie ,,Der Täter in seinen sozialen
Bezügen" durchgeführt. Dazu bediente er sich an den Ergebnissen der Tübinger
Jungtäter ­ Vergleichsuntersuchung, wo Wissenschaftler der Uni Tübingen zum einen
Häftlingsprobanden (H ­ Gruppe) und zum anderen Vergleichsprobanden (V ­ Gruppe)
untersucht haben, um sich der Vielschichtigkeit der Persönlichkeitsentwicklung
anzunähern.
Die Studie beinhaltet Aspekte der Person und des Sozialbereichs des Täters.
Faktoren bezüglich der
Person des Täters
sind unterteilt in körperliche Auffälligkeiten wie
z.B. endokrine Störungen, psychiatrisch ­ psychopathologische Befunde, wie krankhafte
psychische Störungen und seelische Abnormitäten, und psychologische Befunde, wie z.B.
Untersuchungsergebnisse hinsichtlich Temperament und Selbstbild.
Der
Sozialbereich des Täters
ist aufgeteilt in die Herkunftsfamilie, d.h. Außen- und
Innenverhältnisse, den Aufenthaltsbereich, z.B. evtl. Heimaufenthalte, den
Leistungsbereich (Schule und Beruf), den Freizeitbereich und den Kontaktbereich.
Wie schon andere Wissenschaftler hat Göppinger mit seinen Untersuchungen versucht,
,,die Vielzahl der isolierten Einzelbefunde aus den verschiedenen Forschungsbereichen
zusammenzuführen" (Göppinger 1997, S. 3o2) und die Notwendigkeit der Betrachtung

12
verschiedener Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung im Hinblick auf soziales Verhalten
zu verdeutlichen.
Er verbindet somit unterschiedliche Erkenntnisse, um einen multifaktoriellen statt
monokausalen (auf eine spezielle Ursache ausgerichteten) Ansatz liefern zu können.

13
IV. Jugendalter und Kriminalität
Das Jugendalter ist im Gesetz normiert. Rechtlich wird der Mensch als ´Jugendlicher`
zwischen dem 15. und dem 18. Lebensjahr bezeichnet.
,,Im Sinne dieses Buches ist (...) Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist" (§
7 Abs. 1 Satz 2 KJHG).
Der Begriff der Kriminalität umschreibt eine besondere Form des abweichenden
Verhaltens. Es ist ein Verbrechensbegriff und von den Normen der jeweiligen Gesellschaft
abhängig.
1. Entdeckung und Verständnis von Jugend
Die Lebensphase Jugend tritt mit Beginn der Pubertät ein und beinhaltet einen ,,deutlichen
qualitativen Sprung in der Entwicklung der Persönlichkeitsentwicklung" (Hurrelmann 1997,
S. 34).
Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch über ein gewisses Maß an krimineller Energie
verfügt. Sie gründet auf Triebkräfte, die die eigenen Bedürfnisse gegen die Interessen
anderer durchsetzen wollen. Es gehört daher zur Persönlichkeitsentwicklung und zu einer
gesellschaftlich anerkannten Lebensführung, die ´asozialen` Triebe so weit zu drosseln,
dass ein möglichst konfliktfreier Kompromiss zwischen individueller Freiheit und der
Berücksichtigung gesellschaftlicher Interessen entstehen kann. Die entscheidenden
Weichen für diesen Vorgang werden in der Kindheit und der Jugend gestellt. Die
Erziehung macht es sich zum Ziel, die egoistischen Wünsche des Kleinkindes zu zügeln
und den Anforderungen der Gesellschaft in angemessener Weise anzugleichen. ,,Die
Entwicklung der Person wird im wesentlichen als Einfügungsprozeß in gesellschaftlich
definierte Normen und Werte verstanden" (Hurrelmann 1997, S. 55). Dabei erfolgt der
entscheidende Prozess der Erziehung über die Identifikation mit der wichtigsten
Bezugsperson des Kindes (Mutter, Vater, Geschwister...). Durch die Annahme von
Verhaltensweisen der Bezugsperson erlernt es allmählich eine zunehmend selbständige
Kontrolle über sein Verlangen nach Bedürfnisbefriedigung.
