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Der deutsche Hörfunk als Feld der kulturellen Produktion

©2006 Bachelorarbeit 77 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Jeder Hörfunk-Sender hat eine andere Auffassung und Gewichtung der in der Radiolandschaft allgemein anerkannten Werte des Hörfunks. Um diese Radiolandschaft verstehen zu wollen, ist es daher notwendig, gerade diese Werte des Hörfunknetzes näher zu untersuchen, um so die unterschiedlichen Positionen der einzelnen Sender im gesamten Netz bestimmen und erklären zu können.
In seinem Werk Die Regeln der Kunst setzt sich der französische Soziologe Pierre Bourdieu mit den Produzenten von kulturellen Produkten auseinander. Dabei untersucht er die Produzenten von französischer Literatur und entwickelt so eine Theorie, mit der er versucht auch „für die Gesamtheit der Felder der kulturellen Produktion gültige Sätze abzuleiten.“ Obwohl Die Regeln der Kunst hauptssächlich das Feld literarischer Produktion untersucht, kann der theoretische Ansatz also durchaus als eine Art ‘theoretischer Baukasten’ für alle Produzenten von kulturellen Produkten verstanden werden.
Das spiegelt sich auch in der für Bourdieu typischen Arbeitsweise wieder. So äußert er sich dazu in einem bereits 1991 geführten Interview: „Mit meiner Analyse eines historischen Falls liefere ich ein Programm für andere empirische Analysen unter anderen Verhältnissen als den von mir untersuchten. Sie ist eine Aufforderung zur schöpferischen Lektüre und zur theoretischen Induktion, die von einem gut konstruierten besonderen Fall ausgehend verallgemeinert.“ Genau solch eine Analyse soll nun am Fall des deutschen Hörfunks stattfinden.
Hierbei soll Bourdieus Feldtheorie für kulturelle Produzenten angewendet werden, um den deutschen Hörfunk als Feld der kulturellen Produktion zu konstruieren und dabei zu untersuchen. Ziel ist es, neben einer Bestätigung der bourdieuschen Theorie, die gültigen Grundsätze bzw. Werte des Feldes zu bestimmen, nach denen sich alle Hörfunk-Sender in Deutschland richten müssen bzw. von denen ihre Existenz abhängt. Außerdem soll untersucht werden, wie sich die Relevanz der einzelnen Werte bei den verschiedenen Arten von Hörfunk-Sendern unterscheidet, damit sie dann in einem Feld positioniert und somit in Verhältnis gebracht werden können.
Diese Arbeit gliedert sich in drei aufeinander aufbauende Teile. Der erste Abschnitt hat einführenden Charakter und macht mit der bourdieuschen Feldtheorie vertraut. Hier werden alle relevanten Elemente eines Feldes aufgearbeitet und bei einer abschließenden Konstruktion des Feldes der kulturellen Produktion […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Friso Richter
Der deutsche Hörfunk als Feld der kulturellen Produktion
ISBN: 978-3-8366-0283-9
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Bauhaus-Universität Weimar, Weimar, Deutschland, Bachelorarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis II
Abkürzungsverzeichnis
III
1
Einleitung
1
1.1 Problemstellung
1
1.2 Gang der Untersuchung
2
2
Die
Theorie
des
Feldes
4
2.1 Der Habitus
4
2.2 Das (soziale) Feld
6
2.3 Die Kapitalformen
9
2.4 Die Klassen
1
2
2.5 Das Feld der kulturellen Produktion im Feld der Macht
16
3 Die Konstruktion des deutschen Hörfunk-Feldes
20
3.1 Genese und Position als Massenmedium im Feld der kulturellen Produktion
21
3.1.1 Die Erfindung des Mediums Hörfunk
23
3.1.2 Die Entstehung des Hörfunks in Deutschland
24
3.2 Autonomie und Kapitalformen des Feldes
27
3.2.1 Die Autonomie
28
3.2.2 Das ökonomische Kapital
29
3.2.3 Das spezifische symbolische Kapital der Unterhaltung
31
3.2.4 Das spezifische symbolische Kapital der Aktualität
34
4 Die Akteure im Feld des deutschen Hörfunks
36
4.1 Die Anstalten des öffentlichen Rechts
37
4.2 Die privaten Hörfunksender
42
4.3 Das Deutschlandradio
49
4.4 Die Bürgerradios
54
4.5 Die Internetradios und Podcasts
57
5 Fazit
63
Literaturverzeichnis
IV

II
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abb. 1 Das Modell des Sozialraumes
13
Abb. 2 Die drei großen sozialen Klassen im Modell
15
Abb. 3 Das Feld der kulturellen Produktion im Feld der Macht
17
Abb. 4 Die Position des deutschen Hörfunk-Feldes
22
Abb. 5 Rundfunkteilnehmer 1924-1932
26
Abb. 6 Das Feld des deutschen Hörfunks im Modell
28
Abb. 7 Die Gruppe der Öffentlich-rechtlichen im Feld des deutschen Hörfunks
41
Abb. 8 Die Gruppe der Privatsender im Feld des deutschen Hörfunks
47
Abb. 9 Die Deutschlandradio-Gruppe im Feld des deutschen Hörfunks
52
Abb.10 Die Gruppe der Bürgerradios im Feld des deutschen Hörfunks
56
Abb.11 Internetradios und Podcasts im Feld des deutschen Hörfunks
60

