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Denkmäler im Braunkohleabbaugebiet Leipzig Süd - Möglichkeiten und Grenzen der Denkmalpflege im Umgang mit sakralen Baudenkmälern und deren Ausstattung

Dargestellt an ausgewählten Beispielen im Braunkohleabbaugebiet Leipzig Süd vor dem Hintergrund der bevorstehenden Abbaggerung der Gemeinde Heuersdorf

©2006 Magisterarbeit 147 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Zusammenhang mit der bundesweit diskutierten und bereits begonnenen Devastation der Gemeinde Heuersdorf bei Borna südlich von Leipzig befasst sich die Magisterarbeit mit der Problematik, welche Möglichkeiten von Seiten der Denkmalpflege bestehen, um Denkmäler in Braunkohleabbaugebieten wie dem Leipziger Südraum, zu bewahren und den Verlust an Denkmälern oder schützenswertem Kunstgut weitestgehend zu vermeiden.
Die Beschäftigung mit Denkmälern in Gebieten des Rohstoffabbaus ist vor dem Hintergrund des Spannungsfeldes des Interesses der Öffentlichkeit am Erhalt von Denkmälern und gleichzeitiger energiewirtschaftlicher Interessen sinnvoll. Das in den letzten Jahren stark gestiegene öffentliche Interesse an Kulturdenkmälern wird bei dem jährlich stattfindenden Tag des offenen Denkmals deutlich, den viele Menschen zur Besichtigung von denkmalgeschützten Gebäuden und Objekten oder Anlagen nutzen. Mit architektonisch, künstlerisch und historisch wertvollen Objekten verbinden Menschen eine Identität, die bei der Abtragung eines Denkmals verloren geht, woraus folglich auch das verstärkte Engagement für den Erhalt denkmalgeschützter Objekte in der Bevölkerung resultiert.
Bei der Darstellung und Betrachtung verschiedener Möglichkeiten der Denkmalpflege, die dem Erhalt von Denkmälern in Braunkohleabbaugebieten dienen, ist es wichtig, auch die gesetzlichen Grundlagen einzubeziehen. Diese werden im zweiten Kapitel der vorliegenden Arbeit unter Beachtung der unterschiedlichen Entwicklung in den zwei deutschen Staaten in ihrer historischen Entstehung beleuchtet. Obwohl beim Abbau von Rohstoffen und dem damit verbundenen Eingriff in die Natur- und Kulturlandschaft unterschiedliche Bereiche der Gesetzgebung greifen, konzentriert sich die vorliegende Magisterarbeit auf die Denkmalschutzgesetze und ihre Interpretation.
So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob im Denkmalschutzgesetz des Freistaates Sachsen, wo der Abbau von Rohstoffen eine gewisse Tradition hat, eine Formulierung verankert ist, die den Umgang mit Denkmälern im Falle einer Devastation bzw. Überbaggerung einer Ortschaft regelt. Trotz der Konzentration auf die Denkmalschutzgesetze sind auch das Bundesberggesetz und das Naturschutzgesetz mit berücksichtigt, denn Denkmalpfleger sind heute mehr denn je angehalten, fachübergreifend ökonomisch zu denken und gezwungen, die Erhaltung von Denkmälern vor der Öffentlichkeit zu begründen. Im Zusammenhang mit dieser Begründung der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ina Gutzeit
Denkmäler im Braunkohleabbaugebiet Leipzig Süd - Möglichkeiten und Grenzen der
Denkmalpflege im Umgang mit sakralen Baudenkmälern und deren Ausstattung
Dargestellt an ausgewählten Beispielen im Braunkohleabbaugebiet Leipzig Süd vor dem
Hintergrund der bevorstehenden Abbaggerung der Gemeinde Heuersdorf
ISBN: 978-3-8366-0225-9
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Technische Universität Dresden, Dresden, Deutschland, Magisterarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Autorenprofil
Ina Gutzeit M.A.
Altenburger Str. 12
96049 Bamberg
0172 1519331
la.marmotte@web.de
persönliche Daten:
geboren am 2. Juli 1979 in Dresden,
ledig, ortsungebunden
wichtigste Eigenschaften: Verantwortungsbewusstsein, Selbständigkeit,
Teamgeist,Organisationstalent
Studium:
Seit 10/2007
Masterstudium Denkmalpflege ­ Heritage
Conservation an der Otto-Friedrich-Universität
Bamberg
10 / 1999 bis 09 / 2006
Studium der Kunstgeschichte, Sprachwissenschaft
und Sächsischen Landesgeschichte an der
Technischen Universität Dresden und der
Université Michel de Montaigne Bordeaux III in
Bordeaux / Frankreich
Praktika und Tätigkeiten:
03 / 2002
Praktikum beim Landesamt für Denkmalpflege
Sachsen in Dresden im Bereich praktische
Denkmalpflege
12 / 1999 bis 09 / 2006
Tätigkeit bei den Staatlichen Kunstsammlungen
Dresden in den Bereichen Aufsicht,
Besucherdienst, Publikationsverkauf und Kasse
Sprachkenntnisse:
Französisch, Italienisch, Englisch, Latinum

Inhalt
1
Inhalt
Vorwort ...3
1
Einleitung ...5
2
Denkmäler und Braunkohleabbau...9
2.1
Denkmäler und Braunkohleabbau ­ zwei öffentliche Interessen
... 9
2.2
Die Kulturlandschaft Leipziger Südraum
... 12
2.2.1
Zum Begriff der Kulturlandschaft
... 12
2.2.2
Der Südraum Leipzig
... 16
3
Theoretischer Hintergrund ... 21
3.1
Begriffsklärung
... 21
3.1.1
Denkmalschutz und Denkmalpflege
... 21
3.1.2
Denkmal und Kulturdenkmal
... 21
3.1.3
Bedeutungskategorien für Kulturdenkmäler zur Feststellung der Denkmalfähigkeit
... 24
3.1.3.1
Geschichtliche Gründe... 24
3.1.3.2
Künstlerische Gründe... 25
3.1.3.3
Wissenschaftliche Gründe ... 26
3.1.3.4
Technische Gründe ... 26
3.1.3.5
Städtebauliche Bedeutung... 27
3.1.3.6
Bewertungskriterien für Gesamtanlagen und Ensembles ... 27
3.1.4
Öffentliches Interesse
... 28
3.2
Der gesetzliche Denkmalschutz in Deutschland
... 30
3.2.1
Historische Entwicklung des gesetzlichen Denkmalschutzes
... 30
3.2.2
Denkmalschutz in Theorie und Praxis in der BRD und der DDR
... 33
3.2.3
Das Sächsische Denkmalschutzgesetz
... 43
3.2.3.1
Zum Inhalt des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes ... 45
4
Beispiele zum Umgang mit Kulturdenkmälern in Braunkohleabbaugebieten...55
4.1
Trachenau - Bemühungen des Instituts für Denkmalpflege der DDR um eine
barocke Dorfkirche
... 56
4.1.1
Die Kirche von Trachenau
... 56
4.1.2
Verlauf/Dokumentation der Abbaggerung
... 57
4.2
Deutsch-Ossig ­ Rekonstruktion einer Dorfkirche in der Lausitz und Einbau der
originalen Ausstattung
... 62
4.2.1
Die Kirche von Deutsch-Ossig
... 63
4.2.2
Verlauf der Umsetzung
... 66

Inhalt
2
4.3
Breunsdorf ­ nicht erhalten, aber erforscht
... 68
4.3.1
Wissenschaftliche Erkenntnisse durch den kontrollierten und ausführlich
dokumentierten Abriss einer Dorfkirche
... 68
4.3.2
Zu den archäologischen Ergebnissen
... 72
4.3.3
Die Baugeschichte der Breunsdorfer Kirche
... 74
4.4
Heuersdorf ­ die angestrebte Rettung einer Ortschaft
... 79
4.4.1
Die Siedlungsstruktur von Heuersdorf
... 81
4.4.2
Die Emmauskirche in Heuersdorf
... 84
4.4.3
Die Taborkirche im Heuersdorfer Ortsteil Großhermsdorf
... 86
4.4.4
Vom Planentwurf bis zur Devastation und Abbaggerung
... 92
5
Schluss ...99
Literaturverzeichnis ... 103
Lexika, Nachschlagewerke, Wörterbücher
... 107
Quellen
... 107
Internetseiten zum Thema
... 108
Anhang ... I
Anhangsverzeichnis ... III
Anhang 1
... V
Anhang 2
...VII
Anhang 3
... IX
Anhang 4
... XI
Anhang 5
... XIII
Anhang 6
... XV
Abbildungen... XVII
Abbildungsnachweis...XIX

Vorwort
3
Vorwort
Die Motivation für die Wahl des Themas der vorliegenden Magisterarbeit resultiert aus einem
vierwöchigen Praktikum beim Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Dresden. Während
dieses Praktikums konnte ich einen Einblick in die praktische Denkmalpflege gewinnen und mich
mit den Problemen der Denkmalpfleger im Braunkohleabbaugebiet des Leipziger Südraums
vertraut machen. In Folge der dabei gewonnenen Eindrücke entstand der Wunsch, in einer wis-
senschaftlichen Arbeit darzustellen, wie viele Denkmäler, insbesondere Dorfkirchen und deren
wertvolle Ausstattung, durch Abbaggerung von Ortschaften bereits verloren gegangen sind. Seit
der ersten Ortsdevastation 1928 sind mehr als 60 Orte und Ortsteile in der Kulturlandschaft
Leipziger Südraum überbaggert worden. Zum Teil sind einzelne Stücke von Ausstattungen geret-
tet worden und durch Einbau in anderen Kirchen erhalten geblieben. In vielen Fällen ist heute
jedoch unklar, wo die jeweiligen Stücke verblieben sind. Eine entsprechende Recherche und
Katalogisierung wäre interessant und reizvoll gewesen, für eine Studienabschlussarbeit aber zu
umfangreich.
Allen, die meine Recherchen zu dieser Arbeit und ihre Umsetzung mit ihrer freundlichen Unter-
stützung und Auskunftsbereitschaft wesentlich erleichtert haben, möchte ich an dieser Stelle
danken.
Ein besonderer Dank gilt meinen Betreuern Herrn Prof. Dr. Bruno Klein und Herrn Prof. Dr.
Henrik Karge.
Wesentliche Anregungen verdanke ich den Mitarbeitern des Landesamtes für Denkmalpflege
Sachsen in Dresden, namentlich Herrn Dr. Thomas Brockow, der meine Arbeit kenntnisreich
unterstützt und gefördert hat.
Außerdem danke ich Frau Ingeburg Keller aus Heuersdorf, die mir vertrauensvoll die Schlüssel
der dortigen Kirchen überließ sowie meinem Bruder Jan, der mir als Fotograf bei der Anfertigung
professioneller Abbildungen geholfen hat.
Dresden
im
August
2006
Ina
Gutzeit