Mit der Pubertät können neuartige starke Triebschübe durch die Geschlechtsreife
freigesetzt werden. Der Jugendliche wird in dieser Lebensphase relativ plötzlich von
sexuellen und aggressiven Impulsen überflutet, für die er noch keine angemessene Form
der Bewältigung gefunden hat. Ähnlich wie in der Kindheit muss er versuchen, die
Ungleichheit zwischen biologischer und psychosozialer Entwicklung zu überwinden. Er ist
jetzt jedoch auf sich selbst gestellt und muss lernen, mit den neuen Anforderungen und
Herausforderungen umzugehen. ,,Im Unterschied zur Kindheit wird in der Jugendzeit eine

14
Bewältigung nur dadurch möglich, daß sich Jugendliche von den primären
Bezugspersonen, meist Mutter und Vater, innerlich ablösen und eine eigenständige,
autonome Organisation des Bewältigungsprozesses vornehmen" (Hurrelmann 1997, S.
32). Das dient dem Zweck, den Entwicklungsprozess selbständig und eigenverantwortlich
zu steuern.
Die Bedürfnis- oder Triebkontrolle ist ein wesentlicher Aspekt, um die Integration in
gesellschaftliche Systeme zu erreichen. Es ist für jeden von uns wichtig, in soziale
Netzwerke eingebunden zu sein, um Liebe, Geborgenheit, Vertrauen, Schutz und
Sicherheit zu erfahren und aus der Erfahrung ein gesundes und gefestigtes
Selbstbewusstsein entwickeln und eine Identität bilden zu können.
,,Beim Übergang vom Status Kindheit in den Status Jugend wird [außerdem] eine
schrittweise Erweiterung der Handlungsspielräume erkennbar, die eine gleichzeitige
Erweiterung der Rollenvielfalt mit sich bringt" (Hurrelmann 1997, S. 39). Entscheidend
sind hier die Ablösung von den Eltern und die Hinwendung zur peer ­ group
(Gleichaltrigengruppe). Der Jugendliche beginnt mit der Verselbständigung und versucht
sich parallel dazu, im neuen sozialen Beziehungs- und Rollengefüge zu behaupten. Die
peer ­ group ist ein zentraler Verhaltens- und Lebensbereich. Die Jugendlichen "üben"
soziale Muster gemeinsam mit ihren Freunden und erproben untereinander soziale
Verhaltensweisen. Die Gruppe ist sozusagen ein Spielfeld, auf dem es möglich ist, den
Umgang mit anderen zu lernen und den Übergang ins Erwachsenensein zunächst im
geschützten Raum der Gleichaltrigen zu erfahren. Die Jugendlichen können eigene
Grenzen austesten, die zum Teil auch an die Grenzen der rechtlichen Ordnung stoßen
können (jugendtypische Delikte). Darüber hinaus dient sie auch dem gegenseitigen
Austausch über jugendrelevante Probleme.
Begünstigende Hintergrundsbedingungen kriminellen Verhaltens während der
Lebensphase Jugend sind z.B. schwierige familiäre Verhältnisse (keine geeignete
Bezugsperson; keine Geborgenheit etc.), Armut und Arbeitslosigkeit, ungünstige
Wohnsituation und ein sozial randständiges Wohnumfeld, Zugehörigkeit zu kriminellen
Jugendgruppen, Tolerierung von Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung sowie negative
Medieneinflüsse z.B. durch Zeitungsberichte, gewaltverherrlichende Filme oder
Computerspiele.
In jeder Entwicklungsphase sollen Kompetenzen entwickelt werden, die die Entwicklung
weiterer Schritte voraussetzen. Für die Lebensphase Jugend gibt es nach Hurrelmann
1997 zusammengefasst vier wichtige Entwicklungsbereiche, um die Fähigkeit zur
Selbstbestimmung zu erreichen.

15
1. Entwicklung einer intellektuellen und sozialen Kompetenz, um selbstverantwortlich
schulischen und anschließend beruflichen Qualifikationen nachzukommen, mit dem Ziel,
eine berufliche Erwerbsarbeit aufzunehmen und dadurch die eigene ökonomische und
materielle Basis für die selbständige Existenz als Erwachsene zu sichern.
