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Unternehmensethik und Corporate Citizenship

Wie ein globales Health Care Unternehmen ethische Zielsetzungen in seiner Geschäftstätigkeit operationalisiert und gesellschaftliche Verantwortung proaktiv übernimmt

©2006 Diplomarbeit 275 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die vorliegende Diplomarbeit widmet sich der Frage, wie Moral und Gewinn auf der Grundlage unternehmensethischer Reflexion zu einem tragfähigen Ausgleich geführt bzw. füreinander fruchtbar gemacht werden können. Am Beispiel des Schweizer Pharmakonzerns Novartis AG werden Möglichkeiten dargestellt, wie ein Unternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und ethische Prinzipien fest in seine Geschäftstätigkeit integrieren kann.
Dabei werden als Grundlage dieser Arbeit zunächst die theoretischen Ansätze wichtiger Vertreter der Wirtschafts- und Unternehmensethik vorgestellt und einer vergleichenden Beurteilung unterzogen. Dabei wird insbesondere auf den Gegensatz zwischen präferenz- und restriktionentheoretischen Ansätzen eingegangen. Die konzeptionelle Arbeit Klaus Leisingers, heute Präsident der Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung, bildet den Übergang zur Darstellung der Wahrnehmung unternehmensethischer und gesellschaftlicher Verantwortung bei Novartis. Hierbei wird zunächst durch eine Schilderung der Entstehung und Geschichte des Unternehmens, seines Selbstverständnisses und seiner Ziele, ein erster Einblick in das Unternehmen gegeben.
Anschließend wendet sich die Arbeit der aktuellen Corporate Citizenship-Strategie des Unternehmens zu. Hierfür bildet die Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung den Ausgangspunkt. Die darauf folgende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Säulen der Corporate Citizenship -Strategie wird von folgenden Fragestellungen geleitet:
- Welche besondere ethische Verantwortung kommt der pharmazeutischen Industrie zu?
- Auf welcher Basis beruht die Corporate Citizenship-Strategie, wie entstand sie?
- Auf welche Bereiche erstreckt sie sich und welche konkreten Maßnahmen umfasst sie dort jeweils?
- Wie gestaltet sich die Implementierung der Strategie?
An diese Untersuchung schließt sich, auch im Hinblick auf die im ersten Teil vorgestellten theoretischen Fundamente der Unternehmensethik, eine zusammenfassende Beurteilung der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung bei Novartis an.
Abgerundet wird die Arbeit mit einem Resumé der gewandelten Rolle und Verantwortung
der Unternehmen in einer globalisierten Welt.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Warum Unternehmensethik?1
2.Aktuelle theoretische Ansätze zur Wirtschafts- und Unternehmensethik im Spannungsfeld zwischen präferenz- und restrikitionstheoretischen Ansätzen4
2.1Peter Ulrich: Die Idee […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Thomas Müller
Unternehmensethik und Corporate Citizenship
Wie ein globales Health Care Unternehmen ethische Zielsetzungen in seiner
Geschäftstätigkeit operationalisiert und gesellschaftliche Verantwortung proaktiv
übernimmt
ISBN: 978-3-8366-0246-4
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Passau, Passau, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH

Inhaltsverzeichnis
1. Warum
Unternehmensethik? ...1
2. Aktuelle theoretische Ansätze zur Wirtschafts- und Unternehmensethik im
Spannungsfeld zwischen präferenz- und restrikitionstheoretischen Ansätzen...5
2.1 Peter Ulrich: Die Idee des republikanischen Liberalismus und des
lebenspraktisch vernünftigen Wirtschaftens als Gegenentwurf zur
,,Marktgesellschaft" 8
2.1.1 Grundlegende Thesen des Ulrichschen Ansatzes ...8
2.1.2 Kritik am herkömmlichen ökonomischen Rationalitätsbegriff...10
2.1.3 Der Weg zu einem ,,vernünftigen" Wirtschaften...14
2.1.4 Der republikanische Liberalismus als Alternative zur
,,Marktgesellschaft" ...18
2.1.5 Wirtschaftsbürgerethik als individualethische Ausprägung des
republikanischen Liberalismus ...22
2.1.6 Unternehmensethik und Ulrichs Kritik am Gewinnprinzip ...26
2.1.7 ,,Ethikmaßnahmen" in der Unternehmenspraxis...32
2.2. Die Rahmenordnung als systematischer Ort der Moral ­ der wirtschafts-
und unternehmensethische Ansatz Karl Homanns
39
2.2.1 Grundlagen der Theorie Homanns...39
2.2.2 Die Legitimation des marktlichen Wettbewerbs...42
2.2.3 Dilemmastrukturen als Grundlage des restriktionentheoretischen
Ansatzes ...44
2.2.4 Die Rahmenordnung als systematischer Ort der Moral ...47
2.2.5 Grundlegende Aufgaben der Unternehmensethik...49
2.2.7 Komplementarität und Konflikt zwischen Moral und Gewinn...52
2.2.8 Strategien zur Auflösung des ethisch-ökonomischen Konfliktes ...54
2.2.9 Strategische und kommunikative Rationalität ...58
2.3 Moral und Eigeninteresse durch Investitionen in die wechselseitige
Besserstellung vereinbar machen ­
Die ökonomische Ethik Andreas Suchaneks
61
2.3.1 Theoretische Voraussetzungen der Theorie Suchaneks...61
2.3.2 Die Verantwortung der Unternehmen...65
2.3.3 Handlungsbedingungen statt Gesinnungen als zentrale Grundlage der
Unter-nehmensethik bei Suchanek...68
2.3.4 Investitionen in die wechselseitige Besserstellung zur
Auflösung von Dilemmastrukturen...70
2.3.5 Die Bedeutung und moralische Qualität der Institutionen...71
2.4 Der unternehmensethische Ansatz Daniel Dietzfelbingers
75
2.4.1 Das Unternehmen und seine Verantwortung gegenüber seinen
Ansprechgruppen ...75
2.4.2 Erfolgsfaktoren im Unternehmen...77

2
2.4.3 Instrumente der Unternehmensethik und ihre Zielsetzungen ...79
2.4.4 Unternehmenskultur als Gesamtheit der Wertvorstellungen und
Leitbilder im Betrieb...80
2.4.5 Corporate Citizenship ...81
2.4.6 Zusammenspiel von Individual-, Unternehmens- und
Wirtschaftsethik ...84
2.4.7 Anknüpfungspunkte zwischen Ethik und Ökonomie...85
2.4.8 Der Stilgedanke als Synthese ökonomischer und ethischer
Zielvorstellungen ...87
2.5 Vergleichende Beurteilung der verschiedenen Ansätze
89
2.5.1 Vergleichende Gegenüberstellung der verschiedenen Ansätze ...89
2.5.1.1 Interpretation der Rationalisierung und des Übergangs
zur modernen Gesellschaft...89
2.5.1.2 Beurteilung von Markt und Wettbewerb ...91
2.5.1.3 Lösungsansätze für die Vereinbarkeit von Moral und
Eigeninteresse ...92
2.5.1.4 Beurteilung des Gewinnprinzips...97
2.5.1.5 Sichtweisen auf die Unternehmensethik...99
2.5.2 Beurteilung der verschiedenen Ansätze...102
2.6 Die konzeptionelle Arbeit Klaus M. Leisingers als Brücke zwischen
unternehmensethischer Theorie und der Anwendung bei der Novartis AG 108
2.6.1 Hintergründe und Entstehungsbedingungen einer modernen
Unternehmensethik ...109
2.6.2 Ziele und Aufgaben der Unternehmensethik ...111
2.6.3 Grundlinien der Unternehmensethik...112
2.6.4 Instrumente und Adressaten der Unternehmensethik ...115
2.6.5 Ökonomische Chancen einer ethischen Geschäftsführung...120
2.6.6 Implikationen für verantwortungsbewusste Unternehmen ...121
2.6.7 Die besondere Verantwortung forschender Arzneimittelhersteller ...123
3. Unternehmensethik und Corporate Citizenship am Beispiel der
Novartis AG...129
3.1 Die Entstehung des Unternehmens, sein Selbstverständnis und seine
besondere Verantwortung als forschender Arzneimittelhersteller
129
3.2 Die derzeitige Corporate Citizenship-Strategie bei Novartis
145
3.2.1 Die Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung...146
3.2.1.1 ,,Warum eine Stiftung?" ­ Übersicht über die
Entwicklung der Stiftung ...146
3.2.1.2 Strategisches Ziel der Stiftung: Den Gesundheitszustand
armer Menschen nachhaltig verbessern- nachhaltiges
Engagement der Pharmaindustrie im Kampf gegen
Armutskrankheiten fördern...149
3.2.1.3 Die drei Säulen der Stiftungsarbeit: Think-Tank-
Aktivitäten, praktische Entwicklungsarbeit,
entwicklungspolitischer Dialog ...151
3.2.1.4 Die wichtigsten Projekte der
Entwicklungszusammenarbeit ...154

3
3.2.2 Der UN Global Compact als Basis der Corporate Citizenship
Strategie bei Novartis...156
3.2.2.1 Inhalt und Zielsetzung des UN Global Compact ...157
3.2.2.2 Die Umsetzung des UN Global Compact bei Novartis
und die Ableitung unternehmensspezifischer Corporate
Citizenship Leitlinien...159
3.2.2.3 Zwischenfazit: Die Umsetzung des UN Global
Compact bei Novartis ­ ein Erfolg?...180
3.2.3 Die vier Säulen der Corporate Citizenship Strategie: Patienten,
Mitarbeiter, HSE und Business Conduct ...196
3.2.3.1 Die Verpflichtung den Patienten gegenüber ...198
3.2.3.2 Die Verpflichtung den Mitarbeitern gegenüber...206
3.2.3.3 Die Verpflichtung im Bereich Health, Safety and
Environment (HSE) ...210
3.2.3.4 Die Verpflichtung im Bereich Ethical Business
Conduct/ Ethische Geschäftsführung...213
3.2.4 Problemfeld ,,Patente am Leben"...222
3.2.4.1 Grundlegende Aspekte der Patente am Leben ...223
3.2.4.2 Probleme bei der Biopatentierung und Kritik
an dieser Praxis ...224
3.2.4.3 Argumente für die Biopatentierung ...226
3.2.4.4 Relevanz der Biopatente für Entwicklungsländer...227
3.2.4.5 Protest gegen die Biopatentierung ...230
3.2.4.6 Die Kontroversen um den ,,Goldenen Reis"...232
3.2.4.7 Streitfall
Xenotransplantation ...234
3.3 Beurteilung und Interpretation der Corporate Citizenship Strategie im
Hinblick auf Aussagen der unternehmensethischen Theorie
237
4. Fazit: ,,The social responsibility of business is to increase its profits"? ...255
Quellenverzeichnis ...263

1
1. Warum
Unternehmensethik?
,,Deutschland hat einen Traum: von Unternehmen als aktivem Bestandteil einer lebendi-
gen Bürgergesellschaft, die Verantwortung für den Wandel zu mehr Eigeninitiative an-
nehmen und sich als ,,Unternehmensbürger" verstehen."
1
Seit einiger Zeit wird in der Gesellschaft der Ruf nach umfassender gesellschaftlicher
Verantwortung der Unternehmen im Sinne einer ,,Corporate Citizenship" laut, und ver-
mehrt rücken ethische Gesichtspunkte der unternehmerischen Tätigkeit in den Mittel-
punkt des Interesses. Dass Unternehmen heute neben wirtschaftlichen auch soziale und
ökologische Ziele verfolgen sollen ­ diese Ansicht gewinnt immer mehr Befürworter.
Doch wie steht es um das Verhältnis von Moral und Gewinn, wenn es ,,darauf ankommt"?
Ist eine ethisch vertretbare Geschäftstätigkeit unter der Maxime der Gewinnerzielung und
den Sachzwängen eines rauer werdenden, globalen Wettbewerbes überhaupt möglich ­
und wenn ja, wie?
,,Schwerlich bleibt ein Kaufmann frei von Schuld, ein Händler wird sich nicht reinhalten
von Sünde." Sir 26,29
2
Dieses Bibelzitat wirft ein pessimistisches Licht auf die Moralität der Marktakteure. In
weiten Kreisen der Bevölkerung dominiert, nicht zuletzt auf Grund periodisch wiederkeh-
render ,,Enthüllungen" schwerwiegender Fälle unternehmerischen Fehlverhaltens in der
Presse, wie z.B. jüngst die Bilanzskandale großer US-amerikanischer Konzerne, ein
latentes Misstrauen hinsichtlich der Integrität von Unternehmen und ihrer Verantwor-
tungsträger.
3
Als tiefer liegende Gründe dieses Misstrauens können die immer stärker zu
Tage tretenden Phänomene des ,,Marktversagens", wie Umweltverschmutzung, Massen-
arbeitslosigkeit und soziale Exklusion gesehen werden.
4
Es zeigt sich: Unternehmen
müssen sich heute stärker denn je für ihr Handeln legitimieren. Eine Unternehmensethik,
von Klaus M. Leisinger definiert:
1
Croy (2006), S. 9
2
Bibel, Buch Jesus Sirach 26,29, zitiert bei: Leisinger ( 1997), S. 22
3
vgl. Leisinger (1997), S. 22
4
vgl. ebd., S. 37-39

