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An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik? - Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten des Deutschen Bundestages

Eine empirische Studie

©2005 Magisterarbeit 199 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Seit der „Kleinen Parlamentsreform“ von 1969 erhalten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages finanzielle Ressourcen zur Beschäftigung verschiedener Kategorien persönlicher Mitarbeiter. Die vorliegende empirische Studie beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten. Mit diesem Vorhaben stößt sie in eine Erkenntnislücke, da die (politik-)wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet ihre Aufmerksamkeit bislang nahezu ausschließlich den Mitarbeitern der Abgeordneten des US-Kongresses und der Parlamente in den US-amerikanischen Bundesstaaten gewidmet hat.
Unsere Untersuchung beruht auf 382 Interviews mit wissenschaftlichen Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten, die in der 14. und 15. Legislaturperiode von studentischen Teilnehmern des wissenschaftlichen Seminars „Politikberatung als Beruf – Wissenschaftliche Politikberatung beim Deutschen Bundestag“ geführt wurden. Ziel ist es, Informationen über Ausbildung und berufliche Laufbahn der wissenschaftlichen Mitarbeiter, über ihre Tätigkeiten im Abgeordnetenbüro, ihr Informationsverhalten und ihre Fortbildung, über ihre Rolle im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik sowie über Beratungstätigkeiten der Mitarbeiter gegenüber den Abgeordneten zu gewinnen.
Um eine methodische Herangehensweise an den Untersuchungsgegenstand zu gewährleisten, wird nach einer Einordnung der wissenschaftlichen Mitarbeiter in das Gefüge interner und externer Beratungseinrichtungen des Deutschen Bundestages eine Typologie denkbarer Tätigkeitsprofile der Abgeordnetenassistenten skizziert. Zwei Tätigkeitsprofile erscheinen für die empirische Untersuchung in besonderem Maße relevant: Profil 1 legt eine stärkere Fokussierung auf Büro- und Sekretariatstätigkeiten jedoch unter Einschluss inhaltlicher Arbeiten.
Profil 2 stellt politisch-inhaltliche und politisch-kommunikative Tätigkeiten in den Mittelpunkt. Büro- und Sekretariatsaufgaben werden nachrangig, gehören aber dennoch zu diesem Aufgabenprofil. Wir vertreten darüber hinaus die These, Informations- und Wissensmanagement stelle die zentrale Funktion der wissenschaftlichen Mitarbeiter im Rahmen ihrer Tätigkeit im Abgeordnetenbüro dar. Sie koordinieren die das Büro erreichenden und verlassenden Informationsströme, machen relevante Informationen ausfindig, ordnen sie und bereiten sie für den parlamentarischen Prozess auf bzw. wenden sie auf spezifische politische Probleme an.
Um die vorhandenen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tanja Barthelmes
An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik? - Die wissenschaftlichen
Mitarbeiter der Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Eine empirische Studie.
ISBN: 978-3-8366-0311-9
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland, Magisterarbeit,
2005
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Lebenslauf
Name:
Tanja Charlotte Barthelmes
Adresse:
7 rue docteur Mouisset
69006 Lyon / Frankreich
0033.4.78.93.63.37
tanja.barthelmes@web.de
Geburtsdatum: 05.12.1980
Geburtsort: Würzburg
Vater:
Dieter
Barthelmes,
Kaufmännischer Angestellter im Außendienst
Mutter:
Gisela
Holzwarth, Bezirksleiterin
Autovermietung
Schulbildung
September 1987 -
Juli 1988
Volksschule Veitshöchheim (Grundschule)
September 1988 -
Juli 1991
Volksschule Estenfeld (Grundschule)
September 1991 -
Juni 2000
Städtisches Mozart-Gymnasium Würzburg (Neusprachlicher Zweig)
Schulabschluss
Allgemeine Hochschulreife
Austauschprogramme
September 1996 ­
Juni 1997
Schüleraustausch mit der Deutschen Schule Istanbul / Türkei
September 1998
Schüleraustausch mit dem Lycée des Bourdonnières Nantes / Frankreich
Studium
Oktober 2000 -
Februar 2006
Studium an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
1. Hauptfach: Politische Wissenschaft
2. Hauptfach: Romanistik
März 2003
Teilnahme am World Model United Nations 2003 in Heidelberg
Studienabschluss
Magistra Artium
Stipendien
Oktober 2000 -
Februar 2006
Stipendiatin nach dem Bayerischen Begabtenförderungsgesetz
März 2003 ­
Dezember 2005
Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes

Berufliche Erfahrung
Tätigkeiten im universitären Bereich
Februar 2002 - Juni
2002
Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft bei Herrn Prof. Dr. Axel Murswieck am
Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg
Oktober 2004 ­
September 2006
Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft bei Herrn Prof. Dr. Christof Weiand am
Romanischen Seminar der Universität Heidelberg
Praktika
März 2001
Praktikum im Fachbereich Allgemeine Bürgerdienste der Stadt Würzburg
September 2003 ­
März 2004
Praktikum am Goethe-Institut Nancy / Frankreich
Januar
2005
Praktikum am Deutschen Bundestag, Büro: Prof. Gert Weisskirchen
(außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, OSZE-Beauftragter für
den Kampf gegen Antisemitismus)
Aktuelle Tätigkeiten
seit September
2006
Deutschlektorin an der Ecole normale supérieure Lettres et Sciences
Humaines (ENS LSH) in Lyon
seit September
2006
Doktorandin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Romanische
Philologie / Literaturwissenschaft); Promotionsthema: ,,Weibliches Schreiben in
der französischen Gegenwartsliteratur am Beispiel von Marie Redonnet"
Sprachkenntnisse
Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch
Freizeitaktivitäten
Musik, Reisen, Lesen, Reiten

1
Vorbemerkung
Die Idee für das vorliegende Magisterarbeitsprojekt entstand im Rahmen des politikwissen-
schaftlichen Oberseminars ,,Politikberatung als Beruf ­ Wissenschaftliche Politikberatung
beim Deutschen Bundestag".
Die von Herbert Hönigsberger und Dr. Jürgen Treulieb konzipierte und geleitete Lehrveran-
staltung führt ein in das Aufgabenfeld ,,Politikberatung beim Deutschen Bundestag" und will
auf Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter respektive Referent bei Fraktionen und
Abgeordneten des Bundestages vorbereiten. Sie ist daher berufsorientierend und berufsprak-
tisch angelegt und umfasst neben der theoretischen Erörterung des Verhältnisses von Wissen-
schaft und Politik, wie es in Beratungsprozessen auf parlamentarischer Ebene aktualisiert
wird, ein zweiwöchiges Praktikum der Studenten im Büro eines Abgeordneten des Deutschen
Bundestages.
Als Teilnehmerin des Seminars konnte ich von den vermittelten Lerninhalten ebenso profitie-
ren wie von den im Bundestag erworbenen praktischen Erfahrungen.
Eine große Hilfe waren mir auch die zahlreichen Diskussionen mit den beteiligten Kommili-
tonen. Mein besonderer Dank gilt jedoch den beiden Seminarleitern, Herbert Hönigsberger
und Dr. Jürgen Treulieb, die mir die im Rahmen des Seminars entstandenen Interviews mit
den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten für meine Untersuchung zur
Verfügung gestellt haben. Nur deshalb konnte diese Studie auf einer so breiten Datenbasis
durchgeführt werden. Insbesondere sei Herrn Herbert Hönigsberger an dieser Stelle für die
arbeitsintensive Zusammenstellung und Übermittlung der Interviewprotokolle gedankt.
Möglich wurde die vorliegende empirische Studie natürlich erst dank der Arbeit der zahlrei-
chen Kommilitonen des Otto-Suhr-Instituts an der Freien Universität zu Berlin, des Instituts
für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, der Kulturwissenschaftlichen
Fakultät der Europauniversität Viadrina in Frankfurt/ Oder sowie des Instituts für Politische
Wissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, die vom Wintersemester
2000/2001 bis zum Wintersemester 2004/2005 die Interviews mit den wissenschaftlichen
Mitarbeitern in den Berliner Abgeordnetenbüros geführt und aufgezeichnet haben. Sie sollen
deshalb an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

2
Dank gebührt darüber hinaus Prof. Dr. Axel Murswieck vom Institut für Politische Wissen-
schaft der Universität Heidelberg für die Betreuung der Arbeit.
Die wahren Experten der Materie sind und bleiben natürlich die zahlreichen wissenschaftli-
chen Mitarbeiter, die sich dankenswerterweise an der Befragung beteiligt haben.
Heidelberg im August 2005

3
Abstract
Seit der ,,Kleinen Parlamentsreform" von 1969 erhalten die Abgeordneten des Deutschen
Bundestages finanzielle Ressourcen zur Beschäftigung verschiedener Kategorien persönlicher
Mitarbeiter. Die vorliegende empirische Studie beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen
Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten. Mit diesem Vorhaben stößt sie in eine Erkenntnis-
lücke, da die (politik-)wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet ihre Aufmerksamkeit
bislang nahezu ausschließlich den Mitarbeitern der Abgeordneten des US-Kongresses und der
Parlamente in den US-amerikanischen Bundesstaaten gewidmet hat. Unsere Untersuchung
beruht auf 382 Interviews mit wissenschaftlichen Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten,
die in der 14. und 15. Legislaturperiode von studentischen Teilnehmern des wissenschaftli-
chen Seminars ,,Politikberatung als Beruf ­ Wissenschaftliche Politikberatung beim Deut-
schen Bundestag" geführt wurden. Ziel ist es, Informationen über Ausbildung und berufliche
Laufbahn der wissenschaftlichen Mitarbeiter, über ihre Tätigkeiten im Abgeordnetenbüro, ihr
Informationsverhalten und ihre Fortbildung, über ihre Rolle im Spannungsfeld von Wissen-
schaft und Politik sowie über Beratungstätigkeiten der Mitarbeiter gegenüber den Abgeordne-
ten zu gewinnen. Um eine methodische Herangehensweise an den Untersuchungsgegenstand
zu gewährleisten, wird nach einer Einordnung der wissenschaftlichen Mitarbeiter in das
Gefüge interner und externer Beratungseinrichtungen des Deutschen Bundestages eine Typo-
logie denkbarer Tätigkeitsprofile der Abgeordnetenassistenten skizziert. Zwei Tätigkeitsprofi-
le erscheinen für die empirische Untersuchung in besonderem Maße relevant: Profil 1 legt
eine stärkere Fokussierung auf Büro- und Sekretariatstätigkeiten jedoch unter Einschluss
inhaltlicher Arbeiten. Profil 2 stellt politisch-inhaltliche und politisch-kommunikative Tätig-
keiten in den Mittelpunkt. Büro- und Sekretariatsaufgaben werden nachrangig, gehören aber
dennoch zu diesem Aufgabenprofil. Wir vertreten darüber hinaus die These, Informations-
und Wissensmanagement stelle die zentrale Funktion der wissenschaftlichen Mitarbeiter im
Rahmen ihrer Tätigkeit im Abgeordnetenbüro dar. Sie koordinieren die das Büro erreichenden
und verlassenden Informationsströme, machen relevante Informationen ausfindig, ordnen sie
und bereiten sie für den parlamentarischen Prozess auf bzw. wenden sie auf spezifische
politische Probleme an. Um die vorhandenen Potentiale der wissenschaftlichen Mitarbeiter
trotz des allgemeinen Zeitdrucks, der mit der Arbeit im Abgeordnetenbüro einhergeht, besser
ausschöpfen zu können und den Beratungsleistungen gegenüber den Abgeordneten einen
höheren Stellenwert zu garantieren, wird ein Beratungsmodell für wissenschaftliche Mitarbei-
ter entworfen.

5
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung... 1
Abstract ... 3
Inhaltsverzeichnis... 5
Verzeichnis der Abbildungen... 7
1.
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten ­
Institutionalisierung, Rahmenbedingungen, historische Entwicklung ... 11
2.
Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Forschungsinteresse... 19
2.1. Das Abgeordnetenbüro im Gefüge interner und externer
Beratungseinrichtungen des Parlaments... 19
2.2. Beratung ­ Politikberatung ­ wissenschaftliche Politikberatung:
Begriffliche Annäherungen ... 25
2.3. Tätigkeitsprofile wissenschaftlicher Mitarbeiter ... 32
2.4. Informations- und Wissensmanagement im Abgeordnetenbüro... 42
3.
Methodisches Vorgehen: Das Untersuchungsdesign ... 55
3.1. Datenlage und Repräsentativität der Untersuchung... 55
3.2. Auswertung der Daten ... 69
4.
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten ­
eine empirische Studie ... 75
4.1. Ausbildung und berufliche Laufbahn ... 75
4.1.1. Soziodemographisches Profil... 75
4.1.2. Berufseinstieg... 83
4.1.3. Berufsperspektiven... 97
4.2. Arbeitsalltag zwischen Beratungsprozessen und Büroorganisation ... 104
4.2.1. Thematische Schwerpunkte und Tätigkeiten ... 104
4.2.2. Tätigkeitsprofile und Büroorganisation ... 112
4.2.3. Informationsverhalten und Fortbildung ... 120
Exkurs: Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages ... 126
4.3. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter im Spannungsfeld von Wissenschaft
und Politik... 136
4.3.1. Wissenschaft und Politik im Abgeordnetenbüro... 136
4.3.2. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter als Berater der Abgeordneten... 152
5.
Kriterien erfolgreicher Beratung ­
ein Beratungsmodell für wissenschaftliche Mitarbeiter ... 173
6.
Anhang ... 185
7.
Literaturverzeichnis... 187

7
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1: Das Abgeordnetenbüro im Gefüge interner und externer Beratungsinstitutionen
Abb. 2: Tätigkeitsprofile der wissenschaftlichen Mitarbeiter
Abb. 3: Informations- und Wissensmanagement der wissenschaftlichen Mitarbeiter
Abb. 4: Informationsschleife des Abgeordnetenbüros
Abb. 5: Zusammensetzung der Interviews nach Parteien
Abb. 6: Zusammensetzung der interviewten wissenschaftlichen Mitarbeiter nach Parteien
Abb. 7: Zusammensetzung des 14. Deutschen Bundestages (1998-2002)
Abb. 8: Zusammensetzung des 15. Deutschen Bundestages (2002- )
Abb. 9: Zusammensetzung der wissenschaftlichen Mitarbeiter nach Parteien
(14.
Legislaturperiode)
Abb. 10: Studienfächer der wissenschaftlichen Mitarbeiter
Abb. 11: Tätigkeiten der wissenschaftlichen Mitarbeiter
Abb. 12: Informationsquellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter
Abb. 13: Beratungsprojekt für wissenschaftliche Mitarbeiter