2. Entwicklung der eigenen Geschlechterrolle und des sozialen Bindungsverhaltens zu
Gleichaltrigen des eigenen und des anderen Geschlechts, Aufbau einer heterosexuellen
Partnerbeziehung, die langfristig die Basis für eine Familiengründung und die Geburt und
Erziehung eigener Kinder bilden kann.
3. Entwicklung eigener Handlungsmuster für die Nutzung des Konsumwarenmarktes und des
Freizeitmarktes einschließlich der Medien mit dem Ziel, einen eigenen Lebensstil zu
entwickeln und zu einem gesteuerten und bedürfnisorientierten Umgang mit den
entsprechenden Angeboten zu kommen.
4. Entwicklung eines Werte- und Normsystems und eines ethnischen und politischen
Bewusstseins, das mit dem eigenen Verhalten und Handeln in Übereinstimmung steht, so
dass die verantwortliche Übernahme von gesellschaftlichen Partizipationsrollen im
kulturellen und politischen Raum möglich wird.
2. Jugendkriminalität im Dunkelfeld
Man kann nur dann Aussagen zur Gesamtkriminalität in einer Gesellschaft treffen, wenn
man das so genannte Dunkelfeld, also den Teil der Kriminalität, der nicht den
Sanktionsorganen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht bekannt wird, mit
berücksichtigt.
Die Ermittlung des Dunkelfelds der Jugendkriminalität geschieht zumeist in Form von
Fragebögen und verbaler Befragung.
Die anonymen Befragungen, die in ,,Form standardisierter Interviews, bei denen Wortlaut
und Reihenfolge der Fragen festgelegt sind, die telefonisch oder durch Ausfüllen von
Fragebögen" (Schmitt 2oo1, S. 10) durchgeführt werden, geht es sowohl um
Täterbefragungen als auch um Opferbefragungen.
Bei der Täterbefragung geht es darum, herauszufinden, ob die befragte Person selber
Straftaten begangen hat und wenn ja, welche, oder von sonstigem abweichenden
Verhalten berichten kann.
Die Opferbefragung zielt darauf ab, nicht zur Anzeige gebrachte Straftaten zu ermitteln,
oder nicht strafrechtlich aufgeklärte Fälle und somit nicht in der polizeilichen
Kriminalstatistik aufgeführte Fälle jungendlicher Straftäter zu erfassen.
Neben der Untersuchungsform der Befragung gibt es auch die an Roland Girtler
angelehnte ,,teilnehmende Beobachtung". Bei dieser selten durchgeführten Form der
Statistikermittlung des Dunkelfeldes fügt sich ein Wissenschaftler in eine Gruppe ein, die
in diesem Fall delinquentes Verhalten aufweist. Der Wissenschaftler lebt und agiert in der

16
Gruppe und beobachtet das Handlungsmuster der Untersuchungspersonen. Das
Einfügen in eine Gruppe geschieht nicht verdeckt, so dass die Untersuchungspersonen
über die teilnehmende Beobachtung durch die Person als Wissenschaftler Bescheid
wissen. Es stellt sich bei dieser Feldforschung allerdings das Problem, dass die
getroffenen Beobachtungen nicht verallgemeinert werden können, sonder nur den
bestimmten Personenkreis und die bestimmten Situationen betreffen.
Bei der Form des Experiments ,,geht es um die wiederholte Beobachtung delinquenten
Verhaltens unter kontrollierten Bedingungen" (Schmitt 2oo1, S. 9). Das bedeutet, dass der
Wissenschaftler selber kriminelle Handlungen wie z.B. den Ladendiebstahl mehrfach
durchführt, um dann eine Art Kriminalitätsquote aufzustellen. Wenn von zehn
Ladendiebstählen z.B. neun erfolgreich waren, schließt er auf eine Dunkelzifferrelation
von 1:9.
Die Dunkelfeldforschung der letzten Jahre hat im Bereich der Jugendkriminalität ergeben,
dass die Dunkelzifferrelation im Bereich der Ladendiebstähle bei 1:1oo liegt. Das
bedeutet, dass 99 von 1oo Fällen unentdeckt bleiben. Bei der Sachbeschädigung beträgt
das Dunkelfeld 1:30. Körperverletzungen werden auf 1:1o und Einbruchdiebstähle auf 1:5
eingeschätzt und 1 Tötungsdelikt von 3 wird aufgedeckt (1:3).
