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Marktbearbeitungsstrategien europäischer Unternehmen in Osteuropa und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) im Vergleich

©2006 Diplomarbeit 344 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„War noch vor wenigen Jahrzehnten die Frage der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit wenigen Unternehmen als strategische Option vorbehalten, so ist sie heute für die meisten existierenden Unternehmen zu einer zwingenden Überlebensfrage geworden“.
Die durch die Globalisierung geschaffenen Veränderungen verwandeln die „Internationale Jagdlinie“ der Wirtschaftsregionen. Es stellt sich wieder die ehemals beantwortete Frage - wer jagt wen? Während vor diesen Veränderungen der Reihe nach in der Kette die Entwicklungsländer, dann die Schwellenländer, gefolgt von Japan und am Ende der Linie die westlichen Industrieländer ihr Platz gefunden haben, ist nun diese „Jagdlinie“ ein Relikt der Vergangenheit. Kaum mehr zu prognostizieren, wo die Konkurrenz jetzt lauert und morgen zuschlagen kann. Dabei können die traditionellen Industrienationen nur durch eine solide Innovationskraft der sich ständig im Wandel befindlichen „Jagdlinie“ enteilen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und nicht von ihr eingeholt zu werden. Darüber hinaus sind diese Länder ständig auf der Suche nach günstigen Fertigungsmöglichkeiten, denn die Innovationskraft alleine reicht nicht. Man kann sagen, dass die traditionelle Industrietriade, nämlich die USA, West-Europa und Japan mittlerweile über ihren eigenen „Hinterhof“ mit günstigen Produktionsmöglichkeiten verfügt.
Dennoch ist der „ Hinterhof des westlichen Europas“ nämlich Osteuropa, mit seinen in der Transformationsphase befindlichen Volkswirtschaften noch nicht ganz im Bewusstsein der Marktplayer verankert.
Nichtsdestotrotz öffnen und transformieren sich die osteuropäischen Märkte seit mehr als fünfzehn Jahren und nicht nur als Handelspartner westlicher Industrienationen sondern als Zielländer für unentbehrliche ausländische Direktinvestitionen, gewinnen sie gewaltig an Bedeutung.
Zu den Direktinvestitionen zählen einerseits der Aufbau von Produktionsstätten und Vertriebsnetzen im Zielland, andererseits der Aufkauf von bereits bestehenden Unternehmen, zum Beispiel im Zuge der Privatisierungen ehemaliger Staatsbetriebe. Dabei ist ein Standort für ausländische Investoren um so interessanter, je sicherer und stabiler die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im Gastland sind.
Die GUS-Länder, Russland und die Ukraine, zum Beispiel, sind westlichen Unternehmen nicht wirklich fremd, andererseits, was Investitionen in diesen postsozialistischen Ländern angeht, glaubt man jedoch, sich dort auf […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Svetlana Dehtjareva
Marktbearbeitungsstrategien europäischer Unternehmen in Osteuropa und in der
Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) im Vergleich
ISBN: 978-3-8366-0400-0
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Fachhochschule Frankfurt am Main - University of Applied Sciences, Frankfurt am
Main, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ... 1
I. Theorie und Praxis der Marktbearbeitung in Osteuropa
... 1
1. Geschichte und Transformation Osteuropas... 1
1.1. Osteuropa als bekannte Unbekannte... 1
1.2. Sozialistische Verganheit als Einflussfaktor auf die Mentalität der
Osteuropäer... 2
1.3. Die Schwierigkeiten des Transformationsprozesses: das Dilemma
der Gleichzeitigkeit... 6
1.4. Transformationsstrategien. ... 9
1.5. Überblick über die aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung.. 14
2. Chancen und Risiken der Marktbearbeitung in Osteuropa ... 21
2.1. Überblick über die Markterschließungsstrategien... 21
2.2. Direktinvestitionen. Theoretischer Rahmen. ... 25
2.3. Direktinvestitionsmotive in den EU-Beitrittsländern. ... 29
2.4. Investitionshindernisse ... 40
3. Die Länder in der Einzeldarstellung ... 49
3.1. Die Vorreiter: die neuen EU-Mitgliedstaaten... 49
3.1.1. Die Baltischen Staaten: ,,Die Entscheidung zwischen den Tigern"... 49
3.1.2. Polen: Business Process Outsourcing boomt... 62
3.1.3. Die Tschechische Republik und die Slowakei:
Flat Tax - ein Magnet für die Investoren? ... 69
3.1.4. Ungarn: Verkehrsdrehscheibe Europas... 85
3.1.5. Slowenien: ,,Die Schweiz unter den Reformstaaten" ... 96
3.2. ,,Rendite lockt Investoren tiefer in den Osten"-
die EU-Beitrittskandidaten ... 104
3.2.1. Rumänien. ... 107
3.2.2. Bulgarien... 115
3.2.3. Kroatien... 121
3.2.4. Mazedonien... 125

2
4. Zwischenfazit ... 131
4.1. Bedingungen und Strategien der Markterschließung in Osteuropa ... 131
4.2. Bedeutung von Tochtergesellschaften bei der Erschließung
osteuropäischer Märkte... 138
4.2.1. Tochtergesellschaften statt pure Exportstrategie ... 138
4.2.2. Tochtergesellschaften innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerkes
internationaler Unternehmen: Audi in Györ ... 140
II. Marktbearbeitungsstrategien in der
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
... 145
1. Ein Chalenge für die Investoren - die Russische Föderation ... 153
1.1. Transformationsprozess in Russland ... 153
1.2. Makroökonomischen Rahmenbedingungen und Daten... 160
1.3. Rohstoffreichtum ­ Segen oder Fluch? ... 165
1.4. Ausländische Investitionstätigkeit in der Russischen Föderation... 168
1.4.1. Macht und Einfluss des Staates: Der Fall ,,Jukos"... 168
1.4.2. Entwicklung der Direktinvestitionen in Russland ... 172
1.4.3. Jointventure versus Tochtergesellschaft ... 177
1.4.4. Akquisition versus Neugründung... 181
1.4.5. Motive und Strategien am Beispiel Schweizer Unternehmen... 182
2. Risiken in der Russischen Föderation ... 187
2.1. Mangelnde Rahmenbedingungen in Russland... 189
2.1.1. Unklare und widersprüchliche Gesetzeslage ... 190
2.1.2. Das Risiko in den Regionen... 192
2.1.3. Kostenfaktor ­ Probleme durch die Marktunvollkommenheit ... 197
2.1.4. Schwache Infrastruktur ... 198
2.1.5. Qualität der in Russland verfügbaren Rohstoffe und Materialien ... 200
2.1.6. Informationsbeschaffung ... 201
2.1.7. Kooperationen mit russischen KMU... 204
2.1.8. Zertifizierungsvorschriften in Russland... 205
2.1.9. Exportzölle ... 206
2.1.10. Wirtschaftskriminalität, Bürokratie und Korruption... 207
2.1.11. Die Schwäche des Finanzsektors ... 210

3
3. Chancen auf dem russischen Markt ... 215
3.1. Die Größe des Marktes ... 217
3.2. Wachsendes Markenbewusstsein ... 219
3.3. Verbesserung der Rahmen- und Investitionsbedingungen ... 221
3.4. Die Sonderwirtschaftszonen ... 223
3.5. Hoher Modernisierungsbedarf der russischen Wirtschaft ... 225
3.6. Der WTO-Beitritt Russlands ... 227
3.7. Humankapital in der Russischen Föderation ... 228
3.8. Diversifizierung und Risikostreuung... 234
4. Integration von Russland in die Globalisierungsstrategie von Nestlé ... 237
5. Der russische Automobilmarkt und seine Perspektiven... 243
6. Russland als Sprungbrett in die anderen GUS-Märkte... 249
7. Ukraine, Moldawien und Weißrussland ­
territorial und mental nah an Russland ... 251
7.1. Ukraine: Dank ,,orangenem" Schwung ,,auf den Radarschirm der
westlichen Wirtschaft ... 253
7.2. Weißrussland: ,,Vision eines neuen Silicon Valley" in der
Kommandowirtschaft ... 259
7.3. Moldawien: Vom Gemüsegarten der Sowjetunion ins Blickfeld
der Investoren ... 266
8. Die Kaukasusrepubliken mit dem Schwerpunkt Aserbaidschan ... 271
8.1. Aserbaidschan... 276
8.1.1. Die allgemeine wirtschaftliche und politische Entwicklung ... 277
8.1.2. Investitionsperspektiven in Aserbaidschan... 280
9. Zentralasien mit Schwerpunkt Kasachstan und Usbekistan ... 289
9.1. Kasachstan ... 301
9.1.1. Die allgemeine wirtschaftliche und politische Entwicklung ... 301
9.1.2. Investitionsperspektiven in Kasachstan ... 304
9.2. Usbekistan ... 305
9.2.1. Die allgemeine wirtschaftliche und politische Entwicklung ... 305
9.2.2. Investitionsperspektiven in Usbekistan... 307
10. Fazit ... 311

4
11. Literaturverzeichnis ... 319
12. Abbildungsverzeichnis ... 335
13. Tabellenverzeichnis ... 339
14. Abkürzungsverzeichnis... 340

1
Einleitung
,,War noch vor wenigen Jahrzehnten die Frage der grenzüberschreitenden
Unternehmenstätigkeit wenigen Unternehmen als strategische Option vorbehal-
ten, so ist sie heute für die meisten existierenden Unternehmen zu einer zwin-
genden Überlebensfrage geworden."
1
Die durch die Globalisierung geschaffenen Veränderungen verwandeln die ,,Interna-
tionale Jagdlinie" der Wirtschaftsregionen. Es stellt sich wieder die ehemals beant-
wortete Frage - wer jagt wen? Während vor diesen Veränderungen der Reihe nach in
der Kette die Entwicklungsländer, dann die Schwellenländer, gefolgt von Japan und
am Ende der Linie die westlichen Industrieländer ihr Platz gefunden haben, ist nun
diese ,,Jagdlinie" ein Relikt der Vergangenheit. Kaum mehr zu prognostizieren,
wo die Konkurrenz jetzt lauert und morgen zuschlagen kann. Dabei können die
traditionellen Industrienationen nur durch eine solide Innovationskraft der sich
ständig im Wandel befindlichen ,,Jagdlinie" enteilen, um wettbewerbsfähig zu blei-
ben und nicht von ihr eingeholt zu werden. Darüber hinaus sind diese Länder ständig
auf der Suche nach günstigen Fertigungsmöglichkeiten, denn die Innovationskraft
alleine reicht nicht. Man kann sagen, dass die traditionelle Industrietriade, nämlich
die USA, West-Europa und Japan mittlerweile über ihren eigenen ,,Hinterhof" mit
günstigen Produktionsmöglichkeiten verfügt.
2
1
Vgl. Apfelthaler, Gerhard 1999, S. 3
2
Vgl. Kohlert, Helmut, 2006, S. 4