9
"It is now commonly accepted that legislators left to themselves have no way to cope with the
complexities of the process they are elected to determine."
(Heaphey 1975: 3)

11
1.
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten ­
Institutionalisierung, Rahmenbedingungen, historische Entwicklung
Die ,,Kleine Parlamentsreform" von 1969 schuf die Grundlagen dafür, dass alle Abgeordneten
des Deutschen Bundestages Finanzmittel zur Einstellung von persönlichen Mitarbeitern
erhielten. Zugleich wurden die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages
ausgebaut und die Assistenz der Ausschüsse wie der Fraktionen gestärkt. Daneben erhielt der
Bundestag das Recht, Enquetekommissionen einzusetzen, in denen die Parlamentarier ge-
meinsam mit externen Sachverständigen umfassende gesellschaftsrelevante Sach- und Prob-
lemkomplexe aufarbeiten sollten.
Die Einführung der persönlichen Abgeordnetenmitarbeiter ist somit eingebettet in Bemühun-
gen um eine allgemeine Verbesserung der Informations- und Wissensgrundlagen für den
parlamentarischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess. Die Notwendigkeit eines
Ausbaus der die parlamentsinterne Arbeit unterstützenden Infrastruktur resultierte zum einen
aus dem steigenden Umfang und der zunehmenden Komplexität parlamentarischer Tätigkeit
infolge der Ausweitung und Spezialisierung der Gesetzgebung, zum anderen aus dem An-
wachsen der Beratungskapazitäten im Bereich der Exekutive, deren vor allem in der Ministe-
rialbürokratie und in diversen Beiräten konzentrierter Sachverstand dem des Parlaments
weithin überlegen schien (Krevert 1993: 124-125)
1
.
Nach Krevert (1993: 129-130) lassen sich die Faktoren, die den Ruf nach einer Reform der
parlamentsinternen Informations- und Beratungskapazitäten Ende der 1960er Jahre lauter
werden ließen, weiter ausdifferenzieren zu den folgenden, miteinander verwobenen Gesichts-
punkten: Neben einem Wandel des Abgeordnetentypus vom Honoratiorentypus zum sich
gründlich vorbereitenden, zunehmend akademisierten Parlamentarier konstatiert Krevert eine
Intensivierung der politischen, auch innerparteilichen Auseinandersetzungen in den Wahlkrei-
sen. Die wachsende Fülle und Komplexität der Problemstellungen, eine neue Dynamik und
Interdependenz politischer Aufgabenfelder und Strukturen sowie die rasche Abfolge der
Themen auf der parlamentarischen Tagesordnung führten, so Krevert, zu einer Zunahme der
legislativen Tätigkeiten, die eine intensive Vorbereitung des Abgeordneten erforderten. Infol-
ge wachsender politischer Komplexität und, damit einhergehend, einer vermehrten und neue
Lebensbereiche umfassenden Gesetzgebung sei der Informationsbedarf des einzelnen Parla-
mentariers gestiegen. Gleichzeitig hätten sich ein Mangel an eigenständiger und kontinuierli-
1
Dolezal (2000: 201) analysiert das Vorliegen ähnlicher Ausgangsbedingungen bei der Einführung der parla-
mentarischen Mitarbeiter der österreichischen Nationalratsabgeordneten.

12
cher Beratung des Bundestages in Form einer systematisch angelegten und intensiven Zu-
sammenarbeit zwischen Abgeordneten und externen Wissenschaftlern sowie zunehmende
Zweifel an der Hinlänglichkeit der Auskünfte und Hilfestellungen der Ministerialbürokratie
offenbart.
An die empfundenen Defizite in den Wissens- und Entscheidungsgrundlagen des Bundestages
und der einzelnen Abgeordneten knüpfte das Diktum von der ,,Informationslücke des Parla-
ments" (Keller/ Raupach 1970) an, das auf ein Informationsgefälle von der Exekutive zur
Legislative aufmerksam machte. Es stand zu befürchten, dass sich die Abhängigkeit der
Legislative vom Sachverstand der Ministerialbürokratie zunehmend vergrößern würde, ant-
wortete das Parlament auf einen weiteren Ausbau der Beratungssysteme der Exekutive nicht
mit dem Auf- und Ausbau eigener Kapazitäten der Informationsbeschaffung und Politikbera-
tung (Dexheimer 1983: 103). Mit diesem Argument begründete auch der damalige SPD-
Vizepräsident des Deutschen Bundestages sein Eintreten für die Bewilligung der Mittel zur
Einstellung persönlicher Mitarbeiter der Abgeordneten: ,,Damit die Abgeordneten nicht
waffenlos den hochgerüsteten Bataillonen der Bundesregierung gegenüberstehen, brauchen
sie wissenschaftliche Unterstützung" (Hauer 1969).
Die Ziele der angestrebten Parlamentsreform waren daher mehrfacher Natur. Man erhoffte
sich zum einen eine Unterstützung von Parlament und Abgeordneten in ihrer Aufgabenerfül-
lung durch eine Rationalisierung der internen Organisationsstrukturen und eine Verbesserung
der Arbeitsbedingungen der Parlamentarier. Erreicht werden sollte des Weiteren eine Verbes-
serung ihrer Informationsgrundlagen, der Kommunikation zwischen Bürger und MdB
2
sowie
der Öffentlichkeitsarbeit und der Selbstdarstellung des Bundestages (Collet 1969: 274).
Zudem sollte Chancengleichheit unter den Volksvertretern hergestellt werden, denn in zu-
nehmendem Maße wurden Klagen über ein ,,Dreiklassenparlament" (Müller 1969) bzw. eine
,,Dreiklassengesellschaft" unter den Abgeordneten geäußert. An der Spitze dieser ,,Dreiklas-
sengesellschaft" verortete man die Abgeordneten mit Funktionen im Kabinett bzw. die Parla-
mentarier, die als Partei- oder Fraktionsvorsitzende amtierten oder andere herausragende
Funktionen in der Legislative bekleideten. Sie verfügten über eigene Büros und Mitarbeiter-
stäbe. Kaum schlechter gestellt waren Abgeordnete, denen Büros und Mitarbeiter von Partei-
en, Interessengruppen oder privatwirtschaftlichen Akteuren finanziert wurden. Ebenso wie die
innerparlamentarischen Funktionsträger sahen sie sich mit einem adäquaten Apparat und
somit mit einem Informationsvorteil gegenüber der dritten Parlamentariergruppe ausgestattet.
In dieser dritten Gruppe fanden sich die Abgeordneten wieder, die weitgehend auf sich selbst
2
Die Abkürzung MdB verweist im gesamten Text auf die Mitglieder des Deutschen Bundestages.

13
gestellt waren und somit eine nicht geringe zeitliche Belastung durch Büroarbeit in Kauf
nehmen mussten (Blischke 1981: 536).
Je nach individueller Bedürfnisstruktur knüpften die Abgeordneten demnach auch ganz
unterschiedliche Erwartungen an die Möglichkeit zur Einstellung persönlicher Mitarbeiter.
Während die einen professionelle Unterstützung und Beratung für fachspezifische Problemla-
gen und für ihre politische Arbeit erstrebten, stand für die anderen die Entlastung von der
Büroarbeit im Vordergrund (Apel 1991
2
: 277). Die Frage nach der Ausgestaltung des Tätig-
keitsfeldes der persönlichen Mitarbeiter war somit keineswegs unumstritten: ,,Die eine Partei
machte sich stark für wissenschaftliche Mitarbeiter, ghost writer zur Vorbereitung ihrer
Reden und Aussagen. Die andere Partei bevorzugte Arbeitskräfte, die in der Lage sind, Vor-
bereitungen und Hilfsdienste zu leisten für das, was der Parlamentarier selbst erfüllen muss,
und die ihn vor allem von den Nebensächlichkeiten entlasten, die ihn bislang 2-3 Stunden am
Tag belasteten. Dazu gehören die Vereinbarung von Terminen, Zusagen, Absagen, die Her-
stellung von Kontakten zu einzelnen Ministerialbeamten, u. ä." (Müller 1969: 50). Zu über-
wiegen schien zunächst der Bedarf nach Unterstützung in der Büroorganisation, wie die
Klage des Abgeordneten Hugo Collet verdeutlichen mag:
,,Es ist nicht nur die Hetze zwischen den Terminen in Bonn und dem Wahlkreis, die eine
starke Belastung ausmacht; am meisten zermürbt mich mein dauernd schlechtes Gewissen
wegen der Unkenntnis z. B. einzelner Gesetzesvorlagen, wegen der Nichterledigung bestimm-
ter Wahlkreisbitten oder wegen aus Zeitmangel erzwungener Oberflächlichkeit. [...] [Ich]
kaufte in einem Papierladen Ordner, Aktendeckel, Locher, Büroklammern, Leim und ähnliche
Büro-Utensilien. [...] Mit Hilfe einer Strichliste habe ich während mehrerer Arbeitswochen à
70 Stunden versucht, Aufschluss über die Tätigkeit eines Abgeordneten zu gewinnen. Folgen-
des stellte sich heraus: Die Lehrlingstätigkeit nahm 20 % der Zeit in Anspruch, die normale
Angestelltentätigkeit 35 %, die Sekretärstätigkeit 25 % und für die politische Arbeit blieben
ganze 25 %
3
. Ich machte also Politik nur in den Überstunden, und der Anteil an der politi-
schen Arbeit war nicht viel größer beispielsweise als der eines ehrenamtlich tätigen Kommu-
nalpolitikers. Von der Bundestagsverwaltung hatte man kaum Hilfe, in der Fraktion erhielt
man zwar politische Sachinformationen und konnte diskutieren, aber mit seiner Büro-
Organisation, mit seiner eigenen Arbeit und mit seiner Unzufriedenheit lebte man mitten im
betriebsamen Haus wie ein Einsiedler auf einer Insel und hatte lediglich den Trost, dass es
vielen anderen auch so erging" (Collet 1969: 275, 276-277).
3
Eine Aufsummierung zeigt den Schätzcharakter der angegebenen Prozentzahlen, da sie zu einer Gesamtbelas-
tung von über 100 % kommt.

14
Das Anliegen einer Entlastung von zwar notwendiger und unverzichtbarer, aber zeitintensiver
Routinearbeit, um so die eigene politische Tätigkeit forcieren zu können, artikuliert der Ab-
geordnete Hugo Collet auch vor seinen Parlamentarierkollegen in seiner Bundestagsrede
anlässlich der Entscheidung des Parlaments über die Ausstattung der Abgeordneten mit einer
Pauschale von 1500 DM für die Anstellung von persönlichen Mitarbeitern: ,,Ich meine aber,
dass wir mit dem Schritt, den wir heute gehen, die Ungleichheit der Chancen wenigstens
verringern, dass wir auch anderen eine Möglichkeit geben, etwas öfter hier im Plenum zu sein
und nicht nur gezwungen zu sein, im Büro Papier zu sortieren, die dringendsten Briefe zu
beantworten oder eine Vorlage zu bearbeiten, die ihnen der Ausschuss zugewiesen hat."
4
Gegen die Arbeitsbedingungen, auf die die Abgeordneten vor den Neuerungen der ,,Kleinen
Parlamentsreform" trafen, und die dazu führten, dass mehrere Volksvertreter sich ein Büro
und einen Telefonanschluss zu teilen hatten, während auf eine Schreibkraft des bundestagsin-
ternen Schreibdienstes mehrere Tage gewartet werden musste (Apel 1991
2
: 273), protestierte
zunächst eine neue Generation von Abgeordneten, die 1965 und 1969 erstmals in den Bundes-
tag gewählt worden waren. Hierbei konnten sie sich das reformförderliche Klima der Großen
Koalition zunutze machen:
,,Die Große Koalition schafft bei der großen Mehrheit der Abgeordneten eine vergleichbare
Interessenlage. Konnten vorher die Manager der Koalitionsparteien ihren unruhigen Abge-
ordneten stets mit dem Argument kommen, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der
Abgeordneten nutze vor allem der Opposition - man selbst habe schließlich den wirksamen
Rückgriff auf die stets hilfsbereite Ministerialbürokratie -, so sind nun die ,normalen' Abge-
ordneten von CDU/CSU und SPD in derselben Lage. Man braucht uns eigentlich nicht. Die
Mehrheit der Großen Koalition ist gegenüber der kleinen FDP-Fraktion erdrückend. Die
Spannungen in der Koalition werden anderswo und ohne unsere Mitwirkung ausgetragen.
Wir spielen in dieser Zeit oft und gerne Fußball in der Bundestagsmannschaft. Aber wir sitzen
auch zusammen und erzwingen eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen" (Apel 1991
2
:
274-275).
Neben die weitverbreitete Unzufriedenheit unter den Abgeordneten über die Arbeitsbedin-
gungen im Parlament und deren Artikulation zu Beginn der 5. Legislaturperiode durch junge
Neueinzügler in den Bundestag, die gegen das Parlamentsestablishment opponierten, trat als
zweiter reformfördernder Faktor somit die Bildung der Großen Koalition im Jahre 1966, die
die Chancen der Reformbefürworter auf Umsetzung ihrer Ziele erhöhte. Die Abgeordneten
der Regierungsfraktionen konnten nun ihre Reformvorstellungen frei äußern, ohne die Regie-
4
225. Sitzung, 27.03.1969, StenB V/12413 A, zitiert in: Thaysen 1972: 177.