Diese Zahlen, die einer Präsentationsveranstaltung der Polizei NRW entstammen, zeigen
deutlich, dass das ,,Hellfeld", d.h. die registrierte Jugendkriminalität, allein in keinem Maße
ausreicht, um die Gesamtkriminalität darzustellen, denn die Jugendkriminalität bewegt
sich zum großen Teil im Bereich des Diebstahls und der Sachbeschädigung. Diese
Delikte sind, wie oben dargestellt, in der Dunkelfeldforschung überrepräsentiert. Dadurch
fehlt dem Hellfeld ein relevanter Teil der Straftaten Jugendlicher, um annähernd
vollständige Ergebnisse zur Gesamtkriminalität liefern zu können.
3. Registrierte Jugendkriminalität
Die registrierte Jugendkriminalität deckt den Bereich der Straftaten ab, die den
Sanktionsorganen bekannt werden, d.h. Straftaten, die zur Anzeige gebracht werden und
der Täter durch die Polizei ermittelt sowie durch die Strafjustiz (Staatsanwaltschaft und
Gericht) verfolgt, verurteilt und somit in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) aufgeführt
wird. Die PKS dient der Erfassung des Umfangs und der Entwicklung von Kriminalität.
Außerdem sollen Erkenntnisse hinsichtlich präventiver, kriminalpolitischer und
strafverfolgender Maßnahmen getroffen werden.
Im Folgenden berufe ich mich bezüglich der Jugendkriminalitätsermittlungen auf die
polizeiliche Kriminalitätsstatistik des Landes Nordrhein ­ Westfalen (NRW) aus dem Jahr

17
2oo5 (vgl. www1.polizei-nrw.de/lka/Zahlen_und_Fakten/article/kriminalstatistik.html) und
auf die Statistik über Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW 2oo4 (vgl.
www1.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/31/00/00/Jahresbericht2004.pdf).
3.1
Vorkommen und Entwicklung von Jugendkriminalität
In der polizeilichen Kriminalstatistik NRW 2oo5 (PKS) wird in Tatverdächtige unter 21
Jahren, das beinhaltet Kinder, Jugendlichen und Heranwachsende, und ab 21 Jahren,
also Erwachsene, unterschieden.
Kinder bilden die Altersgruppe der unter 14- jährigen, die Jugendlichen entsprechen dem
Alter von 14 bis unter 18 Jahren und Heranwachsende werden der Altersgruppe von 18
bis unter 21 Jahren zugeordnet.
In meinen Ausführungen werde ich mich hauptsächlich den Altersgruppen der
Jugendlichen und Heranwachsenden widmen. Z.T. werde ich die Tatverdächtigenzahlen
der Kinder miteinbeziehen, wenn in der Statistik ausschließlich in unter 21- jährige
Straftäter und Erwachsene eingeteilt wird. Kinder fallen jedoch nicht in den
Aufgabenbereich der kriminalpädagogischen Jugendsozialarbeit. §19 StGB beinhaltet die
Schuldunfähigkeit des Kindes und sagt aus, dass schuldunfähig ist, wer bei der Begehung
der Tag noch nicht vierzehn Jahre alt ist.
Die Erwachsenenstatistik werde ich nicht aufführen, denn die Verfolgung und Verurteilung
nach dem Jugendgerichtsgesetz, worauf die kriminalpädagogische Jugendsozialarbeit
reagiert, ist nur bis zum Alter von 20 Jahren möglich. ,,§ 1. Persönlicher und sachlicher
Anwendungsbereich. (1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein
Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit
Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn,
Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre
alt ist" (§ 1 JGG).