2
,,..als angewandte Ethik verfolgt sie das Ziel, durch Verständigung mit den vom unter-
nehmerischen Handeln betroffenen Menschen materielle und prozessuale Normen zu
erstellen, die vom Unternehmen verbindlich in Kraft gesetzt werden."
5
stellt heute eine der vorrangigen Herausforderungen dar, mit denen sich Unternehmen,
zuallererst ihr Top-Management, auseinandersetzen müssen. Zu dem allgemeinen Bedeu-
tungsgewinn unternehmerischer Verantwortung in der gesellschaftlichen Diskussion
treten weitere bedeutsame Gründe hinzu. Schon aus rein ökonomischer Sicht scheint
Unternehmensethik heute geboten, können Unternehmen doch sowohl im Innen- wie auch
im Außenverhältnis von ihr profitieren: Für die Mitarbeiter, die sich in der Wahrnehmung
ihrer Funktion im Unternehmen häufig in ethisch schwierigen Entscheidungssituationen
befinden, stiftet ein klares Bekenntnis des Unternehmens zu ethisch verantwortlichem
Handeln eine wichtige Orientierung. Hinzu kommt, dass Unternehmen, die ihrem Han-
deln klare Werte zu Grunde legen und diese konsequent umsetzen, auch von einer höhe-
ren Motivation der Mitarbeiter profitieren und am Arbeitsmarkt als attraktive Arbeitgeber
auftreten können.
6
Im Außenverhältnis können Unternehmen, die ihrem Handeln ethische
Leitsätze zu Grunde legen und diese auch befolgen, sowohl von einer höheren gesell-
schaftlichen Akzeptanz profitieren, als auch bei verantwortungsbewussten Konsumenten
einen deutlichen Vorsprung vor Wettbewerbern erzielen.
7
Dies sind nur einige der strate-
gisch bedeutsamen positiven Effekte einer angewandten Unternehmensethik, wenn man
sich zunächst auf die ökonomische Perspektive beschränkt.
Doch warum, könnte man fragen, genügt es für Unternehmen in entwickelten Industriena-
tionen mit stabilen Rechtsstaaten nicht einfach, sich strikt an die Gesetze zu halten? Ist
damit nicht die Pflicht getan? Auch aus dieser Frage leitet sich ein wichtige Existenzbe-
rechtigung der Unternehmensethik her: Denn nicht alles, was legal ist, ist auch legitim, in
vielen Fällen bestehen rechtliche Grauzonen und für multinational agierende Unterneh-
men kann auf Grund divergierender rechtlicher Bestimmungen in den verschiedenen
Ländern ohnehin nicht eine staatliche Rahmenordnung eine klare und eindeutige Orientie-
rung geben. Es zeigt sich, dass es heute für Unternehmen nicht mehr genügt, strikt auf
den Wortlaut der Paragrafen zu verweisen und jedwede darüber hinaus gehende Verant-
5
ebd. S. 18
6
vgl. ebd., S. 179
7
vgl. ebd., S. 177

3
wortung abzulehnen
8
. Beispiele wie das zwar legale, aber in der Gesellschaft auf heftigen
Widerstand stoßende Festhalten einiger pharmazeutischer Unternehmen an Patenten für
antiretrovirale Medikamente zur Behandlung von AIDS in armen Ländern illustrieren
diesen Sachverhalt des ,,Verantwortungsvakuums" zwischen Legalität und Legitimität.
Wollen Unternehmen vermeiden, dass dieses durch einen Ausbau staatlicher Regulierung
gefüllt wird, sind sie aufgefordert, durch eigene Initiativen sinnvolle Regelungen zu
kritischen Bereichen wie der Umweltbelastung etc. zu erzielen.
9
Nicht zuletzt ist ein wichtiger Grund für die zunehmende Bedeutung von Unternehmens-
ethik und Corporate Citizenship eng mit dem Phänomen der Globalisierung verknüpft:
Während diese einerseits ein enormes wirtschaftliches Potenzial birgt, fürchten viele
Menschen eine Verschärfung sozialer Gegensätze auf der Welt und eine Abwärtsspirale
bei sozialen und ökologischen Standards. Das Fehlen eines einheitlichen, globalen recht-
lichen Rahmens und damit einer politischen Kontrolle der rapide anwachsenden ökono-
mischen Austauschbeziehungen nimmt Unternehmen in die Pflicht, als die entscheiden-
den Akteure der Globalisierung diesen Prozess verantwortlich mitzugestalten: Es kommt
darauf an, die ökonomischen Vorteile des Welthandels zu maximieren, ohne dabei jedoch
ökologische und soziale Interessen zu missachten
10
.
Die vorliegende Diplomarbeit widmet sich der Frage, wie Moral und Gewinn auf der
Grundlage unternehmensethischer Reflexion zu einem tragfähigen Ausgleich geführt
bzw. füreinander fruchtbar gemacht werden können. Am Beispiel des Schweizer Pharma-
konzerns Novartis AG werden Möglichkeiten dargestellt, wie ein Unternehmen seine
gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und ethische Prinzipien fest in seine Ge-
schäftstätigkeit integrieren kann.
Dabei werden als Grundlage dieser Arbeit zunächst die theoretischen Ansätze wichtiger
Vertreter der Wirtschafts- und Unternehmensethik vorgestellt und einer vergleichenden
Beurteilung unterzogen. Dabei wird insbesondere auf den Gegensatz zwischen präferenz-
und restriktionentheoretischen Ansätzen eingegangen. Die konzeptionelle Arbeit Klaus
Leisingers, heute Präsident der Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung, bildet den
Übergang zur Darstellung der Wahrnehmung unternehmensethischer und gesellschaftli-
8
vgl. ebd., S. 176
9
vgl. ebd., S. 176-177
10
vgl. Leisinger (1997a), S. 1-2

4
cher Verantwortung bei Novartis. Hierbei wird zunächst durch eine Schilderung der
Entstehung und Geschichte des Unternehmens, seines Selbstverständnisses und seiner
Ziele, ein erster Einblick in das Unternehmen gegeben. Anschließend wendet sich die
Arbeit der aktuellen Corporate Citizenship-Strategie des Unternehmens zu. Hierfür bildet
die Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung den Ausgangspunkt. Die darauf fol-
gende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Säulen der Corporate Citizenship-Stra-
tegie wird von folgenden Fragestellungen geleitet:
· Welche besondere ethische Verantwortung kommt der pharmazeutischen Industrie
zu?
· Auf welcher Basis beruht die Corporate Citizenship-Strategie, wie entstand sie?
· Auf welche Bereiche erstreckt sie sich und welche konkreten Maßnahmen umfasst
sie dort jeweils?
· Wie gestaltet sich die Implementierung der Strategie?
An diese Untersuchung schließt sich, auch im Hinblick auf die im ersten Teil vorgestell-
ten theoretischen Fundamente der Unternehmensethik, eine zusammenfassende Beurtei-
lung der Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung bei Novartis an. Abgerundet
wird die Arbeit mit einem Resumé der gewandelten Rolle und Verantwortung der Unter-
nehmen in einer globalisierten Welt.

5
2.
Aktuelle theoretische Ansätze zur Wirtschafts- und Un-
ternehmensethik im Spannungsfeld zwischen präferenz-
und restrikitionstheoretischen Ansätzen
Beschäftigt man sich mit den wichtigsten zeitgenössischen Wissenschaftlern, die mit
ihren Beiträgen entscheidende Impulse für die Diskussion um die gesellschaftliche Ver-
antwortung der Unternehmen lieferten, so lässt sich zwischen zwei großen Denkrichtun-
gen unterscheiden:
Ein Teil der Autoren geht davon aus, dass die Verantwortung für ethisch verantwortbare
Ergebnisse unternehmerischen Handelns primär bei den Individuen beziehungsweise den
Unternehmen als Institutionen selbst zu suchen ist. Eine Wendung zum Positiven sei
folglich in erster Linie dadurch zu erreichen, dass diese ihre Prioritäten ändern: Weg von
der reinen Gewinnmaximierung und hin zu einer ganzheitlichen, die Moral als höchsten
Maßstab anerkennenden Verhaltensorientierung.
11
Da bei diesem Ansatz davon ausge-
gangen wird, dass es in erster Linie die Präferenzen
12
der Akteure sind, die darüber ent-
scheiden, ob die Handlungsergebnisse aus ethischer Sicht zu begrüßen oder abzulehnen
sind, ziehen andere Autoren diese Sichtweise in Zweifel: Ihnen zufolge haben einzelne
Verantwortungsträger oder Unternehmen auf Grund der Wettbewerbslogik und den dar-
aus entstehenden Dilemmasituationen nur sehr begrenzt Einfluss auf ethisch (un) er-
wünschte gesellschaftliche Ergebnisse. Vielmehr sei es in erster Linie die Ausgestaltung
der Rahmenbedingungen, die über geänderte Anreizstrukturen als Hebel für die Beein-
flussung der aus der Interaktion zahlreicher Akteure entstandenen Gesamtergebnisse
dienen kann.
13
Auf Grund der Betonung der institutionellen Rahmenbedingungen bezie-
hungsweise den daraus resultierenden Beschränkungen der Handlungsmacht Einzelner
werden diese Ansätze als restriktionstheoretisch
14
bezeichnet.
Im Folgenden werden wichtige theoretische Ansätze der Wirtschafts- und Unternehmens-
ethik vorgestellt und im Anschluss daran einer vergleichenden Beurteilung, insbesondere
im Hinblick auf eher restriktionen- oder präferenztheoretische Aussagen, unterzogen.
11
vgl. Ulrich (2002), S. 112
12
vgl. Homann/ Blome-Drees (1992), S. 102-103
13
vgl. ebd., S. 35
14
vgl. ebd., S. 102-103

6
Hierfür wurden die Beiträge von vier Wirtschaftsethikern ausgewählt, nämlich Peter
Ulrich, Karl Homann, Andreas Suchanek und Daniel Dietzfelbinger. Diese Auswahl
stützt sich zum einen auf die Zielsetzung, möglichst unterschiedliche Konzeptionen der
Wirtschafts- und Unternehmensethik vorzustellen, um in der vergleichenden Beurteilung
aufzeigen zu können, an welchen zentralen Punkten zwischen den einzelnen Autoren
Kontroversen bestehen. Zum anderen wurden mit Peter Ulrich auf der einen, und Karl
Homann und Andreas Suchanek auf der anderen Seite exponierte Vertreter je einer wirt-
schaftsethischen Denkschule, nämlich des präferenz- und des restriktionstheoretischen
Ansatzes, gewählt, um an Hand ihrer Theorien diese beiden Konzepte herzuleiten und
ihre zentralen Aussagen zu illustrieren.
Die Theorie Peter Ulrichs wurde für diese Arbeit ausgewählt, da sie anschaulich und mit
Hinblick auf die historische Entwicklung aufzeigt, wie sich die Ökonomik und die Ratio-
nalität als deren zentrales Leitprinzip zunehmend aus ihrer Einbettung in einen breiteren
gesellschaftlichen Zusammenhang emanzipierten und zum allumfassenden Ordnungs-
prinzip der Gesellschaft werden konnten. Dies zog seiner Ansicht nach negative Wirkun-
gen nach sich. Dem stellt er mit dem Konzept des republikanischen Liberalismus den
Entwurf einer Gesellschaft gegenüber, deren Grundprinzip nicht die wechselseitige Vor-
teilssuche, sondern die unbedingte Achtung der Bürger voreinander darstellt. Ulrich ist
ein entschiedener Verfechter der Ansicht, dass eine Wende zum Besseren dabei anfangen
muss, dass die Individuen ihre Gesinnung ändern und lehnt es ab, die Rahmenbedingung
der Wettbewerbswirtschaft als Legitimation einseitig gewinnorientierten Handelns zu
betrachten. Er wendet sich also gegen das Sachzwangdenken. Auf die Ebene der Unter-
nehmen bezogen, führt Ulrich eine Reihe von Ethikmaßnahmen auf, die dazu beitragen
sollen, potenzielle Konflikte zwischen der Gewinn- und Moralverantwortung der Ent-
scheidungsträger zu entschärfen und Orientierung zu geben.
Von Ulrichs Theorie grundlegend verschieden ist der Ansatz Karl Homanns: Mit Rück-
griff auf Adam Smith argumentiert er, gerade die von Ulrich kritisch beurteilte Emanzipa-
tion der Ökonomik aus der Ethik stelle die zentrale Fortschrittsleistung der Moderne dar,
denn in arbeitsteiligen und anonymen Volkswirtschaften sei eine dezentrale Steuerung der
Einzelhandlungen über die Gesetze des Marktes der einzig praktikable Weg, eine Kon-
gruenz von Gemeinwohl- und Eigeninteresse herzustellen. Mit dem Konzept der Dilem-
mastrukturen leitet er her, warum der von Ulrich postulierte Gesinnungswandel beim
Einzelnen in interdependenten Kontexten gerade nicht in der Lage ist, ein aus ethischer
Sicht wünschbares Ergebnis herbeizuführen. Hieraus leitet er die zentrale Bedeutung

7
sinnvoll gestalteter Rahmenbedingungen her, worin die zentrale Aussage des restriktions-
theoretischen Ansatz gesehen werden kann. Auf die Unternehmen bezogen, liefert Ho-
mann mit seiner differenzierten Analyse der verschiedenen Konstellationen von Moral-
und Gewinninteresse und den daraus abgeleiteten Handlungsstrategien diesen eine wert-
volle Entscheidungshilfe.
Andreas Suchaneks Theorie steht in der Tradition des Homannschen Ansatzes. Er zeigt
auf, worauf die Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft gründet
und stellt die Frage, wie unter den Bedingungen einer modernen Wirtschaft und Gesell-
schaft Ethik und Ökonomie zu einem tragfähigen Ausgleich geführt, möglichst gar für-
einander fruchtbar gemacht werden können. Aufbauend auf dem Konzept der Dilemma-
strukturen zeigt er auf, dass dies möglich wird durch Investitionen in die wechselseitige
Besserstellung. Diese Vermögenswerte seien insbesondere Institutionen, welche Fehlan-
reize beseitigen, aber auch Reputation und Humankapital.
Daniel Dietzfelbinger wählt einen stark auf die Unternehmensrealität und die praktischen
Herausforderungen der Wirtschafts- und Unternehmensethik bezogenen Ansatz. Seine
zentrale Aussage ist die des Stilgedankens der Sozialen Marktwirtschaft, in dem Ethik
und Ökonomie, Gerechtigkeit und Freiheit, als untrennbare und ineinander verschränkte
Prinzipien vorausgesetzt werden. Indem er damit eine Synthese von Ethik und Ökonomie
anstrebt, könnte der Stilgedanke gleichermaßen als Brücke zwischen dem restriktions-
und präferenztheoretischen Ansatz aufgefasst werden: Während erster eine ,,Endogenisie-
rung" der Ethik in die Ökonomie anstrebt und ethisch wünschbare Ergebnisse aus dem
wohlverstandenen Eigeninteresse der Akteure herzuleiten versucht, postuliert zweiterer
im Konfliktfall die systematische Unterordnung ökonomischer unter ethische Zielsetzun-
gen. Der Stilgedanke schließlich strebt ein ,,Ineinander" beider Disziplinen an.
Diesem Ziel, nämlich zuerst den restriktions- und präferenztheoretischen Ansatz vorzu-
stellen, diese dann zu ergänzen um den Stilgedanken und die verschiedenen Ansätze
schließlich in einer abschließenden Beurteilung zu resümieren und gegenüberzustellen,
entspricht der Aufbau des nachfolgenden Teils dieser Arbeit. Die Brücke zum praxisbe-
zogenen Teil, in dem die Umsetzung ethischer Zielsetzungen bei der Novartis AG unter-
sucht wird, stellt die konzeptionelle Arbeit Klaus Leisingers dar. Als früherer Geschäfts-
führer einer Ciba-Geigy-Niederlassung in Ostafrika, heute Präsident der Novartis Stiftung
für Nachhaltige Entwicklung und gleichzeitig Professor für Entwicklungssoziologie an
der Universität Basel, verfügt Klaus Leisinger sowohl über Einblicke in den Geschäftsall-