15
rungsmehrheit im Parlament ernsthaft in Gefahr zu bringen. "Reformers from all parliamen-
tary parties in fact could join together to effect change in the Bundestag administration"
(Dexheimer 1983: 102). Konzertierte Bestrebungen über Parteigrenzen hinweg für institutio-
nelle Verbesserungen waren möglich geworden. Sie äußerten sich in der 1968 erfolgten
Gründung der interfraktionellen ,,Arbeitsgemeinschaft Parlamentsreform im Deutschen Bun-
destag", der für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Hugo Collet vorstand. Dexheimer (1983:
101-103) analysiert weitere reformfördernde Faktoren, die gegen Ende der 1960er Jahre
wirksam wurden: Der Druck der außerparlamentarischen Opposition begünstigte seiner
Ansicht nach ein allgemeines gesellschaftliches Klima, das Reform und Wandel positiv
konnotierte. Zudem hatte sich auch der damalige Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel
den Reformbefürwortern angeschlossen. Letztendlich führte darüber hinaus der ungewisse
Ausgang der nächsten Bundestagswahl dazu, dass der Zeitpunkt beiden Koalitionspartnern
günstig erschien, um eine Reform in Angriff zu nehmen, die die Position des einzelnen Abge-
ordneten ebenso stärken sollte wie die der parlamentarischen Minderheit.
Gleichzeitig wurde man sich des Auseinanderklaffens der Bedeutung des Parlaments als
Verfassungsorgan und Repräsentant des Souveräns, des Volkes, und der Inadäquatheit seiner
Ausstattung und Arbeitsbedingungen bewusst: ,,Eine Lebensfrage der parlamentarischen
Demokratie ist die Information des Parlaments. Das Parlament ist das höchste, das wichtigs-
te, das am meisten mit Verantwortung belastete, aber auch das am stärksten gefährdete
handelnde Verfassungsorgan. [...] Wollen wir durch gute Politik die Freiheit und das Recht
sichern und uns um die Wiedervereinigung bemühen, so ist die allererste Voraussetzung, dass
dem Bundestag die bestmöglichen Arbeitsvoraussetzungen geschaffen werden" (Adolf Arndt,
zitiert in: Flohr/ Lompe 1967: 30).
Die Folgen der ,,Kleinen Parlamentsreform" von 1969 ­ Ausbau der Wissenschaftlichen
Dienste des Bundestages, Stärkung der Assistenz der Fraktionen und der Ausschüsse, Schaf-
fung von Enquetekommissionen und Einführung persönlicher Abgeordnetenmitarbeiter -
führten zunächst zu einer Verbesserung der Arbeitssituation der Bundestagsabgeordneten
sowie zu einer sachkundigeren Beratung des Bundestages und einer Verbreiterung der parla-
mentarischen Wissens- und Informationsgrundlagen. Inwieweit die Reformmaßnahmen auch
dazu beitrugen, strukturelle Ungleichgewichte zwischen Exekutive und Legislative einerseits,
innerhalb der Legislative andererseits zu beiseitigen oder zumindest zu mildern, wurde in
Wissenschaft und Praxis ambivalent beurteilt. Da allen Bundestagsabgeordneten unabhängig
von ihrer Funktion die Pauschale zur Beschäftigung persönlicher Mitarbeiter zuteil wurde,
erwies sich dieses Instrument als wenig geeignet, die Unterschiede der parlamentarischen

16
,,Dreiklassengesellschaft" einzuebnen. Hans Apel (1991
2
: 277) vermutet vielmehr, dass die
Macht des ,,Fraktionsestablishments" weiter zugenommen hat. Konzedieren die meisten
Beobachter, dass sich mit der Reform von 1969 die Informationsgrundlagen sowie die Bera-
tungskapazitäten des Parlaments verbessert haben, so ist man sich doch weitgehend einig,
dass das Informationsgefälle zum Regierungsapparat nicht abgetragen werden konnte. In
diesem Sinne diagnostiziert der Bericht der ersten Enquetekommission zur Technikfolgenab-
schätzung noch im Jahre 1986 einen so großen Informationsvorsprung der Regierung, dass
die Parlamentarier ,,dem Herrschaftswissen der Exekutive nahezu wehrlos ausgeliefert" seien
(Rudloff 2004a: 192). Die parlamentsinternen Beratungsdienstleistungen garantierten den
Abgeordneten lediglich ein gewisses Maß an Unabhängigkeit von Regierung und Interessen-
verbänden bei der Ausübung ihres Mandats, ohne ihnen eine vollkommene Autonomie von
diesen wichtigen Informationsquellen gewährleisten zu können (ibid.). Zu einer ähnlichen
Bewertung kommt der Parlamentarier Ulrich Lohmar: Die ,,Kleine Parlamentsreform" habe
keine Verschiebungen in den Machtverhältnissen zwischen Bundestag und staatlicher Büro-
kratie oder innerhalb der Fraktionen des Bundestages bewirkt (Lohmar 1975: 206).
Auch die Stellung des einzelnen Abgeordneten habe sich kaum verbessert, wobei er auf die
zentrale Rolle des Abgeordneten als Arbeitgeber verweist: ,,Die Einstellung persönlicher
Assistenten für die Abgeordneten hat deren Arbeitssituation nur in dem Maße verbessert, wie
sie ihre spezifischen Tätigkeiten tatsächlich delegieren können" (ibid.). Wir kommen auf
diesen Punkt an anderer Stelle zurück. Hatte Konegen (1970: 178-179) noch einige Erwartun-
gen an die Entlastung der Abgeordneten durch persönliche Mitarbeiter geknüpft
5
, fällt die
Einschätzung von Keller und Raupach aus dem gleichen Jahr skeptischer aus: ,,[D]ie Rege-
lung, welche dem Abgeordneten bis zum Höchstbetrag von 1 500,- DM monatlich die Be-
schäftigung einer Hilfskraft gestattet, bedeutet wohl eine bürotechnische, keineswegs aber
eine wissenschaftliche Hilfe für die Parlamentarier" (Keller/ Raupach 1970: 51). Dies ist
sicher zutreffend, entsprach aber zum Zeitpunkt der Einführung der Regelung, wie gezeigt,
dem primären Bedarf der Parlamentarier. Die CDU/CSU-Fraktion formulierte als zukünftig
zu verwirklichende ,,Zielvorgabe" die Bereitstellung einer Sekretärin und eines wissenschaft-
5
,,Zur technischen Parlamentsreform zählt auch die Entlastung der Mitglieder des Parlaments durch einen
persönlichen Mitarbeiterstab. Nicht nur Sichten und Auswerten der täglich auf ihn zukommenden Informations-
flut, sondern auch die informierte Teilnahme an Fraktions-, Ausschuss- und Arbeitskreissitzungen sowie Öffent-
lichkeits- und Wahlkreisaufgaben, verlangen weitgehende Vorbereitung und Auseinandersetzung mit den
verschiedensten Problembereichen. Deshalb erscheint die Forderung, den Abgeordneten für die einfache Büroar-
beit eine Schreibhilfe und für die Aufbereitung des anfallenden Materials einen wissenschaftlichen Mitarbeiter
zu stellen, angemessen" (Konegen 1970: 178-179).
,,Zumindest ist ein Weg beschritten worden, dem einzelnen Abgeordneten in seiner Entscheidungssituation
bescheidene Möglichkeiten eines sachlich fundierten Urteils zu eröffnen" (ibid.: 180).

17
lichen Mitarbeiters für jeden Abgeordneten (ibid.: 52)
6
. Aus mehreren Gründen gab man
zunächst der Sekretärin den Vorzug, wo der zur Verfügung stehende Pauschalbetrag nicht
auch noch für die Einstellung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters ausreichte. Wir werden
im folgenden Abschnitt noch auf diese Entwicklung zurückkommen. Und so erstaunt es auch
nicht, dass nach Schaffung der Möglichkeit zur Beschäftigung persönlicher Abgeordneten-
mitarbeiter der Anteil der wissenschaftlichen Assistenten zunächst gering blieb: 1969 konnten
gerade 52 von 450 Mitarbeitern ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen (Konegen
1970: 180).
Nach unserem kurzen Rückblick auf die historischen Entwicklungen und die Motive der
beteiligten Akteure, die zur Einführung der persönlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeord-
neten führten, werden wir im Folgenden den Gegenstand unserer Analyse genauer zu expli-
zieren versuchen und das Forschungsinteresse, das unsere Untersuchung anleitete, eingehen-
der erläutern.
6
Schon die Bezeichnung ,,Kleine Parlamentsreform" illustriert die Selbstbescheidung in ihren Zielen (Lohmar
1975: 205-206) und wohl auch die latente Hoffnung, weitergehende Maßnahmen im Rahmen einer künftigen
,,Großen Parlamentsreform" verwirklichen zu können.

19
2.
Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und
Forschungsinteresse
2.1. Das Abgeordnetenbüro im Gefüge interner und externer
Beratungseinrichtungen des Parlaments
Das Abgeordnetenbüro ist eingebunden in ein eng gewobenes Netz an internen und externen
Beratungsdienstleistungen, auf die der Abgeordnete bei der Erfüllung seines Mandats zurück-
greifen kann (siehe Abbildung 1).
Abb. 1: Das Abgeordnetenbüro im Gefüge interner und externer Beratungsinstitutionen
Als Quellen interner Beratung bezeichnen wir Beratungsinstitutionen, die vom Parlament, von
den in ihm vertretenen Fraktionen oder von einzelnen Abgeordneten selbst geschaffen wurden
und in ihrem Auftrag tätig sind. Mit dieser Begriffsbestimmung schließen wir uns Dexheimer
(1983: 37-38) an, der folgende Differenzierung zwischen internen und externen Beratungs-
dienstleistungen trifft:

20
External staff assistance: "it originates outside the legislature proper, i.e., in party headquar-
ters, interest group offices, in the Land or federal ministerial bureaucracy, in private research
and consulting organizations".
Internal staff assistance: "has its permanent location within the institutional framework of the
legislature itself: Bundestag administration staff, parliamentary party staff, Member's per-
sonal staff".
Eine solche Begriffsbestimmung unterscheidet sich von der Definition interner und externer
Beratung, wie sie Krevert (1993: 128-142) vornimmt. Der internen Beratung ordnet er die
persönlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten, die Fraktionsassistenten sowie die
Wissenschaftlichen Dienste der Bundestagsverwaltung zu. Externe Beratung leisten dieser
Definition zufolge hingegen die Institutionen der Exekutive, Ausschussanhörungen, Enquete-
kommissionen und externe Gutachter. Eine solche Differenzierung nach der Herkunft der
Experten erscheint uns für unsere Zwecke wenig sinnvoll, klassifiziert sie doch parlamentsei-
gene Institutionen wie Ausschussanhörungen und Enquetekommissionen als externe Bera-
tungsdienstleistungen, weil in ihnen neben den Parlamentariern Experten des außerparlamen-
tarischen Raumes wirken.
Abbildung 1 verweist lediglich auf die wichtigsten bundestagsinternen Beratungsinstitutio-
nen, die für die Untersuchung von Bedeutung sein werden. Neben den bereits erwähnten
Ausschussanhörungen und Enquetekommissionen sind dies vor allem die Wissenschaftlichen
Dienste des Bundestages und die Assistenten der Bundestagsfraktionen. Nur angedeutet sind
auch die Quellen externer Beratung. Ein vollständigeres Bild müsste neben den beratenden
Gremien der Exekutive (Ministerialbürokratie, Beiräte, etc.), neben Verbänden, staatlichen,
halbstaatlichen und privaten Think Tanks die parteinahen Stiftungen, die Meinungsfor-
schungsinstitute (die man zusammen mit den parteinahen Stiftungen allerdings unter den
Oberbegriff der Think Tanks subsumieren könnte), Universitätsinstitute und andere For-
schungseinrichtungen, einzelne Wissenschaftler sowie Consulting-Unternehmen nennen, ohne
damit schon ein erschöpfendes Panorama der vielseitigen und sich zunehmend ausdifferenzie-
renden und internationalisierenden Politikberatungslandschaft zu zeichnen. Im Folgenden
liegt unser Augenmerk jedoch zunächst auf der parlamentsinternen Beratung.
Beratungsinstitutionen wie die Wissenschaftlichen Dienste der Bundestagsverwaltung stehen
dem ganzen Parlament bzw. jedem Parlamentarier ohne Unterschied nach Ansehen, Funktion
oder Fraktionszugehörigkeit in gleichem Maße zur Verfügung. Die Fraktionsassistenten
hingegen arbeiten natürlich im Dienste der Fraktion, bei der sie angestellt sind. In besonderem
Maße können die Fraktionsvorsitzenden und die Sprecher der Arbeitskreise der Fraktionen

21
auf diese Assistenz zurückgreifen. Prinzipiell stellen die Fraktionsmitarbeiter ihr Wissen und
ihre Dienste jedoch allen Mitgliedern der Fraktion zur Verfügung. Auf individueller Ebene ist
hingegen das Arbeitsverhältnis zwischen den persönlichen Mitarbeitern und ,,ihren" Abge-
ordneten angesiedelt. Dies spiegelt sich auch arbeitsrechtlich in der Tatsache wider, dass es
durch einen privatrechtlichen Vertrag der beiden Parteien geregelt wird. Die Bundestagsver-
waltung unterscheidet vier Kategorien von persönlichen Abgeordnetenmitarbeitern, die je-
weils verschiedenen Stufen des vorgegebenen Gehaltsrahmens entsprechen
7
:
1) Schreib- u. Bürokräfte
2) Sekretärinnen und Bürosachbearbeiter(innen)
3) Sachbearbeiter(innen)
4) Wissenschaftliche Mitarbeiter(innen)
Die vorliegende Studie beschäftigt sich ausschließlich mit den als ,,wissenschaftlich" apostro-
phierten Mitarbeiter(innen)
8
. Für die Einstufung in diese Kategorie ist grundsätzlich ein
Hochschul- oder Fachhochschulabschluss erforderlich. Gegenwärtig beträgt die den Abge-
ordneten für die Beschäftigung von Mitarbeitern gewährte monatliche Pauschale 9.910 .
Waren, wie erwähnt, in den Jahren nach ihrer Einführung 1969 die wissenschaftlich ausgebil-
deten Mitarbeiter zunächst unter den persönlichen Abgeordnetenassistenten in der Minder-
zahl, so hat sich dieses Verhältnis inzwischen umgekehrt. Bereits für das Jahr 1988 ermittel-
ten Puhe und Würzberg in ihrer 1989 erschienenen Studie zum Informationsverhalten der
Bundestags- und Landtagsabgeordneten, dass in einem mit durchschnittlich 2,18 Personen
besetzten Bonner Abgeordnetenbüro die Mehrheit der Büromitglieder als wissenschaftliche(r)
Mitarbeiter(in) angestellt ist (77 %), während 41 % als Sekretärin und 33 % als Sachbearbei-
ter(in) arbeiten. Im Durchschnitt konnte zum damaligen Zeitpunkt ein Bundestagsabgeordne-
ter über eine Sekretärin und einen wissenschaftlichen Mitarbeiter in seinem Bonner Büro
verfügen (Puhe/ Würzberg 1989: 67-68). Da die Abgeordneten in der Verwendung des ihnen
zur Einstellung persönlicher Mitarbeiter gewährten Pauschalbetrages relativ frei sind, variie-
ren die Beschäftigungsverhältnisse in den Abgeordnetenbüros. Häufig verfügen die Parlamen-
tarier jedoch über einen wissenschaftlichen Mitarbeiter im Wahlkreisbüro und einen zweiten
wissenschaftlichen Mitarbeiter im Bundestagsbüro in Berlin, der in seiner Arbeit unter Um-
7
Anlage zu den Ausführungsbestimmungen vom 19. Januar 1978 i. d. F. vom 01. Juli 2004 zu den Rechtsvor-
schriften für den Ersatz von Aufwendungen, die den Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch die Beschäf-
tigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehen (§ 12 Abs. 3 Abgeordnetengesetz (AbgG) vom 18.
Februar 1977 i. d. F. vom 16. Februar 2002), gültig ab 01. Mai 2004.
8
Wenn wir im Folgenden der Einfachheit halber von wissenschaftlichen Mitarbeitern sprechen, sind selbstver-
ständlich wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gemeint. In Bezug auf die von uns vorgelegte
Studie verweisen auch die Bezeichnungen ,,persönlicher Mitarbeiter", ,,Abgeordnetenassistent", MdB-Mitarbei-
ter auf die hier definierte Kategorie der ,,wissenschaftlichen Mitarbeiter". An einigen Stellen erscheint auch die
Abkürzung WiMi für den wissenschaftlichen Mitarbeiter.

