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Zinsrisikomanagement und Hedge Accounting nach IFRS

Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen im Zinsrisikobereich unter Berücksichtigung der Risikomanagementpraxis

©2005 Diplomarbeit 79 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die letzten Jahrzehnte sind durch eine sehr hohe Veränderungsdynamik der Weltwirtschaft gekennzeichnet. Neue Technologien, Informations- und Kommunikationssysteme in Verbindung mit Deregulierungsmaßnahmen in vielen Bereichen und Ländern haben zu einer immer mehr zusammenwachsenden Weltwirtschaft mit neuen Chancen und Gefahren geführt.
Ebenfalls eine hohe Dynamik ist während der letzten zwei Jahrzehnte in einem spezifischen finanzwirtschaftlichen Bereich zu beobachten, und zwar auf dem Gebiet derivativer Finanzinstrumente. Die rasante Entwicklung in diesem Bereich verdeutlicht Abbildung 1:
Die niedrigen Abschlusskosten derivativer Geschäfte haben anfangs viele Unternehmen dazu verleitet, diese Instrumente zu Spekulationszwecken einzusetzen. Unter Vernachlässigung möglicher Gefahren hat dies zu spektakulären Unternehmenszusammenbrüchen und –krisen geführt. Nicht zuletzt diese Krisen haben schließlich zur Corporate Governance-Debatte geführt, die in Deutschland in die Verabschiedung des KonTraG mündete.
Derivate haben jedoch auch ihre „gute“ Seite. So können bspw. Optionen, Forwards, Futures, Swaps und andere Finanzinstrumente von Unternehmen bewusst und zielorientiert zur Steuerung der Zins- und anderen Marktpreisrisiken eingesetzt werden.
Eine große Bedeutung haben Derivate insbesondere im Zinsrisikobereich der Kreditinstitute erlangt. Diese werden im Rahmen des Zinsrisikomanagementprozesses für die aktive Steuerung von Zinsrisiken eingesetzt. Die nur sehr geringen Abschlusskosten und die hohe Anzahl verzinslicher Positionen bei Banken machen diese Risikosteuerungsinstrumente nahezu unverzichtbar.
Mit den rasanten Entwicklungen im derivativen Bereich konnten hingegen die Rechnungslegungssysteme nicht Schritt halten: Die Bilanzierung und Bewertung von Derivaten ist zu einem der kompliziertesten und umstrittensten Gebiete der Rechnungslegung geworden.
Eine besondere Problematik entsteht in dieser Hinsicht bei der Abbildung ökonomisch zusammenhängender Sachverhalte im Falle der Absicherung mit Derivaten. Die Schwierigkeiten sind dabei unterschiedlich ausgeprägt und entstehen je nach Konzeption des jeweiligen Rechnungslegungssystems aus anderen Gründen.
Während im deutschen Handelsrecht derartige Sachverhalte außer Acht gelassen wurden und weiterhin werden, bemühen sich die Standardsetter großer kapitalmarktorientierter Rechnungslegungssysteme (IFRS/US-GAAP) geeignete Vorschriften zu entwickeln. Die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ghenadie Mindru
Zinsrisikomanagement und Hedge Accounting nach IFRS
ISBN: 978-3-8366-0414-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland, Diplomarbeit, 2005
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis... III
Abkürzungsverzeichnis... V
1 Problemstellung ... 1
2 Management
von Zinsrisiken ... 5
2.1 Grundlegende
Begriffe ... 5
2.2 Wesen und Ausprägungen des Zinsrisikos ... 6
2.3 Organisatorische Aspekte ... 9
2.4 Zinsrisikomanagement
als
dynamischer Prozess... 11
2.4.1 Schematische
Darstellung... 11
2.4.2 Risikoidentifikation... 12
2.4.3 Zinsrisikomessung... 13
2.4.4
Zinsrisikosteuerung ... 17
2.4.4.1 Handlungsalternativen... 17
2.4.4.2 Begriff und Arten des Hedging... 18
2.4.4.3 Hedging mit Finanzderivaten ... 19
2.4.5 Risikoüberwachung
und ­kontrolle... 21
3 Hedge
Accounting... 23
3.1 Notwendigkeit und Arten ... 23
3.2 Sicherungsbeziehungen nach HGB... 24
3.3 Grundlagen des Hedge Accounting nach IFRS... 25
3.3.1 Zielsetzung
und Entstehung ... 25
3.3.2
Arten von Sicherungsbeziehungen... 27
3.3.3 Bestandteile
einer
Sicherungsbeziehung ... 28
3.3.4 Formale
Anforderungen... 31
3.3.5 Effektivitätsmessung ... 32