Im Jahr 2oo5 erreichten die Tatverdächtigen der Altersgruppe Jugendlich und
Heranwachsend in Nordrhein ­ Westfalen einen Anteil von 23,6 %. Dies splittet sich auf in
12,9 % Jugendliche und 10,7 % Heranwachsende. In absoluten Zahlen gesprochen
bedeutet das, dass 61.043 Jugendliche und 50.612 heranwachsende Tatverdächtige in
NRW erfasst wurden. In Bezug zu den Tatverdächtigendaten aus 2oo4 bedeuten diese
Zahlen einen Rückgang von 1.693 jugendlichen Straftätern und 172 der
heranwachsenden (vgl. Tab. 4, 5 PKS)
Der Anteil der gesamten unter 21 Jahre alten Tatverdächtigen (einschl. Kinder) sank
stetig von 2oo1 bis 2oo5. Im Jahr 2oo1 lag der Prozentsatz bei 32,0 %. Im folgenden Jahr

18
konnten 31,0 % ermittelt werden. Im Jahr 2oo4 fiel die Zahl der Tatverdächtigen Kinder,
Jugendlichen und Heranwachsenden von 29,3 % (2oo3) auf 28,8 % und landete 2oo5 bei
28,7 %. Insofern gab es einen Abfall von 3,3 % innerhalb von 5 Jahren (vgl. Tab. 6 PKS).
Zur Ergänzung der oben genannten Daten übernehme ich nun eine Tabelle der PKS, die
die Tatverdächtigenbelastungszahlen (Tatverdächtige errechnet auf 100.000 der
entsprechenden Bevölkerung) von 1996 ­ 2oo5 darstellt.
In den anderen statistischen Auswertungen habe ich absolute Zahlen verwendet, daher
stimmen sie nicht mit den Tatverdächtigenbelastungszahlen überein. Anhand der
folgenden Tabelle kann man dennoch sehr gut die Entwicklung der Jugendkriminalität von
1996 ­ 2oo5 erkennen. Der Vollständigkeit halber habe ich Kinder und Erwachsenen
ebenfalls mit aufgeführt.
Tatverdächtigenbelastungszahlen
Jahr
Kinder
(8 bis unter 14
Jahre)
Jugendliche
(14 bis unter 18
Jahre)
Heranwachsende
(18 bis unter 21
Jahre)
Erwachsene
( ab 21 Jahre)
1996 2.377 7.343 7.928 2.084
1997 2.611 7.810 8.013 2.107
1998 2.680 7.805 8.273 2.091
1999 2.624 7.784 8.401 2.142
2ooo 2.589 7.976 8.686 2.232
2oo1 2.471 8.181 8.598 2.214
2oo2 2.395 7.995 8.367 2.283
2oo3 2.160 7.680 8.661 2.413
2oo4 2.099 7.551 8.697 2.462
2oo5 1.949 7.216 8.491 2.362
10.1 Deliktschwerpunkte der Jugendkriminalität
Ich werde folgend verschiedene charakteristische Delikte im Jugendalter aufführen, kurz
beschreiben und ihren Anteil in der Statistik der Jugend- und
Heranwachsendenkriminalität aus der PKS und der Statistik über Jugendkriminalität und
Jugendgefährdung NRW 2oo4 darstellen.
10.1.1 ´Bagatelldelikte`
´Bagatelldelikte` sind im allgemeinen Delikte mit geringem Schaden.

19
In dem Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz von Heribert Ostendorf (1997) werden u.a.
folgende Straftaten beispielhaft aufgeführt:
-
Straftaten nach dem § 248a StGB (´Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger
Sachen`);
-
Diebstahl (§ 242 StGB), Unterschlagung (§ 246 StGB) und Betrug (§ 263 StGB),
wenn die Schadenshöhe etwa unter (damals) 100 DM liegt;
-
Sachbeschädigung aus einer jugendtypischen Situation oder Motivation heraus,
wie Langeweile oder ´Gruppenzwang`;
-
Leichte Fälle des Fahrraddiebstahls (§§ 242, 243 StGB);
-
Fahrlässige Körperverletzung (§ 230 StGB);
-
Leichte Fälle vorsätzlicher Körperverletzung, d.h. bei leichtem Angriff und
geringem Schuldgehalt (§§ 223, 223a StGB).
