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Fusionskontrolle in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika

©2007 Diplomarbeit 95 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Suez und Gaz de France, Vivendi und Universal, Thomson West und Reuters, Endesa und Gaz Natural, T-Mobile und Telering… Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Medien nicht von Unternehmens-Zusammenschlüssen und Fusionen in bisher ungeahnten Dimensionen berichten. Die Vorstände prognostizieren enorme Synergieeffekte, effizientere Produktions- und Distributionssysteme, signifikante Fortschritte bei Forschung und Entwicklung, innovativere Produkte, höhere Dividenden und günstigere Preise für den Endverbraucher.
Sind diese Ankündigungen realistisch? Gibt es auch negative Aspekte von Zusammenschlüssen?
Wenn zwei Unternehmen auf Grund eines Zusammenschlusses zu mächtig werden, wird dies vermutlich zu negativen Auswirkungen auf die Marktsituation führen. Konkurrierenden Unternehmen können vom Markt verdrängt, potentielle Marktteilnehmer von einem Zutritt abgehalten werden. Die marktbeherrschenden Firmen müssen sich bei der Preisgestaltung nicht mehr an die Regeln des Wettbewerbs halten. Die Qualität der Erzeugnisse kann abnehmen.
Um solche negativen Auswirkungen von Zusammenschlüssen zu vermeiden, werden in vielen Staaten Fusionskontrollregeln angewandt. Sie sollen eine Marktstruktur gewährleisten, die den Wettbewerb fördert und damit auch dem Kunden und der gesamten Volkswirtschaft zum Vorteil gereicht.
Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit den Vorschriften der Fusionskontrolle in den zwei dynamischsten und mächtigsten Wirtschaftsräumen der Welt: den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union. Während die Regeln bezüglich „Merger Control“ in den USA seit beinahe 100 Jahren existieren, ist das Pendant der Europäischen Union wesentlich jünger. Aufgrund immer häufigerer, grenzüberschreitender Zusammenschlußvorhaben (auch zwischen in den USA und der EU ansässigen Unternehmen) befaßt sich diese Arbeit mit den Fusionskontrollregimen diesseits und jenseits des Atlantiks. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Abkürzungsverzeichnis8
I.EINLEITUNG9
II.FUSIONSKONTROLLE IN DER EUROPÄISCHEN UNION10
AEinleitung10
1Rechtsgrundlagen10
2Entwicklung der europäischen Fusionskontrolle10
3Extraterritorialität12
BAufgreifkriterien12
1Allgemeines12
2Der Zusammenschlußbegriff13
2.1Allgemeines13
2.2Fusion13
2.3Kontrollerwerb14
2.3.1Definition der Kontrolle14
2.3.2Erwerber der Kontrolle15
2.3.4Formen des Kontrollerwerbs16
2.3.4.1Kontrolle durch Vermögenserwerb (Asset deal)16
2.3.4.2Kontrolle durch Anteilserwerb […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christian Constantin
Fusionskontrolle in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika
ISBN: 978-3-8366-0732-2
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität Wien, Wien, Österreich, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

1
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis... 7
I. EINLEITUNG... 9
II. FUSIONSKONTROLLE IN DER EUROPÄISCHEN UNION ...11
A. Einleitung ... 11
1. Rechtsgrundlagen... 11
2. Entwicklung der europäischen Fusionskontrolle... 11
3. Extraterritorialität ... 13
B. Aufgreifkriterien ... 14
1. Allgemeines... 14
2. Der Zusammenschlußbegriff... 14
2.1 Allgemeines ... 14
2.2 Fusion ... 15
2.3 Kontrollerwerb ... 15
2.3.1 Definition der Kontrolle ... 15
2.3.2 Erwerber der Kontrolle... 16
2.3.4 Formen des Kontrollerwerbs... 17
2.3.4.1 Kontrolle durch Vermögenserwerb (Asset deal) ... 17
2.3.4.2 Kontrolle durch Anteilserwerb (Share deal) ... 17
2.3.4.3 Sonstige Formen des Kontrollerwerbs... 17
2.3.5 Inhaber der Kontrolle... 18
2.3.6 Alleinige Kontrolle... 18
2.3.7 Gemeinsame Kontrolle ... 18
2.3.7.1 Gemeinsame Kontrolle von GU ... 19
a) Gemeinsame Kontrolle... 19
b) Dauerhafte, selbständige, wirtschaftliche Einheit ... 20
2.3.7.2 Gemeinsame Kontrolle durch wirtschaftliche Fusion ... 21
2.3.8 Änderungen in der Art der Kontrolle... 21
2.3.9 Dauerhaftigkeit der strukturellen Veränderung ... 22
2.3.10 Branchenspezifische Besonderheiten... 22
3. Gemeinschaftsweite Bedeutung... 23
3.1 Allgemeines ... 23

2
3.3 Beteiligte Unternehmen ... 25
3.4 Berechnung der Umsatzhöhe ... 26
3.4.1 Begriff des Umsatzes... 27
3.4.2 Maßgeblicher Zeitraum für die Umsatzberechnung... 27
3.4.3 Umsatzzurechnung ... 27
3.5 Geographische Zuordnung der Umsätze... 29
3.6 Branchenspezifische Besonderheiten ... 30
C. Eingreifkriterien ... 30
1. Der relevante Markt ... 30
1.1 Allgemeines ... 30
1.2 Produktmarkt ... 31
1.2.1 Bedarfsmarktkonzept ... 31
1.2.2 Verbraucherpräferenzen... 32
1.2.3 Preis... 32
1.2.4 Produkteigenschaften ... 32
1.2.5 Wettbewerbsbedingungen ... 33
1.2.6 Kosten eines Produktwechsels beim Kunden... 33
1.2.7 Substitution in der Vergangenheit... 33
1.2.8 Quantitative Tests... 34
1.2.9 Marktdefinition im Falle von Preisdiskriminierung ... 35
1.2.10 Angebotssubstituierbarkeit... 35
1.2.11 Systemmärkte ... 35
1.3 Der geographische Markt ... 35
1.3.1 Das Tätigkeits- bzw Absatzgebiet der beteiligten Unternehmen ... 36
1.3.2 Nachfragemerkmale... 37
1.3.3 Käuferverhalten... 37
1.3.4 Schranken und Kosten bei der Verlagerung von Aufträgen an
Unternehmen in andere Gebiete... 37
1.3.5 Umlenkung von Aufträgen in andere Gebiete... 38
1.3.6 Marktanteile ... 38
1.3.7 Die verschiedenen räumlichen Märkte... 38
1.3.7.1 Gemeinschaftsweiter Markt ... 38
1.3.7.2 Nationale Märkte ... 39
1.3.7.3 Regionale und lokale Märkte... 39