8
tag bei Novartis, als auch über profunde Kenntnisse in den Bereichen Unternehmensethik
und Entwicklungspolitik. Zu diesen Themen veröffentlichte er zahlreiche Beiträge. In
diese Arbeit flossen unter anderem Veröffentlichungen Leisingers zu verantwortungsvol-
ler Geschäftsführung in einer globalisierten Welt, zur Verantwortung pharmazeutischer
Unternehmen im Hinblick auf das Recht auf Gesundheit und zur Umsetzung des UN
Global Compacts bei Novartis ein.
Die Erarbeitung der wirtschafts- und unternehmensethischen Grundlagen beginnt im
Folgenden mit der Vorstellung des Ansatzes von Peter Ulrich.
2.1
Peter Ulrich: Die Idee des republikanischen Liberalismus und des lebens-
praktisch vernünftigen Wirtschaftens als Gegenentwurf zur ,,Marktgesell-
schaft"
2.1.1 Grundlegende Thesen des Ulrichschen Ansatzes
Der Schweizer Peter Ulrich, Inhaber des ersten Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der
Universität St. Gallen und ab Herbst 1989 Gründungsdirektor des dort angesiedelten
Instituts für Wirtschaftsethik, vertritt die These, ein rein an der ökonomischen Rationalität
ausgerichtetes Wirtschaften führe, im Gegensatz zur wirtschaftsliberalen Doktrin, nicht zu
allseits wünschbaren gesellschaftlichen Ergebnissen. Die ,,unsichtbare Hand des Mark-
tes", die automatisch den Wohlstand aller am wirtschaftlichen Geschehen Beteiligten
mehre, sei unter heutigen Bedingungen nicht mehr geeignet, in ihrer uneingeschränkten
Form als alleiniges Ordnungsprinzip des Wirtschaftens zu fungieren.
Als Gegenentwurf zu einer rein an Marktprinzipien ausgerichteten Gesellschaft zielt
Ulrich mit dem ,,republikanischen Liberalismus" auf eine voll entfaltete, solidarische
Zivilgesellschaft zur Partizipation befähigter Bürger ab
15
.
Während Ulrich nicht grundsätzlich die Vorteile einer marktwirtschaftlichen Ordnung
abstreitet, wendet er sich gegen eine Überhöhung des marktlichen Effizienzprinzips und
der ökonomischen Rationalität zu Maximen der gesellschaftlichen Ordnung, was in eine
,,Marktgesellschaft" münde.
16
Er spricht sich dafür aus, den Markt zu ,,entzaubern" und
wieder vermehrt die Frage zu stellen, unter welchen Bedingungen das Wirtschaften dem
15
vgl. Ulrich (2002), S. 72-86
16
Ulrich (2002), S. 11-12

9
Menschen tatsächlich dienlich sei. Dabei sollten, so Ulrich, auch die Kehrseiten der
Marktwirtschaft wie ungleich verteilte Partizipationschancen nicht außer Acht gelassen
werden.
17
In seinem Werk ,,Der entzauberte Markt" geht Ulrich zunächst darauf ein, wie sich im
Zuge der Modernisierung die Gesellschaft zunehmend von der Einbettung des Wirtschaf-
tens in einen breiteren gesellschaftlichen Zusammenhang wegbewegte und immer einsei-
tiger auf Effizienz, Wachstum und Marktfreiheit als vermeintliche Garanten gesellschaft-
licher Wohlfahrt setzte. Dabei seien die eigentlich zu Grunde liegenden Leitbegriffe der
Vernunft, des Fortschritts und der Freiheit zunehmend auf die ökonomische Rationalität
eingeengt worden.
18
Außer Acht gelassen worden sei dabei die Tatsache, dass die soziale
Interaktionsfähigkeit des Menschen ebenso großen Anteil an seinem Fortschritt genom-
men habe wie seine ökonomisch-technischen Fähigkeiten zur effizienten Ressourcenver-
wertung. Es gelte daher, den Begriff der ,,Vernunft" wieder ganzheitlicher auszulegen,
nämlich als die Suche nach dem Lebensdienlichen, was ökonomische Effizienz mit ein-
schließt, mit dieser jedoch nicht gleichzusetzen sei. So verstandene ethisch-praktische
Vernunft sei als Korrektiv des rein effizienzorientierten Wirtschaftens unverzichtbar.
19
Sonst laufe die Gesellschaft Gefahr, die negativen Wirkungen einer entfesselten Markt-
wirtschaft aus den Augen zu verlieren:
,,Die Frage ist nur: Fortschritt wohin eigentlich? Effizienz wofür und für wen konkret?"
20
Ulrich nennt Beispiele, wo ökonomische und ethisch-praktische Vernunft kollidierten: So
sei der grenzüberschreitende massenhafte Güterverkehr zwar geeignet, Kostenvorteile bei
der Produktion in bestimmten Ländern auszunutzen, führe jedoch gleichzeitig zu negati-
ven externen Effekten wie der Verkehrs- und Umweltbelastung, die von den Verursa-
chern nicht oder nicht ausreichend getragen würden
21
. Ebenso kritisiert er die reine Out-
putorientierung bei der Bewertung der menschlichen Arbeit am Markt nach dem Prinzip
der Leistungsgerechtigkeit: Übersehen werde, dass die Arbeit für den Menschen gleich-
17
vgl. ebd., S. 11-12
18
vgl. ebd., S. 17-21
19
vgl. ebd., S.21-23
20
ebd., S. 23
21
vgl. ebd., S. 24

10
zeitig auch sinn- und identitätsstiftend sei und somit der Wert menschlicher Arbeit nicht
adäquat durch die Messung des Ausstoßes wiedergegeben werden könne
22
.
Obwohl dieses Argument grundsätzlich stichhaltig ist, kann m.E. dennoch eingewendet
werden, dass aus Unternehmenssicht eine Entlohnung nach dem Prinzip der Anstren-
gungsgerechtigkeit, also eine Orientierung am Input, statt am Output, auf Grund der
mangelnden Messbarkeit praktische Probleme aufwirft. Zudem könnte diese ebenso als
ungerecht gelten, falls unterschiedlich hohe Outputs zweier Arbeitnehmer gleich entlohnt
werden, da ihr Input, z.B. die Arbeitszeit, gleich waren. Ohnehin ist dies bei Angestellten,
die keine leitungsabhängigen Gehaltskomponenten haben, tendenziell der Fall, eine starke
Outputorientierung wäre also am ehesten noch bei Akkordlöhnen anzutreffen.
Verbunden mit dem Problem der reinen Outputorientierung der Entlohnung sei Ulrich
zufolge auch das Phänomen der ,,working poor", also der Arbeitnehmer, die auf Grund zu
geringer Entlohnung trotz Vollzeitbeschäftigung keine ausreichende Existenzgrundlage
hätten.
23
Exemplarisch zeigt Ulrich an Missständen wie diesen, dass der Markt durchaus
nicht immer in der Lage ist, gesellschaftlich wünschbare Zustände herbeizuführen. Kri-
tisch fragt er: ,,Wirtschaften heißt Werte schaffen- aber welche Werte für wen?"
24
Im Folgenden vertieft Ulrich die Frage nach dem letztendlichen ,,Wert" des Wirtschaftens
und zeigt auf, wie einerseits das marktliche Rationalitätsprinzip immer stärker die Gesell-
schaft durchdrungen hat und welche Korrekturen andererseits notwendig sind, um zu
einem lebensdienlichen Wirtschaften zurückzukehren.
2.1.2 Kritik am herkömmlichen ökonomischen Rationalitätsbegriff
Dabei weist Ulrich zunächst darauf hin, dass die Maxime ,,Handle effizient!" entspre-
chend den obigen Ausführungen nicht gleichzusetzen sei mit der umfassenderen Auffor-
derung ,,Sei vernünftig!". Dies setze voraus, dass die handelnde Person gute Gründe
beziehungsweise normative Leitideen konsequent zu Grunde lege. Dies könne dann er-
reicht werden, wenn das wirtschaftliche Handeln um ethische Sinn ­und Legitimations-
fragen ergänzt und durch sie geleitet werde: Dabei lässt sich die Dimension des Sinns
22
vgl. ebd., S. 25
23
vgl. ebd., S. 26
24
ebd., S. 26

11
durch die Frage ,,Wo wollen wir hin?", also eine am Ziel des guten Lebens orientierte,
teleologische Ethik, erfassen.
25
Die andere Dimension ist der Legitimität: Jeder am Markt
tätige Akteur, Individuum oder Institution, müsse sich auch fragen lassen, wie sich seine
wirtschaftliche Aktivität auf die gesamte Gesellschaft auswirke, ob sie mit dem Leitbild
einer geordneten Gesellschaft freier und gleicher Bürger vereinbar sei. Diese Rückkopp-
lung an verbindliche, allgemein gültige Werte ist demnach deontologisch.
26
Dieses deontologische Element vermisst Ulrich in der rein utilitaristischen, neoklassi-
schen Konzeption der ökonomischen Rationalität: Handlungen würden dort rein teleolo-
gisch, also im Hinblick auf den zu erwartenden Nutzen bzw. die Folgen für die Handeln-
den beurteilt. Ethik sei also bei diesem Ansatz immer eine durch den Nutzen bedingte
Ethik, was nach Ulrich nicht mit dem unbedingten, nach Kant kategorischen Geltungsan-
spruch bestimmter Normen, wie der unantastbaren Würde des Menschen, zu vereinbaren
sei.
27
Denn wenn nur nach dem Nutzen der Marktakteure gefragt werde, blieben diejeni-
gen im Kalkül außen vor, die keine Mittel haben, ihren Interessen Gehör zu verschaffen.
Ein einleuchtendes Beispiel seien die Interessen nachfolgender Generationen, deren Be-
rücksichtigung in einer rein teleologische Ethik nicht unbedingt geboten sei. Dies be-
zeichnet Ulrich als ,,deontologische Lücke"
28
der ökonomischen Rationalität.
Mit diesen beiden Grundfragen ­ der Sinn ­ und der Legitimationsfrage möchte Ulrich
eine erste Orientierung für die zuvor aufgeworfene Frage, wofür (Sinnfrage) und für wen
(Legitimationsfrage) geben. Denn- und hier unterscheidet sich Ulrich fundamental von
der klassischen Wirtschaftstheorie- der Markt sei von sich aus ,,ethisch blind"
29
, er habe
also keine eigene moralische Qualität. Diese herzustellen liege in der originären Verant-
wortung derer, die auf ihm agierten.
Damit stellt sich Ulrich gegen den seiner Auffassung nach Überhand nehmenden ,,Öko-
nomismus", der als ,,Großideologie" inzwischen kaum mehr hinterfragt werde.
30
Dabei
25
vgl. ebd., S. 28
26
vgl. ebd.,S.29
27
vgl. Ulrich (1990), S. 195-196
28
ebd., S. 196
29
ebd., S. 30
30
vgl. ebd., S. 35

12
kritisiert er vor allem zwei Varianten des ,,Ökonomismus", zum einen das Sachzwang-
denken, zum anderen die These von der Metaphysik des Marktes.
31
Sachzwangdenken bedeute, dass die unbedingte Ausrichtung an der ökonomischen Ratio-
nalität deshalb unerlässlich sei, weil der auf der Wettbewerbslogik fußende Marktmecha-
nismus dem Unternehmen keine andere Möglichkeit als das marktkonforme Verhalten
biete. Wer sich nicht an die Gesetze des Marktes hielte, sei zum Marktaustritt gezwungen.
Ulrich wendet ein, dass nicht der Markt, sondern die einseitige Gewinnmaximierung unter
Ausblendung anderer, normativer Grundsätze, ,,der wechselseitige Zwang der Wirt-
schaftssubjekte durch ihr je privates Einkommens- oder Gewinnstreben"
32
diese ver-
meintliche Zwangslage verursache. Obwohl er keinem Marktteilnehmer den Verstoß
gegen die eigene wirtschaftliche Selbstbehauptung zumuten möchte, fordert Ulrich die
unbedingte, wechselseitige Achtung der Akteure ein.
33
Der Zusatz ,,je privat" deutet
darauf hin, dass Ulrich die Gewinnmaximierung nicht als zwangsläufige und der kollekti-
ven Logik des Marktes entspringende Handlungsweise, sondern auf die (problematischen)
Präferenzen der Marktteilnehmer zurückzuführende Erscheinung hält. Konsequenterwei-
se würde von diesen auch individuell eine Verhaltensänderung erwartet werden können.
Warum dies Probleme aufwerfen kann, wird später bei Homann und Suchanek an Hand
von Dilemmastrukturen gezeigt.
Ebenso wendet sich Ulrich gegen die Vorstellung, der Markt sei nicht nur ein Tauschplatz
für Güter oder Arbeitskraft, sondern erziele überdies durch dezentrale Koordination über
den Preismechanismus von sich aus eine optimale Ressourcenverteilung. Dies wird mit
der ,,unsichtbaren Hand" des Marktes zum Ausdruck gebracht, die Metaphysik bezieht
sich also darauf, dass über den reinen Tauschprozess hinaus eine moralische Qualität des
Marktgeschehens unterstellt wird. Problematisch ist hierbei nach Ulrich, dass nicht alle
Menschen die gleichen Partizipationschancen am Markt haben, einige davon sogar ausge-
schlossen seien. Es zähle nur der marktlich bewertete Output der Wirtschaftssubjekte, was
in Ulrichs Auffassung nicht mit Gerechtigkeit oder einer metaphysischen Qualität des
Marktes in Einklang gebracht werden könne.
34
31
vgl. ebd.,S. 36
32
ebd., S. 37
33
vgl. ebd., S. 38
34
vgl. ebd., S. 40