III
Abkürzungsverzeichnis
ARD
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
der
Bundesrepublik
Deutschland
AUTON Autonomiegrad
BR
Gruppe der Bürgerradios
DR
Deutschlandradio-Gruppe
DS Kultur
Deutschlandsender Kultur
E-Musik Ernste
Musik
GG
Grundgesetz
HR
Hessischer
Rundfunk
IP
Gruppe der Internetradios und Podcasts
KK
Kulturelles
Kapital
MA
Media-Analyse
MDR
Mitteldeutscher Rundfunk
Mhz
Megahertz
NDR
Norddeutscher
Rundfunk
NWDR Nordwestdeutscher
Rundfunk
ÖK
Ökonomisches Kapital
ÖR
Gruppe der öffentlich-rechtlichen Anstalten
PR
Gruppe der privaten Hörfunksender
RB
Radio
Bremen
RBB
Rundfunk
Berlin-Brandenburg
RIAS
Rundfunk im amerikanischen Sektor
RSS
Really Simple Syndication
RStV
Rundfunkstaatsvertrag
SDR
Süddeutscher
Rundfunk
SR
Saarländischer
Rundfunk
SSK
Spezifisches symbolisches Kapital
SWR
Südwestfunk
U-Musik Unterhaltungsmusik
UKW
Ultrakurzwelle
WDR
Westdeutscher Rundfunk

1
1 Einleitung
,,Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin Vox-Haus auf der Welle 400 Meter.
Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, daß am heutigen Tag
der Unterhaltungs-Rundfunk-Dienst mit der Verbreitung von Musikvorführungen auf
drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig. Hören
Sie ein Eröffnungskonzert, ein Cello-Solo mit Klavierbegleitung Andantino von Kreis-
ler, gespielt von Herrn Kapellmeister Otto Urack und Fritz Goldschmidt."
Mit dieser Ansage des Sprechers Friedrich Georg Knöpfke begann am 29. Oktober 1923
um 20 Uhr der offizielle Hörfunk in Deutschland.
1
Von diesem Zeitpunkt an entwickel-
te sich das Radio bis heute zu dem meistgenutzten Medium in Deutschland. So hörten
bei der letzten Media-Analyse im Winter 2005/2006 79,3 Prozent aller Deutschen ab
14 Jahre täglich Radio, wobei die durchschnittliche Hördauer täglich 3 Stunden und 15
Minuten betrug.
2
Seit dem über 80-jährigen Bestehen des deutschen Hörfunks, entwickelte sich aus dem
damals ersten Sender im Berliner Vox-Haus bis heute eine ganze Radiolandschaft, die
aus einer Vielzahl von verschiedensten Sendern und Programmen besteht. Diese gren-
zen sich sowohl regional, als auch inhaltlich voneinander ab.
Von Anfang an verstand sich der Hörfunk als Vermittler und vor allem Produzent von
kulturellen Inhalten
3
, was ihm auch spätestens durch den Rundfunkstaatsvertrag (RStV)
vom 31. August 1991, rechtlich vorgeschrieben wurde. Unter § 2 wird der Hörfunk als
ein Medium definiert, ,,[...] in welchem Information, Bildung, Beratung und Unterhal-
tung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden."
4
1.1 Problemstellung
Jeder Hörfunk-Sender hat eine andere Auffassung und Gewichtung der in der Radio-
landschaft allgemein anerkannten Werte des Hörfunks. Um diese Radiolandschaft
verstehen zu wollen, ist es daher notwendig, gerade diese Werte des Hörfunknetzes
näher zu untersuchen, um so die unterschiedlichen Positionen der einzelnen Sender
im gesamten Netz bestimmen und erklären zu können.
1
Vgl. Arnold (1999): S. 53
2
Vgl. Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. (2006): S. 1
3
Vgl. Maaßen (1996): S. 57
4
Ministerpräsidenten der Länder (1991): S. 10