2
Abbildung 1: Die traditionelle Triade und ihre Hinterhöfe
Quelle
:
,,Internationales Marketing für Ingenieure", Helmut Kohlert, 2006, S. 5.
Dennoch ist der ,,Hinterhof des westlichen Europas" nämlich Osteuropa, mit seinen
in der Transformationsphase befindlichen Volkswirtschaften noch nicht ganz im
Bewusstsein der Marktplayer verankert.
3
Nichtsdestotrotz öffnen und transformieren sich die osteuropäischen Märkte seit
mehr als fünfzehn Jahren und nicht nur als Handelspartner westlicher Industrienatio-
nen, sondern als Zielländer für unentbehrliche ausländische Direktinvestitionen,
gewinnen sie gewaltig an Bedeutung.
4
Zu den Direktinvestitionen zählen einerseits der Aufbau von Produktionsstätten und
Vertriebsnetzen im Zielland, andererseits der Aufkauf von bereits bestehenden
Unternehmen, zum Beispiel im Zuge der Privatisierungen ehemaliger Staatsbetriebe.
Dabei ist ein Standort für ausländische Investoren um so interessanter, je sicherer
und stabiler die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im Gastland
sind.
5
3
Vgl. Kohlert, Helmut, 2005, S. 3
4
Vgl. Franken, Swetlana, 2005, S. 1.
5
Vgl. Hermann Clement, Alexandra Reppegather, Manuela Troschke, 2003, S. 86
Latein-
Amerika
USA
West-
Europa
Osteuropa
Japan
Ostasien
Die traditionelle Triade und ihre ,,Hinterhöfe"

3
Die GUS-Länder
6
, Russland und die Ukraine, zum Beispiel, sind westlichen Unter-
nehmen nicht wirklich fremd, andererseits, was Investitionen in diesen postsozialisti-
schen Ländern angeht, glaubt man jedoch, sich dort auf unsicherem Boden zu befin-
den.
7
Im Jahre 1994 wurde die Lage Russlands folgendermaßen beschrieben: umfangrei-
che Rohstoffvorkommen, Vorhandensein beachtlicher Spitzentechnologie in
verschiedenen Branchen, riesiger Markt und gut qualifizierte Arbeitskräfte zu
niedrigen Lohnkosten. Auf der anderen Seite politische Instabilität, unklare
Gesetzgebung in Hinblick auf Investitionen und unklare Funktion und Korrup-
tion seitens der Administration.
8
Zum größten Teil stimmt es allerdings noch heute. Vieles hat sich seit dieser Zeit
jedoch geändert, es wurde eine gewaltige Reformwelle ausgelöst und es kann sich
kaum ein global agierendes als auch viele mittelständische Unternehmen leisten, den
russischen Markt mit 145-Millionen-Kundschaft zu ignorieren, trotz der nicht
immer vorhandenen Transparenz und Unberechenbarkeit.
9
6
GUS- Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
7
Vgl. Kohlert, Helmut, 2005, S. 3
8
Vgl. Falk, Thomas, 2001, S. 1
9
Vgl. Raketic, Aleksandar, 2005, S. 1-2

4
Abbildung 2: Planen Sie in den nächsten Jahren Investitionen in Russland?
Quelle:
Ost-West Contact 01/2006 ,, Ost-Ausschuss Informationen", S. 11
Dennoch ist es Ziel dieser Arbeit unter anderem zu untersuchen, ob man Russland
und die anderen GUS-Staaten als wirklich offen und stabil für ausländische Direkt-
investitionen betrachten kann.
Mit der Integration von acht osteuropäischen Reformstaaten Lettland, Estland, Litau-
en, Tschechischer Republik, Ungarn, Slowakei, Slowenien und Polen in die Europäi-
sche Union im Jahr 2004 ist ein wichtiger Schritt im Rahmen des Transformations-
prozesses dieser Länder vollzogen worden. Bereits vor dem EU-Beitritt haben die
westlichen Unternehmen die sich hier bietenden Möglichkeiten intensiv genutzt. Als
eine Kernfrage des internationalen Managements dieser Unternehmen hat sich dabei
schon immer die richtige Wahl der geeigneten Form des Markteintritts und der
langfristigen Bearbeitung dieser Märkte erwiesen.
Planen Sie in den nächsten zwei Jahren
Investitionen in Russland?
Keine
Angaben
8%
Nein
31%
Ja
61%

5
Bei der Erschließung der osteuropäischen Märkte geht es schon lange nicht mehr um
die Kostenvorteile- ,,flüchtige Wettbewerbsvorteile"
10
, sondern darum, sie als Pro-
duktions-, Absatz-, und Beschaffungsmärkte in die Wertschöpfungskette zu
integrieren.
11
In den neuen Mitgliedsstaaten der EU hat vor dem Hintergrund der steigenden Kauf-
kraft, der kräftigen Kreditexpansion und des gewaltigen Nachholbedarfs die Bin-
nennachfrage als Wachstumsmotor zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ebenfalls
in den GUS-Staaten stimulieren weitere Strukturreformen, erweiterte Finanzie-
rungsmöglichkeiten, steigende Realeinkommen den Konsum vor dem Hintergrund
steigender Rohstoffpreise und ziehen ausländische Investoren an.
12
Die Verbesserung makro- und mikroökonomischen Klimas in Osteuropa haben dazu
geführt, dass sich ein gewisser Wandel in den Internationalisierungsformen
vollzogen hat. Westliche Unternehmen entscheiden sich zunehmend in Osteuropa
direkt zu investieren, anstatt dorthin zu exportieren oder dort mit Kooperationspart-
nern Geschäfte zu tätigen.
13
Der beschleunigte Anstieg grenzüberschreitender Direktinvestitionen in die ehemals
sozialistischen Wirtschaftssysteme während der letzten zehn Jahre bilden den Aus-
gangspunkt für die vorliegende Arbeit. Ausgehend von den theoretischen Ansätzen
und der Analyse der makroökonomischen Rahmenbedingungen steht dabei der
Erfolg ausländischer Direktinvestitionen in Osteuropa im Vordergrund der Untersu-
chung, wobei zwei Wirtschaftsblöcke als Bestandteile dieses kolossalen Marktes
- die GUS und die neuen EU-Mitgliedstaaten sowie die EU-Beitrittskandidaten
analysiert werden. Worin liegen die Chancen und Risiken des Engagements in den
neuen Märkten des Ostens? Welche Erfolgsfaktoren gilt es als Ausländer beim
Aufbau und der Führung einer Unternehmung in einem der größten Schwellenmärkte
der Welt ­ in der Russischen Föderation - zu berücksichtigen?
10
Vgl. Perlitz, Manfred, 2000, S. 3
11
Vgl. Zschiedrich, Harald, 2004, S. 3
12
Vgl. ,,Mittel- und Osteuropa. Perspektiven. 2005/2006", FAZ-Institut, S. 7-8
13
Vgl. Zschiedrich, Harald, 2004, S. 3, 25

1
I.
Theorie und Praxis der Marktbearbeitung in Osteuropa
1.
Geschichte und Transformation Osteuropas
1.1.
Osteuropa als bekannte Unbekannte
Mit EU-Osterweiterung hat die Geschichte und Politik der Staaten Osteuropas an
Aktualität gewonnen, dennoch sind die Kenntnisse über diese Region bei der Mehr-
heit der Bevölkerung aus den westlichen Industrieländern gering.
In Deutschland versteht man unter dem Begriff ,,Osteuropa" alles, was östlich der
Odergrenze liegt und nicht unbedingt positiv wahrgenommen wird. Der weißrussi-
sche Präsident Lukaschenko gilt tatsächlich als der letzte Diktator Europas und von
den Verhältnissen ,,wie auf dem Balkan" redet man, wenn über turbulente politische
Ereignisse berichtet wird. Selten hört man, dass die Ukraine der zweitgrößte Flä-
chenstaat auf dem europäischen Kontinent ist und in Polen im Jahr 1791 die erste
europäische Verfassung unterzeichnet wurde.
14
Im streng geographischen Sinne umfasst der Begriff ,,Osteuropa" den europäischen
Teil der Russischen Föderation, Weißrussland, Moldawien, Ukraine und die Balti-
schen Staaten Lettland, Estland und Litauen.
Aus historischer Perspektive wird mit ,,Osteuropa" der europäische Teil Russlands,
die Ukraine, Moldawien und Weißrussland assoziiert. Die kaukasischen Länder
Georgien, Aserbaidschan und Armenien werden oft auch als ,,Osteuropa" betrachtet.
Im kulturellen, sprachlichen und ethnischen Sinne bezeichnet man mit ,,Osteuro-
pa" den von slawischen Völkern bevölkerten Teil Europas. Zu diesen Staaten zählen
die oben genannten Republiken Moldawien, Ukraine, Weißrussland, Russische
Föderation sowie Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Slowenien, das ehemali-
ge Jugoslawien und Bulgarien.
Vor dem politischen Hintergrund des kalten Krieges definiert man als ,,Osteuropa"
oder als ,,Ostblock" die ehemaligen sozialistischen Länder Europas.
Der Begriff ,,Osteuropa" wird in der internationalen Literatur meistens unterteilt in
mitteleuropäische, osteuropäische sowie südosteuropäische Länder.
15
14
Info-Portal Oestliches Europa. http://www.lpb-bw.de/oe_eu/allgemeines/allg_reg.php
15
Vgl. Franken, Swetlana, 2005, S 13-14

2
Abbildung 3: Was versteht man unter Osteuropa?
Quelle:
,,Erfolg in Osteuropa. Chancen und Risiken für deutsche Unternehmen",
Swetlana Franken, 2005, S.14
Die für diese Arbeit gewählte Einteilung vom Begriff ,,Osteuropa" orientiert sich
eher an den neuen osteuropäischen EU- Mitgliedern sowie Beitrittskandidaten, die in
den Vergleich zur Russischen Föderation, Ukraine, Weißrussland, Moldawien,
Kaukasusrepubliken sowie den repräsentativen zentralasiatischen Republiken als
Bestandteile der GUS gesetzt werden.
1.2. Sozialistische Vergangenheit als Einflussfaktor auf die Mentalität der
Osteuropäer
,,So nah - und doch trennen uns die Welten": Als Mitte der neunziger Jahre in
einer Umfrage das Image der osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten abgefragt
wurde, erklärten rasch mehrere tausend deutscher Schüler diese Länder als ,,uninte-
Was versteht man unter Osteuropa?
Osteuropa
Osteuropa
Mitteleuropa
Mitteleuropa
Polen
Slowakei
Tschechien
Ungarn
Osteuropa
Osteuropa
Russland
Moldawien
Ukraine
Belarus
Baltische Staaten
Südosteuropa
Südosteuropa
Rumänien
Ehemaliges
Jugoslawien
Bulgarien