II
3.3.6 Bilanzierung ...36
3.3.7 Umsetzungsproblematik...38
4
Portfolio Hedge Accounting für Zinsrisiken ...41
4.1 Entstehung und Grundkonzeption...41
4.2 Ablauf des Portfolio Hedge Accounting...42
4.2.1 Portfolioidentifikation
und Bildung der Laufzeitbänder ...42
4.2.2
Bestimmung des abzusichernden Betrags...44
4.2.3
Gesichertes Risiko und Sicherungsgeschäfte...45
4.2.4 Effektivitätstest...46
4.2.5 Bilanzierung ...49
4.3 Umsetzungsproblematik...51
5
Analyse des Hedge Accounting und Ausblick ...53
5.1 Hedge Accounting aus Sicht des Bilanzadressaten ...53
5.2 Zusammenfassung...54
Anhang ...57
Literaturverzeichnis ...63

III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Zinsrisikomanagement-Prozess ... 11
Abb.
2: Portfolio Hedge Accounting für Zinsrisiken... 42
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Zinsderivate ... 19

V
Abkürzungsverzeichnis
§
Paragraph
Euro
A/P-S
Aktiv/Passiv
Steuerung
Abb. Abbildung
ABBB
Ausschuss für Bilanzierung des Bundesverban-
des deutscher Banken
Abs.
Absatz
AC
Anschaffungskosten / at cost
AfS
Available for Sale Financial Assets
AG
Application
Guidance
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BCBS
Basel Committee on Banking Supervision
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
CF
Cash Flow
CF-Hedge
Cash
Flow-Hedge
CF-Hedge-Beziehung Cash
Flow-Hedge-Beziehung
CF-Risiken
Cash
Flow-Risiken
CF-Risiko
Cash
Flow-Risiko
CF-Schwankungen
Cash Flow-Schwankungen
d.h.
das
heißt
DOM
Dollar-Offset-Methode
et al.
und andere
EU-Komission
Komission der Europäischen Union
f.
folgende
ff.
fortfolgende
Fn.
Fußnote

VI
FRA
Forward Rate Agreement
FV
Fair Value
FV-Änderung
Fair
Value-Änderung
FV-Bilanzierung Fair
Value-Bilanzierung
FV-Hedge
Fair
Value-Hedge
FV-Hedge-Beziehung Fair
Value-Hedge-Beziehung
FV-Option
Fair
Value-Option
FV-Risiko
Fair
Value-Risiko
FV-Schwankungen
Fair Value-Schwankungen
FVtPL
Financial Instruments at fair Value Through Profit
or Loss
FV-Veränderungsrate
Fair
Value-Veränderungsrate
GuV
Gewinn und Verlustrechnung
GuV-Ergebnis
Gewinn und Verlustrechnung-Ergebnis
HFV
Hedge Fair Value
HFV-Änderungen
Hedge Fair Value-Änderungen
HGB
Handelsgesetzbuch
HtM
Held to Maturity
HtM-Positionen
Held
to
Maturity-Positionen
HVF Hedge
Fair
Value
HVF-Änderung
Hedge Fair Value-Änderung
i.d.R.
in der Regel
IAS
International Accounting Standards
IASB
International Accounting Standards Board
IASC
International Accounting Standards Committee
IDW
Institut Deutscher Wirtschaftsprüfer
IFRS
International Financial Reporting Standards
IT-Systeme
Informationstechnologie-Systeme
KonTraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unter-
nehmensbereich