3
2. Wettbewerbliche Beurteilung ... 40
2.1 Beurteilungsmaßstab ... 40
2.2 Die einzelnen Beurteilungskriterien ... 42
2.2.1 Marktstellung der beteiligten Unternehmen ... 42
2.2.1.1 Marktanteile... 42
a) Absolute Höhe des Marktanteils... 42
b) Relative Höhe des Marktanteils... 43
c) Marktanteilsschwankungen und Marktphasen ... 43
2.2.1.2 Konzentrationsgrad... 44
2.2.2 Finanzkraft ... 45
2.2.3 Wahlmöglichkeiten der Lieferanten und Abnehmer... 45
2.2.4 Nachfragemacht... 45
2.2.5 Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten... 46
2.2.6 Entwicklung des Angebots und der Nachfrage... 46
2.2.7.1 Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts ... 47
2.2.7.2 Rechtzeitigkeit des Markteintritts... 49
2.2.7.3 Ausreichender Umfang des Markteintritts ... 49
2.2.8 Effizienzen ... 49
2.2.8.1 Vorteil für die Verbraucher... 50
2.2.8.2 Fusionsspezifische Effizienzvorteile... 50
2.2.8.3 Nachprüfbarkeit ... 51
2.3 Kollektive Marktbeherrschung... 51
2.3.1 Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopole... 51
2.3.2 Bedingungen für eine stillschweigende Koordinierung... 52
2.3.3 Voraussetzungen einer kollektiven Marktbeherrschung ... 53
2.3.3.1 Marktransparenz... 53
2.3.3.2 Abschreckungsmechanismen ... 53
2.3.3.3 Reaktion von Wettbewerbern und Kunden ... 54
2.3.4 Unilateral effects ... 54
2.4 Kategorien von Zusammenschlüssen ... 55
2.4.1 Horizontale Zusammenschlüsse ... 55
2.4.2 Vertikale Zusammenschlüsse... 56
2.4.3 Konglomerate Zusammenschlüsse ... 57
2.7 Sanierungsfusion ... 57

4
III. FUSIONSKONTROLLE IN DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA ...59
A. Einleitung ... 59
1. Rechtsgrundlagen... 59
2. Behörden ... 61
3. Extraterritorialität ... 62
B. Aufgreifkriterien ... 62
1. Allgemeiner Anwendungsbereich... 62
2. Hart-Scott-Rodino Act ... 63
C. Eingreifkriterien ... 65
1. Horizontale Zusammenschlüsse ... 65
1.1 Der relevante Markt ... 65
1.1.1 Produktmarkt ... 66
1.1.2 Der geographische Markt ... 67
1.2 Bestimmung der im relevanten Markt tätigen Unternehmen ... 68
1.3 Bestimmung der Marktanteile ... 69
1.4 Marktkonzentration ... 70
1.5 Potentielle wettbewerbswidrige Wirkungen des Zusammenschlusses... 71
1.5.1 Koordinierte Verhaltensweisen... 71
1.5.1.1 Vereinbarung über die Bedingungen der Koordination... 72
1.5.1.2 Entdeckung und Bestrafung abweichenden Verhaltens ... 73
1.5.2 Unilateral Effects... 73
1.5.2.1 Differenzierte Produkte... 74
1.5.2.2 Unterschiedliche Kapazitäten... 74
1.6 Marktzutrittsanalyse... 75
1.6.1 Rechtzeitigkeit des Markteintritts ... 76
1.6.2 Wahrscheinlichkeit des Markteintritts... 76
1.6.3 Hinreichender Umfang des Markteintritts ... 78
1.7 Efficiencies ... 79
1.7.1 Merger-Specific Efficiencies... 79
1.7.2 Cognizable Efficiencies... 80
1.7.3 Sufficiency of Efficiencies... 80
1.8 Failing Firm Defence ... 81
2. Nicht-Horizontale Zusammenschlüsse ... 82

5
2.1 Allgemeine Voraussetzungen unter denen ein nicht-horizontaler
Zusammenschluß Wettbewerbsbedenken auslösen kann ... 82
2.2 Wettbewerbsbedenken bei vertikalen Zusammenschlüssen... 83
2.2.1 Verstärkung von Marktzutrittsschranken ... 83
2.2.2 Vertikale Integration mit Einzelhändlern ... 84
2.2.3 Eliminierung eines besonders aggressiven Nachfragers... 84
2.2.4 Umgehung von Preisregulierungen ... 84
2.3 Wettbewerbsbedenken bei konglomeraten Zusammenschlüssen ... 85
IV. ZUSAMMENFASSUNG ...87
Literaturverzeichnis ...91
Entscheidungsverzeichnis ...9
3
Rechtsquellenverzeichnis...96