3
ressanteste Gegend der Welt" - weit abgeschlagen hinter den entferntesten Ecken
Afrikas.
16
Osteuropa wird oftmals aus der Sicht ihrer kulturellen Fremdheit für westliche Ma-
nager mit asiatischen Ländern wie China oder Indonesien verglichen und das Verhal-
ten ihrer osteuropäischen Partner häufig als irrational bezeichnet. Dies hängt gleich-
wohl mit der Zeit des Sozialismus und des sowjetischen Einflusses zusammen.
Europa hat schon immer aus kultureller und wirtschaftlicher Sicht eine Einheit
gebildet. Die russische Kultur ist ohne von den Franzosen übernommenen Ballett
oder ohne aus Italien mitgebrachter Opernkunst nicht vorzustellen und die europäi-
sche Wissenschaft hat sehr von den russischen und polnischen Mathematikern und
Physikern profitiert. Was wäre die europäische Musik ohne die Werke von Tschai-
kowski, Chopin und Smetana oder die europäische Literatur ohne die Schriftsteller
wie Tolstoj, Dostojewski oder Kafka?
Eine klare Wende in den europäischen Austauschbeziehungen hat die sozialistische
Oktoberrevolution in Russland im Jahre 1917 ausgelöst. Die spätere sowjetische
Einflussnahme auf die angrenzenden Länder sowie mit dem Ende des Zweiten Welt-
krieges auf die Länder Mittel- und Südosteuropas, die von den Stalinschen Truppen
,,befreit" wurden, hat endgültig eine Mauer gebildet. Zum Symbol der Teilung Euro-
pas wurde die Errichtung der Berliner Mauer im Jahr 1961.
Es gibt grundsächlich zwei unterschiedliche Meinungen von sozialistischer Herr-
schaft. Eine These besagt, dass Sozialismus eine aggressive Diktatur darstelle und
von Hunger, Not und Leid der Menschen begleitet werde. Idealisten beschreiben
Sozialismus als ein Versuch, eine optimistische und menschenoffene Gesellschaft zu
kreieren. Das negative Bild von Sozialismus im Westen ist weiter verbreitet und setzt
es mit Diktatur gleich. Erstaunlicherweise, die Sowjetbürger selbst haben diese
Tyrannei unter dem Einfluss der Propaganda als etwas Selbstverständliches wahrge-
nommen, denn sie konnten keine Vergleiche ziehen. Laut offiziellen Medien war die
sozialistische Volksdemokratie die ,,demokratischste" überhaupt, die sowjetischen
Güter von allerbester Qualität und im Weltraum waren sie die Ersten. Sehr wenige
fühlten sich ihrer Menschenrechte beraubt, denn sie wussten nicht was Men-
schenrechte sind.
17
16
Vgl. Breinbauer, Andreas/Wakounig, Marian, 2003, S. 1
17
Vgl. Franken, Swetlana, 2005, S. 15- 17

4
Diese ,,Schwarz-Weiß-Malerei" der sozialistischen Ideologie hat einen großen
Einfluss auf die Denkweise der Menschen ausgeübt. Während Sozialismus in den
buntesten Farben dargestellt wurde, hat man Kapitalismus als System mit brutaler
Ausbeutung, aggressiver Expansionspolitik und von großen Einkommensdifferenzen
gekennzeichnet. Auf einem Parteikongress der Kommunistischen Partei der Sowjet-
union wurde die ,,Krise des Kapitalismus" folgendermaßen geschildert: ,,Das Joch
des Finanzkapitals wird ständig schwerer. Mammutmonopole, die den überwiegen-
den Teil der gesellschaftlichen Produktion in ihrer Hand konzentriert haben, beherr-
schen das Leben der Nation. (...) Die Finanzoligarchie bereichert sich märchenhaft.
Der Staat ist zu einem geschäftsführenden Ausschuss der Monopolbourgeoisie ge-
worden. Das gesamte Wirtschaftsleben wird rapide bürokratisiert."
18
Es gab gewiss nicht nur in dem Einfluss der Propaganda Gründe für Enthusiasmus in
der sowjetischen Gesellschaft. Arbeitslosigkeit kannten die Ostblockbürger nur vom
Hören und Sagen - alle hatten einen sicheren Arbeitsplatz, eine Wohnung, die man
vom Staat bekommen hatte. Medizinische Versorgung, Schulen und Studium waren
umsonst und für jeden zugänglich.
Dieser vorbildhafte Lebensstil wurde Anfang der 1980er von totalem Defizit und
davon hervorgerufener Korruption und Diebstahl ziemlich getrübt. Zu dieser Zeit
wurde zum ersten Mal Sozialismus als Gesellschaftsform in Frage gestellt. Dennoch
konnten sich die meisten Osteuropäer keine Alternative für Sozialismus vorstellen.
Dabei sollte eine Besonderheit der mittel- und südosteuropäischen Länder gegenüber
der Sowjetunion erwähnt werden, was einen großen Einfluss auf die Befreiung von
sozialistischen Idealen und ihre späteren ökonomischen Fortschritte ausgeübt hatte.
Ungarn und die Tschechoslowakei, zum Beispiel, fühlten sich von ihrem ,,großen
Bruder" Sowjetunion unterdrückt. In den Organisationen des sozialistischen Lagers
wie Warschauer Pakt (eine Organisation zur gemeinsamen Verteidigung unter der
Führung der Sowjetunion ­ der Gegenpol zur NATO) oder in dem Rat für Gegensei-
tige Wirtschaftshilfe (RGW) spielte die Sowjetunion eine Schlüsselrolle. Als Ener-
gielieferant konnte sie die ,,Abweichler" leicht zu Gehorsam zwingen, in dem man
einfach die Öl- und Gasleitungen abgedreht hat. Die sowjetischen Panzer kamen zur
Hilfe als es dann zu Aufständen kam. Der nationale Zusammenhalt im Kampf gegen
sowjetische Diktatoren und die Erfahrungen aus vorkommunistischer Zeit, die auch
18
Vgl. Falk, Thomas, 2001, S. 40

5
Elemente einer bürgerlichen Gesellschaft beinhalteten, erleichterten den Transforma-
tionsprozess dieser Länder nach dem Zusammenbruch des Sozialismus zu erfolgrei-
chen Marktwirtschaften.
Zu Beginn der Transformation war die Furcht vor dem übermächtigen Nachbarn, der
ehemaligen UdSSR das offensichtlichste Argument für eine Mitgliedschaft in der
Europäischen Union. Der im Mai 2004 vollzogene EU-Beitritt der 8 ost- und mittel-
europäischer Länder wird bis heute noch unter dem Sicherheitsaspekt gesehen,
obwohl die EU primär eine Wirtschaftsgemeinschaft darstellt. Auch wenn offiziell
die Hauptbedrohung namentlich nicht genannt wird, bleiben diese Länder von Erfah-
rungen mit der ehemaligen Sowjetunion geprägt: Auf die Frage, warum Ungarn der
EU beitreten möchte, steht auf der offiziellen Internetseite von Außenministerium
Ungarns:
,,First of all, it means security in the external environment. After long centuries of
foreign rule, independence and security are treated as fundamental values by the
Hungarian nation."
19
Vor dem Beginn des Transformationsprozesses hat der sowjetische Mensch Kom-
munismus folgendermaßen empfunden: ,,Sozialismus als gesellschaftliches Modell
ist gut und im Prinzip richtig. Es gibt keine denkbare Alternative, denn der westliche
Raubkapitalismus mit seiner sogenannten Demokratie wäre ein falscher Weg. Die
Defizite und Abweichungen im System resultieren aus den subjektiven Fehlern
einiger Politiker und sollten korrigiert werden. Gleichzeitig gilt es, für sich selbst und
für die eigene Familie zu sorgen, (...) und immer auf schlechte Zeiten vorbereitet zu
sein durch Vorräte und Ersparnisse." Diese Vorstellung von Kommunismus war der
Ausgangspunkt für Beginn des Transformationsprozesses, eingeleitet von Michail
Gorbatschow im Jahr 1985. Diese Denkweise der Menschen erklärt zum Teil, warum
die Reformen in der Sowjetunion so schwierig und schmerzhaft vorangehen.
20
Nach den Reformen und Umstellungen der letzten Jahrzehnte assoziieren viele
Russen mit den Worten Marktwirtschaft und Demokratie alle negativen Erscheinun-
gen und vor allem den Wohlstandsverlust. Die einstmals stolze Weltmacht muss um
Kredite und Investitionen aus dem Westen betteln. Die versprochene Freiheit wird
durch allmächtige Führungen und alte Verwaltungsstrukturen noch stärker einge-
19
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 34
20
Vgl. Franken, Swetlana, 2005, S. 17-23

6
schränkt. Größere Entscheidungsspielräume führen zudem zum größeren Risiko von
falschen Entscheidungen, die zu Zeiten der Sowjetunion einfach nicht getragen
werden mussten. Nur eine kleine Personengruppe hat von den Veränderungen profi-
tiert und zum großen Reichtum gekommen, die breite Masse der Bevölkerung und
besonders die ältere Generation findet sich resignierend mit der Situation ab und
blickt mit Sehnsucht und Bedauern in die kommunistische Vergangenheit zurück.
Zwar streiken und protestieren die Menschen im zunehmenden Maße, dennoch
,,fehlt das klare Feinbild, gegen das man kämpfen könnte."
21
1.3. Die Schwierigkeiten des Transformationsprozesses: das Dilemma der
Gleichzeitigkeit.
,,Der Westen war schon seit 1000 Jahren Europa, der Osten war immer damit
beschäftigt, es zu werden."
22
Der Zerfall des Herrschafts- und Gesellschaftsmodells eines ,,real existierenden
Sozialismus" in der UdSSR
23
, in Osteuropa und der DDR 1989/90 markierte einen
tiefen historischen Einschnitt. Der ,,Sozialismus Marke Moskau" wurde machtlos,
die staatlich gelenkte Wirtschaft hatte sich als uneffektiv und unproduktiv erwiesen
und es wurden klare Zeichen für einen ökonomischen und politischen Umbruch
gesetzt.
24
Nun warum hat sich eigentlich das sozialistische System als nicht tauglich erwiesen?
Was ist die politische und ökonomische Basis dieses Regimes?
Das Volkseigentum an Produktionsmitteln und dessen zentrale Planung ist das
Fundament des Sozialismus laut seinem Theoretiker Wladimir Lenin. Die Macht
gehört dem Volk und wird von den gewählten Deputaten vertreten. Wenn das Eigen-
tum keinem gehört, hat auch niemand Interesse an dessen Pflege und effizienten
Verwaltung
25
. Das Streben nach Gewinn wurde in der Sowjetunion verachtet und
wurde als "Überbleibsel" des kapitalistischen Zeitalters gesehen. Gerechtes Eigen-
tum konnte nur durch Kollektivgeist, Gleichheit und durch intensive Arbeit zum
21
Vgl. Falk, Thomas, 2001. S. 44
22
Zitat aus Breinbauer, Andreas/Wakounig, Marian, 2003, S. 7
23
Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
24
Info-Portal Oestliches Europa. http://www.lpb-bw.de/oe_eu/allgemeines/allg_reg.php
25
Vgl. Franken, Swetlana, 2005. S. 26