VII
LaR
Loans and Receivables
LIBOR
London Interbank Offered Rate
MD
Modified
Duration
MWek
Marktwertverlust des Eigenkapitals
MWR
Marktwertrisiko
NBW
Neubewertungsrücklage
Nr.
Nummer
OTC-Märkte
Over The Counter-Märkte
OTC-Produkte
Over The Counter-Produkte
PWC
Price Waterhouse Cooopers
RLZ Restlaufzeit
S.
Seite
s.a.
siehe
auch
sog.
so genannt
Tab.
Tabelle
US-GAAP
General Accepted Accounting Principles
usw.
und so weiter
VaR
Value at Risk
VaR-Berechnung
Value at Risk-Berechnung
Vgl.
vergleiche
WS
Wahrscheinlichkeit
z.B.
zum Beispiel
ZK
Zinsstrukturkurve

1
1 Problemstellung
Die letzten Jahrzehnte sind durch eine sehr hohe Veränderungsdynamik der
Weltwirtschaft gekennzeichnet. Neue Technologien, Informations- und Kom-
munikationssysteme in Verbindung mit Deregulierungsmaßnahmen in vielen
Bereichen und Ländern haben zu einer immer mehr zusammenwachsenden
Weltwirtschaft mit neuen Chancen und Gefahren geführt.
Eine rasante Entwicklung ist während der letzten zwei Jahrzehnte auch in
einem der bedeutendsten Bereiche der Finanzwelt zu beobachten, und zwar
auf dem Gebiet derivativer Finanzinstrumente.
Die niedrigen Abschlusskosten derivativer Geschäfte haben anfangs viele
Unternehmen dazu verleitet, diese Instrumente zu Spekulationszwecken ein-
zusetzen. Unter Vernachlässigung möglicher Gefahren hat dies zu spektaku-
lären Unternehmenszusammenbrüchen und -krisen geführt. Nicht zuletzt
diese Krisen haben schließlich zur Corporate Governance-Debatte geführt,
die in Deutschland in die Verabschiedung des KonTraG mündete.
1
Derivate haben jedoch auch ihre ,,gute" Seite. So können bspw. Optionen,
Forwards, Futures, Swaps und andere Finanzinstrumente von Unternehmen
bewusst und zielorientiert zur Steuerung der Zins- und anderen Marktpreisri-
siken eingesetzt werden.
2
Eine große Bedeutung haben Derivate insbesondere im Zinsrisikobereich der
Kreditinstitute erlangt. Diese werden im Rahmen des Zinsrisikomanagement-
prozesses für die aktive Steuerung von Zinsrisiken
3
eingesetzt. Die nur sehr
geringen Abschlusskosten und die hohe Anzahl verzinslicher Positionen bei
Banken machen diese Risikosteuerungsinstrumente nahezu unverzichtbar.
Mit den rasanten Entwicklungen im derivativen Bereich konnten hingegen die
Rechnungslegungssysteme nicht Schritt halten: Die Bilanzierung und Bewer-
1
KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) sieht insbe-
sondere vor, dass ,, der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein
Überwachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefähr-
dende Entwicklungen früh erkannt werden" (§ 91 Abs.2 AktG); Siehe Nücke/ Feinende-
gen (1998), S. 4 f.
2
Vgl. Glaum (2000), S. 9