7
Abkürzungsverzeichnis
ABl
Amtsblatt de europäischen Gemeinschaften
aF alte
Fassung
Art Artikel
DOJ
Department of Justice
EG Europäische
Gemeinschaft
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EU Europäische
Union
EuG
Europäisches Gericht erster Instanz
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
EUR Euro
EWG Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft
FKVO Fusionskontrollverordnung
FTC
Federal Trade Commission
gem gemäß
GU
Gemeinschaftsunternehmen
HHI Herfindahl-Hirschman-Index
Hrsg Herausgeber
HSR Hart-Scott-Rodino
iSd
im Sinne der(s)
iSv
im Sinne von
iVm
in Verbindung mit
ö österreichisch
Pkt Punkt
Rs Rechtssache
Rz Randziffer
Slg Sammlung
SSNIP
Small but significant increase in prices
sog sogenannte(r)
US$ US-amerikanischer
Dollar

9
I. EINLEITUNG
Suez und Gaz de France, Vivendi und Universal, Thomson West und Reuters,
Endesa und Gaz Natural, T-Mobile und Telering...
Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Medien nicht von Unternehmens-
Zusammenschlüssen und Fusionen in bisher ungeahnten Dimensionen berichten.
Die Vorstände prognostizieren enorme Synergieeffekte, effizientere Produktions- und
Distributionssysteme, signifikante Fortschritte bei Forschung und Entwicklung, inno-
vativere Produkte, höhere Dividenden und günstigere Preise für den Endverbrau-
cher.
Sind diese Ankündigungen realistisch? Gibt es auch negative Aspekte von Zusam-
menschlüssen?
Wenn zwei Unternehmen auf Grund eines Zusammenschlusses zu mächtig werden,
wird dies vermutlich zu negativen Auswirkungen auf die Marktsituation führen. Kon-
kurrierenden Unternehmen können vom Markt verdrängt, potentielle Marktteilnehmer
von einem Zutritt abgehalten werden. Die marktbeherrschenden Firmen müssen sich
bei der Preisgestaltung nicht mehr an die Regeln des Wettbewerbs halten. Die Quali-
tät der Erzeugnisse kann abnehmen.
Um solche negativen Auswirkungen von Zusammenschlüssen zu vermeiden, werden
in vielen Staaten Fusionskontrollregeln angewandt. Sie sollen eine Marktstruktur
gewährleisten, die den Wettbewerb fördert und damit auch dem Kunden und der
gesamten Volkswirtschaft zum Vorteil gereicht.
Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit den Vorschriften der Fusionskontrolle in den
zwei dynamischsten und mächtigsten Wirtschaftsräumen der Welt: den Vereinigten
Staaten von Amerika und der Europäischen Union. Während die Regeln bezüglich
,,Merger Control" in den USA seit beinahe 100 Jahren existieren, ist das Pendant der
Europäischen Union wesentlich jünger. Aufgrund immer häufigerer, grenzüberschrei-
tender Zusammenschlußvorhaben (auch zwischen in den USA und der EU ansässi-
gen Unternehmen) befaßt sich diese Arbeit mit den Fusionskontrollregimen diesseits
und jenseits des Atlantiks.

11
II. FUSIONSKONTROLLE IN DER EUROPÄISCHEN UNION
A. Einleitung
1. Rechtsgrundlagen
Am 1. Mai 2004 ist die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Jänner
2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
1
in Kraft getreten.
Sie wird im Allgemeinen Fusionskontrollverordnung (FKVO) genannt. Die FKVO löste
damit ihre Vorgängerin
2
aus dem Jahre 1989 ab und brachte eine Vielzahl von geän-
derten Bestimmungen. Rechtsgrundlage für die FKVO sind die Art. 83 und 308 EGV,
wonach sich die Gemeinschaft für die Verwirklichung ihrer Ziele zusätzliche Befug-
nisse geben kann.
3
Weitere relevante Rechtsquellen für die Kontrolle von Unterneh-
menszusammenschlüssen sind die Durchführungsverordnung
4
und eine Reihe von
Mitteilungen der Kommission zur Auslegung und Anwendung der FKVO.
2. Entwicklung der europäischen Fusionskontrolle
Im Gegensatz zum EGKS-Vertrag enthält der EG-Vertrag keine ausdrückliche Be-
stimmung zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. Lange herrschte die
Meinung, daß die Art 85 und 86 EGV (heute Art 81 und 82) nicht zur wettbewerbli-
chen Überprüfung von strukturellen Maßnahmen von Unternehmen herangezogen
werden können.
5
Die Kommission hat die große Bedeutung einer gemeinschaftlichen
Fusionskontrolle zur Realisierung eines einheitlichen Binnenmarktes schon früh
hervorgehoben (zB im Spaak Bericht von 1956).
Frustriert, daß sich die Mitgliedsstaaten nicht auf eine gemeinsame Fusionskontrolle
einigen konnten, begann die Kommission, die Art 85 und 86 EGV zur Prüfung von
Zusammenschlüssen heranzuziehen. Zuerst wurde Art 86 EGV angewandt, um
1
Verordnung (EG) 139/2004 des Rates v 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammen-
schlüssen, ABl L 24 S 1
2
Verordnung (EWG) 4064/89 des Rates v 21.12.1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammen-
schlüssen, ABl L 395 S 1
3
Erwägungsgrund 7 der Verordnung (EG) 139/2004 des Rates v 20.1.2004 über die Kontrolle von Unter-
nehmenszusammenschlüssen, ABl L 24 S 1
4
Verordnung (EG) 802/2004 der Kommission vom 7.4.2004 zur Durchführung der Verordnung (EG)
139/2004 des Rates v 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl L 133 S 1
5
Schwappach (Hrsg), EU-Rechtshandbuch für die Wirtschaft
2
(1996) 263