2
In seinem Werk Die Regeln der Kunst (Originaltitel: Les règles de l' art) setzt sich der
französische Soziologe Pierre Bourdieu mit den Produzenten von kulturellen Produkten
auseinander. Dabei untersucht er die Produzenten von französischer Literatur und ent-
wickelt so eine Theorie, mit der er versucht auch ,,[...] für die Gesamtheit der Felder der
kulturellen Produktion gültige Sätze abzuleiten."
5
Obwohl Die Regeln der Kunst hauptsächlich das Feld literarischer Produktion unter-
sucht, kann der theoretische Ansatz also durchaus als eine Art `theoretischer Baukasten'
für alle Produzenten von kulturellen Produkten verstanden werden. Das spiegelt sich
auch in der für Bourdieu typischen Arbeitsweise wieder. So äußert er sich dazu in einem
bereits 1991 geführten Interview : ,,Mit meiner Analyse eines historischen Falls liefere
ich ein Programm für andere empirische Analysen unter anderen Verhältnissen als den
von mir untersuchten. Sie ist eine Aufforderung zur schöpferischen Lektüre und zur
theoretischen Induktion, die von einem gut konstruierten besonderen Fall ausgehend
verallgemeinert."
6
Genau solch eine Analyse soll nun am Fall des deutschen Hörfunks
stattfinden. Hierbei soll Bourdieus Feldtheorie für kulturelle Produzenten angewendet
werden, um den deutschen Hörfunk als Feld der kulturellen Produktion zu konstruieren
und dabei zu untersuchen. Ziel ist es, neben einer Bestätigung der bourdieuschen Theo-
rie, die gültigen Grundsätze bzw. Werte des Feldes zu bestimmen, nach denen sich alle
Hörfunk-Sender in Deutschland richten müssen bzw. von denen ihre Existenz abhängt.
Außerdem soll untersucht werden, wie sich die Relevanz der einzelnen Werte bei den
verschiedenen Arten von Hörfunk-Sendern unterscheidet, damit sie dann in einem Feld
positioniert und somit in Verhältnis gebracht werden können.
1.2 Gang der Untersuchung
Diese Arbeit gliedert sich in drei aufeinander aufbauende Teile. Der erste Abschnitt
hat einführenden Charakter und soll mit der bourdieuschen Feldtheorie vertraut machen.
Hier werden alle relevanten Elemente eines Feldes aufgearbeitet und bei einer ab-
schließenden Konstruktion des Feldes der kulturellen Produktion miteinander in
Verbindung gebracht. Mit diesem `theoretischen Baukasten' soll dann im zweiten
Teil der Arbeit das Feld des deutschen Hörfunks, als Feld der kulturellen Produktion
konstruiert und in das Feld der kulturellen Produktion implementiert werden.
5
Bourdieu (1999): S. 340
6
Bourdieu/Chamboredon/Passeron (1991): S. 278

3
Hierbei wird vor allem die Bestimmung der bereits angesprochenen Werte eine wichtige
Rolle spielen, die sich in Bourdieus Feldtheorie als unterschiedliche Kapitalformen
wiederfinden. So können dann in dem dritten Teil die verschiedenen Gruppierungen
des deutschen Hörfunks (die Anstalten des öffentlichen Rechts, die privaten Hörfunk-
sender, die Sender der Deutschen Welle, die Bürgerfunksender, die Internetradios und
Podcastings) als Akteure bzw. Akteursgruppen des Feldes positioniert werden.
Obwohl mit dieser Arbeit die heutige Situation des deutschen Hörfunks dargestellt
werden soll, wird dabei auch ein besonderer Fokus auf die geschichtlichen und recht-
lichen Hintergründe des Hörfunks gelegt werden. Gerade diese Herangehensweise soll
dazu dienen, die heutige Position der einzelnen Akteure im Feld des deutschen Hör-
funks zu bestimmen und auch zu erklären.
In einem abschließenden Fazit werden dann die erarbeiteten Ergebnisse noch einmal
zusammenfassend vorgestellt und die Erfüllung der Eingangs formulierten Ziele dabei
überprüft.

4
2 Die Theorie des Feldes
Der Soziologe Pierre Bourdieu (* 1930, + 2002) hat im Laufe seiner mehr als vier
Jahrzehnte andauernden Forschungstätigkeit ein Werk vorgelegt, das nicht allein durch
seinem erstaunlichen Umfang (ca. dreißig Bücher, mehr als zweihundert Aufsätze und
Vorträge, ungezählte Interviews), sondern auch durch seine thematische Vielfalt beein-
druckend ist.
7
Gerade diese Vielfalt macht Bourdieu über den Bereich der Soziologie
hinaus interessant, weshalb seine Arbeiten auch in anderen Fachwissenschaften (Ge-
schichte, Erziehungswissenschaften, Literaturwissenschaften, Philosophie) und auch
von einer breiten, an soziopolitischen Fragestellungen interessierten Öffentlichkeit zur
Kenntnis genommen werden.
Das weite Spektrum seiner theoretischen Arbeit lässt sich zum einen auf die Vielfalt
seiner wissenschaftlichen und intellektuellen Betätigungsfelder zurückführen, zum
anderen aber auch auf eine von ihm entwickelte Sozial-Theorie, die sich auf nahezu
alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens anwenden lässt: die Feld-Theorie.
8
Mit Hilfe dieser Theorie untersuchte Bourdieu u.a. bereits den Bereich der Schule,
der Wissenschaft, der Philosophie, der Mode, der Politik, der Ökonomie, der Kunst,
der Literatur und sogar den des Eigenheims.
9
Seine Feld-Theorie basiert dabei hauptsächlich auf vier von ihm bereits im Vorfeld
geprägten Begriffen: dem des Feldes bzw. sozialen Feldes, dem des Kapitals, dem der
Klassen und vor allem dem des Habitus.
2.1 Der Habitus
Das bekannteste Konzept Bourdieus ist das des Habitus. Der Begriff der Hexis (griech.)
bzw. des Habitus (lat.) ist aristotelisch-thomistischer Herkunft und bedeutet in seiner
Übersetzung: (erworbene) Haltung, Habe bzw. Gehabe.
10
Bereits viele philosophische
und soziologische Autoren wie Blaise Pascal, Max Weber, Marcel Mauss, Emil Durk-
heim oder Edmund Husserl, auf die Bourdieu z.T. Bezug nimmt, verwendeten den
Habitus-Begriff in ihren Schriften.
11
7
Vgl. Schwingel (1995): S. 7
8
Vgl. ebenda, S. 10
9
Vgl. Diaz-Bone (2002): S. 43
10
Vgl. Fröhlich (1994): S. 38
11
Vgl. Bohn/Hahn (1999): S. 257 f.

