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Forward-Preisbildung am Markt für Elektrizität

Eine Analyse der Übertragbarkeit der klassischen Bewertungsansätze für Commodities auf das Gut Strom

©2006 Diplomarbeit 101 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In vielen Märkten steigt der Wettbewerbsdruck durch die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft. Zur langfristigen Existenzsicherung muss es daher das Ziel der Unternehmen sein, kostengünstig zu produzieren bzw. Gewinn maximierend zu agieren. Dabei rückt verstärkt ein Markt in den Fokus, in dem die Thematik des wirtschaftlichen Handelns bisher nur wenig involviert war - der Markt für Elektrizität. Durch die Liberalisierung der Strommärkte, die im Frühjahr 1998 auch Deutschland erreichte, herrscht nun auch in diesem Markt vollständiger Wettbewerb.
Diese „neue Freiheit“ birgt sowohl Chancen als auch Risiken, die sich vor allem bei den Stromanbietern und der stromintensiven Industrie als Nachfrager in den schwankenden Absatz- und Beschaffungspreisen besonders stark widerspiegeln. Da sich Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Strompreise direkt auf das Unternehmensergebnis auswirken, bedarf es der Absicherung mittels Terminmarktinstrumenten.
Der Forwardkontrakt ist ein solches Absicherungsinstrument, mit dem sich die Beschaffungsseite gegen steigende und die Anbieterseite gegen fallende Strompreise schützen kann. Gleichzeitig bietet ein derartiger Kontrakt Raum für mögliche Spekulationen. Aus wettbewerbsorientierter Sicht stellt sich hinsichtlich der Absicherung für die Unternehmen daher weniger die Frage ob, sondern viel mehr zu welchem Preis die Absicherung erfolgen soll.
Die Bewertung von Forwards und die damit verbundene Konstruktion von Forwardkurven für den Elektrizitätsmarkt stellen somit eine wesentliche Grundlage für das Managen von Preisrisiken dar. Da sich aber die klassischen Bewertungsverfahren für Commodities auf Grund mangelhafter Speicherbarkeit von Strom nicht ohne weiteres auf die Strommärkte übertragen lassen, eröffnet sich ein weites Feld finanzanalytischer Theorien.
Gang der Untersuchung:
Nach einer Einführung, die der Darlegung der Besonderheiten des Gutes „Strom“ und deren Auswirkungen auf die Preisbildung im Spotmarkt dient, rücken der Terminmarkt und die darin gehandelten Forwards in das Zentrum der Betrachtung. Die Thematik der Preisbildung von Forwards im Elektrizitätmarkt, die den Hauptteil dieser Arbeit bildet, wird in Kontrast gestellt zu den sich für speicherbare Konsumgüter bewährten klassischen Speicher- und Riskpremiumtheorien. Zunächst wird die Speicher- oder auch Cost-of-Carry-Theorie dargestellt.
Diese Theorie stellt einen Preiszusammenhang auf Grundlage von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Bernd Wommer
Forward-Preisbildung am Markt für Elektrizität - Eine Analyse der Übertragbarkeit der
klassischen Bewertungsansätze für Commodities auf das Gut Strom
ISBN: 978-3-8366-0333-1
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

,,Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen."
Mark Twain; US-amerikanischer Schriftsteller (1835-1910)

I
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS ... I
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... V
SYMBOLVERZEICHNIS ... VII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS... XI
1
EINLEITUNG... 1
1.1
Hintergrund ... 1
1.2
Vorgehensweise und Einordnung der Arbeit in die bestehende Literatur ... 2
2
GRUNDLAGEN DES ELEKTRIZITÄTSMARKTES... 5
2.1
Die Besonderheiten der Handelsware Strom... 5
2.2
Die Folgen für die täglichen Strom-Spotpreise... 5
3
DER TERMINMARKT FÜR ELEKTRIZITÄT ... 9
3.1
Der klassische Forwardkontrakt ... 9
3.2
Strom, ein Commodity?... 9
3.3
Der Strom-Forwardkontrakt ... 10
3.4
Die Teilnehmer im Markt für Elektrizität... 11
3.5
Das Basisrisiko... 12
4. DIE KLASSISCHE SPEICHERTHEORIE ... 13
4.1
Die Grundlagen der klassischen Speichertheorie... 13
4.2
Das Angebot zur Speicherung... 13
4.3
Die Grenzkosten der Lagerhaltung ... 15
4.4
Das gesamtwirtschaftliche Angebot der Speicherung... 15
4.5
Die Cash and Carry-Arbitrage ... 16

