Lade Inhalt...

Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven im deutschen Steuerrecht

Die Entstrickungsvorschriften nach alter und neuer Rechtslage sowie europarechtliche Wertung und Gestaltungsmöglichkeiten beim Wegzug natürlicher Personen ins Ausland

©2006 Diplomarbeit 97 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die Diskussion um die Wegzugsbesteuerung gipfelte bislang in der Rs. „Hughes de Lasteyrie du Saillant“. Der EuGH stellt dabei eine Europarechtswidrigkeit der Vorschrift zur französischen Wegzugsbesteuerung fest. Nach Ansicht der Richter verstößt die Praxis der französischen Wegzugsbesteuerung, welche mit der deutschen durchaus vergleichbar ist, wie die folgenden Erörterungen in dieser Arbeit zeigen werden, gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV. In den weiteren Ausführungen wird auch deutlich, dass die Entscheidung zwar nur die französische Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen betrifft, aber auch Bedeutung für § 6 AStG und darüber hinaus auch für den Wegzug von juristischen Personen und den grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer relevant ist.
Vor diesem Hintergrund ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgebracht worden, wodurch, laut Gesetzesbegründung, § 6 AStG europarechtskonform ausgestaltet werden soll. Darüber hinaus werden die verschiedenen Entstrickungstatbestände für grenzüberschreitende Sachverhalte, welche derzeit in Einzelsteuergesetzen, Verwaltungsanweisungen und BFH-Rechtsprechung verkörpert sind, systematisch zusammengefasst und allgemeine Entstrickungstatbestände eingeführt. Das SEStEG enthält daneben weitere Änderungen, vor allem des UmwStG, welche jedoch nicht in dieser Arbeit thematisiert werden sollen. Das Gesetz wurde nach den Änderungen des Finanzausschusses am 16.11.2006 vom Deutschen Bundestag angenommen. Die Verabschiedung des SEStEG durch den Deutschen Bundesrat erfolgte am 24.11.2006. Verkündet wurde der Gesetzesbeschluss im Bundesgesetzblatt Teil I am 12.12.2006. Nach Artikel 12 des Gesetzes tritt es am Tag nach der Verkündung, also am 13.12.2006 in Kraft. Die neuen Entstrickungsregeln gelten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers rückwirkend erstmals für Wirtschaftsjahre bzw. Veranlagungszeiträume, die nach dem 31.12.2005 enden. Die geänderte Wegzugsbesteuerung soll erstmals im Veranlagungszeitraum 2007 Anwendung finden.
Gang der Untersuchung:
Ziel der Arbeit ist es, die neuen und alten Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven im deutschen Steuerrecht darzustellen, die Rechtsfolgen, insbesondere die Bewertung der Aufdeckung stiller Reserven, zu erläutern und alte und neue Rechtslage vergleichend darzustellen. Außerdem bezweckt diese Arbeit eine Bewertung der Vorschriften hinsichtlich der Übereinstimmung mit […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Matthias Koller
Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven im Deutschen Steuerrecht
Die Entstrickungsvorschriften nach alter und neuer Rechtslage sowie europarechtliche
Wertung und Gestaltungsmöglichkeiten beim Wegzug natürlicher Personen ins Ausland
ISBN: 978-3-8366-0276-1
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Fachhochschule Deggendorf, Deggendorf, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007

- I -
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abbildungsverzeichnis IV
Tabellenverzeichnis V
Anhangverzeichnis VI
Abkürzungsverzeichnis VII
1 Problemstellung und Gang der Untersuchung
1
1.1 Hintergrund, Zielsetzung und Notwendigkeit der Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven im Deutschen Steuerrecht
1
1.2 Die aktuelle Rechtssprechung des EuGH und Gesetzgebung der
Bundesregierung auf dem Gebiet der Wegzugsbesteuerung und Entstrickung
stiller Reserven
2
1.3 Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung
3
2 Darstellung der alten und neuen Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven, sowie Vergleich der Entstrickungsvorschriften
nach altem und neuem Recht anhand ausgewählter Fallkonstellationen
6
2.1 Die alten Rechtsansichten und Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven
7
2.1.1 Der finale Entnahmebegriff
7
2.1.2 Die Ersatzrealisationstatbestände in Einzelsteuergesetzen
8
2.1.2.1 Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG a. F.
8
2.1.2.2 Die körperschaftsteuerrechtlichen Ersatzrealisations-
tatbestände 11
2.1.2.3 Die Betriebsaufgabe und Betriebsverlegung ins Ausland nach
§ 16 Abs. 3 EStG
13
2.1.3 Die Entstrickung nach dem Betriebsstättenerlass
14
2.2 Das neue Konzept des Gesetzgebers zur Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven im SEStEG
17
2.2.1 Der allgemeine einkommensteuerrechtliche Entstrickungstatbestand im
Betriebsvermögen 18
2.2.1.1 Die fiktive Entnahme nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG n. F. bei
Ausschluss oder Beschränkung des deutschen
Besteuerungsrechts 18
2.2.1.2 Die Bewertung der Entstrickung nach
§ 4 Abs. 1 S. 3 EStG n. F.
19
2.2.1.3 Der einkommensteuerrechtliche Ausgleichsposten nach
§ 4g EStG n. F.
20
2.2.2 Der allgemeine körperschaftsteuerrechtliche Entstrickungstatbestand
21
2.2.2.1 Der Verlust oder die Beschränkung des deutschen
Besteuerungsrechts an Einzelwirtschaftsgütern und
Sachgesamtheiten 21
2.2.2.2 Die Bewertung der Entstrickung
22
2.2.3 Die Entstrickung stiller Reserven einer Beteiligung im Sinne des
§ 17 EStG bei Wohnsitzwechsel einer natürlichen Person ins Ausland
23
2.2.3.1 Die Tatbestandsvoraussetzungen in § 6 AStG n. F.
23