7
Wohl der Gesellschaft entstehen. Individualität und Selbstiniative waren nicht
gefragt.
26
Die zentrale Preisbestimmung und Planung schlossen Wettbewerbsmechanismen
aus, führten zur Entstehung von Monopolstrukturen der Produzenten, die sich keine
Gedanken um die Qualität und den Absatz ihrer Produkte machten. Sinkende
Produktivität, Qualität und die Arbeitsmoral waren die Folgen, begleitet vom
ständigen Defizit an qualitativen Waren.
27
Allerdings dürften die Auslandsinvestoren
in den postsozialistischen Ländern in der ersten Zeit des Transformationsprozesses
auf wenig Konkurrenz gestoßen sein, denn die landeseigenen Produkte, wenn sie
überhaupt verfügbar waren, in einer miserablen Qualität oder/und zu höheren Preisen
erhältlich waren.
28
Im Zentrum des Transformationsprozesses standen und stehen Strukturreformen.
Wesentliche Bereiche sind dabei die Privatisierung von Unternehmen, die Einfüh-
rung eines neuen Fiskalsystems, die Entwicklung des Geldmarktinstrumentariums,
eine neue Gesetzgebung zur Regelung einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft, die
Liberalisierung des Handels und der Preisbildung, die Arbeitsmarktrestrukturierung
sowie die Realisierung eines neuen Sozialsystems.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges schien die lang ersehnte Hoffnung der Be-
völkerung nach einem besseren Leben in greifbare Nähe zu rücken, für viele war der
Beginn der Transformation ein Licht am Ende des Tunnels. Der hohe westliche
Lebensstandart hat einen gewissen EU- Enthusiasmus in postsozialistischen Ländern
ausgelöst und der Bevölkerung die Kraft gegeben, die Schwierigkeiten des Reform-
prozesses durchzuhalten. ,,Zugleich war man unter Sozialismus gewohnt, für die
glückliche Zukunft zu arbeiten."
29
Nun warum erwies sich dieser Weg als ein langer
Tunnel voller Entbehrungen und schmerzlicher Einschnitte und auch 16 Jahre danach
nicht völlig abgeschlossen?
Die Gleichzeitigkeit der Entwicklung der Marktwirtschaft und der Demokratie stellt
das Kernproblem der postsozialistischen Länder dar.
Nach David Easton kann ein politisches System nur dann funktionieren, wenn es das
Gesamtergebnis dreier hierarchisch aufgebauter Festlegungen darstellt.
26
Vgl. Falk, Thomas, 2001, S. 40
27
Vgl. Franken, Swetlana, 2005. S. 26
28
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 162
29
Vgl. Franken, Swetlana, 2005, S. 40

8
1. Auf der untersten Ebene steht die Entscheidung über die Identität sowie die
Rechte der Bürger.
2. Die Regeln, Verfahren sowie die Rechte des Einzelnen innerhalb eines politi-
schen Systems werden von der Verfassung und institutionellem Rahmen auf
der mittleren Ebene bestimmt.
3. Die Prozesse und Entscheidungen zur Verteilung politischer Kompetenz und
materieller Ressourcen stehen an oberster Stelle.
Die osteuropäischen Reformstaaten standen vor der Herausforderung, alle drei
Ebenen gleichzeitig zu transformieren. Wenn Entscheidungen gleichzeitig getroffen
werden müssen, können diese miteinander kollidieren, oder sich als inkompatibel
erweisen. ,,Im Gegensatz zu Westeuropa, wo sich Rechtstaat und Marktwirtschaft in
der gewissermaßen evolutionären Form über Jahrhunderte entwickelt haben, mussten
sie in Osteuropa parallel und in kurzer Zeit entstehen".
Im Regelfall kann ein freier Markt nur dann entstehen, wenn es eine entwickelte
Demokratie schon gibt. Darin lässt sich das Dilemma der damaligen Zeit begründen,
innerhalb derer eine Demokratisierung zur Vorraussetzung der marktwirtschaftlichen
Liberalisierung wurde. Eine weitere Krise zeichnete sich bei der Entstehung politi-
scher Parteien ab. Generell bilden sich erst im Zuge einer autonomen Wirtschafts-
entwicklung im Rahmen der Arbeitsteilung Konfliktthemen und Interessensblöcke
heraus, aus denen sich eine ,,Konkurrenzdemokratie" entwickelt, innerhalb derer
gesellschaftliche Interessengegensätze ausgetragen und sozialer Friede gestiftet wird.
In der sozialistischen Gesellschaft, im Gegensatz, in der 90% der Bevölkerung ein
gleiches Einkommensniveau hatte, konnte sich keine differenzierte Sozialstruktur
herausbilden. Damit fielen zunächst mal die klassischen Konfliktbereiche der demo-
kratischen Gesellschaften ­nämlich Arbeit und Kapital weg, und ein massiver politi-
scher Einsatz der Bevölkerung war nur auf einem nationalistischen Wege möglich.
Allerdings lauerte darin die Gefahr des Übergangs von der Demokratie in ein autori-
tär-populistisches System.
Marktwirtschaft in den postsozialistischen Ländern wurde von den Reformeliten
durchgeführt und daher kann als ,,political capitalism" bezeichnet werden. Die hinter
der Marktwirtschaft stehende Motivation basierte primär auf dem Interesse der
Gesellschaft an einem effizienten Wirtschaftssystem als aus dem Interesse eines

9
Individuums an seinem Eigentum. Das ,,staatliche Interesse" an der Einführung
marktwirtschaftlicher Grundzüge wurde von der Bevölkerung mit Misstrauen ver-
folgt, denn sie fürchtete, nicht ganz zu Unrecht, die Privatisierung diene nicht dem
Wohl der Gesellschaft, sondern bereichere nur die Nomenklatur - die alte sozialisti-
sche Elite. Wie ich am Ende des vorherigen Kapitels geschildert habe, herrschte in
den Reformstaaten, vor allem in Russland, große Unzufriedenheit mit dem Trans-
formationsprozess.
Das grundlegende Problem des Umstrukturierungsprozesses lag also in dem Dilem-
ma der Gleichzeitigkeit. Alles musste auf einmal implementiert werden und vieles
setzte noch gar nicht Existentes voraus. Die verzweifelte Suche nach Übereinstim-
mung mit dem Westen führte zur Überbetonung nationaler Identitäten und zur ethni-
schen Selbstbestimmung der ehemaligen Ostblockstaaten.
30
1.4. Transformationsstrategien.
Wie der Umstrukturierungsprozess aussehen sollte, mit welchen Mitteln er durchge-
führt werden sollte und wohin er überhaupt führen sollte, stellte die östlichen Trans-
formationsländer vor eine komplexe Herausforderung, die von den jeweiligen Staa-
ten bisher recht unterschiedlich bewältigt wurde.
31
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Konzepte der Systemtransformation in den
Reformstaaten:
Gradualismus =
Schrittweiser Übergang
Versus
Schocktherapie =
rascher Systemwechsel
Gradualistische Strategien verlangen eine schrittweise Öffnung des Außenhandels,
eine staatlich gesteuerte Lohn- und Investitionspolitik der Staatsbetriebe sowie aktive
prozesspolitisch orientierte Finanzpolitik. Die Anhänger dieses Ansatzes sind davon
überzeugt, dass alte und neue Mechanismen nebeneinander existieren können und
dass sich dadurch durchweg Krisen vermeiden lassen.
32
Die wesentlich langsamere
und ausgeglichenere Strategie des Gradualismus wählte Ungarn, wo man mit partiel-
30
Vgl. Franzen, Wolfgang / Haarland, Hans-Peter / Niessen, Hans-Joachim, 2005, S. 11-14
31
. Info-Portal Oestliches Europa. http://www.lpb-bw.de/oe_eu/allgemeines/allg_reg.php
32
Vgl. Franzen, Wolfgang / Haarland, Hans-Peter/ Niessen, Hans-Joachim: 2005. S. 17

10
len Reformen begonnen hatte, vor allem im Handel und später eine langsame Preisli-
beralisierung und Privatisierung, danach die Umstrukturierung der Unternehmen und
des Finanzsektors folgten.
33
Die Schocktherapie impliziert dagegen tiefe und zerstörerische Einschnitte in kurzer
Zeit damit die ökonomische und gesellschaftliche Selbstregulierung in einer Eigen-
dynamik wieder schnell zum Einsatz kommt. Es diene nämlich der Stabilisierung des
Transformationsprozesses, wenn die sozialen und materiellen Früchte der Demokra-
tie- und Marktwirtschafteinführung möglichst schnell möglichst vielen Teilen der
Bevölkerung zugute kommen.
34
Diesen radikalen Ansatz verfolgten Polen und Tschechien in den 1990er Jahren. Sie
haben eine rasche Makrostabilisierung und Liberalisierung durchgeführt, später
folgte eine konsequente Privatisierung. Eine enorme Auslandsverschuldung, Inflation
und Arbeitslosigkeit waren die negativen Folgen der Schocktherapie in diesen Län-
dern.
35
. Wie die wirtschaftliche Situation dieser Staaten heute aussieht, wird in der
Länderanalyse ausführlich behandelt.
Viele Länder des ehemaligen Ostblocks waren in ihrer Reformdurchführung inkon-
sequent und konnten sich für eine bestimmte Strategie nicht entscheiden. Besonders
Russland, Kasachstan, Weißrussland und die Ukraine mit ihrer unfruchtbaren Politik
mit dem ständigen Kurswechsel hat besonders schlechte Transformationsbedingun-
gen erzielt und Wirtschaftswachstum verhindert. Dazu erreichte die Inflation astro-
nomische Zahlen, das BIP sank in den ersten Jahren der Transformation um 15-52
Prozent. Stillgelegte Betriebe, Massenarbeitslosigkeit und Armut waren die Folgen.
,,Dieser soziale Sprengstoff wurde durch eine radikale Öffnung der Märkte ange-
heizt. Viel zu früh wurden die einheimischen Unternehmen der westlichen Konkur-
renz ausgesetzt und damit einem gnadenlosen Selektionsprozess unterworfen, der
weit über das Maß eines akzeptablen Modernisierungsdrucks hinaus Menschen in die
Arbeitslosigkeit schickte."
36
Die wirtschaftliche Situation osteuropäischer EU-Beitrittsländer wurde ebenfalls
durch eine gravierende Transformationskrise bezeichnet. Ein Beleg dafür liefert
33
Vgl. Franken, Swetlana, 2005. S. 28-29
34
Vgl. Franzen, Wolfgang / Haarland, Hans-Peter/ Niessen, Hans-Joachim: 2005. S. 17
35
Vgl Franken, Swetlana, 2005. S. 28
36
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 54

