Lade Inhalt...

Zum Studium in der DDR

Zwischen Solidaritätsbasar und Kaderschmiede

©2003 Magisterarbeit 165 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Internationale Solidarität“ und „Völkerfreundschaft“ waren Begriffe, die in mündlicher und verschriftlichter Form als Propaganda, aber auch im täglichen Leben in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verbreitet waren. So sind die meisten DDR-Bürger mit der theoretischen Handhabung dieser Begriffe von Kindheit an vertraut gemacht worden. Die „Erziehung zu Solidarität“ spielte scheinbar eine wesentliche Rolle, fanden doch immer wieder zahlreiche Veranstaltungen, wie beispielsweise Solidaritätsbasare mit Spendensammlungen oder als Protestaktionen gegen den Vietnamkrieg statt.
Umso mehr verwundert, daß die Bevölkerung intensive und persönliche Kontakte zu Angehörigen anderer Nationen oft erst im Verlauf eines Arbeitslebens, als Gastarbeiter in den Betrieben, oder aber als Studenten an Universitäten und Hochschulen der DDR erlebte.
Dabei waren die internationalen Verbindungen allgegenwärtig im öffentlichen Leben. Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich, stützend auf diese Beziehungen, mit dem Thema der ausländischen Studenten an den Bildungseinrichtungen der DDR, speziell der Technischen Universität Dresden. Dabei wird auch das Verhältnis zwischen den Ausländern und den Studierenden der DDR-Bevölkerung näher betrachtet.
Damit Studierende an den Universitäten und Hochschulen des Landes aufgenommen werden konnten, spielten die wissenschaftlichen und technischen Beziehungen zu anderen Einrichtungen in Partnerstaaten eine entscheidende Rolle. Diese leisteten einen Beitrag zur Stärkung der DDR und der sozialistischen Staatengemeinschaft, zur demokratischen, antiimperialistischen Entwicklung in den Nationalstaaten und Entwicklungsländern sowie zur vertraglich vereinbarten Zusammenarbeit mit Einrichtungen kapitalistischer Länder unter konsequenter Wahrung der Interessen der DDR. Das heißt aber auch, daß sich die jeweiligen Zielstellungen und Bemühungen der Universitäten und Hochschulen nach den temporären politischen Vorgaben der DDR-Regierung richteten. Die außen- und innenpolitische Begebenheiten spiegelten sich so in den Bildungseinrichtungen wider und lassen sich auch an den Verbindungen der Technische Universität Dresden (TUD) zu ihren Partneruniversitäten nachvollziehen.
Die abgeschlossenen Verträge und Vereinbarungen zwischen Bildungseinrichtungen sollten die Politik der DDR unterstützen und auf der Grundlage der Beschlüsse von Partei und Regierung zur allseitigen Stärkung beitragen. Sie stellten ein dichtes, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sandra Naumann
Zum Studium in der DDR
Zwischen Solidaritätsbasar und Kaderschmiede
ISBN: 978-3-8366-0308-9
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Technische Universität Dresden, Dresden, Deutschland, Magisterarbeit, 2003
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

1
Danksagung
Damit die vorliegende Arbeit entstehen konnte, erhielt ich vielfältige Unterstützung.
An dieser Stelle möchte ich mich deshalb sehr bei meinem Professor Dr. Reiner Pommerin
für seine fachliche Beratung und Geduld während der Entstehungsphase bedanken, sowie
Dr. Manfred Nebelin für die aufmunternden Gespräche.
Dankbar bin ich auch meiner Familie, besonders meinen Eltern. Durch sie war mein ge-
samtes Studium erst möglich. Sie unterstützten mich während der Zeit moralisch und auch
finanziell.
Eine große Hilfe war mir mein Freund und Lebensgefährte Thomas Schiebold, der mir
nicht nur im Kampf gegen das Eigenleben meines Computers half, sondern mir viele Auf-
gaben des täglichen Lebens abnahm und vor allem geduldig meine Gemütszustände ertrug.
Des weiteren möchte ich mich bei meinem ,,Krisenstab", Franziska Füssel, Claudia Köpernik
und Silke Meier, für die wertvollen Anregungen und Hinweise bedanken.
Großer Dank gebührt auch all meinen Gesprächspartnern, die mir vertrauensvoll tiefe
Einblicke in ihr Leben gewährten.
Ich möchte mich auch bei den Mitarbeitern des TU-Archives bedanken, besonders bei
Matthias Teichgräber, die mir stets schnell und umfangreich meine Wünsche zu erfüllten,
sowie allen anderen, die versuchten, mir weiterzuhelfen.
Ganz besonders dankbar bin ich meiner Tochter Louisa, durch deren Lächeln mir jeder
Tag zum Geschenk wird.

3
Inhaltsverzeichnis
DANKSAGUNG 1
INHALTSVERZEICHNIS 3
1.
EINLEITUNG 5
2.
LITERATURÜBERBLICK 13
3.
DIE ROLLE DES AUSLÄNDERSTUDIUMS FÜR DAS
SELBSTEMPFINDEN DER DDR
17
3.1. Politische Abhängigkeit oder Selbstständigkeit - Wirtschaft und
Wissenschaft als Komponenten der Außenpolitik der DDR
17
3.2. Internationale und innerstaatliche Unterstützung für die ausländischen
Studierenden 20
3.3. Die Bildungsideologie
21
4.
STUDIEREN IN DER DDR
25
5.
DIE BEZIEHUNGEN DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN
REPUBLIK ZUR DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
VIETNAM/SOZIALISTISCHEN REPUBLIK VIETNAM
29
5.1. Die besondere Bedeutung der Entwicklungsländer
29
5.2. Geschichte der Auslandsbeziehung zu Vietnam
36
5.2.1.
Eine ,,Tradition der Freundschaft"?
36
5.2.2.
Ausbau und Festigung der wissenschaftlichen Beziehungen
40
5.2.3.
Sind die Ziele erreicht?
44
6.
DAS AUSLÄNDERSTUDIUM
47
6.1. Sozialistische Erziehung und Studium ­ Bildung als politischer und
ideologischer Faktor
47
6.2. Solidarität ­ Bestandteil eines Studiums
50
6.3. Die Einbindung der Problematik des Ausländerstudiums in bilaterale
Verträge und Abkommen
52
6.4. Verträge der Technischen Universität Dresden mit Partnereinrichtungen
56
6.5. Das perfekte Chaos? ­ Die Kunst des Improvisierens am Beispiel der
Sektion Forstwirtschaft
57
6.6. Motive der Studierenden für ein Studium in der DDR
60

4
6.7. Die Voraussetzungen für eine Zulassung zu einem Studium an der TUD
63
6.7.1.
Gesundheitliche und moralische Voraussetzungen
63
6.7.2.
Die Finanzierung des Studiums
65
6.7.3.
Studienvorbereitung am Herder-Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig
69
6.8. Das Studium an der Technischen Universität Dresden
71
6.8.1.
Das System der Verantwortungsbereiche für das Ausländerstudium
71
6.8.2.
Offizielle Betreuungseinrichtungen für die ausländsichen Studenten
73
6.8.3.
Die persönliche Betreuung der ausländischen Studenten durch
Bezugspersonen 76
6.8. 4. Die Berichterstattung über das Leben der ausländischen Studenten
82
6.9. Das Studentenleben
86
6.9.1.
Die Phase der Eingewöhnung
86
6.9.2.
Die Studienzeit
87
6.9.3.
Die Teilnahmemöglichkeiten an studiumbezogenen Praktika
89
6.9.4.
Die Studienleistungen
90
6.9.5.
Das politische Leben der vietnamesischen Studenten an der TUD
93
7.
DER ALLTAG DER AUSLÄNDISCHEN STUDENTEN IN DRESDEN
97
7.1. Das Leben in den Wohnheimen
97
7.2. Die Regeln im Heim
100
7.3. Die Gestaltung der Freizeit
101
7.4. Gesellschaftliche Veranstaltungen
103
7.5. Disziplin 104
7.6. Freundschaften und Diskriminierung
106
8.
DIE DDR-BEVÖLKERUNG UND IHR VERHÄLTNIS ZU DEN
AUSLÄNDISCHEN STUDENTEN - SOLIDARITÄT MIT
VIETNAMESEN ­ BESTANDTEIL EINES STUDIUMS?
109
9.
DER ABSCHIED VON DER DDR
113
9. 1. Die Heimreise
113
9.2. Nachkontakte 114
10. AUSBLICK 119
11. SCHLUßBETRACHTUNG 121
12. ANHANG 129

5
1.
Einleitung
,,Internationale Solidarität" und ,,Völkerfreundschaft" waren Begriffe, die in mündlicher und
verschriftlichter Form als Propaganda, aber auch im täglichen Leben in der Deutschen Demo-
kratischen Republik (DDR) verbreitet waren. So sind die meisten DDR-Bürger mit der theo-
retischen Handhabung dieser Begriffe von Kindheit an vertraut gemacht worden. Die ,,Erzie-
hung zu Solidarität"
1
spielte scheinbar eine wesentliche Rolle, fanden doch immer wieder
zahlreiche Veranstaltungen, wie beispielsweise Solidaritätsbasare mit Spendensammlungen
oder als Protestaktionen gegen den Vietnamkrieg statt.
Umso verwundert, daß die Bevölkerung intensive und persönliche Kontakte zu Ange-
hörigen anderer Nationen oft erst im Verlauf eines Arbeitslebens, als Gastarbeiter in den
Betrieben, oder aber als Studenten an Universitäten und Hochschulen der DDR erlebte.
Dabei waren die internationalen Verbindungen allgegenwärtig im öffentlichen Leben. Die
hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich, stützend auf diese Beziehungen, mit dem Thema der
ausländischen Studenten an den Bildungseinrichtungen der DDR, speziell der Technischen
Universität Dresden. Dabei wird auch das Verhältnis zwischen den Ausländern und den Stu-
dierenden der DDR-Bevölkerung näher betrachtet.
Damit Studierende an den Universitäten und Hochschulen des Landes aufgenommen wer-
den konnten, spielten die wissenschaftlichen und technischen Beziehungen zu anderen Ein-
richtungen in Partnerstaaten eine entscheidenende Rolle. Diese leisteten ,,einen Beitrag zur
Stärkung der DDR und der sozialistischen Staatengemeinschaft, zur demokratischen, antiim-
perialistischen Entwicklung in den Nationalstaaten und Entwicklungsländern sowie zur ver-
traglich vereinbarten Zusammenarbeit mit Einrichtungen kapitalistischer Länder unter konse-
quenter Wahrung der Interessen der DDR".
2
Das heißt aber auch, daß sich die jeweiligen Ziel-
stellungen und Bemühungen der Universitäten und Hochschulen nach den temporären poli-
tischen Vorgaben der DDR-Regierung richteten. Die außen- und innenpolitischen Begeben-
heiten spiegelten sich so in den Bildungseinrichtungen wider und lassen sich auch an den Ver-
bindungen der Technischen Universität Dresden (TUD) zu ihrern Partneruniversitäten nach-
vollziehen.
1
Wiesenmüller, Maria: Zur Geschichte der FDJ-Grundorganisation ,,Dr. Theodor Neubauer" des Instituts
für Heimerzieherausbildung Hohenpriesnitz zwischen dem VIII. und X. Parteitag der SED. Hohenpriesnitz
1982, S. 60
2
UA der TUD, DIB, 1969-1973, Nr. 587, Strategie der internationalen Beziehungen Juni 1972, S. 1