- II -
2.2.3.2 Die Bewertung der Entstrickung nach § 6 AStG n. F.
24
2.2.3.3 Die neue Stundungsregelung beim Wegzug in Drittstaaten und
EU/EWR-Staaten 24
2.3 Vergleich der alten und neuen Entstrickungsvorschriften durch Anwendung
auf ausgewählte Fallkonstellationen
25
2.3.1 Die Behandlung einer Beteiligung im Sinne des § 17 EStG bei
Wohnsitzwechsel einer natürlichen Person ins Ausland
25
2.3.2 Die steuerliche Behandlung der stillen Reserven bei Aufgabe eines
Gewerbebetriebs, Mitunternehmeranteils und des Anteils eines
persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft
26
2.3.3 Die Entstrickung stiller Reserven bei Verlegung der Geschäftsleitung
und/oder Sitz einer Körperschaft ins Ausland
29
2.3.4 Die Aufdeckung stiller Reserven bei Verlegung eines Gewerbebetriebs
ins Ausland
30
2.3.5 Die steuerliche Behandlung stiller Reserven bei Überführung eines
Wirtschaftsguts in eine zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen
gehörenden ausländischen Betriebsstätte
31
2.3.6 Die Entstrickung stiller Reserven bei Überführung von
Einzelwirtschaftsgütern zum ausländischen Stammhaus oder zur
ausländischen Betriebsstätte beschränkt Steuerpflichtiger
32
2.3.7 Die steuerliche Behandlung des Nutzungs-/Leistungsexport
unbeschränkt Steuerpflichtiger an die ausländische Betriebsstätte
33
2.4 Zwischenergebnis: Die neuen Entstrickungsvorschriften nach dem SEStEG
und Unterschiede zu den Entstrickungstatbeständen nach alter Rechtslage
34
3 Reflektion der EuGH-Rechtsprechung ,,Lasteyrie du Saillant" auf die alten und
neuen Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven
38
3.1 Das EuGH-Urteil zur französischen Regelung der Wegzugsbesteuerung
38
3.1.1 Sachverhalt und rechtlicher Rahmen
38
3.1.2 Die Feststellung eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit
39
3.1.3 Die Vergleichbarkeit der französischen Regelungen mit der deutschen
Vorschrift zur Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG a. F.
42
3.1.4 Die möglichen Auswirkungen auf Drittstaatensachverhalte
44
3.2 Die Bewertung der alten Regelungen des deutschen Steuerrechts im
Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH
45
3.2.1 Der finale Entnahmebegriff des BFH
45
3.2.2 Die Ersatzrealisationstatbestände in Einzelsteuergesetzen
47
3.2.2.1 Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG a. F.
47
3.2.2.2 Der Wegzug von Körperschaften
48
3.2.3 Die Entstrickung nach dem Betriebsstättenerlass
51
3.3 Die Bewertung der neuen Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG im Hinblick auf die
Rechtsprechung des EuGH
52
3.3.1 Der allgemeine einkommensteuerrechtliche Entstrickungstatbestand
52
3.3.2 Der allgemeine körperschaftsteuerrechtliche Entstrickungstatbestand
53
3.3.3 Die Entstrickung stiller Reserven einer Beteiligung im Sinne des
§ 17 EStG bei Wohnsitzwechsel einer natürlichen Person ins Ausland
54

- III -
3.4 Endergebnis I: Die Unterschiede bei der Anwendung der derzeit geltenden
und neuen Entstrickungsvorschriften und europarechtliche Bewertung der
alten und neuen Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und Entstrickung
stiller Reserven im Deutschen Steuerrecht
55
4 Überlegungen zur ertragsteuerlichen Gestaltung des Wegzugs natürlicher
Personen mit Anteilen i. S. v. § 17 EStG ins Ausland
58
4.1 Umwandlung von Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft
58
4.2 Einbringung von Anteilen i. S. v. § 17 EStG in ein deutsches
Betriebsvermögen oder eine inländische Kapitalgesellschaft
60
4.3 Frühzeitige Anteilsveräußerung an eine eigens dafür gegründete
ausländische Kapitalgesellschaft des Steuerpflichtigen
62
4.4 Der interne Leibrentenverkauf an eine ausländische Kapitalgesellschaft
63
4.5 Endergebnis II: Bewertung und Grenzen der ertragsteuerlichen
Gestaltungsmöglichkeiten des Wegzugs natürlicher Personen mit Anteilen
i. S. v. § 17 EStG, sowie Anwendung der Gestaltungsansätze für
Veranlagungszeiträume nach Geltung des SEStEG
66
5 Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse
70
Literaturverzeichnis 73
Rechtsquellenverzeichnis 76
Anhang
IX

- IV -
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abbildung 1:
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der französischen Regelung
zur Wegzugsbesteuerung und § 6 AStG a. F. ... 43
Abbildung 2:
Umwandlung von Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft... 59
Abbildung 3:
Einbringung der Anteile in ein deutsches Betriebsvermögen... 60
Abbildung 4:
Verdeckte Einlage in ausländische Kapitalgesellschaft... 63
Abbildung 5:
Interner Leibrentenverkauf an ausländische Kapitalgesellschaft... 64