11
folgende Tabelle, die die Entwicklung der Bruttowertschöpfung seit dem Fall des
Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 in diesen Ländern wiedergibt.
Bemerkenswert ist dabei, dass die größte Volkswirtschaft unter den neuen EU-
Mitgliedern, Polen, den Stand von 1989 um 28% überholt hat, gefolgt von Ungarn
mit 8%. Demgegenüber liegen die Baltischen Staaten im Jahr 2001 deutlich unter
ihrer Ausgangsposition.
37
Tabelle 1: Entwicklung des BIP in EU-Beitrittsländern
Quelle:
,,Warten auf den Boom", Groth, Volker, 2005, S. 45
Wie die erste Runde der EU-Osterweiterung bereits gezeigt hat, sind die ostmitteleu-
ropäischen sowie die baltischen Staaten in ihrem Transformationsprozess am weites-
ten fortgeschritten. Die mittelosteuropäischen Staaten, die ,,nur" vierzig Jahre der
Planwirtschaft hinter sich haben, konnten die demokratischen Traditionen schneller
wiederherstellen und wirtschaftliche Erfolge verzeichnen. Die ehemaligen Sowjetre-
publiken mit siebzigjähriger kommunistischer Prägung haben deutlich weniger
37
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 44
Reales BIP in EU-Beitrittsländern (1989 = 100%)
70,0
2001
2001
103,3
108,2
128,0
104,5
113,6
88,6
76,2
1989
100
100
100
100
100
100
100
Litauen
Lettland
Estland
Slowenien
Slowakei
Polen
Ungarn
Tschechien
100
1990
1990
98,8
96,5
88,4
97,5
91,9
91,9
102,9
96,7
1992
1992
86,9
82,4
84,4
78,0
79,1
71,0
61,1
1991
1991
87,3
85,0
82,2
83,3
83,7
82,7
89,9
91,2 71,8
1994
1994
88,9
84,4
92,1
79,0
85,7
63,7
55,3
1993
1993
86,9
81,9
87,6
75,1
81,4
65,0
54,1
60,2 54,3
1996
1996
98,2
86,5
104,5
89,0
92,4
69,0
56,8
1995
1995
94,1
85,6
98,6
84,1
89,3
66,4
54,7
56,1 58,7
1997
1997
97,4
90,7
111,7
94,0
96,6
75,7
61,5
63,0
1998
1998
96,4
95,1
117,1
97,7
100,3
79,2
64,4
66,2
1999
1999
96,9
99,1
121,8
99,0
105,5
78,7
66,3
63,6
2000
2000
100,0
104,3
126,7
101,2
110,4
84,3
70,8
66,0
(Angaben in %)

12
-25
-20
-15
-10
-5
0
5
10
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
2001
%
Russland
Ukraine
Polen
Im Jahr 2000:
Russland: 63%
des BIP von 1989
Ukraine: 42%
des BIP von 1989
Polen: 127%
des BIP von 1989
Entwicklung von BIP ausgewählter GUS-Länder
im Vergleich zu Polen
Fortschritte verbuchen können, sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen
Bereich.
Abbildung 4: Entwicklung von BIP ausgewählter GUS-Länder im Vergleich zu Polen
Quelle:
,,Transformation, Wachstum und Wettbewerb in Russland", Ralf Wiegert,
2003, S. 12
Die Privatisierung ist ein Fehlschlag gewesen, der, wie schon in vorherigen Kapiteln
erwähnt wurde, zur Herausbildung von Oligarchen geführt hat, während die große
Masse in der ehemaligen Sowjetunion arm ist. Definition des Begriffs ,,Oligarch",
der sich die Mehrheit der Russen anschließen würde, bezieht sich auf den unredli-
chen Erwerb von riesigem Vermögen oder auf eine nicht legitimierte Machtstellung.
Der Anteil derjenigen, die meinen, Oligarchen hätten ihren Reichtum ihrem Talent
zu verdanken und somit gewissermaßen verdient, ist sehr gering.

13
Abbildung 5: Wer sind die "Oligarchen"?
Quelle:
,,Wirtschaftsführer und Oligarchen,
URL: http://www.fesmos.ru/Pubikat/14_Russlands%20Oligarchen2005/
russlands_4.html
Auf dem Weg in die Richtung der Demokratisierung der Gesellschaft sind in der
letzten Zeit eher Niederlagen zu verzeichnen. Nach der relativ demokratischen Zeit
unter Gorbatschow fällt Russland unter Putin zurück in die Zeiten der zentralisti-
schen Diktatur und totaler Medienkontrolle. Die Situation in Moldawien und Weiß-
russland mit ihren Totalherrschern alter kommunistischer Schule ist noch trüber,
ganz zu schweigen von den alleinherrschenden zentralen und lokalen postkommunis-
tischen Fürsten in den Staaten Zentralasiens wie Turkmenistan und Tadschikistan.
Eine Hoffnung kann mit der politischen Entwicklung in der Ukraine verbunden
werden, deren Bürger nach den manipulierten Wahlen im Jahr 2004 auf die Straße
gingen und damit ihre geistige Befreiung demonstriert haben.
38
38
Vgl. Franken, Swetlana, 2005, S. 31-33
Wer sind die ,,Oligarchen"?
40,3%
19,6%
15,2%
14,4%
5,1%
5,4%
Personen, die auf unredliche
Weise große Vermögen
erworben haben
Personen, die niemand gewählt
oder ernannt hat, die aber
dennoch über große Macht im
Land verfügen
Hauptsächlich Leiter und
Besitzer sehr großer
Unternehmen
Einfach sehr reiche, überreiche
Leute
Personen, die es durch
Verstand und Talent geschafft
haben, in die nationale
Führungsschicht aufzusteigen
Schwer zu sagen

14
1.5. Überblick über die aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung
Politik
Die Aufnahme von acht mittel- und osteuropäischen Reformstaaten in die Europäi-
sche Union ist ein Wendepunkt im Transformationsprozess und ein beachtlicher
Schritt zur Überwindung der Spaltung des europäischen Kontinents.
Allerdings ist der EU-Beitritt nicht der vollständige Abschluss des Transformations-
prozesses von der Plan- zur Marktwirtschaft. Nun gilt es, die formale Integration in
die EU auch inhaltlich mit Leben zu füllen. Die demokratischen Institutionen funkti-
onieren inzwischen, die marktwirtschaftlichen Instrumente sind implementiert. Doch
die einzelnen Baustellen sind immer noch offen. Die Anpassung der bürokratischen
Strukturen hat noch nicht überall die Arbeitsebene optimal erreicht. Die Vorberei-
tungen für die Euro- Einführung sorgen nicht zuletzt für den anhaltenden Reform-
druck. Mit Lettland hat im Jahr 2005 das vierte Neumitglied nach Estland, Litauen
und Slowenien im Wartezimmer zur Euro-Zone ihr Platz genommen und können
schon ab 2007 die europäische Gemeinschaftswährung übernehmen, während die
größeren Mitglieder wie Tschechien und Polen mit der Euro-Einführung wegen zu
hoher Haushaltsdefizite und Inflationsraten bis 2008 warten müssen.
Die EU hat sich zu einem Magneten entwickelt, der weitere Staaten Ost- und Mittel-
europas anzieht und damit ein bedeutender Reformkatalysator ist. Die nächste Runde
der Osterweiterung umfasst Südosteuropa mit Kroatien, Bulgarien und Rumänien.
Die ehemalige jugoslawische Republik Makedonien hat ebenfalls den Status eines
Beitrittskandidaten bekommen.
39
Die Anziehungskraft der EU reicht indes noch tiefer in den Osten. Nach dem
Machtwechsel in der Ukraine haben die neuen Führer keinen Zweifel an ihrem
außenpolitischen Ziel gelassen, den zweitgrößten Flächenstaat Europas in die EU
und in die NATO zu führen.
Mit Vereinfachung der Steuersysteme und sinkenden Steuersätzen haben die Neuan-
kömmlinge den Wettbewerb in der EU neu angeheizt. Ein Bahnbrecher in dieser
Hinsicht ist gewiss die Slowakei, die im Jahr 2004 einen einheitlichen Steuersatz für
die Einkommens-, Körperschafts- und die Mehrwertsteuer einführte.
40
Nicht nur die
mittel-, ost- und südosteuropäische Länder, die der EU beigetreten sind oder in naher
39
Vgl. Ost-West-Contact 01/2006, S. 14
40
Vgl. ,,Mittel- und Osteuropa. Perspektiven. Das Jahrbuch 2005/2006", FAZ-Institut, S. 6

15
Zukunft beitreten werden, auch die Nachbarstaaten wie die Ukraine und Russland
haben ihr Steuerrecht in den letzten Jahren reformiert und im Vergleich zu den
Investorenländern Unternehmen und natürlichen Personen bedeutende Vorteile
gewähren, was die folgende Tabelle unter Beweis stellt.
41
Tabelle 2:
Steuersysteme Osteuropas und westlicher Industrienationen im Vergleich
Quelle:
,,Steuern wie im Paradies", Manfred Janoschka, Ost-West-Contact 05/2006, S. 6
Wirtschaft
Im Jahr 2004 verzeichneten die osteuropäischen Staaten das höchste Wachstum seit
dem Anfang der Transformation. Dabei gewinnt vor allem die Binnennachfrage
aufgrund der makroökonomischen Stabilisierung und steigenden Realeinkommen als
Wachstumsmotor zunehmend an Bedeutung. In den neuen EU-Mitgliedern lag der
reale Zuwachs über 4% mit Lettland an der Spitze mit real 8,5%. Die EU-8-Staaten
profitierten von der in den letzten Jahren erreichten Stärkung ihrer Position durch die
Restrukturierung der Industrie und durch erhaltene ausländische Direktinvestitionen.
41
Vgl. Janoschka, Manfred: ,,Steuern wie im Paradies", Ost-West Contact 05/2005, S. 5-6
Steuersysteme Europas
und westlicher Industrienationen im Vergleich
* - Anmerkung: In Brasilien und in den USA wird der Umsatzsteuersatz auf Ebene der Bundesstaaten festgelegt
5
42
50
Japan
*
40
41,8
USA
18.5
34,2
50,6
EU-15 im Durchschnitt
19.6
34,3
49,6
Frankreich
16
26,4
47
Deutschland
20
34
45,6
Italien
16
35
45
Spanien
17,5
30
40
Großbritannien
17
33
45
China
15
34
35
Mexico
*
15
27
Brasilien
18
24
13
Russland
19
16
16
Rumänien
18
33
40
Türkei
20
19,5
29
Bulgarien
20
25
13
Ukraine
19
19
19
Slowakei
25
16
38
Ungarn
22
19
40
Polen
22
26
32
Tschechien
18
15
33
Litauen
18
24
23
Estland
18
19
25
Lettland
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer
%
%
Körperschaftssteuer
Körperschaftssteuer
%
%
Einkommenssteuer
Einkommenssteuer
%
%
EU
EU
-
-
B
e
it
ri
tt
s
nde
r
B
e
it
ri
tt
s
nde
r
EU
EU
-
-
Be
it
ri
tts
Be
it
ri
tt
s
-
-
k
a
ndi
da
te
n
k
a
ndid
a
te
n
Eme
rg
ing
Em
e
rging
Ma
rk
e
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ßerhal
b
a
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a
lb
EU
EU
hrend
e
hr
e
n
d
e
In
dus
tr
ie
s
ta
a
te
n
In
du
stri
es
ta
at
en