6
Die abgeschlossenen Verträge und Vereinbarungen zwischen Bildungseinrichtungen soll-
ten die Politik der DDR unterstützen
3
und auf ,,der Grundlage der Beschlüsse von Partei und
Regierung ... zur allseitigen Stärkung"
4
beitragen. Sie stellten ein dichtes, schwer überschau-
bares Netzwerk von bilateralen und multilateralen staatlichen Verbindungen dar. In ihnen
wurden meist konkreten Absprachen in Bezug auf den wissenschaftlichen Austausch und die
Zusammenarbeit basierend auf Freundschaftsverträgen zwischen den Bildungseinrichtungen
zweier Länder festgeschrieben. Auf Regierungs-, Freundschafts- und Sektionsverträge be-
gründet, gab es nicht nur gemeinsame Veranstaltungen und einen intensiven Austausch von
wissenschaftlicher Lektüre zwischen den Einrichtungen, sondern auch den von wissenschaft-
lichem Personal und von Studenten. Letztere stellten aus Sicht der DDR die Basis der Ver-
bindungen zwischen den Universitäten und auch der Länder dar.
Die Ziele der Studentenpolitik der DDR waren die Vermittlung eines von der DDR-Regie-
rung gewünschten Bildes im internationalen Raum, in Abhängigkeit des jeweiligen Adressa-
ten, und die emotionale Bindung der Studierenden an sie. So war es in den Bildungseinrich-
tungen ,,Anliegen des Ausländerstudiums ... , neben der Vermittlung hoher wissenschaftlicher
Kenntnisse auch in der politisch-kulturellen Arbeit unsere ausländischen Studierenden mit der
Politik unserer Partei und Staatsführung, der allseitigen Entwicklung der DDR und unserer
Kultur vertraut zu machen"
5
, damit sie ,,echte Freunde unserer Republik werden"
6
und sich in
ihrem Heimatland für die Interssen der DDR einsetzen ­ die DDR also direkt zu unterstützen.
Während der Recherchen stellte sich heraus, daß die Beziehungen zwischen den Bildungs-
einrichtungen der Partnerländer außen- und innenpolitischen Konstellationen der DDR un-
terlagen. Aufgrund des vorgegebenen Umfanges der Arbeit mußte ein Zeitrahmen abgesteckt
werden. Näher untersucht wird daher die Epoche beginnend Mitte der sechziger Jahre bis Mit-
te der siebziger Jahre. Sie beschreibt außenpolitisch eine wichtige Ära, welche sich auch in
den wissenschaftlichen und technischen Verbindungen widerspiegelt.
Die Bildungs- und Außenpolitik der DDR kann in drei Phasen unterteilt werden. Die erste
Phase kennzeichnet die Periode bis zum Beginn der sechziger Jahre, in der die DDR um in-
nere Stabilität und internationale Anerkennung rang. Im Bereich der internationalen Bezie-
hungen stand dabei das gegenseitige Kennenlernen, der ausländischen Bildungseinrichtungen
3
Beispielsweise durch Aktivitäten wie auf der Festveranstaltung zum Welttag der Jugend an der TUD, zu
welcher Studenten aus 45 Ländern für die diplomatische Anerkennung der DDR eintraten.; Vgl. G.: Unbe-
siegbar ist unsere Kampfsolidarität. Festveranstaltung zum Welttag der Jugend an der TU ­ Studenten aus
45 Ländern erklären sich für die diplomatische Anerkennung der DDR., UZ, Nr. 9/06.05.1969, S. 2
4
UA der TUD, Rektorat, 1968-1970, Nr. 161, Konzeption zum Funktions- und Strukturplan des Direktors
für Internationale Beziehungen, S. 2
5
UA der TUD, Rektorat, 1968-90, Nr. 142, unpag. Schreiben vom 3.3.1972
6
UA der TUD, Rektorat, 1969-1971, Nr. 67, Plankonzeption, S. 16

7
und den Universitäten und Hochschulen der DDR, durch den Austausch wissenschaftlicher
Literatur und diverser Materialien, sowie vereinzelte Studienaufenthalte von Assistenten,
Fachexkursionen und seit 1965 der Austausch von Studenten aufgrund zwei- bis dreiwöchiger
Berufspraktika im Sommer, im Vordergrund.
In der vorliegenden Arbeit betrachtet die Autorin die zweite Phase Mitte der sechziger Jah-
re bis Mitte der siebziger Jahre. In dieser Zeit erlebte die Republik Selbstsicherheit. Sie wollte
als geachteter und gleichgestellter Partner im Bereich der Wissenschaft und der Bildung an
internationalen Konferenzen teilnehmen, inhaltliche Probleme der Erziehung und Ausbildung
diskutieren und Forschungsergebnisse veröffentlichen. Dazu bedurfte es guter internationaler
Kontakte. Bereits bestehende Verbindungen wurden intensiviert und neue geknüpft.
Der Druck, Partner zu gewinnen und möglichst viele Länder zur diplomatischen Anerken-
nung zu bewegen, fiel mit der sich entspannenden Lage, besonders ab 1972 durch den ersten
Staatsvertrag zwischen der BRD und der DDR, sowie der Aufnahme in die UNESCO und der
anschließenden ,,Anerkennungswelle", ab. Die DDR erlebte ein neues Selbstwertgefühl und
ein besonderes Sendungsbewußtsein.
In der dritten Phase, den achtziger Jahren, verschob sich der Schwerpunkt der Politik im
Bildungswesen zunehmend vom erzieherischen Aspekt auf den der Forschung.
7
Auch innenpolitisch ist dieser Zeitraum der zweiten Phase ausschlaggebend. Im April des
Jahres 1967 gab das Sekretariat der SED-Kreisleitung (SED-KL) der Technischen Universität
Dresden (TUD) in Folge des VII. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
(SED)
8
den Beschluß über die ,,Aufgaben zur Sicherung des parteimäßigen Einflusses bei der
politisch-ideologischen Arbeit mit ausländischen Studierenden"
9
heraus. Anläßlich dieses
Parteitages erarbeitete das Komitees für Angelegenheiten ausländischer Studierender in der
DDR beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwese (MHF) die für alle Universitäten
geltende ,,Aufgabenstellung für die politische-ideologische und fachliche Arbeit der aus-
ländischen Studierenden im Studienjahr 1969/70".
10
7
Vgl. Last, Bärbel; Schäfer, Hans-Dieter; Gralki, Renate: Die Wissenschaftsbeziehungen der Hochschulen
der ehemaligen DDR mit Osteuropa. Berlin 1992, S. 24
8
Die anläßlich dazu durchgeführte Dritte Hochschulreform griff nur insofern in das Leben der ausländischen
Studenten ein, indem auch ihr Studium an den Einrichtungen der Republik von ,,Rationalisierung" und ,,Ef-
fektivierung" im Allgemeinen betroffen war.
9
UA der TUD, FDGB, Nr. 392, Programm für die Arbeit mit den ausländischen Studierenden an der Tech-
nischen Universität, S. 1
10
Ebd.

8
Die zweite Zäsur soll im Jahre 1976 mit dem IX. Parteitag erfolgen. In vielfältiger Hin-
sicht sah sich nun die DDR in ihrer Politik seit Ende der sechziger Jahre bestätigt.
11
Die Ziele
des VIII. Parteitages galten außen- und innenpolitisch als verwirklicht. Die Universitäten
hatten aus Sicht der Regierung ihren Auftrag, Forschung und Anerkennung von Universitäten
und Hochschulen der DDR im internationalen Raum zu etablieren, erfüllt
12
.
Der Zeitraum zwischen Mitte der sechziger Jahre und Mitte der siebziger Jahre spiegelt ei-
nen wichtigen und spannenden Entwicklungsverlauf in der Geschichte der Innen- und Außen-
politik der DDR wider. Deshalb soll dieser zu Beginn der vorliegenden Arbeit genauer unter-
sucht werden, um Auswirkungen auf das Ausländerstudium ableiten zu können. Dazu wird in
Kapitel 6.5. auch das politische und ideologische Interesse der DDR an ausländischen Studen-
ten
13
am Beispiel der Aktivitäten der TUD untersucht.
Im Verlauf der Recherchen stellten sich vielfältige länder- und nationalitätenabhängige Be-
sonderheiten in Bezug auf die Gestaltung der Vereinbarungen heraus. Auch internationale In-
terdependenzen beeinflußte den Umgang der Bildungseinrichtungen mit den ausländischen
Studierenden. Dadurch können sich Erfahrungen, welche die ausländischen Studenten an der
TUD machten, variieren. Die Erlebnisse der Studenten sind zusätzlich abhängig von den Ab-
sprachen, welche die DDR mit den Regierungen oder Organisationen der Studierenden ver-
einbarte. Sie legten den Handlungsrahmen der Studenten fest. M. E. müssen daher über die
Verbindungen zu einzelnen Organisationen oder Staaten jeweils eigene Untersuchungen
durchgeführt werden.
Im Rahmen dieser Arbeit ist es daher nur möglich, die Beziehungen zu einem Land ge-
nauer zu untersuchen, anhand dessen der Ablauf und die Verwirklichung der wissenschaft-
lich-technischen Beziehungen beispielhaft dargestellt werden soll. Auserwählt wurde die De-
mokratische Republik Vietnam (DRV). Die vietnamesischen Studenten stellten nicht nur mit
die größte Anzahl der ausländischen Studierenden der TUD,
14
sondern auch die politischen
Beziehungen zwischen der DDR und der DRV verliefen in dem gewählten Zeitraum ,,gerad-
11
Außenpolitisch war sie sehr erfolgreich und unterhielt diplomatische Beziehungen zu 121 Staaten.¸ Vgl.
Hänisch, Werner: Vorwort. Die Außenpolitik und die internationalen Beziehungen der Deutschen Demo-
kratischen Republik im Jahre 1976 ­ Aufgaben und Ergebnisse. S. 9-35; In: Dokumente zur Außenpolitik
der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. XXIV/1976, 1. Hb, S. 10
12
Vgl. Honecker; Erich: Zu aktuellen Fragen unserer Innen- und Außenpolitik nach dem IX. Parteitag der
SED. Berlin 1976, S. 94
13
Der Begriff und ,,Studenten" sollen im Folgenden, ohne diskriminierend zu wirken, universell und zusam-
men-fassend für ,,Studierende", ,,Studenten" und ,,Studentinnen" eingesetzt werden. Der Begriff ,,Studie-
rende" soll zusätzlich Aspiranten umfassen.
14
Vgl. Goldbach, Steffi: Die Entwicklung der Auslandsbeziehungen der Technischen Hochschu-
le/Technische Universität Dresden in der Zeit von 1890-1991. Potsdam 1991, unv., S. 40f.

9
linig" und eignen sich daher zur anschaulichen Darstellung der wissenschaftlich-technischen
Vereinbarungen.
Die politische Verbindungen der DDR zur DRV sollen auch deshalb im Vordergrund ste-
hen, weil die erwähnten Zäsuren 1967 und 1976 sich auch für die DRV anbieten. Ende der
sechziger Jahre kam das erste Mal eine größere Anzahl vietnamesischer Studierender durch
ein Abkommen zwischen beiden Staaten in die DDR. Der Aufgabe, ihr Leben in der DDR zu
beschreiben und ihre Studienbedingungen aufzuzeigen, will sich diese Arbeit zu widmen. Die
außen- und innenpolitischen Ereignisse, sowohl in der DDR, als auch in der DRV, spiegelten
sich dabei nicht nur in den Lebensbedingungen der hier studierenden Vietnamesen
15
wider,
sondern veranschaulichen auch die politischen, ideologischen und moralischen Aspekte bei
dem Umgang mit Ausländern seitens der DDR und ihrer Bevölkerung.
Im Jahre 1976 vollzog dann sich die Vereinigung zur Sozialistischen Republik Vietnam
(SRV). Politisch wurde Vietnam nun endgültig dem ,,sozialistischen Lager" als Partner zu-
geordet.
16
Interessant ist, in dem Kapitel 10. zu untersuchen, wie sich diese Gründung auf die
Beziehungen zwischen den Staaten und ihren Bildungseinrichtungen auswirkte.
Die DDR vermied ein direktes Eingreifen in die nationale oder internationale Politik an-
derer Staaten. ,,Völkerfreundschaft" und ,,Solidarität" stießen an ihre Grenzen, wenn bei-
spielsweise Flüchtlinge Asyl beantragten.
17
Die Regierung versuchte mit dieser Politik, mög-
liche politische Debakel zu umgehen und wählte stattdessen den indirekten Weg, durch die
Bildungspolitik beispielsweise, als politischen Machtfaktor. Für diese Bildungspolitik soll die
TUD, welche eigenen Angaben zufolge Ende der sechziger Jahre die ,,größte polytechnische
akademische Bildungsstätte in der DDR"
18
war, als Beispieluniversität dienen. An ihr soll
demonstriert werden, wie die DDR politisch und gesellschaftlich auf die ausländischen Stu-
dierenden einwirkte.
Der zweite Teil der Arbeit wird sich dem Leben und den Studienbedingungen der an der
TUD immatrikulierten Ausländer widmen. Nachdem in einem einleitenden Abschnitt zu-
nächst kurz auf organisatorische und praktische Einrichtungen eingegangen werden soll, wird
sich der darauf folgende Teil mit ihrem Alltag, der Gestaltung ihrer Freizeit und ihrem beruf-
lichen Werdegang beschäftigen.
15
Der Begriff ,,Vietnamesen" soll unbestimmt für Bürger aus der DRV und der späteren SRV, sowie Minder-
heiten in diesem Staat, verwendet werden.
16
Vgl. Hänisch, Werner: Vorwort. Die Außenpolitik und die internationalen Beziehungen der Deutschen De-
mokratischen Republik im Jahre 1976 ­ Aufgaben und Ergebnisse., 9-35; In: Dokumente zur Außenpolitik
der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. XXIV/1976, 1. Hb, S. 16
17
Vgl. z.B. Runge, Irene: Ausland DDR. Fremdenhaß. Berlin 1990, S. 7
18
UA der TUD, DIB, Nr. 426, Arbeitsplan der Kommission für das Ausländerstudium an der Technischen
Universität Dresden 1968, S. 1