- V -
Tabellenverzeichnis
Seite
Tabelle 1: Grenzüberschreitender Transfer von Wirtschaftsgütern
des Anlagevermögens... 15
Tabelle 2: Grenzüberschreitender Transfer von Wirtschaftsgütern
des Umlaufvermögens... 15
Tabelle 3: Unterschiede und Gemeinsamkeiten nach alter und neuer Rechtslage
bei der Entstrickung stiller Reserven im Deutschen Steuerrecht... 37
Tabelle 4: Chancen und Risiken der Gestaltungsmöglichkeiten... 67
Tabelle 5: Anwendung der Gestaltungsvarianten nach alter und neuer Rechtslage... 69

- VI -
Anhangverzeichnis
Seite
Anlage 1:
Beispiel zu Gliederungspunkt 2.3.1
Die Behandlung einer Beteiligung im Sinne des § 17 EStG bei
Wohnsitzwechsel einer natürlichen Person ins Ausland... IX
Anlage 2:
Beispiel zu Gliederungspunkt 2.3.2
Die steuerliche Behandlung der stillen Reserven bei Aufgabe eines
Gewerbebetriebs, Mitunternehmeranteils und des Anteils eines
persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft... XI
Anlage 3:
Beispiel zu Gliederungspunkt 2.3.3
Die Entstrickung stiller Reserven bei Verlegung der Geschäftsleitung
und/oder Sitz einer Körperschaft ins Ausland... XII
Anlage 4:
Beispiel zu Gliederungspunkt 2.3.4
Die Aufdeckung stiller Reserven bei Verlegung eines
Gewerbebetriebs ins Ausland... XIII
Anlage 5:
Beispiel zu Gliederungspunkt 2.3.5
Die steuerliche Behandlung stiller Reserven bei Überführung eines
Wirtschaftsguts in eine zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen
gehörenden ausländischen Betriebsstätte... XIV
Anlage 6:
Beispiel zu Gliederungspunkt 2.3.6
Die Entstrickung stiller Reserven bei Überführung von
Einzelwirtschaftsgütern zum ausländischen Stammhaus oder zur
ausländischen Betriebsstätte beschränkt Steuerpflichtiger... XV
Anlage 7:
Beispiel zu Gliederungspunkt 2.3.7
Die steuerliche Behandlung des Nutzungs-/Leistungsexport
unbeschränkt Steuerpflichtiger an die ausländische Betriebsstätte... XVI

- VII -
Abkürzungsverzeichnis
a. F.
= alte Fassung; Fassung des entsprechenden Paragraphen vor
Geltung des SEStEG
a.a.O
= am angegebenen Ort
Abb. =
Abbildung
Abs. =
Absatz
Afa
= Absetzung für Abnutzung
AK =
Anschaffungskosten
Anm. =
Anmerkung
AO =
Abgabenordnung
Art. =
Artikel
AStG =
Aussensteuergesetz
Aufl. =
Auflage
BewG =
Bewertungsgesetz
BFH =
Bundesfinanzhof
BGBl. =
Bundesgesetzblatt
BMF
= Bundesministerium der Finanzen
BR =
Bundesrat
BStBl. =
Bundessteuerblatt
BT =
Bundestag
Buchst. =
Buchstabe
BV =
Betriebsvermögen
bzw. =
beziehungsweise
d. h.
= das heißt
DBA =
Doppelbesteuerungsabkommen
Doppelbuchst. = Doppelbuchstabe
EFG
= Entscheidungen der Finanzgerichte
EG =
Europäische
Gemeinschaft
EGV
= Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
ertragsteuerl =
ertragsteuerlich(en)
EStG =
Einkommensteuergesetz
EU =
Europäische
Union
EuGH
= Gerichtshof der Europäischen Union
EWR
= Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelszone (Norwegen,
Island, Lichtenstein)
gem. =
gemäß
GmbH
= Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Hess. FG
= Hessisches Finanzgericht

- VIII -
HGB =
Handelsgesetzbuch
Hrsg. =
Herausgeber
i. H. d.
= in Höhe der
i. S. d
= im Sinne des
i. S. v.
= im Sinne von
i. V. m.
= in Verbindung mit
insb. =
insbesondere
KG =
Kommanditgesellschaft
KStG =
Körperschaftsteuergesetz
Lit. =
Literat
(Buchstabe)
lt. =
laut
max. =
maximal
Mio. =
Million(en)
n. F.
= neue Fassung; Fassung des entsprechenden Paragraphen nach
Geltung des SEStEG
PKW =
Personenkraftwagen
R =
Richtlinie
Rs. =
Rechtssache
Rz. =
Randzahl
S. =
Seite
S.A.
= Société Anonyme (französische Gesellschaftsform entsprechend
der deutschen Aktiengesellschaft)
SEStEG
= Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der
Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer
steuerrechtlicher Vorschriften
Slg.
= Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des
Gerichts erster Instanz
sog. =
so
genannt
Stpfl =
Steuerpflichtiger
Tz =
Textziffer
UmwStG =
Umwandlungssteuergesetz
USt =
Umsatzsteuer
v. =
vom
Vgl. =
Vergleiche
WG =
Wirtschaftsgut;
Wirtschaftsgüter
z. B.
= zum Beispiel
zzgl.
= zuzüglich