Bagatelldelikte finden sich nur zum Teil in der PKS wieder, da die Staatsanwaltschaft
nach den §§ 45 (Absehen von der Verfolgung), 47 (Einstellung des Verfahrens durch den
Richter) JGG bei Bagatellen die Möglichkeit hat, von der Strafverfolgung abzusehen oder
durch die Jugendgerichtshilfe ein Diversionsverfahren einzuleiten, welches ebenfalls nicht
durch die PKS aufgeführt wird. Kommt es dennoch bei ,,Bagatelldelikten" zur
Strafverfolgung, finden sich die unterschiedlichen Deliktarten nochmals innerhalb der
Bereiche der Eigentums- und Gewaltdelikte wieder.
10.1.2 Eigentumsdelikte
Eigentumsdelikte umfassen nach Eisenberg Diebstahl, Unterschlagung, Hehlerei, Betrug
und Brandstiftung (vgl. Eisenberg 2ooo, § 45).
Ich werde mich bei meinen Ausführungen mit den verschiedenen Formen der
Diebstahldelikte und Sachbeschädigungen beschäftigen, da sie sich in der
überrepräsentierten Deliktform jugendlicher und heranwachsender Straftatverdächtigen
wiederfindet.
Diebstahldelikte
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem Diebstahl unter erschwerenden
Bedingungen (Einbruchdiebstahl; Kfz - Diebstahl) und dem Diebstahl ohne erschwerende
Umstände (Ladendiebstahl; Taschendiebstahl; Zweirad ­ Diebstahl; Automatendiebstahl).
Der Diebstahl unter erschwerenden Bedingungen ist häufig ein Gruppendelikt. Laut PKS
liegt der Anteil der unter 21 ­ jährigen Tatverdächtigen (hier sind auch die Kinder ab 8
Jahren einbezogen) beim Einbruchdiebstahl in bzw. Diebstahl aus Dienst-, Büro-,
Werkstatt- und Lagerräumen bei 49,1 %. Der Einbruchdiebstahl zählt nach § 243 Abs. 1

20
Satz 2 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zu dem besonders schweren Fall des Diebstahls und
wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren geahndet.
Der Wohnungseinbruchsdiebstahl weist 39,8 % auf. Er ist unter § 244 Abs. 1 Nr. 4 StGB
aufgeführt und wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren
bestraft. Alleintäter der Gruppierung ´unter erschwerenden Bedingungen` findet man z.B.
beim Kfz ­ Diebstahl. Der Anteil der unter 21- jährigen am Diebstahl von, aus und an
Kraftfahrzeugen lag im Jahr 2oo5 bei 45,9 %.
Der einfache Diebstahl (§ 242 StGB), welcher zumeist von Alleintätern durchgeführt wird,
ist unter anderem dem Ladendiebstahl (37,2 %), dem Diebstahl aus Kiosken (60,3 %) und
dem Taschendiebstahl (46,4 %) zugeordnet. Er wird mit Geldstrafe oder einer
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Zusätzlich gibt es den Diebstahl von Mopeds
und Krafträdern, welcher bei 83,6 % liegt, und den Fahrraddiebstahl (63,9 %). Bei dieser
Deliktart findet der im StGB verankerte § 248b (Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs)
Verwendung, der auch den Kfz ­ Diebstahl miteinbezieht. Die Strafandrohung beträgt
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. 59,6 % der Automatendiebstähle sind
auf Straftäter unter 21 Jahren zurückzuführen (vgl. Tab. 10 PKS).
Gründe für Diebstahlsdelikte können u.a. finanzielle Sorgen, Mutproben,
Geltungsbedürfnis und Machtausspielung sein.
Gerade die Aspekte, die nicht den materiellen Erfolg ansprechen, sind schwer zu
beeinflussen.
Häufig steckt jedoch hinter den Eigentumsdelikten der Wunsch nach Verbesserung der
finanziellen Situation.
Sachbeschädigung
Die Sachbeschädigung wird laut PKS in 49,4 % der Fälle von Kindern, Jugendlichen und
Heranwachsenden begangen. Sie ist in § 303 StGB geregelt und wird mit einer Geldstrafe
oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet.
Straftatbestand der Sachbeschädigung ist z.B. das Beschmieren von privatem oder
öffentlichem Eigentum durch Graffiti. Auch das Verwüsten von öffentlichen Anlagen
(Parkanlagen, Schulanlagen) oder Zerstören von Telefonzellen wird dem § 303
(Sachbeschädigung) StGB zugeordnet. Diese Beispiele sind nur ein Auszug möglicher
Sachbeschädigungen durch Kinder, Jugendliche und Heranwachsende.