Einleitung
5
1 Einleitung
Im Zusammenhang mit der bundesweit diskutierten und unmittelbar bevorstehenden Devastati-
on der Gemeinde Heuersdorf bei Borna südlich von Leipzig befasst sich diese Magisterarbeit mit
der Problematik, welche Möglichkeiten von Seiten der Denkmalpflege bestehen, um Denkmäler
in Braunkohleabbaugebieten wie im Leipziger Südraum, zu bewahren und den Verlust an Denk-
mälern oder schützenswertem Kunstgut weitestgehend zu vermeiden.
Die Beschäftigung mit Denkmälern in Gebieten des Rohstoffabbaus erscheint vor dem Hinter-
grund des Spannungsfeldes eines Interesses der Öffentlichkeit am Erhalt von Denkmälern und
gleichzeitiger energiewirtschaftlicher Interessen sinnvoll. Das in den letzten Jahren stark gestiege-
ne öffentliche Interesse an Kulturdenkmälern wird bei dem jährlich stattfindenden Tag des offenen
Denkmals
deutlich, den viele Menschen zur Besichtigung von denkmalgeschützten Gebäuden und
Objekten oder Anlagen nutzen. Mit architektonisch, künstlerisch und historisch wertvollen Ob-
jekten verbinden die Menschen eine Identität, die bei der Abtragung eines Denkmals verloren
geht, woraus folglich auch das verstärkte Engagement für den Erhalt denkmalgeschützter Objek-
te in der Bevölkerung resultiert.
Bei der Darstellung und Betrachtung verschiedener Möglichkeiten der Denkmalpflege, die dem
Erhalt von Denkmälern in Braunkohleabbaugebieten dienen, ist es wichtig, auch die gesetzlichen
Grundlagen einzubeziehen. Diese werden im zweiten Kapitel der vorliegenden Arbeit unter
Beachtung der unterschiedlichen Entwicklung in den zwei deutschen Staaten in ihrer historischen
Entstehung beleuchtet. Obwohl beim Abbau von Rohstoffen und dem damit verbundenen Ein-
griff in die Natur- und Kulturlandschaft unterschiedliche Bereiche der Gesetzgebung greifen,
konzentriert sich die vorliegende Magisterarbeit auf die Denkmalschutzgesetze und ihre Inter-
pretation. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob im Denkmalschutzgesetz des Freistaates Sach-
sen, wo der Abbau von Rohstoffen eine gewisse Tradition hat, eine Formulierung verankert ist,
die den Umgang mit Denkmälern im Falle einer Devastation bzw. Überbaggerung einer Ort-
schaft regelt. Trotz der Konzentration auf die Denkmalschutzgesetze sind auch das Bundes-
berggesetz und das Naturschutzgesetz mit berücksichtigt, denn Denkmalpfleger sind heute mehr
denn je angehalten, fachübergreifend ökonomisch zu denken und gezwungen, die Erhaltung von
Denkmälern vor der Öffentlichkeit zu begründen. Im Zusammenhang mit dieser Begründung
der Denkmaleigenschaft eines Objektes stellt sich die Frage, was als erhaltenswert betrachtet
wird, immer wieder neu. So werden zum Teil kulturhistorisch wertvolle Gebäude, die bereits seit
Jahrzehnten nicht mehr existieren, wiederaufgebaut, andere dagegen abgerissen.

Einleitung
6
In einem Gebiet, in dem Rohstoffe abgebaut werden, wie dem Braunkohleabbaugebiet südlich
der Stadt Leipzig, handelt es sich um einen gesondert zu betrachtenden Bereich von Denkmal-
pflege und Denkmalschutz. Es geht nicht um den Abriss eines einzelnen Denkmals auf Grund
seines schlechten baulichen Zustandes oder infrastrukturell bedingter Baumaßnahmen. Es geht
hierbei um den Verlust historischer Substanz in großem Umfang durch die Devastation von
Gemeinden, die Überbaggerung von Teilen einer Kulturlandschaft, die zukünftig wieder renatu-
riert und neu kultiviert werden soll. Sie verliert dadurch aber jeglichen historischen Charakter und
präsentiert sich in völlig neuer Gestaltung. Ziel der Denkmalpflege ist es, den Verlust an histori-
scher Substanz so gering als möglich zu halten. Dafür stehen verschiedene Möglichkeiten zur
Wahl, die im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele exemplarisch dargestellt und diskutiert
werden.
Um dieses von verschiedenen Seiten betrachtenswerte Thema etwas einzugrenzen, ist ein
Schwerpunkt auf sakrale Baudenkmäler gelegt worden. Die Pflege kirchlicher Baudenkmäler ist
im Aufgabenkanon der Denkmalpflege das traditionsreichste Gebiet. In der vorliegenden Arbeit
bleiben Bodendenkmäler als Teile der Archäologie trotz enger Berührungspunkte der Disziplinen
weitgehend unberücksichtigt. Die Ausführungen konzentrieren sich in erster Linie auf Bau-
denkmäler.
Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil der Arbeit werden einführend die beiden
gegenüberstehenden öffentlichen Interessen Erhaltung von Denkmälern und Energiegewinnung durch
Rohstoffabbau
diskutiert sowie die Kulturlandschaft des Leipziger Südraums vorgestellt. Der zweite
Teil ist, im Vergleich zum dritten, eine theoretische Analyse der Begriffe und des gesetzlichen
Hintergrundes der Denkmalpflege. Im dritten Teil schließlich, werden an vier ausgewählten
Beispielen von in Braunkohleabbaugebieten gelegenen Orten Möglichkeiten der Denkmalpflege
im Umgang mit erhaltenswerten Objekten aufgezeigt.
Es gibt eine Fülle an Literatur zu denkmalpflegerischen Grundsätzen, zur Denkmalkunde und zu
Einzelmaßnahmen an Denkmälern. Zum Umgang mit Denkmälern in Braunkohleabbaugebieten
gibt es jedoch keine monografischen wissenschaftlichen Publikationen. Zahlreiche kleinere Ver-
öffentlichungen von Vereinen und Einzelpersonen tragen seit langem zur Sensibilisierung im
Konflikt Denkmalerhaltung und Ortsdevastation bei. Bereits Ende der achtziger Jahre erschien die
Publikation Leipziger Landschaften
1
. Sowohl Text als auch Fotos machen die Probleme des Braun-
kohleabbaus in den letzten Jahren der DDR eindrucksvoll deutlich, sie wurden bereits zu DDR-
Zeiten dargestellt. Jüngere Veröffentlichungen, darunter vor allem eine Reihe des Christlichen
Umweltseminars Rötha e.V. zeigen, inwiefern die Bevölkerung unter den Folgen des Braunkohle-
1
Guth, Peter (Text); Sikora, Bernd (Konzeption); Vogel, Norbert (Fotos): Leipziger Landschaften. Rudolstadt
2
1990.

Einleitung
7
abbaus leidet. Jedoch ist dies ein Aspekt, der in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt
werden kann. Tatsächlich wird das Thema ,,Bergbau und Denkmal" lediglich im Rahmen des
Sonderforschungsbereichs (SFB 315) der Universität Karlsruhe behandelt. Diese Forschungen
sind jedoch für die Betrachtung von Denkmälern im Südraum Leipzig wenig relevant, da sie sich
mit den Folgen des Bergbaus unter Tage und damit vor allem mit Rutschungsgefahr von Erd-
massen und den sich daraus ergebenden Einstürzen von Denkmälern befassen. Beim Braunkoh-
lenabbau der Tagebaue im Leipziger Südraum hingegen geht es um Abriss und völligen Verlust
von Denkmälern und ganzen Ortschaften durch den geplanten Abbau von Braunkohle. Auf
Grund der Defizite der Literaturlage sind die Aussagen dieser Magisterarbeit, vornehmlich des
dritten Kapitels, in erster Linie dem Aktenarchiv des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen
entnommen. Des Weiteren existieren diverse Internetseiten zu den Themen ,,Braunkohle" und
,,verlorenen Orte", die für die wissenschaftliche Betrachtung des Problems nicht in Frage kom-
men, sondern hauptsächlich betroffenen und interessierten Bürgern als Plattform dienen, ihren
Sorgen Ausdruck zu verleihen.
Die Arbeit versteht sich nicht als vollständige Darstellung des Themas, da der vorgegebene Rah-
men eine vertiefende Bearbeitung nicht immer zuließ. Der Ansatz bleibt ausbaufähig. Es geht in
erster Linie um die Darstellung einer oft unterschätzten Problematik zwischen Erhalt von Denkmä-
lern,
auch als Zeichen von Identität für die Bevölkerung in einer Kulturlandschaft, und anderer-
seits Rohstoffabbau als Wirtschaftsfaktor und wichtiges ökonomisches öffentliches Interesse sowie
der Aktivitäten der Denkmalpflege im gesetzlichen Rahmen.