10
Der weitere Lebensvelauf der Absolventen war für die DDR wichtig. Er konnte die weitere
Gestaltung der Beziehungen zwischen der TUD und ihren Partnereinrichtungen unterstützen.
Zusätzlich diente die Pflege von Nachkontakten auch für die Orientierung und Ausrichtung
der Innen- und Außenpolitik der DDR. In einem gesonderten Abschnitt, dem Kapitel 9.2., soll
der Versuch unternommen werden, sowohl ihren persönlichen Entwicklungsverlauf nachzu-
vollziehen, als auch ihre ,,politische Bedeutsamkeit" für die DDR einzuschätzen.
Aufgrund der zeitlichen Nähe des zu behandelnden Themas ergab sich die Möglichkeit,
mündliche Befragungen von Zeitzeugen einfließen zu lassen. Das soll dem Leser helfen, sich
in die Lebensweise der ausländischen Studenten hineinzuversetzen.
Die Schwierigkeit bestand jedoch darin, Personen zu finden, welche in dem gewählten
Zeitraum in Dresden studierten. Viele ehemalige Kontakte zwischen DDR-Bürgern und An-
gehörigen der DRV/SRV sind abgebrochen. Vor allem war es nicht einfach, ehemalige Ab-
solventen zu finden, die bereit waren, der Autorin Auskunft zu geben.
Die Autorin wußte, daß in (Ost-)Deutschland viele Inhaber von Gemüse- und Textilienge-
schäften vietnamesischer Herkunft sind. Sie suchte deshalb in den Läden der Stadt Dresden
nach geeigneten Personen. Bald jedoch wurde deutlich, daß die heutigen Eigner meist erst zu
Beginn der neunziger Jahre in die Bundesrepublik kamen. In der Stadt fand sich ein einziger
ehemaliger Student des gewählten Zeitabschnitts, N.K.B..
Ein weiterer Anlaufpunkt war das Ökumenischen Informationszentrum Dresden e.V., des-
sen Mitarbeiter sich sehr interessiert und hilfreich zeigten. Dort erhielt die Autorin einige Ad-
ressen. Durch Telefonate und e-mail versuchte sie dann, Kontakt aufzunehmen. Dies war nur
in einem von sechs Fällen erfolgreich. Die gefundene Person vermittelte sie weiter an den
Y.M..
Durch den Hinweis eines Mitarbeiters des Ökumensichen Informationszentrums Dresden
e.V. wandte sich die Autorin an den Kaleb e.V., einen christlicher Verein für die Beratung
und Betreuung von Schwangeren und Müttern. Das Gespräch mit dessen Geschäftsführerin
M.M. ist im Anhang aufgeführt.
19
Die weiteren von ihr vorgeschlagenen Kontaktpersonen
jedoch waren nicht zu einem Gespräch bereit.
Auch der Geschäftsführer des Ausländerrates Dresden e.V., Herr Nabil Yacoub, war leider
nicht an einem Interview interessiert.
Als sehr hilfreich stellten sich die Beziehungen einer Bekannten der Autorin, Manuela
Ghantus, zu dem Verein Reistrommel e.V. in Berlin heraus. Dadurch konnten die beiden In-
terviews mit G.N. und Son geführt werden.
19
Vgl. den Fall ,,Linotschka".

11
Im Allgemeinen war die Auskunftsbereitschaft der einmal gefundenen Personen sehr gut.
Mit allen Kontaktpersonen führte die Autorin lange und intensive Gespräche. Zwei der Be-
fragten baten darum, ihre Namen nicht vollständig zu nennen.
Weil sich früh abzeichnete, daß nur wenige Absolventen zu finden sind, entschied sich die
Autorin für qualitative Interviews mit narrativem Charakter. Es wurden nur einige Leitfragen
erstellt, um im Verlauf des Gesprächs genügend den Befragten genügend Freiraum zu ermög-
lichen und dem Erzählenden Platz für Erlebnisse und eigene Berichte zu geben.
Die geringe Anzahl der geführten Interviews birgt allerdings die Gefahr, nicht im erforder-
lichen Maße eine objektive Betrachtungsweise und Quellenkritik ausüben zu können. Es kön-
nen nur diese vier Aussagen miteinander verglichen werden. Der Autorin sind die ,,Gefahren"
der Interviews bewußt. So lassen sich dadurch Widersprüche nur schwer aufdecken, zumal
eine Ergänzung und Prüfung der Aussagen durch Aktenmaterial zum gegenwärtigen Zeit-
punkt erschwert ist.
Die Interviewpartner beschreiben ihr Erlebtes aus Ihrer heutigen Sicht und mit einem zeit-
lich größeren Abstand, so daß die Phänomene der ,,oral history" beachtet werden müssen. Sie
berichten zudem über einen Zeitabschnitt in ihrem Leben, welcher für ihren weiteren Werde-
gang besonders prägend war. Daher flossen subjektive Empfindungen in ihre Darstellung ein,
welche für die weitere Gestaltung ihres Lebens als ein wesentliches Element gewertet werden
können. Auch beschreiben sie die Ereignisse aus ihrer heutigen Sicht und mit ihrem jetzigen
persönlichen,
20
geschichtlichen und politischen Wissen,
21
über Abläufe, Begebenheiten und
dem ,,Ausgang der Geschichte". Rückblickend werten sie also bestimmte Dinge als Einschnitt
oder bestimmendes Erlebnis in ihrem persönlichen Leben.
Die persönlichen Lebensverläufe und Erzählungen werden in der vorliegenden Arbeit die
Fakten aus dem Archivmaterial und der Literatur ergänzen, um ein Bild der Lage und Stim-
mung, besonders der vietnamesischen Studenten, an der TUD zu veranschaulichen.
Abschließend soll der Beitrag der TUD bezüglich der Wichigkeit der wissenschaftlich-
technischen Zusammenarbeit, sowohl für die DDR, als auch für die beteiligten Staaten, einge-
schätz werden. Dabei soll auf die eingangs aufgeworfene These eingegangen werden, inwie-
weit sich die DDR ihr Selbstbewußtsein durch ihre Arbeit mit Bildungseinrichtungen in Part-
nerländern, hier konkret am Beispiel der DRV, erwarb und bestätigte. Interessant ist dabei
festzustellen, inwiefern die freundschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen der TUD
20
Vgl. Thompson, Paul: The Voice of the Past. Oral History. Oxford 1978, S. 203 f.
21
Vgl. Gergen, Kenneth J.: Vergangenheit und Gegenwart als narrative Konstruktion., S. 170-203; In:
Straub, Jürgen: Erzählung, Identität und historisches Bewußtsein. Die psychologische Konstruktion von
Zeit und Geschichte. Erinnerung, Geschichte, Identität., Bd. 1/1998, S. 182

12
von politischen Kalkülen abhängig waren ­ denn wie Oswald Forker, Sekretär der Bezirkslei-
tung Dresden der SED, feststellte: ,,Wissenschaft ist immer eingebettet in die bestehenden
gesellschaftlichen Verhältnisse, ihre Ziele werden bestimmt durch die politischen Ziele und
Interessen der machtausübenden Klasse"
22
.
22
Forker, Oswin: Die TU und die Aufgabe nach dem VIII. Parteitag der SED, S. 52-112; In: Universitätsre-
den, Heft 27/1972, S. 53

13
2.
Literaturüberblick
In dem zu DDR-Zeiten erschienenem Schriftgut, wurde stets auf die Wichtigkeit der interna-
tionalen Beziehungen verwiesen. Es gab jedoch keine offiziellen Ausführungen über die Si-
tuation von Ausländern in der DDR aus dieser Zeit, außer der politisch werbenden Propagan-
da. Die DDR-Literatur liefert wenig konkreten Fakten. Aufgrund der schwierigen Literatur-
und Materiallage ist diesem Aspekt folgender Abschnitt gewidmet.
Der Frage nach Minderheiten oder Ausländern wurde in der DDR-Literatur keine Beach-
tung geschenkt. Das Thema wurde nur in Bezug auf die ,,Arbeitskräftereserven" oder der
Darstellung von ,,Verdiensten" des Ausländerstudiums zu Beginn der siebziger Jahren als
,,forschungswert" angesehen und ideologisch bearbeitet.
23
Als Ausnahme gilt die Dissertation
von Arnhold,
24
welche der Autorin in unveröffentlichter Form vorliegt. Obwohl wesentlich
im typisch propagandistischen Stil gehalten, liefert sie einige Fakten.
Die allgemeine Situation der in der DDR veröffentlichten Lektüre läßt sich kurz zusam-
menfassen: ,,In unserem Land wird keine Zeile gedruckt, kein Wort oder Bild gesendet, das
nicht dem humanistischen Anliegen unserer Erziehung dient"
25
.
Offizielle Statistiken zum Thema lassen sich erst für das Ende der achtziger Jahre feststel-
len.
26
Eine aktive Beschäftigung mit dem Thema Ausländer fand erst ab Mitte der achtziger
Jahre durch Bürgerbewegungen statt, vermutlich auch, weil in dieser Zeit die ersten Auslän-
derfeindlichkeiten publik wurden
27
.
Während, wie bereits erwähnt, die Außenpolitik der DDR weitestgehend untersucht ist,
28
gibt es auch mehr als ein Jahrzehnt nach dem Transformationsprozeß kaum Untersuchungen
über das Leben ausländischer Arbeiter oder Studenten.
29
Einige Erfahrungsberichte sind von
Runge gesammelt worden. In diesem Buch sind Interviews zu finden, welche zum größten
23
Vgl. Krüger-Potratz, Marianne: Aus dem Projekt ,,Völkerfreundschaft und internationale Solidarität".
Münster 1995, S. 5
24
Arnold, Rosemarie: Die Vorbereitung ausländischer Studenten auf ein Studium in der DDR. unv. 1982
25
Honecker, Margot: Für das Wohl aller Kinder., S. 510-521; In: Ders.; Zur Bildungspolitik und Pädagogik
in der Deutschen Demokratischen Republik. Ausgewählte Reden und Schriften. Berlin 1986, S. 516
26
Vgl. Krüger-Potratz, Marianne: Anderssein gab es nicht. Münster/New York 1991, S. 171
27
Vgl. z.B. Elsner, Eva-Maria; Elsner, Lothar: Ausländer und Ausländerpolitik in der DDR. Berlin 1992, S.
39f.
28
Das selbe Phänomen läßt sich für die Bundesrepublik Deutschland (BRD) nachweisen.; Vgl. Sandhaas,
Bernd: Lernen in fremder Kultur. Göttingen 1988, S. 32¸Seit Beginn der siebziger Jahre wurde Entwick-
lungsländern besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der in der DDR übliche Ausdruck ,,Entwicklungs-
land" für Staaten der ,,Dritten Welt" wird im Folgenden beibehalten. Auf einen Versuch der
Begriffsdefination wird verzichtet.
29
Es gab eine Studie in der BRD, welche Gründe und Bedingungen für ausländische Studenten an bundes-
deutschen Universitäten am Beispiel der Universität Frankfurt am Main Mitte der siebziger Jahre unter-
sucht.; Vgl. Kotenkar, Arun: Bildung. Repression. Befreiung. Ausländische Studenten in der Bundesrepu-
blik am Beispiel der Universität Frankfurt. Stuttgart 1986

14
Teil über erlebte Anfeindungen berichten. Sie kommt zu dem Schluß: ,,Das Gefühl, einer
überlegenen Kultur anzugehören, wird in diesem Land DDR doppelt reflektiert: Zum einen
als faktische Verachtung der Fremden, die aus Dritte-Welt-Ländern kommen, agrarisch und
unterentwickelt zumeist, mit einer Kultur, deren Reichtum sich unter Bedingungen hiesiger
Arbeit und Alltag fernab der regionalen Zugehörigkeit entfalten kann, zum anderen in tiefen
Versagenskomplex gegenüber den reichen Nachbarland West, dessen supranationale Über-
legenheit nationalistische Bekenntnisse genaugenommen unangemessen erscheinen läßt".
30
Die Politik gegenüber den Entwicklungsländern steht also scheinbar im unmittelbaren Zusam-
menhang zum innenpolitischen Geschehen. Inwieweit sich diese Konstellation auf die in der
DDR lebende ausländische Studierende ausgewirkt hat, will diese Arbeit untersuchen.
In der Literatur wird das Verhältnis der DDR-Bevölkerung zu Angehörigen anderer Kul-
turkreise oftmals negativ beschrieben. Auch Veröffentlichungen von ehmaligen Ausländern
der DDR, beispielsweise von Kou,
31
berichten über Erfahrungen von Ablehnung.
Im Bereich der Mentalitätsforschung und der historischen Pädagogik sind die Publika-
tionen des Ehepaares Elsner relevant.
32
Ausgewogen und wissenschaftlich fundiert erschei-
nen die Veröffentlichungen von Krüger-Potratz und die Arbeit von Sextro.
33
Umso wichtiger war die Recherche in Archiven. Leider kam es zu unerwarteten Schwie-
rigkeiten in Bezug auf deren Zugänglichkeit. Zwar wurden wichtige Verträge und Vereinba-
rungen in den Dokumenten zur Außenpolitik oder Gesetzesblättern veröffentlicht, viele Über-
einkommen und Anweisungen traf man allerdings nur mündlich.
34
Im Auswärtigen Amt konnten der Autorin für den relevanten Zeitraum nur vier Akten zur
Verfügung gestellt werden. Die Gründe dafür lagen an dem mangelnden Bestand dieser Un-
terlagen im Auswärtigen Amt. Das für diese Vorgänge zuständige Bundesarchiv in Berlin
teilte der Autorin bei ihrem Eintreffen in Berlin zum vereinbarten Termin mit, daß die von ihr
benötigten Bestände seit geraumer Zeit entsäuert werden, so daß zum Entstehungszeitpunkt
der Arbeit die relevanten Akten nicht zur Verfügung standen.
Ein weiteres wichtiges Archiv war das Hauptstaatsarchiv in Dresden. Hier lagern die
Jahresanalysen, beziehungsweise Berichte von der Kreisleitung der Technischen Universität
30
Runge: Ausland DDR (Anm. 17), S. 8
31
Kuo, Xing-Hu: Allein gegen die Rote Mafia. Ein Chinese kämpft gegen die SED/STASI-Seilschaften.
Bamberg 1994
32
Vgl. auch die Umfrageergebnisse bei Elsner: Auslander- und Ausländerpolitik (Anm. 27), S. 37
33
Sextro, Uli: Gestern gebraucht ­ heute abgeschoben. Die innenpolitische Kontroverse um die Vertragsar-
beitnehmer der ehemaligen DDR. Dresden 1996
34
So berichteten Vietnamesen von Absprachen mit ihrer Botschaft, ohne, daß sie dazu schriftliche Ausfüh-
rungen bekamen. Ähnliche Anweisungen zum Studium im Ausland erhielten DDR-Studenten, welche ein
solches auf-nahmen. Auch sie beschreiben Gespräche, in denen sie ebenfalls keine Schriftstücke erhielten.