22
ständen von einem weiteren, häufig teilzeitbeschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter und/
oder durch die Dienste einer Sekretärin, eines Sachbearbeiters, einer studentischen Hilfskraft
bzw. - in jüngerer Zeit
9
­ eines Auszubildenden unterstützt wird. Es kommt zudem vor, dass
sich zwei Abgeordnete einen wissenschaftlichen Mitarbeiter ,,teilen".
Obwohl die deutschen Abgeordneten auf Bundesebene seit nunmehr 36 Jahren wissenschaft-
liche Mitarbeiter beschäftigen, ist das wissenschaftliche Interesse an den persönlichen Abge-
ordnetenassistenten bislang gering geblieben. Dies erstaunt umso mehr, als man vermuten
könnte, dass sie ob ihres direkten, privilegierten und vertrauensvollen Zuganges zu den Abge-
ordneten eine nicht unbedeutende Rolle im parlamentarischen Willensbildungs- und Ent-
scheidungsprozess spielen. Auch hinsichtlich des finanziellen Aufwandes bilden sie eine
kaum zu vernachlässigende Größe: Dank eines nahezu kontinuierlichen Anstiegs überflügel-
ten die Ausgaben für die Abgeordnetenmitarbeiter zwischen den Haushaltsjahren 1984 und
1985 die Ausgaben für die Abgeordneten-Diäten. Gleichzeitig verringerte sich ihr Abstand zu
den Ausgaben für die Beschäftigten der Bundestagsverwaltung
10
. Meist finden die persönli-
chen, und speziell die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten in Unter-
suchungen zu den ­ besser erforschten ­ Informations- und Beratungsgrundlagen des gesam-
ten Bundestages lediglich kurze Erwähnung
11
. Selten werden sie Gegenstand eigener Analy-
sen
12
. Etwas besser stellt sich die Ausgangslage dar, erweitert man das Blickfeld auf die
europäische und internationale Ebene. Besonders gut untersucht und dokumentiert ist die
Situation in den USA, die auf eine weitaus längere Tradition persönlicher Assistenz von
Senatoren und Mitgliedern des Repräsentantenhauses zurückblicken können und diesen auch
eine wesentlich größere Anzahl an Mitarbeitern zur Verfügung stellen
13
: ,,Die politikwissen-
schaftliche Beschäftigung mit der Rolle von MitarbeiterInnen von Abgeordneten und den
9
Seit 2004 besteht die Möglichkeit für Abgeordnete des Bundestages, in ihren Berliner Büros sowie in den
Wahlkreisbüros auszubilden (Gerlof 2004).
10
Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages. 1949 bis 1999. Band III. Baden-Baden: Nomos,
S. 3266-3269.
11
Siehe Blischke 1981, Dexheimer 1983, Keller/ Raupach 1970, Konegen 1970, Krevert 1993, Petermann 1990,
Puhe/ Würzberg 1989, Rausch 1971.
12
Die einzige uns bekannte, umfassende Analyse, die sich mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Bundes-
tagsabgeordneten beschäftigt, ist die 2001 erschienene empirische Untersuchung von Bröchler/ Elbers. Siehe im
Überblick auch Hirsch 1981.
13
Allgemein: Barker/ Rush 1970, Europäisches Parlament/ Generaldirektion Wissenschaft 1997, Hammond
1985, Hammond 1996; Heaphey/ Balutis 1975a und 1975b, Meller 1967, Robinson 1970; zu Frankreich: Camp-
bell/ Laporte 1981; zu Großbritannien: Ryle 1981; zu Österreich: Dolezal 2000, Schwimmer 1993; zu den USA:
Fox/ Hammond 1977, Jann 1985, Kofmehl 1962, Romzek/ Utter 1997, Salisbury/ Shepsle 1981a und 1981b.
Hammond (1985; 1996) bietet einen Überblick über englischsprachige Publikationen bis zum Erscheinungsjahr
1996, die sich unter verschiedenen Gesichtspunkten mit den parlamentsinternen Mitarbeiterstäben beschäftigen.
Gänzlich unübersichtlich wird das literarische Feld, wendet man sich dem die Fragestellung umfassenden
Rahmenthema zu. Hinsichtlich der zahlreichen Publikationen über das Verhältnis von Wissenschaft und Politik,
wie es sich v. a. in Prozessen der Politikberatung aktualisiert, vgl. beispielhaft die zahlreichen Hinweise im
Literaturverzeichnis, die keinesfalls ein erschöpfendes Bild wiedergeben.

23
Auswirkungen dieser personellen Ressource auf die Tätigkeit und den Stellenwert eines
Parlaments berücksichtigt deshalb beinahe ausschließlich den US-Kongress und die Parla-
mente der US-amerikanischen Staaten" (Dolezal 2000: 202). Diese Analysen internationaler
Provenienz wurden zu Rate gezogen, da sie eine Reihe von konzeptuellen und methodologi-
schen Erwägungen bieten, die für die vorliegende Untersuchung fruchtbar gemacht werden
konnten. Insgesamt betrachtet stehen jedoch vergleichsweise wenig empirisch fundierte
Arbeiten über Tätigkeit, Rolle und Einfluss der Abgeordnetenmitarbeiter zur Verfügung. Wir
stoßen mit unseren empirischen Betrachtungen über die wissenschaftlichen Mitarbeiter der
Bundestagsabgeordneten somit in eine Lücke wissenschaftlicher Erkenntnis. Ziel der Unter-
suchung soll es deshalb sein, weitere Bausteine für die wissenschaftliche Beschäftigung mit
den persönlichen Mitarbeitern von Parlamentariern bereitzustellen sowie neue Forschungsfra-
gen aufzuwerfen. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach Tätigkeit, Rolle und beruflichem
Selbstverständnis der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten. Berufs-
praxis sowie Aspekte des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik bzw. wissenschaftlicher
Beratungsprozesse, wie sie sich im Alltag der wissenschaftlichen Mitarbeiter darstellen,
sollen eingehender beleuchtet werden
14
.
Zuvor gilt es jedoch, noch weitere definitorische Fragen zu klären und einige konzeptuelle
Überlegungen anzustellen, die die spätere Analyse leiten sollen. Neben der Differenzierung
von internen und externen Quellen politischer Beratung schlägt Murswieck (1993) für den
Entwurf eines Analyserasters eine Unterscheidung der Kategorien political advice vs. policy
advice bzw. informative advice vs. strategic advice vor. Weller (1987: 149) definiert political
advice als "consideration of the likely electoral or media consequences of a course of action".
Political advice sei demnach "committed to the objectives and continued existence of the
government" und somit "power-orientated" (ibid.). Häufig trete political advice in Gestalt von
party-political advice auf. Policy advice hingegen analysiert für den Entscheidungsträger
"technical and professional alternatives". Policy advice ist "the outcome of 'objective' or
rational analysis" und somit "technical advice" (ibid.). Zu den fachlichen Beratungs- und
Unterstützungsfunktionen zählt das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit die
Aufgaben ,,Problemhinweis, Problemlösung, Hilfe bei der Durchführung, Evaluation der
Wirkung von Maßnahmen", zu den politischen Beratungs- und Unterstützungsfunktionen die
,,Interessenvertretung, Interessenberücksichtigung, Konsensbildung, Integration von poten-
tiellen Kritikern, Unterstützung des Hauses gegenüber anderen Ressorts und Vertretung von
Vorhaben in der Öffentlichkeit" (Rudloff 2004a: 182, Fußnote 12). Müller-Rommel (1984:
14
Zu Datenlage, Vorgehensweise und Methodik vgl. das folgende Kapitel der Arbeit.

24
32-33) überträgt die beiden Kategorien als ,,fachliche Informationen" und ,,politische Analy-
sen" ins Deutsche. Die Unterscheidung von policy advice und political advice verweist auf
ein zentrales Problem der Politikberatung in Deutschland: ,,Der ,Politiker erwartet
p o l i t i c a l advise, der Berater will aber meist nur p o l i c y -advise geben ­ ein Konflikt,
der in Deutschland besonders stark empfunden wird" (Heilemann 1998: 144; Sperrung im
Original). Kombiniert man die Kategorien interne/ externe Beratung und political/ policy
advice zu einer gedanklichen Vierfeldermatrix, dann können in Anlehnung an Murswieck
(1993: 90-92) folgende Aussagen getroffen werden: Quellen externer Beratung, die policy
advice für die politischen Entscheidungsträger in Exekutive und Legislative zur Verfügung
stellen, widmen sich der vornehmlich wissenschaftlichen Erforschung politikfeldspezifischer
Frage- und Problemstellungen. Zu denken wäre hier beispielsweise an staatliche und private
Forschungsinstitute oder Think Tanks wie die Stiftung Wissenschaft und Politik. Parteinahe
Stiftungen und Verbände lassen sich hingegen als externe Beratungsinstitutionen auffassen,
die political advice bieten.
Für unsere Belange wichtiger sind die Quellen interner Beratung, wobei wir uns unserem
Untersuchungsgegenstand gemäß auf die Legislative in Gestalt des Deutschen Bundestages
beschränken. Quellen parlamentsinterner Beratung, die mit der Erzeugung, Sammlung und
Verarbeitung von Informationen befasst sind und im Idealfall diese Informationen in anwend-
bares policy-Wissen umwandeln, mithin policy advice anbieten, stellen beispielsweise die
Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages dar, und hier v. a. die Gutachter-
dienste. Ihr Anspruch ist es, allen Abgeordneten des Bundestages objektive Fachberatung für
politisch relevante Problemstellungen zuteil werden zu lassen
15
. Interne Beratungsdienstleis-
tungen, die den Abgeordneten political advice zur Verfügung stellen, befassen sich vorrangig
mit der Verarbeitung von policy-Ratschlägen im Rahmen der Parteistrategie. Zu denken ist
hier in erster Linie an die Fraktionsassistenten. Schwieriger erscheint eine Einordnung im
Falle der Ausschussanhörungen und der Enquetekommissionen. Liegt formal ihr primäres
Ziel zwar in der Erarbeitung von policy-Wissen und policy-Ratschlägen, so erfolgt die Aus-
wahl der Experten und Wissenschaftler häufig genug entlang der im Ausschuss bzw. in der
Kommission vertretenen Parteilinien. Dies zu diskutieren, ist jedoch nicht unser Thema.
Allerdings erscheint auch eine eindeutige Zuordnung der wissenschaftlichen Abgeordneten-
mitarbeiter schwierig. Dies muss kein Manko sein, vielmehr, so glauben wir, könnte hierin
eine spezifische Stärke der wissenschaftlichen Mitarbeiter liegen. Aufgrund ihrer wissen-
schaftlichen Ausbildung sind sie zumindest tendenziell in der Lage, den Abgeordneten mit
15
Zu den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages vgl. Backhaus-Maul 1990, Quaritsch 1972, Schick/ Zeh
2002
16
: 153-156.

25
dem in der jeweiligen Situation individuell relevanten policy-Wissen zu versorgen, das sie in
der Regel nicht selbst generieren, sondern von den ihnen zugänglichen Informationsquellen
erwerben und weiterverarbeiten. Zugleich dürfte ein nicht geringer Teil der wissenschaftli-
chen Mitarbeiter darüber hinaus aufgrund ihrer engen Einbindung in das politisch-
parlamentarische Geschehen auf Bundesebene, aufgrund der in der Regel feststellbaren Affi-
nität zur Partei ihres Arbeitgebers, die sich oft, aber nicht immer, in der Parteimitgliedschaft
manifestiert, aufgrund eigenen politischen Interesses und aktiven Engagements imstande sein,
den Abgeordneten mit politisch-strategischen Ratschlägen zu unterstützen. Laut Abgeordne-
tengesetz
16
dient die Beschäftigung von persönlichen Mitarbeitern der Unterstützung des
Abgeordneten ,,bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit". Weller (1987: 149)
vermutet, dass die Bedürfnisse der Parlamentarier dabei über die Bereitstellung und Aufberei-
tung ,,objektiver" Informationen hinausgehen und sich ebenso auf Pressearbeit, Werbung für
die Positionen des Abgeordneten in Öffentlichkeit und Partei sowie Wahlkampfunterstützung
erstrecken
17
. Zu untersuchen ist, in welcher Rolle sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter
selbst sehen, in der des policy adviser oder in der des political adviser, und welchem Selbst-
verständnis sie in ihrer Arbeit folgen.
2.2. Beratung ­ Politikberatung ­ wissenschaftliche Politikberatung:
Begriffliche Annäherungen
Bis hierhin sind wir stillschweigend davon ausgegangen, dass die wissenschaftlichen Mitar-
beiter der Bundestagsabgeordneten zu den Institutionen der Politikberatung zu zählen sind.
Dies kann mit Fug und Recht bezweifelt werden und reibt sich an den Ergebnissen der meis-
ten Analysen, die sich mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern beschäftigen: ,,[S]ie [die
wissenschaftlichen Mitarbeiter, T. B.] sind hauptsächlich mit der Organisation und Korres-
pondenz beschäftigt" (Puhe/ Würzberg 1989: 75), was man sicher nicht als Beratungstätigkei-
ten klassifizieren würde. Auch ein Teil der wissenschaftlichen Mitarbeiter dürfte sich selbst
vielleicht nicht primär als Berater verstehen. Inwiefern also ist es gerechtfertigt, eine Untersu-
chung über die Abgeordnetenassistenten in den größeren Kontext der Politikberatung einzu-
ordnen? Was ist überhaupt ,,Beratung" und speziell ,,Politikberatung" bzw., noch spezifischer,
,,wissenschaftliche Politikberatung"?
16
§ 12 Abs. 3 Abgeordnetengesetz (AbgG) vom 18. Februar 1977 i. d. F. vom 16. Februar 2002.
17
Stolz (1992) beschäftigt sich mit den rechtlichen Fragen, die sich aus der Abgrenzung des Tätigkeitsbereiches
der persönlichen Abgeordnetenassistenten ergeben.