13
Welche grundlegenden Probleme liegen nun in einer Wirtschaftsethik, die davon ausgeht,
dass moralisch wünschbare Ergebnisse innerhalb des ökonomischen Systems, also über
die Eigeninteressen zu erzielen sind? Eine solche Ethik, die Ulrich als ,,funktionale Wirt-
schaftsethik"
35
bezeichnet, geht davon aus, dass es für ein reibungsloses Gelingen von
Transaktionen für die Wirtschaftssubjekte im eigenen Interesse notwendig ist, sich zu-
mindest im Grundsatz moralisch zu verhalten. Dies beruht auf der Einsicht, dass es in
vielen Situationen notwendig ist, sich selbst zu moralischem bzw. reziprokem Handeln zu
verpflichten, weil sonst die gewünschte Transaktion nicht zu Stande kommt, da das Ge-
genüber ein ausbeuterisches Verhalten antizipiert. Diese Situationen, bekannt ist bei-
spielsweise das später noch genauer zu erläuternde Gefangenendilemma, ist Gegenstand
der Neuen Institutionenökonomik. Obwohl, so Ulrich, mit Modellen wie diesen gezeigt
werde, dass moralisches Verhalten im Eigeninteresse der Akteure liegen kann, fehle die
normative Begründung moralischen Handelns.
36
Neben dieser oben schon beschriebenen deontologischen Lücke sieht Ulrich noch zwei
weitere Probleme dabei, Ethik rein ökonomisch herleiten zu wollen: Zum einen werde der
methodologische Individualismus, also die vermeintlich zu Forschungszwecken (also
methodologische) vorgenommene Reduktion menschlichen Handelns auf eine individua-
listische bzw. egozentrische Perspektive dem Menschen nicht gerecht. Dies stelle einen
,,Fehlschluss vom Sein aufs Sollen"
37
dar. Denn der Mensch sei zu kritischer Reflexion
seiner Präferenzen fähig, diese seien nicht einfach ,,empirisch gegeben". Übersehe man
dies, so bediene man sich nicht mehr nur eines methodologischen, sondern eines normati-
ven Individualismus.
38
Zum anderen kritisiert er die ,,rein systemische Perspektive" der
funktionalen Wirtschaftsethik: Es werde unterstellt, alle Institutionen in einer Gesellschaft
seien ausschließlich dafür da, das reibungslose Funktionieren des Marktes zu garantieren.
Verkannt werde, dass es außerhalb des ökonomischen Systems auch andere Leitideen mit
Eigenwert gebe, so z.B. die Freiheit und Würde aller Bürger, und dass die staatliche
Rahmenordnung auch für die soziale Integration der Gesellschaft verantwortliche sei.
39
Daher ist es Ulrich zufolge notwendig,
35
vgl. Ulrich (1990), S. 188
36
vgl. Ulrich (1990), S. 188-189
37
ebd., S. 197
38
vgl. ebd., S. 197
39
vgl. ebd., S. 199-200

14
,,das teleologische Element der ökonomischen Rationalität mit dem unverzichtbaren
deontologischen Element ethisch-praktischer Vernunft methodisch zu vermitteln."
40
Als Alternative zum reinen Rationalitätsprinzip schlägt Ulrich eine ,,sozialökonomische
Rationalitätsidee" vor, die neben dem bei der Ressourcenverwendung legitimen Effi-
zienzaspekt einen zusätzlichen, nämlich den Legitimitätsaspekt mit einschließt. Dieser
kommt dann zum Tragen, wenn es um die Beziehung zwischen den Wirtschaftssubjekten
geht:
,,Als ökonomisch vernünftig...kann jede Handlung oder Institution gelten, die freie und
mündige Personen in der vernunftgeleiteten Verständigung unter allen Betroffenen als
legitime Form der Wertschöpfung gutheißen können."
41
2.1.3 Der Weg zu einem ,,vernünftigen" Wirtschaften
Wie gelangt man nun von einer rein teleologischen zur sozialökonomischen Rationalitäts-
idee? Wie kann die deontologische Lücke beseitigt werden? Ulrich sieht hierfür Ansätze
in der neueren ökonomischen Forschung: John Rawls habe in seiner ,,Theorie der Gerech-
tigkeit"
42
bereits einen Weg aufgezeigt: Der hypothetische Schleier des Nichtwissens
bringe Menschen dazu, im eigenen Interesse (teleologisches Element) eine Rahmenord-
nung anzustreben, die für alle akzeptabel (deontologisches Element) sei. Wenn niemand
wisse, so Rawls, welche Position er am Ende in der Gesellschaft einnehmen werde, so
würden sich alle dafür aussprechen, der menschlichen Freiheit und Würde Vorrang zu
gewähren vor allen wohlfahrtstheoretisch-utilitaristischen Überlegungen. Damit könne
eine normative Forderung rein mit den Präferenzen der Menschen in Einklang gebracht
werden.
43
Im Rahmen der Diskursethik wird dieser ,,imaginäre Rollentausch" mit dem
Ausdruck ,,ideal role-taking"
44
beschrieben. Peter Ulrich hierzu:
,,Der Diskurs ist das Verfahren, in dem die intersubjektive Austauschbarkeit der Perspek-
tiven in der Gemeinschaft von Subjekten, die an der rationalen Begründbarkeit von Gel-
40
ebd., S. 199-200
41
ebd., S. 43
42
vgl. Rawls (1979), S. 201
43
vgl. ebd., S. 201
44
Ulrich (2001), S. 78

15
tungsansprüchen interessiert sind, durch den verständigungsorientierten Austausch von
Argumenten (guten Gründen) praktisch geprüft wird."
45
Eine wichtige Weiterentwicklung des ökonomischen Prinzips habe auch James Buchanan
geliefert, der den Begriff der Effizienz neu deutete, indem er Transaktionen als effizient
bezeichnete, die auf dem Konsens aller Beteiligten beruhen. Tauschverträge seien dem
Gesellschaftsvertrag systematisch untergeordnet, denn erst eine stabile Rahmenordnung
ermögliche die private Interessensverfolgung
46
. Damit, so Ulrich, sei bereits ein entschei-
dender Schritt in Richtung der Diskursethik gegangen worden, welche Ethik auf eine
rationale Verständigung freier Subjekte zurückführe. Diese jedoch sei selbst deontolo-
gisch fundiert, setze sie doch die wechselseitige, unbedingte Anerkennung der Wirt-
schaftssubjekte und die Wünschbarkeit eines gewaltfreien Diskurses als normative
Grundlagen voraus.
47
Eine kommunikative Ethik hält Ulrich für geeignet, die gesuchte
Brücke zwischen der ethisch-praktischen, und der ökonomischen Rationalitätsidee zu
schlagen.
48
Bezieht man diesen Gedanken auf die Ebene der Unternehmen, greift Ulrich hier m.E. im
übertragenen Sinne den Gedanken von einer Ausrichtung der geschäftlichen Tätigkeit an
allen Betroffenen, den Stakeholdern, und nicht nur den an Kapitalverzinsung orientierten
Shareholdern auf. Effizienz muss um Legitimität erweitert werden.
Wie aber kam es zu der von Ulrich diagnostizierten Vormachtstellung des Ökonomischen
in der heutigen Gesellschaft? Der Übergang von der vormodernen zur modernen Gesell-
schaft sei im Kern davon getragen worden, das Handeln nicht mehr an Traditionen, son-
dern an der Vernunft, der eigenen Reflexion, auszurichten. Das Individuum und sein
Erfolgsstreben sei immer stärker Leitbild der Gesellschaft geworden. Nach Max Weber
war es die Rationalisierung, ,,Vernünftigung", die die Herausbildung des kapitalistischen
Systems ermöglicht habe.
49
War die vormoderne Gesellschaft noch stark durch Traditio-
nen, unreflektierte Machtverhältnisse und korporative Institutionen wie den Zünften
gekennzeichnet, so wurde es nun zunehmend der individuelle wirtschaftliche Erfolg, der
das Leben und Streben der Menschen bestimmte. Das Bürgertum löste den Adel als die
45
ebd., S. 78
46
vgl. Ulrich (1990):, S. 191, 201
47
vgl. Ulrich (1990), S. 202
48
vgl. ebd., S. 202
49
vgl. ebd., S. 45-47

16
gesellschaftliche Schicht ab, die den Ton angab. Gleichzeitig differenzierte sich die Ge-
sellschaft zunehmend aus, das wirtschaftliche Subsystem emanzipierte sich immer stärker
aus seinen gesellschaftlichen Fesseln und schuf sich seine eigenen Regeln.
Die Befreiung der ökonomischen Sphäre aus der Kontrolle der traditionellen Moral,
möglich geworden durch die Selbststeuerung durch Vernunft, war Ausdruck der Emanzi-
pation des Bürgertums. Aus diesem Grund, so Ulrich, habe sich auch der wirkungsmäch-
tige Glaube an ein von moralischen Forderungen frei zu haltendes, da selbst ethisch ge-
haltvolles marktliches System etablieren können.
50
Der ,,Geist des Kapitalismus", wie
Max Weber es formulierte, war geboren.
51
Dies bedeutete, so Ulrich, jedoch auch, dass der Begriff des ,,Bürgers" zunehmend eine
zwiespältige Bedeutung annahm: Immer weniger bezeichnete er den ,,Citoyen", den
politischen Begriff eines freien und mündigen Bürgers, der sich seiner gesellschaftlichen
Verantwortung bewusst war, und mutierte zum ,,Bourgeois", dem frei von gesellschaftli-
chen und moralischen Schranken agierenden Wirtschaftsbürger. Befördert worden sei
diese Entwicklung, so Ulrich, durch eine ,,moralische Enthemmung und insitutionelle
Entfesselung erwerbswirtschaftlicher Motive."
52
Doch genau diese ,,moralische Enthemmung" sieht Ulrich als Fehldeutung der neoklassi-
schen Wirtschaftsdoktrin: Denn die bürgerliche Wirtschaftsmentalität sei in erster Linie
nicht durch ein Abstreifen religiös-traditioneller Fesseln geprägt, sondern enthalte selbst
starke ethische Voraussetzungen. Aus diesem Grunde sei es verfehlt, davon auszugehen,
dass die Ökonomie eine grundsätzlich wertfreie Disziplin sei. Vielmehr sie ihr reibungs-
loses Funktionieren untrennbar an bestimmte normative und gesellschaftliche Grundlagen
geknüpft.
53
:
So sei beispielsweise die Naturrechtsphilosophie für die Vertragstheorie unverzichtbares
Element gewesen. Adam Smith habe zwar argumentiert, in einer arbeitsteiligen und ano-
nymen Gesellschaft sei nicht mehr das Wohlwollen der Marktakteure, sondern deren
eigene Interessenverfolgung in einem System allgemeiner Regeln der geeignete Koordi-
nationsmechanismus
54
. Dennoch habe auch er ein ,,einfaches System der natürlichen
Freiheit" postuliert, das ohne Rückgriff auf das Naturrecht nicht begründbar gewesen
50
vgl. Ulrich (1990), S. 185-186
51
vgl. ebd., S. 48-49
52
ebd., S. 53
53
vgl. Ulrich (1990), S. 187
54
vgl. Smith, A., "Der Wohlstand der Nationen", Müchen: 1978, S. 582. Zitiert in: Ulrich (1990), S. 187

17
wäre. Auch das Vertrauen in die ,,unsichtbare Hand" sei keineswegs rein empirischer
Natur, sondern enthalte ein starkes metaphysisches Element. Entgegen der gängigen
Doktrin hält Ulrich demnach die Ökonomie nicht für wertfrei. Sie sei an bestimmte,
grundlegende Prämissen gebunden.
55
Die These von der Zweiteilung in Citoyen und Bourgeois ist vor allem auch deshalb
interessant, weil heutzutage viele Unternehmen im Sinne einer Corporate Citizenship sich
wieder vermehrt ihrer Rolle als ,,Citoyen" bewusst zu werden scheinen: Durch die Über-
nahme gesellschaftlicher Verantwortung sollen die negativen Folgen einer weit vorange-
triebenen Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Subsysteme gemildert und so verhin-
dert werden, dass sich die unternehmerische Tätigkeit in dem von Ulrich kritisierten
gesellschaftlichen ,,Vakuum" (,,institutionelle Entfesselung") vollzieht.
In seiner reinsten, calvinistisch geprägten Form sei der (Geld-) Erwerb schließlich gänz-
lich zum Selbstzweck erhoben worden, die Frage nach dessen Sinnhaftigkeit werde gar
nicht mehr gestellt, vielmehr werde im materiellen Erfolg Gottes Wille gesehen.
56
Wenn
das Gewinnstreben demnach eine göttliche Legitimation habe, so sei auch keine ethische
,,Zügelung" des Marktgeschehens mehr erforderlich:
,,Denn wenn jeder Gott, den die Puritaner in allen Fügungen des Lebens wirksam sehen,
einem der Seinigen eine Gewinnchance zeigt, so hat er seine Absichten dabei."
57
Dieser Siegeszug des Marktprinzips in alle Lebensbereiche, von Karl Polanyi als die
,,große Transformation" bezeichnet, von Max Weber mit dem Bild ,,das stahlharte Ge-
häuse des siegreichen Kapitalismus" berschrieben, habe, so Ulrich zu der heute zu kons-
tatierenden eindimensionalen Marktorientierung der Gesellschaft geführt.
58
Er stellt nun
die Frage, wie es gelingen kann, diese Eindimensionalität zu überwinden und so zu er-
möglichen, dass sich die Modernisierung in einem ethisch-politisch reflektierten Rahmen
vollzieht.
59
55
vgl. Ulrich (1990), S. 188
56
vgl. ebd., S. 55
57
ebd., S. 56
58
vgl. ebd., S. 71
59
vgl. ebd., S. 71