15
(TU-KL) an die Kreilsleitung der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED-KL) und
weiter an deren Bezirksleitung (BL) geleitet wurden. Neben ,,Stimmungsbildern" der DDR-
Bevölkerung erfaßten diese auch die der ausländischen Studenten, damit die SED auf interna-
tionale und innerstaatliche Ereignisse mit ,,gezielter Propaganda"
35
reagieren konnte. Diese
Akten des Rates des Bezirkes Dresden, Abteilung Internationale Arbeit und der Abteilung
Volksbildung werden jedoch gegenwärtig sortiert, weswegen sie, bis auf zwei bedeutsame
Akten, ebenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeit nicht einsehbar waren.
Viele Unterlagen wurden auch von der TU-KL als Abschrift an die SED-KL geschickt, so
daß sich die meisten Schriftstücke im TU-Archiv finden ließen. Leider sind einige Arbeitsplä-
ne nur in Form von Entwürfen vorhanden, welche eventuell kleinere Abweichungen zum end-
gültigen Beschluß beinhalten könnten.
36
Zudem wird durch die eigene Einordnung von Vor-
gängen manchmal der Ausgang eines Falls nicht klar, weil Akten oder Teile von Abläufen
fehlen. Eine weitere häufig auftretende Schwierigkeit war das Fehlen von Adressaten, Emp-
fängernamen, Daten auf den Schriftstücken oder gar zahlreicher Seiten aus Dokumenten. Es
waren kaum zusammenhängende Vorgänge oder Weisungen vorhanden.
Am umfangreichsten und mehrere Jahre erfassend waren die Unterlagen des Direktorates
Internationale Beziehungen (DIB). Analysen und Berichte über Gewerkschaftsarbeit, persön-
liche und nationale Leistungen, Teilnahme an Solidaritätsveranstaltungen und Leistungswett-
bewerben, Freizeitgestaltung oder gar ideologische Gesinnung wurden sich in den Akten des
Büro des Rektors und dem Rektorat ebenso abgeheftet wie möglicherweise in den Sektions-
unterlagen. Um also Strukturen zu erkennen und Vorgänge nachvollziehen zu können, war es
erforderlich, eine Vielzahl von Beständen einzusehen.
Leider ist auch der Schriftwechsel der Universität über die ausländischen Studierenden mit
dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen (MHF) nicht vollständig vorhanden. Ledig-
lich vereinzelte Anweisungen und Studienpläne waren auffindbar.
Aufgrund der ausgedünnten Aktenlage der Sektionsunterlagen werden in dieser Arbeit die
Bezeihungen und Verbindungen der TUD mit Partnereinrichtungen anhand der relativ um-
fangreich vorhandenen Bestände der Sektion Forstwirtschaft dokumentiert. Zwar wurde ein
offizieller Freundschaftsvertrage erst 1975 mit der Sektion Forstwirtschaft realisiert, jedoch
studierten Hochschüler der DRV bereits seit 1953 an der TUD.
37
Zudem war das Studium der
35
SächsHStA, SED-KL, Teilbestand KLTU, IV/C4.5.01-182, Zusammenfassung über politisch-ideologische
Probleme vom 8.10.1975
36
Entwürfe bezüglich der Zuammenarbeit mit der SRV sind beispielsweise in den Dokumenten der Sektion
Forstwirtschaft zu finden., UA der TUD, Sektion Forstwirtschaft, 1973-1975, Nr. 144
37
Vgl. Goldbach: Entwicklung der Auslandsbeziehungen (Anm. 14), S. 40

16
Forstwirtschaft für die internationale Bedeutsamkeit der DDR wichtig, sicherte dies die Ein-
flußnahme auf wirtschaftliche, ökonomische und ideologischen Ebene der Partnerländer.
Aufschlußreich über das öffentliche Leben war auch die Universitätszeitung, welche im-
mer wieder über Solidaritätsaktionen und wichtige Ereignisse berichtete
38
­ leider oft mit
Synonym oder gar ohne Namen.
Um die TUD innerhalb der Hochschullandschaft der DDR einordnen zu können, wird sich
die vorliegenden Arbeit auf die Diplomarbeit von Goldbach stüzen, in welcher die Studenten
in den Jahren seit der Gründung der TUD ausgezählt wurden. Auch wenn diese teilweise Un-
stimmigkeiten aufweist
39
, lassen sich an ihr Tendenzen und Perspektiven ablesen.
38
So beendete beispielsweise Frau Saada Hussni aus Bagdad ihre Aspirantur in Chemie erfolgreich., Fanghä-
nel, Egon: VAR-Bürgerin zum Dr.rer.nat. promoviert., In: UZ, Nr. 23/01.12.1967, S. 3
39
Goldbach gibt auf S. 34 keine ausländischen Studenten bis 1953 an, aber auf S. 40 führt sie die ersten zwei
Studenten der TUD bereits 1951 an., Goldbach: Entwicklung der Auslandsbeziehungen (Anm. 14), S.
34/40

17
3.
Die Rolle des Ausländerstudiums für das Selbstempfinden der DDR
3.1. Politische Abhängigkeit oder Selbstständigkeit - Wirtschaft und Wissenschaft als
Komponenten der Außenpolitik der DDR
Bei der Gestaltung internationaler Beziehungen standen die beiden deutschen Staaten unter
dem Einfluß der rivaliserenden Mächte. Diplomatische Anerkennung außerhalb der ,,sozia-
listischen Gemeinschaft" als wichtigstes Ziel der DDR-Außenpolitik zu jener Zeit war meist
nur über die ,,Politik der kleinen Schritte",
40
das heißt durch den Abschluß von Handels- oder
Kulturabkommen, erreichbar. Freundschaftsverträge waren somit ein wichtiger Bestandteil
dieser Außenpolitik.
,,Klarer" gestalteten sich die Beziehungen zu den sozialistischen Staaten. In der Öffentlich-
keit war die Rede von der allseitigen ,,Einheit und Geschlossenheit der sozialistischen Län-
der".
41
Dazu gehörte auch Kultur und Bildung. Die zunehmende ökonomische und wirtschaft-
liche Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten in den siebziger Jahren erforderte den wis-
senschaftlichen und kulturellen Austausch, um als verbindendungsstiftendes Element auf die
allgemeinen Beziehungen zu wirken. So fand gegen Ende der sechziger Jahre, parallel zur ei-
genen Verbesserung der Wirtschaftslage und der Lebensstandards, auch der Ausbau der öko-
nomischen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen innerhalb der sozialistischen
Staaten statt.
Eine immer enger werdende Anbindung an die UdSSR erschwerte allerdings eine selbst-
ständige Entwicklung der DDR. Trotzdem erlangte sie nach dem Sturz Chruschtschows mehr
Selbstständigkeit in ihrer Innen- und Außenpolitik - vielleicht auch, weil sie zur zweitstärk-
sten Industriemacht innerhalb des RGW aufgestiegen war.
42
Diese wirtschaftliche ,,Vorreiterrolle innerhalb der sozialistischen Staaten bescherte der
DDR neue Aufgabenbereiche. Im Rahmen des RGW kamen ihr Aufträge zur Forschung zu.
43
Die Wissenschaft sollte der DDR so zu internationaler Anerkennung verhelfen. Schon im Ar-
tikel 17 der Verfassung von 1968 wurde Wissenschaft und ,,wissenschaftlich-technische Re-
volution" in den Dienst der Völkerfreundschaft gestellt
44
und damit eng mit außenpolitischen
Motiven verknüpft. Die Rolle von Bildungseinrichtungen wurde immer wichtiger.
40
Vgl. Troche, Alexander: Ulbricht und die Dritte Welt. Erlangen 1996, S. 17
41
Kröger, Herbert; Seidel, Frank: Freundschaftsverträge ­ Verträge des Sozialismus. Berlin 1979, S. 42
42
Vgl. Weber, Hermann: Die DDR 1945 bis 1990. München 1993, S. 59f.
43
Vgl. UA der TUD, DIB, 1969-1973, Nr. 587, Strategie der internationalen Beziehungen 1972, S. 5
44
Vgl. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Vom 6. April 1968.; In: Gbl. Teil I Nr. 8/1968,
Abschnitt I, Kapitel 2, Artikel 17, S. 208

18
Der DDR gelang dabei m.E. ein Spagat im Umgang mit der UdSSR als ,,großen Bruder"
und eigener Selbstbehauptung. Zwar sollten, der DDR-Literatur folgend, Verträge mit der
UdSSR Auslöser für Vereinbarungen mit anderen Ländern sein und der Ausbau internationa-
ler Beziehungen durch die UdSSR geebnet werden,
45
allerdings versuchte die DDR auch
selbst, eigene Interessen zu verfolgen, ohne dabei mit denen der UdSSR zu kollidieren, wie
beispielsweise die intensiven Beziehungen zur DRV beweisen.
Die DDR gewährte der DRV über den gesamten Zeitraum, seit dem Beginn der fünfziger
Jahre bis zum Ende der achtziger Jahre, eine nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung in
Millionenhöhe und half aktiv durch Wiederaufbauprogramme.
46
Im Gegenzug dazu ließ sich
die DRV in die DDR-Propaganda einbinden, um am konkreten Beispiel Verbündete gegen die
Westmächte und für das sozialistische Lager, besonders aber für die Interessen der DDR, bei
den Entwicklungsländern zu finden.
47
1972 war dann das ,,Jahr des endgültigen internationalen völkerrechtlichen Durchbruchs"
48
für die DDR. Einerseits wurde der Grundlagenvertrag unterzeichnet und damit der kräftezeh-
rende ,,Wettkampf" mit der BRD zumindest eingeschränkt, andererseits wurde die DDR nun
Vollmitglied der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation (UNES-
CO). Beides sicherte ihre Souveränität und garantierte internationale Aufwertung. Die DDR
hatte ihr Ziel der Anerkennung erreicht. Bis Ende des Jahres gewährten 52 Staaten die diplo-
matische Anerkennung, davon allein 22 im Dezember 1972. Im folgenden Jahr wurde sie in
die United Nations Organisation (UNO) aufgenommen. Bis 1978 hatten 123 Staaten die DDR
völkerrechtlich anerkannt. Damit konnte sie ,,die wichtigste Phase ihrer Außenpolitik positiv
abschließen".
49
Führte die DDR-Regierung jedoch bis dahin ihrer Bevölkerung ein deutliches, gemein-
schaftsstiftendes und verbindendes Ziel vor Augen, so fiel mit der Erfüllung dieses Zieles der
Blick der Menschen m.E. auf andere Probleme ­ auf innenpolitische und ökonomische Ange-
legenheiten. Spätestens in der Mitte der siebziger Jahre war daher eine Krise absehbar.
Von staatlicher Seite versuchte man aber indes, adäquate Ziele zu schaffen und aufrecht-
zuerhalten. So war die Forderung an die Bevölkerung nach uneingeschränkter Völkerfreund-
45
Vgl. Sonnemann, Rolf: Geschichte der Technischen Universität Dresden 1828-1988. Berlin 1988, S. 236
46
Vgl. Hänisch: Außenpolitik und die internationalen Beziehungen (Anm. 16), S. 20
47
So entstand beispielsweise das Gemeinsame Kommuniquè zum Abschluß des Besuches des Ministers für
Auswärtige Angelegenheiten der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Winzer, in der Syrischen Ara-
bischen Republik vom 31. Oktober 1972., S. 725 - 729; In Dokumente zur Außenpolitik der Deutschen De-
mokratischen Republik, Bd. XX/1972, 1. Hb, S. 729
48
Fischer, Hans-Joachim: Interpädagogische Beziehungen und pädagogische Auslandsarbeit in der DDR.
Paderborn 1995, S. 15
49
Weber: DDR (Anm. 42), S. 85