26
Nach Cassel (2004
2
: 64) geben in einer Beratungssituation bestimmte Personen, die Berater,
die in einem bestimmten Bereich über qualifiziertes Wissen verfügen, anderen Personen, den
Ratsuchenden oder Beratenen, Ratschläge zu bestimmten Fragen. Dabei gehe es meist um
Empfehlungen darüber, wie, d. h. mit welchen Mitteln, der Ratsuchende seine Ziele und
Interessen am besten verwirklichen kann. Cassel stützt sich bei der Ausarbeitung ihres Bera-
tungsbegriffs auf eine Beratungsdefinition aus dem Wirtschaftsbereich: Beratung sei die
,,Abgabe und Erörterung von Handlungsempfehlungen durch Sachverständige, wobei von den
Zielsetzungen des zu Beratenden und von relevanten Theorien unter Einbeziehung der indivi-
duellen Entscheidungssituation des Auftraggebers auszugehen ist" (Gabler Wirtschaftslexi-
kon). Zentraler Gesichtspunkt dieser Definition ist zum einen die Abhängigkeit des Bera-
tungsvorganges von den Zielen und Interessen des Adressaten der Beratung; d. h. die Ent-
scheidung, welche Ziele und Interessen verfolgt werden sollen, liegt beim Ratsuchenden
(Cassel 2004
2
: 64). Der Berater liefert theoretisches Wissen ,,über die Funktionszusammen-
hänge der für das jeweilige Beratungsproblem relevanten Variablen" und leistet Aufklärung
über ,,mögliche Ziel-Mittel-Kombinationen und deren zu erwartende Kosten" (ibid.). Nach
diesem Beratungsverständnis berät, vereinfacht formuliert, der Experte den Laien. Dagegen
betont von Thienen (1990: 173), dass der Begriff der Beratung nicht zwingend mit einer
Asymmetrie auf der Wissensebene zwischen Berater und Beratenem einhergehen muss. Dies
ist zum Beispiel dann nicht der Fall, wenn sich Menschen mit unterschiedlichen Wissenshin-
tergründen und Motiven miteinander beraten und wechselseitig informieren (ibid.). Von
Thienen rekurriert für seinen Beratungsbegriff auf den reflexiven Gebrauch des deutschen
Verbs ,,beraten" im Gegensatz zum transitiven Verbgebrauch. Beratung kann demnach in
zwei Ausprägungen realisiert werden: als ein ,,Jemanden-Beraten" oder ein ,,Sich-Beraten"
(ibid.).
An die Vorstellung des ,,Jemanden-Beraten" knüpft die Definition von ,,Politikberatung" nach
Wollmann an: ,,Unter Politikberatung ist das Verfügbarmachen von Informationen und
Handlungsempfehlungen für politisch Handelnde und Entscheidende durch Wissenschaftler
(wissenschaftliche Politikberatung) sowie durch Fachleute aus Wirtschaft und Gesellschaft zu
verstehen"
18
. In dieser engen Definition, die als Ratgebende nur ,,Wissenschaftler" und
,,Fachleute aus Wirtschaft und Gesellschaft" kennt, sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter in
der Tat nur schwer zu verorten. Eine größere Offenheit in Bezug auf den Kreis der möglichen
Berater zeichnet die Definition von Manfred G. Schmidt aus. Nach ihm ist ,,Politikberatung"
eine ,,Sammelbezeichnung für alle Institutionen und Bestrebungen, deren Hauptzweck darin
18
Der Artikel ,,Politikberatung" von Hellmut Wollmann ist nachzulesen in: Nohlen, Dieter (Hrsg.) 2001: Kleines
Lexikon der Politik. München: Beck, S. 376-380. Das Zitat befindet sich auf S. 376.

27
besteht, Beteiligte an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen, vor allem die
Entscheidungsträger, durch Bereitstellung und Bewertung von Informationen über Ursachen,
Verlauf und Folgen eines regelungsbedürftigen Sachverhaltes sowie über alternative Heran-
gehensweisen an politisch zu regelnde Probleme einschließlich der jeweiligen Kosten und
Nutzen zu beraten"
19
. Es ist nicht vermessen anzunehmen, dass die wissenschaftlichen Mitar-
beiter zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit darauf verwenden, für ihre Abgeordneten als
,,Beteiligte an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen", in diesem Fall gar
als ,,Entscheidungsträger", Informationen zu politisch relevanten Frage- und Problemstellun-
gen zu sammeln, zu verarbeiten, aufzubereiten und eventuell sogar einer Bewertung zu unter-
ziehen sowie alternative Problemlösungsansätze auszuarbeiten. Damit soll nicht gesagt wer-
den, dass alle Tätigkeiten, die wissenschaftliche Mitarbeiter für ihren Abgeordneten erbrin-
gen, als Beratungsleistungen zu bezeichnen sind. Es soll auch nicht postuliert werden, dass
Beratungsleistungen das Gros im Arbeitspensum des wissenschaftlichen Mitarbeiters ausma-
chen. Es besteht lediglich die Möglichkeit, dass ein mehr oder weniger großer Teil der Auf-
gaben des wissenschaftlichen Mitarbeiters beratende Tätigkeiten umfasst. Dies ist erst recht
vorstellbar, wenn man ,,beraten" als ,,sich beraten" versteht, ist es doch aufgrund des engen
und vertrauensvollen Arbeitsverhältnisses mehr als wahrscheinlich, dass der Abgeordnete vor
allem bei kurzfristig auftretenden Fragen und Problemen Rücksprache mit seinem wissen-
schaftlichen Mitarbeiter hält. Hierbei muss es sich jedoch nicht zwangsläufig um ,,regelungs-
bedürftige Sachverhalte" des politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses
handeln. Zur Sprache können dann z. B. auch Fragen nach dem adäquaten Auftreten in einem
TV-Interview kommen. Solche Hilfestellungen ließen sich allerdings als Image- oder PR-
Beratung titulieren und würden somit unter eine bestimmte Spielart der Politikberatung fallen.
Mit Murswieck (1993: 97), und hier lediglich auf den parlamentarischen Prozess übertragen,
gilt es zudem zu betonen, dass Beratung eine Vielzahl von Bedürfnissen der Parlamentarier
erfüllen kann. Sie erfolgt auf nahezu allen Stufen des parlamentarischen Arbeitsprozesses,
wobei sie in unterschiedlicher Form genutzt wird und in unterschiedlichem Ausmaß Einfluss
entfalten kann. Nichts spricht dagegen, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter eine Quelle
der Information und Beratung des Abgeordneten sein können, zumal sie über einen privile-
gierten Zugang zum Parlamentarier verfügen und den parlamentarischen Prozess tagtäglich
begleiten.
Mit Majone (1989, S. 38-39) lassen sich drei Idealformen der Beratung unterscheiden:
19
Schmidt, Manfred G. 1995: Wörterbuch zur Politik. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag.

28
(1) In der ersten Beratungssituation ist es Aufgabe des Beraters, den besten und somit
kostengünstigsten Weg zur Erreichung des vom politischen Entscheidungsträger fest-
gelegten Ziels aufzufinden. Der Rat nimmt folgende Form an: ,,Wenn du das Ziel A
erreichen willst, musst du B tun." Als implizite Voraussetzung für einen solchen Rat
muss gelten, dass das Problem über eine einzige wohldefinierte Lösung verfügt und es
einen Weg gibt, der, sofern der Politiker ihm folgt, zum Ziel und somit zur Problem-
lösung führt. Das Ziel des Politikers ist klar formuliert, ebenso wie der Weg dem Be-
rater klar vor Augen liegt, nur dem um Rat suchenden Politiker nicht. ,,Recommenda-
tions made in situations of this type are better described as instructions or prescrip-
tions than as advice" (ibid.: 38). Es ist nicht anzunehmen, dass die komplexe politi-
sche Wirklichkeit oft zu solch klar strukturierten Beratungssituationen führt. Viel-
mehr spiegeln sie ein weitgehend technokratisches Beratungsbild wider.
(2) Häufiger wird dagegen die Situation eintreten, dass der Politiker sich selbst noch un-
sicher über die Art des zu lösenden Problems ist. Zwar erkennt er Fehlentwicklungen,
weiß jedoch nicht, wie auf sie zu reagieren ist. Und selbst wenn die Problemsituation
wohldefiniert erscheint, können alternative Problemformulierungen oder Lösungsan-
sätze zur Diskussion stehen, ohne dass ein festes Muster die Auswahl unter den Al-
ternativvorschlägen steuern würde. ,,In such cases, which are quite frequent in prac-
tice, it is appropriate to say that the analyst gives advice rather than instructions or
prescriptions, as in the first case" (ibid.).
(3) Im dritten Idealtyp einer Beratungssituation versucht der Berater, den Einstellungen,
Orientierungen und Glaubenssätzen des Politikers eine neue Richtung zu geben. ,,In
such cases, one should perhaps speak of persuasive advice; [...] when the analyst uses
persuasion, he is always acting, at least in part, as advocate rather than disinterested
adviser" (ibid.: 38-39).
Die zweite Beratungssituation, die nach Majone das eigentliche advice giving darstellt, dürfte
wohl auch diejenige Situation beschreiben, in der sich die meisten wissenschaftlichen Mitar-
beiter im Rahmen ihrer beratenden Tätigkeiten wiedererkennen. Es geht weniger darum, die
Einstellungen und Überzeugungen des Abgeordneten zu verändern bzw. persuasive advice zu
vermitteln, noch die einzig wahre Lösung auf ein wohldefiniertes Problem ausfindig zu ma-
chen, das in den meisten Fällen wohl kaum so klar vor den Augen der Betrachter liegen und
erst recht nicht nur einer Lösung zugänglich sein dürfte. Vielmehr ist anzunehmen, dass
Beratungsleistungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter darin bestehen, gemeinsam mit dem
Abgeordneten Problemsituationen zu analysieren, Problemstellungen zu formulieren und

29
Informationen, die der Problemlösung dienlich sein können, zu sammeln, auszuwerten und
aufzubereiten, um dem MdB nach Möglichkeit alternative Problemlösungen unterbreiten zu
können, diese eventuell gar einer ersten Bewertung zu unterziehen und so die Entscheidungs-
findung des Abgeordneten vorzubereiten und zu strukturieren.
Fällt die Beratungstätigkeit der wissenschaftlichen Mitarbeiter jedoch unter das Label ,,wis-
senschaftliche Politikberatung", oder deutet der Zusatz ,,wissenschaftlich" in der Berufsbe-
zeichnung ,,wissenschaftlicher Mitarbeiter" lediglich auf die Ausbildung des Assistenten an
einer Universität oder Fachhochschule hin? Folgt man der Definition von Wollmann, ist die
Antwort eindeutig, denn ,,wissenschaftliche Politikberatung" ist demnach ausschließlich eine
solche, die von Wissenschaftlern durchgeführt wird. Man kann den Begriff der ,,wissenschaft-
lichen Politikberatung" jedoch auch in mehrere Bedeutungsebenen ausdifferenzieren. Auf
einer ersten Ebene wäre wissenschaftliche Politikberatung nach dem Personenkreis der
Berater, wie beschrieben, Beratung durch Wissenschaftler. Von wissenschaftlicher Politikbe-
ratung ließe sich jedoch auch in Orientierung an der Methodik dann sprechen, wenn in ihrem
Rahmen Techniken wissenschaftlichen Arbeitens zur Anwendung gelangen. Hierfür erschei-
nen die Abgeordnetenmitarbeiter aufgrund ihrer wissenschaftlichen Ausbildung geradezu
prädestiniert. Wissenschaftliche Politikberatung ist ferner nach ihrem Inhalt als Beratung zu
beschreiben, die wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt. Auch hierzu sind die wissen-
schaftlichen Mitarbeiter kraft ihres Hochschulabschlusses tendenziell in der Lage. Wissen-
schaftliche Politikberatung wird schließlich nach ihrem Ziel definiert, wenn man annimmt, sie
wolle dazu beitragen, Politik rationaler zu gestalten, und folge dabei dem Anspruch der Ver-
pflichtung gegenüber dem Gemeinwohl. Eine letzte Bedeutungsebene umfasst die Funktion
wissenschaftlicher Politikberatung als Brückenschlag oder Transmissionsriemen zwischen
Wissenschaft und politischer Praxis
20
. Der Frage, ob die wissenschaftlichen Mitarbeiter
zentrale Akteure an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik sein können, geht ein
Teil unserer Untersuchung nach. Die Ausgangslage zumindest ist günstig: die Abgeordneten-
assistenten sind im akademischen Bereich sozialisiert und zugleich auf das Engste mit der
politischen Praxis verbunden.
Gerade die intime Kenntnis der politischen Praxis könnte den wissenschaftlichen Mitarbeitern
zum Vorteil gereichen, insbesondere gegenüber externen Beratern, laufen sie doch weniger
Gefahr, einer ,,naiven Politikberatung" (von Weizsäcker 1999: 144) das Wort zu reden: ,,Die
naive Form der Politikberatung durch die Wirtschaftswissenschaft ignoriert die Eigengesetz-
lichkeiten des politischen Prozesses. Sie rät der Politik, das zu tun, ,was richtig ist`, unab-
20
Vgl. die Forderung von Renn (1985: 115): ,,Wissenschaftliche Politikberatung muss an der gemeinsamen
Nahtstelle zwischen Politik und Wissenschaft ansetzen: der Verfügungsgewalt über Wissen."