II
5.1
DIE SPEICHERTHEORIE IM STROMMARKT... 19
5.1
Überlegungen zur Anwendbarkeit der klassischen Speichertheorie im
Strommarkt... 19
5.2
Die Forwardkurve für Elektrizität ... 20
5.3
Das Spark-Spread-Modell ... 21
5.3.1 Die
Stromnachfrage... 22
5.3.2 Das
Stromangebot ... 23
5.3.3 Das
"Präferenz-Technologie-Problem"... 24
5.3.4 Das
Gleichgewicht ... 25
5.3.4.1 Die
Spotpreise ... 25
5.3.4.2 Die
Forwardpreise ... 26
5.3.5
Ein numerisches Beispiel ... 28
5.3.5.1 Die gleichgewichtige Speicherung... 29
5.3.5.2 Die gleichgewichtige Umwandlung ... 30
5.3.5.3 Die Angebots- und Nachfragefunktion für Strom... 30
5.3.5.4 Die numerischen Spotpreise... 31
5.3.5.5 Die Forwardpreise und -kurven... 33
5.3.6
Kritische Würdigung des Spark-Spread-Modells ... 34
6
DIE RISKPREMIUM-THEORIE... 35
6.1
Der Hedging-Ansatz... 35
6.1.1 Die
Risikoprämie... 36
6.1.2 Der
Forwardpreis... 37
6.2
Die Hedgedruck-Hypothese... 39
7
DER HEDGING-ANSATZ IM STROMMARKT... 41
7.1
Überlegungen zur Anwendbarkeit des klassischen Hedging-Ansatzes im
Strommarkt... 41
7.2
Das Bessembinder- und Lemmon-Modell... 42
7.2.1 Die
Stromnachfrage... 42
7.2.2 Das
Stromangebot ... 43
7.2.3
Die optimale Strommenge im Spotmarkt... 44
7.2.4
Die optimale Forwardposition des Produzenten ... 45
7.2.5 Das
Riskpremium... 46
8
DIE STOCHASTISCHE MODELLIERUNG VON FORWARDPREISEN... 51
8.1
Die geometrische Brownsche Bewegung ... 51
8.2
Das Jump-Diffusions-Modell ... 52
8.3
Das Mean­Reversion-Modell... 53

III
8.4
Das erweiterte Mean-Reversion-Modell... 56
8.4.1
Die deterministische Komponente ... 57
8.4.2
Der deterministische Mean-Reversion-Prozess ... 57
8.5
Das Regime-Switching-Modell ... 59
9
STAND DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNGEN ZUR EIGNUNG DER
EINZELNEN MODELLE FÜR DEN STROMMARKT ... 63
9.1
Die Speichertheorie im Strommarkt ... 63
9.2
Die Riskpremium-Theorie im Strommarkt ... 63
9.3
Die stochastischen Modelle im Strommarkt ... 65
10
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ... 69
MATHEMATISCHER ANHANG... 71
ANHANG... 73
LITERATURVERZEICHNIS ... 87

V
Abkürzungsverzeichnis
ADWP
Arrow/ Debreu-Wertpapier
CalPX
California Power Exchange
CO
2
Kohlendioxid
COV
Kovarianz
EEX
European Energy Exchange
EFP
Exchange Futures for Physical
GBM
Geometrisch Brownsche Bewegung
MW
Megawatt
MWh
Megawattstunde
NEPOOL
New England Power Pool
Nord POOL Nordic Power Exchange
OTC
Over the Counter
OUP
Ornstein-Uhlenbeck-Prozess
PJM
Pennsylvania, New Jersey und Maryland
RP
Risikoprämie
Sicherheitsäquivalent
Skew
Skewness - Schiefe
STD
Standardabweichung
VAR
Varianz

VII
Symbolverzeichnis
Kapitelübergreifende Symbole und Notationen:
B
Basis
C
Convenience Yield
E[
·
]
Erwartungswert
F
Forwardpreis
S
Spotpreis
T
Fälligkeitszeitpunkt (Kontrakt)
t
Zeit/ Zeitpunkt/ Zeitschritt (Gegenwart)
Symbole und Notationen Kapitel 4:
l
Kosten der Lagerhaltung
L
Absolute Finanzierungskosten der Lagerhaltung
o
Physische Kosten der Lagerhaltung
Q
Lager-(Speicher)-bestand
r
Risikoaversionsfaktor
S
~
Unbekannter Spotpreis
u
Erlöse der Lagerhaltung
Symbole und Notationen Kapitel 5:
A
Pfad des Markovprozesses
a
Zustand des Markovprozesses (Regime)
B, b
Input des Umwandlungsprozesses
C, c
Konsum
e
Exogene Güterressource
g
Umwandlungstechnologie
H
Regime: High
j
Outputgut des Umwandlungsprozesses
K, k
Güter
L
Regime: Low
P, p
Preis eines Arrow/ Debreu-Wertpapiers
Q, q
Speichermenge
S, s
Spotpreis
U
Nutzen
X
Nachfrage (Überschussnachfrage)
Prohibitivpreis (klassisch)
Zeitpräferenz
Abschreibungsfaktor (Speicherkosten)
Steigung der Nachfragefunktion (klassisch)