19
schaft, Internationalismus und ,,allseitige Zusammenarbeit" mit der UdSSR und dem sozia-
listischen System sogar in den Artikeln sechs bis acht der Verfassung der DDR verankert.
50
Eine weitere enge Verflechtung, intensive Hilfestellung und Anlehnung an die ,,Bruderstaa-
ten" wurden damit zu einem Zwang, welcher von DDR-Bevölkerung manchmal wenig be-
grüßt und verstanden wurde.
51
Zudem war ein Teil der Bevölkerung zu dieser Zeit der Republik gegenüber negativ ein-
gestellt.
52
Es wurde daher m.E. schwieriger, die zahlreichen Solidaritätsaktionen mit den Ent-
wicklungsländern zu erklären und zu rechtfertigen. Zwar waren die neuen Eliten an den Bil-
dungseinrichtungen gefestigt und konnten politisch auf die Studierenden reagieren, konkrete
Lösungsmöglichkeiten ,,für die brennenden Probleme" des Landes aber ließ der IX. Parteitag
im Mai 1976 jedoch vermissen.
Auch innerhalb der ,,sozialistischen Gemeinschaft" war es problematisch. Wie die Kon-
ferenz von 29 Kommunistischen Vereinigungen und Arbeiterparteien Europas vom 29. bis
zum 30. Juni 1976 in Berlin zeigte, wurde nicht mehr unbedingt verbindlich und gemeinsam
53
gehandelt, sondern die Geschlossenheit zugunsten der nationalen Eigenständigkeit in Frage
gestellt.
Eventuelll als Gegenoffensive verstärkte die Regierung der DDR in den siebziger Jahren
das Werben um Kollektivität.
54
Zusätzlich ritualisierter wurde die Nachrichtenübermittlung.
55
Sie sollte propagandistisch auf die Bevölkerung einwirken, das Gefühl von Stabilität des Staa-
tes vermitteln und außenpolitische Aktivitäten rechtfertigen.
Die Hilfeleistungen an Entwicklungsländer waren daher m.E. der Versuch, innenpolitische
Schwierigkeiten zu überspielen, positive Erlebnisse zu schaffen, ein Gefühl von Autonomie
im sozialistischen System zu stiften und Einfluß auf andere Staaten aufzubauen.
50
Vgl. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Vom 6. April 1968.; In: Gbl. Teil I Nr.8/1968,
Abschnitt I, Kapitel 1, Artikel 6, Absatz 2, S. 206
51
Weber: DDR (Anm. 42), S. 81
52
Ebd., S. 87
53
Vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung: Honeckers Parteiprogramm. Bonn 1986, S. 31
54
Ebd., S. 45
55
Vgl. Strasdas, Doreen: Nachrichten und Ritualität. Eine Untersuchung anhand der DDR-Tageszeitung
Neues Deutschland., S. 369-399; In: Fix, Ulla: Ritualität und Kommunikation der DDR. Frankfurt am
Main 1998, S. 391

20
3.2. Internationale und innerstaatliche Unterstützung für die ausländischen Studie-
renden
Die DDR war aber auch selbst auf internationale Hilfen angewiesen. Sie brauchte dringend
wirtschaftliche Unterstützung. Diese fand sie beispielsweise in Form von Gastarbeitern, denn
bereits 1967 herrschte in der DDR ein akuter Arbeitskräftemangel.
56
Aber auch Aspiranten
und Studenten waren der DDR-Wirtschaft vor allem in der Forschung dienlich. Desweiteren
konnten sich aber auch durch sie Kontakte zu Bildungseinrichtungen in anderen Staaten für
die Wirtschaft rentieren, indem beispielsweise in überstaatlichen Treffen der Direktoren der
Internationalen Beziehungen (IB) und Rektoren über die Wissenschaft Kontakte hergestellt
und Arbeitskräfte, Studenten und Praktikanten angeworben wurden.
57
Nachdem in den fünfziger und frühen sechziger Jahren zunächst politische Emigranten,
Opfer von Kriegen, sowie einige junge Studenten zur Aus- und Weiterbildung
58
die DDR auf-
suchten, kamen seit Ende der sechziger Jahre zunehmend Arbeiter und Studenten aus sozia-
listischen Staaten und Entwicklungsländern - oftmals gefolgt von ihren Familienangehörigen.
Die TUD sollte deswegen von Anfang an ihren Studienbewerbern verdeutlichen, daß von der
DDR ,,keine Verpflichtungen über die Aufnahme von Familienangehörigen übernommen
werden"
59
könnte.
Bald stellte sich dennoch die Frage nach dem Asyl. Die Gewährung von Asyl war mög-
lich, ,,wenn sie wegen politischer, wissenschaftlicher oder kultureller Tätigkeit zur Verteidi-
gung des Friedens, der Demokratie, der Interessen des werktätigen Volkes oder wegen ihrer
Teilnahme am sozialistischen und nationalen Befreiungskampf verfolgt werden".
60
Allerdings
wurde unbefristeter Aufenthalt, in Form von Asyl, selten gewährt. Üblich waren jährliche
oder monatliche Verlängerungen, was auch von den Interviewpartnern bestätigt wurde.
Das Studium galt in der Regel als ,,länger befristeter Aufenthalt" und bedurfte daher einer
Aufenthaltsgenehmigung, welche örtlich oder zeitlich beschränkt sein konnte.
61
Eine Ver-
längerung konnte bei der zuständigen polizeilichen Dienststelle erfolgen.
56
Dies war wohl auch eine Komponente, weswegen vermutlich die Wirtschaftspläne von 1969 und 1970
nicht erfüllt werden konnten. Vgl. Weber: DDR (Anm.42), S. 74f.
57
Vgl. Klein, Michael B.: Das Institut für internationale Politik und Wirtschaft der DDR in seiner Grün-
dungsphase 1971-1974. Berlin 1999, S. 139f.
58
Vgl. Elsner, Eva-Maria; Elsner, Lothar: Ausländerpolitik und Ausländerfeindschaft in der DDR 1949-
1990. Leipzig 1994, S. 11
59
UA der TUD, DIB, 1953-1987, Nr. 584, unpag. Schreiben vom 26.3.1965
60
Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Vom 6. April 1968.; In: Gbl. Teil I Nr. 8/1968, Ab-
schnitt II, Artikel 23, Absatz 2, S. 209
61
Vgl. dazu die Anordnung über den Aufenthalt von Ausländer in der Deutschen Demokratischen Republik
(Ausländerordnung ­ AAO - ) vom 28. Juni 1979, Gbl. Teil I Nr. 17/1979, S. 154

21
Die ausländischen Studenten hatten die gleichen Rechte wie DDR-Bürger, sofern diese
Rechte nicht an die Staatsbürgerschaft der DDR gebunden waren und sich die ausländischen
Studenten an die Verfassung und die Gesetze und Rechtsvorschriften der DDR hielten.
62
Die DDR begründete die zögerliche Gewährung von Asyl damit, daß die sozialistischen
Staaten den Imperialismus unter Kontrolle hätten und seine Vertreter ,,nicht mehr schalten
und walten können, wie sie wollen".
63
Zudem versuchte m.E. die Regierung der DDR da-
durch außenpolitische Verwicklungen zu verhindern, welche sich auf die Anerkennungsbe-
strebungen ungünstig hätten auswirken könnten.
Entschieden sich ausländische Studenten aber dennoch aus verschiedenen Gründen zum
Bleiben in der DDR, oftmals aufgrund von beabsichtigten Eheschließungen,
64
so war dies
meist nur möglich, indem sie die Staatsbürgerschaft erlangten. Nur damit konnten sie ad-
äquate Arbeit und Wohnung finden. Das Asyl wurde durch den Ministerrat gewährt, welcher
diese Aufgabe aber auch an entsprechende Stellen weiterdelegieren konnte. War der Antrag-
steller in der DDR wohnhaft, so mußte der Staatsbürgerschaftantrag beim zuständigen Rat des
Kreises, Abteilung Innere Angelegenheiten, beantragt werden. Völkerfreundschaft, Solidarität
und Hilfe, welche die DDR gern nach außen demonstrierte, wurde innenpolitisch von Seiten
des Staates nur beschränkt praktiziert.
3.3. Die Bildungsideologie
Die Ausbildung ausländischer Studenten war eingebettet in die politische Propaganda des
Staates. ,,Stets hat die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands die Aufgabe für das Bil-
dungswesen, für die Erziehung der heranwachsenden Generation abgeleitet aus den inneren
und äußeren Entwicklungsbedingungen und Erfordernissen des Kampfes und die weitere Stär-
kung des Sozialismus in unserem Lande, den wir eingeordnet sehen in den revolutionären
Weltprozeß, in die weltweite Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Kapitalismus".
65
Es war offensichtlich, daß die Ausbildung auf einer ideologischen Grundlage basierte. Diese
62
Vgl. Gesetz über die Gewährung des Aufenthaltes für Ausländer in der Deutschen Demokratischen Repu-
blik ­ Ausländergesetz ­ vom 28. Juni 1979.; In: Gbl. Teil I Nr. 17/1979, Absatz 4 , S. 149
63
Honecker, Erich: Rede auf der zentralen Funktionärskonferenz der FDJ am 20. Oktober 1972., S. 392-430;
In: Honecker, Erich: Zur Jugendpolitik der SED. Reden und Aufsätze von 1945 bis zur Gegenwart. Berlin
1977, Bd. 1, S. 399
64
In den siebziger Jahren lebten in der DDR circa 43.000 Ausländer., Vgl. Runge: Ausland (Anm.17), S. 14
65
Honecker, Margot: Der Lehrer und die sozialistische Schule der Gegenwart. Rede auf der IV. Konferenz
der Volksbildungsminister sozialistischer Länder in Berlin 20. bis 23. Oktober 1981, S. 583-593, In: Hone-
cker, Margot: Zur Bildungspolitik und Pädagogik in der Deutschen Demokratischen republik. Ausgewählte
Reden und Schriften. Berlin 1986, S. 583

22
war zwar abhängig von jeweiligen außenpolitischen Gegebenheiten, unterlag aber generell der
Maxime, ,,daß sie zur Stärkung des Ansehens der DDR und zur Festigung der antiimperialisti-
schen Aktionseinheit beitragen"
66
sollte. Zum zwanzigsten Jahrestag der Republik wurde
daher nachdrücklich der Ausbau der internationalen Beziehungen der Universitäten und
Hochschulen verlangt.
67
Um dabei den außenpolitischen Kurs wahren zu können, mußten die
Regierungen der delegierenden Staaten ebenfalls mit der UdSSR vertraglich verbunden sein.
68
Die Absicht, eine solche ,,Aktionseinheit" an den DDR-Bildungseinrichtungen zu for-
mieren, führte manchmal zu Problemen in der Gestaltung der Erziehung der Studenten vor
Ort, beispielsweise, wenn Anhänger verschiedener Parteien zusammen lebten. So hatte sich
1967 die ,,Vereinigung der lateinamerikanischen Studenten in der DDR" (CLARDA) gespal-
ten. Die TUD befürchtete daraufhin mögliche Schwierigkeiten für die Beziehungen zu den
einzelnen lateinamerikanischen Staaten und berief Aussprachen zu dem Thema ein.
69
Ende der sechziger Jahre mußte sich auch die TUD mit internationalen Konflikten ausein-
andersetzen. Studenten formierten sich in Parteien oder Vereinigungen, versuchten sich zu
engagieren und soziale und politische Heimatkonflikte an der Universität auszutragen.
70
Auch deswegen schenkte die DDR dem internationalen Austausch, besonders über ideolo-
gische und erzieherische Aspekte, besondere Beachtung. Über die politische Stimmung bei
den Studenten berichtete die SED-KL der TUD an das Sekretariat der SED-Bezirksleitung
(SED-BL). Auf den internationalen Rektorenkonferenzen und durch die Zusammenarbeit des
MHF mit anderen entsprechenden Ministerien und politischen und wissenschaftlichen Dele-
gationen wurden die Erfahrungen dann ausgetauscht.
Bei solchen Delegationen oder auch Studienreisen wurden nicht nur die zwischenstaat-
lichen oder zwischenuniversitären Vereinbarungen ausgearbeitet, sondern vor allem die Sicht
jener Staaten auf die DDR analysiert und eventuell entsprechende Gegenmaßnahmen vor-
bereitet, um das gewünschte Bild von der DDR aufzuzeigen. Um gezielt Propaganda betrei-
ben zu können, wurde wissenschaftliches DDR-Personal und DD-Literatur entsandt.
66
UA der TUD, Rektorat, 1969-1971, Nr.67, Internes Rundschreiben über die Internationale Zusammenar-
beit der TU Dresden vom 30.7.1970
67
Vgl. UA der TUD, Rektorat, 1968-1970, Nr. 161, Konzeption für die Gestaltung der internationalen
Beziehungen an der Technischen Universität Dresden 1969/70, S. 3
68
Vgl. UA der TUD, Prorektorat für Studienangelegenheiten, Nr. 2, vertraulicher Entwurf der Richtlinie des
Staatssekretariats für Hoch- und Fachschulwesen über die Zulassung und Betreuung ausländischer Studie-
render an den Universitäten der Deutschen Demokratischen Republik; Ausnahmen bildeten Studierende,
welche einer konkreten Einladung folgten, einige Einzelbewerber und Studierende, die ihre Kosten selbst
bestritten.
69
Vgl. SächsHStA, Teilbestand SED-Kl, Teilbestand KL-TU, IV/B/4.15.053, Bd. 1, 1968/71, unpag. Schrei-
ben vom 07.12.1967
70
Vgl. z.B. SächsHStA IV/B/4.15.053, unpag. Schreiben vom 25.01.1968