18
2.1.4 Der republikanische Liberalismus als Alternative zur ,,Marktgesellschaft"
Um sich dieser Fragestellung anzunähern, stellt Ulrich zunächst zwei verschiedene Frei-
heitsbegriffe gegenüber: Auf der einen Seite den ökonomischen Liberalismus, oder die
Marktfreiheit, auf der anderen Seite den politischen, weiter gefassten ,,republikanischen"
Liberalismus.
60
Er weist darauf hin, dass ein reiner Marktliberalismus ohne ordnungspoli-
tischen Rahmen ein ,,Pseudoliberalismus" sei, ermögliche er doch nur dem Stärkeren
Freiheit und es entstünde eine anarchische Situation. Im Gegensatz dazu berücksichtige
ein wohlverstandener politischer Liberalismus immer auch die Freiheit des Anderen. Dies
jedoch sei durch den Markt und das Recht des Stärkeren allein nicht gewährleistet, viel-
mehr müsse eine praktikable staatliche Rahmenordnung, eine Verfassung diese Freiheit in
Solidarität schützen.
61
Er stellt heraus, wo die Unterschiede zwischen der klassisch-wirtschaftsliberalen und der
von ihm propagierten republikanisch-liberalen Konzeption bestünden: Während bei erste-
rer das Interesse der Menschen aneinander auf ein ökonomisch bedingtes (Tauch-) Inte-
resse reduziert werde, sei im republikanischen Konzept die wechselseitige Achtung unbe-
dingtes Postulat. Hier sieht Ulrich auch den wesentlichen Unterschied zu einer rein funk-
tionalen Wirtschaftsethik: Während diese zwar die ethisch wünschbare Kooperation der
Wirtschaftssubjekte aus ,,kooperationsstrategischer Rationalität"
62
der homines oecono-
mici anerkenne, fehle das Bekenntnis zur Kooperation der Menschen auch dann, wenn es
sich strategisch nicht ,,lohne"
63
. Auch der Freiheitsbegriff an sich weicht in den beiden
Konzepten entscheidend voneinander ab: Bedeute Freiheit in wirtschaftsliberaler Doktrin
vor allem Freiheit von den Ansprüchen der Solidargemeinschaft, äußere sich diese im
republikanischen Liberalismus darin, frei zur umfassenden Partizipation zu sein im Sinne
einer Ermächtigung aller Bürger zur Teilhabe an der Gesellschaft. Schließlich sei bei der
Marktfreiheit allein der Preis einer Leistung das Koordinationsprinzip der (Markt-) Ge-
sellschaft, wohingegen im politischen Liberalismus die Würde jedes Menschen an erster
Stelle stehe. Dementsprechend sei auch die Gesellschaft als Ganze in dieser Konzeption
als Rechts- und Solidarzusammenhang, nicht als Marktzusammenhang zu verstehen, nicht
Vorteilstausch, sondern unbedingte Achtung des Anderen sei das Band, das sie eine.
64
Diese Unbedingtheit spiegelt sich auch in dem von Ulrich geforderten ,,deontologischen
60
vgl. ebd., S. 72-73
61
vgl. ebd., S. 74
62
Ulrich (1990), S. 223
63
vgl. ebd., S. 223
64
vgl. Ulrich (2002)., S. 78-81

19
Minimalkonsens" wieder, der im ,,gleichen Anspruch aller menschlichen Subjekte auf die
Wahrung ihrer Subjektqualität" bestehe. Ob dieser erfüllt sei, könne am Kriterium der
Universalisierbarkeit geprüft werden: ,,Wäre es vertretbar, wenn jeder so handelte?"
65
Praktisch führe dies zum Kriterium der Sozial- und Umweltverträglichkeit wirtschaftli-
chen Handelns.
66
Erst dieser reformierte Liberalismusbegriff ermögliche die ,,reale Freiheit aller Bür-
ger"
67
, die nachhaltig tragfähig sei. Grundauffassung ist der Mensch als soziales Wesen,
der nicht gegen, sondern in der Gesellschaft agiere und sein Recht zur Teilhabe an der res
publica, dem Gemeinwesen, wahrnimmt.
Unterstützt wird die Auffassung vom Menschen als sozialem Wesen durch Studien, die
zeigen, dass sich Menschen tatsächlich nicht primär als gewinnmaximierende Wirt-
schaftssubjekte, sondern als Gemeinschaftswesen begreifen:
68
Der Mensch besitzt einen
natürlichen Hang zur Fairness, der über die reine Rationalitätsidee hinausgeht. Es zeigte
sich, dass die meisten Menschen sich reziprok verhalten, das heißt sie erwidern faires mit
fairem, unfaires mit unfairem Verhalten. Ein Experiment, welches die These des vorteil-
maximierenden Homo Oeconomicus
69
in Zweifel zieht, verläuft folgendermaßen: Zwei
Personen dürfen eine bestimmte Geldsumme, beispielsweise 100 Euro, untereinander
aufteilen. Person A macht ein Angebot, das B entweder annehmen oder ablehnen kann.
Im letzteren Fall bekommt keiner der beiden etwas. Wären nun beide streng rational,
könnte A 90 Euro einbehalten und B nur 10 Euro überlassen. B würde sich, streng ratio-
nal handelnd, lieber für zehn Euro entscheiden, als ganz leer auszugehen, unabhängig
davon, wie gerecht die Verteilung ist. In der Realität boten die meisten der Probanden A
ihrem Partner in etwa die Hälfte der Summe an, da sie wussten, dass ein geringeres An-
gebot als unfair angesehen würde
70
. Ein anderes Beispiel stammt aus dem Bereich der
Entlohnungssysteme: Bis vor kurzem galten relative Entlohnungssysteme, bei denen die
Bezahlung eines Arbeiters davon abhing, wie viel besser er im Vergleich zu seinem Kol-
legen ist, als leistungsfördernder als der klassische Akkordlohn. Vorausgesetzt wurde,
dass sich die Arbeiter nur an ihrem eigenen Verdienst orientieren würden. Die Realität
65
vgl. Ulrich (1990), S. 205
66
vgl. ebd., S. 205
67
Ulrich (2002)., S. 84
68
vgl. Storbeck (2006), S. 9
69
vgl. Suchanek (1993), S. 426- 432. In seinem Aufsatz "homo oeconomicus" im ,,Lexikon der Wirt-
schaftsethik" stellt Suchanek den Homo Oeconomicus als das Modell eines rational handelnden Indivi-
duums, das ein vollständiges und widerspruchsfreies Zielsystem hat, vor. Dieses Zielsystem besteht in der
Nutzen- bzw. Gewinnmaximierung unter den Bedingungen der Knappheit.
70
vgl. ebd.

20
zeigte: Die meisten Menschen berücksichtigten, dass sie durch eigene Mehrleistung den
Verdienst schwächerer Kollegen indirekt schmälerten, und versuchen daher, mit ihrer
Leistung in etwa das Mittelmaß der Gruppe zu treffen. Nachgewiesen wurde dies empi-
risch am Beispiel von Erntehelfern einer großen britischen Obstplantage: ,,Die
Produktivität eines durchschnittlichen Arbeiters ist bei reinem Akkordlohn mindestens 50
Prozent höher als bei einem relativen Entlohungssystem."
71
Das Fazit der mit der Überprüfung der ökonomischen Nutzenmaximierungs-Hypothese
befassten Wirtschaftswissenschaftler lautet daher:
,,Das egozentrische Verhalten, das Ökonomen in Modellen für Wirtschaftssubjekte ­
damit meinen sie Menschen ­ gemeinhin unterstellen, gilt in der Realität in aller Regel
nicht."
72
Dass der Mensch also, wie Ulrich anführt, ein soziales Wesen sei, wird m.E. auch durch
empirische Untersuchungen gestützt. Ökonomische Effizienz scheint immer auch von
dem Wunsch nach Fairness, nach Reziprozität begleitet zu sein. Aber: Dass Menschen
ihren Nutzen maximieren, bedeutet ja nicht nur, dass sie ihren materiellen Nutzen maxi-
mieren. Begreift man das Bedürfnis nach Anerkennung und Integration in eine Gemein-
schaft ebenfalls als (legitimen) Nutzen, so könnte vorerst das Konstrukt des Homo oeco-
nomicus
73
unangetastet bleiben und es wird erklärbar, warum Menschen wie in den oben
geschilderten Situationen handeln. Zudem ist zu bedenken, dass auch gruppendynamische
Prozesse bei derartigem Verhalten eine Rolle spielen können: Wer sich strikt an seinem
Eigennutzen orientiert und die (ungeschriebenen) Regeln der Gruppe, die z.B. die Solida-
rität mit leistungsschwächeren Arbeitern vorschreiben können, missachtet, muss mögli-
cherweise mit dem Ausschluss aus der Gruppe rechnen. Der Gruppenzwang könnte als
ein wichtiger Erklärungsansatz für das beobachtete Verhalten darstellen.
Ulrich zeichnet im Folgenden die Konturen einer voll entfalteten Bürgergesellschaft, die
sich auf drei wesentliche Grundpfeiler stütze: Zum einen einen umfassenden Bürgersta-
tus, der mehr als nur den des Bourgeois meint: Jeder Bürger habe das Recht zu selbst-
ständiger Lebensführung in echter Freiheit und Selbstachtung, und zwar unabhängig von
seinem marktlichen Output. Denn der Citoyen, so Ulrich, sei ein politischer, kein wirt-
71
ebd., S. 9
72
ebd., S. 9
73
vgl. Suchanek (1993), S. 426-432

21
schaftlicher Begriff.
74
Des weiteren mahnt er Bürgersinn an: Republikanisch gesinnte
Bürger wahren ihm zufolge ihre Integrität nur, wenn sie ihr privatwirtschaftliches Er-
folgsstreben konsequent auf dessen Legitimität ,,im Lichte der gleichen Freiheit und
Grundrechte aller Bürger"
75
prüfen. Drittens sei der Markt zu zivilisieren, um eine Beru-
fung auf Sachzwänge zur Entschuldung moralisch inakzeptabler Verhaltensweisen zu
verhindern: Die Rahmenbedingungen seien so zu gestalten, dass die Kluft zwischen den
Sachzwängen und dem ethisch Wünschbaren geschlossen werde.
76
Hier zeigt sich eine gewisse Annäherung an die restriktionstheoretische Sichtweise, da ein
Ansetzen an den Rahmenbedingungen zumindest als notwendige Komponente einer bes-
seren Gesellschaft gesehen wird. Dass es nötig ist, den Markt als Ganzen zu ,,zivilisieren"
setzt m.E. ja logisch voraus, dass eine gewisse Verantwortung für moralisch unerwünsch-
te Ergebnisse auch in den Rahmenbedingungen zu suchen ist.
Des Weiteren geht Ulrich auf die Grundlagen einer ,,anständigen Gesellschaft" ein: Wich-
tig sei, dass ,,bürgerliche Politik" nicht einseitig auf marktradikale Schritte setze, sondern
auch die Würde der ,,Verlierer des Wettbewerbs" und ihren unantastbaren Bürgerstatus
achte. Unbedingter Leitsatz müsse es sein, ,,niemanden zu demütigen", jedem also eine
faire Chance auf die Wahrung seiner Selbstachtung zu lassen.
77
Wenn diese Forderung
nicht erfüllt werde, so stelle sich bei den vom wirtschaftlichen Erfolg Ausgeschlossenen
ein Gefühl der ,,strukturellen Ohnmacht"
78
ein, welches auf der Enttäuschung beruhe, mit
der eigenen Leistung seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten zu können.
Die Forderung nach mehr Eigenverantwortung des Individuums sieht Ulrich stets an die
Prämisse der Chancengleichheit gekoppelt: Diese erfordere umfassende Bürgerrechte,
eine adäquate Ausbildung und einen gerecht verteilten Zugang zu den gesellschaftlichen
Ressourcen.
79
Um den Einzelnen unabhängig von seiner am Markt bewerteten Leistung
zur gesellschaftlichen Teilhabe zu ermächtigen, fordert Ulrich umfassende Wirtschafts-
bürgerrechte für alle Mitglieder der Gesellschaft ein. Diese sollen den negativen Konse-
quenzen einer Entwertung einfacher Arbeitskraft vorbeugen und beinhalten ein Recht auf
74
vgl. Ulrich (2002), S. 86
75
ebd., S. 87
76
vgl. ebd., S. 87
77
vgl. ebd., S.88
78
ebd., S. 89
79
vgl. ebd., S. 90