VIII
Grenzkosten der Stromerzeugung (Multiplikator)
Übergangswahrscheinlichkeit (Regimewechsel)
Symbole und Notationen Kapitel 6:
a
Anlage
EU
Erwartungsnutzen
rp
Stetige Verzinsung der Risikoprämie
X, x
Gewinn
,
,
Konstanten der quadratischen Nutzenfunktion
Symbole und Notationen Kapitel 7:
A
absoluter Risikoaversionskoeffizent
a
Konstante (variable Kosten der Kostenfunktion)
c
Konstante (variable Kosten der Kostenfunktion - Konvexität)
D
Gesamtnachfrage
i
Versorger
j
Produzent
N
P
Anzahl der Produzenten
N
V
Anzahl der Versorgungsunternehmen
P
V
Fixierter Endkundenpreis
Q
Exogene Zufallsvariable der Nachfrage
TC
Kostenfunktion
Z
Fixkosten
Gewinn bei Nutzung des Spot- und Forwardmarktes
Gewinn bei ausschließlicher Nutzung des Spotmarktes
Symbole und Notationen Kapitel 8:
D
Dummyvariable (Tag)
i
Monat
J
Sprungrichtung
k
Sprunggröße
L
Langfristiges Gleichgewicht des Prozesses
M
Dummyvariable (Monat)
q
Zufallsvariable des Poisson-Prozesses
X
Stochastischer Prozess
w
Zufallsvariable des Wiener-Prozesses
z
Zufallsvariable des Wiener-Prozesses
Intensität der Mean-Reversion
Zeitfunktion
2ter stochastischer Faktor im Modell von Lucia/ Schwartz (2002)
Intensitätsrate des Poisson-Prozesses

IX
Konstante (Kosinusfunktion)
Ausgangsniveau (Nichtarbeitstag im Januar)
Marktrisikoprämie
µ
Drift des stochastischen Prozesses/ Gleichgewichtspreis
Volatilität des stochastischen Prozesses
Volatilität des langfristigen Gleichgewichts
Konstante (Niveauwechsel)

XI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Modelle zur Forwardpreisbildung... 73
Abbildung 2: Verlauf der Spotpreise an der EEX von Mai bis Juli 2005 in stündlicher
Auflösung... 74
Abbildung 3: Gewinn/ Verlust aus einer Long- und einer Short-Position... 74
Abbildung 4: Die Grenzkosten der Speicherung... 75
Abbildung 5: Das Gleichgewicht der Speicherung... 75
Abbildung 6: Interpolierte Peak- und Baseload Forwardkurven des deutschen
und des PJM-Strommarktes... 76
Abbildung 7: Tägliche Strom/ Erdgas-Korrelation verschiedener Forwardkontrakte... 76
Abbildung 8: Volatilität einer interpolierten Forwardkurve im PJM-Markt... 77
Abbildung 9: Entwicklung der durchschnittlichen Monats-Forwardpreise
vs. durchschnittliche Spotpreise an der NEPOOL... 77
Abbildung 10: Gleichgewichtige Gasspeicherung... 78
Abbildung 11: Gleichgewichtige Umwandlung (Gasverstromung)... 78
Abbildung 12: Graphische Darstellung möglicher Gleichgewichte im
Spark-Spread-Modell... 79
Abbildung 13: Gleichgewichtige Gas-Spotpreise... 80

XII
Abbildung 14: Gleichgewichtige Strom-Spotpreise... 80
Abbildung 15: Unbedingte Verteilung der Spotpreise von Gas und Strom zuzüglich
der daraus unbedingten Verteilung des Spark-Spread... 81
Abbildung 16: Dichte täglicher EEX Phelix Baseload Preise 2005... 81
Abbildung 17: Entwicklung der Forwardpreise von t zu vier möglichen Zuständen
in t+1 des Gleichgewichts 2... 82
Abbildung 18: Konkave (1), lineare (2) und konvexe (3) Nutzenfunktionen... 83
Abbildung 19: Ableitung der Risikoprämie aus einer quadratischen Nutzenfunktion
eines risikoaversen Marktteilnehmers... 83
Abbildung 20: Netto-Positionen von Hedgern und Spekulanten... 84
Abbildung 21: Stündliche Einsparungen durch Hedging mit Block-Forwardkontrakten
an der CalPX im Juni 2000... 84
Abbildung 22: Graphische Darstellung des Spotpreisverhalten im Pilipovic-Modell... 85
Abbildung 23: Aktuelle vs. modellierte Forwardpreise auf Basis eines Faktors mit
deterministischer Kosinusfunktion (Lucia/ Schwartz (2002))... 85
Abbildung 24: Überblick über die Modelle, ihre empirische Anpassung und
Beurteilung der praktischen Anwendbarkeit im Strommarkt... 86