23
Das Senden technischer Geräte sollte vermutlich die Gastgeber beeindrucken. Auch mußte
besonders ,,ideologisch gefestigtes" und treues Personal entsandt werden, stand man doch in
steter Konkurrenz zur BRD. So erhielten beispielsweise in der SAR von den jeweiligen Uni-
versitäten Ende der sechziger Jahre DDR-Wissenschaftler zehn Prozent des Gehaltes von
BRD-Wissenschaftlern.
71
Die Partnerländer versuchten scheinbar ebenfalls, die Beziehungen
zur DDR nach größtmöglichem Nutzen zu gestalten.
Die Gastgeber wußten um wertvolle Geschenke und erwarteten diese auch von der DDR,
sollten sie mit ihr zusammenarbeiten. Dabei kam es gelegentlich zu Zerwürfnissen, beispiels-
weise, wenn die Lieferungen von Geräten zu lange dauerte.
72
Aber auch die DDR nutzte manche ,,Gunst der Stunde". Sie stellte zu Beginn der siebziger
Jahre den aus der BRD ausgewiesenen palästinensischen Studenten Studienplätze in der DDR
zur Verfügung. Bei der Ankunft wurden die Palästinenser von den arabischen Studierenden
offiziell begrüßt.
73
Damit demonstrierte die TUD ihre Sympathie für den arabischen Raum
und wertete das Ansehen international und besonders in arabischen Staaten auf.
Solche Bemühungen um Souveränität wurden von den meisten ausländischen Studenten an
der TUD, besonders den aus Entwicklungsländern stammenden, anerkannt und gewürdigt. In
den Akten entdeckt man immer wieder Fürbitten und Aufrufe um Aufnahme der DDR in die
Vereinten Nationen.
74
Auch bei Solidaritätsveranstaltungen und ­bekundungen, sowohl für
die DDR selbst, als auch für Anliegen der DDR für andere Staaten, waren besonders zu Be-
ginn der siebziger Jahre zahlreiche ausländischen Studierenden zu finden.
Die DDR versuchte, durch ihre Bildungsideologie, nämlich der Erziehung der Studenten
zu ,,treuen Freunden" der DDR und der UdSSR, an ihren Bildungseinrichtungen in der DDR
zu einer ,,ideologischen Homogenisierung"
75
ihrer Bürger beizutragen. Dies galt auch für die
ausländischen Studierenden. Aufgrund ihrer Ideologie der Bildung wurden die ausländischen
Studenten in das DDR-Erziehungskonzept eingebunden.
Die DDR befand sich stets im unmittelbaren Vergleich zur BRD und damit zur konträren
Weltauffassung, auch und vor allem in der Beobachtung der ausländischen Studierenden. Da-
her ist es m.E. verständlich, daß sie ideologische Konzepte und Strategien an Bildungseinrich-
tungen einsetzte.
71
Vgl. DDR-Wissenschaftler verdienten 200 Syrische Pfund, BRD-Wissenschaftler 2000 Syrische Pfund.;
Ebd.
72
Vgl. UA der TUD, DIB, Nr. 427, Einschätzung einer Studienreise 1967, S. 11
73
Vgl. UA der TUD, DIB, bis 1974, Nr. 585, unpag. Schreiben vom 20.12.1972
74
Vgl. UA der TUD, Rektorat, Nr. 33, unpag. Schreiben vom 25.9.1969
75
Anweiler, Oskar; Fuchs, Hans-Jürgen; Dorner, Martina; Petermann, Erhard: Bildungspolitik in Deutsch-
land 1945-1990. Ein histoischer Quellenband. Opladen 1992, 13/14

24
Damit die Regierung in Bezug auf die Bildung und Erziehung der ausländischen Stu-
dierenden immer informiert war, übermittelte die TUD regelmäßig ihre Erfahrungen und In-
formationen aus der Arbeit mit den ausländischen Studenten. Zudem gab sie Auskünfte über
die ideologische Leistungen und daraus resultierende mögliche Nachkontakte, an das MHF,
welches diese dann an die Mitgliedsländer des RGW, durch Konferenzen ihrer stellvertreten-
denden Hochschulminister beispielsweise, weiterleiteten und verarbeiteten.
76
So wurde eine Ideologie der Bildung erarbeitet, welche auf der Anschauung der Partei be-
ruhte. Dem Einzelnen wurden Alltagsab- und teilweise Lebensverläufe vorgegeben und man
versuchte, diese von staatlichen und parteilichen Angehörigen zu überwachen. Die auslän-
dischen Studenten unterlagen einer permanenten Kontrolle. Durch das Eingebundensein in
das kommunistische System, in Gruppen und Verbände der DDR sollten die Inhalte der Bil-
dungsideologie, in erster Linie Freundschaft, Verbundenheit und Treue zur UdSSR und zur
DDR, vermittelt und gefördert werden.
76
Vgl. UA der TUD, Rektorat, 1969-1971, Nr. 67, unpag. Schreiben vom 07.12.1970

25
4.
Studieren in der DDR
Ob eine Delegation von Studierenden durch Kulturabkommen, Vereinbarungen oder Abkom-
men zwischen Regierungen, kommunistischer oder Arbeiterparteien , internationaler Organi-
sationen, Einzelbewerbungen oder persönliche Einladungen an die TUD kam ­ die Auswahl
erfolgte durch eine zuständige delegierende Stelle. Die Bedingungen der Zulassung aber rich-
teten sich nach der DDR-Studienordnung. Ausländische Auserwählte wurden als ordentliche
Studenten immatrikuliert. Wenn Bewerbungen direkt bei der TUD eingingen, mußte die
Universität sie weiter an das Institut für Ausländerstudium nach Leipzig leiten.
77
Die Gestaltung der internationalen Beziehungen der TUD basierte auf der Grundlage der
von der Partei und Regierung gefaßten Beschlüsse. Zur Unterstützung der außenpolitischen
Interessen der DDR umfaßte ihre Arbeit Entwicklung und Weiterbildung der Beziehungen in
den Gebieten der Forschung, der Erziehung, der Aus- und Weiterbildung und schließlich der
,,Kaderentwicklung". Dies setzte, aufgrund der zentralistischen Gestaltung des Systems, eine
langfristige Planung seitens der zuständigen Behörden voraus.
Durch das MHF wurden die Planzahlen für ausländische Studenten festgelegt, welche aber
nicht immer mit den Vorstellungen der TU zusammentrafen. So nimmt ein Professor der TUD
irakische Studenten an, was aber nicht mit den zuständigen Stellen abgesprochen war. Eigen-
mächtige Entscheidungen seitens der Universitäten oder Hochschulen wurden vom MHF be-
anstandet, da es befürchtete, dadurch Schwierigkeiten in der Außenpolitik zu provozieren.
78
Das MHF wies daher die TUD an, nicht eigenmächtig zu immatrikulieren oder zu exmatriku-
lieren, sondern auf Anweisungen zu warten.
79
Wirkliche Konsequenzen, außer Aussprachen,
lassen sich in den Akten nicht finden.
Die TUD versuchte im Wesentlichen, diesem Anliegen gerecht zu werden. So wurde bei-
spielsweise die Plankonzeption von 1971 im Sinne der derzeitigen Außenpolitik auf die Inten-
sivierung der Kontakte mit den Universitäten Damaskus, Santiago de Chile und Bogota ge-
richtet. Diese Verbindungen dienten in erster Linie dazu, ,,den Versuch des Eindringens des
westdeutschen Imperialismus in das Hochschulwesen dieser Länder zurückzudrängen",
80
in-
dem Fachkräfte aus der DDR in jene Länder entsandt wurden.
77
Vgl. UA der TUD, Prorektorat für Studienangelegenheiten, Nr. 46, Richtlinie zum Ausländerstudium, S. 9
78
Vgl. UA der TUD, Rektorat, Nr. 188, unpag. Schreiben vom 18.11.1968
79
Vgl. UA der TUD, DIB, bis 1981, Nr. 583, Bemerkungen zur Planerfüllung Zulassungen und Absolventen
bei ausländischen Direkt- und Zusatzstudenten im Planj.76, S. 1
80
UA der TUD, Rektorat, 1969-1971, Nr. 67, Plankonzeption zur Gestaltung der internationalen Wissen-
schaftsbeziehungen an der TUD

26
Seit Anfang der sechziger Jahre stieg die Zahl der DDR-Studenten und mit ihr proportional
die der ausländischen Studierenden. Sie lag bei fünf bis sechs Prozent.
81
Während man zuvor
um möglichst viele Studierwillige bemüht war, sollte in den siebziger Jahren neue Qualität die
Quantität ablösen. Für Studierwillige Bürger der DDR wurde die Zulassung zum Hochschul-
studium zwar seit Beginn der siebziger Jahre eingeschränkt,
82
rückläufige Zahlen des Auslän-
derstudiums lassen sich erst für 1976, mit nur noch 508 ausländischen Studierenden, also
4,9% der TUD-Studenten, feststellen.
83
Man wandte sich nun von ideologischen Inhalten ab und stattdessen verstärkt Forschungs-
themen zu. Die TUD wollte sich dabei am ,,Welthöchststand orientieren"
84
. Aus ideologischer
Sicht bedeutete das für sie, daß die Beziehungen zur UdSSR intensiviert werden mußten.
Ende der sechziger Jahre hatte die TUD 117 wissenschaftliche Direktbeziehungen, davon aber
nur 17 mit der UdSSR. Deren Anzahl sollte in der Folgezeit erhöht werden.
85
So wurde in der DDR 1976 der Plan von der Ausbildung ausländischer Direktstudenten
nur zu 75% erfüllt.
86
Zwar beabsichtigte das MHF 1977 205 ausländische Direktstudenten an
der TUD zu immatrikulieren, aber nur 143 kamen. Trotz diese Defizites wurde 1978 der Plan
nochmals erhöht. Doch statt der vorgesehenen 250, konnten nur 145 Studenten der TUD zu-
gewiesen werden.
87
Die Gründe hierfür werden aus den Unterlagen nicht ersichtlich.
Der Abfall der Studentenzahlen beruhte m.E. darauf, daß letzte Reserven Anfang der sieb-
ziger Jahre mobilisiert wurden und nun finanzielle Mittel eingeschränkt werden mußten. Zum
anderen ließ aber auch das Interesse der Studenten aus den verschiedenen Staaten nach, war
doch durch die internationale Anerkennung der DDR und das Schicksal beider deutscher
Staaten vorerst besiegelt. Als weiterer Faktor war die sich entspannende Lage im politischen
Weltgeschehen verantwortlich. In den sechziger Jahren wurden zahlreiche Kolonien in die
Selbstständigkeit entlassen und orientierten sich an den jeweiligen Einflußsphären und an für
sie günstigsten Partner, auch an der DDR. Mitte der siebziger Jahre war dieser Prozeß weitest-
gehend abgeschlossen. Auch die kriegerischen Auseinandersetzungen in Vietnam waren be-
endet und das Land hatte sich zur SRV vereinigt. Zusätzlich gab es wirtschaftliche Schwierig-
keiten in der DDR. Vielleicht verlor auch der Sozialismus mit dem Ende der 68er-Bewegung
81
Vgl. Goldbach: Entwicklung der Auslandsbeziehungen (Anm. 14), S. 18
82
Vgl. Weber: DDR (Anm. 42), S. 82
83
Vgl. Goldbach: Entwicklung der Auslandsbeziehungen (Anm. 14), S. 35
84
UA der TUD, Rektorat, 1968-1970, Nr. 161, Konzeption für die Gestaltung der internationalen Beziehun-
gen an der Technischen Universität Dresden 1969/70, S. 1
85
Vgl. Ebd., S. 4
86
Vgl. UA der TUD, DIB, bis 1983, Nr. 583, Schreiben vom 03.11.1977, S. 2
87
Vgl. UA der TUD, DIB, bis 1983, Nr. 583, Abrechnung VW-Plan 1978 ­ Ausländerstudium vom
28.12.1978, S. 1

27
an Faszination. Dies alles mag zu der rückläufigen Tendenz von ausländischen, und besonders
auch vietnamesischen, Studienanwärtern gewertet werden.
88
Die Regierung der DDR bemühte sich allerdings verstärkt um ausländische Studierende.
Sie wollte den Anschluß an internationale Forschungen und vor allem die Anerkennung ihrer
Leistungen nicht gefährden. So erteilte Erich Mielke 1976 als Leiter des Ministeriums für
Staatssicherheit (MfS) den Befehl, Ausländern an Universitäten eine großzügigere Behand-
lung zuteil werden zu lassen, weil diese für den Staat immer wichtiger würde.
89
Inwiefern
ausländische Studierende tatsächlich eine großzügigere Behandlung erfuhren, soll im weiteren
Verlauf der Arbeit untersucht werden.
88
Vgl. Goldbach: Entwicklung der Auslandsbeziehungen (Anm. 14), S. 35f.
89
Vgl. Feige, Michael: Vietnamesische Studenten und Arbeiter der DDR und ihre Beobachtung durch das
MfS. Magdeburg 1999, S. 4