22
Arbeit, eine Grundsicherung in Form eines ,,Bürgergeldes" und auf Makroebene einen
,,Volkskapitalismus", bei dem die Erträge der Wertschöpfung einer gleicheren Verteilung
zugeführt würden.
80
Hier sollte allerdings darauf hingewiesen werden, dass Ulrich mit diesen Forderungen
bereits eine m.E. relativ egalitaristische Sichtweise vertritt. Ergebnisgerechtigkeit ist
jedoch nur eine von verschiedenen Gerechtigkeitsideen, der Gedanke der Leistungs- bzw.
Anstrengungsgerechtigkeit wird in dieser Konzeption bereits deutlich verwässert.
2.1.5 Wirtschaftsbürgerethik als individualethische Ausprägung des republikani-
schen Liberalismus
Es stellt sich nun die Frage, wo nach Ulrich die Verantwortung für ethisch richtiges Ver-
halten in der Gesellschaft verortet ist. Seiner Auffassung nach kann diese nie ausschließ-
lich bei der Gesellschaft bzw. dem Staat als Ganzem liegen, immer müsse auch das Indi-
viduum in die Pflicht genommen werden. Individualethik und Institutionenethik sieht er in
einem komplementären Verhältnis, wobei er auf individueller Ebene eine Wirtschaftsbür-
gerethik postuliert. Dabei bezeichnet der Begriff ,,Wirtschaftsbürger" den Bourgeois und
Citoyen in sich vereinenden, sich der res publica verpflichtet sehenden Menschen.
,,Der Kern des republikanischen Wirtschaftsethos besteht in der prinzipiellen Bereitschaft
des Bürgers, seine privaten Interessen nicht voraussetzungs- und rücksichtslos zu ver-
folgen, sondern den privaten Erfolg oder Vorteil nur unter der Bedingung seiner Legiti-
mität im Lichte der Prinzipien einer wohlgeordneten Gesellschaft freier und gleicher
Bürger erreichen zu wollen."
81
Im Wesentlichen appelliert Ulrich also an die freiwillige Selbstbindung des Wirtschafts-
subjektes an bestimmte beschränkende Prinzipien, wobei hierfür seiner Gesinnung eine
zentrale Rolle zukommt (,,erreichen zu wollen"). Welche Motivation sieht Ulrich bei den
Wirtschaftsbürgern für ein ethisch legitimierbares Verhalten? Es sei die Selbstachtung,
die diese dazu anhalte, im Zweifelsfall lieber auf ein lukratives Geschäft zu verzichten,
als bei seinen Mitmenschen als unmoralisch zu gelten. Insofern entspringe ethisch richti-
ges Verhalten nicht einem reinen Altruismus, sondern sei schon aus egoistischen Motiven
80
vgl. ebd., S. 94 f.
81
ebd., S. 103

23
geboten: Denn wer als Verantwortungsträger eklatantes moralisches Fehlverhalten an den
Tag lege, laufe Gefahr, die Empörung der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen und als ,,Ab-
zocker" in Verruf zu geraten.
82
Demnach liege dem Konzept des Wirtschaftsbürgers kein
idealistisches ,,Gutmenschentum" zu Grunde, sondern der natürliche Wunsch des Men-
schen nach Anerkennung in der Gemeinschaft. Zudem führt Ulrich an, dass Menschen zur
,,einsichtigen Änderung"
83
ihrer Präferenzen fähig seien, nämlich dann, wenn sie erken-
nen, dass die Handlungsfolgen dieser Präferenzen langfristig nicht rational und nicht
universalisierbar sind, so z.B. umweltschädigendes Verhalten. Nötig sei eine Neu-
Interpretation ökonomischer Begriffe wie Effizienz, Nutzen und Kosten in einer ,,kriti-
schen Selbstreflexion"
84
denn:
,,Es gibt in einer Welt voller Externalitäten wirtschaftlichen Handelns keine ,,reine" (d.h.
wertfreie und instrumentale) ökonomische Rationalität."
85
Dieser Gedankengang ist m.E. insbesondere im Hinblick für Unternehmen von höchster
Relevanz, da Gesellschaft und Konsumenten zunehmend ein kritisches Auge auf deren
Geschäftstätigkeit haben und ein Skandal beträchtliche Reputationseinbußen nach sich
ziehen kann. Dieser Zusammenhang wird an späterer Stelle noch genauer erläutert.
Die Rückgebundenheit des Individuums an die Gesellschaft und sein Streben danach, von
ihr anerkannt zu werden, veranlasst Ulrich auch dazu, das in der Wirtschaftswissenschaft
dominante Menschenbild des eigennutzmaximierenden Homo oeconomicus scharf zu
kritisieren: Dieser sei ,,fehlkonstruiert", er verkörpere mit seiner ,,kalten Eigennützigkeit
und Gleichgültigkeit" das ,,Gegenmodell zu sozial und emotional kompetenten Perso-
nen"
86
Allerdings muss hier m.E. darauf hingewiesen werden, dass der Homo oeconomicus
prinzipiell nicht ein Menschenbild verkörpert, sondern lediglich ein Modell ist, welches
das rationale Handeln des Menschen in bestimmten Situationen zu analysieren hilft. Auf
diesen wichtigen Unterschied weist insbesondere Andreas Suchanek hin, dessen unter-
nehmensethische Konzeption an späterer Stelle noch vorgestellt wird.
82
vgl. ebd., S. 103-105
83
vgl. Ulrich (1990), S. 205-206
84
ebd., S. 205
85
ebd., S. 207
86
Ulrich (2002)., S. 106

24
Wie kann nun der verantwortungsbewusste Wirtschaftsbürger zu ethisch tragfähigen
Entscheidungen gelangen? Ulrich schlägt einen ,,gedanklichen Rollentausch" als Richt-
schnur des Handelns vor: Durch Hineinversetzen in die Lage der verschiedenen Betroffe-
nen könne geprüft werden, ob die Ergebnisse des eigenen Handelns allgemeine Akzep-
tanz finden können oder nicht.
87
Hier zeigt sich eine Parallele zu John Rawls´ ,,Schleier
des Nichtwissens": Gerecht sei das, was bei allen Beteiligten selbst dann Zustimmung
finde, wenn diese nicht wüssten, welche Position sie in der Gesellschaft hätten und wie
sich eine bestimmte Handlung auf sie auswirke. Im Rahmen der Diskursethik wird dieser
,,imaginäre Rollentausch" mit dem Ausdruck ,,ideal role-taking"
88
Doch wie bereits an früherer Stelle erwähnt, sieht Ulrich durchaus einen gewissen Hand-
lungsbedarf auch auf der Ebene der Rahmenbedingungen, die als ,,Rückenstützen der
Bürgerverantwortung"
89
unverzichtbar seien: Da ein entfesselter Markt zu einem Wach-
sen sozialer Ungleichheit und damit einer Spaltung der Gesellschaft mit einem immer
härteren Selbstbehauptungszwang führe, müssten die Rahmenbedingungen derart gestal-
tet werden, dass die Sachzwänge begrenzt werden: Dazu gehöre die Internalisierung
externer Effekte ebenso wie das Setzen von Anreizen auf eine Weise, die moralisches
Verhalten belohne und unmoralisches strafe. Dennoch sei es dem Einzelnen zuzumuten,
auf eine ,,strikte Gewinnorientierung"
90
zu verzichten.
Ulrich nennt verschiedene Rollen, in denen der Wirtschaftsbürger seiner Verantwortung
nachkommen müsse: Zum einen in der Rolle des kritischen Konsumenten: Durch den
Kauf von Produkten ethisch verantwortlicher Unternehmen und eine Ausrichtung an
ethischen Grundsätzen auch bei der Anlageentscheidung, so z.B. durch die Entscheidung
für einen so genannten Nachhaltigkeits-Fonds, käme dem Konsumente ein erheblicher
Einfluss zu, der einen Wandel hin zu mehr ethischer Verantwortung bei den Unternehmen
herbeiführen könne. Als Orientierungspunkte könnten beispielsweise auch Gütesiegel
dienen. Schlössen sich Aktionäre noch stärker in Verbänden zusammen, so könnten diese
als Shareholder gemeinsam für eine gewandelte Unternehmenspolitik einstehen.
91
Aus Unternehmenssicht bedeutet dies m.E., dass unter der Voraussetzung steigender
Bedeutung ethischer Aspekte bei Kauf- und Anlageentscheidungen der Konsumenten
87
vgl. ebd., S. 112
88
Ulrich (2001), S. 78
89
ebd., S. 107
90
ebd., S. 112
91
vgl. ebd., S. 113-116

25
auch unter Absatz- und Kapitalmarktaspekten eine stärkere Berücksichtigung ethischer
Kriterien geboten ist.
Aus unternehmensethischer Sicht ist insbesondere die Rolle des Menschen als ,,Organisa-
tionsbürger" wichtig: Dieser Begriff bezeichnet bei Ulrich den Menschen als Funktions-
und Rollenträger im Unternehmen.
92
Problematisch sei diese Rolle deshalb, weil der
Organisationsbürger zugleich bestimmte Erwartungen an seine Funktion innerhalb des
Unternehmens erfüllen müsse (Rollenverantwortung) und gleichzeitig aber auch in seiner
Rolle als Bürger im Sinne von Citoyen Verantwortung trage für die Folgen seines Han-
delns für andere. Da sein Aufstieg bzw. seine Selbstbehauptung im Unternehmen von der
reibungslosen Wahrnehmung seiner (funktionalen) Pflicht abhänge, könne er sich ver-
sucht fühlen, opportunistisch zu handeln: Er strebt dann möglicherweise auch mit illegi-
timen Mitteln nach Erreichung seiner Ziele im Unternehmen und verletzt dabei vielleicht
seine Pflicht als Citoyen.
93
Dieses Opportunismusproblem müssten Unternehmen erken-
nen und durch organisatorische Maßnahmen gegensteuern: Hierzu könnten beispielsweise
ein Ethik-Kodex oder ganze Ethikprogramme gehören, wobei auf das Spektrum mögli-
cher ,,Ethikmaßnahmen" im Unternehmen an späterer Stelle noch eingegangen wird. Ziel
aller unternehmensethischen Bestrebungen müsse es sein, den Einzelnen zu einem kriti-
schem und wachsamen Verhältnis zu seinem Unternehmen aufzurufen, ohne dass dieser
dabei gegen die gebotene Loyalität verstoße.
94
Der Gang an die Öffentlichkeit, um illegi-
time Machenschaften im Unternehmen anzuprangern, im Englischen als ,,Whistleblo-
wing" bezeichnet, könne nur als letzter Ausweg gerechtfertigt werden, zugleich könne
durch eine Kultur des Vertrauens verhindert werden, dass Mitarbeiter im Unternehmen
keine reelle Chance sehen, mit ihrem Anliegen ernst genommen zu werden.
95
Jedes Un-
ternehmen habe die Aufgabe, eine ,,organisierte moralische Verantwortung"
96
zu über-
nehmen, wobei ,,organisiert" bedeutet, dass die Rahmenbedingungen hierfür erst bewusst
geschaffen werden müssen. In jedem Falle sei es, so Ulrich, abzulehnen, dass die Privat-
wirtschaft sich strikt von der öffentlichen Sphäre abgrenze und somit eine Verantwortung
für die sozialen und ökologischen Folgen ihrer Aktivitäten negiere.
97
92
vgl. ebd., S. 118
93
vgl. ebd., S. 118
94
vgl. ebd., S. 119
95
vgl. ebd., S. 123
96
vgl. ebd., S. 123
97
vgl. ebd., S. 127

26
2.1.6 Unternehmensethik und Ulrichs Kritik am Gewinnprinzip
Nach der Klärung der individualethischen Verantwortung des Wirtschaftsbürgers wendet
sich Ulrich dem Bereich der Unternehmensethik zu, bezieht also auch die institutionale
Ebene mit ein. Das Grundproblem gerade in großen, als Aktiengesellschaften geführten
Unternehmen sei die Trennung von Eigentümern, den Anteilsbesitzern und den Verant-
wortlichen, die als angestellte Manager die Geschicke des Unternehmens leiten: Da diese,
nicht wie in inhabergeführten Unternehmen, zunächst keine persönliche Bindung an das
Unternehmen hätten, seien sie auch eher anfällig dafür, kurzfristige Erfolge auf Kosten
des langfristigen Unternehmenserfolges oder der ethischen Verantwortung anzustreben.
98
Aus diesem Grunde sei es besonders wichtig, für die ,,organisierte moralische Verantwor-
tung" im Unternehmen zu sorgen.
Ulrich führt einige Beispiele von Unternehmen auf, die ethische Gesichtspunkte in ihre
Geschäftstätigkeit integrieren: Im Falle von Novartis sieht er das konsequente Bekenntnis
zu den neun Prinzipien des UN Global Compact in drei wichtigen Bereichen (Wahrung
der Menschenrechte, Schaffung gerechter Arbeitsbedingungen und den Schutz der Um-
welt) als ein grundsätzlich positives Beispiel eines glaubhaften unternehmensethischen
Einsatzes, kritisiert jedoch die investive Haltung, die sich erkennen lasse
99
. Im Falle des
Corporate Citizenship-Berichtes von Siemens aus dem Jahre 2000 hebt er zwar das klare
Bekenntnis zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung positiv hervor, auch die
kritische Auseinandersetzung mit der Beschäftigung von Zwangsarbeitern während des
NS-Regimes sieht er als begrüßenswerte Ansätze. Jedoch bemängelt Ulrich hier, wie
schon bei Novartis, die Haltung des Unternehmens, Corporate Citizenship als Investition
aufzufassen, da dies dem ursprünglichen Gedanken einer nicht vorteilsorientierten Ver-
antwortungsübernahme für die Gesellschaft nicht entspreche.
100
Zudem interpretiert
Ulrich die außerhalb der normalen Geschäftstätigkeit bei Siemens angesiedelten finanziel-
len Unterstützungsleistungen für die Gemeinschaft als Ausdruck einer ,,mäzenatischen
Spendenethik", die keinen Bezug zur eigentlichen Geschäftstätigkeit habe. Ulrichs Kritik
an der ,,Spendenethik" wird an späterer Stelle noch genauer erläutert.
Hier sei jedoch kritisch darauf hin gewiesen, dass Ulrich zuvor die These aufgestellt hatte,
ethisch legitimiertes Verhalten eines Wirtschaftsbürgers sei nicht ,,idealistisches Gutmen-
98
vgl. ebd., S. 127-128
99
vgl. ebd., S. 134-135
100
vgl. ebd., S. 134-135