- 1 -
1 Problemstellung und Gang der Untersuchung
1.1 Hintergrund, Zielsetzung und Notwendigkeit der Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven im Deutschen Steuerrecht
Der Fall Horten,
1
Ende der 60er Jahre, war der Auftakt einer bis heute andauernden
Diskussion über die Wegzugsbesteuerung. Im Jahre 1968 verlegte der
Kaufhauskönig Helmut Horten seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz.
Der deutsche Fiskus verlor durch den Wegzug Hortens das Besteuerungsrecht am
Vermögenszuwachs bei einer eventuellen Veräußerung der Anteile. Da die
Eidgenossen Gewinne aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen nicht
besteuern,
2
konnte Horten seine Anteile gewissermaßen steuerfrei verkaufen. Damit
wurde klar, dass Deutschland es bis dahin versäumt hatte, sich das
Besteuerungsrecht an stillen Reserven, welche während der unbeschränkten
Steuerpflicht in der Bundesrepublik entstanden sind, zu sichern.
3
Daraufhin wurde 1972 die Wegzugsbesteuerung durch § 6 des
Außensteuergesetzes
4
eingeführt. Zielsetzung der Wegzugsbesteuerung ist es, das
Besteuerungsrecht der Bundesrepublik am Vermögenszuwachs wesentlicher
Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft bei Wohnsitzwechsel einer
natürlichen Person ins Ausland zu sichern. Der internationale Vergleich zeigt, dass
in den Folgejahren auch andere Länder dem Vorbild Deutschlands folgten. So
führten Dänemark 1987, Neuseeland 1988, die Vereinigten Staaten 1992,
Österreich 1994, die Niederlande 1997 und Frankreich 1998 eine beschränkte
Wegzugsteuer auf bestimmte Aktien und Wertpapiere ein.
5
Pohl
6
bemerkt in diesem
Zusammenhang, dass Länder wie z. B. Brasilien, Irland, Finnland, Japan und Korea,
welche ebenfalls Wertzuwachssteuern erheben, jedoch keine Regelungen zur
Wegzugsbesteuerung kennen, ihren ,,Horten"-Fall wohl noch vor sich haben.
1
BFH v. 26.01.1977 - VIII R 109/75, BStBl. II 1977, S. 283.
2
Vgl. Pohl, Dr. Dirk: Generalthema II: Die steuerliche Behandlung des Wohnsitzwechsels natürlicher
Personen. In: Internationales Steuerrecht 2002, S. 541.
3
Vgl. Knies, Dr. Jörg: Die Wegzugsbesteuerung von ,,Horten" bis ,,de Lasteyrie du Saillant". In:
Praxis Internationale Steuerberatung 2004, S. 256.
4
Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz 1972 - AStG 1972) v.
08.09.1972, BGBl. I 1972, S. 1713.
5
Vgl. Pohl, Dr. Dirk: a.a.O., S. 542.
6
Vgl. ebenda, S. 541.

- 2 -
Während sich die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG auf den Wegzug natürlicher
Personen mit wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen
bezieht, wurden in der Folgezeit weitere Verordnungen und Rechtsansichten
entwickelt um das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik an stillen Reserven zu
sichern. So hat zum Beispiel der BFH auf dem Gebiet der Entstrickung stiller
Reserven bei grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer in seiner
bisherigen Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass bei Wirtschaftsgütern, die
zwar im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen verbleiben, jedoch in eine
ausländische Betriebsstätte überführt werden, deren Gewinne jedoch nicht der
deutschen Besteuerung unterliegen, eine Entnahme fingiert wird (so genannter
finaler Entnahmebegriff).
7
Zielsetzung dieser Rechtsansicht ist es, das
Besteuerungsrecht der Bundesrepublik am noch nicht realisierten
Vermögenszuwachs von Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen zu sichern.
Somit lässt sich festhalten, dass es bestimmte Vorgänge gibt, durch die der
Deutsche Fiskus das Besteuerungsrecht am noch nicht realisierten Wertzuwachs im
Vermögen von Steuerpflichtigen verliert und somit die Notwendigkeit der
Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven darin besteht, den Verlust
,,latenten Steuersubstrats"
8
zu verhindern.
1.2 Die aktuelle Rechtssprechung des EuGH und Gesetzgebung der
Bundesregierung auf dem Gebiet der Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven
Die Diskussion um die Wegzugsbesteuerung gipfelte bislang in der Rs. ,,Hughes de
Lasteyrie du Saillant"
9
. Der EuGH stellt dabei eine Europarechtswidrigkeit der
Vorschrift zur französischen Wegzugsbesteuerung fest. Nach Ansicht der Richter
verstößt die Praxis der französischen Wegzugsbesteuerung, welche mit der
deutschen durchaus vergleichbar ist, wie die folgenden Erörterungen in dieser
Arbeit zeigen werden, gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit nach
Art.
43
EGV. In den weiteren Ausführungen wird auch deutlich, dass die
7
Vgl. Rödder, Prof. Dr. Thomas und Schumacher, Dr. Andreas: Das kommende SEStEG - Teil I: Die
geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG. In: Deutsches Steuerrecht 2006, S. 1482.
8
Vgl. Pohl, Dr. Dirk: Generalthema II: Die steuerliche Behandlung des Wohnsitzwechsels natürlicher
Personen. In: Internationales Steuerrecht 2002, S. 541.
9
EuGH-Urteil C-9/02 vom 11.03.2004. In: Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, S. 587.