5
Die zentrale Bedeutung des Habitus für das Soziale steht spätestens seit David Hume
fest: sie bildet die Grundlage für eine Gesellschaftstheorie, die nicht auf extrasoziolo-
gische Annahmen nach Bedürfnissen oder menschlichen Trieben basiert, sondern
menschliches Handeln auf menschliches Handeln zurückführt. Es geht also um mensch-
liche Gewohnheiten, die sich in einem Habitus durch Erfahrungen einschreiben, wobei
das soziales Umfeld des Menschen eine große Rolle spielt.
12
Der Mensch ist somit für Bourdieu kein völlig freies Subjekt, sondern ein gesellschaft-
lich geprägter Akteur, der mit systematisch strukturierten Anlagen ausgestattet ist.
Der Habitus setzt sich dabei aus Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata
zusammen, die auf früheren Erfahrungen basieren, wodurch diese stets aktiv und unbe-
wusst präsent sind. So bestimmt der Habitus, wie ein Akteur seine Umwelt sensuell
wahrnimmt, welche Alltagstheorien, Klassifikationsmuster, ethische Normen und
ästhetische Maßstäbe er vertritt und welche individuellen und kollektiven Praktiken
er hervorbringt. Geprägt wird dieser habituelle Steuerungsmechanismus durch die
spezifische Position, die der betreffende Akteur oder auch eine Gruppe von Akteuren
innerhalb einer sozialen Struktur einnimmt. Der Habitus verinnerlicht die äußeren
gesellschaftlichen (materiellen und kulturellen) Bedingungen des Lebens und konstru-
iert daraus seine Regeln bzw. Handlungsschemata. Dabei wird der Akteur allerdings
nicht vollständig determiniert. So ist ihm seine Handlungsfreiheit, aber auf die ihm
zustehenden Möglichkeiten, die sich aus seiner Position innerhalb der sozialen Struktur
ergeben, zwar vorgeschrieben; innerhalb des sich daraus ergebenden Handlungsspiel-
raumes besitzt der Akteur aber trotzdem seine eigene Autonomie.
13
Um sich der von
Bourdieu oft verwendeten Spielmetapher zu bedienen, gibt der Habitus die möglichen
Spielzüge vor, während sich der Akteur frei für einen der Züge entscheiden kann.
Der Habitus fungiert für Bourdieu also als ein System von Grenzen, das die Wahr-
nehmung, Gedanken, Vorstellungen und auch das praktisches Handeln eines Akteurs
einschränkt und ihn dadurch zwar in einem gewissen Umfang berechenbar, aber nicht
vollständig durchschaubar macht: ,,Wer den Habitus einer Person kennt, der spürt oder
weiß intuitiv, welches Verhalten dieser Person verwehrt ist. [...] Wer z.B. über einen
kleinbürgerlichen Habitus verfügt, der hat eben auch, wie Marx einmal sagt, Grenzen
seines Hirns, die er nicht überschreiten kann. [...]
12
Vgl. Knoblauch (2003): S. 188 f.
13
Vgl. Tieben (2003): [www]