27
schentum"
101
, sondern auch von seinem legitimen Interesse an Anerkennung in der Ge-
sellschaft getragen. Kritisiert er nun, dass Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwor-
tung als Investition in ihre Reputation und damit ihre Zukunft auffassen, so könnte man
m.E. darin einen gewissen Widerspruch erkennen.
Kritik übt Ulrich auch an der Schweizer Großbank UBS, welche nach Ulrich eine illegi-
time Gleichsetzung ihrer Shareholder-Interessen mit denen der sonstigen Ansprechgrup-
pen, den Stakeholdern, gleichsetzt.
102
Dabei fänden in der von Ulrich analysierten Publikation andere Ansprechgruppen keiner-
lei Erwähnung und der Verfolgung des Gewinnprinzips werde eine eigene moralische
Qualität zugemessen. Dabei werde das für marktradikale Ansätze charakteristische Ver-
trauen in die Selbststeuerungskraft des Marktes, seine Metaphysik, deutlich. Diese An-
sicht kann Ulrich jedoch nicht teilen.
103
Auch die Beurteilung der Corporate Citizenship-Strategie der Deutschen Bank fällt bei
Ulrich nicht allzu positiv aus. Er kritisiert deren Aussage im Geschäftsbericht, es genüge
nicht der wirtschaftliche Erfolg allein, sondern hinzukommen müsse die gesellschaftliche
Akzeptanz. Auch hier könne Ulrich zufolge der Verdacht entstehen, gesellschaftliche
Verantwortungsübernahme fände dort ihre Grenzen, wo sie nicht mit einem Reputations-
gewinn einher gehe.
104
Es muss jedoch, ebenso wie bei Ulrichs Kritik an Siemens, m.E. wieder als Gegenargu-
ment ins Feld geführt werden, dass Ulrich das Streben um Anerkennung zuvor als legiti-
mes (Mit-) Motiv moralischen Verhaltens bezeichnet hatte.
Zum Kern von Ulrichs Kritik an vielen bis dato erschienenen Veröffentlichungen großer
Unternehmen zu ihrem gesellschaftlichen Engagement gelangt man, wenn man sein
Verhältnis zum Gewinnprinzip näher beleuchtet: Scharf kritisiert er die beispielsweise
von UBS vertretene Ansicht, mit der Maximierung des Shareholder Values ihre Pflicht
erfüllt zu haben. Denn vergessen werde dabei, dass diese Gewinnmaximierung für andere
101
vgl. ebd., S. 106
102
vgl. ebd., S. 135-137
103
vgl. ebd., S. 135-137
104
vgl. ebd., S. 139

28
Ansprechgruppen als die Aktionäre negative externe Effekte verursachen könne. Dies sei
in der These der ,,unsichtbaren Hand" nicht berücksichtigt.
105
Am radikalsten sei diese Ansicht durch den Ausspruch Milton Friedmans
,,The social responsibility of business is to increase its profits"
106
zum Ausdruck gebracht. Friedman begründete seine These damit, Manager stünden allein
im Dienst der Anteilseigner und hätten das ihnen anvertraute Kapital ausschließlich dafür
erhalten, durch am Markt erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen die Bedürfnisse der
Nachfrager zu befriedigen und als Oberziel für eine möglichst hohe Verzinsung des ein-
gesetzten Kapitals zu sorgen. Ihre Ressourcen hätten sie nicht dafür erhalten, soziale oder
andere Probleme zu lösen, hier lägen auch nicht ihre Kompetenzen.
107
Auch Karl Homann vertritt eine deutliche Position zum Gewinnprinzip:
,,Langfristige Gewinnmaximierung ist...nicht ein Privileg der Unternehmen,...vielmehr
ihre moralische Pflicht, weil sie...so am besten dem Gemeinwohl dienen können."
108
Hier widerspricht Ulrich entschieden: Zwar könne der Wettbewerb und das ihm inhärente
Prinzip der Gewinnmaximierung dazu beitragen, dass die Interessen der Nachfrager
bestmöglich befriedigt werden, jedoch bestehe die Gesellschaft nicht nur aus Konsumen-
ten, vielmehr müssten auch die Interessen der Umwelt, der Gemeinden etc. berücksichtigt
werden. Er fürchtet, dass im Zweifelsfalle Wertkonflikte einseitig zu Gunsten des Ge-
winnprinzips aufgelöst würden. Er weist der Moral einen klaren Vorrang vor der Ge-
winnmaximierung zu und glaubt nicht, dass Moral und Gewinn gleichberechtigt und
einander ergänzend nebeneinander stehen könnten:
,,Wer Prinzipien hat, kann nicht zugleich dem Gewinnprinzip frönen."
109
105
vgl. ebd., S. 141
106
Friedman (1970), S. 32 f.
107
vgl. Suchanek (2001), S. 105
108
Homann/ Blome-Drees ( 1992), S. 144
109
Ulrich (2002), S. 150

29
Hier liegt m.E. der elementare Unterschied Ulrichs zu Theoretikern wie Andreas Sucha-
nek und Karl Homann, die die Ansicht vertreten, durch geeignete Rahmenbedingungen
sei eine gleichberechtigte Koexistenz und sogar wechselseitige Beförderung ethischer und
wirtschaftlicher Ziele möglich. Suchanek, dessen Theorie und damit auch seine Kritik an
Ulrichs Ansatz später noch detailliert vorgestellt werden, kritisiert die Ansicht, dass ,,Mo-
ral nur dann wirklich Moral ist, wenn sie weh tut."
110
­ dass also eine gleichzeitige Ver-
folgung des Eigeninteresses prinzipiell die moralische Qualität einer Handlung schmälere.
Bei dieser Ansicht zeigen sich Parallelen zu Kants Pflichtethik, in der dieser verlangt,
moralisches Handeln sei stets aus, nicht nur gemäß Pflicht geboten - die zu Grunde lie-
gende Gesinnung beeinflusse also die moralische Qualität einer Handlung. In einer frühe-
ren Veröffentlichung hatte sich Ulrich jedoch noch selbst kritisch zu Forderungen wie der
oben zitierten geäußert:
,,..nur darf die personale Verantwortungsfähigkeit der Wirtschaftssubjekte nicht mit
naiven individualistischen Verantwortungszumutungen überfrachtet werden, die von
ihnen real gar nicht individuell verantwortet werden können."
111
Ulrich führt aufbauend auf seiner Kritik an bisher existierenden unternehmensethischen
Engagements zwei ,,Varianten halbierter Unternehmensethik"
112
auf, welche deshalb
,,halbiert" seien, weil sie sich jeweils nur auf die Gewinnerzielung bzw. auf die Gewinn-
verwendung bezögen. Sie hielten am Primat des Gewinnprinzips fest und versuchten,
dieses über Umwege zu retten. Eine Variante sei dabei die ,,Instrumentalistische Unter-
nehmensethik"
113
, die Ethik als ,,Erfolgsfaktor" betrachte, der langfristig den Gewinn
sichere, indem er Akzeptanz in der Gesellschaft schaffe und die Reputation des Unter-
nehmens fördere. Dies entspreche der zuvor schon kritisierten ,,investiven" Grundhaltung.
So wird auch der Vorsitzende der Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung, Prof.
Klaus M. Leisinger bei Ulrich zitiert mit der Aussage, Ethik sei ein
,,strategischer Erfolgsfaktor, zur Investition in die langfristige Erfolgssicherung des
Unternehmens."
114
110
Suchanek (2001), S. 31
111
Ulrich (1990), S. 212
112
Ulrich (2002), S. 147
113
ebd., S. 147
114
zitiert bei Ulrich (2002), S. 150

30
Ulrich vermutet, derart verstandene Ethik entspringe womöglich allein der Erfolgssiche-
rung des Unternehmens und wendet ein: ,,Bedingte Ethik ist keine Ethik"
115
Möglicher-
weise ist Ulrichs Auffassung von der bedingten Ethik auf eine missverständliche Ausle-
gung Immanuel Kants zurückzuführen. Ihm zu Folge gibt es kategorische und hypotheti-
sche, also gewissermaßen ,,bedingte" Imperative. Jedoch lässt sich daraus nicht schließen,
dass es eine Ethik immer ,,unbedingt" sein muss.
,,Sound ethics is good business in the long run"
116
als Ausdruck einer funktionalistischen
Sichtweise nicht teilen. Er fordert ein klares Bekenntnis zu moralischem Verhalten gerade
dort ein, wo Moral ,,weh tut", sich also betriebswirtschaftlich ,,nicht rechnet"
117
.
Auch hier sei jedoch kritisch darauf hingewiesen, dass auch Ulrich in der bereits erwähn-
ten früheren Veröffentlichung ausdrücklich davon Abstand nimmt, Moral und Gewinn als
notwendige Gegenpole aufzufassen:
,,Nur ein rigoroser Moralist, der selbst noch in der szientistischen Zwei-Welten-
Konzeption von ,,reiner" Ökonomik und ,,reiner" Ethik befangen ist [...], wird die
Chance, die hier die Ethik (Anm.d. Verfassers: ökonomische Ethik) eröffnet, praktisch
wirksam zu sein, zurückweisen und auf der gerade gegenteiligen Prämisse aller korrekti-
ven Ethik bestehen, dass nämlich Moral notwendigerweise und buchstäblich auf Kosten
der Wirtschaftlichkeit gehen müsse."
118
Des Weiteren sollte m.E. bedacht werden: Wer sagt, ethisches Verhalten sei ein strategi-
scher Erfolgsfaktor, distanziert sich damit nicht zugleich von der Unbedingtheit morali-
scher Forderungen. Hier wird m.E. möglicherweise zu Unrecht eine kalkulierende Grund-
haltung unterstellt, zudem darf nicht vergessen werden, dass Unternehmen immer ihre
Existenzsicherung, schon aus Verantwortung für die Arbeitsplätze ihrer Angestellten,
sicherstellen müssen. Eine investive Haltung könnte also m.E. insoweit gerechtfertigt
werden, wie sie nicht zur Verletzung moralischer Prinzipien zum Zweck der Erfolgssiche-
rung führt.
115
ebd., S. 150
116
zitiert bei Ulrich (2002), S. 149
117
vgl. ebd., S. 150
118
Ulrich (1990), S. 190

31
Die zweite Form ,,halbierter" Unternehmensethik sieht Ulrich dort gegeben, wo zunächst
und womöglich auf illegitime Weise Gewinne erwirtschaftet und dann ein Teil davon
außerökonomischen, karitativen Zwecken zugeführt werde. Dies bezeichnet er als ,,kari-
tative Unternehmensethik"
119
. Problematisch sei sie deshalb, weil erst bei der Gewinn-
verwendung ethische Forderungen erfüllt, bei seiner Erwirtschaftung hingegen weiterhin
strikt der Gewinnmaximierung gefrönt werde. Es sei nicht damit getan, ethische Aspekte
im Geschäftsalltag außen vor zu lassen und dies durch großzügige Spenden kompensieren
zu wollen.
120
Obwohl es m.E. richtig ist, dass karitative Zuwendungen nicht fragwürdige Geschäfts-
praktiken entschulden können, ist dennoch darauf hinzuweisen, dass Gewinnerzielung für
die finanzielle Unterstützung des Gemeinwesens, wie zum Beispiel der Kulturförderung,
unabdingbar ist. Und obwohl es wünschenswert ist, dass das gesellschaftliche Engage-
ment eines Unternehmens mehr als einen jährlichen Scheck an eine Wohltätigkeitsorgani-
sation bedeutet, sollte bedacht werden, dass diese Beiträge auch dann schon positive
Effekte haben können und dringend benötigt werden, wenn sie noch nicht Teil einer
umfassenderen unternehmensethischen Strategie sind. Dass im Vergleich zu den Verei-
nigten Staaten die Rolle des Unternehmens als Bürger und damit verbunden auch finan-
zielle Zuwendungen in Deutschland noch sehr kritisch gesehen wird, wird auch in einem
Handelsblatt-Artikel thematisiert:
,,Das in Deutschland mittlerweile traditionelle Misstrauen zwischen Politik und Unter-
nehmen hat solche Aktivitäten zur Schaffung einer sich selbst tragenden Bürgergesell-
schaft bisher weitgehend verhindert. Die Politik verdächtigt Unternehmen, nur an Macht
und Einfluss zu ihren eigenen Gunsten interessiert zu sein, sich den Pflichten gesellschaft-
licher Natur dagegen mit Freuden zu entziehen.."
121
Wie gestaltet sich nun eine nicht nur ,,halbierte" Unternehmensethik bei Ulrich? Aus
welchen Elementen kann sie sich zusammensetzen? Notwendig wird Unternehmensethik
Ulrich zufolge auf Grund eines zweifachen ,,Opportunismusproblems"
122
: Zum einen sei
das Individuum als Rollenträger im Unternehmen dem Dilemma ausgesetzt, einerseits die
119
ebd., S. 147
120
vgl. ebd., S. 148
121
Croy (2006), S. 9
122
Ulrich (2002), S. 155