1
1 Einleitung
1.1 Hintergrund
In vielen Märkten steigt der Wettbewerbsdruck durch die fortschreitende Globalisierung der
Wirtschaft. Zur langfristigen Existenzsicherung muss es daher das Ziel der Unternehmen sein,
kostengünstig zu produzieren bzw. Gewinn maximierend zu agieren. Dabei rückt verstärkt ein
Markt in den Fokus, in dem die Thematik des wirtschaftlichen Handelns bisher nur wenig invol-
viert war - der Markt für Elektrizität. Durch die Liberalisierung der Strommärkte
1
, die im Frühjahr
1998 auch Deutschland erreichte, herrscht nun auch in diesem Markt vollständiger Wettbewerb.
Diese "neue Freiheit" birgt sowohl Chancen als auch Risiken, die sich vor allem bei den Strom-
anbietern und der stromintensiven Industrie als Nachfrager in den schwankenden Absatz- und
Beschaffungspreisen besonders stark widerspiegeln. Da sich Unsicherheiten bezüglich zukünfti-
ger Strompreise direkt auf das Unternehmensergebnis auswirken, bedarf es der Absicherung
mittels Terminmarktinstrumenten.
Der Forwardkontrakt ist ein solches Absicherungsinstrument, mit dem sich die Beschaffungsseite
gegen steigende und die Anbieterseite gegen fallende Strompreise schützen kann. Gleichzeitig
bietet ein derartiger Kontrakt Raum für mögliche Spekulationen. Aus wettbewerbsorientierter
Sicht stellt sich hinsichtlich der Absicherung für die Unternehmen daher weniger die Frage ob,
sondern viel mehr zu welchem Preis die Absicherung erfolgen soll.
Die Bewertung von Forwards und die damit verbundene Konstruktion von Forwardkurven für
den Elektrizitätsmarkt stellen somit eine wesentliche Grundlage für das Managen von Preisrisiken
dar. Da sich aber die klassischen Bewertungsverfahren für Commodities auf Grund mangelhafter
Speicherbarkeit von Strom nicht ohne weiteres auf die Strommärkte übertragen lassen, eröffnet
sich ein weites Feld finanzanalytischer Theorien.
2
1
Vgl. Kramer (2002) S. 1ff: Durch die Umsetzung der von der Europäischen Union am 19. Februar 1997 in
Kraft gesetzten Binnenmarkt-Richtline-Strom, die der Aufhebung der ordnungspolitischen Sonderrolle
dieses Marktes galt, wird dem Endverbraucher das Recht eingeräumt, seinen Stromlieferanten selbst zu wählen.
2
Vgl. Kiesel/ Börger (2004) S. 47.

2
1.2
Vorgehensweise und Einordnung der Arbeit in die bestehende Literatur
Nach einer Einführung, die der Darlegung der Besonderheiten des Gutes "Strom"
3
und deren
Auswirkungen auf die Preisbildung im Spotmarkt dient, rücken der Terminmarkt und die darin
gehandelten Forwards in das Zentrum der Betrachtung. Die Thematik der Preisbildung von
Forwards im Elektrizitätmarkt, die den Hauptteil dieser Arbeit bildet, wird in Kontrast gestellt zu
den sich für speicherbare Konsumgüter bewährten klassischen Speicher- und Riskpremiumtheorien.
Zunächst wird die Speicher- oder auch Cost-of-Carry-Theorie dargestellt, die von Kaldor (1939),
Working (1948), Brennan (1958) und Telser (1958) entwickelt wurde.
4
Diese Theorie stellt einen
Preiszusammenhang auf Grundlage von Arbitrageüberlegungen über die zeitliche Gleich-
gewichtsbeziehung des Forwardmarktes zum gegenwärtigen Spotmarkt her.
5
Hinsichtlich des
Aspektes der notwendigen Speicherung des betreffenden Underlyings wird anschließend das
"Spark-Spread-Modell" von Routledge, Seppi und Spatt (2001) betrachtet. Durch die Integration
einer Umwandlungsoption potenzieller lagerfähiger Brennstoffe stellt dies ein Komplement für
den Strommarkt zur klassischen Speichertheorie dar.
Die Riskpremium-Theorie bildet mit Betrachtungen von Spekulationen im Preisgefüge eine
weitere Grundlage der klassischen Forwardpreisbildung.
6
In den Mittelpunkt rückt dabei die
zeitliche Gleichgewichtsbeziehung zwischen Forwardmarkt und zukünftigen Spotmarkt. Diese
auf den Arbeiten von Keynes (1930), Hicks (1939), Coonter (1960), Dusak (1973) und Breeden
(1980) basierende Theorie soll speziell auf den Aspekt des Hedging-Ansatzes hin untersucht
werden.
7
Ein Ansatz, der auch die Grundlage bildet für das Modell von Bessembinder und Lem-
mon (2002), ausgerichtet auf den Strommarkt.
Loslösend von den Gleichgewichtsbeziehungen finden Betrachtungen stochastischer Modelle
(reduced form) statt. Ziel dieser Modelle ist, über stochastische Modellierung von Spotpreisen, die
Bepreisung von Forwards vornehmen zu können. In diesem Zusammenhang soll (ausgehend von
Blacks (1976) klassischem Modell für speicherbare Commodities) die Evolution der alternativen
Modelle erläutert werden. Die Betrachtung wird hierbei auf die Arbeiten von Kaminski (1997),
Pilipovic (1998), Lucia/ Schwartz (2002) und De Jong/ Huisman (2003) beschränkt, da sie bei
einer Kategorisierung nach Gattungen die jeweils bedeutendsten Werke darstellen.
8
3
Die Begriffe Strom, Elektrizität und Elektroenergie werden synonym verwendet.
4
Vgl. Fama/ French (1987) S. 55, Chow (2000) S. 216.
5
Vgl. Fama/ French (1987) S. 55, Scheunenstuhl (1992) S. 75 ff, Schnorrenberg (2006) S. 56.
6
Vgl. Scheunenstuhl (1992) S. 80.
7
Vgl. Chow (2000) S. 216ff.
8
Einen umfassenden Modellüberblick generiert Abbildung 1.