- 3 -
Entscheidung zwar nur die französische Wegzugsbesteuerung für natürliche
Personen betrifft, aber auch Bedeutung für § 6 AStG und darüber hinaus auch für
den Wegzug von juristischen Personen und den grenzüberschreitenden
Betriebsvermögenstransfer relevant ist.
Vor diesem Hintergrund ist ein Gesetzentwurf
10
der Bundesregierung vorgebracht
worden, wodurch, laut Gesetzesbegründung, § 6 AStG europarechtskonform
ausgestaltet werden soll. Darüber hinaus werden die verschiedenen
Entstrickungstatbestände für grenzüberschreitende Sachverhalte, welche derzeit in
Einzelsteuergesetzen, Verwaltungsanweisungen und BFH-Rechtsprechung
verkörpert sind, systematisch zusammengefasst und allgemeine
Entstrickungstatbestände eingeführt. Das SEStEG enthält daneben weitere
Änderungen, vor allem des UmwStG, welche jedoch nicht in dieser Arbeit
thematisiert werden sollen. Das Gesetz wurde nach den Änderungen des
Finanzausschusses
11
am 16.11.2006 vom Deutschen Bundestag angenommen
12
.
Die Verabschiedung des SEStEG durch den Deutschen Bundesrat erfolgte am
24.11.2006. Verkündet wurde der Gesetzesbeschluss im Bundesgesetzblatt Teil I
am 12.12.2006.
13
Nach Artikel 12 des Gesetzes tritt es am Tag nach der
Verkündung, also am 13.12.2006 in Kraft. Die neuen Entstrickungsregeln gelten
nach den Vorstellungen des Gesetzgebers rückwirkend erstmals für
Wirtschaftsjahre bzw. Veranlagungszeiträume, die nach dem 31.12.2005 enden.
14
Die geänderte Wegzugsbesteuerung soll erstmals im Veranlagungszeitraum 2007
Anwendung finden.
15
1.3 Zielsetzung und Aufbau der Untersuchung
Ziel der Arbeit ist es, die neuen und alten Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung
und Entstrickung stiller Reserven im deutschen Steuerrecht darzustellen, die
10
Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen
Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG). Bundesrat-
Drucksache 542/06 vom 11.08.2006.
11
BT-Drucksachen 16/3315, 16/3369
12
BR-Drucksache 836/06
13
BGBl. I 2006, S. 2782.
14
Vgl. Hruschka, Franz: Die Ent- und Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG. In: Steuer-
und Bilanzpraxis 2006, S. 584.
15
Vgl. Korn, Klaus und Strahl, Dr. Martin: Steuerliche Hinweise zum Jahresende 2006. In: Neue-
Wirtschafts-Briefe 2006, S. 4163, Fach 2 S. 9119.

- 4 -
Rechtsfolgen, insbesondere die Bewertung der Aufdeckung stiller Reserven, zu
erläutern und alte und neue Rechtslage vergleichend darzustellen. Außerdem
bezweckt diese Arbeit eine Bewertung der Vorschriften hinsichtlich der
Übereinstimmung mit Europarecht. Weitere Zielsetzung ist es, Möglichkeiten
aufzuzeigen um einer drohenden Aufdeckung stiller Reserven beim Wegzug
natürlicher Personen mit wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften ins Ausland
entgegenzuwirken.
Dazu sei im Ersten Teil der geschichtliche Hintergrund der Wegzugsbesteuerung
und Entstrickung stiller Reserven aufgezeigt und ein Gefühl für die Notwendigkeit
der Vorschriften vermittelt. Ferner werden aktuelle Entwicklungen auf diesen
Rechtsgebieten dargestellt.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Darstellung der Entstrickungsvorschriften
nach alter und neuer Rechtslage. Zuerst erfolgt eine Erläuterung der in
Einzelsteuergesetzen, Verwaltungsanweisungen, sowie in der BFH-Rechtsprechung
verkörperten Entstrickungsvorschriften nach alter Rechtslage. Darauf folgend
werden die allgemeinen Entstrickungstatbestände, welche durch das SEStEG
eingeführt wurden, erläutert. Des Weiteren ist ein Vergleich mit Hilfe ausgewählter
Fallkonstellationen vorgesehen, welche die Unterschiede in der Rechtsauffassung
verdeutlichen.
Eine Bewertung hinsichtlich der Europarechtstauglichkeit der alten und neuen
Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven wird im
dritten Teil vorgenommen. Dazu sei vorab die EuGH-Entscheidung zur
französischen Wegzugsbesteuerung dargestellt und analysiert, sowie mögliche
Auswirkungen auf deutsche Entstrickungsvorschriften und Drittstaatensachverhalte
aufgezeigt. Im Anschluss folgt die Bewertung der alten und neuen Vorschriften
hinsichtlich ihrer Europarechtskonformität.
Als Endergebnis I der ersten drei Abschnitte seien zusammenfassend die
Unterschiede bezüglich der Anwendung alter und neuer Entstrickungsvorschriften
dargestellt. Außerdem wird zur Europarechtstauglichkeit beider Rechtsauffassungen
Stellung genommen.

- 5 -
Der abschließende vierte Teil erläutert Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der
Vermeidung einer Besteuerung stiller Reserven beim Wegzug natürlicher Personen
mit wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften ins Ausland. Als Endergebnis II
werden die Gestaltungsvarianten zusammenfassend dargestellt und bezüglich ihrer
Grenzen, Chancen, Risiken und Anwendung auf Zeiträume nach Geltung der neuen
Entstrickungsvorschriften, bewertet.
Am Ende der Arbeit ist eine thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse
vorgesehen.