Denkmäler und Braunkohleabbau
9
2
Denkmäler und Braunkohleabbau
2.1
Denkmäler und Braunkohleabbau ­ zwei öffentliche Interessen
Der Schutz von Denkmälern und der Abbau von Braunkohle sind beide öffentliche Interessen.
Denkmäler stehen im kulturhistorischen Interesse, der Braunkohleabbau hingegen im volkswirt-
schaftlichen Interesse der Gesellschaft. Sowohl Denkmäler als auch der Braunkohleabbau gehö-
ren zu der hier zu betrachtenden so genannten Kulturlandschaft Leipziger Südraum
2
. Sie sind Teile
des Wirtschafts- und Kulturgutes, sie prägten und bildeten den Charakter dieser Landschaft.
Es handelt sich hierbei also um zwei essentielle Bestandteile der Kultur der Menschen. Zum
einen ist das die Gewinnung von Bodenschätzen und zum anderen der Erhalt von Zeugnissen
der Geschichte, die ihrerseits wieder in engem Zusammenhang zueinander stehen, da beide dem
Wohl der Menschen dienen. Die Nutzung des Reichtums aus der Erde ermöglicht den Menschen
die Schaffung von Werten. Ein anschauliches Beispiel dafür sind die oft reich ausgestatteten
Dorfkirchen in vielen Orten des Erzgebirges, wo seit Ende des 15. Jahrhunderts Erz abgebaut
wurde.
3
Die Überschrift des Kapitels lautet aus diesem Grund Denkmäler und Braunkohleabbau und
nicht etwa Denkmäler oder Braunkohleabbau und schon gar nicht Denkmäler gegen Braunkohle-
abbau. Es geht nicht um die pauschale Frage, ob der Braunkohleabbau oder der Schutz bzw. der
Erhalt von Denkmälern für die Gesellschaft wichtiger ist. Beide, Braunkohleabbau und Denkmä-
ler, dienen dem Allgemeinwohl einer Gesellschaft. Der Braunkohlabbau ist ein bedeutender
Bestandteil der Energieversorgung und gleichzeitig wichtiger Arbeitgeber für viele Menschen in
der Region. Denkmäler wiederum haben u. a. die Funktion, als Anschauungsobjekte ­ auch für
kommende Generationen ­ zu dienen. Sie tragen einen Erinnerungswert in sich und sind Teil der
Identifikation einer Gesellschaft.
Ein besonderes Problem beim Braunkohleabbau in der Region südlich von Leipzig im Vergleich
zum Bergbau etwa im Ruhrgebiet, wo die Rohstoffe überwiegend unter Tage abgebaut werden
und es vor allem um die Sicherung der Baudenkmäler gegen Senkungen des Grund und Bodens
geht, auf dem ein Denkmal steht, ist die meist unumgängliche vollständige Beseitigung von Bau-
denkmälern durch Abbaggerung von Orten oder Ortsteilen.
Das Interesse der Gesellschaft am Erhalt historischer Bauwerke ist in den letzten Jahrzehnten
gestiegen. Es ist erklärtes Ziel der Denkmalpflege, Baudenkmäler als Zeugnisse der Geschichte
2
Der Begriff stammt aus der Planungsterminologie der frühen DDR. Siehe dazu: Sächsisches Landesamt für Umwelt
und Geologie. Oberbergamt (Hrsg.): Der Braunkohlenbergbau im Südraum Leipzig. Bergbaumonografie. Bergbau in
Sachsen. Band 11. 2004. S. 11.
3
Vgl.: Blaschke, Karl-Heinz: Brüche in der Entwicklung der Kulturlandschaft in Sachsen. 1995. S. 69.

Denkmäler und Braunkohleabbau
10
und Kultur zu bewahren
4
. Dabei geht es nicht mehr nur um Einzelbauten. Die Einstellung der
Denkmalpflege hat sich dahingehend geändert, dass man eine eher ganzheitliche Auffassung vom
Denkmal hat. In Sachsen hat der Denkmalbegriff seit dem Ende der DDR eine deutliche Erwei-
terung erfahren. Nicht mehr nur künstlerisch wertvolle Einzeldenkmäler, sondern auch Baugefü-
ge und Konstruktionen, ganze Ensembles genießen mehr Beachtung und Schutz als früher. Dies
ist für den ländlichen Raum von Bedeutung, da es dort weniger einzelne herausragende Objekte
gibt, aber häufig das Zusammenspiel verschiedener Bauwerke eine gewisse Einzigartigkeit besitzt.
Der ganzheitlich gesehene Wert eines Baudenkmals leitet sich aus der Vollständigkeit und dem
Erhaltungszustand der alten Konstruktion sowie seiner handwerklichen Besonderheiten ebenso
her, wie aus dem Rang als Geschichtszeugnis, seinen künstlerischen Qualitäten und seiner Ein-
bindung in das Umfeld und die Landschaft.
5
Um die Notwendigkeit des Erhalts eines Baudenkmals im Braunkohleabbaugebiet deutlich zu
machen, geht es, wie oben bereits erwähnt, nicht um die allgemein gestellte Frage, ob Denkmal
oder Kohleabbau für die Gesellschaft von größerer Bedeutung sind. Wenn also für ein bestimm-
tes Gebiet die Entscheidung zum Abriss einer Ortschaft getroffen wurde, muss eine möglichst
sachgerechte Beurteilung zum Umgang mit dem jeweiligen Einzelobjekt durchgeführt werden,
die der speziellen Situation des konkreten Falles gerecht wird. Es geht in erster Linie darum,
Verluste an Denkmälern so gering als möglich zu halten.
Wichtigste Voraussetzung für eine sachgemäße Entscheidung ist Klarheit über den Gegenstand
der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes. Erst mit einer eindeutigen Definition dessen, was
ein Denkmal ist, kann seine Bedeutung anschaulich gemacht werden. Grundlage für die Definiti-
on des Denkmals sind die Denkmalschutzgesetze der einzelnen Länder, worauf im Folgenden
noch ausführlich eingegangen wird.
Von wachsender Bedeutung unter den Aufgaben der Denkmalpflege ist die Öffentlichkeitsarbeit.
Denkmäler müssen nicht nur erfasst und erforscht werden, sondern ihre Bedeutung muss gegen-
über der Bevölkerung anschaulich dargestellt werden. Dies geschieht meist über Publikationen.
6
Der allgemein herrschende Irrtum, man könne Denkmäler auf ihr äußeres Erscheinungsbild
reduzieren, zeigt wie wichtig dieser Teil der Arbeit der Denkmalpflege ist. Baudenkmäler sind
komplexe Gebilde, welche nicht nur im Rahmen ihrer stilgeschichtlichen Entwicklung, sondern
immer auch vor dem Hintergrund der verwendeten Materialien und Bearbeitungswerkzeuge
sowie der konstruktiven Möglichkeiten ihrer Entstehungszeit gesehen werden müssen. Es geht u.
a. um die Würdigung besonders innovativer Leistungen gemessen am Stand der zeitgenössischen
Technik. Das heißt, dass nicht nur die gestalterische Idee, sondern auch der materielle und au-
4
Vgl.: Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen (Sächsisches Denkmalschutzge-
setz ­ SächsDSchG) vom 3. März 1993 (SächsGVBl. S. 229; 16. März) mit Stand vom 23. Mai 2004. § 1 (1).
5
Vgl.: Kiesow, Gottfried: Denkmalpflege in Deutschland. Eine Einführung. Darmstadt
4
2000. S. 15f.
6
Vgl.: Martin / Krautzberger: Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege ­ einschließlich Archäologie. München 2004.
S. 21ff.

Denkmäler und Braunkohleabbau
11
thentische Bestand, die Erhaltung rechtfertigen. Dadurch lassen sich wiederum viele andere
historische Fragestellungen beantworten.
Bei der Beschäftigung mit Denkmälern im Braunkohleabbaugebiet Leipziger Südraum muss auch
auf die historische Bedeutung des Bergbaus für die Region hingewiesen werden. Der Aufschluss
der Braunkohlereviere hat im Leipziger Südraum beachtlich zur industriellen Entwicklung der
Region beigetragen, die Landschaft über Jahre hinweg geprägt und seinerseits zur Entstehung
von Denkmälern in der Region geführt. So stehen heute einige der Kraftwerke, Fabriken oder
Bagger als technische Denkmäler unter Denkmalschutz. 1888 wurde die erste Brikettfabrik in
Neukirchen eröffnet, sie ist heute ein technisches Denkmal.
7
Der überwiegende Teil der denkmalgeschützten Substanz in der Region des Leipziger Südraums
betrifft Bauten des ländlichen Raumes. Der Wert und die Schutzwürdigkeit von Denkmälern auf
dem Land hat aber in den letzten Jahren nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch unter den
Fachleuten der Denkmalpflege mehr Beachtung gefunden. Es ist festzustellen, dass Dorfkirchen
als in den meisten Fällen kulturhistorisch bedeutendste Teile eines Dorfes zunehmend Beachtung
verdienen. Diese Tendenz beweist die Tatsache, dass 2005 die Dorfkirche vom Bund Heimat und
Umwelt in Deutschland, Bundesverband der Bürger- und Heimatvereine, zum Kulturdenkmal
des Jahres gewählt worden ist.
8
Man wollte damit gezielt auf die Dorfkirche als erhaltenswertes
Kulturlandschaftselement aufmerksam machen. Dorfkirchen sind in erster Linie aus kulturhisto-
rischer Sicht von besonderem Interesse. Kirchenhistorisch gibt es zwischen Dorf- und Stadtkir-
chen keine wesentlichen Unterschiede. Dennoch wirken Stadtkirchen bedeutender als ihre Pen-
dants auf dem Land. Stadtkirchen sind meist künstlerisch wertvoller als Kirchen im ländlichen
Raum. Außerdem stehen etwa 250 Stadtkirchen 1000 Dorfkirchen gegenüber.
9
In Zeiten der
häufig genannten ,,knappen Kassen" auf Grund der sinkenden Zahl von Gläubigen sind Instand-
setzungen von Kirchen für die Kirchgemeinden eine große Aufgabe. Kleine Kirchen werden eher
aufgegeben, Gemeinden zusammengelegt und die Kirchengebäude sogar zum Teil abgerissen.
Der damit verbundene Verlust an Dorfkirchen erklärt das in letzter Zeit wieder zunehmende
Interesse am Erhalt der verbleibenden Vertreter als wichtige Elemente in der Dorfstruktur. Der
Bund Heimat und Umwelt in Deutschland begründet seine Wahl der Dorfkirche zum Kultur-
denkmal des Jahres 2005 wie folgt:
,,Dorfkirchen verkörpern die Tradition und das Erbe einer Region. Sie bilden cha-
rakteristische Ensembles aus Architektur, Baustilen und Kunsthandwerk, die geprägt
sind von religiösen Werten. Die verwendeten Materialien sind regionaltypisch. So
7
Vgl.: Das Bornaer Pleisseland ­ Zerstörung und Neuanfang. Herausgegeben von PRO LEIPZIG e.V. in Zusammenarbeit
mit dem ,,Städtebaulichen Modellvorhaben Bornaer Pleissland" sowie den beteiligten Gemeinden. Leipzig 1994.
S. 21.
8
,,Die Dorfkirche ist Denkmal des Jahres 2005". In: Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz (Hrsg.): Denkmal-
schutz Informationen. Nachrichten 29. Jg. März 01/2005. S. 7.
9
Vgl.: Magirius, Heinrich u. Mai, Hartmut: Dorfkirchen in Sachsen. Berlin
2
1990. S. 9.