3
Inwieweit die vorgestellten Modelle im Strommarkt bzw. in regional verschiedenen Märkten
anwendbar sind, wird abschließend anhand vorliegender empirischer Untersuchungen dargestellt.

5
2
Grundlagen des Elektrizitätsmarktes
2.1
Die Besonderheiten der Handelsware Strom
Im Unterschied zu klassischen Warengeschäften zeichnet sich Elektrizität durch eine schlechte
Speicherbarkeit aus. Auf Grund dieser physikalischen Eigenschaft kann Elektroenergie, wenn sie
einmal produziert ist, nicht oder nur in sehr kleinen Mengen "gelagert" werden.
9
Die bisherige
Speichermöglichkeit in Form potenzieller Energie von Wasser in Pumpspeicherkraftwerken ist
entweder aus Kostengründen ökonomisch nicht sinnvoll einsetzbar oder nicht in ausreichenden
Mengen vorhanden.
10
Daher muss, um Ausfälle der Stromversorgung zu vermeiden, die produ-
zierte Menge Elektrizität zu jedem Zeitpunkt mit dem Verbrauch übereinstimmen.
11
Ein zusätzli-
cher Bedarf kann nur über indirekte Speicherung potenzieller Energieträger, wie z. B. Kohle, Öl
oder Gas bedient werden, welche dazu in Strom umgewandelt werden.
12
Eine weitere Besonderheit ist die Leitungsgebundenheit von Elektrizität. So können nicht nur
Kapazitätsgrenzen in der Stromerzeugung, sondern auch bei der Durchleitung in den Netzen
auftreten.
13
Zudem führen kurz- oder mittelfristige Preiserhöhungen nicht zu einem Nachfrage-
rückgang, sodass eine unelastische Nachfrage unterstellt werden kann.
14
2.2
Die Folgen für die täglichen Strom-Spotpreise
Signifikant für eine Bewertung von Forwards, speziell über die Modelle mit stochastischem
Hintergrund, sind die statistischen Eigenschaften zugrundeliegender Spotpreise.
15
Auf Grundlage
von empirischen Untersuchungen des Spotmarktes, in dem die Preise für kurzfristig fällige Strom-
lieferungen bestimmt werden, haben sich vier bedeutende Charakteristika herausgestellt.
16
Diese
4 Charakteristika sind die direkte Folge der physikalischen Eigenschaften und der unelastischen
9
Vgl. Prange (2004) S. 57.
10
Vgl. Weron/ Türck (2004) S. 65, Schnorrenberg (2006) S. 58.
11
Vgl. Lucia/ Schwartz (2002) S. 8.
12
Vgl. Routledge/ Seppi/ Spatt (2001) S. 1.
13
Vgl. Chevalier/ Heidorn/ Rütze (1999) S. 4.
14
Vgl. Barfuß (2005) S. 29f, Chevalier/ Heidorn/ Rütze (1999) S. 5.
15
Vgl. Kiesel/ Börger (2004) S. 48.
16
Vgl. Eydeland/ Wolyniec in Kaminski (2005) S. 498f.: Streng genommen handelt es sich bei den täglich
notierten Day-Ahead-Preisen eher um Forward- als um Spotpreise.