16
Der EU-Anwärter Rumänien verzeichnete ein Rekordwachstum von 8,3% und ist
bestrebt, die Inlandsnachfrage zu dämpfen, um eine Überhitzung der Konjunktur zu
vermeiden und die Importdynamik zu bremsen. Die sowjetische Erbengemeinschaft
bildete aufgrund der hohen Rohstoffpreise ebenfalls eine der dynamischsten Wachs-
tumsregionen weltweit mit durchschnittlich 9,4%.
Tabelle 3: Wirtschaftswachstum in Mittel- und Osteuropa
Quelle:
,,Mittel- und Osteuropa. Perspektiven. Das Jahrbuch 2005/2006, S.6
Politische Richtungskämpfe wie in Kasachstan, die Willkür des Staates gegenüber
privaten Unternehmen wie in Russland bleiben in fast allen GUS-Staaten die wich-
tigsten Hindernisse für anhaltend hohes Wachstum und die notwendige Diversifizie-
rung der Wirtschaft, welche die Rohstoffabhängigkeit vieler GUS-Länder verringern
könnte. Manche GUS-Staaten wie Weißrussland verschließen sich allen Reformfor-
derungen und sind international immer noch isoliert.
Außerdem werden Korruption und Bestechung als größtes Hindernis auf dem Weg
zu den erfolgreichen Wirtschaftsreformen gesehen. Wie die folgende Graphik be-
schreibt, zählen Russland und die Ukraine zu den korruptesten Ländern Europas und
3,5
3,2
4,0
3,0
Ungarn
5,2
5,5
8,3
5,0
Rumänien
8,0
9,0
9,4
9,3
Kasachstan
5,0
5,5
7,2
7,3
Russland
5,0
7,0
11,0
7,0
Weißrussland
6,0
6,1
12,1
9,6
Ukraine
6,0
5,0
7,3
6,6
Moldau
3,5
3,0
4,6
2,5
Slowenien
(S)-Schätzung, (P) Prognose
4,0
4,2
4,4
3,2
Tschechische
Republik
5,2
5,0
5,5
4,5
Slowakische
Republik
4,5
3,5
5,4
3,8
Polen
4,5
5,5
6,7
9,7
Litauen
4,5
7,0
8,5
7,5
Lettland
4,5
5,0
6,2
5,1
Estland
2006(P
2006(P
)
)
2005(S
2005(S
)
)
2004
2004
2003
2003
EU
EU
-
-
8
8
Wirtschaftswachstum in Mittel- und Osteuropa
(Reale Veränderung des BIP gegenüber dem Vorjahr in %)

17
sind mit afrikanischen Entwicklungsländern vergleichbar.
42
Auch in den Vi-
segrádstaaten
43
stellt die Korruption ein wesentliches Problem dar. Im langjährigen
Verlauf ist für Polen und Tschechien eine erhebliche Verschlechterung laut der
Studie der Transparenacy international festzustellen.
44
.
Abbildung 6: Corruption Perception Index (1996-2004)
Quelle:
,,Europa zwischen Euphorie, Enttäuschung und Realität",
Franzen, Haarland, Niessen, 2005, S.142
Direktinvestitionen
Die Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in den MOE nimmt drastisch
zu, denn die Notwendigkeit ausländischer Devisenzuflüsse und der globale Stand-
42
Vgl. Franken, Swetlana, 2005, S. 104
43
Visegrad ist das mitteleuropäische Pendant zu Benelux, eine verstärkte regionale Kooperation
der Nachbarstaaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei. Aus der Taufe gehoben haben die
Zusammenarbeit im Februar 1991 die Staatschefs Ungarns, Polens und der Tschechoslowakei in
der ungarischen Stadt Visegrad. Nach der Auflösung der Tschechoslowakei im Jahr 1993
bildeten dann deren Nachfolgestaaten Tschechien und Slowakei gemeinsam mit Ungarn und
Polen die "Visegrad 4". (Quelle: ,,Wer sind Visegradstaaten", Dorothea Schmidt,
(http://www.europa-digital.de/aktuell/fdw/visegrad.shtml)
44
Vgl. Franzen, Wolfgang / Haarland, Hans-Peter / Niessen, Hans-Joachim, 2005, S. 138-142
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
CP
I-
W
e
rt
Nigeria
Ukraine
Russland
Polen
Tschechien
Ungarn
Deutschland
Wenig
korrupt
Sehr
korrupt
Corruption Perception Index (1996-2004)

18
ortwettbewerb zwingen die Länder zur Verbesserung der Investitionsbedingungen.
Die Nettodirektinvestitionen in Mittel- und Osteuropa stiegen im Jahr 2004 um mehr
als zwei drittel auf gut 30 Mrd. US$. Die Gesamtregion profitierte von überzeugen-
den Wirtschaftsdaten sowie wachsendem Vertrauen in die politischen und wirtschaft-
lichen Rahmenbedingungen, nicht zuletzt durch den EU-Beitritt von acht mittel- und
osteuropäischen Staaten, die das größte Stück des Kuchens bekamen.
Nach kumuliertem Investitionsvolumen ist Polen mit 56,3 Mrd. US$ vor der Tsche-
chischen Republik und Ungarn seit Reformbeginn der begehrteste Standort für
ausländische Direktinvestoren. Wenn man den Betrag pro Kopf betrachtet führen
dagegen Tschechien, Estland und Ungarn mit deutlichem Abstand. Kumulierte
Direktinvestitionen für Russland werden von in der folgenden Tabelle durch die
Nettobetrachtung verdeckt, da dem Zufluss ausländischen Kapitals nach Russland
beträchtlicher Kapitalabfluss russischer Unternehmen ins Ausland gegenübersteht.
45
Direktinvestitionen pro Kopf drücken aus, in wiefern die Bevölkerung der Investiti-
onsaufnahmeländer davon profitiert. Wenn mit dem Auslandskapital der Beitrag zum
Transformationsprozess geleistet werden soll, dann ist der Wohlstandseffekt pro
Kopf der entscheidende.
46
45
Vgl. ,,Mittel- und Osteuropa. Perspektiven. Das Jahrbuch. 2005/2006", FAZ-Institut, S. 11
46
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 99

19
Tabelle 4: Ausländische Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa
Quelle:
,,Mittel- und Osteuropa. Perspektiven. Das Jahrbuch 2005/2006", S. 12
Zielbranche der Investoren ist vor allem die Automobilbranche und die binnen-
marktorientierten Dienstleistungsbranchen wie Handel und Finanzwesen. Außerdem
gewinnt die Auslagerung von Unternehmensfunktionen in die neuen EU-Mitglied-
staaten ( siehe dazu: Länderanalyse Polen) immer mehr an Bedeutung.
Die südosteuropäischen und die GUS-Länder zogen relativ wenig ausländisches
Kapital an. Sie sind wirtschaftspolitisch bisher allzu volatil oder verfügen nicht über
genügend Rechtsicherheit, um dauerhafte Investitionen anlocken zu können. In den
GUS-Staaten konzentrieren sich die Investitionen vor allem auf rohstoffreiche Län-
der wie Russland und Kasachstan.
Ausländische Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa
(Bestand; kumuliert 1989-2004)
100
234.042
Insgesamt
0,3
0.782
217
Moldau
0,5
1.152
576
Mazedonien
0,6
1.440
450
Albanien
0,9
2.147
217
Weißrussland
1,3
3.000
1507
Slowenien
3,3
7.813
161
Ukraine
1,7
4.183
1212
Litauen
1,6
3.737
1612
Lettland
1,6
3.846
3847
Estland
2,8
6.711
46
Russland
3,4
8.241
1050
Bulgarien
4,7
11.263
2094
Slowakei
3,9
9.304
2106
Kroatien
6,8
16.185
746
Rumänien
7,9
19.012
1265
Kasachstan
15,5
37.189
3719
Ungarn
17,4
41.704
4045
Tschechien
23,5
56.333
1471
Polen
Anteil (in %)
Anteil (in %)
Insgesamt (
Insgesamt (
Mio
Mio
US$)
US$)
Pro Kopf (US$)
Pro Kopf (US$)
Länder
Länder

21
2.
Chancen und Risiken der Marktbearbeitung in Osteuropa
2.1. Überblick über die Markterschließungsstrategien
Die richtige Wahl der strategischen Option des Markteintritts und der langfristigen
Erschließung der osteuropäischen Märkte wurde schon immer als Kernfrage im
internationalen Management behandelt.
Welche Markterschließungsalternativen stehen eigentlich westlichen Unternehmen
allgemein zur Verfügung?
Die strategischen Optionen des Markteintritts unterscheiden sich zunächst nach der
gewählten Transaktionsform, die den jeweiligen Integrationsgrad einer Wertschöp-
fungsaktivität in die unternehmensinternen Planungs-, Durchführungs- und Kontroll-
prozesse beschreibt. Das Spektrum der Transaktionsformen stellt eine Reihe der
Möglichkeiten dar, auf dem ein Unternehmen über die Wahl zwischen den entgegen-
gesetzten Alternativen Markt, Integration und den dazwischen liegenden verschie-
denen Varianten von Kooperationen verfügt.
Legt man den Integrationsgrad relevanter Wertschöpfungsaktivitäten zugrunde, so
kann man von links nach rechts einen ansteigenden Internationalisierungsgrad
feststellen. Weiterhin unterscheidet man Markterschließungsstrategien nach dem Ort
der Wertschöpfungskette, die sich auf das Stammland oder auf das Zielland bezie-
hen können. Bedienung der ausländischen Märkte kann mit oder ohne Kapitaltransfer
erfolgen.
47
47
Vgl, Ferring, Natascha, 2001. S. 176-177