Denkmäler und Braunkohleabbau
12
finden wir typische Kirchen aus schwarzem Lavagestein in den Vulkangebieten der
Eifel, Buntsandstein im Elbsandsteingebirge und in Franken, Fachwerk- oder Back-
steinkirchen in steinarmen Gegenden oder verputzte Ziegelbauten in Südbayern.
Kirchen aus unterschiedlichen Epochen, von der Romanik bis zu den - in ihrer For-
mensprache manchmal umstrittenen - Neubauten der Moderne, verdienen Beach-
tung. Jede Epoche hat ihre eigenen Baustile hervorgebracht. Dorfkirchen sind be-
deutende Kulturgüter als Ensembles aus Bauwerk und Ausstattung. Zudem fühlen
sich viele - auch religionsferne - Dorfbewohner ihrer ,Dorfkirche emotional verbun-
den, denn sie gibt dem Ort einen wiedererkennbaren (sic!) Charakter, ein Stück Hei-
mat, eine Sehenswürdigkeit und einen touristischen Anziehungspunkt."
10
Die Bedeutung der Dorfkirchen in den Braunkohleabbaugebieten des Leipziger Südraum kann
im Besonderen damit begründet werden, dass sich die Zahl der ländlichen Sakralgebäude infolge
Devastation zahlreicher Orte und Ortsteile stark verringert und die erhaltenen Gebäude zukünf-
tig als Beispiele von gelebtem Glauben in einer Kulturlandschaft dienen werden. Diese Beispiel-
funktion ist vor dem Hintergrund der Rekultivierung der abgebaggerten Gebiete von Bedeutung,
so zum Beispiel die Region um den ehemaligen Ort Cospuden, wo sich heute ein Badesee befin-
det.
Bei den Dorfkirchen im Leipziger Südraum handelt es sich meist um Bauwerke, in denen keine
Kunstwerke ersten Ranges zu erwarten sind. Auch liegt deren Wert nicht allein in der architekto-
nischen und künstlerischen Qualität, sondern vor allem in den räumlichen und historischen
Bezügen zur historisch geprägten Kulturlandschaft. Dorfkirchen sind bedeutendste Zeugnisse
der Siedlungsgeschichte, sie bilden einen Bezugspunkt in der Landschaft und sind wichtig für
Sichtbeziehungen und die Harmonie der Umgebung.
11
2.2
Die Kulturlandschaft Leipziger Südraum
2.2.1
Zum Begriff der Kulturlandschaft
Auch wenn der Begriff Kulturlandschaft im allgemeinen Sprachgebrauch häufig benutzt wird und
auf den ersten Blick eindeutig erscheint, gibt es doch unterschiedliche Vorstellungen dessen, was
eine Kulturlandschaft tatsächlich ist.
Um Kulturlandschaft als Begriff etymologisch zu erörtern, ist es sinnvoll, die beiden Worte aus
denen er sich zusammensetzt ­ Kultur und Landschaft ­ zunächst separat zu betrachten.
Kultur ist ein lateinisches Lehnwort, welches als selbständiger Begriff seit Ende des 17. Jahrhun-
derts in der deutschen Gelehrtensprache auftritt. Kultur hatte in der lateinischen Form cultura im
10
Zitiert nach: ,,Die Dorfkirche ist Denkmal des Jahres 2005". In: Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz
(Hrsg.): Denkmalschutz Informationen, Nachrichten 29. Jg. März 01/2005. S. 7.
11
Vgl.: Magirius / Hartmut (
2
1990)
S. 11 ff.

Denkmäler und Braunkohleabbau
13
Wesentlichen zwei Bedeutungen: ,,Pflege" und ,,Landbau" von dem lateinischen Verb colere,
,,bebauen", ,,bewohnen", aber auch ,,ehren". Die Bedeutung ,,Pflege" kann sich sowohl auf das
bebaute Land als auch auf den menschlichen Körper und Geist beziehen. Gemeint waren damit
von Anfang an einerseits Feldbau und Bodenbewirtschaftung und andererseits die Pflege der
geistigen Güter
12
. Aus der letzteren Bedeutung erwuchs später die allgemeine Stellung des Begrif-
fes Kultur als Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen der Menschheit
13
.
Doch auch wenn mit der Verwendung des Wortes Kultur im weiteren Sinne alles vom Menschen
Geschaffene, demnach nicht Natürliche, bezeichnet wird, zeigt bereits die Etymologie, dass das
Lehnwort Kultur verschiedene Bedeutungsebenen hat. Man unterscheidet im Wesentlichen vier:
das ist zum Ersten die ursprüngliche Bedeutung des Wortes für alles praktische Handeln, also
den pfleglichen und nützlichen Umgang mit der Natur (Agrikultur); eine zweite Bedeutungsebene
umfasst die rituellen Verehrungen von Gottheiten (cultura dei) und in profaner Form die Pflege
der gesamtgesellschaftlich erforderlichen Werte und Leitbilder (Kultusministerium); drittens trägt
Kultur auch die Bedeutung der individuellen und gruppenspezifischen Bildung als Form einer
Identität (Entstehung von Mentalität); letztlich bezeichnet man heute mit Kultur auch die sozia-
len Beziehungen von Individuen (Kultiviertheit der Erscheinung, Umgangsformen)
14
. Außer
diesen vier genannten Bedeutungsebenen kann Kultur besonders in Wortzusammensetzungen
andere, weit reichendere Bedeutungen haben.
Kultur als Alternative oder gar Gegensatz zur Natur zu verstehen, erscheint jedoch problema-
tisch, da mit dem Kulturbegriff ein Wert verbunden ist. Mit Kultur ist die Aufgabe verknüpft, mit
vorgefundenen oder selbst geschaffenen Lebensgrundlagen verantwortungsbewusst umzugehen,
was bedeutet, diese zu erhalten, zu entwickeln und kommenden Generationen weiterzugeben.
Somit ist nicht jeder Eingriff, den der Mensch in der Natur vornimmt, auch unwillkürlich Schaf-
fung von Kultur
15
.
Der Begriff der Landschaft wird in einem modernen Lexikon relativ kurz mit ,,Gegend oder
Geländeausschnitt, die als Einheit empfunden oder als solche bewertet werden."
16
erklärt. Der
Begriff hat aber im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren. Während er im Mittelalter
noch ein ,,Territorium" oder eine ,,Gegend" bezeichnete, trat er seit dem 16. Jahrhundert als
Fachbegriff für Malerei auf und meint damit einen gemalten Naturausschnitt
17
. Diese beiden
wesentlichen Bedeutungen haben sich bis heute erhalten, so ist laut DUDEN eine Landschaft
einerseits eine ,,hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes (der Gestalt des Bodens, des Be-
12
Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 22. Aufl. Berlin 1989. Stichwort Kultur.
13
DUDEN Band 7 Herkunftswörterbuch. Dudenverlag 1989. Stichwort Kultur.
14
Brockhaus Enzyklopädie. Zwölfter Band. Mannheim
19
1990. S. 580f. Erste Spalte. Stichwort Kultur.
15
Vgl.: Wöbse, Hans Hermann: Landschaftsästhetik. Über das Wesen, die Bedeutung und den Umgang mit landschaftlicher
Schönheit
. Stuttgart 2002, S. 173.
16
Brockhaus Enzyklopädie. Dreizehnter Band. Mannheim
19
1990. S. 46. Zweite Spalte. Stichwort Landschaft.
17
Vgl.: Sigel, Brigitt: Die Kulturlandschaft ­ ein Erinnerungsalbum und Geschichtsbuch. In: Meier, Hans-Rudolf u. Wohlle-
ben, Marion (Hrsg.): Bauten und Orte als Träger von Erinnerung. Zürich 2000. S. 159-166, S. 160.