6
Aber innerhalb dieser seiner Grenzen ist er durchaus erfinderisch, sind seine Reaktionen
keineswegs immer schon im voraus bekannt."
14
Insgesamt ist der Habitus als ein wachsendes System zu verstehen, das sich systema-
tisch mit der Biographie des dazugehörigen Akteurs entwickelt. Hierbei spielt vor allem
die Kindheit eine große Rolle, da in dem Zeitraum die wichtigsten Grundregeln erlernt
werden. So versucht ein Mensch schon im Kindesalter die wesentlich mächtigeren und
handlungsfähigeren Erwachsenen nachzuahmen. Im praktischen Umgang lernt er so die
Konstruktionsregeln der Dinge und die Grundmuster der Kommunikation kennen, die in
seiner Familie und Kultur gebräuchlich sind. Der in der Familie erzeugte Grundhabitus
wird durch alle späteren Erziehungsmaßnahmen nur noch modifiziert, denn er enthält
bereits die Transformationsregeln für mögliche Veränderungen.
15
Somit bestimmt also
die soziale Umgebung, in die ein Akteur hineingeboren wird, von vornherein die Posi-
tion, die er während seines gesamten Lebens einnehmen wird. Der Habitus und sein
Akteur sind also abhängig von der jeweiligen sozialen Struktur. Diese Struktur bezeich-
net Bourdieu als das soziale Feld.
2.2 Das (soziale) Feld
Ein Begriff, dem dieselbe hohe Stellung in der bourdieuschen Theorie zukommt
wie dem Habitus-Begriff, ist der Begriff des Feldes. Dabei handelt es sich um ein
analytisches Konzept, das Bourdieu in der kritischen Rezeption der weberschen
Religionssoziologie entwickelt hat, um solche Bereiche zu beschreiben, die eine
soziale Eigengesetzlichkeit bzw. Autonomie im sozialen Raum entwickelt haben.
16
Der soziale Raum fungiert bei diesem Konzept als eine Art Basis, in der andere
Räume in Form von Feldern entstehen können. Grundsätzlich ist der soziale Raum
dabei bereits als ein eigenes Feld zu sehen, da er eine erste autonome Abgrenzung
zu anderen Gebieten verkörpert.
Bourdieu bezeichnet den sozialen Raum auch als nationalen sozialen Raum, womit
er den autonomen Raum eines Landes und seiner Akteure meint.
17
Damit erfolgt also
eine erste Abgrenzung von der Gesamtheit aller Akteure auf der Welt.
14
Bourdieu (1997): S. 33
15
Vgl. o.V. (1988): S. 9
16
Vgl. Diaz-Bone (2002): S. 43
17
Vgl. Bourdieu (1999): S. 203

7
Wie bereits erwähnt kann seine Theorie aber auch hier als `Baukasten' verstanden
werden, so kann z.B. auch die Gesamtheit aller Nationen als sozialer Raum gewählt
werden. Es geht bei der Definition eines sozialen Raumes grundsätzlich darum, eine
Gruppe bzw. ein Gebiet mit Akteuren festzulegen, dem ,,bestimmte Unterscheidungs-
bzw. Verteilungsprinzipien zugrunde liegen; und zwar die Gesamtheit der Eigen-
schaften (bzw. Merkmale), die innerhalb eines fraglichen sozialen Universums wirksam
sind, das heißt ihrem Träger Stärke bzw. Macht verleihen."
18
Ein solcher sozialer Raum beinhaltet nun ineinander verschachtelte Teil-Räume, die
sogenannten Felder, die wie der soziale Raum selber ,,historisch konstituierte Spiel-
räume mit ihren spezifischen Institutionen und je eigenen Funktionsgesetzten"
19
sind.
Da jedes Feld jeweils seine eigenen `Spielregeln' hat, ist es von dem ihm umgebenden
Feld weitestgehend autonom. Für Bourdieu lässt sich solch ein Feld tatsächlich mit
einem Spiel vergleichen, obwohl es im Vergleich zum Spiel kein Produkt einer be-
wussten Schöpfung ist.
20
Ein wichtiges Merkmal von einem Feld ist, dass dort die ihm zugehörigen Akteure eine
Art Kampf um das in ihm enthaltene Kapital führen. Bourdieu nennt das den `Spielein-
satz'.
21
Während die Spieler bzw. Akteure nun um diesen Einsatz kämpfen, folgen sie
dabei nahezu unbewusst den gleichen Spielregeln. Diese sind vergleichbar mit den
bereits besprochenen Regeln die ein Habitus konstruiert, da er diese von denen des
Feldes abhängig macht. Denn wenn ein Akteur an einem Feld teilnehmen will bzw. ihm
zugehörig sein will, muss er auch die dort herrschenden Regeln beachten. Auch hier ist
wieder der Vergleich mit einem Spiel hilfreich, denn wenn ein Spieler die grundlegen-
den Spielregeln nicht beachtet, indem er z.B. mogelt, so wird er relativ schnell von dem
Spiel ausgeschlossen, da die anderen Spieler kein Interesse mehr haben, mit ihm zu
spielen. Wenn man also in einem Feld `mitspielen' will, muss man auch die Regeln
beachten. Dies ist vor allem wichtig, da alles, was in dem jeweiligen Feld von kapitaler
Bedeutung ist, seinen Wert erst durch die ihm zugrunde liegenden Regeln erhält.
Bourdieu nennt diese Regeln Illusio. Damit spielt er darauf an, dass die Grundspiel-
regeln eines Feldes den Akteuren unbewusst eingeschrieben sind, was auch auf den
Habitus zurückzuführen ist. Dieser gibt dem Akteur die möglichen Spielzüge vor, ohne
dass dieser sich dessen bewusst ist.
18
Bourdieu (1991): S. 9
19
Bourdieu (1992): S. 111
20
Vgl. Bourdieu/Waquant (1996): S. 127
21
Vgl. Bourdieu (1999): S. 270