29
5.
Die Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik zur Demokratischen
Republik Vietnam/Sozialistischen Republik Vietnam
5.1. Die besondere Bedeutung der Entwicklungsländer
Von Bedeutung war die Gemeinschaft zu den ,,sozialistischen Bruderländern". Es galt als
,,Pflicht der sozialistischen Staaten",
90
ihre Außen- und Sicherheitspolitik zu koordinieren.
Dazu gehörte die enge Einbindung in die sozialistische Staatengemeinschaft, auch von Ent-
wicklungsländern, beispielsweise durch Freundschaftsverträge, Beistandsbekundungen und
auch durch die Vergabe von kollektiven Forschungsthemen im Rahmen des RGW.
91
Obwohl
die SRV erst 1978 in den RGW aufgenommen wurde, unterhielt die DDR bereits im Vorfeld
zur DRV intensive politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Kontakte.
In den sechziger Jahren systematisierte man Staaten im wesentlichen in kapitalistische
Staaten, wozu die lateinamerikanischen, arabischen, die nationalen afrikanischen und die Süd-
und südostasiatischen Staaten gehörten, in Staaten unbestimmter Orientierung, in denen oft
Mililtärputsche und /oder häufige Regierungswechsel stattfanden, und schließlich in Staaten
nichtkapitalistischer Orientierung, in denen ein Bündnis von proletarischen, agrarischen,
kleinbürgerlichen, patriotischen und intellektuellen Gruppen regierte, wie beispielsweise in
Syrien.
Dabei wurde die Qualität der internationalen Beziehungen unterschieden in solche zwi-
schen sozialistischen Staaten, zwischen sozialistischen und national-befreiten Staaten, sozia-
lsitischen und kapitalistischen Staaten, Beziehungen von national-befreite Staaten unterein-
ander, national-befreiten und kapitalistischen Staaten und letztendlich kapitalistische Staaten
untereinander.
92
Die Abstufung geht dabei mit der hier dargestellten Reihenfolge einher. Die
außenpolitischen Beziehungen richteten sich theoretisch nach diesen Kategorien, unterlagen
aber in der Praxis den jeweils augenblicklichen Schwerpunktlagerungen.
93
Die Staaten der ,,Dritten Welt" werden häufig im öffentlichen Sprach- und Schriftverkehr
der DDR als ,,Entwicklungsländer", ,,nichtpaktgebundene Länder", ,,junge Nationalstaaten"
oder ,,national-befreite Staaten" bezeichnet, Entwicklungshilfe oft als ,,besondere Form der
90
Kröger: Freundschaftsverträge (Anm. 41), S. 55
91
Vgl. UA der TUD, Rektorat 1971-1972, Nr. 130, unpag. Schreiben ohne Datum, Internationale Beziehun-
gen
92
Vgl. Quilitzsch, Siegmar: Die Umgestaltung der internationalen Beziheungen ­ Hauptrischtungen und
Etappen., S. 9-71; In: Institut für internationale Beziehungen der Akademie für Staats- und Rechtswissen-
schaften der DDR: Sozialismus und internationale Beziehungen. Berlin 1981, S. 11
93
Ebd.

30
Zusammenarbeit" in der DDR-Literatur umschrieben.
94
Sicherlich wollte man sie in der DDR
nicht klassifizieren, weil man sich selbst nicht abwerten wollte, aber auch, um Staaten nicht
herabzusetzen und ihnen ein Gefühl von Gleichstellung zu vermitteln. 1971 wurden die Ent-
wicklungsländer von sozialistsichen Ländern als gleichberechtigte Partner anerkannt,
95
was
sie vielleicht durch ein Gefühl des Dankes und der Verbundenheit mit dazu bewog, Verbin-
dungen zu sozialistischen Staaten einzugehen, auch wenn diese wirtschaftlich schwächer
waren als deren kapitalistischen Rivalen.
Die DDR hatte ein besonderes Interesse an den Entwicklungsländern, weil die Aufnahme
von Verbindungen, aufgrund der Anlehnung an die UdSSR, zu anderen nichtkommunis-
tischen und nichtsozialitsichen Staaten zu Beginn äußerst schwierig war. Die DDR sah sich
offiziell ,,seitens der imperialistischen Länder einer diplomatischen Blockade ausgesetzt".
96
So wandte sich die DDR besonders ab den sechziger Jahren den Entwicklungsländern zu.
Beziehungen sollten dabei besonders zu den Nationalstaaten und Entwicklungsländern,
welche den nichtkapitalistischen Weg beschreiten wollten, und die DDR bereits anerkannt
oder Vorrausssetzungen für Anerkenng geschaffen hatten, aufgebaut und vertieft werden.
97
Zu den Staaten, welche diese Voraussetzungen erfüllten, gehörte die DRV. Als relativ kon-
stant sind die Verbindungen zur DRV seit den frühen fünfziger Jahren bis Ende der neunziger
Jahre einzuschätzen.
Das gestiegene Interesse begründet sich m.E. zum einen aus der zunehmenden Wichtigkeit
der Entwicklungsländer aufgrund deren Rohstoffreichtums,
98
im Gegensatz zu der rohstoffar-
men DDR, zum anderen aber auch zur Steigerung des Selbstbewußtseins der DDR und Ge-
winnung von Verbündeten für eine internationale Anerkennung.
In den sechziger Jahren bemühte sich die DDR noch in Konkurrenz zur BRD um Anerken-
nung auf dem afrikanischen Kontinent. Zu dieser Zeit dominierten Befreiungsbewegungen,
wie beispielsweise in Syrien, auch begründet auf die Auflösungen vieler Kolonien Anfang der
siebziger Jahre. Daher unterhielt die DDR viele Verbindungen zu nichtstaatlichen Organisa-
94
Vgl. z.B. Hundt, Walter; Spröte, Wolfgang; Stöber, Horst; Wunsche, Renate: Das Bündnis des Sozialismus
mit der nationalen Befreiungsbewegung und Zusammenarbeit zwischen sozialistischen Läbndern und den
Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas als wichtiges Element der Umgestaltung der internationalen
Beziehungen., S. 108-162; In: Quilitzsch, Siegmar: Sozialismus und internationale Beziehungen. Berlin
1981, S. 125
95
Vgl. Hofmann, Otto; Scharschmidt, Gerhard: DDR-Außenhandel. Gestern und heute. Berlin 1975, S. 101
96
Sonnemann: Geschichte der Technischen Universität Dresden (Anm. 45), S. 236
97
Vgl. UA der TUD, DIB, 1969-1973, Nr. 587, Strategie internationale Beziehungen 1972, S. 1
98
Vgl. Inotai, Andràs: Industrialisierung und Industriepolitik., S. 41-66; In: Bundeszentrale für politische
Bildung: Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Strukturen und Probleme. Bonn 1987, S. 60

31
tionen und Parteien, und bildete deren Kader aus.
99
Mit dem Ende der Hallsteindokrin Ende
der sechziger Jahre wurde es den afrikanischen Staaten erleichtert, Kontakte aufzunehmen.
Tatsächlich konnte in beiden deutschen Staaten zur gleichen Zeit eine höhere Aufnahme
von diplomatischer Beziehungen und von Studentenzahlen aus Entwicklungsländern ver-
zeichnet werden.
100
Durch die ,,Adressen-" und ,,Besucherdiplomatie"
101
und zahlreichen Hilfsprojekten ge-
langen der DDR schließlich wesentliche Imageverbesseungen. Besonderer Wert wurde auf
den Aufbau von Bildungssystemen gelegt, da so die zukünftige politische Richtung im we-
sentlichen mitbeeinflußt werden konnte. Schließlich könnte aus Schulen und Hochschulen,
besonders in Entwicklungsländern, die zukünftige Elite hervorgehen. So entwickelte die DDR
beispielsweise die renomierte ,,Unified Experimental School Medinet Nasr" in Ägypten.
Um Einfluß auf einen Kontinent erhalten zu können, versuchte die DDR ein ,,Schlüssel-
land" zu gewinnen. Zunächst versucht die DDR Indien als Eintrittsland für Asien zu gewin-
nen. Lange Zeit blieb das Werben um Indien für den südasiatischen Raum aber unerfüllt. Die
DDR und Indien nahmen erst am 8. Oktober 1972 diplomatische Beziehungen auf. Daher er-
langte inzwischen die DRV an Bedeutung. Um einen zuverlässigen Partner zu finden, mobili-
sierte die DDR umfangreiche Hilfen. So baute sie in der DRV beispielsweise sogar die Stadt
Vinh komplett auf.
Bei Staatsdelegationen wurden Abkommen über materielle Hilfen, kulturelle und wissen-
schaftliche Zusammenarbeit geschlossen. Nachdem die SRV 1978 Mitglied des RGW wurde,
spielte auch hier die ,,Koordinierung der Wirtschaftspläne" im Rahmen des RGW eine zu-
nehmende Rolle bei den zu treffenden wissenschaftlichen Vereinbarungen zwischen den Staa-
ten. Die Forschungsthemen wurden hauptsächlich über Versammlungen des WTZ im Rahmen
des RGW an die jeweiligen Länder verteilt.
102
An den Bildungseinrichtungen wurden diese
dann innerhalb von Freundschaftsverträgen und Abeitsvereinbarungen präzisiert
103
und konn-
ten so an die jeweiligen universitären Gegebenheiten angepaßt werden.
99
Vgl. Schleicher, Hans-Georg: Afrika in der Außenpolitik der DDR., S. 10-13; In: Heyden, Ulrich van der;
Schleicher, Ilona; Schleicher, Hans-georg (Hrasg.): Die DDR und Afrika. Zwischen Klassenkampf und
neuem Denken. Hamburg 1993, S. 23
100
Vgl. z.B. Sandhaas: Lernen (Anm. 17), S. 13
101
Troche: Ulbricht (Anm. 40), S. 28
102
Vgl. die Gemeinsame Erklärung der Deutschen Demokratischen Republik ­ Sozialistische Republik
Vietnam vom 4. Dezember 1977, S. 525-534; In: Dokumente zur Außenpolitik der Deutschen Demokrati-
schen Republik, Bd. XXV/1977, 1.Hb., S. 533; Beispiele für die wissenschaftliche Zusammenarbeit wer-
den beispielsweise auch angeführt in: UA der TUD, Rektorat, 1969-1971, Nr. 67, Plankonzeption 1971
103
Vgl. UA der TUD, Rektorat, Aug.-Dez. 1975, Nr. 405, Jahresanalyse der internationalen Hochschulbe-
ziehungen der Technischen Universität Dresden im Jahre 1975, S. 6;

32
Auch lernte die DDR-Regierung aus dem Beispiel Indiens. Wenn sich zukünftig Staaten
enttäuscht über zuwenig materielle Zuwendung zeigten, sollten diese nicht anerkannt wer-
den.
104
Übermäßige Ausgaben sollten damit unterbunden werden, wenn sich für die DDR da-
raus kein Nutzen ergab. Ausgaben für die DRV erwiesen sich als lohnende Investition. Sie
unterhielt intensive Beziehungen zur DDR, auch wenn der Gewinn von Einfluß in Asien
durch die DRV wohl nicht dem erhofften Umfang entsprach.
Der DDR wird häufig vorgeworfen, daß sie an ihren Vertragsarbeitnehmern ,,verdiente",
indem sie Gelder einbehielt oder Extrakosten erhob.
105
Für die Studierenden trifft das aber
nicht in diesem Umfang zu. Zwar wurden auch einige Studenten aufgrund zusätzlicher Devi-
seneinnahmen an den Universitäten der DDR immatrikuliert. Für die meisten Studenten, zu-
mindest für jene aus Entwicklungsländern, galt dies nicht. Auch die zahlreichen Studenten aus
der DRV dienten m.E. vielmehr dem Aufpolieren des Images der DDR im außenpolitischen
Raum. Hier konnte sie konkrete Hilfe leisten und gleichzeitig auf die jeweiligen Staaten und
Oragnisationen einwirken. Vereinbarungen über eventuelle Zahlungen sind zumindest zum
momentanen Zeitpunkt nicht zu finden.
Die ,,Studierenden aus den sozialistischen Ländern sollten auf der Grundlage des Marxis-
mus-Leninismus zu hochqualifizierten Führungskadern entwickelt werden, die ihre Kräfte
vorbehaltlos für die Stärkung des Sozialismus und Kommunismus in ihren Heimatländern und
für die Festigung der Einheit des sozialistischen Weltsystems einsetzen".
106
Um dieses Ziel zu
erreichen, sollten besonders diejenigen Studenten ausgesucht werden, welche später Leitungs-
tätigkeiten auf kommunaler, staatlicher und wirtschaftlicher Ebene übernehmen könnten. Zu
ihnen sollte schon während des Studiums ein intensiver Kontakt hergestellt werden, um Nach-
kontakte vorzubereiten. Das war auch im Interesse der Entwicklungsländer. Denn Nachkon-
takte bedeuteten auch für sie eine Art ,,Weiterbildung wissenschaftlicher Kader"
107
und nah-
men einen hohen Stellenwert ihrer Politik ein. Damit verstärkten sie ihre Bindung zur DDR.
Außerdem dienten die Studenten dem eigenen Selbstbewußtsein der DDR. Der Dank der
ausländischen Studenten, und besonders auch der vietnamesischen Bürger, war öffentlich im-
mer impliziert. Selbst der Stellvertretende Minister für Hoch- und Fachschulwesen der DRV,
Hoang Xuan Tuy, dankte bei einer Reise in die DDR im Mai 1968 für die Hilfe bei der Aus-
104
Vgl. z.B. Fischer: Interpädagogische Beziehungen (Anm. 46), S. 14
105
Beispiele sind belegt in: Claus, Burghard; Taake, Hans-Helmut : Die Entwicklungspolitik der DDR ­ Ein
Rückblick., S. 245-259; In: Heyden, Ulrich van der; Schleicher, Ilona; Schleicher, Hans-Georg (Hrsg.): Die
DDR und Afrika. Zwischen Klassenkampf und neuem Denken. Hamburg 1993, S. 246f.
106
UA der TUD, Rektorat, 1969-1971, Nr. 67, Programm für die Arbeit mit den ausländischen Studierenden
an der Technischen Universität Dresden, S. 2
107
UA der TUD, DIB, 1969-1973, Nr. 587, Strategie der internationalen Beziehungen 1972, S. 4