30
hängig von der Frage, was wann politisch durchsetzbar ist. Die naive Politikberatung geht
von der impliziten Annahme aus, dass Politikfehler einzig dadurch entstehen, dass die Politi-
ker schlecht informiert sind. Diese implizite Annahme ist im Kern aber verfehlt. [...] Es gibt
systemimmanente Grenzen der Aufnahmefähigkeit der Politik für das, was von der Wissen-
schaft als richtig erkannt wird." Gegen die ,,naive Politikberatung" stellt von Weizsäcker sein
Konzept der ,,realistischen Politikberatung", die die Eigengesetzlichkeiten des politischen
Prozesses berücksichtigt und somit ihre Durchsetzungschancen erhöht
21
. Wem aber könnte
dies besser gelingen als all jenen Beratern, für die der politische Prozess das tägliche Arbeits-
umfeld darstellt?
,,Der Begriff Politikberatung umschließt einen Untersuchungsgegenstand von beträchtlichem
Variantenreichtum und hoher Komplexität", stellt Rudloff (2004a: 178) zu Beginn seines
Abrisses über die historische Entwicklung der wissenschaftlichen Politikberatung in der
Bundesrepublik Deutschland fest. Wie Hoffmann (1994: 10) betont, kann wissenschaftliche
Politikberatung dabei die verschiedensten Formen annehmen: ,,Somit umfasst Politikberatung
heute Kooperationsformen, die vom einmaligen Forschungsauftrag bis zur Dauereinrichtung,
von der Einzelberatung bis zur Enquête-Kommission, vom telephonisch eingeholten Einzel-
ratschlag bis zum Programm sowie vom fachgebundenen bis zum interdisziplinären Gremium
reichen." Um dennoch eine systematische Analyse des Untersuchungsgegenstandes gewähr-
leisten zu können, unterscheidet von Beyme (1988: 355-362) vier Funktionen wissenschaftli-
cher Politikberatung:
(1) Funktion der Problemerkennung: Politikberatung fungiert dank ihres Informations-
vorsprunges als Frühwarnsystem, als Medium der rechtzeitigen Problemerkennung
für die Politik. Sie bietet Hilfe zur Entscheidungsvorbereitung, indem sie den politi-
schen Akteuren (Fakten-, Erklärungs-, Orientierungs-)Wissen übermittelt, das diese
benötigen, jedoch selbst nicht bereitstellen können (ibid.: 356).
(2) Interessenvermittlungs- und Konfliktschlichtungsfunktion/ Integrations- und Konsens-
funktion: Politikberatung tritt auf als Vermittlungs- und Schlichtungsinstanz zwischen
auseinander strebenden Interessen und Positionen sowohl im Innen- als auch im Au-
ßenverhältnis staatlicher Agenturen. In ihrer externen Schlichterrolle bildet wissen-
schaftliche Beratung ein Gegengewicht zu der Beratung durch Interessengruppen. In-
21
Priddat (1999: 153-154) meint weitgehend dasselbe, wenn er der ,,angebotsorientierten Variante der Politikbe-
ratung" die ,,nachfrageorientierte Variante der Politikberatung" gegenüberstellt. Während die ,,angebotsorientier-
te Variante" wie die ,,naive Politikberatung" sich von rein innerwissenschaftlichen Kriterien leiten lässt und ihre
Chance auf Berücksichtigung im politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess daher ungewiss bleibt,
versucht die ,,nachfrageorientierte Variante" sensibel auf die den politischen Prozess in entscheidendem Maße
prägenden Kontexte zu reagieren.

31
tern kann sie der Schlichtung divergierender Interessen im Inneren des Apparates
dienen (ibid.: 356-358).
(3) Überwachungs- und Kontrollfunktion: Politikberatung gelangt innerhalb staatlicher
Institutionen zur Kontrolle von Maßnahmen und Entscheidungen zum Einsatz (ibid.:
358-359).
(4) Legitimations- und Rechtfertigungsfunktion: Politikberatung dient nach außen der le-
gitimationsstiftenden Ummantelung längst feststehender Absichten und der Unter-
mauerung zuvor getroffener Entscheidungen der politischen Akteure: ,,Dabei gehen
am stärksten die strukturellen Unterschiede zwischen Wissenschaft und Politik verlo-
ren, die trotz aller Lamentos über die ,Unverständlichkeit der Wissenschaft und die
,Lernunfähigkeit der Verwaltung zum Nutzen des Systems als fruchtbare Spannung
erhalten bleiben müssen" (ibid.: 359).
Rudloff (2004a: 182) fügt dem von von Beyme entwickelten Funktionskatalog noch ,,takti-
sche Funktionen" wie das Verbergen mangelnder Entscheidungsbereitschaft oder die Schüt-
zenhilfe gegenüber anderen Ressorts hinzu. Ersteres ließe sich jedoch der Legitimationsfunk-
tion zuordnen als Rechtfertigung ­ nicht einer bereits getroffenen Entscheidung ­ sondern
einer Nicht-Entscheidung. Letztere bewegt sich im Rahmen der Interessenvermittlungs- und
Konfliktschlichtungsfunktion
22
. Eine Differenzierung der Funktionen wissenschaftlicher
22
Auch Cassel (2004
2
: 84-86) unterscheidet vier Funktionen wissenschaftlicher Politikberatung. Zwar wählt sie
teilweise andere Dimensionen als von Beyme, beide Modelle entfernen sich jedoch nicht zu weit voneinander.
Im Einzelnen nennt Cassel:
(1) Die instrumentelle Funktion: Wissenschaftliche Politikberatung unterbreitet ­ gemäß dem dezisionisti-
schen Beratungsmodell ­ rationale Lösungsansätze für politische Probleme und schlägt adäquate Mittel
zur Erreichung der von den Politikern formulierten Ziele vor.
(2) Die strategische Funktion: Wissenschaftliche Erkenntnis wird zur ,,Munition im Kampf um Macht und
Einfluss", wenn politische Entscheidungsträger die von den Beratern vermittelten Erkenntnisse selektiv
in der Weise einsetzen, dass sie damit ihre eigene Argumentation in der Verfolgung ihrer persönlichen
Ziele zu untermauern und zu ,,objektivieren" suchen. Diese Funktion steht in engem Zusammenhang
mit der folgenden, dritten Funktion wissenschaftlicher Politikberatung.
(3) Die Legitimationsfunktion: Politische Entscheidungsträger verwenden wissenschaftliche Erkenntnisse
dazu, ihre vorgefassten politischen Standpunkte wissenschaftlich zu untermauern. Külp (1992) spricht
in diesem Zusammenhang von der ,,Alibifunktion politikwissenschaftlicher Beratung".
(4) Die Aufklärungsfunktion: Wissenschaftliche Beratung liefert Informationen über die Zusammenhänge
und Opportunitätskosten verschiedener Politikalternativen und legt damit die Grundlagen einer rationa-
len Politik.
Abgesehen von Abgrenzungsproblemen, die sich zwischen den Funktionen 1 und 4 sowie 2 und 3 ergeben
dürften, und der starken Betonung der - kritisch zu betrachtenden ­ These einer ,,Rationalisierung" der Politik
durch wissenschaftliche Beratung, sind die instrumentelle und die Aufklärungsfunktion durchaus mit von
Beymes Funktion der Problemerkennung verwandt, die strategische Funktion mit der Integrations- und Konsens-
funktion, sie gewichten die verschiedenen Aspekte der angesprochenen Problematik allerdings anders. So bleibt
in Cassels Funktionskatalog lediglich die Überwachungs- und Kontrollfunktion nach von Beyme unberücksich-
tigt.
Ebenfalls im Jahre 1988 unterscheidet Kirchgässner (1988: 46-47) zwischen instrumentellen Gutachten, ideolo-
gischen Gutachten und Alibi-Gutachten und verknüpft sie mit der Frage nach der Auswahl der Gutachter. Das
instrumentelle Gutachten stellt das wissenschaftliche Gutachten im engeren Sinne dar. Der politische Entschei-
dungsträger verfolgt ein bestimmtes Ziel und erfragt vom Wissenschaftler, ob, und wenn ja, wie dieses Ziel zu

32
Politikberatung ist analytisch sinnvoll, in der Empirie werden sie in den verschiedenen zu
beobachtenden Beratungssituationen jedoch selten isoliert, sondern in vielfältigen Kombinati-
onen auftreten. Vor allem die Legitimationsfunktion wird für Beratungstätigkeiten der wis-
senschaftlichen Mitarbeiter kaum eine Rolle spielen, da die Arbeit der Abgeordnetenassisten-
ten selten öffentlich verhandelt wird, Beratung jedoch nur in ihrer Darstellung nach außen
Rechtfertigungscharakter annehmen kann.
2.3. Tätigkeitsprofile wissenschaftlicher Mitarbeiter
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass beratende Tätigkeiten nur einen Teilbereich im
Aufgabenspektrum der wissenschaftlichen Mitarbeiter repräsentieren. Die Studie von Bröch-
ler und Elbers (2001) hat gezeigt, dass die Aufgaben der wissenschaftlichen Mitarbeiter
facettenreich und heterogen sind. Die mannigfaltigen Tätigkeiten, die von den wissenschaftli-
erreichen ist. Mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt er den besten Wissenschaftler bzw. das beste Team
von Wissenschaftlern, das er finden (und bezahlen) kann. Bei der Vergabe instrumenteller Gutachten ist der
Politiker an einer möglichst objektiven Beantwortung seiner Frage interessiert. Ideologische Gutachten zeichnen
sich hingegen parallel zur Legitimationsfunktion wissenschaftlicher Politikberatung dadurch aus, dass der
politische Entscheidungsträger die von ihm zu treffende Maßnahme bereits kennt, sie jedoch mit wissenschaftli-
chen Argumenten untermauern möchte. Vorherrschendes Kriterium für die Auswahl des Gutachters/ der Gutach-
ter ist in diesem Fall dessen ideologische Ausrichtung, will der Politiker im Gutachten doch seine Politik reflek-
tiert sehen, nicht die der Opposition. Gleichzeitig ist es für den auftraggebenden Politiker und die Vertretung
seiner Politik nach außen auch bei ideologischen Gutachten von Vorteil, wenn der Wissenschaftler über fachli-
ches Renommee verfügt und eine fundierte, den Regeln des Faches genügende Analyse vorlegt. Das Interesse an
der fachlichen Qualifikation des Gutachters ist im Falle des ideologischen Gutachtens jedoch sekundär. Anders
stellt sich die Situation bei ,,Alibi"-Gutachten dar. Hier zählt weniger der Inhalt des Gutachtens als vielmehr die
Tatsache, dass überhaupt ein Gutachten erarbeitet wird und Zeit verstreicht. Diese Zeit dient dem politischen
Entscheidungsträger entweder dazu, eine Entscheidung aufzuschieben bzw. gar ganz von der Tagesordnung zu
nehmen, oder aber eine Entscheidung vorzubereiten, die von den Ergebnissen des Gutachtens in keinerlei Weise
berührt wird. Man könnte daher vermuten, dass in diesem Falle die Qualifikation des Beraters keine größere
Rolle spielt. Kirchgässner weist jedoch darauf hin, dass der Politiker weder der Öffentlichkeit noch dem beauf-
tragten Wissenschaftler gegenüber die Alibifunktion der Gutachtenvergabe transparent machen wird. Vielmehr
wird er sich bemühen, glaubhaft zu versichern, dass es sich um ein instrumentelles Gutachten handelt, was ihm
umso leichter gelingen dürfte, je renommierter der Wissenschaftler auf seinem Fachgebiet ist. Auch im Falle von
Alibi-Gutachten hat der Politiker also ein Interesse an einer möglichst hohen fachlichen Qualifikation des
Beraters. Dies jedoch nur dann, wenn die Ergebnisse des Gutachtens die Absichten des Auftraggebers unterstüt-
zen. Laufen sie hingegen den Intentionen des politischen Entscheidungsträgers zuwider und erlangt die Öffent-
lichkeit Kenntnis von den zentralen Aussagen des Gutachtens, so gerät der Politiker umso mehr unter Druck, die
Ergebnisse zu berücksichtigen, je höher das Ansehen des Gutachters ist. Ihm wird daher nicht an einer besonders
hohen Qualifikation des Beraters gelegen sein. Um die Ambivalenz in dieser Frage zu minimieren, wird der
politische Entscheidungsträger auch bei der Vergabe von Alibi-Gutachten versuchen, Wissenschaftler mit ihrer
Ausarbeitung zu beauftragen, die seiner ideologischen Grundhaltung möglichst nahe stehen.
Zwar wird die Beschränkung auf das Instrument des Gutachtens den vielfältigen Formen der wissenschaftlichen
Politikberatung nicht gerecht, die in Kirchgässners Dreisatz angesprochenen Funktionen von Politikberatung
lassen sich jedoch auch auf andere Beratungsformen übertragen.
Alle von uns thematisierten Funktionskataloge postulieren, dass die Entscheidung über das politische Ziel in die
Verantwortung des Politikers fällt und der Wissenschaftler ihm auf die eine oder andere Art hilft, dieses Ziel in
die politische Praxis umzusetzen.

33
chen Mitarbeitern ausgeübt werden, lassen sich jedoch zu zwei zentralen Tätigkeitsprofilen
verdichten (Abb. 2).
Wissenschaftliche Mitarbeiter
Profil 1 Profil 2
Fokussierung auf Büro- und Fokussierung auf politisch-inhaltliche
Sekretariatstätigkeiten unter Einschluss
und politisch-kommunikative Tätigkeiten;
inhaltlicher Arbeiten
Büro- u. Sekretariatsaufgaben werden
nachrangig, gehören aber dennoch zum
Aufgabenprofil
Abb. 2: Tätigkeitsprofile der wissenschaftlichen Mitarbeiter
Profil 1 legt eine stärkere Fokussierung auf Büro- und Sekretariatstätigkeiten, jedoch unter
Einschluss inhaltlicher Arbeiten. Eine starke Inanspruchnahme durch Büro- und organisatori-
sche Tätigkeiten geht, so ist anzunehmen, zu Lasten inhaltlicher Arbeit.
Profil 2 stellt politisch-inhaltliche und politisch-kommunikative Tätigkeiten in den Mittel-
punkt. Büro- und Sekretariatsarbeiten werden nachrangig, gehören aber dennoch zum Aufga-
benprofil.
Die beiden skizzierten Profile können als Realtypen einer Typologie wissenschaftlicher
Mitarbeiter gelten, deren Klassifikationskriterium die Unterscheidung zwischen organisatori-

34
schen und inhaltlichen Tätigkeiten darstellt. Folgende Mitarbeitertypen lassen sich aus der
Kombination der beiden Merkmale bilden:
(1) der wissenschaftliche Mitarbeiter, der ausschließlich mit organisatorischen Tätigkei-
ten befasst ist, und dessen Berufsprofil sich somit dem des Sachbearbeiters oder dem
der Sekretärin annähert
(2) der wissenschaftliche Mitarbeiter, dessen Aufgabenspektrum überwiegend Büro- und
Sekretariatstätigkeiten umfasst, dennoch aber inhaltliche Aufgaben miteinschließt
(3) der wissenschaftliche Mitarbeiter, für den organisatorische und inhaltliche Arbeiten
gleich bedeutend sind
(4) der wissenschaftliche Mitarbeiter, für den politisch-inhaltliche und politisch-
kommunikative Tätigkeiten im Mittelpunkt stehen, der aber dennoch auch mit Büro-
und Sekretariatsarbeiten befasst ist
(5) der wissenschaftliche Mitarbeiter, in dessen Zuständigkeit ausschließlich inhaltliche
Aufgaben fallen
Wir gehen jedoch davon aus, dass die beiden Pole der Mitarbeitertypologie (1 und 5) in der
Empirie so gut wie keine Rolle spielen. Neben den beiden zentralen Profilen, die wir anfangs
als Profil 1 und 2 bezeichnet haben, dürfte allenfalls noch der Mediantyp (3) eine gewisse
Bedeutung für die empirische Analyse entfalten.
Auch Keller und Raupach (1970: 96) betonen, es sei eine selten anzutreffende Ausnahme,
wenn wissenschaftliche Mitarbeiter vollständig von der Übernahme organisatorischer Tätig-
keiten entlastet sind. In der Regel unterliegen sie einer mehr oder minder starken Inanspruch-
nahme durch Sekretariatsaufgaben und Büroroutine.
Die Unterscheidung zwischen Büro- und Sekretariatsaufgaben einerseits, politisch-
inhaltlichen und politisch-kommunikativen Tätigkeiten andererseits, ist in der parlamentari-
schen Realität und Praxis nicht immer so offensichtlich, wie es auf den ersten Blick scheinen
mag. Wir kommen auf dieses Problem an entsprechender Stelle im Rahmen der Auswertung
unserer empirischen Ergebnisse zurück, wollen jedoch schon hier den Sachverhalt durch ein
kurzes Beispiel erhellen. Die Vorbereitung einer Auslandsreise des Parlamentariers durch den
wissenschaftlichen Mitarbeiter erfordert zunächst eine Reihe organisatorischer Arbeitsschritte
wie die Buchung der Flugtickets, Reservierung der Hotels, Vereinbarung von Gesprächs- und
Besuchsterminen, etc. Zugleich muss die Reise aber auch inhaltlich vorbereitet werden.
Hierzu gilt es, geeignete und interessierende Gesprächspartner auszuwählen und den Parla-
mentarier mit Hintergrundinformationen zu den Stationen der Reise und zu seinen Ge-
sprächspartnern zu versorgen. Betrachtet man also die Tätigkeit ,,Reisen des Abgeordneten