- 6 -
2 Darstellung der alten und neuen Vorschriften zur
Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven, sowie
Vergleich der Entstrickungsvorschriften nach altem und neuem
Recht anhand ausgewählter Fallkonstellationen
Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist für die Besteuerung
stiller Reserven üblicherweise ein entgeltlicher Umsatzakt im Markt erforderlich.
Jedoch enthält das deutsche Steuerrecht auch so genannte
Ersatzrealisationstatbestände, wodurch ohne entgeltlichen Umsatzakt im Markt eine
Besteuerung stiller Reserven erreicht werden kann.
16
Bislang bestehen
verschiedene Vorschriften und Rechtsgrundsätze zur Realisierung stiller Reserven
ohne entgeltlichen Umsatzakt im Markt. Diese Ersatzrealisationstatbestände sind in
Einzelsteuergesetzen und Verwaltungsanweisungen verkörpert oder basieren auf
der BFH-Rechtsprechung.
17
Die verschiedenen Entstrickungs- bzw. Ersatzrealisationstatbestände bei
grenzüberschreitenden Sachverhalten sollen nunmehr durch das SEStEG zu
,,zentralen Entstrickungstatbeständen" zusammengefasst werden. Die neuen
Vorschriften ordnen bei Verlust des deutschen Besteuerungsrechts am Gewinn aus
einer Veräußerung oder Nutzung des Wirtschaftsguts, eine Entnahme oder eine
Veräußerung zum gemeinen Wert an.
18
Im Folgenden werden die bedeutendsten Entstrickungs- bzw.
Ersatzrealisationstatbestände nach altem und neuem Recht dargestellt und anhand
ausgewählter Fallkonstellationen verglichen.
16
Vgl. Werra, Dr. Matthias und Teiche, Andreas: Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger
Unternehmen. In: Der Betrieb 2006, S. 1455.
17
Vgl. Schönherr, Frank und Lemaitre, Claus: Der Entwurf des SEStEG: Geplante Änderungen im
Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuergesetz. In: GmbH-Rundschau 2006, S. 561.
18
Vgl. Hruschka, Franz: Die Ent- und Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG. In: Steuer-
und Bilanzpraxis 2006, S. 584.

- 7 -
2.1 Die alten Rechtsansichten und Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung und
Entstrickung stiller Reserven
2.1.1 Der finale Entnahmebegriff
Der finale Entnahmebegriff/Betriebsaufgabebegriff findet seinen Ursprung in der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
So hat der Bundesfinanzhof in den Urteilen vom 16.7.1969
19
und 30.5.1972
20
eine
Entnahme des Steuerpflichtigen i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG angenommen, wenn
Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebsstätte überführt wurden und die
Einkünfte dieser Betriebsstätte aufgrund eines DBA freizustellen waren. Die
Entnahme in diesem Sinne ist mit dem Teilwert zu bewerten, welcher der
gesetzlichen Definition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG folgend, der Betrag ist, den
ein Erwerber des ganzen Unternehmens, bei Fortführung desselben, im Rahmen
des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Kessler
und Huck
21
bemerken in diesem Zusammenhang, dass sich die Rechtsprechung
des BFH auf Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bezieht und
Anhaltspunkte für die Bewertung der Überführung von Wirtschaftsgütern des
Umlaufvermögens nur ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts v. 12.7.1977
22
gibt,
wonach die überführten Waren mit den historischen Anschaffungs- oder
Herstellungskosten zu bewerten wären. Rödder und Schumacher
23
, sowie Kessler
und Huck
24
betonen, dass jedoch der spätere Abschluss eines DBA mit dem
Betriebsstättenstaat nicht als Entnahme zu qualifizieren sein soll, und verweisen auf
das BFH Urteil vom 16.12.1975
25
.
Gleichermaßen nimmt der BFH
26
eine Betriebsaufgabe i. S. v. § 16 Abs. 3 EStG an,
wenn eine Verlagerung eines Betriebes ins Ausland stattfindet, selbst wenn die
19
BFH v. 16.07.1969 ­ I 266/65, BStBl. II 1970, S. 175.
20
BFH v. 30.05.1972 ­ VIII R 111/69, BStBl. 1972 II, S. 760.
21
Vgl. Kessler, Prof. Dr. Wolfgang und Huck, Friederike: Grenzüberschreitender Transfer von
Betriebsvermögen. In: Steuer und Wirtschaft 2005, S. 194-195.
22
Hess. FG v. 12.07.1977 ­ IV 111/75, EFG 1977, S. 608.
23
Vgl. Rödder, Prof. Dr. Thomas und Schumacher, Dr. Andreas: Das kommende SEStEG - Teil I: Die
geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG. In: Deutsches Steuerrecht 2006, S. 1482.
24
Vgl. Kessler, Prof. Dr. Wolfgang und Huck, Friederike: a.a.O., S. 195.
25
BFH v. 16.12.1975 ­ VIII R 3/74, BStBl. II 1976, S. 246.
26
BFH v. 28.04.1971 ­ I R 55/66, BStBl. II 1971, S. 630. Für die beschränkte Steuerpflicht ähnlich
BFH v. 13.10.1976 ­ I R 261/70, BStBl. II 1977, S. 76.