32
in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen und Erfolgsbeiträge zu liefern, auf der anderen
Seite stehe er immer auch in der universalen Pflicht als ,,Citoyen", müsse sein Handeln
also ethisch und vor der Gesellschaft legitimieren können. Dieses ist das persönliche
Opportunismusproblem.
123
Zusätzlich existiere ein systemisches Opportunismusproblem:
Unternehmen können sich auf Grund realer oder vermeintlicher marktlicher Sachzwänge
versucht sehen, ethische Grundsätze zu missachten, um sich auf dem Markt behaupten zu
können.
124
2.1.7 ,,Ethikmaßnahmen" in der Unternehmenspraxis
Diesbezüglich streben, so Ulrich, ,,Ethikmaßnahmen" im Unternehmen eine ,,institutiona-
lisierte Selbstverpflichtung auf ethische Leitlinien und Leitplanken der Geschäftspoli-
tik"
125
an. Plastisch vergleicht er dies mit Odysseus, der sich beim Passieren der Sirenen
an einen Schiffsmast festbinden ließ, um der Versuchung nicht nachzugeben.
126
Es müsse
zudem eine Kultur geschaffen werden, in der Mitarbeiter ,,berechtigt, befähigt und ermu-
tigt werden"
127
Kritik zu üben, wenn moralische Grundsätze verletzt werden. Als grund-
legend dafür nennt er eine ,,diskursive Infrastruktur"
128
.
Ethikmaßnahmen erfüllten, so Ulrich, zwei zentrale Funktionen:
a) Eine Öffnung des unternehmensethischen Dialogs und der Reflexion, zugleich eine
Befähigung und Ermutigung hierzu.
b) Eine Schließung von Lücken in den Regelungen des Unternehmens, die ethisch unver-
tretbares Handeln erlauben könnten.
129
Wichtig sei es, beide Funktionen miteinander zu verbinden: Erfüllten die Maßnahmen
lediglich eine öffnende Funktion, bestehe die Gefahr der Unverbindlichkeit. Schlössen sie
ausschließlich bestimmte Verhaltensweisen aus, wirkten sie zu paternalistisch und
schränkten die eigene Reflexion der Mitarbeiter womöglich ein.
130
123
vgl. ebd., S. 155
124
vgl. Ulrich (1996), S. 15
125
ebd., S. 15
126
vgl. ebd., S. 15
127
Ulrich (2002), S. 155
128
ebd., S. 157
129
vgl. Ulrich (1996), S. 15
130
vgl. ebd., S. 16

33
Ulrich führt einige der wichtigsten Ethikmaßnahmen auf:
a) Der Ethik-Kodex
Ein Ethik-Kodex ist eine ,,institutionalisierte Selbstverpflichtung", der Lücken in der
bisher bestehenden Rahmenordnung schließt und opportunistischem Verhalten vorbeu-
gend entgegenwirken soll. Allerdings regt ein Ethik-Kodex, richtig verstanden, dazu an,
situations- und unternehmensspezifisch zu eigenen, ethisch fundierten Urteilen zu gelan-
gen: ,,Reflexion, nicht Reflex"
131
Wichtig ist also der prozessuale Charakter: Ein Ethik-
Kodex muss aus dem Unternehmen heraus und unter Einbeziehung aller wichtiger Grup-
pen schrittweise er- und überarbeitet, nicht von der Unternehmensleitung oktroyiert wer-
den.
132
Eine sinnvolle Ergänzung findet der Ethik-Kodex in Fallstudien, die auf den
Unternehmensalltag zugeschnitten sind. So wird der Prozesscharakter deutlich, denn nicht
ein vorgegebenes Ziel, sondern der Weg zu einer ethisch fundierten Entscheidung und die
Reflexion der Mitarbeiter über ihre eigenen moralischen Grundsätze steht im Vorder-
grund.
133
b) der Ethik-Beauftragte/- Vorstand/ die Ethik-Kommission
Dieser Ansatz zielt darauf ab, ethische Fragen im Unternehmen mit einer festen persona-
len Verantwortung einer oder mehrerer Personen zu verknüpfen. Vorteilhaft ist dies des-
halb, weil v.a. im Falle des Ethik-Vorstandes die hohe hierarchische Position für schnelle
und wirksame Reaktionen auf mögliche Missstände sorgen kann. Wichtig ist es jedoch,
nicht den Eindruck zu vermitteln, ethische Verantwortung sei nun bei einer Stelle zentra-
lisiert und der Rest des Unternehmens somit von der Auseinandersetzung mit ethischen
Fragen freigestellt. Daher muss die beauftragte Stelle sehr sensibel für Anliegen aus der
Belegschaft sein und auch Diskussionen anregen. In Großunternehmen bietet sich eher
die Schaffung einer Vollzeitstelle für einen Ethik-Beauftragten an, als beispielsweise ein
Geschäftsführungsmitglied als Teilaufgabe mit Ethikfragen zu betrauen.
134
131
ebd., S. 18
132
vgl. ebd., S. 18
133
vgl. ebd., S. 19-20
134
vgl. ebd., S.20-21

34
c) Ethik-Beauftragter/ Ombudsmann
Diese Form der institutionalisierten Unternehmensethik, im Englischen lautet die Stellen-
bezeichnung häufig ,,Ethics Officer", stellt eine weitere Möglichkeit dar. Aufgabe eines
Ethik-Beauftragten ist es, die notwendigen Strukturen im Unternehmen zu entwickeln, zu
koordinieren und zu kontrollieren, um ethische Fragestellungen in die tägliche Geschäfts-
praxis integrieren. Der Ethik-Beauftragte stellt eine Umkehr des persönlichen Opportu-
nismusproblems dar, denn im Unterschied zu sonstigen Mitarbeitern stellt seine Rollen-
verantwortung im Unternehmen, die Weiterentwicklung ethischer Geschäftsgrundsätze-
und Verfahrensweisen, keinen Gegensatz dar zu seiner universalen, ,,Citoyen"- Verant-
wortung, sondern ist mit dieser kongruent.
135
Somit kommt ihm zugleich die Funktion des
,,Firmengewissens" zu als auch des ,,Unruhestifters", der gezielt ethische Missstände im
Unternehmen anspreche und nach Lösungen sucht.
136
d) Ethik- Kommission
Hauptaufgabe der Ethik- Kommission ist es, moralische Zweifel an bestimmten geschäft-
lichen Aktivitäten im Unternehmen zur Sprache zu bringen und unterdrückte Problemla-
gen aufzudecken. Drängende Konflikte mit ethischer Relevanz gilt es zu klären und einer
Lösung zuzuführen. Dabei kommt es darauf an, auf eine ausgewogene und repräsentative
Zusammensetzung dieses Gremiums zu achten, denn nur so ist eine hohe Legitimität der
getroffenen Entscheidungen gewährt. Dabei hat die Ethik-Kommission zugleich eine
,,öffnende" und ,,schließende" Wirkung: Öffnend dadurch, dass sie eine Plattform biete
für aufkommende unternehmensethische Fragestellungen, schließend durch die Verbind-
lichkeit der getroffenen Entscheidungen. Wichtig ist auch, dass die Ethik-Kommission die
Belegschaft durch aufklärende Maßnahmen für bisher wenig diskutierte, jedoch ethisch
relevante Themenkomplexe im Unternehmen zu sensibilisieren.
137
e) Ethik-Gesprächszirkel
Diese grundlegende Form der Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen im
Unternehmen eigne sich, so Ulrich, vor allem für Unternehmen, die bisher noch über
135
vgl. ebd., S. 21
136
vgl. ebd., S. 21
137
vgl. ebd., S. 22

35
keine oder wenige institutionalisierte Maßnahmen verfügten und sich über ihre diesbe-
zügliche zukünftige Rolle mehr Klarheit verschaffen möchten. Dabei komme es vor allem
auf eine regelmäßige Abhaltung dieser Gesprächszirkel an, um eine gewisse Kontinuität
zu gewährleisten.
138
f) Ethik-Seminar
Das Ethik-Seminar hat das Ziel, den Mitarbeitern die im Unternehmen geltenden Wert-
maßstäbe und ethischen Orientierungspunkte näher zu bringen. Dabei muss jedoch davon
abgesehen werden, durch die Vermittlung eines starren Werte-Katalogs den Mitarbeitern
den Eindruck der Bevormundung zu geben, was dadurch zu verhindern ist, dass möglichst
viele Mitarbeiter bei der Formulierung und Implementierung dieser Werte einbezogen
werden.
139
g) Integration ethischer Ausbildungsinhalte in allgemeine Trainings/ Ethik- Workshops
Werden im Rahmen der allgemeinen Trainings für neue Mitarbeiter beziehungsweise
innerbetriebliche Weiterbildungsmaßnahmen ethische Inhalte vermittelt, so hat dies den
Vorteil, dass zum einen der Aufwand begrenzt wird, zum anderen auch didaktisch die
wichtige Einsicht vermittelt wird, Ethik sei nicht eine von betriebswirtschaftlichen Aus-
bildungsinhalten losgelöste ,,Zusatzqualifikation", sondern stehe diesen gleichberechtigt
gegenüber.
140
Werden interaktive Workshops statt klassischer Seminare eingesetzt, so
bietet dies eine bessere Chance, dass die Teilnehmer gewissermaßen durch ,,Learning by
Doing" die zu vermittelnden Inhalte verinnerlichen und nicht der Eindruck von der Ge-
schäftsleitung oktroyierter Leitlinien entsteht. Zudem haben die Ergebnisse des
Workshops eine höhere Legitimität, da sie ja auf gemeinsamem Weg erarbeitet worden
sind. Sie erfüllen also zugleich durch die Möglichkeit der aktiven Mitarbeit der Teilneh-
mer eine ,,öffnende", wie auch durch die Verbindlichkeit der Ergebnisse eine ,,schließen-
de" Wirkung.
141
138
vgl. ebd., S. 23
139
vgl. ebd., S. 23
140
vgl. ebd., S. 24
141
vgl. ebd., S. 24

36
h) Ethik-Diskussionsforum
Weniger formal als Ethik-Gesprächszirkel oder ­ Kommissionen, sind im Unternehmens-
alltag verankerte Diskussionsforen geeignet, ,,argumentatives Orientierungswissen im
Sinne gut begründeter Leitideen"
142
zu vermitteln, indem die Mitarbeiter gemeinsam
Lösungen für ethische Probleme, die sich aus dem persönlichen bzw. systemischen Op-
portunismusproblem ergeben, erarbeiten können.
143
i) Unternehmensinterne/- externe Ethik- Hotlines
Eine Hotline, bei der Mitarbeiter möglichst anonym auf etwaige Missstände im Unter-
nehmen hinweisen können, erfüllt zweierlei Funktionen: Zum einen erhöht sich so die
Chance, dass ethisch fragwürdige Sachverhalte früh aufgedeckt werden, da eine spontane
Meldung ohne Formalien möglich sei, zum anderen kann verhindert werden, dass sich
Mitarbeiter aus Furcht vor persönlichen Nachteilen entweder gar nicht zu Wort melden
oder aus Resignation sogar den Weg in die Öffentlichkeit wählen, was für das Unterneh-
men erhebliche Reputationsprobleme nach sich ziehen kann. Damit jedoch nicht der
Eindruck entsteht, Beschwerden würden zwar zur Kenntnis genommen, aber keine Kon-
sequenzen nach sich ziehen, muss die Ethik-Hotline mit anderen Stellen im Unternehmen
verknüpft werden, die sich um Abhilfe für die gemeldeten Probleme kümmern.
144
j) Ethik-/ Öko-Bilanzierung
Die regelmäßige Erfassung der ethisch und ökologisch relevanten Aktivitäten eines Un-
ternehmens im Stil einer Bilanz ziele, so Ulrich, auf die
,,qualitative und quantitative gesellschaftsbezogene Darstellung der Unternehmensaktivi-
täten im Berichtzeitraum"
145
ab.
Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Unternehmen die ethische Qualität ihrer Ge-
schäftstätigkeit allein aus dem quantitativen Umfang ihrer Spenden in einem Jahr ablei-
142
ebd., S. 25
143
vgl. ebd., S. 25
144
vgl. ebd., S. 25
145
ebd., S. 26

37
ten, dies entspreche sonst der oben erläuterten ,,Karitativen Spendenethik". Öffnende
Wirkung kommt der Ethik-/ Öko-Bilanzierung durch die Identifikation von Verbesse-
rungspotenzialen zu, gleichzeitig schließt sie Verantwortungslücken durch auf ihr basie-
rende Verbindlichkeitserklärungen für die Zukunft.
146
Die Öko-Bilanzierung dient in erster Linie der quantitativen und qualitativen Erfassung
nicht- ökonomischer Größen im Unternehmen, wobei im Gegensatz zur betriebswirt-
schaftlichen Bilanz auch externe Effekte miteinbezogen werden. Die unternehmensethi-
sche Diskussion öffnet diese Maßnahme dadurch, dass über die klassischen monetären
Bewertungsgrundlagen hinaus zusätzliche, wie der Ressourcenverbrauch, einbezogen
würden. Schließende Wirkung hat sie insofern, als ,,schwarz auf weiß" und für jeden
nachvollziehbar die ökologische Leistung des Unternehmens dargestellt wird.
147
Der Ethik-Bilanzierung liegt die Idee einer Gegenüberstellung von positiven und negati-
ven Wirkungen der Geschäftstätigkeit in ethischer bzw. gesellschaftlicher Hinsicht zu
Grunde. Allerdings hat dies zur Voraussetzung, dass die Kriterien offen gelegt werden,
nach denen eine bestimmte Aktivität aus ethischer Sicht zu begrüßen oder abzulehnen ist.
Zudem darf eine Ethik- Bilanzierung nicht den Eindruck erwecken, positive und negative
ethische Folgen der Geschäftstätigkeit würden gegeneinander aufgewogen. Auch hier
wieder besteht zugleich eine öffnende Wirkung, da sowohl die Geschäftsaktivitäten selbst
als auch die Bewertungskriterien Stoff für eine ethische Diskussion liefern können, wie
auch eine schließende Wirkung, da die ,,Corporate Citizenship" eines Unternehmens
,,messbar" gemacht wird.
148
k) Ethik-Controlling/ Ethical Audit
Es stellt sich schließlich die Frage, welche Kontrollmechanismen ein Unternehmen etab-
lieren kann, um sicherzustellen, dass die gefassten Leitsätze auch tatsächlich in die Tat
umgesetzt werden. Denn:
,,Bedingung für die Möglichkeit der Selbstbindung ist Selbstbeobachtung"
149
146
vgl. ebd., S. 26
147
vgl. ebd., S. 26-27
148
vgl. ebd., S. 27
149
ebd., S. 27

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836602464
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau – Philosophische Fakultät
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
novartis unternehmen soziale verantwortung unternehmensethik corporate social responsibility pharmaindustrie wrtschaftsethik homann karl unternehmensphilosophie
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Titel: Unternehmensethik und Corporate Citizenship
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