33
bildung von Hochschulstudenten und Aspiranten, sowie der Unterstützung gegen die USA
und die geleistete wirtschaftliche Hilfe. Der Stellvertretende Minister versicherte, den Sozia-
lismus in der DRV durchzusetzen.
108
Die DDR hatte damit ihr Ziel erreicht. Die DRV war
moralisch und wirtschaftlich eng mit ihr verbunden, wenn nicht gar abhängig.
Öffentlich wurde das Engagement häufig folgendermaßen begründet: ,,Vietnams Kampf ist
unser Kampf, seine Leiden sind unsere Leiden. Sein Sieg wird unser Sieg sein. Darum ver-
stärken wir die Solidarität".
109
Solche Aussagen sollten m.E. an die moralische Verpflichtung
zur treuen Freundschaft appellieren. Gleichzeitig kann man m.E. auch Parallelen zu der Be-
ziehung der DDR mit der UdSSR ziehen. Bei der Gestaltung der internationalen Verbin-
dungen, besonders zu den sozialistischen Staaten, sollte und wollte die DDR stets auf die Er-
fahrungen der UdSSR zurückgreifen.
110
Im Gegenzug dazu findet sich stete Dankbarkeit der
DDR gegenüber der UdSSR: ,,Unvergessen bleibt auch für die Studenten die Befreiungstat
des Sowjetvolkes. Sie werden niemals vergessen, daß viele Helden des Großen Vaterlän-
dischen Krieges auch für ihr Leben im Sozialismus starben".
111
Ähnlich will nun auch die
DDR kämpferisch für andere Staaten einstehen. Somit griff die DDR m.E. auch in diesem
Bereich auf das Vorbild der UdSSR zurück und versuchte, bei Entwicklungsländern, wie
beispielsweise der DRV, in einer ähnlichen Rolle zu fungieren und den Platz des ,,großen
Bruders" einzunehmen.
Die konsequenten Bemühungen der DDR anerkennend, sahen viele Entwicklungsländer
wohl tatsächlich in ihr die Vorbildrolle. Sie erblickten in der Verbindung zur DDR, und durch
deren ,,allgemeinverständliche Erklärungen"
112
des Sozialismus, einen Ausweg aus der Unter-
dückung und den Auswirkungen der Kolonialzeit. Die DDR wollte diese Chance nutzen, Ver-
bindungen aufzubauen, denn der Marxismus/Leninismus (ML), war momentan ,,modern in
den Entwicklungsländern".
113
Das Knüpfen fruchtbarer Kontakte war mühevoll und kostspielig. Tatsächlich konnte aber
allmählich ein wachsender Einfluß ,,auf Bereiche des Bildungswesens in einer Reihe von Ent-
wicklungsländern"
114
festgestellt werden. Das Ziel der Politiker war die ,,Schaffung eines völ-
108
Vgl. Heidler, Max: Das Hochschulwesen der DRV., S. 424-426; In: Das Hoschulwesen, Heft 7/1968, S.
424/425
109
Osterland: An alle: Helft Vietnam.; In: UZ, Nr. 1/13.01.1967, S. 1
110
Vgl. UA der TUD, Rektorat, 11. Jan.-26. Juli 1971, Nr. 106, Direktive zum Teilplan ,,Internationale
Hochschulbeziehungen" 1972, S. 2
111
Wiesenmüller: Geschichte der FDJ-Grundorganisation (Anm. 1), S. 56
112
Fischer: Internationale pädagogische Beziehungen (Anm.46), S. 19
113
UA der TUD, DIB, 1967-1973, Nr. 602, Aktennotiz über die Teilnahme an der 2. Beratung des Komitees
für Angelegenheiten ausländischer Studierender im Studienjahr 1973/4, S. 2;
114
Fischer, Hans-Joachim: Internationale pädagogische Beziehungen und pädagpogische Auslansarbeit der
DDR. Paderborn 1975, S. 1

34
lig neuen, dem sozialistischen Wesens, eigenen Typs internationaler Beziehungen"
115
, was
sich in der Ausbildung der Studenten wiederspiegelte ­ zum einem vor Ort, zum anderen
durch Gaststudenten in der DDR.
Jedoch formulierte die DDR offiziell die Prämisse der Nichteinmischung in innere Ange-
legneheiten, sowie die Achtung von Souveränität und Gleichberechtigung.
116
Daher mußte sie
eine effektive, indirekte Art der Einflußnahme finden. Dies gelang durch die Ausbildung von
Studenten und Aspiranten ­ zukünftiger Eliten. Die DDR setzte dabei auf angehende Kräfte
im außenpolitischen Geschehen der jetzigen Entwicklungsländer
117
und richtete auch die Aus-
bildung der Studenten auf Zukünftiges, indem sie die gleichen Anforderungen wie ihre DDR-
Kommilitonern erfüllen mußten. Sie studierten nach dem Studienplan des DDR-Studiums,
auch wenn dies gegebenenfalls nicht den momentanen Erfordernissen des jeweiligen Heimat-
landes entsprach. Es sollte eine Vorbereitung auf die Zukunft sein.
Gleichzeitig sah sich die DDR in einer missionarischen Aufgabe: ,,Unsere ausländischen
Studenten müssen wir zu einem richtigen Verhältnis zur Arbeit, zu Studium, zu gesellschaft-
lichen Eigentum sowie zu gewissen hygienischen Gewohnheiten erziehen".
118
Sie müsse so
für die komplette Erziehung der ausländischen Studenten sorgen und sozusagen eine Eltern-
Kind-Beziehung aufbauen, aus der dem Kind die zukünftige Aufgabe erwächst, später die
Wünsche und Hoffnungen der Eltern zu erfüllen und auch für sie zu sorgen. Hier wird die
Sicht der DDR über ihre Stellung gegenüber den Entwicklungsländern m.E. klar ausgedrückt.
Die DDR sei ,,aufgrund des hohen Standes von Wissenschaft und Technik und in Überein-
stimmung mit der Politik unserer Partei und Regierung verpflichtet, die befreundeten sozia-
listischen Länder bei der Ausbildung hochqualifizierter Kader, die dringend für den Aufbau
des Sozialismus benötigt werden, zu unterstützen."
119
Im Gegenzug für ihre ,,Aufopferung"
erhielt sie die Loyalität der Absolventen,
120
welche in ihren Heimatländern wichtige Posten
115
Quilitzschar: Umgestaltung der internationalen Beziehungen (Anm. 92), S. 11
116
Vgl. Kröger, Herbert; Seidel, Frank: Freundschaftsverträge ­ Verträge des Sozialismus. Berlin 1979, S. 46
117
Vgl. Skorow, Georgi: Wissenschaftlich-technischer Fortschritt und soziale Orientierung., S. 219-234; In:
Gesellschaftswissenschaften, Heft 1/1976, S. 219
118
Pàlinksy, O.: zur Vorbereitung von Studenten aus Entwicklungsländern auf ein Hochschulstudium., S. 55-
58; In: Schiller, Karl-Heinz: Vorbereitung auf ein Auslandstudium. Spezielle Probleme der kommunisti-
schen Erzie-hung. Halle 1987, S. 56
119
UA der TUD, Prorektorat für Studienangelegenheiten, Nr. 46, Richtlinie des Staatssekretariats für das
Hoch- und Fachschulwesen über die Zulassung und Betreuung ausländischer Studierender an den Universi-
täten und Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik vom 13.05.1958, S. 1
120
Diese wurden in Form von Dankesschreiben und Treueschwüren mit stets ähnlichem Inhalt gegeben, wie
beispielsweise von J.M. aus dem KoN. : ,,Mögen die kommunistischen Ideen immer mehr rasch und rasch
die ganze Welt erobern,... denn die kommunistische Überzeugung ist die höchste, sauberste und fortschritt-
lichste Überzeugung, die man gerecht und zweckmäßig gewinnen und vertreten kann". UA der TUD,
FDGB, Nr. 4642, unpag. Schreiben vom 24.08.1972

35
begleiteten und teilweise so schon während ihres Studiums Kontakte herstellen und zwischen
Institutionen vermitteln konnten.
121
Damit wichtige Kontakte vorbereitet werden konnten, wurden konkrete Länder- und Na-
tionalitätenanalysen angefertigt. Diese waren wichtig, um die internationale Lage und den ei-
genen Stand im internationalen System besser beurteilen zu können.
122
Auch dienten die Ana-
lysen dazu, auf die jeweiligen Studenten gezielt eingehen zu können ­ einerseits, um ihren
Aufenthalt angenehm und effektiv zu gestalten, andererseits dienten sie auch der DDR. So
wurde beispielsweise durch den Beschluß des Ministerrates der DDR vom 31. März 1966
dem zentralen staatlichen Organen die Aufgabe gestellt, durch mögliche Nachkontakte ,,zur
Erhöhung der Wirksamkeit der außenpolitischen, außenwirtschaftlichen und auslandsinfor-
matorischen Bestrebungen der DDR systematisch"
123
beizutragen, wofür Kenntnisse über Re-
gionen, Organisationen und Staaten notwendig waren.
Die DDR brauchte den internationalen Vergleich bezüglich der Ausbildung zur Selbstdefi-
nition und um den Bedarf an wissenschaftlichem Personal und Studenten sowie der Ausbil-
dungsweise festzulegen. Daher wurde auch bei der Bildung stets zur Leistungssteigerung auf-
gerufen. Ende der siebziger Jahre nahm jedoch bei den DDR-Studenten das Interesse zur fa-
kultativer Beschäftigung mit Fachproblemen und selbständiges Arbeiten, laut einer Intervall-
studie von 1979, immer weiter ab.
124
Dies lag m.E. an der Form der Studienzuweisung, der
Gestaltung eines Schulstundenplanes und der geregelten und bekannten Arbeitssituation nach
Beendigung des Studiums. Diese Gegebenheiten trafen auch für ausländische Studenten zu,
allerdings folgte bei den vietnamesischen Studenten keine Abnahme der Leistungen.
Die DDR war scheinbar relativ unabhäng von der UdSSR in vielen Entscheidungen, die
die Entwicklungsländer betrafen und handelte diesbezüglich recht selbstständig.
125
Während
die UdSSR in der Mitte der siebziger Jahre eine zunehmend ,,resolutere" Politik gegenüber
der SRV und Entwicklungsländern anwandte,
126
ließ m.E. auch in der DDR, eventuell auch
wegen der erfolgten Anerkennungen, das starke Engagement etwas nach.
121
Vermittelte Kontakte sind in den Unterlagen des UA der TUD, Büro des Rektors 1974-1981, Nr. 288
122
Vgl. Wolter, Werner: Die langfristige Vorausbestimmung der Ausbildungsleistungen des Hoch- und Fach-
schulwesens in der DDR. Theoretische und methodologische Fragen. Berlin 1977, S. 123-124
123
UA der TUD, DIB, 1939-1972, Nr. 539, Richtlinie zur Vorbereitung von Nachkontakten mit ausländischen
Studierenden an Universitäten, Hoch- und Fachschulen der DDR" vom Komitee für Angelegenheiten aus-
ländischer Studierender in der DDR vom 24.2.1969, Vertrauliche Dienstsache, S. 1
124
Vgl. Fuchs, Hans-Jürgen; Petermann, Eberhard: Bildungspolitik in der DDR 1966-1990. Berlin 1991, S.
145f.
125
Vgl. Dasbach-Mallinckrodt, Anita: Wer macht die Außenpolitik der DDR? Apparat, Methoden, Ziele.
Düsseldorf 1972, S. 18
126
Vgl. Gaiduk, Ilya V.: The Soviet Union and the Vietnam War. Chicago 1996, S. 250

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783836603089
DOI
10.3239/9783836603089
Dateigröße
1014 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden – Philosophische Fakultät, Geschichte
Erscheinungsdatum
2007 (Mai)
Note
1,3
Schlagworte
deutschland studium dresden studierende internationale beziehungen staatsverträge
Zurück

Titel: Zum Studium in der DDR
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
165 Seiten
Cookie-Einstellungen