8
Das führt dazu, dass z.B. das Wertesystem, das einem Feld zugrunde liegt, für den
Akteur nicht mehr nachvollziehbar wird.
22
Als Beispiel bezieht sich Bourdieu hier auf
Kunstwerke, bei denen es für Außenstehenden kaum möglich ist oftmals hohe Preise
für ein Werk nachzuvollziehen, da sie oft von dem jeweiligen Materialwert ausgehen.
Aber innerhalb des Feldes der Kunst in dem solche Werke produziert werden, akzep-
tieren die darin integrierten Akteure die hohen Werte, da sie sich nahezu der Illusio
ergeben, auf die jene Werte basieren.
23
Nur indem die Akteure also die Spielregeln befolgen (wenn auch unbewusst), können
Sie auch um die darin enthaltenen Kapitalien kämpfen, da sich diesen erst in dem spezi-
fischen Feld und dessen Regeln der jeweilige Wert einschreibt. Zwar gibt es einige
nahezu allgemeingültige Kapitalien, wie z.B. Geld, aber auch diese sind in den Grund-
regeln eines Feldes verankert.
Ein Feld ist als ein soziales Kräftefeld zu sehen, indem durch den Kampf um Kapitalien
bestimmte Positionen eingenommen und verteidigt werden. Diese Positionen bzw. Ver-
teilungsverhältnisse der Kapitalien spiegeln die Machtstruktur im Feld wieder. In dem
Maße, in dem die Kapitalien in dem Feld zur Wirkung gebracht werden und damit die
legitimen Machtstellungen ausgewiesen werden, erscheinen die Kapitalien als Form des
legitimen Kapitals.
24
Felder sind außerdem Produktionsfelder, in denen ein materielles oder symbolische Gut
produziert wird, um deren exklusive Produktion sich die jeweiligen Akteure bemühen.
Dabei spielen Professionalisierung und die Ausbildung von fachspezifischen Berufen,
Ausschließungsmechanismen und andere Strategien eine Rolle, damit nur in dem jewei-
ligen Feld die Produktion eines bestimmten Guts durch eine bestimmte Qualitätsform
gesichert und legitimatisiert wird (wie z.B. der `künstlerische Wert' im Feld der Kunst).
Der Kampf um die Konkurrenz im Feld selber findet nicht nur um scheinbar objektive
Kapitalien statt, gekämpft wird auch um die Durchsetzung von bestimmten Sichtweisen,
Klassifikationen und Denkformen. Dabei neigen die, die eine Kapitalform eines Feldes
monopolisieren können, zu Strategien des Machterhalts und vertreten orthodoxe Posi-
tionen. Diejenigen Akteure, die weniger erfolgreich bei der Generierung von Kapital
sind, neigen zu Umsturzstrategien und vertreten dabei oftmals genau entgegengesetzte
Positionen, was die Monopolisten dazu zwingt ihre Orthodoxie zu verteidigen.
25
22
Vgl. ebenda, S. 271
23
Vgl. ebenda, S. 273
24
Vgl. Diaz-Bone (2002): S. 44
25
Vgl. ebenda, S. 45

9
Das führt insgesamt zu einer wachsenden Ausdifferenzierung des Feldes, da sich die
Positionen der Akteure stets weiter voneinander abgrenzen und der Kampf um die ver-
schiedenen spezifischen Kapitalformen dadurch immer weiter zunimmt.
2.3 Die Kapitalformen
Der Begriff des Kapitals ist ein weiterer zentraler Bestandteil der soziologischen Feld-
Theorie von Bourdieu, wobei er mit den Begriffen des Habitus und vor allem des
(sozialen) Feldes eng verknüpft ist. Man kann sagen, dass Feld und Kapital sich in
einer gewissen Weise wechselseitig definieren und deshalb auch zusammengehören.
Die verschiedenen, analytisch und begrifflich unterscheidbaren Kapitalformen stellen
nämlich das theoretische Kriterium zur Differenzierung der einzelnen spezifischen
Felder dar.
26
Sie sind in den jeweiligen Grundregeln eines Feldes verankert und be-
stimmen diese in gewisser Weise mit. Je nachdem wie ein Akteur innerhalb eines
solchen spezifischen Kapitals über die relevanten Kapitalformen verfügen kann,
verhalten sich dazu auch seine Handlungs- und Profitchancen: ,,Gleich Trümpfen in
einem Kartenspiel, determiniert eine bestimmte Kapitalsorte die Profitchancen im ent-
sprechenden Feld (faktisch korrespondiert jedem Feld oder Teilfeld die Kapitalsorte,
die in ihm als Machtmittel und Einsatz im Spiel ist)."
27
Dieser Definition zufolge stellen
die verschiedenen Formen von Kapital also Einsätze dar, die in den sozialen Feldern
sozusagen `auf dem Spiel stehen' und um die sich die Akteure bei ihrem Kampf um
unterschiedliche Machtpositionen streiten müssen. Bourdieu unterscheidet dabei mehre-
re Arten solcher Einsätze. Die wichtigsten dieser Kapitalformen sind das ökonomische,
das kulturelle, das soziale und das symbolische Kapital:
28
Ökonomisches Kapital: Es stellt für Bourdieu die bedeutenste Form des Kapitals dar. Im
Gegensatz zu Karl Marx, versteht er darunter nicht nur den Besitz von Produktions-
mitteln, sondern alle Formen des materiellen Reichtums.
29
Weiterhin ist es ,,unmittelbar
und direkt in Geld konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in
der Form des Eigentumsrechts."
30
26
Vgl. Schwingel (1995): S. 80
27
Vgl. Bourdieu (1991): S. 10
28
Vgl. Schwingel (1995): S. 81
29
Vgl. Bohn/Hahn (1999): S. 263
30
Bourdieu (1991): S. 185