Ein Grund für Straftaten im Bereich der Sachbeschädigung ist die Langeweile. Gerade in
Großstädten finden sich selten öffentliche Anlagen, die Möglichkeiten der Betätigung und
Beschäftigung bieten. Der Jugendliche benötigt meiner Meinung nach Freizeitangebote,
die seinen Bewegungs- und Entdeckungsbedürfnissen gerecht werden und seine
Abenteuerlust stillen.

21
10.1.3 Gewaltdelikte
,,Nach heutiger Rechtssprechung ist Gewalt zu definieren als körperlich wirkender Zwang
durch die Entfaltung von Kraft oder durch sonstige physische Einwirkung, die nach ihrer
Intensität und Wirkungsweise dazu geeignet ist, die freie Willensentschließung oder
Willensbetätigung eines anderen zu beeinträchtigen" (Kindhäuser 2oo2, S. 743).
Unter diesen Punkt werde ich speziell die Körperverletzungsdelikte darstellen, da sie den
größten Teil der Gewaltdelikte von Jugendlichen und Heranwachsenden ausmachen.
Gewalttaten werden vor allem im öffentlichen Raum begangen. Strafrechtlich handelt es
sich um Delikte auf Straßen, Wegen und Plätzen sowie im Bereich öffentlicher
Verkehrsmittel.
Im StGB findet sich kein Paragraph, der den Begriff ,,Gewalt" als einzige Deliktart aufführt.
Er wird jedoch häufig zur Umschreibung einer Straftatsbegehung in verschiedener
Paragraphen aufgegriffen (vgl. z.B. §§ 234 Abs. 1 (Menschenraub), 240 Abs. 1, 2
(Nötigung), 249 Abs. 1 (Raub), 253 Abs. 1, 2 (Erpressung) StGB).
In der PKS umfasst die Gewaltkriminalität folgende Delikte: ,,Mord, Totschlag,
Vergewaltigung und besonders schwere Fälle der sexuellen Nötigung, Raub, räuberische
Erpressung, Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperverletzung,
Geiselnahme, erpresserischer Menschenraub und Angriff auf den Luft- und Seeverkehr"
(PKS NRW 2oo5, S. 24). Die vorsätzlich leichte Körperverletzung wird nicht zu den
Gewaltdelikten der PKS gezählt, ist jedoch gerade im Bereich der Jugend- und
Heranwachsendenkriminalität von Bedeutung. Aus diesem Grund verwende ich im
Bereich der Körperverletzung zusätzlich Zahlen und Fakten aus der Statistik über
Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW des Jahres 2oo4. Dort finden sich die
Körperverletzungsdelikte der Tatverdächtigen unter 21 Jahren aufgeteilt in ,,gefährliche
und schwere Körperverletzung" und ,,vorsätzliche leichte Körperverletzung".
Nach der Statistik über Jugendkriminalität und Jugendgefährdung in NRW aus 2oo4
wurden 7.168 gefährliche und schwere Körperverletzungen von Jugendlichen gezählt. Sie
macht im Bereich der Jugendkriminalität einen Prozentsatz von 20,3 % aus. Gegenüber
2oo3 entspricht das einer Zunahme von 116 Delikten, im Jahr 2ooo fanden sich ,,nur"
6.468 Straftaten dieser Deliktart (Zunahme bis 2oo4: 700 gefährliche und schwere
Körperverletzungen). 15 % der Straftaten von Heranwachsenden fallen in dieses Gebiet.
Das bedeutet, dass 5.312 Personen im Alter von 18 bis unter 21 Jahren im Jahr 2oo4
Delikte im Bereich der gefährlichen und schweren Körperverletzung verübten. Das
entspricht einer Zunahme von 311 Straftaten im Vergleich zum Jahr 2oo3. Gegenüber

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836604352
DOI
10.3239/9783836604352
Dateigröße
669 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Bielefeld – Sozialwesen, Studiengang Sozialpädagogik
Erscheinungsdatum
2007 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
jugendkriminalität jugendarbeit kriminalpädagogik jugend erziehung sozialarbeit kriminalität
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