Denkmäler und Braunkohleabbau
14
wuchses, der Besiedelung o. Ä.) in bestimmter Weise geprägter Bereich der Erdoberfläche"
18
und
außerdem eine ,,künstlerische Darstellung, bes. Gemälde einer Landschaft"
19
. Dennoch bleibt
Landschaft ein schwer zu definierender Begriff, da nicht nur physiognomische, sondern auch
psychologische Aspekte die Landschaft charakterisieren. So ist eines der wichtigsten Wesens-
merkmale von Landschaft, die ,,Erlebbarkeit von Land"
20
.
Auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann der Begriff der Landschaft sicher nicht eindeutig
geklärt werden. Es darf jedoch im Zusammenhang der Diskussion um Denkmalpflege und
Denkmalschutz in einem bestimmten, geografisch von anderen abgrenzbarem Gebiet, also einer
(Kultur)Landschaft, nicht unerwähnt bleiben, dass die Zeit einer der wichtigsten Faktoren bei der
Entstehung einer Landschaft ist. Denn Landschaft ist ein Prozess, bei dem der gegenwärtige
Zustand immer nur einen Moment zwischen Vergangenheit und Zukunft darstellt
21
.
Fügt man nun Kultur und Landschaft zum Begriff Kulturlandschaft zusammen, ergibt sich nach
den oben aufgeführten Definitionen ein bebauter, gepflegter, in bestimmter Weise von verschiedenen Merk-
malen geprägter, erlebbarer Bereich der Erdoberfläche
. Kulturlandschaft grenzt sich demnach von der
Landschaft im Wesentlichen dadurch ab, dass es sich um eine vom Menschen umgestaltete ­
bebaute, gepflegte ­ Naturlandschaft handelt. Sie ist in ihrem Wesen geprägt von menschlichen
Aktivitäten und, wie auch die Landschaft, ständigem Wandel unterlegen.
Die charakteristische Eigenart einer Kulturlandschaft ergibt sich aus zwei Faktoren: zum einen
aus den natürlichen Standortgegebenheiten wie Relief, Geologie, Bodengüter oder Wasser-
haushalt und zum anderen aus den menschlichen Einflüssen wie Nutzung, Bebauung und Pflege
des vorgefundenen Terrains
22
.
Doch wie konnte es zur Entstehung von Kulturlandschaften kommen? Eine tief greifende Ver-
änderung der ursprünglichen, natürlichen, von Wald überzogenen Landschaft Mitteleuropas
begann mit den Rodungen in der Zeit des Neolithikums. Der Wald wurde mit den Rodungen
zurückgedrängt und damit Platz für Äcker und Siedlungen, sowie Land für Weiden gewonnen. So
entstand in einem dauernden Prozess eine Kulturlandschaft. Mit dieser Veränderung von der
Natur- zur Kulturlandschaft ging ein Bedeutungswandel vom gestaltlosen Urwald zum vom
Menschen genutzten Forst einher. Die Wandlung von Wildnis in Kulturlandschaft ist sowohl
eine physiognomische Veränderung, als auch eine psychologische. Mit der Kultivierung vollzog
sich eine geistige Aneignung: mit der Wildnis des Urwaldes verband man Dunkelheit und Gefähr-
lichkeit, wohingegen mit Kulturlandschaft Ästhetik und Annehmlichkeit assoziiert werden. Diese
Assoziation mit Schönheit ist begründet mit dem Wortteil ,,Kultur", mit dem im Allgemeinen
etwas Angenehmes verbunden wird. Die Ästhetik oder Schönheit bedeutet in der Regel eine mit
18
Zitiert nach: DUDEN Deutsches Universalwörterbuch. 3. Aufl. Mannheim 1996. Stichwort: Landschaft S. 924.
dritte Spalte.
19
Ebd.
20
Wöbse, Hans Hermann: Schutz historischer Kulturlandschaften. Hannover 1994. S. 6.
21
Ebd.
22
Vgl.: Wöbse, Hans Hermann: Die Erhaltung historischer Kulturlandschaft und ihrer Elemente. In: Deutscher Heimatbund
(Hrsg.): Plädoyer für Umwelt und Kulturlandschaft. Bonn 1994. S. 37-43, S.38.

Denkmäler und Braunkohleabbau
15
Baudenkmälern bereicherte, traditionelle bäuerliche Landschaft. Zu diesem Bild gehören oft
Rohdungsflächen mit geschwungenen Waldrändern oder Streuobstwiesen am Dorfrand. Weniger
denkt man an in den Wald geschlagene Schneisen für Skipisten, Niederstammobstplantagen,
Gewerbeparks, Industriebrachen und Auswirkungen extensiver Landwirtschaft ­ welche ebenso
Teile einer Kulturlandschaft sind!
23
Außerdem ist die ästhetisch orientierte Begriffsbestimmung von Kulturlandschaft bedingt durch
die Geschichte des Landschaftsbegriffs. Wie oben erwähnt, wurde der Begriff der Landschaft seit
dem 16. Jahrhundert als Fachbegriff für Malerei verwendet und bezeichnete damit einen gemal-
ten Ausschnitt von Natur. In Folge dessen meinte der Begriff später im allgemeinen Sprach-
gebrauch die dreidimensionale materielle Realität dessen, was dem Maler als Vorlage diente.
Gemeint ist nicht irgendein Ausschnitt aus der Erdoberfläche (wie es im DUDEN zu lesen ist),
sondern der Begriff wird ,,mit rücksicht auf den eindruck, die eine solche gegend auf das auge
macht"
24
verwendet.
25
Die Bedeutung einer historischen Kulturlandschaft liegt in ihrer Funktion als Zeugnis vom Verhält-
nis zwischen Mensch und Natur früherer Generationen, woraus sich ihr dokumentarischer Wert
für kommende Generationen erklärt. Historisch sind Strukturen und Elemente einer Kulturland-
schaft immer dann, wenn sie in der heutigen Zeit aus wirtschaftlichen, sozialen, politischen oder
ästhetischen Gründen nicht mehr in der vorgefundenen Art geschaffen würden, sie demnach aus
einer abgeschlossenen Geschichtsepoche stammen. Hier zeigen sich gewisse Parallelen zum
Denkmalbegriff. So sind historische Kulturlandschaften einerseits Ausdruck einer vergangenen
Zeit, sie zeigen den Umgang früherer Generationen mit der Natur und sind Bild ihres Lebens-
stils, ihrer Bedürfnisse und Möglichkeiten, gleichzeitig aber sind sie auch Teil der Gegenwart und
wichtige ­ erhaltenswerte ­ Zeugen für die Zukunft.
26
Anders als bei einem Kulturdenkmal lassen sich bei Kulturlandschaften keine konkreten Bau-
meister, Architekten oder Künstler feststellen, die Schaffung und Nutzung der Kulturlandschaft
ist ein Werk vieler Anonymer. Dennoch gilt analog zu Kulturdenkmälern: der Erhalt und Schutz
einer Kulturlandschaft ist nur möglich, wenn diese als solche auch erkannt und erfasst wurde.
Außerdem muss die Erhaltung einer Kulturlandschaft oder Teilen davon ­ wie der Erhalt eines
Kulturdenkmals ­ im Interesse der Allgemeinheit liegen.
27
Der Schutz und die Pflege einer historischen Kulturlandschaft werden durch ein Netzwerk von
gesetzlichen Bestimmungen sowohl auf Bundes- als auf Landesebene gewährleistet. Letztlich ist
die rechtliche Schutzfähigkeit von Kulturlandschaften abhängig von vielen ineinander greifenden
23
Sigel (2000) S. 159.
24
Zitiert nach: Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Bd. 6. Leipzig 1885. Sp. 131-153, Sp. 131
(Stichwort Landschaft). Es wurde die ursprüngliche Rechschreibung beibehalten.
25
Vgl.: Sigel (2000) S. 160.
26
Vgl.: Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland. Arbeitsblatt 16. Denkmalpflege und
historisch Kulturlandschaft.
2001. Und: Wöbse, Hans Hermann: Schutz historischer Kulturlandschaften. Hannover 1994. S. 8.
27
Vgl.: Wöbse, Hans Hermann: Die Erhaltung historischer Kulturlandschaft und ihrer Elemente. In: Deutscher Heimatbund
(Hrsg.): Plädoyer für Umwelt und Kulturlandschaft. Bonn 1994. S. 37-43, S. 40.

Denkmäler und Braunkohleabbau
16
Rechtsvorschriften, die dazu beitragen diese zu entwickeln. Der denkmalschutzrechtliche Anteil
ist dabei umso verbindlicher, je kleiner der Raum der Landschaft, des Flächendenkmals, der
Gesamtanlage oder des Einzeldenkmals ist.
28
2.2.2
Der Südraum Leipzig
Das Gebiet des so genannten Südraum Leipzig hat keine klar definierten Grenzen. Der Leipziger
Südraum wird naturräumlich durch die Leipziger Tieflandsbucht bestimmt. Historisch betrach-
tet ist der Leipziger Südraum von einer wechselvollen Geschichte geprägt. Zu den wichtigsten
Ereignissen dieser Geschichte gehören neben den unterschiedlichen sächsischen, thüringischen
und preußischen Einflüssen beispielsweise der 1547 eingerichtete Leipziger Kreis mit seinen
Ämtern, das 1603 eingerichtete Herzogtum Sachsen-Altenburg, die Kreisdirektion Leipzig mit
der I. Amtshauptmannschaft Leipzig, Pegau und Borna 1835, die Ländergliederung zwischen
1918 und 1952 sowie der Bezirk Leipzig mit den Landkreisen Borna, Leipzig, Altenburg und
Geithain zwischen 1952 und 1990.
29
Administrativ umfasst der Südraum Leipzig den südlichen
Teil der kreisfreien Stadt Leipzig, die Städte Böhlen, Borna, Frohburg, Kitzscher, Markkleeberg,
Markranstädt, Regis-Breitingen, Rötha und Zwenkau sowie mehrere Landgemeinden im Land-
kreis Leipziger Land und die Städte Altenburg, Lucka und Meuselwitz sowie diverse Gemeinden
im Landkreis Altenburger Land. Wirtschaftsräumlich gehört das Gebiet überwiegend zum
Verdichtungsraum der Stadt Leipzig und damit zum Ballungsgebiet Leipzig ­ Halle ­ Dessau
30
.
Im Leipziger Südraum, dem Gebiet in der Gestalt eines Dreiecks nördlich von Zeitz, Altenburg
und Frohburg, zwischen der Weißen Elster und der Pleiße, die kurz vor Leipzig zusammen
fließen, fanden die Menschen die elementarsten Bedürfnisse zum Leben: Wasser, Wiese, Lehm,
Holz und Acker. Dieses Gewässersystem markierte die Kulturlandschaft und führte zu einer
typischen Siedlungsstruktur. Besonders die Region um die Stadt Leipzig war von einem System
aus Kleinstädten, Dörfern und Herrensitzen geprägt
31
. Die Dörfer waren von Mittel- und Groß-
bauernwirtschaft beherrscht. Drei- und Vierseithöfe waren giebelseitig zur Straße errichtet. Die
regionaltypische Bauweise war das Fachwerkhaus auf Bruchsteinsockeln. Zwischen Wohnstall-
haus, Stall und Scheune erstreckte sich ein weitläufiger feldsteingepflasterter Hof. Für die Ge-
wände von Fenstern und Türen verwendete man den in der Region Rochlitz vorkommenden
roten Porphyr. Wiesen mit Obstbäumen und Weiden beherrschten das Bild. Die meist kleinen
28
Vgl.: Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland. Arbeitsblatt 16. Denkmalpflege und
historisch Kulturlandschaft.
2001.
29
Vgl.: Naumann, Günter: Sächsische Geschichte in Daten. München
3
1998
30
Vgl.: Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie. Oberbergamt (Hrsg.): Der Braunkohlenbergbau im Südraum
Leipzig
. Bergbaumonografie. Bergbau in Sachsen. Band 11. 2004. S. 11.
31
Allein bei Zwenkau lagen auf einer Entfernung von 3500m acht Siedlungen. Hess, Ulrich: Problemlandschaft ­
Kulturlandschaft: Südraum Leipzig
. Herausgegeben von PRO LEIPZIG e.V. Leipzig 1994. S. 8.