12
bestimmte Übernahmen durch marktbeherrschende Unternehmen zu verbieten.
6
Im
Jahr 1973 bestätigte der EuGH im Fall Continental Can
7
die Ansicht der Kommission,
daß der Erwerb eines Konkurrenzunternehmens durch ein marktbeherrschendes
Unternehmen ein mißbräuchliches Verhalten iSd Art 86 darstellen kann, wenn der
Wettbewerb dadurch wesentlich behindert wird.
Im Jahr 1987 hatte der EuGH im Fall Philip Morris die Anwendbarkeit von Art 85
EGV auf den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an Konkurrenzunternehmen zu
klären. In seiner bis heute umstrittenen Entscheidungen stellte der Gerichtshof fest,
falls ein solcher Erwerb dazu dient, das geschäftliche Verhalten der Unternehmen so
zu beeinflussen, daß der Wettbewerb auf dem relevanten Markt eingeschränkt oder
verfälscht wird, die Kapitalbeteiligung dem Verbot des Art 85 EGV unterliegt.
8
Diese beiden Entscheidungen des EuGH riefen Bedenken hervor, da es nun möglich
war, daß ein Zusammenschluß von den nationalen Wettbewerbsbehörden geneh-
migt, später aber dann von der Kommission untersagt werden konnte. Speziell für
bereits vollzogene Fusionen hätte dies gravierende Folgen gehabt. Weiters könnten
Dritte, zB Aktionäre, Klagen gegen einen Zusammenschluß gem Art 85 bzw 86 EGV
einbringen.
9
Die Art 85 und 86 EGV waren also unzulängliche Mittel für die Überprüfung von
Zusammenschlüssen, da mit ihnen eine systematische, alle wesentlichen Konzentra-
tionsvorgänge erfassende, präventive Zusammenschlußkontrolle, die auch geeignete
materiellrechtlichen Sanktions- und verfahrensrechtliche Durchsetzungsmöglichkei-
ten hatte, nicht möglich war.
10
Besonders die Ankündigung von Kommissar Suther-
land, daß die Kommission ihre höchstgerichtlich anerkannten Fusionskontrollkompe-
tenzen auf Basis der Art 85 und 86 EGV verstärkt ausüben werde, dürfte zur relativ
raschen Einigung auf die FKVO beigetragen haben.
11
So wurde am 21.12.1989 die
FKVO, die am 21.9.1990 in Kraft trat, verabschiedet.
6
Frazer, Monopoly, Competition and the Law
2
(1992) 85
7
EuGH 21.2.1973, Rs 6/72, Continental Can, Slg 1973, 215
8
EuGH 17.11.1987, Rs 142 und 156/84, Philip Morris, Slg 1987, 4487
9
Furse, Competition Law of the EC and UK (2004) 322
10
Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle (1995) 52
11
Celli/Grenfell, Merger Control in the United Kingdom and the European Union (1997), 73

13
Im Jahr 1997 einigte sich der Rat auf die erste Verordnung zur Änderung der
FKVO
12
. Diese trat am 1.3.1998 in Kraft. Es gab jedoch nur relativ geringfügige
Änderungen. Die Grundsätze, auf die sich die FKVO stützt, blieben unverändert.
Zur ersten Revision der FKVO kam es im Jahr 2004. Mit dem Ziel, Mehrfachanmel-
dungen von Zusammenschlüssen in mehreren Mitgliedsstaaten zu vermeiden, wurde
das Verweisungssystem der Art 9 und 22 geändert. Weiters wurde ein neuer mate-
rieller Beurteilungsmaßstab eingeführt. An Stelle des bis dato bestehenden Marktbe-
herrschungstests untersucht die Kommission gem Art 2 nun, ob ein Zusammen-
schluß zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs im gemeinsamen
Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben führen würde (SIEC-Test). Die
Neufassung brachte außerdem eine Vielzahl von verfahrensrechtlichen Änderungen.
3. Extraterritorialität
Die FKVO ist gem Art 1 immer dann anwendbar, falls die am Zusammenschluß
beteiligten Unternehmen bestimmte Umsatzschwellen erreichen. Dabei wendet die
Kommission die FKVO auch auf Auslandssachverhalte an, die sich auf den Wettbe-
werb in Märkten außerhalb der Gemeinschaft auswirken. Häufig haben die am Zu-
sammenschluß involvierten Unternehmen dabei ihren Sitz außerhalb der EU und es
gibt lediglich geringe Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem gemeinsamen
Markt. Die Kommission stützte die extraterritoriale Rechtsanwendung der FKVO
bisher ausschließlich auf Art 1, die der Art 81 und 82 EGV jedoch ausdrücklich auf
das Auswirkungsprinzip. Im Fall Gencor/Lonrho
13
hat das EuG die Geltung des Aus-
wirkungsprinzips für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der FKVO bejaht. Ein
Zusammenschluß fällt danach in den Geltungsbereich der FKVO, wenn er unmittel-
bare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen auf den gemeinsamen Markt
hat. Neben der gemeinschaftsweiten Bedeutung sind daher auch die Auswirkungen
des Auslandssachverhalts auf das Gemeinschaftsgebiet zu prüfen.
14
12
Verordnung (EG) 1310/97 des Rates v 30.6.1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) 4064/89 des Rates
über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl L 180 S 1
13
EuG 25.3.1999, Rs T-102/96, Gencor, Slg 1999, II-753
14
Schulte (Hrsg), Handbuch Fusionskontrolle (2005) 258ff