35
vorbereiten", so umfasst sie gleichermaßen organisatorische wie inhaltliche Aufgaben. Analy-
tisch erscheint es dennoch sinnvoll, beide Kategorien zu trennen. Keller/ Raupach (1970: 13-
14) unterscheiden zwischen ,,technischer Hilfe" und ,,wissenschaftlicher Hilfe". Als ,,techni-
sche Hilfe" gelten demnach ,,alle äußeren Arbeitserleichterungen für die Abgeordneten, wie
z. B. die Protokollierung, die Führung der Akten, die Termingestaltung und die Erledigung
der Korrespondenz" (ibid.: 13), wobei gerade die Erledigung der Korrespondenz in vielen
Fällen inhaltlicher Arbeit näher kommt als rein organisatorischen Tätigkeiten. Von ,,wissen-
schaftlicher Hilfe" sprechen die Autoren, ,,wenn den Abgeordneten die für ihre parlamentari-
sche Arbeit erforderlichen wissenschaftlichen Informationen und Ratschläge (Empfehlungen
und Warnungen) zur Verfügung gestellt werden. Diese Hilfe kann auf die verschiedenen
parlamentarischen Aufgaben (Gesetzgebung, Kontrolle der Regierung, Budgetrecht u. a.)
ausgerichtet sein oder ihren Schwerpunkt in einer bestimmten wissenschaftlichen Disziplin
haben (etwa Rechtshilfe, sozialwissenschaftliche Information und Beratung)" (ibid.: 14). Die
Unterscheidung von Keller und Raupach orientiert sich stark an dem Kriterium der Wissen-
schaftlichkeit. Wenn wir von ,,inhaltlicher Arbeit" im Gegensatz zu ,,organisatorischen Tätig-
keiten" sprechen, wählen wir unsere Kategorien weiter als Keller und Raupach, da inhaltliche
Aufgaben nicht ausschließlich wissenschaftlicher Natur sein müssen, sondern zum Beispiel
auch Öffentlichkeits- und Pressearbeit umfassen, die sicher nicht als primär organisatorische
Tätigkeiten einzustufen sind. Gleichfalls würde man das Verfassen einer Pressemitteilung in
der Regel auch nicht als wissenschaftliche Arbeit klassifizieren.
Geläufiger ist die von US-amerikanischen Forschern eingeführte Unterscheidung zwischen
professionals und secretarial/ clerical staff (Hammond 1975: 84): "Professionals are here
defined primarily by function - those aides who perform professional, press, administrative,
or similar duties. Secretarial and clerical staff, in contrast, perform routine duties under close
supervision and do not exercise independent judgment and/ or initiative in substantive areas.
The distinction is not always clear-cut; in some instances relatively routine duties may in-
clude professional aspects, as, for example, when caseworkers identify possible areas for
legislative or administrative remedy from constituent complaints. Such caseworkers are
classified as 'lower-level-professionals'. Making a distinction between professional and
secretarial staff by means of a salary level, which is sometimes done, would result either in
omitting some aides who do in fact perform professional duties, or setting a salary floor
which would include some secretarial employees" . Nach Dexheimer umfasst clerical staff
"secretarial assistance, staffs for copying, keeping records, telephone assistance", während es
Aufgabe der professionals ist, "[to] consult on questions of procedure, policy, legislative

36
drafting, public relations" (Dexheimer 1983: 38). Auch wenn die Hammond`sche Definition
funktional angelegt ist, bezieht sich die Unterscheidung von professional staff und clerical
staff in der Literatur in der Regel nicht auf zwei Dimensionen des Tätigkeitsprofils eines
Abgeordnetenassistenten, sondern vielmehr auf die Tätigkeitsbereiche zweier verschiedener
Mitarbeiterkategorien, vergleichbar der bundestagsinternen Unterscheidung zwischen Sekre-
tärin ­ Sachbearbeiter ­ wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die Ausdifferenzierung zwischen
professional staff und clerical staff kann dennoch für unsere Untersuchung von Nutzen sein,
wenn wir festhalten, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten, die
Hammond wohl der Kategorie professional staff zuordnen würde, sowohl Aufgaben der
professionals als auch Aufgaben des clerical staff erfüllen. Auch Hammond weist ja explizit
auf eventuell auftretende Abgrenzungsprobleme hin. Professionals sind wohl eher als Mitar-
beiter zu betrachten, die überwiegend (und nicht ausschließlich) professional duties ausüben,
was mit umgekehrten Vorzeichen auch für die Kategorie des clerical staff gilt.
Die Tatsache, dass ein Teil der Aufgaben, die im Abgeordnetenbüro anfallen, sowohl organi-
satorische als auch inhaltliche Aspekte umfasst, führt dazu, dass für diese Tätigkeiten wissen-
schaftliche Mitarbeiter häufig auch dann verantwortlich zeichnen, wenn das Büro von den
Diensten einer Sekretärin profitieren kann: ,,Da auch die selbständige Erledigung von Kor-
respondenz, die Einholung und Erteilung von Auskünften, die Kommunikation mit Behörden
und Verbänden, wenn sie nicht rein formaler Natur sind, häufig genug eine ausreichende
Kenntnis wissenschaftlicher Fakten und Methoden erfordern, wirken die meisten der den
Abgeordneten [...] unmittelbar zugeordneten Berater auch noch mehr oder weniger maßgeb-
lich an der Geschäftsführung von Abgeordnetenbüros [...] mit oder besorgen sie sogar ver-
antwortlich" (Keller/ Raupach 1970: 96). Gleichwohl geschieht dies immer unter der Gefahr,
dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter in einem so hohen Maße mit büroorganisatorischen
Routinearbeiten belastet werden, dass die zweite Komponente ihres Tätigkeitsprofils, die
politisch-inhaltliche oder auch wissenschaftliche Arbeit, zunehmend in den Hintergrund tritt
(ibid.).
Allgemein lässt sich feststellen, dass Profil 2 im Zeitverlauf und mit wachsender Ausdifferen-
zierung der Aufgaben im Abgeordnetenbüro eine zunehmend größere Bedeutung erlangte.
Die Gründe für ein anfängliches Überwiegen von Profil 1 haben wir bereits im einleitenden
Kapitel zur Institutionalisierung der persönlichen Abgeordnetenmitarbeiter anklingen lassen.
Zunächst reichte der jedem Abgeordneten für die Einstellung von Mitarbeitern gewährte
Betrag kaum aus, um überhaupt einen wissenschaftlich qualifizierten Mitarbeiter zu beschäf-
tigen. Allerdings bestand schon damals die Möglichkeit, dass zwei oder mehr Abgeordnete

37
gemeinsam einen Assistenten einstellten und diesem dann aus ihren zusammengelegten
Finanzmitteln eine höheres Gehalt zubilligten. Möglicherweise stockte der Abgeordnete die
Mitarbeiterpauschale auch aus privaten Mitteln auf, um seinem wissenschaftlichen Assisten-
ten ein adäquates Salär zu bezahlen (Glückert 1969). Solange der Pauschalbetrag jedoch nicht
ausreichte, um eine Sekretärin und einen wissenschaftlichen Mitarbeiter zu beschäftigen,
erschien die Einstellung einer versierten Sekretärin, die den Abgeordneten bei der Korrespon-
denz, bei Telefonaten, bei der Vereinbarung von Terminen und dem Kontakt mit Wahlkreis,
Partei und Behörden unterstützte, zunächst oftmals zweckmäßiger als die eines akademisch
ausgebildeten Assistenten (ibid.). Im Vordergrund stand anfangs die Entlastungsfunktion in
der Büroarbeit: "Members` first preference in hiring personal assistance is usually someone
capable of office management. If forced to choose between a good secretary and a good
political analyst, Members as a rule will opt for the former. However, they often try to recruit
someone who is able to take on both clerical and professional responsibilities" (Dexheimer
1983: 350-351). Diese Priorität betont aus der Sicht der Praxis auch Scholz (1981: 162): ,,Erst
seit 1969 kann ein Abgeordneter sein Zimmer verlassen in der Gewissheit, dass jeder Anruf
von seinem Mitarbeiter angenommen werden kann". Entschied sich der Abgeordnete in dieser
Frühphase der Ausstattung mit persönlichen Mitarbeitern also für die Einstellung eines wis-
senschaftlichen Mitarbeiters anstelle einer versierten Sekretärin (oder auch bei der gemeinsa-
men Finanzierung mit einem Abgeordnetenkollegen für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter
und eine Sekretärin), so galt es zunächst einmal, den reibungslosen Ablauf des Büroalltags
sicherzustellen. Daraus lässt sich schließen, dass die Belastung des wissenschaftlichen Mitar-
beiters mit Bürotätigkeiten in dieser Anfangsphase tendenziell höher war, als sie es in den
meisten Fällen heute ist, wo die großzügiger bemessene Pauschale eine bessere personelle
Besetzung des Abgeordnetenbüros erlaubt, sofern die Mittel den Bedürfnissen entsprechend
sinnvoll eingesetzt werden.
Dies führt uns zu einem, wie wir meinen, entscheidenden Punkt: So merkt beispielsweise
Krevert (1993: 102) kritisch an, dass eine Reihe von Abgeordneten ihre wissenschaftlichen
Assistenten, mitunter vielleicht mangels eigener Vorbildung und Fähigkeiten, primär mit
Büroarbeiten, Korrespondenz, Betreuung des Wahlkreises und mit Wahlkampfaufgaben
befassten. Implizit betont ein solcher Einwand die Verantwortung des Abgeordneten, als
Arbeitgeber seine Mitarbeiter adäquat, und das heißt ihren Fähigkeiten und ihrer Ausbildung
entsprechend, einzusetzen. Denn in der Tat ist der Ermessensspielraum des Parlamentariers
bei der Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses sowie dem Einsatz der Mittel aus
der Mitarbeiterpauschale groß und erfolgt der Zuschnitt des Abgeordnetenbüros nach seinen

38
Bedürfnissen. Letztere, so wollen wir annehmen, ergeben sich vor allem aus der Stellung des
Abgeordneten in Partei, Fraktion und Bundestag, aus der Dauer seiner Zugehörigkeit zum
Parlament und aus der Bedeutung, die der Abgeordnete seinen Verpflichtungen im Wahlkreis
beimisst. Wir vermuten, dass die individuelle Besetzung des Abgeordnetenbüros sowie die
Funktions- und Bedürfnisstruktur des Parlamentariers entscheidenden Einfluss auf die Vari-
anz in den Tätigkeitsprofilen der wissenschaftlichen Mitarbeiter ausüben. Folgende Fragestel-
lungen sind hierbei von Bedeutung: Gibt es im Büro eine Sekretärin oder einen Sachbearbei-
ter? Falls ja: Werden dem wissenschaftlichen Mitarbeiter von der Sekretärin oder dem Sach-
bearbeiter organisatorische Aufgaben abgenommen, so dass ihm mehr Zeit für die politisch-
inhaltliche Arbeit verbleibt? Arbeiten im Abgeordnetenbüro eventuell sogar zwei wissen-
schaftliche Mitarbeiter, und wie sieht die Aufgabenteilung zwischen beiden Assistenten aus?
Wurde eine effiziente und praktikable Lösung gefunden, oder kommt es zu wenig sinnvoller
Doppelarbeit? Wie funktioniert die Arbeitsteilung zwischen dem Berliner Büro und dem
Wahlkreisbüro? Wie viele Aufgaben übernimmt das Bundestagsbüro für den Wahlkreis?
Aufgrund des individuellen Arbeitsverhältnisses spielen neben büroorganisatorischen Aspek-
ten auch Persönlichkeit und Funktionen des Abgeordneten für die Ausgestaltung des Arbeits-
alltags der wissenschaftlichen Mitarbeiter eine nicht unerhebliche Rolle. Parlamentarische
Erfahrung und inhaltliche Kompetenz des Abgeordneten auf seinem Fachgebiet können sich
auf zwei verschiedene Arten auswirken. Entweder führen sie zu einem reflektierten Mitarbei-
tereinsatz, oder aber der Parlamentarier verzichtet, da er seine Kompetenz für ausreichend
hält, weitgehend auf inhaltliche Zuarbeit. Wird vom wissenschaftlichen Mitarbeiter dagegen
inhaltliche Zuarbeit erwartet, spielt für deren konkrete Ausgestaltung natürlich das jeweilige
Fach- bzw. Spezialgebiet des Abgeordneten eine wichtige Rolle, da der Mitarbeiter vorwie-
gend mit Fragen aus diesem Bereich konfrontiert werden dürfte, sieht man von den thema-
tisch weiter gefassten Wahlkreisbelangen einmal ab. Abgeordnete mit führenden Positionen
in Partei, Fraktion, Parlament und Regierung verfügen zudem häufig kraft ihres Amtes über
die Dienste weiterer Mitarbeiter wie Fraktionsassistenten oder Ministeriumsmitarbeiter, die
sie in der Erfüllung ihres Mandates unterstützen. Bei solchen ,,führenden" Abgeordneten kann
es sich beispielsweise um Mitglieder des Parteipräsidiums oder der Fraktionsführung, um
Ausschussvorsitzende, Arbeitskreis- bzw. Arbeitsgruppenvorsitzende, Fraktionssprecher,
Obleute, Parlamentarische Staatssekretäre oder Minister handeln. Ein zusätzlicher Mitarbei-
terstab des Abgeordneten dürfte das Tätigkeitsprofil des wissenschaftlichen Mitarbeiters in
jedem Fall beeinflussen. Es ist anzunehmen, dass die inhaltliche Arbeit nun in verstärktem
Maße von diesem Mitarbeiterstab übernommen wird, die wissenschaftlichen Mitarbeiter in