Denkmäler und Braunkohleabbau
17
Rittergüter mit Herrenhäusern und Parks bildeten künstlerisch gestaltete Bezugspunkte in der
Auenlandschaft.
32
Die historische Siedlungsstruktur erfuhr erst 1945 mit der Bodenreform
33
starke Veränderungen.
Rittergüter wurden mitunter abgerissen, meist umgenutzt und Neubauernsiedlungen errichtet.
Felder wurden zu großen Schlägen zusammengelegt und außerhalb der Dörfer wurden Großställe
zur Massenzucht von Tieren errichtet. Infolgedessen verwahrlosten Bauerngüter und die Struktu-
ren, welche sich seit dem 12. Jahrhundert entwickelt hatten, wurden tief greifend verändert.
34
Der Leipziger Südraum, in dem seit Anfang des 20. Jahrhunderts Braunkohle wirtschaftlich
abgebaut wird, ist vom Braunkohletagebau und dessen Folgen stark geprägt. Die damit verbun-
denen Veränderungen der Siedlungs- und Landschaftsstruktur sind im Allgemeinen bekannt. Aus
diesem Grund ist dieser Region ein überwiegend negatives Bild verhaftet. Es erscheint problema-
tisch, den mit Ästhetik und Schönheit verbundenen Begriff Kulturlandschaft auf ein von Tagebau-
löchern und Abraumhalden geprägtes Gebiet anzuwenden. Unter Berücksichtigung der Definiti-
on dessen was Kulturlandschaft ist, nämlich eine durch den Menschen gestaltete und genutzte
Landschaft, ist dieser Begriff für den Leipziger Südraum aber durchaus zutreffend. Gleichzeitig
sind die Anwohner des Südraums Leipzig vom Wert ihrer Region und dem Erhalt ihres Kultur-
landschaftscharakters überzeugt. Wie aus einer Befragung
35
hervor ging, sind mehr als ein Drittel
der Interviewten im Landkreis Leipziger Land bereit, sich finanziell für den Erhalt der Kultur-
landschaft zu engagieren.
Die über einen Zeitraum von Jahrhunderten entstandene Kulturlandschaft Leipziger Südraum
war vor dem Kohleabbau charakterisiert durch überwiegend landwirtschaftliche Nutzung. Land-
bau und vereinzelt auch Weinbau besaßen gegenüber dem Gewerbe und dem Handel lange Zeit
das Übergewicht in der Region. Diese brachten aber nur eine bescheidene gewerbliche Produkti-
on. Außerdem wurde das Wachstum in der Region durch die überragende Bedeutung der Stadt
Leipzig begrenzt.
36
Der stark landwirtschaftlich geprägte Charakter der Kulturlandschaft Leipzi-
ger Südraum änderte sich tief greifend mit der Erschließung der ersten Braunkohlereviere.
Seit den ersten Abbauversuchen von Torf Ende des 17. Jahrhunderts in der Nähe von Borna,
erlebte der Braunkohlenbergbau seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen deutlichen
32
Vgl.: Hess, Ulrich: Problemlandschaft ­ Kulturlandschaft: Südraum Leipzig. Herausgegeben von PRO LEIPZIG e.V.
Leipzig 1994. S. 8.
33
i. w. S. die Aufhebung des Privateigentums und Vergemeinschaftung des Bodens, i. e. S. die Änderung der Besitz-
verhältnisse an landwirtschaftlich genutztem Boden aus politischen und/oder wirtschaftlichen Gründen; in der Sowj.
Besatzungszone 1945 durchgeführte Bodenreform bildete den Ausgangspunkt der in den 50er Jahren abgeschlosse-
nen Kollektivierung. Brockhaus Enzyklopädie. Dritter Band. Mannheim 1990
19
. S. 471, linke Spalte, Stichwort
Bodenreform.
34
Vgl.: Blaschke, Karl-Heinz: Brüche in der Entwicklung der Kulturlandschaft in Sachsen. Bonn 1995. S .73
35
Wiegand, Stephan: Bürger in und um Leipzig bewerten ihre Umwelt. Monetäre Bewertung der Kulturlandschaft
am Beispiel der Stadt Leipzig und des Kreises Leipziger Land. Leipzig 1996.
36
Vgl.: Das Bornaer Pleisseland ­ Zerstörung und Neuanfang. Herausgegeben von PRO LEIPZIG e.V. Leipzig 1994.
S. 18.

Denkmäler und Braunkohleabbau
18
Aufschwung.
37
Dieser Aufschwung war unmittelbar mit der Industrialisierung und den damit
einhergehenden Entwicklungen verbunden. Einen Beitrag zur Belebung des Braunkohleabbaus
als Industriezweig leistete der Ausbau der Landstraße um 1850. 1852 wurde die erste Dampf-
maschine aufgestellt. 1872 ging die erste Brikettpresse und 1876 eine Maschinenfabrik in Betrieb.
Die Tatsache, dass Braunkohle nun in Form von Briketts längere Strecken transportiert werden
konnte, war ausschlaggebend für die Konjunktur. Der Versorgungskreis konnte deutlich vergrö-
ßert werden, denn nicht nur der Bedarf an Brennstoffen für die Bevölkerung und den städtischen
Gewerben, sondern auch in den sich entfaltenden ländlichen Industrien (Zuckerfabriken, Ziege-
leien, Brennereien und Obstverwertungsbetriebe) war stark angestiegen. Hinzu kam die Möglich-
keit der Verstromung der Braunkohle, aus der sich eine große Bedeutung für die Entwicklung der
Infrastruktur der Städte und Dörfer aber vor allem für die Elektrifizierung des Maschinenantrie-
bes ergab. Außerdem spielte die Braunkohle als Rohstoff für die chemische Industrie eine wichti-
ge Rolle. So entstanden mit den Tagebauen Industriegebiete, die mit ihren Brikettfabriken,
Kraftwerken, Teerverarbeitungswerken, Schwefelgewinnungsanlagen sowie Gas- und Hydrier-
werken die Landschaftsstruktur in wesentlichem Maße veränderten.
38
Diese Veränderung der ursprünglich ländlich geprägten Kulturlandschaft wurde zunächst in den
Kommunen der Region deutlich, die zunehmend ihren Charakter als Landstädte verloren. Land-
städte wurden zu Industriedörfern, die schließlich zum Erscheinungsbild gehörten.
39
Von den
Veränderungen der Landstädte ausgehend, veränderte sich durch das Aufleben des Braunkohle-
abbaus zunehmend das Erscheinungsbild der gesamten, sich seit Jahrtausenden entwickelnden
Kulturlandschaft südlich der Stadt Leipzig. Zu diesen Veränderungen gehörten insbesondere zu
Braunkohlegruben gewordene Ackerflächen, Bergarbeitersiedlungen, Überlandleitungen, Eisen-
bahnstrecken, Abraumhalden und Bruchfelder des Tiefbaus sowie Braunkohleverarbeitungs-
werke. Auch im Bereich der Sozialstruktur vollzogen sich deutliche Veränderungen. Die Ein-
wohnerzahlen der bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts dünn besiedelten Agrarregion stiegen seit
der Entwicklung des Braunkohleabbaus sprunghaft an. Ein Großteil der bisher in der Land-
wirtschaft beschäftigten Bevölkerung wurde zu Bergarbeitern oder ging einer anderen Beschäfti-
gung in der Bergbauindustrie nach.
40
Welche Ursachen für die Veränderung des Landschaftsbildes eine Rolle spielen, geht aus einer
1996 durchgeführten Studie hervor. Demnach sind der Tagebau und die anschließende Renatu-
rierung von Tagebaugebieten und Industrieanlagen ebenso beeinträchtigend für das Landschafts-
37
Vgl.: Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie. Oberbergamt (Hrsg.): Der Braunkohlenbergbau im Südraum
Leipzig
. Bergbaumonografie. Bergbau in Sachsen. Band 11. 2004, S. 109ff.
38
Vgl.: Das Bornaer Pleisseland (1994) S. 20f.
39
Vgl.: Ebd. S. 22.
40
Vgl.: Ebd.