14
B. Aufgreifkriterien
1. Allgemeines
Grundsätzlich ist der Anwendungsbereich der FKVO auf den Geltungsbereich des
EGV, auf den sie sich stützt, beschränkt.
15
Sie ist auch auf Unternehmen aus Dritt-
staaten anzuwenden, unabhängig davon, wo der Zusammenschluß vollzogen wer-
den soll. Es genügt, wenn sich der Zusammenschluß in der Gemeinschaft auswirkt.
16
Die FKVO enthält zwei Aufgreifkriterien, die kumulativ vorliegen müssen, um eine
Zuständigkeit der Kommission zu begründen. Es muß sich bei der betreffenden
Transaktion um einen ,,Zusammenschluß" iSd Art 3 handeln und dieser muß ,,ge-
meinschaftsweite Bedeutung" iSd Art 1 haben.
Erfüllt ein Vorhaben beide Aufgreifkriterien, so bedeutet dies für die beteiligten Un-
ternehmen, daß sie den Zusammenschluß bei der Kommission anmelden müssen
und das er gem Art 7 vorläufig nicht vollzogen werden darf.
Art 21 Abs 2 schreibt außerdem vor, daß die Behörden der Mitgliedsstaaten ihr in-
nerstaatliches Wettbewerbsrecht nicht auf Zusammenschlüsse von gemeinschafts-
weiter Bedeutung anwenden (,,one-stop-shop"-Prinzip). Dadurch werden Parallelver-
fahren vor europäischen und nationalen Behörden vermieden.
Die Kommission hat innerhalb von 25 bzw 35 Arbeitstagen gem Art 6 zu entschei-
den, ob ein angemeldeter Zusammenschluß unter die FKVO fällt, ob sie ihn wegen
mangelnder Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt
genehmigt oder ob sie den Zusammenschluß auf Grund erheblicher wettbewerbli-
cher Bedenken einer genaueren Prüfung unterzieht.
2. Der Zusammenschlußbegriff
2.1 Allgemeines
Neben der Fusion basiert der Zusammenschlußbegriff der FKVO va auf dem Kon-
trollkonzept. Dieses war eingeführt worden, um trotz der unterschiedlichen nationalen
Gesellschaftsrechtsordnungen möglichst alle Formen externen Unternehmenswachs-
tums, die die wettbewerbliche Marktstruktur gefährden könnten, in der EU erfassen
15
Drauz/Schröder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle
3
(1995) 1
16
Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995) 86

15
zu können.
17
Der FKVO liegt daher ein rechtsformneutraler Zusammenschlußbegriff
zugrunde.
18
2.2 Fusion
Gem Art 3 Abs 1 lit a wird ein Zusammenschluß dadurch bewirkt, daß zwei oder
mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen oder Unternehmensteile fusi-
onnieren.
Eine Fusion liegt vor, wenn zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unter-
nehmen zu einem neuen Unternehmen verschmelzen und keine eigene Rechtsper-
sönlichkeit mehr bilden. Legen zuvor unabhängige Unternehmen ihre Aktivitäten so
zusammen, daß eine wirtschaftliche Einheit entsteht, so liegt ebenfalls eine Fusion
iSd Art 3 Abs 1 lit a vor, ohne daß rechtlich von einer solchen gesprochen werden
kann. Dies geschieht, wenn zwei oder mehr Unternehmen vertraglich vereinbaren,
sich einer gemeinsamen wirtschaftlichen Leitung zu unterstellen (,,wirtschaftliche
Fusion").
19
Vom Anwendungsbereich der FKVO ausgenommen sind konzerninterne Unterneh-
menszusammenschlüsse, weil es sich dabei nicht um bisher unabhängige Unter-
nehmen handelt, wie es Art 3 Abs 1 lit a explizit verlangt.
2.3 Kontrollerwerb
In der Praxis ist der Erwerb der Kontrolle über ein anderes Unternehmen oder Unter-
nehmensteile der mit Abstand wichtigste Zusammenschlußtatbestand.
2.3.1 Definition der Kontrolle
Die FKVO der Kommission definiert die Erlangung von Kontrolle als ,,die Möglichkeit
einen bestimmenden Einfluß auf die Tätigkeit des anderen Unternehmens ausüben
zu können". Ob ein solcher bestimmender Einfluß vorliegt, ist gem Art 3 Abs 2 an-
hand aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalles in einer Gesamt-
schau zu ermitteln.
In ihrer Zusammenschluß-Mitteilung bejaht die Kommission das Vorliegen bestim-
menden Einflusses, wenn die erworbenen Kontrollrechte das Budget, den Ge-
17
Schulte (Hrsg), Handbuch Fusionskontrolle (2005) 261
18
Stockenhuber, Europäisches Kartellrecht (1999) 147
19
Vgl Mitteilung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) 4064/89
des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl C 66 v 2.3.98 S 5 (im folgenden
Zusammenschluß-Mitteilung)

16
schäftsplan, größere Investitionen oder die Besetzung der Unternehmensleitung
betreffen. Wichtig dabei ist, daß es sich dabei um Einfluß auf das strategische Markt-
verhalten des Unternehmens handelt. Eine Kontrolle über das operative Alltagsge-
schäft ist nicht erforderlich. Ob ein spezielles Recht einen bestimmenden Einfluß
einräumt, hängt auch von den jeweiligen Marktbedingungen ab. In einem Technolo-
giemarkt werden (Veto-)Rechte betreffend Forschungs- und Entwicklungsvorhaben
geeignet sein, dem Rechteinhaber einen bestimmenden Einfluß einzuräumen.
20
Nach dem Wortlaut des Art 3 Abs 2 wird der Zusammenschluß bereits durch den
Erwerb der Kontrollmöglichkeit verwirklicht, auf die tatsächliche Ausübung des be-
stimmenden Einflusses kommt es nicht an. Unerheblich ist weiters, auf welche Weise
die Kontrollmöglichkeit erworben bzw ausgeübt wird.
Ein Zusammenschluß liegt nur dann vor, wenn die Kontrolle in andere Hände über-
geht. Eine interne Reorganisation innerhalb einer Unternehmensgruppe ist daher
nicht als Zusammenschluß zu qualifizieren.
2.3.2 Erwerber der Kontrolle
Die FKVO stellt klar, daß als Kontrollerwerber ein oder mehrere Unternehmen oder
ein oder mehrere Personen, die bereits ein oder mehrere Unternehmen kontrollieren,
in Betracht kommen. Üben daher natürliche Personen keine Kontrolle über ein Un-
ternehmen aus, so können sie Unternehmen erwerben ohne dabei der FKVO zu
unterliegen (zB Management Buy-outs).
21
Der EuGH hat den Begriff des Unternehmens weit und funktional abgegrenzt. Da-
nach wird jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer
Rechtsform und Art der Finanzierung als Unternehmen definiert.
22
Der Unterneh-
mensbegriff erfordert auch keine Gewinnerzielungsabsicht.
2.3.3 Kontrollgegenstand
Objekt der Kontrolle sind gem Art 3 Abs 1 lit a die Gesamtheit eines Unternehmens
und auch Unternehmensteile. Klargestellt ist damit, daß auch Tochterunternehmen
oder ein Betrieb eines Unternehmens erfaßt werden. Schwierige Abgrenzungsfragen
können sich ergeben, wenn nur einzelne Vermögensteile erworben werden. In der
Zusammenschluß-Mitteilung geht die Kommission davon aus, daß der Erwerb von
20
Rz 23 Zusammenschluß-Mitteilung, ABl C 66 v 2.3.1998 S 5
21
Schulte (Hrsg), Handbuch Fusionskontrolle (2005) 265
22
EuGH 19.1.1994, Rs C-364/92, Eurocontrol, Slg 1994, I-55