2
tung von Derivaten ist zu einem der kompliziertesten und umstrittensten Ge-
biete der Rechnungslegung geworden.
4
Eine besondere Problematik entsteht in dieser Hinsicht bei der Abbildung
ökonomisch zusammenhängender Sachverhalte im Falle der Absicherung
mit Derivaten. Die Schwierigkeiten sind dabei unterschiedlich ausgeprägt und
entstehen je nach Konzeption des jeweiligen Rechnungslegungssystems aus
anderen Gründen.
Während im deutschen Handelsrecht derartige Sachverhalte außer Acht ge-
lassen wurden und weiterhin werden, bemühen sich die Standardsetter gro-
ßer kapitalmarktorientierter Rechnungslegungssysteme (IFRS/US-GAAP)
geeignete Vorschriften zu entwickeln. Die vorhandenen umfassenden Reg-
lements sind jedoch oft sehr restriktiv ausgelegt und aufwändig in ihrer
Anwendung.
Ausgehend von den obigen Ausführungen beschäftigt sich diese Arbeit im
Folgenden mit der bilanziellen Abbildung von Sicherungsbeziehungen im
Zinsrisikobereich unter Berücksichtigung der Zinsrisikomanagementpraxis.
Diesbezüglich werden folgende Zielsetzungen verfolgt:
-
Definition und Strukturierung von Zinsrisiken sowie Darstellung eines typi-
schen Prozesses zu deren Steuerung im Bankensektor;
-
Darstellung bestehender allgemeiner und zinsrisikospezifischer Vorschrif-
ten zur Abbildung von Absicherungsbeziehungen nach IFRS;
-
Aufzeigen möglicher Probleme und Schwierigkeiten aus der Anwendung
der Vorschriften und eventueller Auswirkungen auf das Zinsrisikomana-
gement.
Die Ausführungen zu diesen Fragestellungen werden auf drei Hauptabschnit-
te aufgeteilt.
Im Mittelpunkt des ersten dieser Abschnitte steht die Darstellung eines für
den Bankensektor typischen Prozesses zur Steuerung der Zinsrisiken. Bevor
auf die einzelnen Phasen dieses Prozesses eingegangen wird, werden die
allgemeinen Begriffe erklärt, die Zinsrisiken definiert und deren Bedeutung
3
In dieser Arbeit wird im weiteren Verlauf einheitlich der Begriff Zinsrisiko und nicht der
weit verbreitete Begriff Zinsänderungsrisiko verwendet, da ein Risiko schon eine even-
tuelle Änderung einschließt; Vgl. Bessler (1989), S. 1, Fn. 3
4
Vgl. Barckow (2004), S. 2

3
für den Bankensektor aufgezeigt. Anschließend werden die typischen Orga-
nisationsstrukturen im Zinsrisikobereich der Banken kurz angegangen.
Die nachfolgenden zwei Teile beschäftigen sich mit den spezifischen Vor-
schriften der IFRS im Hinblick auf der Abbildung von Sicherungsbeziehungen
(Hedge Accounting).
Im ersten Schritt werden diesbezüglich die allgemeinen Regelungen (mit
Ausklammerung der spezifischen Vorschriften für Zinsrisiken) dargestellt und
die daraus entstehenden Problematiken für den Zinsrisikobereich aufgezeigt.
Im nächsten Schritt werden die Vorschriften zum Portfolio Hedge Accounting
der Zinsrisiken in den Mittelpunkt gestellt. Diese von IASB vor allem auf
Druck der Banken neu erlassenen Regelungen sollen die Praxis des Zinsrisi-
komanagements erleichtern. Inwieweit jedoch auch diese mit Schwierigkeiten
verbunden sind, soll mit der Darstellung der komplexen Reglements unter
Aufzeigen möglicher Problemstellen demonstriert werden. Um diese zu ver-
deutlichen werden dabei im Laufe der Arbeit explikative Beispiele eingefügt.
Im abschließenden Teil dieser Arbeit wird zunächst das Hedge Accounting
aus bilanzanalytischer Sicht in Kürze beurteilt und anschließend werden die
wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst.

5
2 Management von Zinsrisiken
2.1 Grundlegende
Begriffe
,,Risiko" und ,,Risikomanagement" sind die ursächlichen Begriffe für das Be-
stehen dieser Arbeit. Sie sollen deshalb an dieser Stelle erläutert werden.
Aus statistischer Sicht ist das Risiko durch die Variabilität der Ergebnisse
gekennzeichnet, d.h. durch die Verteilungsfunktion einer Zufallsvariable.
5
Ein häufig in der Praxis verwendetes Risikomaß ist die Varianz, welches so-
wohl die negativen als auch die positiven Abweichungen vom Erwartungs-
wert berücksichtigt. Übertragen auf betriebswirtschaftliche Sachverhalte ist
das Risiko eher mit den negativen Folgen (Verlustgefahr) einer Entscheidung
gleichzusetzen.
6
Die positiven Konsequenzen, auch als Chance bezeichnet, sind für die Risi-
koeinschätzung nicht erforderlich. Ein Unternehmer muss erst einmal seine
Risiken ausreichend gut kennen, um daraus Chancen zu machen.
7
Unter Unternehmensrisiko werden folglich Ereignisse oder Handlungen ver-
standen, die den Erfolg oder den Fortbestand des Unternehmens gefährden.
Die Risiken im Unternehmen sind in ihrer Entstehung auf unterschiedliche
Ursachen zurückzuführen. Dementsprechend lassen sie sich auch kategori-
sieren, wie z.B. in Markt-, Kredit-, Liquiditätsrisiken, rechtliche und andere
Risikoarten.
8
Diese Risikoarten können in Abhängigkeit von der Branchenzu-
gehörigkeit oder der Struktur des Unternehmens unterschiedlich ausgeprägt
sein.
So ist bspw. das Marktrisiko in der Unternehmenspraxis eine der bedeu-
tendsten Risikoarten überhaupt. Diesem Risiko können solche Positionen im
Unternehmen unterliegen, die auf Schwankungen von Wechselkursen, Zins-
sätzen, Aktienkursen oder Rohwarenpreisen zurückzuführen sind.
9
5
Vgl. Oehler/Unser (2002), S.11
6
Vgl. Kupsch (1973), S. 24 f.
7
Vgl. Merbecks et al. (2004), S.25
8
Vgl. Scharpf/Luz (2000), S. 81
9
Vgl. Scharpf/Luz (2000), S. 88