Denkmäler und Braunkohleabbau
19
bild, wie neue Wohnsiedlungen oder Verkehrsverbindungen. Gleichzeitig wird von den befragten
Personen die Veränderung der Landschaft als ,,weniger schön" empfunden.
41
Großtagebauanlagen entstanden erst nach 1900. Eine besondere Gründungstätigkeit lässt sich
hauptsächlich in den Jahren zwischen 1905 und 1911 verzeichnen. Zu Beginn des Ersten Welt-
krieges 1914 war Borna das Zentrum des Sächsischen Braunkohletagebaus. Doch der Abbau der
Braunkohle beanspruchte zunehmend auch Fläche. Die Flächennutzung erreichte ein bisher
ungekanntes Ausmaß an Eingriffen in die Natur- und Kulturlandschaft (1927 20 % der Gesamt-
fläche der beschriebenen Region)
42
.
Die Kulturlandschaft im Süden Leipzigs veränderte sich zunehmend von einer Agrarregion zu
einer Industrieregion. Die Urbanisierung des ländlichen Raums trat deutlich hervor. Die kleinen
Siedlungen wurden zu Industrie- und/oder Arbeiterwohngemeinschaften. Kleine Ortschaften
wurden zu einer Gemeinde vereinigt und erhielten dadurch städtischem Charakter. So zum Bei-
spiel 1920 die beiden Orte Regis und Breitingen zum heutigen Regis-Breitingen.
43
Diese Veränderun-
gen führten zu einer deutlichen Neustrukturierung der ursprünglichen dörflichen Siedlungsstruk-
tur. Zu kompletten Städteneugründungen kam es aber nicht, da das historische Städtenetz bereits
zu dicht gewesen war.
44
In der Zeit des Nationalsozialismus kam es zu weiteren Zusammenlegungen von Gemeinden.
Der Standort Böhlen wurde zum Zentrum der Energiewirtschaft in Mitteldeutschland ausgebaut.
Kehrseite dieses Ausbaus war ein großer Raubbau an der Natur, menschlicher Arbeitskraft und
der gesamten Kulturlandschaft. Die Gruben waren tief und die aufgeschütteten Halden hoch,
sodass die Horizontale der Landschaft ein völlig verändertes Bild erhielt. Es erfolgten erste Auf-
forstungen und Aufschüttung von Mutterboden, damit die Landwirtschaft weiter betrieben
werden konnte. Zugleich wurden die Devastationen der ersten Ortsteile und deren Fluren voll-
zogen. 1928 fiel zum ersten Mal ein ganzes Dorf dem Braunkohleabbau zum Opfer. Zwischen
1928 und 1933 kam es zur Ortsverlegung von Rusendorf als erste Komplettumsiedlung eines
Dorfes. Zwischen 1949 und 1979 wurden für den Bergbau im Kreis Borna 14 Orts- bzw. Teil-
ortsverlegungen durchgeführt. Einige Orte blieben, quasi als ,,Inseln", (wie zum Beispiel Kahns-
dorf) mit den damit verbundenen Einschränkungen und Schwierigkeiten zurück!
45
Kennzeichnend für die Bergbauindustrie zur Zeit der DDR, waren die gravierenden Umwelt-
belastungen sowie augenfällige Transparenzdefizite in Bezug auf politische Entscheidungs-
findungen und konkrete Entschädigungspraktiken. In der Zeit der frühen DDR war es üblich,
Braunkohleabbaufelder langfristig als Braunkohleschutzgebiete zu sichern. Damit verbunden
waren zum Teil auf 30 ­ 40 Jahre vorlaufende Entscheidungen zur Inanspruchnahme der Gebie-
41
Wiegand, Stephan: Bürger in und um Leipzig bewerten ihre Umwelt. Monetäre Bewertung der Kulturlandschaft am Beispiel der
Stadt Leipzig und des Kreises Leipziger Land
. Leipzig 1996. Tabelle A 9 und A 10, S. 34f.
42
Vgl.: Das Bornaer Pleisseland. (1994) S. 23.
43
Ebd. S. 24
44
Vgl.: Ebd. S. 23ff.
45
Vgl.: Ebd. S. 30.

Denkmäler und Braunkohleabbau
20
te. Den Bewohnern der zu devastierenden Orte wurden meist so genannte ,,Kohleersatz-
wohnungen" in Neubaugebieten in Leipzig, Borna oder ausgewählten Kleinstädten im Kreisge-
biet angeboten. Damit verbunden waren als soziale Begleiterscheinungen der Zerfall von Dorf-
gemeinschaften und der Verlust der dörflichen Lebensweise. Mit der politischen Wende im
Herbst 1989 änderten sich die Rahmenbedingungen für die Braunkohlenindustrie und dadurch
auch für die bergbaubedingten Umsiedlungen stark. Ein Expertenteam überprüfte 1990 inwieweit
Umsiedlungserfordernisse noch aufrecht zu erhalten waren. Aus dem im Juni 1990 veröffent-
lichten Bericht ging hervor, dass mehrere Orte und Ortsteile aus den Abbauplanungen heraus-
genommen wurden waren. Breunsdorf und Heuersdorf blieben weiterhin als zur Umsiedlung
vorgesehene Ortslagen.
46
Der Braunkohleabbau, der sich in den letzten Jahrzehnten aus vielen Einzelrevieren zu einem
Förderraum in Mitteldeutschland zusammenfügte, hat den Leipziger Südraum nicht nur nachhal-
tig geprägt und verändert. Die Gewinnung und Veredlung der Braunkohle bildeten die Erwerbs-
grundlage für sechs Bergarbeitergenerationen und sorgten dafür, dass sich in der Region zahlrei-
che Menschen bewusst ansiedelten. Die Bevölkerung im Südraum Leipzig lebt seit Jahrzehnten
mit der Braunkohleindustrie, sie hat sich durch die weit reichenden Einflüsse im Laufe der Zeit
nicht nur damit arrangiert sondern auch identifiziert. Der Abbau von Braunkohle hat den ur-
sprünglich landwirtschaftlichen Charakter der Kulturlandschaft stark verändert und völlig neu
gebildet. In Verbindung mit diesen offensichtlichen Veränderungen hat der Braunkohleabbau
seinerseits Sachzeugen hervorgebracht, die zur Bildung der nun bergbaugeprägten Kulturland-
schaft beigetragen haben und die Identifikation der Menschen mit ihrer Heimatregion bilden.
Durch den Braunkohletagebau sind in Westsachsen seit 1928 mehr als 60 Ortschaften und
Ortsteile überbaggert und über 23.000 Menschen umgesiedelt worden.
47
Viele Orte findet man
nur auf alten Landkarten, einige der ursprünglichen Bezeichnungen gibt es lediglich noch in
Chroniken. Zum Teil leben sie in Flurbezeichnungen und Straßennamen fort. Dabei sind mitun-
ter bedeutende Denkmäler für immer verloren gegangen, darunter zahlreiche Dorfkirchen.
46
Vgl.: Berkner, Andreas (Hrsg.): Braunkohlenplanung und Umsiedlungsproblematik in der Raumordnungsplanung Brandenburgs,
Nordrhein-Westfalens, Sachsens und Sachsen-Anhalts. Ergebnisse des Gesprächskreises Braunkohlenplanung.
Akademie für Raum-
forschung und Landesplanung. Hannover 2000. S. 67f.
47
Siehe Tabelle Anhang 2.

Theoretischer Hintergrund
21
3 Theoretischer
Hintergrund
3.1 Begriffsklärung
3.1.1
Denkmalschutz und Denkmalpflege
Am Beginn der Beschäftigung mit Themen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege stehen
der Denkmalbegriff und die davon abhängige Definition der Denkmäler.
Denkmalschutz und Denkmalpflege sind zwei sehr ähnliche und oft äquivalent gebrauchte Beg-
riffe. Zum einen werden beide als eine Art Oberbegriff für die Institution der für den Schutz und
die Pflege von Kunst- und Kulturgut verantwortlichen Behörden verwendet. Zum anderen be-
zeichnen sie jeweils eine Form des Umgangs mit zu erhaltenden Kulturgütern: erstens den Schutz
und zweitens die Pflege derselben. Dabei werden die Begriffe selten eindeutig voneinander abge-
grenzt. Die Unterscheidung, ob es sich um den Schutz eines Kulturdenkmals oder dessen Pflege
handelt, ist jedoch bedeutungsvoll.
Während die Begriffe umgangssprachlich meist synonym verwendet werden, wird in der Fach-
sprache hingegen Denkmalpflege als Oberbegriff angesehen, der den Denkmalschutz, als den
Bereich des hoheitlichen Handelns, der Verwaltung mit Anordnungen und Verwaltungsakten
erfasst. Demgegenüber bezieht sich Denkmalpflege im engeren Sinne auf den Bereich der bera-
tenden Tätigkeit, Erfassung, Behandlung und Förderung mit Mitteln der leistenden Verwaltung;
also auch auf einen nichthoheitlichen Bereich, der dennoch direkt auf die Erhaltung der Denkmä-
ler zielt. Denkmalschutz und Denkmalpflege verfolgen die gleichen Ziele, unterscheiden sich
jedoch hinsichtlich ihrer Maßnahmen und Wege. Es handelt sich nicht nur um eine formale,
sondern auch eine organisatorische Unterscheidung: so ist das Landesamt für Denkmalpflege für
die Pflege von Kulturdenkmälern zuständig und die untere Denkmalschutzbehörde für deren
Schutz.
48
In Bezug auf das Denkmalrecht ist eine Unterscheidung von Denkmalschutz und Denkmalpflege
von beachtlicher Bedeutung. So bezeichnet Denkmalschutz alle Maßnahmen, die sich verbietend
oder gebietend an nichtstaatliche Rechtsträger wenden und auf die Erhaltung von Kultur-
denkmälern abzielen, während Denkmalpflege die betreuende Tätigkeit öffentlich-rechtlicher
Körperschaften bezeichnet.
49
3.1.2
Denkmal und Kulturdenkmal
Laut Herkunftswörterbuch ist das Wort Denkmal eine Lehnübertragung aus dem 16. Jahrhundert
des griechischen mn m synon welches in der Bedeutung ,,Erinnerungszeichen" verwendet wurde.
50
48
Vgl.: Martin / Schneider / Wecker / Bregger: Sächsisches Denkmalschutzgesetz (Sächs.DSchG). Kommentar. Wiesbaden
1999. S. 33.
49
Vgl.: Hammer, Felix: Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland. Tübingen 1995. S. 4.
50
Vgl.: DUDEN, Band 7 Das Herkunftswörterbuch 1989. Stichwort Denkmal.