17
Vermögensteilen den Zusammenschlußtatbestand erfüllt, wenn sich diesen eindeutig
ein Marktumsatz zuweisen läßt
23
.
2.3.4 Formen des Kontrollerwerbs
Gem Art 3 Abs 2 kann die Kontrolle durch Rechte, Verträge oder andere Mittel be-
gründet werden. Die FKVO legt den Erwerbsbegriff damit außerordentlich weit aus.
Dies entspricht durchaus dem Zweck der FKVO. Es ist unerheblich, wie bestimmen-
der Einfluß begründet wird, entscheidend ist allein, daß ein solcher möglich ist.
24
2.3.4.1 Kontrolle durch Vermögenserwerb (Asset deal)
Erwirbt ein Unternehmen oder eine Person das Eigentum oder Nutzungsrechte am
Vermögen eines anderen Unternehmens, so erlangt es dadurch auch bestimmenden
Einfluß auf die Tätigkeit dieses Unternehmens und damit Kontrolle iSd FKVO. Da
sowohl Eigentums- als auch Nutzungsrechte am Unternehmensvermögen zum sel-
ben wirtschaftlichen Ergebnis (nämlich der Kontrolle über das Unternehmen) führen,
ist eine Gleichbehandlung der beiden, wie sie Art 3 Abs 2 lit a vorsieht, gerechtfer-
tigt.
25
2.3.4.2 Kontrolle durch Anteilserwerb (Share deal)
Der zweite Sondertatbestand des Kontrollerwerbs des Art 3 Abs 2 lit b ,,Bestimmen-
der Einfluß auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Unter-
nehmensorgane" wird in der Praxis überwiegend durch den Erwerb von Gesellschaf-
terpositionen verwirklicht. Wie nachfolgend dargestellt, setzt bestimmender Einfluß
nicht notwendigerweise die Mehrheit der Stimmrechte voraus.
Die Einräumung von Optionen stellt keinen Zusammenschluß dar, weil nicht sicher
ist, ob sie ausgeübt werden.
26
2.3.4.3 Sonstige Formen des Kontrollerwerbs
Der Abschluß eines Geschäftsführungsvertrages kann Kontrolle über ein Unterneh-
men ermöglichen. Kontrolle kann auch dann vorliegen, wenn ein Unternehmen die
Gewinnverwendung des anderen bestimmen kann, weil dadurch Investitionsent-
23
Rz 11 Zusammenschluß-Mitteilung, ABl C 66 v 2.3.1998 S 5
24
Schulte (Hrsg), Handbuch Fusionskontrolle (2005) 283
25
Stockenhuber, Europäisches Kartellrecht (1999) 150
26
Drauz/Schröder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle
3
(1995) 40

18
scheidungen fremdbestimmt wären. Sofern sich Minderheitsaktionäre durch Stimm-
bindungsverträge die Mehrheit der Stimmrechte sichern, kann Kontrolle iSd der
FKVO hergestellt werden. Personelle Verflechtungen in den Leitungsgremien von
Unternehmen können ebenfalls zu einer Kontrolle führen. Im Einzelfall sind auch
Bedarfs- und Absatzverträge sowie erhebliche wirtschaftliche Abhängigkeiten eines
Unternehmens geeignet, das Tatbestandsmerkmal des Kontrollerwerbs zu erfüllen.
27
2.3.5 Inhaber der Kontrolle
Gem Art 3 Abs 3 lit a sind Inhaber der Kontrolle die Personen oder Unternehmen, die
aus diesen Rechten oder Verträgen selbst berechtigt sind. Um alle Umgehungsver-
suche auszuschließen (,,Strohmann-Fälle"), kommen neben den direkt Berechtigten
auch Dritte als Kontrollinhaber in Betracht. Dies sind gem Art 3 Abs 3 lit b Personen
oder Unternehmen, die, obwohl sie aus diesen Rechten oder Verträgen nicht direkt
berechtigt sind, die Befugnis haben, die sich daraus ergebenden Rechte auszuüben.
2.3.6 Alleinige Kontrolle
Alleinige Kontrolle liegt vor, wenn der Erwerber allein in der Lage ist, bestimmenden
Einfluß auf die Tätigkeit des Unternehmens geltend zu machen. Dies geschieht in
der Regel durch den Erwerb der Stimmrechtsmehrheit. Alleinige Kontrolle kann aber
auch mittels ,,qualifizierter Minderheit" erlangt werden. Dies geschieht dann entweder
rechtlich, wenn die Minderheitsbeteiligung mit besonderen Rechten ausgestattet ist,
oder faktisch, wenn aufgrund des Streubesitzes der restlichen Anteile, ein Minder-
heitsgesellschafter in der Hauptversammlung über eine Mehrheit verfügt. In der
letztgenannten Konstellation ist eine genaue Prüfung der zukünftigen Hauptver-
sammlungspräsenz, wie sie sich nach dem Zusammenschluß ergeben würde, vorzu-
nehmen.
2.3.7 Gemeinsame Kontrolle
Gemeinsame Kontrolle liegt nach der Zusammenschluß-Mitteilung dann vor, wenn
zwei oder mehrere Unternehmen die Möglichkeit haben, einen bestimmenden
Einfluß auf ein anderes Unternehmen auszuüben und die Anteilsinhaber deshalb
einvernehmlich die Geschäftspolitik des gemeinsam kontrollierten Unternehmens
27
Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle (1995) 137ffi