- 8 -
unbeschränkte Steuerpflicht weiterhin besteht.
27
Die Bewertung und Besteuerung
hat nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG mit dem gemeinen Wert des Betriebsvermögens
zu erfolgen.
28
Der gemeine Wert wird lt. § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt,
der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, unter Berücksichtigung aller Umstände, die
den Preis beeinflussen, nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer
Veräußerung zu erzielen wäre.
Die Theorie des ,,finalen Entnahmebegriffs" des BFH stellt somit einen
Ersatzrealisationstatbestand dar, welcher das Besteuerungsrecht der während der
Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zu einem (deutschen)Betriebsvermögen
entstandenen stillen Reserven sicherstellt.
2.1.2 Die Ersatzrealisationstatbestände in Einzelsteuergesetzen
2.1.2.1 Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG a. F.
Die gegenwärtig wohl meist diskutierte Entstrickungsvorschrift in
Einzelsteuergesetzen ist § 6 AStG. Dieser regelt einen wichtigen Tatbestand der
Steuerentstrickung, nämlich die Wohnsitzverlagerung in das Ausland durch
natürliche Personen mit Beteiligungen im Inland, bei deren Veräußerung stille
Reserven nach § 17 EStG zu versteuern wären. Die Anwendung des § 6 AStG ist
an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, welche im Folgenden erläutert seien.
Der Tatbestand des § 6 AStG erfasst nur natürliche Personen. Merkmal der
natürlichen Person ist die Rechtsfähigkeit, welche mit der Geburt beginnt und mit
dem Tod endet.
29
Außerdem muss die natürliche Person nach § 6 Abs. 1 AStG mindestens zehn
Jahre nach §
1
Abs.
1 des Einkommensteuergesetzes unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig gewesen sein. Dabei sind mehrere Zeiträume, innerhalb
27
Vgl. Kessler, Prof. Dr. Wolfgang und Huck, Friederike: Grenzüberschreitender Transfer von
Betriebsvermögen. In: Steuer und Wirtschaft 2005, S. 195.
28
Vgl. ebenda, S. 195.
29
Vgl. Wassermeyer, Prof. Dr. Franz: Besteuerung des Vermögenszuwachses (§ 6 AStG). Anm. 9. In:
Flick-Wassermeyer-Baumhoff. Außensteuerrecht, Kommentar. Hrsg. Prof. Dr. Wassermeyer und
Prof. Dr. Detlev J. Piltz. Band I. Stand Juni 2006. Köln 2006.

- 9 -
deren der Steuerpflichtige im Inland ansässig war, bei der Ermittlung der Frist zu
addieren.
30
Eine weitere Voraussetzung ist die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht
der natürlichen Person durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen
Aufenthaltes. Für die Definition der Begriffe Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt
gelten §§ 8 und 9 AO entsprechend. Damit sind sämtliche Fälle des Wegzugs oder
der Auswanderung erfasst. Die bloße Begründung eines Wohnsitzes im Ausland
unter Beibehaltung des Wohnsitzes im Inland führt nach dieser Formulierung nicht
zu der Anwendung des § 6 AStG.
31
Treffen die oben genannten Voraussetzungen zu, ist nach § 6 Abs. 1 AStG auf
Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG anzuwenden, wenn im
übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift
erfüllt sind. Kapitalgesellschaften sind solche im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.
Eine inländische Kapitalgesellschaft liegt nur vor, wenn sie hier ihren Sitz hat.
32
Aufgrund der oben genannten Formulierung in § 6 Abs. 1 AStG unterliegen nur
wesentliche Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften der
Wegzugsbesteuerung, da der Verweis in § 6 Abs. 1 AStG auf § 17 EStG nicht nur
die Rechtsfolge festlegt, sondern auch weitere Tatbestandsvoraussetzungen
hinzufügt.
33
Eine wesentliche Beteiligung ist nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gegeben,
wenn der Steuerpflichtige an der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu
mindestens 1 % beteiligt war.
Das Eintreten der Rechtsfolge und somit die Entstehung des Steueranspruchs ist
nach §
6
Abs.
1
AStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten
Steuerpflicht. Nach Wassermeyer
34
ist dies ,,gewissermaßen in der letzten Sekunde
der unbeschränkten Steuerpflicht des Wegziehenden". Die Rechtsfolge tritt ohne
Veräußerung ein, was zur Folge hat, dass ein fiktiver Veräußerungsgewinn
versteuert wird, der sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen hälftigen
30
Vgl. Wassermeyer, Prof. Dr. Franz: Besteuerung des Vermögenszuwachses (§ 6 AStG). Anm. 11.
In: Flick-Wassermeyer-Baumhoff. Außensteuerrecht, Kommentar. Hrsg. Prof. Dr. Wassermeyer und
Prof. Dr. Detlev J. Piltz. Band I. Stand Juni 2006. Köln 2006.
31
Vgl. ebenda, Anm. 14.
32
Vgl. ebenda, Anm. 16a.
33
Vgl. ebenda, Anm. 19.
34
Wassermeyer, Prof. Dr. Franz: Die Denkfehler des Gesetzgebers in § 6 AStG-Entwurf. In: Der
Betrieb 2006, S. 1390.