6
Nachfrage.
17
Abbildung 2 gibt einen Überblick auf den Verlauf der Spotpreise an der European
Energy Exchange (EEX).
1.
Im Strommarkt lassen sich deutliche Saisonalitäten innerhalb verschiedener Perioden
feststellen. Diese tages-, wochentags- oder jahreszeitabhängigen Preisschwankungen sind
auf Veränderungen von Nachfrage und Verbrauch entsprechend den Arbeitszeiten in der
Industrie oder auf temporäre Wetterbedingungen zurückzuführen.
18
2.
Ebenso wie bei speicherbaren Rohstoffen zeigt sich, dass Mean Reversion die geeignetste
Methode ist das Preisverhalten zu beschreiben.
19
Bei diesem Verhalten schwankt der
Strompreis mittelfristig um ein langfristiges Gleichgewicht. Nach kurzzeitigen Abwei-
chungen kehrt der Preis schließlich wieder auf ein bestimmtes Niveau zurück.
3.
Zusätzlich müssen in Modellen, die Strompreisprozesse abbilden, preisabhängige Volati-
litäten berücksichtigt werden.
20
Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Volatilität
der Strompreise bei niedrigen Preisen relativ gering und bei hohen Preisen stark ist.
21
Die
Ursache dieser nicht konstanten Volatilität (Heteroskedastizität) liegt in der Angebots-
funktion verborgen, die relativ flach bei geringem Strom-Output und steil bei hohem Out-
put verläuft.
22
In Perioden geringer Nachfrage mit niedrigen Outputs der Erzeuger werden
Energieträger mit hohem Wirkungsgrad und kostengünstige, aber unflexible Atom- oder
Wasserkraftwerke eingesetzt. Geringe Nachfrageveränderungen haben daher kaum Ein-
fluss auf den Spotpreis. Hohe Nachfrage und dementsprechend hoher Output macht den
Einsatz weniger effizienter Kraftstoffe und flexiblerer Kohle- oder Gaskraftwerke nötig
und führt kostenbasiert zu hohen Preisniveaus. Wenn sich die Nachfrage den Kapazitäts-
grenzen nähert, sind hohe Volatilitäten das Resultat einer gewissen Nervosität des Mark-
tes.
23
4.
Eine weitere Eigenschaft des Preisprozesses tritt bei extremen Wetterlagen (große Kälte
oder Hitze) auf.
24
Solche Wetterlagen gehen mit hohen Stromverbrauch durch Wärmebe-
darf oder durch Einsatz von Klimaanlagen einher. In Verbindung mit Kraftwerksausfäl-
len, die zu einer Verknappung des Elektrizitätsangebotes führen, sind plötzliche Strom-
17
Vgl. Kramer (2002) S. 31.
18
Vgl. im Folgenden Lucia/ Schwartz (2002) S. 6.
19
Vgl. im Folgenden Pilipovic (2001) S. 30.
20
Vgl. Duffi/ Gray/ Hoang in Kaminski (2005) S. 539ff.
21
Vgl. Kaminski (1997) in Routledge/ Seppi/ Spatt (2001) S. 2.
22
Vgl. Spangart (2003) S. 17.
23
Vgl. Kiesel/ Börger (2004) S. 48.
24
Vgl. Lucia/ Schwartz (2002) S. 14.

7
preisanstiege von bis zu 1000% die Folge.
25
Diesen als Sprünge oder Spikes bezeichneten
Preisbewegungen folgt kurz darauf eine Gegenbewegung, die die Preise wieder in Nähe
des Ausgangsniveaus führt.
26
25
Bspw. lag der EEX-Spotpreis für eine MWh lag am 07.01.2003 (18-19 Uhr) bei 1719,72 , während wenige
Tage zuvor, am 1.1.2003 (8-9Uhr), die MWh zu einem Spotpreis von 0,00 buchstäblich verschenkt wurde.
26
Vgl. Borgmann (2004) S. 122, Kiesel/ Börger (2004) S. 48.

9
3
Der Terminmarkt für Elektrizität
3.1
Der klassische Forwardkontrakt
Der Forward-Kontrakt stellt ein Termingeschäft mit fester Laufzeit dar, bei dem es sich um eine
Vereinbarung handelt, ein Gut zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen bzw. zu
verkaufen.
27
Der Preis des Forwards wird dabei "heute" vereinbart, während die Zahlung erst bei
Fälligkeit erfolgt. Somit wird bei Eingehen des Kontrakts keine Zahlung fällig.
28
Im Gegensatz zu
den börslich gehandelten Futures, die einen wesentlich höheren Standardisierungsgrad aufweisen,
werden Forwards außerhalb der Börse gehandelt. Die Plattform des individuellen und bilateralen
Handels zwischen zwei außerhalb der Börse agierenden Vertragsparteien bildet der OTC-Markt
(over the counter). Im OTC-Markt sind die Kontraktbedingungen meist flexibler als die börsli-
chen. In der Regel führen sie zur physischen Lieferung des Underlyings. Alternativ kann ein
finanzieller Ausgleich
29
am Ende der Vertragslaufzeit erfolgen.
30
Hinsichtlich der nicht gesicher-
ten physischen Erfüllung eines Kontraktes ist der OTC-Handel aber im Nachteil. Es besteht ein
gewisses Kreditrisiko.
31
Durch angebotene Clearing-Dienstleistungen wie beispielsweise von der
EEX mittels EFP´s (Exchange Futures for Physical), lässt sich dieses Risiko beseitigen, sodass der
Forward dem Future nicht nachsteht.
32
3.2
Strom, ein Commodity?
Um die Voraussetzung für das Handeln in Terminmärkten und somit für Forwards zu schaffen,
muss die Ware Strom als Underlying die Eigenschaften eines Commoditys erfüllen. Dies setzt
eine ausreichende Standardisierbarkeit des Produktes voraus, welche durch die Homogenität der
Gütereigenschaft zwischen verschiedenen Einheiten des Gutes realisiert wird.
33
Diese Eigenschaft
ist vorhanden, da sich für den Verbraucher am Netz regional kein Unterschied hinsichtlich des
bezogenen Stromes feststellen lässt. Für die "Qualität" von Strom ist es unwichtig, welche Ener-
gieträger oder welche Kraftwerke zu dessen Erzeugung eingesetzt wurden. Zusätzlich existiert,
27
Vgl. Hull (2006) S. 26, Kempf (1996) S. 1.
28
Vgl. Bergschneider (2001) S. 100.
29
Vgl. Schnorrenberg (2006) S. 21: Im Strommarkt ist ein finanzieller Ausgleich unüblich.
30
Vgl. Bergschneider (2001) S. 100.
31
Vgl. Hull (2006) S. 25.
32
Vgl. Zenke/ Elwanger (2003) S. 347f, www.eex.de (OTC-Clearing-Bedingungen).
33
Vgl. Hensing (1994) S. 17f, Schnorrenberg (2006) S. 9.