39
der Folge überwiegend mit der Büroorganisation und der Wahlkreisarbeit befasst sind. Denk-
bar ist, dass daneben ein spezifisches Themenfeld in ihrer Verantwortung bleibt, für das sie in
besonderem Maße kompetent sind. Zu prüfen ist schließlich auch, ob die Wahlkreisarbeit in
den Berliner Büros direkt gewählter Volksvertreter eine signifikant größere Rolle spielt als in
den Büros der Listenabgeordneten.
Dexheimer (1983: 343) sieht die aus den genannten Umständen resultierende Heterogenität
der Bedürfnisse der Abgeordneten als Grund dafür, dass eine zentrale Personalverwaltung für
die persönlichen Mitarbeiter nicht wünschenswert sei, vielmehr die flexible Ausgestaltung der
Arbeitsverhältnisse durch den jeweiligen Abgeordneten erhalten bleiben solle. Zugleich führt
er ebenfalls die individuellen Bedürfnisstrukturen der Parlamentarier als die entscheidenden
Variablen zur Erklärung der Varianz in den Tätigkeitsprofilen der Abgeordnetenassistenten
an: "The work of a personal staff assistant largely is a function of his Member`s political
standing, either in the party organization or, more specifically, in the parliamentary party.
Thus the importance of a personal staff assistant`s activities will depend on whether his
employer has a local, regional, national or international political orientation, whether he is a
parliamentary and/ or party leader, member of the cabinet, a policy expert or a Member
representing Verbandsinteressen" (Dexheimer 1983: 35). Auch die US-amerikanische For-
schung hat mehrere Faktoren herausgearbeitet, die Auswirkungen auf die Arbeitsverteilung
im Abgeordnetenbüro entfalten, darunter die Bürolokalität, die Anzahl der beschäftigten
Mitarbeiter, ihre Qualifikation, die spezifischen Forderungen und Bedürfnisse der Wähler, die
Dauer der Zugehörigkeit des Abgeordneten zum Parlament, seine legislatorische Verantwor-
tung und Ausschussarbeit, sein politischer Ehrgeiz und seine Verletzlichkeit, wobei sich die
letztgenannten Aspekte allgemein und zusammenfassend als Persönlichkeit, Prioritäten und
Verantwortlichkeiten des Abgeordneten beschreiben lassen (Fox/ Hammond 1975: 155)
23
.
Die besondere Verantwortung des Abgeordneten als Arbeitgeber für den adäquaten Einsatz
seiner Mitarbeiter wird auch von Vertretern der Praxis schon früh betont. So fordert Rapp
(1979: 177-178), der Abgeordnete solle den ihm für Mitarbeiter zur Verfügung stehenden
Betrag so einsetzen, dass wissenschaftliche Zuarbeit stattfinden kann und zugleich seine
Büroarbeit, der Routineteil seiner Petentenpost und der ihm nicht zwingend obliegende Teil
der Wahlkreisarbeit erledigt werden, nicht ohne hinzuzufügen, dass Petentenpost, Wahlkreis-
und Büroarbeit in der Regel vordringlich seien, wodurch wissenschaftliche Mitarbeit zumeist
23
Zudem hat die US-amerikanische Forschung über die persönlichen Abgeordnetenassistenten drei verschiedene
idealtypische Formen der Büroorganisation skizziert: die hierarchische Büroorganisation, die kooperative
Büroorganisation und die individualistische Büroorganisation (Fox/ Hammond 1975: 155). Aufgrund der
geringen Personalstärke der deutschen Abgeordnetenbüros erscheint es uns jedoch nicht gewinnbringend, diesen
Ansatz auch für unseren Zusammenhang weiterzuverfolgen.

40
nicht in hinreichender Weise ermöglicht werde. Die Erwartungen, die er an eine derartige
,,wissenschaftliche Mitarbeit" knüpft, zeichnen zugleich ein Bild des facettenreichen Anforde-
rungsprofils der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Der Parlamentarier, so Rapp (ibid.), bräuchte
einen Mitarbeiter, der ihm ­ frei von anderen Aufgaben ­ zum Gespräch zur Verfügung
stünde, zum kritischen und diskursiven Meinungsaustausch bei der Vorbereitung seiner
Sitzungen, der die Aufbereitung seiner Unterlagen im Sinne einer Systematisierung bis hin
zur Anfertigung synoptischer Gegenüberstellungen übernähme, der Lücken im Informations-
stand ausfindig machte und durch Beschaffung der entsprechenden Unterlagen schlösse, der
im Rahmen eines ,,Lesens in Stellvertretung" diese Unterlagen auswertete sowie Redetexte
und Ausarbeitungen Korrektur läse, der stellvertretend für den Abgeordneten an den den
Mitarbeitern offen stehenden Sitzungen teilnähme und dabei Gesprächsprotokolle und -
notizen anfertigte. Eine solche ,,Wunschliste" lässt bereits erahnen, wie vielfältig sich der
Arbeitsalltag eines wissenschaftlichen Mitarbeiters gestalten kann.
Wir gehen davon aus, dass die von uns entwickelten Tätigkeitsprofile wissenschaftlicher
Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten nicht nur für verschiedene Typen wissenschaftlicher
Mitarbeiter gelten, sondern dass daneben auch die Tätigkeit eines einzelnen wissenschaftli-
chen Mitarbeiters zwischen beiden Profilen oszillieren kann, z. B. entsprechend dem Rhyth-
mus von Sitzungswoche und sitzungsfreier Woche. So ist anzunehmen, dass in den oft hekti-
schen Sitzungswochen vor allem organisatorische Tätigkeiten im Vordergrund stehen, die den
terminlichen Ablauf der Sitzungswoche sicherstellen. In den sitzungsfreien Wochen, die viele
Abgeordnete zudem im Wahlkreis verbringen, bleibt den Mitarbeitern dahingegen vermutlich
mehr Zeit, um sich inhaltlicher und konzeptioneller Arbeit zu widmen.
US-amerikanische Wissenschaftler haben sich ebenfalls um die Entwicklung von Tätigkeits-
bzw. Rollenprofilen der Assistenten der Mitglieder des Repräsentantenhauses bzw. der Sena-
toren bemüht, denn auch sie stellten ein sich zwischen zwei Polen bewegendes Aufgaben-
spektrum fest: "Some assistants perform little more than routine responsibilities; others are in
every sense advisors and assistants" (Fox/ Hammond 1975: 151). Von dieser Beobachtung
ausgehend skizzieren die beiden Autoren fünf Rollenprofile von Senatsmitarbeitern, die wir
im Folgenden kurz andeuten wollen (Fox/ Hammond 1977: 92-96)
24
:
24
Auch wenn die Lösung nicht sehr elegant sein mag, behalten wir die amerikanische Terminologie bei, da sich
nicht in allen Fällen deutsche Entsprechungen finden lassen.

41
Profil 1: Interactor
[T]he 'interactors' (often the administrative assistants) handle constituent federal projects
and casework and meet with lobbyists or special interest groups (Hammond 1985: 281).
Profil 2: Supporter
[T]he 'supporters' (generally legislative assistants) work on legislative research and bills
and draft speeches and floor remarks (ibid.).
Profil 3: Corresponder
[T]he 'corresponders' handle requests for information and draft correspondence (ibid.).
Profil 4: Advertiser
[T]he 'advertisers' (press aides) assist on presswork (ibid.).
Profil 5: Investigator
[T]he 'investigators' (often legislative assistants or the administrative assistants) handle
legislative issues, meet with lobbyists, and are active in investigations and oversight (ibid.).
Wir werden an geeigneter Stelle noch auf die Unterschiede im System der Abgeordnetenmit-
arbeiter in den USA und in der Bundesrepublik zurückkommen, wollen jedoch anhand der
fünf Rollenprofile für Senatsmitarbeiter, die Fox und Hammond entwerfen, zeigen, dass
derartige, am US-amerikanischen Beispiel entwickelte Tätigkeitsprofile aufgrund der zahlen-
mäßigen Differenz in der Ausstattung der Abgeordneten mit persönlichen Mitarbeitern
25
nur
in sehr begrenztem Maße übertragbar sind für Analysen, die sich mit den wissenschaftlichen
Mitarbeitern der Bundestagsabgeordneten beschäftigen. In der Regel übernehmen die bundes-
deutschen wissenschaftlichen Mitarbeiter alle diese von Fox und Hammond skizzierten Auf-
gaben mit verschiedener Gewichtung, was auch der Grund für unsere Beschränkung auf zwei
zentrale Tätigkeitsprofile war, die zunächst noch auf einer abstrakteren Ebene angesiedelt
sind als die Profile von Fox und Hammond
26
.
25
Was die Zahl der persönlichen Mitarbeiter pro Abgeordneten betrifft, galt für das Jahr 1985 folgendes Ver-
hältnis (Jann 1985: 8):
Bundestag: 1,2 (persönliche Mitarbeiter pro Mitglied)
Repräsentantenhaus: 10,9
Senat: 27.
26
Es könnte sich als nützlich erweisen, in einem späteren Stadium der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den
Abgeordnetenmitarbeitern, wenn der Untersuchungsgegenstand hinlänglich explorativ erforscht wurde und
ausreichendes Wissen zur Verfügung steht, die Erkenntnisse und Methodik der role analysis für das hier behan-

42
2.4. Informations- und Wissensmanagement im Abgeordnetenbüro
Trotz der mannigfaltigen und heterogenen Tätigkeiten der wissenschaftlichen Mitarbeiter, die
bereits unsere bisherigen Überlegungen offenkundig werden ließen, erscheint es möglich,
diese verschiedenen und facettenreichen Aufgaben unter eine gemeinsame Modellkategorie
zu subsumieren. Schon Max Weber betont in seinem Aufsatz ,,Parlament und Regierung im
neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens"
(Weber 1988
5
: 306-443), dass wirklich funktionsfähige Abgeordnete in einem Parlament ihre
Aufgabe als Berufsaufgabe betrachten müssen. Als Berufspolitiker sollen sie so ausgestattet
sein, dass sie über den Zugang zu allen notwendigen Informationen verfügen, und sie sollen
von einem adäquaten Mitarbeiterstab bei dieser Tätigkeit unterstützt werden. Das ,,Dienstwis-
sen" des Abgeordneten setzt sich zusammen aus Daten und Informationen, die sich zu Wissen
verdichten, das auf Erfahrung gründet (Lohmar 1975: 63). Lohmar sieht eine Konkurrenz um
Informationen zwischen Regierungsparteien und Opposition, zwischen den einzelnen Parla-
mentariern sowie zwischen den Führungsgruppen der Fraktionen und den ,,einfachen" Abge-
ordneten (ibid.: 64): ,,Information wird zu potentiellem Herrschaftswissen" (ibid.). Dabei
lässt sich ­ wir haben bereits bei der Darstellung der Institutionalisierung der wissenschaftli-
chen Mitarbeiter darauf hingewiesen ­ ein ,,Informationsgefälle" von der staatlichen Verwal-
tung und der Regierung über die Fraktionshierarchien zu den Abgeordneten feststellen (ibid.:
65).
Dennoch kann der einzelne Abgeordnete über einen Mangel an Informationen in der Regel
nicht klagen. Lohmar beschreibt die monatliche Informationsmenge eines Abgeordneten in
einem normalen Sitzungsmonat des Bundestages im Jahre 1975 folgendermaßen (Lohmar
1975: 73):
delte Thema fruchtbar zu machen. Die Analyse von sozialen Rollen, die die handelnden Akteure einnehmen,
fokussiert Erwartungen und Verhaltensnormen, die mit der Stellung des Akteurs innerhalb einer sozialen Struk-
tur einhergehen. Diese werden verknüpft mit interpersonellen Beziehungen und mit den Normen der Institutio-
nen und des gesellschaftlichen Kontextes, die für den Akteur von Relevanz sind. Die Instrumente der role
analysis eignen sich darüber hinaus für vergleichende Untersuchungen. Jewell (1970) bietet Beispiele für die
Anwendung des Konzepts auf die Legislative.

43
Informationen Parlament Wahlkreis
Parlamentarische Drucksachen
134
Fraktionspapiere 85 14
Pressedienste und Informationen
467 43
Lobby 169 24
Fachbereich (Ausschuss, Ministerium) 15 6
Bücher 13 11
Zeitschriften und Broschüren 90 32
Briefe 75-100 20-25
Bundesanzeiger, Bundesgesetzblatt 39
Diese an sich schon beeindruckende Menge an Informationen hat sich mit der Einführung des
Internets vermutlich noch einmal vervielfacht. In Anbetracht des Arbeitspensums eines Ab-
geordneten wird deutlich, dass er nicht über ausreichend Zeit verfügt, um alle eingehenden
Informationen gründlich zu studieren. Trotzdem erwartet der Bürger im Wahlkreis von ihm,
dass er zu allen auf parlamentarischer Ebene behandelten Problemen Stellung beziehen kann,
auch dann, wenn er kein Experte für das jeweilige Thema ist (Lohmar 1975: 73). Zugleich
lässt sich als Grundtatbestand der Informationssituation des Abgeordneten formulieren, dass
der Abgeordnete zu viele Informationen erhält, die nach fachlichen und politischen Gesichts-
punkten für ihn irrelevant sind, wohingegen ihn wichtige Informationen, auf die er dringend
angewiesen wäre, nicht erreichen: ,,Der Abgeordnete erfährt zugleich zu viel und zu wenig,
Wesentliches oft zu spät, fast alles in einem für seine Bedürfnisse ungeeigneten Zustand"
(ibid.: 75). Dieses Dilemma konstatieren auch US-amerikanische Beobachter: The problem
is not that Congress gets too little information, but that too little of the great mass it gets is
relevant and readily, rapidly available. [...] Buried in this information glut are useful facts
and provocative arguments, but the members and committees of Congress, with limited man-
power and no mechanical assistance at all, have rarely been able to separate the worthwhile
bits from the great mass of repetition and special pleading and then store those bits where
they can be readily found (Balutis 1975a, S. 36-37). Für den Deutschen Bundestag beklagt
Rausch (1971: 542): ,,[D]as Hauptproblem, vor dem der Deutsche Bundestag und seine Ab-
geordneten stehen, sind die mangelnden Informationen - und zwar nicht bezüglich der Quan-
tität (im Gegenteil: Die Abgeordneten werden von einer Papierlawine erdrückt, die durch die
Zahl der Information das Informieren bereits unmöglich macht!), sondern der Qualität und

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783836603119
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg – Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Politische Wissenschaft
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
deutschland bundestag abgeordneter wissenschaftlicher mitarbeiter arbeitsfeld politikberatung politik parlament wissensmanagement sozialforschung
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Titel: An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik? - Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten des Deutschen Bundestages
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