19
bestimmen müssen. Gemeinsame Kontrolle tritt in zwei Fallgruppen auf: Gründung
eines Gemeinschaftsunternehmens (GU) und wirtschaftliche Fusion.
2.3.7.1 Gemeinsame Kontrolle von GU
Das europäische Wettbewerbsrecht behandelt nicht alle GU gleich. Seit der Novellie-
rung der FKVO im Jahr 1998 fallen alle Vollfunktions-GU in den Anwendungsbereich
der FKVO, unabhängig davon ob sie zu einer Koordinierung des Wettbewerbsverhal-
tens der Gründer führen oder nicht. Diese Änderung ist zu begrüßen, weil für die
Anwendung der FKVO auf GU nur mehr die Prüfung der Vollfunktionseigenschaft
des GU erforderlich ist.
Vollfunktions-GU, welche zu einer Koordinierung zwischen den Muttergesellschaften
des GU führen, unterliegen gem Art 2 Abs 4 einer materiellen Doppelkontrolle. Ne-
ben dem SIEC-Test kommt zusätzlich der Verhaltenstest nach Art 2 Abs 4 FKVO
iVm Art 81 Abs 1 und 3 EGV zur Anwendung. GU, die nur Hilfsfunktionen für ihre
Muttergesellschaften erbringen (Teilfunktions-GU), fallen nicht unter die FKVO und
werden ausschließlich nach Art 81 EGV geprüft.
Der Begriff des Vollfunktions-GU wird in Art 3 Abs 4 der FKVO definiert: ,,Die Grün-
dung eines Gemeinschaftsunternehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selb-
ständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt, stellt einen Zusammenschluß im Sinne von
Absatz 1 Buchstabe b dar." Die Kommission hat eine eigene Mitteilung bezüglich des
Begriffs des Vollfunktions-GU erlassen.
28
a) Gemeinsame Kontrolle
Gemeinsame Kontrolle liegt zweifelsfrei vor, wenn zwei beherrschende Unternehmen
je zur Hälfte am Gemeinschaftsunternehmen beteiligt sind. Jedoch kann auch bei
ungleicher Stimmgewichtung gemeinsame Kontrolle vorliegen. Dies ist dann der Fall,
wenn Minderheitsgesellschafter zusätzliche Rechte haben, die es ihnen erlauben, ein
Veto gegen Entscheidungen einzulegen, die für das Gemeinschaftsunternehmen
wichtige strategische Bedeutung haben.
29
Die beiden beherrschenden Unternehmen
sind also zur Leitung des GU aufeinander angewiesen. Stockenhuber ergänzt das
28
Mitteilung der Kommission über den Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens nach der
Verordnung (EWG) 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl C
66 v 2.3.98 S 1 (im folgenden Vollfunktions-GU-Mitteilung)
29
Pkt 2 Zusammenschluß-Mitteilung, ABl C 66 v 2.3.1998 S 5

20
Tatbestandsmerkmal der gemeinsamen Kontrolle noch um das Element des Willens
bzw der Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln.
30
b) Dauerhafte, selbständige, wirtschaftliche Einheit
Dieses Tatbestandsmerkmal dient der Abgrenzung der Vollfunktions-GU von den
Teilfunktions-GU.
Ein Vollfunktions-GU liegt vor, wenn es auf einem Markt die Funktionen ausüben
kann, die auch von anderen Unternehmen in diesem Markt wahrgenommen werden.
Dafür muß das GU über ein sich dem Tagesgeschäft widmendes Management und
ausreichend finanzielle, materielle und immaterielle Ressourcen verfügen.
31
Diese
beiden Kriterien, Ausübung nicht nur von Hilfsfunktionen und Selbständigkeit, können
auch iSv Mittelverwendung und Mittelherkunft definiert werden.
32
Das Kriterium der Selbstständigkeit darf nicht mit der gemeinsamen Kontrolle des
GU verwechselt werden. Die gemeinsame Kontrolle der beherrschenden Unterneh-
men bezieht sich auf die langfristigen strategischen Entscheidungen des GU, wäh-
rend es bei der Selbständigkeit um das eigenständige Auftreten am Markt, dh das
operative Tagesgeschäft.
Auch etwaige Geschäftsbeziehungen zwischen den Gründerunternehmen und dem
GU sind bei der Prüfung, ob es sich um ein Vollfunktions-GU handelt, zu berücksich-
tigen. Besteht lediglich in der Anlaufphase eine große Abhängigkeit des GU von den
Verkäufen an die bzw den Käufen von den Gründerunternehmen, so schadet das der
Vollfunktionseigenschaft nicht. Die Anlaufphase, welche allerdings mit maximal drei
Jahren begrenzt ist, kann notwendig sein, damit sich das GU auf dem Markt etablie-
ren kann.
Sollen die Verkäufe bzw Käufe zwischen den Gründerunternehmen und dem GU
jedoch auf einer dauerhaften Basis erfolgen, so ist zu unterscheiden:
Ist das GU auf einem den Gründern vorgelagerten Markt tätig und beziehen die
Gründer regelmäßig Waren des GU, so hängt die Vollfunktionseigenschaft wesent-
lich vom Anteil dieser Verkäufe an der Gesamtproduktion des GU ab und davon, ob
die Transaktionen mit den Gründern zu den üblichen Geschäftsbedingungen erfol-
gen. Je größer die an die Gründer gelieferte Menge ist, desto weniger wird es sich
bei dem GU um einen selbständigen Marktteilnehmer handeln.
30
Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle (1995) 143
31
Rz 12 Vollfunktions-GU-Mitteilung, ABl C 66 v 2.3.1998 S 1
32
Schulte (Hrsg), Handbuch Fusionskontrolle (2005) 424