10
Kulturelles Kapital: Diese Kapitalform besitzt, obwohl sie unter bestimmten Bedingun-
gen wiederum in ökonomisches Kapital transformiert werden kann, eine gewisse
kulturelle Eigenlogik, die sich von der Logik des materiellen Reichtums deutlich
unterscheidet. Bourdieu unterscheidet dabei drei Zustände des kulturellen Kapitals:
a) Kulturelles Kapital in objektiviertem Zustand liegt beispielsweise in Form von
Büchern, Gemälden, Kunstwerken, Maschinen oder technischen Instrumenten vor.
Der Unterschied zwischen dieser Form des kulturellen zum ökonomischen Kapital
ist hierbei noch nicht so deutlich zu erkennen, da alle erwähnten Objekte auch einen
materiellen Wert haben. Sie haben also einen ökonomischen Preis und sind somit mehr
oder weniger in Geld umtauschbar bzw. mit Geld bezahlbar.
b) Liegt kulturelles Kapital hingegen in inkorporiertem Zustand vor, so ist seine Eigen-
ständigkeit bereits klar erkennbar. In dieser Form meint der Begriff nämlich sämtliche
kulturellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensformen, die man durch Bildung erwer-
ben kann. Hierbei ist unter Bildung nicht nur die schulisch-akademische Weise, sondern
Bildung im Allgemeinen gemeint. Als leiblich angeeignete und verinnerlichte kulturelle
Kompetenz ist diese Form von Kulturkapital, grundsätzlich körper- und damit personen-
gebunden. Wenn also jemand über inkorporiertes kulturelles Kapital verfügen will, so
muss er sich dieses durch entsprechende Bildungsarbeit persönlich aneignen.
31
Laut
Bourdieu ist inkorporiertes Kapital daher ,, ein Besitztum, das zu einem festen Bestand-
teil der »Person«, zum Habitus geworden ist; aus »Haben« ist »Sein« geworden.
32
c) Unter dem dritten Zustand des kulturellen Kapitals ist dessen Institutionalisierung in
Form von Bildungstiteln zu nennen. Durch den Erhalt eines Titels, wie z.B. den Schul-
und Universitätsabschluss, verfügt ein Akteur nicht allein über inkorporiertes, sondern
über sog. legitimes kulturelles Kapital. Damit unterscheidet sich der Titelinhaber vom
Autodidakten, der selbst wenn seine inkorporierten kulturellen Kompetenzen denen des
Titelinhabers überlegen sein sollten, lediglich über illegitimes Kulturkapital verfügt.
Dies stellt einen erheblichen Unterschied da, denn die Zulassung zu Berufen und die
damit verbundene Möglichkeit, das erworbenen kulturelle Kapital in eine finanzielles
Einkommen bzw. ökonomisches Kapital umzuwandeln, ist zuallererst von dem Besitzt
entsprechender Legitimitätsnachweise (Schul-, Berufs- und Bildungsabschlüsse)
abhängig.
33
31
Vgl. Schwingel (1995): S. 83 f.
32
Bourdieu (1997): S. 56
33
Vgl. Schwingel (1995): 85 f.