6
Diese Risiken sind sowohl in Industrieunternehmen als auch in Finanzinstitu-
tionen vorhanden. Sie sind jedoch unterschiedlich ausgeprägt: In großen In-
dustrieunternehmen hat bspw. das Währungsrisiko und in Kreditinstituten
das Zinsrisiko die gewichtigere Rolle.
Die Unternehmensrisiken können je nach Ausmaß und Ausprägung die Er-
träge oder sogar die Existenz eines Unternehmens erheblich gefährden.
Dennoch darf ihre Steuerung nicht bloß mit deren Vermeidung gleichgesetzt
werden: Langfristig kann kaum ein Unternehmen risikolose Gewinne erwirt-
schaften. Das Eingehen von Risiken ist genauso unverzichtbar wie der kon-
trollierte Umgang mit diesen.
Das Risikomanagement wird in einer sehr allgemeinen Definition als die Un-
ternehmensführung unter Berücksichtigung der Unsicherheit bezeichnet.
10
Alle Aktivitäten zu einem systematischen Umgang mit den Risiken werden
als Risikomanagement-Prozess bezeichnet. Dazu gehören die Identifikation,
Messung, Steuerung und
Überwachung der Risiken.
11
Da Zinsrisiken in der Mittelpunktbetrachtung dieser Arbeit stehen, wird im
späteren Verlauf der Prozess des Risikomanagements am Beispiel von Zins-
risiken im Bankensektor näher dargestellt.
2.2 Wesen und Ausprägungen des Zinsrisikos
Einem Zinsrisiko unterliegen sämtliche verzinsliche Positionen in und außer-
halb der Bilanz eines Unternehmens. Es besteht darin, dass der Zinssatz
nicht jederzeit an geänderte Marktzinssätze angepasst werden kann. Darauf
ist auch die besondere Bedeutung der Zinsrisiken für die Kreditwirtschaft zu-
rückzuführen: Nahezu alle bilanziellen und außerbilanziellen Positionen sind
monetärer, folglich auch verzinslicher Natur. Zusätzlich erwirtschaften die
Banken auch den größten Teil ihrer Erträge aus dem Zinsgeschäft.
10
Vgl. Oehler/Unser (2002), S.15; Unter Unternehmensführung wird der Prozess der Pla-
nung, Steuerung und Kontrolle des Unternehmensgeschehens verstanden. Zur Integra-
tion des Risikomanagements in den Prozess der Führung siehe Mikus (1999), S. 85 ff.
11
Vgl. Nücke/Feinendegen (1998), S. 16 ff.