22
Abbildung 7: Markteintrittsstrategien
Quelle:
Marktbearbeitungsstrategien international tätiger Handelsunternehmen",
Natascha Ferring, 2001, S.176
Unternehmen haben die Möglichkeit, durch Export ihrer Produktion bei geringem
Kapitaleinsatz, geringerem Risiko und ohne große Anpassungsprobleme auf auslän-
dischen Märkten Gewinne zu erzielen. Gerade zu Beginn des Engagements auf
osteuropäischen Märkten ist der Direktexport ein bewährtes Mittel, um die Markt-
chancen auszuloten.
48
Außenhandel wird aber in dieser Arbeit nicht betrachtet, da er im Falle der osteuro-
päischen Märkte im Wesentlichen von den Direktinvestitionen abhängt. Sowohl
Exporte als auch Importe werden im zunehmenden Maße von den Unternehmen
getätigt, die Direktinvestitionen erhalten haben, d.h. an den ausländische Investoren
beteiligt sind oder die von solchen übernommen wurden.
49
Lizenzvergabe ist ebenso eine kostengünstige und risikoarme Alternative des Markt-
eintritts, womit tarifäre und nichttarifäre Markteintrittsbarrieren vermieden werden
48
Vgl. Breinbauer, Andreas/ Wakounig, Marian, 2003, S. 54
49
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 71
Wertschöpfungs-
Schwerpunkt im Inland
Wertschöpfungsschwerpunkt
im Ausland
Export
Ohne
Kapitaltransfer
Mit
Kapitaltransfer
Lizenzen/
Know How ­Verträge,
Franchising
Joint
Ventures
Tochter-
gesellschaften
Markt
Markt
Kooperationen
Kooperationen
Integration
Integration
Transaktions
Transaktions
-
-
Typenband
Typenband
Markteintrittsstrategien

23
können, und die beim internationalen Handel eventuell bestehen können. Diese
Markteintrittsstrategie ist für die Unternehmen geeignet, die in ihrer Entwicklung im
Exportgeschäft so weit sind, dass sie ihrem osteuropäischen Partner eine Produktion
durch Lizenz anvertrauen können. Diese Strategie ist insbesondere für Unternehmen
vorteilhaft, die über ein großes geschütztes Know-how verfügen, dennoch nicht die
finanzielle Kraft haben, um direkt in die osteuropäischen Märkte einzusteigen.
Außerdem kann Lizenzvergabe auch eine Testphase sein, um zu prüfen, ob der
jeweilige Markt in Osteuropa das Produkt akzeptiert.
50
Franchising, als weitere Kooperationsform, verspricht im Vergleich zu den anderen
Formen des Markteintritts eine stärkere Kontrolle durch Einflussnahme auf die
Aktivitäten des Franchisenehmers. Die Unternehmens- und Marketingkonzeption ist
garantiert, ohne zu hohen Kapitaleinsatz, wie das bei Direktinvestitionen der Fall ist.
Direktinvestitionen ist die stärkste Form des internationalen Engagements und lässt
sich in Jointventures und Tochtergesellschaften weiterhin unterteilen.
Ausländische Tochtergesellschaften sind grundsätzlich rechtlich selbständige Enga-
gements eines inländischen Unternehmens im Ausland.
51
Jointventures, auch als Gemeinschaftsunternehmen bekannt, liegen vor, wenn min-
destens zwei rechtlich selbständige und voneinander unabhängige Unternehmen (das
können auch Regierungen sein) die Verantwortung und finanzielles Risiko bei einem
bestimmten Projekt gemeinsam übernehmen.
Angesichts des Ausmaßes an Kapitaltransfer und gebundenen Managementleistun-
gen ist die Errichtung von Tochtergesellschaften, die sich wiederum in Neugründun-
gen von Unternehmen, Akquisitionen von Unternehmen oder Fusionen verkörpert,
die langfristige und risikoreichste Strategie des Markteintritts und stellt deshalb in
dieser Arbeit den Schwerpunkt der Betrachtung des Markteintritts in Osteuropa dar.
52
Die sogenannten Greenfield-Investments, also die Neugründungen von Unterneh-
men, haben bei Investoren in Osteuropa heutzutage eindeutig den Vorzug, was
allerdings bis Mitte der 90er Jahre gerade umgekehrt war. Der Grund für die Grün-
derwelle: Einerseits dürfte das Vertrauen in die Veränderbarkeit der alten Strukturen
gestärkt sein und auf der anderen Seite die Anzahl der zu übernehmenden Betriebe
50
Vgl. Valiullina, Elvira/ Valiullin, Radik, 2006, S. 21
51
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 162-163
52
Vgl. Ferring, Natascha, 2001, S. 185

24
nach den Privatisierungswellen geringer sein. Besonders in den noch unterentwickel-
ten Märken wird definitiv davon abgeraten, ehemalige Staatesbetriebe zu überneh-
men oder sich an ihnen zu beteiligen.
53
Dennoch hängt die vom Management zu fällende Entscheidung über eine geeignete
Markterschließungsform stark von der Branchen- und Produktspezifik, vom Res-
sourcenbedarf, von Unternehmenszielen- und Motiven, sowie von den Rahmenbe-
dingungen und Marktfaktoren im Gastland ab.
54
Während das Motiv der Beweggrund für die Investitionen ist, hat die Strategie die
Aufgabe eines Wegweisers, der zum angestrebten Ziel hinführt.
In der Praxis kennen mehr als 50% der Manager in westeuropäischen Unternehmen
die Strategie, die von der Geschäftsführung ausgegeben worden ist, nicht. Entweder,
weil es überhaupt keine Strategie gibt oder aber, weil eine Vision oder strategische
Ansätze in den Köpfen des innersten Führungspersonals verbleiben und nicht an die
untersten Hierarchien weitergegeben werden.
Ebenfalls ist eine Vielzahl deutscher Jointventure-Gründungen in Osteuropa einzig
auf das Wahrnehmen situationsbedingter Geschäftsmöglichkeiten zurückzuführen
und nicht das Ergebnis konsequenter strategischer Situationsanalysen. Die Strategie,
als wichtigster ,,Output" der Initiierungs-, Evolutions- und Beschlussphase, baut,
unter Berücksichtigung unternehmensexterner und ­interner Bedingungen, auf einer
Vision bzw. einem Grundsatzentscheid zum Aufbau der Direktinvestition und den
sich daraus konkretisierenden Zielen der Unternehmung auf. Folgende Abbildung
stellt diesen Prozess der Strategieerklärung schematisch dar.
55
53
Vgl. Breinbauer, Andreas/ Wakounig, Marian, 2003, 55
54
Vgl. Zschiedrich, Harald, 2004, S. 3, S. 25
55
Vgl. Weibel, Matthias, 2001, S. 183

25
Abbildung 8: Grundsatzentscheid zum Aufbau einer Direktinvestition
Quelle:
,,Cope with Russia!", Mathias T. Weibel, 2001, S.183
2.2. Direktinvestitionen. Theoretischer Rahmen.
Eine ausländische Direktinvestition liegt immer dann vor, wenn ein Unternehmen
das Ziel verfolgt, durch Ankauf, Beteiligung oder durch eine Neugründung einen
langfristigen Einfluss und Kontrolle über die Geschäftsentwicklung eines ausländi-
schen Unternehmens zu erhalten. Durch das Kontrollmotiv und Zeithorizont grenzen
sich Direktinvestitionen von den Portfolioinvestitionen ab.
Direktinvestitionen können folgende Formen in der Unternehmenspraxis annehmen:
· Errichtung einer Produktionsstätte ,,auf der grünen Wiese" - Greenfield-
Investment.
· Erweiterung eines Vertriebsnetzes
· Akquisition eines ausländischen Konkurrenzunternehmens
· Gemeinschafts- bzw. Partnerschaftsunternehmen- Jointventures.
ST
RATEG
IE
Wer nicht weiß, wohin er will, darf sich nicht wundern, wenn er ganz woanders ankommt
.
R.S. Mayer (1876-1945), deutscher Seelsorger
Externe Bedingungen
Marktfaktoren im
Zielland
Rahmen-
Bedingungen im
Zielland
Produktions-
faktoren
im Zielstandort
Faktoren im
Heimatland
Interne Bedingungen
Ressourcen &
Commitment
der
Unternehmung
Unternehmens-
Spezifische
Produktions-
faktoren
Grundsatzentscheid zum
Aufbau einer
Direktinvestition
Machbar-
keits-
studien
U
nte
rnehmensziele
Grundsatzentscheid zum Aufbau einer Direktinvestition

26
· Materielle Ausstattung vorhandener Unternehmen mit Ausrüstungen und Ma-
schinen.
56
Die postsozialistischen Länder Ost- und Mitteleuropas, zuvor von der globalen
Zunahme überregionaler außenwirtschaftlicher Verflechtungen so gut wie abge-
schnitten, vollzogen seitdem eine rapide Integration in die Weltwirtschaft, was sich
unter anderem in gestiegenen Direktinvestitionszuflüssen in diesen Ländern nieder-
schlug.
57
Doch alleine das stabile Umfeld verursacht keine Direktinvestitionen. Direktinvesti-
tionen sind die Folge von unternehmerischen Entscheidungen und Handlungen.
Unternehmen investieren in Osteuropa, weil sie sich davon bestimmte Vorteile
erhoffen.
58
Verschiedene ökonomische Theorien versuchen zu erklären, aus welchen Gründen
und in welcher Art und Weise Unternehmen Direktinvestitionen im Ausland tätigen.
Dabei stehen firmenspezifische sowie die standortspezifische Gründe im Vorder-
grund, wie dies der sogennante ,,eclectic approach" von John Dunning zum Aus-
druck bringt. Gemäß Dunnings ,,OLI Framework" werden Unternehmen Direktinves-
titionen erst dann tätigen, wenn sie über folgende Vorteile verfügen:
· Firmenspezifische Eigentumsvorteile (,,ownership advantages"): Das sind
Wettbewerbsvorteile, die sich aus den Managementfähigkeiten oder speziel-
len Kenntnissen über Absatz und Beschaffung, sowie aus der Existenz von
intangiblen Vermögenswerten wie Patenten ergeben und die sich insbesonde-
re bei den multinationalen Unternehmen mit hohem Innovationsstand finden
lassen.
· Standortvorteile im Gastland (location advantages): Vorteile, die ein auslän-
discher Betrieb gegenüber dem heimischen Produktionsstandort aufweist.
Dazu zählen Kostenvorteile, wie billigere Produktionsfaktoren, und /oder
Steuervorteile sowie stabile politische Rahmenbedingungen zur Beförderung
des guten Investitionsklimas.
59
56
Vgl. Zschiedrich, Harald, 2002, S. 12
57
Vgl. Meißner, Thomas, 2003. S. 1
58
Vgl. Zschiedrich, Harald, 2004, S. 26
59
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 161-163