11
Soziales Kapital: Unter dem Begriff des sozialen Kapitals versteht Bourdieu die
,,Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines
dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegen-
seitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind; [...] es handelt sich dabei um
Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen"
34
. Dieses Beziehungs-
netzwerk ist das Produkt ,,individueller oder kollektiver Investitionsstrategien, die
bewußt oder unbewußt auf die Schaffung von Sozialbeziehungen gerichtet sind, die
früher oder später einen unmittelbaren Nutzen versprechen"
35
. Somit eignet sich ein
Akteur soziales Kapital an, damit er zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückgreifen
kann, falls er aus irgendeinem Grunde die Unterstützung von einzelnen Akteuren oder
auch Gruppen benötigt. Die Beziehung zu solchen Gruppen verleiht dem Akteur dabei
eine gewisse Form von Sicherheit Beispiel für solche Gruppen sind Familie, die Ehe-
maligen von Elite-Schulen, Clubs, Adelsgruppen, politische Parteien usw.
Je umfassender solch ein Beziehungsnetzwerk ist, das ein Akteur durch permanente
Beziehungsarbeit aufrechterhalten muss, desto größer sind auch seine Profitchancen bei
der Reproduktion seines ökonomischen und kulturellen Kapitals.
36
Die Ursache dafür
liegt darin, das Sozialkapitalbeziehungen ,,nur in der Praxis auf der Grundlage von
materiellen und/oder symbolischen Tauschbeziehungen existieren" können, ,,zu deren
Aufrechterhaltung sie beitragen."
37
Daher ist das soziale Kapital auch als Multiplikator
für die anderen Kapitalformen zu sehen.
Symbolisches Kapital: Diese Kapitalform findet ihren Ursprung in der Bekanntheit und
Anerkennung eines Akteurs und ist nahezu vergleichbar mit: Ansehen, guter Ruf, Ehre,
Ruhm Prestige, Reputation und Renommée.
38
Symbolisches Kapital ist den anderen drei Kapitalarten übergeordnet und kommt durch
gesellschaftliche Anerkennungsakte zustande. So ist das institutionelle kulturelle Kapi-
tal in seiner Ausprägung von Bildungstiteln immer auch symbolisches Kapital, da es
von den anderen Akteuren des Feldes anerkannt wird. Das gilt ebenso für das soziale
Kapital, das immer auch symbolisches Kapital ist, da es auf Anerkennung angewiesen
ist, um als Machtmittel einsetzbar zu sein.
34
Bourdieu (1983): S. 190 f.
35
Ebenda, S. 192
36
Vgl. Schwingel (1995): S.87
37
Bourdieu (1997): S. 63
38
Vgl. Fröhlich (1994): S. 37

12
In gesteigerter Form ist das auch bei dem ökonomischen Kapital der Fall, da es als
Bourdieus bedeutenste Kapitalform eines Feldes auch die dort anerkannteste ist.
Symbolisches Kapital räumt den Akteuren sozusagen einen Kredit an Ansehen und
damit verbunden auch ein bestimmtes Prestige ein.
39
Die verschiedenen Kapitalarten sind gegenseitig konvertierbar, wobei ihre Übertragung
allerdings unterschiedlich aufwendig ist. So kann beispielsweise kulturelles und soziales
Kapital mit ökonomischen Kapital erworben werden, aber nur durch eine zum Teil hohe
Transformationsarbeit. Kultur- bzw. Sozialkapital kann umgekehrt auch unter gewissen
Vorrausetzungen in ökonomisches Kapital umgewandelt werden, wobei dabei Verluste
auftreten können. Es werden also Gewinne in einem Bereich mit Kosten aus einem an-
deren Bereich bezahlt.
40
Wie bereits erwähnt, entscheiden Kapitalien eindeutig über die Platzierung der Akteure
im sozialen Raum bzw. den dort implementierten Feldern und somit auch über deren
Klassenzugehörigkeit.
41
2.4 Die Klassen
,,Konstruiert man den sozialen Raum, diese unsichtbare, nicht herzeigbare und nicht
anfaßbare, den Praktiken und Vorstellungen der Akteure Gestalt gebende Realität,
gewinnt man damit zugleich auch die Möglichkeit, theoretische Klassen von größtmög-
licher Homogenität [...] zu konstruieren."
42
Obwohl Bourdieu in diesem Zitat und auch
in seinen Theorien den Begriff der Klassen benutzt, der auf Max Webers Konzept des
Standes und auf das Klassenkonzept von Karl Marx zurückgeht, geht es ihm eher
darum, ,,die herkömmliche Vorstellung von »Klasse« außer Kraft zu setzen, als sie zu
stärken."
43
Denn laut seinem Verständnis einer Klasse, bildet sie ,,keine reale, effektive
Klasse im Sinne einer kampfbereiten Gruppe; sie ist, strenggenommen, lediglich eine
wahrscheinliche Klasse, daß heißt eine Gesamtheit von Akteuren, deren Mobilisierung
im Verhältnis zu jeder anderen nur weniger objektive Schwierigkeiten bereitet."
44
39
Vgl. Tieben (2003): [www]
40
Vgl. Fröhlich (1994): S. 37
41
Vgl. Bohn/ Hahn (1999): S. 264
42
Bourdieu (1998a): S. 23
43
Bourdieu (1997): S. 31
44
Bourdieu (1991): S. 12

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836602839
Dateigröße
625 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar – Medien, Studiengang Medienmanagement
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,7
Schlagworte
deutschland hörfunk radio journalismus kapital kultur
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Titel: Der deutsche Hörfunk als Feld der kulturellen Produktion
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