7
In Unternehmen des nichtfinanziellen Sektors stellt das Zinsrisiko jedoch ein
sachzielfremdes Risiko dar. Häufig ist es mit Finanzierungs- und Investiti-
onsentscheidungen verbunden. Langfristig wird jedoch auch eine Gefahr in
den negativen Einwirkungen auf die operativen Cash Flows erkannt.
12
In der Fachliteratur sind unterschiedliche Definitionen des Zinsrisikos aufzu-
finden. Dies ist mit der Zielgröße und dem Referenzwert dieser Zielgröße zu
erklären, an dem das Zinsrisiko gemessen wird.
13
So kann das Zinsrisiko bspw. als die Gefahr bezeichnet werden, dass sich
aufgrund der Änderung der Marktzinsen eine erwartete Zinsergebnisgröße
verringern kann.
14
Es kann dagegen auch als die Gefahr verstanden werden,
dass bei einer Verringerung der Marktzinsen der Wert eines Vermögenswerts
sinkt.
15
Im Sinne oben aufgeführter Definitionen kann das Zinsrisiko als ein Cash
Flow(CF)- bzw. Fair Value(FV)-Risiko aufgefasst werden.
16
Das CF-Risiko
drückt dabei die kurzfristigen, periodischen Effekte der Zinsänderungen aus.
Beim FV-Risiko werden die Auswirkungen der Zinsschwankungen auf ver-
zinsliche Positionen aus der Barwertperspektive betrachtet. Somit besteht
beim FV-Risiko die Gefahr, dass sich das Eigenkapital der Bank verringert.
17
Durch diese Perspektive werden die langfristigen Effekte der Zinsänderun-
gen aufgezeigt.
18
Indirekt lösen Zinsänderungen auch Struktur- und Bonitätseffekte aus. Dar-
unter werden notwendige Umschichtungen
19
der Bilanz bzw. geänderte Zah-
lungsfähigkeit von Bankschuldnern verstanden.
20
12
Vgl. Glaum (2000), S. 57
13
Vgl. Hartschuh (1996), S. 10
14
Vgl. Schierenbeck (2001), S. 7
15
Vgl. Scott (2000), S. 279 f.
16
Vgl. Scharpf/Luz (2000), S. 91 f.
17
Werden die neu ermittelten Barwerte der Aktiva und Passiva saldiert, ergibt sich die
neue EK-Größe.
18
Vgl. Schierenbeck (2001), S. 99 ff. S.a. Scharpf/Luz (2000), S. 92
19
Bspw. erfolgt in Hochzinsphasen eine Allokation der Spar- zu Termineinlagen; Siehe
Benz (1997), S. 32
20
Vgl. Benz (1997), S. 32 f.

8
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht definiert das Zinsrisiko allgemei-
ner: Das ist das Risiko, dass sich Zinsänderungen negativ auf die Finanzlage
einer Bank auswirken.
21
Des Weiteren unterscheidet der Ausschuss diesbezüglich vier Risikoarten:
Neufestsetzungs-, Zinsstrukturkurven-, Basis- und Optionsrisiken:
22
-
Das Neufestsetzungsrisiko (Repricing Risk) entsteht aus unterschiedlichen
Zinsbindungsfristen. Diesem Risiko wird in der Literatur die meiste Ach-
tung geschenkt. Es äußert sich darin, dass bei Veränderungen der Zins-
sätze sich zukünftige Erträge und aktuelle Barwerte für die Bank ändern.
-
Das Zinsstrukturkurvenrisiko (Yield Curve Risk) entsteht, wenn sich die
Neigung oder die Gestalt der Zinsstrukturkurve
23
unerwartet verändert.
-
Das Basisrisiko (Basis Risk) tritt bei einer unvollkommenen Korrelation der
Zinsstrukturkurven ein, die unterschiedlichen Positionen zugrunde liegen.
-
Das Optionszinsrisiko (Optionality) ergibt sich aus den in vielen Positionen
der Bank eingebetteten Optionen. Die Ausübung dieser durch den Ver-
tragspartner erfolgt in der Regel zu Ungunsten des Unternehmens.
Generell gehören die Zinsrisiken in Banken zum alltäglichen Geschäft. Sie
entstehen sowohl im originären Kredit- und Einlagegeschäft als auch aus den
eigenen Handelsaktivitäten.
24
In einem größeren Ausmaß können sie jedoch eine Gefährdung der Ertrags-
lage und der Eigenkapitalgrundlage des Instituts darstellen. Um eine Auswir-
kung der Zinsrisiken auf die Finanzlage eines Kreditinstituts in Grenzen zu
halten, ist ein kontrollierter und strukturierter Umgang mit diesen unumgäng-
lich. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Zinsrisiken in der Kredit-
wirtschaft wird im Folgenden das Management der Zinsrisiken bei Banken
näher dargelegt.
21
Vgl. BCBS (2004), S. 5
22
Vgl. BCBS (2004), S. 5 f.
23
Eine Zinsstrukturkurve (ZK) bringt die von der Laufzeit abhängige Struktur der Zinssätze
zum Ausdruck; Vgl. Betsch et al (2000), S. 17. Sie verläuft "normal", wenn die langfristi-
gen Renditen höher sind als die kurzfristigen. Die von Banken ausgegebenen Kredite
haben i.d.R. eine längere Laufzeit als die Refinanzierungstitel, so dass daraus Erträge
entstehen. Siehe dazu Bessler (1989), S. 34
24
Vgl. Prahl (2004), S.213