27
· Internationalisierungsvorteile (internationalisation advantages) sind Vorteile,
die sich aus der Internationalisierung von unternehmerischen Tätigkeiten er-
geben. Zu diesen Vorteilen bzw. zur Internationalisierung von Aktivitäten
kommt es immer dann, wenn Transaktion entweder intern, d.h. über eigene
ausländische Tochtergesellschaft, kostengünstiger abgewickelt werden kann
oder, wenn bestimmte Transaktionen geplant sind, die über den Markt auf-
grund der Marktunvollkommenheit (z. B. die Nicht-Existenz von Futures-
Märkten) gar nicht oder schwer möglich sind.
Dabei geht es John Dunning vor allem darum, die Faktoren aufzuzeigen, unter denen
bestimmte Marktbearbeitungsstrategien vorteilhaft sind. Dabei unterscheidet er
Direktinvestitionen, Export und vertraglichen Ressourcentransfer in Form von Li-
zenzvergabe.
60
Wie die folgende Abbildung verdeutlicht, wird das Unternehmen
Direktinvestitionen als Markteintrittsstrategie erst dann wahrnehmen, wenn Interna-
tionalisierung der unternehmerischen Tätigkeit kostengünstiger ist, wenn im Ausland
überlegenere Standortbedingungen herrschen und firmenspezifische Vorteile eben-
falls verfügbar sind.
61
60
Vgl. Kutschker, Michael / Schmid, Stefan, 2004, S. 450-453
61
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 166

28
Abbildung 9: Möglichkeiten der Bedienung ausländischer Märkte
Quelle:
,,Warten auf den Boom", Volker Groth, 2005, S. 166. Tabelle in Anlehnung
an Dunning, 1981, S. 32
In der Tagespresse lassen sich immer wieder Aussagen dazu finden, warum es zu
Direktinvestitionen kommt. Als generelles Motiv der Auslandsinvestitionen wurde
bereits oben die langfristige Einflussnahme und Kontrolle genannt. Nun unterschei-
det Dunning weitere vier Motive für Direktinvestitionen.
· Beschaffungsorientierte Motive (,,resource-seeking") zielen auf den Zu-
griff auf die kostengünstigeren, knappen natürlichen Ressourcen. Vor al-
len Direktinvestitionen in Kasachstan und Russland werden auf der ,,re-
source seeking"-Basis aufgrund ihrer Holz- und Energievorkommnisse
getätigt.
62
· Als absatzorientiertes Motiv (,,market seeking) gilt grundsätzlich der Zu-
gang zu neuen Märkten. Wenn früher die Umgehung von Handelshemm-
nissen der Grund für absatzorientierte Auslandsinvestitionen war, so geht
62
Vgl. Kutschker, Michael/ Schmid, Stefan, 2004, S. 84
Möglichkeiten der Bedienung ausländischer Märkte
X
- vorhanden, O ­ nicht vorhanden
Eigentums-
vorbehalte
Ausländische
Standortvorteile
Internationalisie-
rungsvorteile
Direktinvestitionen
Exporte
Lizenzvergabe

29
es heute in Osteuropa vor allem um die Ausweitung der Marktpräsenz.
Dabei kann das Zielland ebenso als Brücke zu den benachbarten Ländern
eingesetzt werden. Einen Schwerpunkt für market-seeking motivierte In-
vestition bilden die Produktion und der Vertrieb von Basisgütern. Es wer-
den dazu generell zusätzliche Niederlassungen im Ausland aufgebaut.
Entwicklung von Vertriebsnetzwerken und die Beobachtung von Nach-
barmärkten sind ebenfalls Ziele des absatzorientierten Markteintritts.
· Effizienzorientierte Motive (,,efficiency seeking") verfolgen den Wunsch,
Größenvorteile (Fixkostendegression, economies of scale
63
) und Ver-
bundeffekte (economies of scope
64
) zu realisieren. In Osteuropa dürfte
vor allem die Ausnutzung von Kostenvorteilen durch niedrigere Steuern
sowie billigere Arbeitkräfte zu Rentabilitätssteigerung führen.
65
· Als strategisches Motiv (strategic seeking) gilt vor allem das Eindringen
in formelle und informelle Kommunikations- und Informationsquellen auf
ausländischen Märkten, vor allem im Bereich Forschung und Entwick-
lung. Dabei können diese Investitionen auch ohne aktuelle Gewinnaus-
sichten erfolgen, mit dem primären Ziel des Zugangs zu den ausländi-
schen Distributionskanälen und Technologien.
2.3. Direktinvestitionsmotive
in den EU-Beitrittsländern.
,,Über die Jahre hinaus wird es zu einem gewaltigen Kapitalstrom nach Osteu-
ropa kommen, der aus Ersparnissen des Westens gespeist und dort rivalisieren-
den Verwendungen vorenthalten wird. (...) Das Kapital fließt ja nicht bloß
deshalb nach Ostdeutschland, weil es dort gebraucht wird, sondern weil es dort
knapp ist und rentabler als anderswo arbeiten kann."
66
63
Economies of scale- Kostensenkung aufgrund aufgrund eines Ausbaus der Betriebsgröße durch
eine grundlegende Änderung der bisherigen Betriebskapazitäten. (Kutschker, Schmid, 2004, S.
427)
64
Economies of scope-Kostenvorteile, die bei einer steigenden Produktvielfalt entstehen.
Voraussetzung ist dabei, dass für die einzelnen Produkte auf gemeinsame Ressourcen
zurückgegriffen werden kann. (Quelle: http://www.unternehmensinfo.de/lexicon)
65
Vgl. Groth, Volker, 2004, S. 170
66
Zitat aus Groth, Volker, 2005, S. 82

30
Mit dem EU-Beitritt von 8 mittel-und osteuropäischen Staaten, auch bald Rumänien
und weiteren südeuropäischen Ländern, erhöht sich der EU-Binnenmarkt um 100
Millionen neue Konsumenten. Damit machen Polen mit ihren 38, 7 Millionen
Einwohnern und später Rumänien mit 22,5 Millionen fast zwei Drittel des ,,Neuzu-
gangs" aus.
Damit eröffnen sich den Investoren gigantische Absatzmöglichkeiten. Das sind
ungesättigte Märkte, die auch in den kommenden Jahren noch doppelt so schnell
wachsen werden wie die westeuropäischen Heimmärkte.
Abbildung 10: Bruttosozialprodukt der EU-15 und der acht neuen EU-Mitgliedstaaten
Quelle:
,,Die Auswirkungen von Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Mittel-
und Osteuropa-Größenordnung, Motive, Strategien, Arbeitsplätze. IAW
Forschungsbericht 2005, Jochen Tholen, Eike Hemmer
Wachstumsperspektiven, wachsende Rechtssicherheit - durch Übernahme des EU-
Regelwerks, Marktnähe, verschiedene Förderungsprogramme wie Sonderwirtschafts-
zonen sind gute Gründe für Direktinvestitionen in den osteuropäischen EU-Neumit-
gliedern.
2,4
1,9
4,7
5,5
5,7
6,2
4,5
6,4
5,4
4,7
1,5
3
3
4,3
4,3
4
3,9
3,9
0
1
2
3
4
5
6
7
%
EU-15
Estland
Lettland
Litauen
Polen
Tschechien
Slowakei
Ungarn
Slowenien
1998-2002
2003-2006
Bruttosozialprodukt der EU-15 und
der acht neuen EU-Mitgliedstaaten, 1999-2002 und 2003-2006

31
Da Polen den größten Markt bildet, dürfen alleine schon wegen der Marktgröße
effizienzorientierte Direktinvestitionen gegenüber markterschließenden Investitionen
von sekundärer Bedeutung sein.
Abbildung 11: Bevölkerungszahlen der osteuropäischen EU-Beitrittsländer
Quelle: ,,
Erfolg in Osteuropa. Chancen und Risiken für deutsche Unternehmen.",
Swetlana Franken, 2005, S.43
Das gilt vor allem für die Automobilindustrie, der man primär die Suche nach niedri-
geren Produktionskosten als Motivation für grenzüberschreitende Investitionen
zuschreiben würde. Opel, VW, Ford und BMW errichteten zuerst ihre Montage- und
Produktionsstandorte dort, wo sie aussichtsreiche Absatzchancen im Auge hatten.
Tatsächlich gaben die meisten Manager in der Automobilbranche Absatzmotive als
Hauptgrund für die Standortwahl in den osteuropäischen Märkten, noch vor niedri-
gen Lohnkosten, an.
67
Folgende Abbildung erfasst das Stimmungsbild der europäi-
schen Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf die EU-Osterweiterung in einer reprä-
sentativen Befragung der Europe Intelligence Unit (EIU) im Jahr 2003.
67
Vgl. Breinbauer, Andreas/ Wakounig, Marian, 2003. S. 14
Bevölkerungszahlen
der osteuropäischen EU-Beitrittsländer in Mio.
38,2
10,2
10,1
5,4
3,5
2,3
2
1,4
Polen Tschechien
Ungarn
Slowakei
Litauen
Lettland
Slowenien
Estland

32
Abbildung 12: Ergebnisse der EIU-Umfrage über Chancen und Risiken der EU-
Osterweiterung
Quelle:
Erfolg in Osteuropa. Chancen und Risiken für deutsche Unternehmen.",
Swetlana Franken, 2005, S.82
Die Märkte Ungarns und Tschechiens eignen sich dagegen eher für effizienzorien-
tierte Direktinvestitionen. Qualifikation der Beschäftigten und Arbeitssuchenden in
Tschechien als traditionelles Industrieland sowie die Erfahrung mit gewachsenen
Verbundsystemen lassen die Tschechische Republik am effizientesten in internatio-
nale Produktionsnetzwerke integrieren. Ungarn ist am stärksten in internationale
Netzwerke eingegliedert, obwohl es nicht über ein so großes, qualifiziertes Arbeits-
kräftereservoir verfügt wie Tschechien. Die frühzeitig eingesetzte günstige politische
Rahmenbedingungen gaben bei Direktinvestitionen den Ausschlag.
68
Außerdem
bekommen deutsche Unternehmen in Ungarn beachtliche Subventionen und Steuer-
geschenke. So stellte der ungarische Staat den Siemenskonzern bis 2011 steuerfrei.
Generöse Abmachungen hat die Regierung Ungarns auch mit anderen Investoren
getroffen, zum Beispiel mit Audi. Der Konzern zahlt für den Rest des Jahrzehnts
68
Vgl. Groth, Volker, 2005, S. 172
Ergebnisse der EIU-Umfrage über Chancen und Risiken
der EU-Osterweiterung
16%
27%
36%
37%
37%
38%
45%
57%
61%
Größere E ffiz ienz in den Leiferketten
E in Sprungbrett für w eitere östliche M ärkte
Neue C hancen z ur Ü bernahm e
N eue Chanc en z um Outsourcing
Zuga ng z u hochqualifiz ierten Arbeitskräften
Ne ue U nternehm erm ärkte
D ie Möglic hkeit ne uen P artnerschaften
Geringe Arbeitskosten
N eue K onsum entenm ärkte

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836604000
DOI
10.3239/9783836604000
Dateigröße
3.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main – 3, Wirtschaft und Recht, Studiengang International Studies of Finance and Law
Erscheinungsdatum
2007 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
osteuropa markteintrittsstrategie marktbearbeitung direktinvestition sowjetunion yukos-affäre marktstrategie
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Titel: Marktbearbeitungsstrategien europäischer Unternehmen in Osteuropa und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) im Vergleich
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