10
wie von Hensing (1994) gefordert, ein liquider Spotmarkt. Eine notwendige Spotpreisvolatilität
(Abb.2) ist vorhanden.
34
Ein weiteres Indiz ist, dass sich auch klassische Cross-Commodity-
Effekte fundamental nachweisen lassen.
35
So führt ein Öl-Preisanstieg zu höheren Gaspreisen
(Ölpreisbindung). Diese Preise wiederum führen zum verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken
mit Folge eines erhöhten CO
2
-Ausstoßes. Der CO
2
-Ausstoß schlägt sich wiederum auf den Preis
von CO
2
-Zertifikaten um, wodurch der Strompreis beeinflusst wird.
3.3
Der Strom-Forwardkontrakt
Die Commodity-Eigenschaft lässt daher den Handel von Strom-Forwardkontrakten zu, sodass sie
häufig die ersten Derivate sind, die nach Etablierung eines Spothandels an den Strommärkten
gehandelt werden.
36
Die Vertragsbedingungen stimmen mit den beschriebenen "klassischen"
Forwardkontrakten überein. Die standardisierte Einheit für die gelieferte Strommenge ist die
Megawattstunde
(MWh). Der Zeitbezug der Einheit MWh weist auf den wesentlichen Unterschied
zu anderen Commodity-Märkten hin, denn die Lieferung erfolgt nicht zu einem bestimmten
Zeitpunkt, sondern über einen bestimmten Zeitraum. In jedem Zeitraum erfolgt die Erfüllung des
Forwardkontraktes durch die kontinuierliche Einspeisung (Lieferung) auf einer vorher festgeleg-
ten elektrischen Leistung und Spannungsebene.
37
Standardprodukte, wie Jahres-, Quartals-,
Monats-, Wochen-, Wochenend- und Tageskontrakte haben sich etabliert. Unterschieden wird
dabei in die Lasttypen Baseload (Grundlast) und Peakload (Spitzenlast).
38
"Baseload" bezeichnet
eine konstante 24-stündige Lieferung, während "Peakload" für eine Lieferung an Werktagen von
8.00 bis 20.00 Uhr steht.
39
Die Marktteilnehmer, die den Forwardmarkt als Mittel der Preisabsicherung nutzen, können das
Risiko ungünstiger Preisentwicklungen für bestehende physische Positionen neutralisieren.
40
Ein
Produzent, der über ein Underlying verfügt, nimmt eine physische Long-Position ein und kann
sich vor einem Preisverfall mittels eines Forwards absichern, indem er eine vertragliche Short-
Position einnimmt. Dabei verpflichtet sich der Produzent, das Underlying zu einem festgelegten
34
Vgl. Hensing (1994) S. 17: Die Spotpreisvolatilität lässt ein Bedürfnis der Absicherung entstehen.
35
Vgl. im Folgenden Süss (2005) S. 18f.
36
Vgl. Chevalier/ Heidorn/ Rütze (1999) S. 11.
37
Vgl. www.eex.de (Kontraktspezifikationen) z. B. 230 Volt.
38
Vgl. Böttcher/ Kappe (2003) S. 10.
39
Vgl. Röck (2003) S. 2 in Praxishandbuch Energiebeschaffung.
40
Vgl. im Folgenden Bergschneider (2001) S. 108.