9
2.3 Organisatorische Aspekte im Zinsrisikobereich der
Banken
Im Umgang mit den Zinsrisiken haben sich in den Banken spezifische Struk-
turen entwickelt. Das Zinsrisiko wird auf der Gesamtbankebene gesteuert
und überwacht. Die Geschäftsleitung hat hiernach zu entscheiden, welche
Risiken und in welchem Ausmaß aus Ertragsüberlegungen gezielt übernom-
men werden sollen. In diesem Kontext hat sie die grundlegenden Rahmen-
bedingungen für ein Risikomanagement festzulegen und an die verantwortli-
chen Mitarbeiter zu kommunizieren.
Im Rahmen dieser sog. passiven Risikosteuerung haben Limitsysteme eine
herausragende Rolle erlangt. Sie werden von der Geschäftsleitung vergeben
und sollen das Eingehen von Zinsrisiken eingrenzen.
25
Der aktive Teil der Risikosteuerung ist dagegen in Banken typischerweise auf
zwei Bereiche aufgeteilt: Treasury und Handel.
In seiner herkömmlichen Definition umfasst Treasury das zentrale Liquidi-
tätsmanagement sowie die Steuerung der Handelsaktivitäten. Dieses Beg-
riffsverständnis hat sich jedoch im Laufe der Zeit erweitert. Durch die Ak-
tiv/Passiv-Steuerung (A/P-S) wurde ein umfassender Steuerungsansatz für
die gesamte Bankbilanz geschaffen.
26
Neben der Zinssteuerung der Bilanzpositionen der Gesamtbank soll Treasury
die Zinsrisiken sämtlicher Nicht-Handelsbereiche steuern.
27
Treasury hat in
diesem Sinne die Aufgabe, die Zinsrisiken zu identifizieren, zu analysieren,
zu steuern und zu bewältigen.
28
Die Aufgabe der Handelsbereiche ist durch kurzfristiges Ausnutzen von
Marktunvollkommenheiten zum Erfolg der Gesamtbank beizutragen.
29
Dem-
entsprechend besitzen sie im Gegensatz zu strategisch ausgerichteten Akti-
vitäten der Treasury auch einen kurzfristigeren Zeithorizont im Umgang mit
25
Vgl. Scharpf/Luz (2000), S. 79
26
Vgl. Küpker/Pudig (2001), S. 573; S.a. Wittmann (2002), S. 236
27
Vgl. Krumnow (1998), S. 844 f.
28
Vgl. Scharpf/Luz (2000), S. 80
29
Vgl. Schierenbeck (2001), S. 585