21
Wenn das GU auf einem den Gründern nachgelagerten Markt tätig ist und von ihnen
Produkte einkauft, wird es sich umso weniger um ein Vollfunktions-GU handeln, je
geringer die Wertschöpfung der von ihm produzierten Erzeugnisse ist. Bei geringer
Wertsteigerung wird es sich bei dem GU eher um eine unselbständige Vertriebs-
agentur der Gründer handeln.
33
Ein Vollfunktions-GU muß auf Dauer angelegt sein. Davon ist gem der Vollfunktions-
GU-Mitteilung auszugehen, wenn die Muttergesellschaften die entsprechenden Res-
sourcen auf das GU übertragen haben. Auch ein GU, welches nur für eine bestimmte
Frist bestehen soll, kann das Dauerhaftigkeitserfordernis erfüllen, sofern die Frist
ausreichend lange ist. Eine Laufzeit von fünf bis sieben Jahren wird als Mindestdauer
angenommen.
2.3.7.2 Gemeinsame Kontrolle durch wirtschaftliche Fusion
Der zweite Anwendungsfall der gemeinsamen Kontrolle ist die sogenannte wirt-
schaftliche Fusion: zwei unabhängige Unternehmen bringen ihre operativen Bereiche
in Tochtergesellschaften ein, um sich dann auf Holdingpositionen zurückzuziehen.
Um nun eine einheitliche Leitung über diese operativen Tochtergesellschaften zu er-
reichen, werden die, von den Holdings gehaltenen Beteiligungen an den Töchtern, in
­ unter paritätischer Beteiligung stehende ­ Zwischengesellschaften eingebracht. Ein
ähnliches Ergebnis wird auch ohne Einschaltung einer Zwischengesellschaft ereicht,
indem sich die Holdings an dem jeweils anderen Tochterunternehmen zur Hälfte
beteiligen.
34
Auch solche Konstruktionen wertet die Kommission als Zusammen-
schluß.
2.3.8 Änderungen in der Art der Kontrolle
Neben dem ursprünglichen Erwerb der Kontrolle fallen auch Änderungen der Struktur
der Kontrolle in den Zusammenschlußtatbestand. Dazu gehört, wenn aus einer ge-
meinsamen Kontrolle eine Kontrolle durch nur ein Unternehmen wird oder sich die
Zahl der die gemeinsame Kontrolle ausübenden Gesellschafter erhöht.
35
Selbst eine
Herabsetzung der Zahl der Anteilseigner ohne Übergang von gemeinsamer Kontrolle
zu alleiniger Kontrolle kann in bestimmten Fällen einen neuen Zusammenschluß
darstellen. Grundsätzlich ist bei der Beurteilung von Veränderungen in der Beteili-
33
Rz 14 Vollfunktions-GU-Mitteilung, ABl C 66 v 2.3.1998 S 1
34
Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle (1995) 149
35
Rz 40 Zusammenschluß-Mitteilung, ABl C 66 v 2.3.1998 S 5

22
gung an einem Unternehmen ausschlaggebend, ob das Vorhaben zu einer Änderung
in der Beschaffenheit der Kontrolle führt. Die Verstärkung einer bestehenden Kontrol-
le ist im allgemeinen nicht als neuer Zusammenschluß anzusehen. Dies ist berech-
tigt, wenn durch die Änderung sich die Art und Anzahl der Einflußmöglichkeiten nicht
wesentlich verändert haben. Die Kommission beurteilt jedes Vorhaben einzeln.
36
Laut Schulte
37
kommt es auch zu einer Änderung in der Art der Kontrolle, wenn ein
Gemeinschaftsunternehmen sein Tätigkeitsgebiet auf neue Aktivitäten ausdehnt.
Dem kann nicht gefolgt werden, weil es sich bei einem solchen Vorgang nicht um
eine Form externen Wachstums handelt. Andernfalls läge auch dann ein Zusam-
menschluß vor, wenn ein fusioniertes Unternehmen später seine Geschäftstätigkei-
ten auf neue Märkte ausdehnt.
2.3.9 Dauerhaftigkeit der strukturellen Veränderung
Ziel der Fusionskontrolle ist die Aufrechterhaltung von Marktstrukturen, die einen
wirksamen Wettbewerb sicherstellen. Die Fusionskontrolle ist also Strukturkontrolle
und daher nur auf dauerhafte strukturelle Veränderungen der Marktbedingungen
anwendbar. In der FKVO-Revision ist die Dauerhaftigkeit der strukturellen Verände-
rung noch einmal bekräftigt worden. Da es jedoch bisher schon als ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal geprüft wurde, dürften sich die praktischen Konsequenzen der
Neufassung in Grenzen halten.
38
2.3.10 Branchenspezifische Besonderheiten
Art 3 Abs 5 enthält drei Ausnahmebestimmungen (Bankenklausel, Insolvenzklausel,
luxemburgische Klausel), die bestimmte Vorgänge, welche die Voraussetzungen
eines Zusammenschlusses erfüllen, von der Anwendung der FKVO ausnehmen.
Wichtig dabei ist, daß die engen Voraussetzungen des Art 3 Abs 5 eingehalten wer-
den.
36
Rz 33 Mitteilung der Kommission über den Begriff der beteiligten Unternehmen in der Verordnung
(EWG) 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl C 66 v 2.3.98 S
14
37
Schulte (Hrsg), Handbuch Fusionskontrolle (2005) 289
38
Schulte (Hrsg), Handbuch Fusionskontrolle (2005) 272f

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836607322
DOI
10.3239/9783836607322
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien – Wirtschaftswissenschaften, Internationale Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2007 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
europäische union fusionskontrolle rechtsvergleich kartellrecht fusion vereinigte staaten amerika
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Titel: Fusionskontrolle in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika
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