- 10 -
Anschaffungskosten, bzw. hälftigem gemeinem Wert der Anteile im Zeitpunkt der
Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht oder hälftigen Anschaffungskosten
des Rechtsvorgängers und dem hälftigen gemeinen Wert der Anteile im Zeitpunkt
der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht ergibt. Jedoch ist beim Wegzug
auch ein negativer fiktiver Veräußerungsgewinn denkbar. Dieser liegt vor, wenn der
gemeine Wert der Beteiligung zum Wegzugszeitpunkt niedriger ist als die
Anschaffungskosten der Beteiligung. Ein solcher fiktiver Veräußerungsverlust ist
nicht zu berücksichtigen.
35
36
Der § 6 AStG ist eine eigenständige Norm, welche zur
Zielsetzung hat, den Vermögenszuwachs zu besteuern. Dies ergibt sich auch aus
der amtlichen Überschrift zum § 6 AStG. Der BFH führt auch aus, dass es sich nur
um einen Rechtsgrundverweis zu § 17 EStG handelt, deshalb ist ein fiktiver
Veräußerungsgewinn nicht zwingend zu berücksichtigen.
37
Dennoch gibt es
diesbezüglich in der Literatur Widersprüche. Strunk und Kaminski
38
äußern sich
insofern kritisch, dass der § 6 AStG, ihrer Meinung nach, einen umfassenden
Rechtsgrund- und Rechtsfolgeverweis darstellt.
Der Auffassung des umfassenden Rechtsgrund- und Rechtsfolgeverweises folgend
ist auf den ermittelten fiktiven Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auch der
Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG zu gewähren. Darüber hinaus ist er einzuräumen,
da der § 6 AStG ,,die gleichen steuerlichen Rechtsfolgen beim Wegzug eintreten
lassen will, die im Falle einer Anteilsveräußerung nach § 17 EStG eintreten"
39
.
Folglich stellt die Wegzugsbesteuerung nach §
6
AStG einen
Ersatzrealisationstatbestand dar, der das deutsche Besteuerungsrecht an
Vermögenszuwächsen bei Anteilen inländischer Kapitalgesellschaften beim Wegzug
natürlicher Personen sicherstellt, wenn bei Anteilsveräußerung stille Reserven nach
§ 17 EStG zu versteuern wären.
35
BFH v. 28.02.1990 - I R 43/86, BStBl. II 1990, S. 615ff.
36
Vgl. Wassermeyer, Prof. Dr. Franz: Besteuerung des Vermögenszuwachses (§ 6 AStG). Anm. 27.
In: Flick-Wassermeyer-Baumhoff. Außensteuerrecht, Kommentar. Hrsg. Prof. Dr. Wassermeyer und
Prof. Dr. Detlev J. Piltz. Band I. Stand Juni 2006. Köln 2006.
37
Vgl. Strunk, Dr. Günther und Kaminski, Dr. habil. Bert: § 6 AStG. Anm. 53 - 54. In: Strunk-
Kaminski-Köhler. Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar. Hrsg. Prof. Dr.
Günther Strunk et al. Stand 2004. Bonn, Berlin 2004.
38
Vgl. ebenda, Anm. 6 und 54.1.
39
Vgl. Wassermeyer, Prof. Dr. Franz: a.a.O., Anm. 29.

- 11 -
Aufgrund der Aktualität der Diskussion um die Wegzugsbesteuerung und im Hinblick
auf die Ausführungen in Gliederungspunkt 3 dieser Arbeit zur Bedeutsamkeit der
europarechtlichen Bewertung der Wegzugsbesteuerung wurde an dieser Stelle der
§
6
AStG mit Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen etwas ausführlicher
dargestellt. Zur Stundungsregelung der beim Wegzug entstandenen Steuer siehe
Gliederungspunkt 3.2.2.1.
2.1.2.2 Die körperschaftsteuerrechtlichen Ersatzrealisationstatbestände
Einen weiteren Ersatzrealisationstatbestand nach alter Rechtslage stellt
§ 12 KStG a. F. dar, welcher die Besteuerung stiller Reserven für Sachverhalte
gewährleistet, in denen:
40
·
die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht einer Körperschaft,
Vermögensmasse oder Personenvereinigung durch Verlegung der
Geschäftsleitung und/oder des Sitzes in das Ausland endet (Abs. 1),
·
die inländische Betriebsstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft,
Vermögensmasse oder Personenvereinigung im Inland aufgegeben, d. h.
aufgelöst oder in das Ausland verlegt oder deren Vermögen als Ganzes auf
einen anderen übertragen wird (Abs. 2)
Die Vorschrift ordnet keine eigene Rechtsfolge bei Erfüllen der
Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern verweist auf die Liquidationsbesteuerung
nach § 11 KStG.
41
Im Gegensatz zum ,,finalen Entnahmebegriff" des BFH (siehe Gliederungspunkt
2.1.1) liegt hier ein echter Ersatzrealisationstatbestand vor.
42
Die Verlegung von Geschäftsleitung oder Sitz ins Ausland (Abs.
1) einer
unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft bedeutet, dass diese aus der
unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet. Stille Reserven in Wirtschaftsgütern, die
40
Frotscher, Prof. Dr. Gerrit: Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland (§ 12 KStG). Anm. 1. In:
Frotscher-Maas. Praxis Kommentar KStG/UmwStG. Hrsg. Prof. Dr. Gerrit Frotscher und Ernst Maas.
Band 1. Stand August 2006. Freiburg 2006.
41
Vgl. ebenda, Anm. 2.
42
Vgl. Kessler, Prof. Dr. Wolfgang und Huck, Friederike: Grenzüberschreitender Transfer von
Betriebsvermögen. In: Steuer und Wirtschaft 2005, S. 200.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836602761
DOI
10.3239/9783836602761
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Deggendorf – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2007 (April)
Note
1,0
Schlagworte
deutschland gesellschaftsanteil veräußerungsgewinn steuerflucht außensteuerrecht europäische union außensteuergesetz sesteg wohnsitzwechsel wegzugbesteuerung steuergestaltung
Zurück

Titel: Wegzugsbesteuerung und Entstrickung stiller Reserven im deutschen Steuerrecht
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
97 Seiten
Cookie-Einstellungen