10
den Risiken. Sie sollen deshalb die Steuerung eingegangener Risiken selbst
übernehmen.
30
In Kreditinstituten hat sich zwischen diesen zwei Bereichen auch eine spezi-
fische Art der Zusammenarbeit etabliert. Dabei kontrahiert Treasury ihr Absi-
cherungsgeschäft mit dem Handel, der seinerseits die Position weiter auf
dem externen Markt absichern kann. Der Handel muss dies aber nicht, wenn
er das Risiko intern mit einer eigenen offenen Position absichern kann. Diese
sog. internen Geschäfte sind gängige Praxis bei den Banken. Sie führen zu
einer Bündelung der Kernkompetenzen und ermöglichen eine globale Auf-
rechnung der Risiken sowie einen optimalen Marktauftritt.
31
Kritisch sind jedoch diese Transaktionen aus Sicht der Bilanzierung. Diese
dürfen im Konzernabschluss nach IFRS ohne eine Weiterleitung in den Markt
nicht aufgezeigt werden.
32
Problematisch ist dabei zum einen deren aufwen-
dige Konsolidierung, ferner kann es auch zum verfälschten Ergebnisausweis
kommen.
33
Trotz separater Steuerung der Zinsrisiken durch die Treasury und den Han-
delsbereich sowie deren Zusammenarbeit ist eine konsolidierte Betrachtung
der Zinsrisiken auf der Gesamtbankebene notwendig. Die Geschäftsleitung
muss jederzeit über das gesamte Zinsrisiko der Bank urteilen können. Diese
Anforderung wird auch in den vom BCBS erlassenen ,,Principles for the Ma-
nagement and Supervision of Interest Rate Risk" geäußert.
34
Dies kann erreicht werden, indem an beide Bereiche Limite unter Beachtung
der Gesamtrisikoposition vergeben werden. Diese werden anschließend von
einer unabhängigen Organisationseinheit (Risikocontrolling) gemessen, ü-
berwacht und zu einem Gesamtlimit aggregiert. Dabei sollen Überschreitun-
gen sowie noch offene Positionen unverzüglich der Geschäftsleitung mitge-
teilt werden.
35
30
Vgl. Krumnow (1998), S. 844 f.
31
Vgl. Prahl (2004), S. 235
32
Vgl. IAS 39.73
33
Vgl. Prahl (2004), S. 234; Siehe dazu auch Anhang II.
34
Vgl. BCBS (2004), S. 21
35
Vgl. Krumnow (1998), S. 844 f.

11
Eine wichtige Aufgabe hat auch die interne Revision zu erfüllen. Sie führt in
regelmäßigen Abständen unabhängige Kontrollen des gesamten Risikoma-
nagementsystems durch.
Im Folgenden wird von der Risikosteuerung im Handelsbereich abstrahiert.
Dies bedarf einer gesonderten Behandlung. Schließlich gelten für diese Be-
reiche auch andere, viel restriktivere aufsichtsrechtliche Regelungen.
2.4 Zinsrisikomanagement als dynamischer Prozess
2.4.1 Schematische
Darstellung
Grundsätzlich beginnt jeder Prozess mit der Festlegung eines bestimmten
Ziels, das durch die Steuerung des Prozesses erreicht werden soll.
Ein Prozess zur Zinsrisikosteuerung (Abb. 2) beginnt in der Regel mit den
unternehmensinternen Rahmenbedingungen. Diese enthalten von der obers-
ten Geschäftsführung festgelegte quantifizierbare Ziele und regelorientierte
Risikostrategien.
36
Abbildung 1: Zinsrisikomanagement-Prozess
Quelle: Eigene Darstellung
Nachdem das zu erreichende Ziel festgelegt und die allgemeinen Grundsätze
und Strategien zur Risikosteuerung vermittelt wurden, müssen im nächsten
Schritt die Zinsrisiken erkannt und erfasst werden.
Für eine weitere wirkungsvolle Steuerung der erkannten Risiken muss die
Geschäftsleitung über Informationen hinsichtlich deren Gefährdungspotenti-
als verfügen. Dabei soll nach Möglichkeit gemessen werden, wie bestimmte
Ergebnisgrößen im Unternehmen auf die Änderung der Risikoparameter rea-
gieren.
37
36
Vgl. Zimmermann et al. (1995), S. 64
37
Vgl. Glaum (2002), S. 466 f.
Ziele und
Strategien
Risiko-
Steuerung
Risiko-
Identifikation
Risikocon-
trolling/ -
Reporting
Risiko-
Messung

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783836604147
DOI
10.3239/9783836604147
Dateigröße
660 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2007 (Juli)
Note
2,0
Schlagworte
zinsänderungsrisiko hedging effektivität portfolio hedge accounting finanzinstrument fair value zinsrisikomanagement
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Titel: Zinsrisikomanagement und Hedge Accounting nach IFRS
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