11
zukünftigen Zeitraum zu einem festgelegten Preis zu verkaufen.
41
Ein Marktteilnehmer der das
Underlying benötigt, befindet sich in einer physischen Short-Position und kann eine vertragliche
Long-Position in einen Forward eingehen. Der Marktteilnehmer verpflichtet sich damit, das
Underlying in diesem Zeitraum zum festgelegten Preis zu kaufen. Beide Parteien verzichten auf
die Chance möglicher Gewinne in den Veräußerungspreisen bzw. auf Einsparungen in den Be-
schaffungskosten, da der Preis für zukünftige Lieferung oder Abnahme feststeht.
42
Der Verzicht
ist der "Preis" dafür, dass im Gegenzug das Verlustrisiko neutralisiert wird. Einen Überblick über
die sich ergebenden Auszahlungen für die Vertragsparteien zeigt Abbildung 3.
3.4
Die Teilnehmer im Markt für Elektrizität
Entsprechend diesen Handlungsschemata lassen sich die Teilnehmer im Strommarkt in fünf
Gruppen kategorisieren, die auf ihrer ursprünglichen Geschäftsfunktion basieren.
43
Besitzer von
Erzeugungskapazitäten stellen die erste Gruppe dar. Ihr primäres Ziel ist es, den Strom meistbie-
tend zu verkaufen. Sekundär können sie aber auch im Fall von Kapazitätsausfällen als Käufer
auftreten, um ihre Lieferverträge zu erfüllen. Die zweite Gruppe sind die Netzbetreiber, die den
Strom an die dritte Gruppe der regionalen Versorger, wie die Stadtwerke leiten. Diese wiederum
leiten den Strom über ihre lokalen Netze an die Endnutzer weiter. Die beiden letztgenannten
Gruppen können sowohl als Verkäufer bei vorhandenen Überkapazitäten als auch als Käufer in
Zeiten in denen die eigene Netzleistung nicht ausreicht um die Nachfrage zu befriedigen, im
Strommarkt auftreten. Die vierten Gruppe sind die industriellen Verbraucher, die den Stromhan-
del zur Optimierung ihrer Energiebeschaffung nutzen.
44
Sie treten primär als Käufer auf, können
aber auch bei fehlerhaften Lastprognosen oder möglichen Maschinenausfällen als Verkäufer von
nicht benötigten Überkapazitäten agieren. Die fünfte Gruppe setzt sich aus Unternehmen zusam-
men, die weder Strom erzeugen noch für den eigenen Bedarf große Mengen benötigen. Diese
reinen Stromhändler generieren Gewinne als Spekulanten oder Arbitrageure. Gleichzeitig besteht
ihre ökonomische Leistung im Bereitstellen von Liquidität, die die Voraussetzung für Absiche-
rungsvorstellungen der Hedger im Strommarkt schafft.
45
41
Vgl. im Folgenden Hull (2006) S. 26ff.
42
Vgl. Bergschneider (2001) S. 108.
43
Die Aufteilung der Gruppen basiert im Folgenden auf Longstaff/ Wang (2002) S. 180f im PJM-Markt.
44
Vgl. Longstaff/ Wang (2002) S. 1881, Schnorrenberg (2006) S. 19.
45
Vgl. Scheuenstuhl (1992) S. 66, Longstaff/ Wang (2002) S. 1881.

12
Es zeigt sich, dass die einzelnen Gruppen im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Anbieter- oder
Nachfragefunktion sowohl als Käufer als auch Verkäufer im Strommarkt auftreten können. Eine
Kategorisierung der Gruppen in reine Hedger und Spekulanten ist daher schwierig.
46
3.5
Das Basisrisiko
Unterschiede in den Kontraktlaufzeiten, der geforderten Qualität der Waren und des Lieferortes
führen dazu, dass das Risiko mit den beschriebenen Vorgehensweisen nicht vollständig neutrali-
siert werden kann.
47
So bilden Forwards nur unvollständige Substitute der Spotmarktsituation.
48
Es verbleibt das sogenannte Basisrisiko, welches das Risiko beschreibt, dass der Preis des For-
wards und der Spotpreis des abzusichernden Gutes sich nicht parallel bewegen. Die Basis (B
t
) im
Zeitpunkt t wird definiert als Differenz zwischen Forwardpreis (F
t,T
) in t, der sich auf den Fällig-
keitszeitpunkt T bezieht und dem Spotpreis (S
t
) des abzusichernden Gutes:
49
(1)
t
T
t
t
S
F
B
-
=
,
.
Wenn der Forwardpreis über dem Spotpreis liegt (Basis positiv), spricht man von einer Contango-
Situation, bei einer negativen Basis von einer Backwardation-Situation. Die Basis lässt sich auf
die Bestimmungsfaktoren Raum, Zeit und Qualität zurückführen. In den folgenden Kapiteln ist
der Fokus auf den Faktor Zeit gelegt, um die zeitlichen Einflüsse auf die Basis zu erklären. Diese
Dimension bildet die Grundlage für die bedeutendsten Ansätze zur Preisbildung von Forwardkon-
trakten, der Speicher- und der Riskpremiumtheorie.
50
46
Vgl. Longstaff/ Wang (2002) S. 1881.
47
Vgl. Scheunenstuhl (1992) S. 66, Bergschneider (2001) S. 111.
48
Vgl. im Folgenden Working (1962) in Scheuenstuhl (1992) S. 66f.
49
Vgl. im Folgenden Scheunenstuhl (1992) S. 76ff, Fama/ French (1987) S. 62.
50
Vgl. Fama/ French (1987) S. 55.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836603331
DOI
10.3239/9783836603331
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – Wirtschaftswissenschaften, Finanzierung und Investition
Erscheinungsdatum
2007 (Mai)
Note
2,0
Schlagworte
elektrizitätshandel forward-kontrakt preisbildung strommarkt cost-of-carry forward- riskpremium-theorie regime-switching
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Titel: Forward-Preisbildung am Markt für Elektrizität
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