Theoretischer Hintergrund
22
Das Wort setzt sich aus den Teilen ,,denken" im Sinne von sich erinnern und ,,Mal" im Sinne von
Zeichen
zusammen, woraus sich die erste Bedeutung des Wortes als Erinnerungszeichen ergibt.
Als Schöpfer des Begriffes gilt Martin Luther, der 1523 das Alte Testament übersetzte und für
das griechische Wort mn m synon, beziehungsweise das lateinische monumentum die deutsche Ent-
sprechung ,,Denkmal" einsetzte. Ältere Sprachstufen konnten für dieses Wort nicht nach-
gewiesen werden. Seit dem 17. Jahrhundert wurde es in der Bedeutung ,,Gedenkstein oder -bild"
und ,,Schrift-, Bild- oder Bauwerk der Vorzeit" ­ auch in Anlehnung an das lateinische monumen-
tum
­ benutzt. Das lateinische monumentum bezeichnet jedes historisch bedeutsame Zeugnis ver-
gangener Zeiten, im eigentlichen Sinne ein architektonisches oder plastisches Erinnerungsmal an
bestimmte Ereignisse oder Personen. Der Begriff blieb bis Ende des 18. Jahrhunderts wenig
gebräuchlich. Um 1800 differenzierte sich der Denkmalbegriff und bekam eine Bedeutung, die in
engem Zusammenhang mit der zunehmenden Denkmalproduktion im 19. Jahrhundert steht. Der
Denkmalbegriff ist im Wörterbuch von 1793 festgehalten: Johann Christoph Adelung schrieb zu
dem Begriff Denkmal: ,,ein jedes Mahl oder Zeichen zum Andenken eines Verstorbenen [...].
Ingleichen, ein Werk, welches die Vorstellung von vergangenen oder veralteten Dingen ent-
hält."
51
Der Begriff des Kulturdenkmals ist sprachlich das Ergebnis einer historischen Entwicklung. Am
deutlichsten wird die Bedeutung des Begriffs in den unterschiedlichen Formulierungen der deut-
schen Denkmalschutzgesetze. In der Gesetzgebung hat der Begriff die Funktion des Über-
begriffs. In der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart sind die Begriffe Kulturdenkmal und
Denkmal
nicht im engeren umgangssprachlichen Sinne des aufgestellten Erinnerungszeichens
(Standbilder, Kriegermahnmale, Erinnerungstafeln) zu verstehen. Es geht weniger um das gewoll-
te Denkmal, als vielmehr um das gewollte und ungewollte Denkmal im Sinne der Spur, die von
bedeutsamen Geschehen oder das Wahrzeichen, das von einer bedeutsamen Entwicklung zu-
rückgeblieben ist.
52
Die Definition des Denkmals ist in den deutschen Denkmalschutzgesetzen nicht einheitlich.
Einige Länder verwenden ausschließlich den Begriff des Denkmals, während andere den des
Kulturdenkmals verwenden. Eine inhaltliche Unterscheidung ist damit aber nicht verbunden. Die
Mehrheit der gesetzlichen Formulierungen orientiert sich am Sachenrecht des BGB (Bürgerliches
Gesetzbuch). Eines der ältesten gültigen deutschen Denkmalschutzgesetze ist das baden-
württembergische Gesetz vom 25. Mai 1971, dessen Formulierungen die meisten der anderen
Länder, auch Sachsen gefolgt sind. Danach sind Kulturdenkmäler Sachen, Sachgesamtheiten und
Teile von Sachen, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimat-
geschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht. Es können also nur Sachen, Sachteile
51
Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Erster Theil. Leipzig 1793.
Sp. 1449. Zit. n. Alings, Reinhard: Monument und Nation. Berlin 1996. S. 5.
52
Vgl.: Martin / Schneider / Wecker / Bregger (1999) S. 41.

Theoretischer Hintergrund
23
und Sachgesamtheiten Denkmäler sein, d. h. nur körperliche Gegenstände. Unkörperliches, wie
historische Straßen- oder Flurbezeichnungen oder geschichtliche Orte können keine Kultur-
denkmäler sein. Ebenso kann Urheberrecht, wie zum Beispiel die baukünstlerische Leistung eines
Architekten kein eigener Schutzgegenstand der Denkmalpflege sein, sondern nur das Werk
selbst.
53
Während Sachen ganze Gebäude, deren Ausstattungstücke, Brunnen, Bildstöcke usw. sein kön-
nen, werden als Sachteile zum Beispiel eine baukünstlerisch hochwertige Fachwerkfassade eines
Gebäudes oder die historische Innenausstattung eines sonst überwiegend veränderten Gebäudes
bezeichnet. Sachgesamtheiten sind ganze Baugruppen, Straßen, Plätze, ja sogar Ortsteile. Teile von
Sachen oder Sachgesamtheiten
wiederum betreffen so genannte bewegliche Denkmäler. In der Defini-
tion der beweglichen Denkmäler unterscheiden sich die Formulierungen der einzelnen Denkmal-
schutzgesetze zum Teil stark voneinander. Eine der ausführlichsten ist die Umschreibung beweg-
licher Denkmäler im Gesetz von Sachsen-Anhalt, wonach diese beschrieben werden als: ,,Einzel-
gegenstände und Sammlungen, wie Werkzeuge, Geräte, Hausrat, Gefäße, Waffen, Schmuck, Trachtenbestandtei-
le, Bekleidung, Kultgegenstände, Gegenstände der Kunst und des Kunsthandwerkes, Münzen und Medaillen,
Verkehrsmittel, Maschinen und technische Aggregate, Teile von Bauwerken, Skelettreste von Menschen und
Tieren, Pflanzenreste und andere Hinterlassenschaften."
54
. Wesentlich kürzer, aber eindeutig hingegen ist
die Formulierung des Gesetzes von Brandenburg: ,,Bewegliche Denkmale sind nicht ortsfeste Denkma-
le."
55
.
Nicht in allen Denkmalschutzgesetzen sind die beweglichen Denkmäler gesondert genannt.
Sie werden jedoch immer unter dem Überbegriff der Kulturdenkmäler erfasst. Wichtig für die
Einstufung als bewegliches Denkmal ist nur, dass ein Objekt vom Boden oder der Sache getrennt
werden kann, ohne dabei die Denkmaleigenschaft zu verlieren.
56
In den deutschen Denkmalschutzgesetzen werden die Kulturdenkmäler jeweils noch einmal
unterschieden in:
a) Baudenkmäler,
b) deren Ausstattung und Zubehör,
c) Statuen, Gemälde, Möbel, ... die im Allgemeinen als Kleindenkmäler oder bewegliche
Denkmäler bezeichnet werden,
d) Gesamtanlagen, auch Ensembles oder Mehrheiten baulicher Anlagen genannt.
Des Weiteren sind in den Denkmalschutzgesetzen so genannte Bodendenkmäler berücksichtigt.
Dies begründet sich damit, dass Denkmalschutzgesetze gleichzeitig Ausgrabungsgesetze sind.
Bodendenkmäler gehören zur Archäologie und bezeichnen bewegliche und unbewegliche Sachen,
53
Vgl.: Martin / Krautzberger: Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege ­ einschließlich Archäologie. München 2004.
S. 116f.
54
§ 2Abs. 2 Nr. 5 Denkmalschutzgesetz Sachsen Anhalt.
55
§ 2 Abs. 4 Satz 1 Denkmalschutzgesetz Brandenburg.
56
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 117.

Theoretischer Hintergrund
24
die Zeugnisse, Überreste oder Spuren menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens aus
Epochen sind, die nur über Ausgrabungen wissenschaftliche Erkenntnisse bringen können.
Der Begriff des Kulturdenkmals im Sinne des Gesetzes wird durch bestimmte Bedeutungs-
kategorien näher definiert. Der Kulturdenkmalbegriff erfährt dadurch eine Umschreibung, die
ihn näher konkretisiert. Die verschiedenen Bedeutungskategorien wiederum werden dadurch
präzisiert, das es sich um ein Denkmal im Sinne des Gesetzes nur dann handelt, wenn mindestens
eine Kategorie erfüllt ist und außerdem ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des schüt-
zenswerten Objektes besteht. Das bedeutet, dass Kulturdenkmal der Überbegriff im normativen
Sinne für die einzelnen Wertungs- und Bedeutungskriterien und das öffentliche Interesse der
Erhaltung ist. Gleichzeitig begrenzen die Bedeutungskriterien den Kulturdenkmalbegriff.
57
3.1.3
Bedeutungskategorien für Kulturdenkmäler zur Feststellung der Denk-
malfähigkeit
Um die Notwendigkeit der Erhaltung eines Objektes zu begründen, wurden nach dem Hessi-
schen Denkmalschutzgesetz 1978 mindestens fünf Bedeutungskategorien definiert. In der
Rechtssprechung wurde für diese Bedeutungskategorien der Begriff der Denkmalfähigkeit geprägt.
Demgegenüber steht die so genannte Denkmalwürdigkeit, mit der das Vorhandensein eines öffent-
lichen Erhaltungsinteresses gemeint ist (dazu ausführlich unter 3.1.4). Beide gemeinsam begrün-
den die Denkmaleigenschaft eines Objektes.
58
Die Denkmalfähigkeit eines Bauwerkes wird nach der Rechtssprechung des Hessischen Denk-
malschutzgesetz dadurch bestimmt, dass ,,Die künstlerische, wissenschaftliche, geschichtliche, technische und
städtebauliche Bedeutung eines Bauwerkes durch bestimmte Fakten erwiesen sein muss und in das Bewusstsein der
Bevölkerung oder eines breiten Kreises von Sachverständigen eingegangen sein muss".
59
Die Bedeutungskategorien dienen dazu, die Wertigkeit eines Denkmals zu präzisieren und juris-
tisch zu verankern.
3.1.3.1 Geschichtliche
Gründe
Die wichtigste Bedeutungskategorie ist die geschichtliche. Die geschichtliche Bedeutungs-
kategorie ist die primäre Kategorie der Denkmalerkenntnis.
60
Die Geschichtlichkeit ist auch aus
dem Grund so bedeutend, da sie quasi als Übergeordnete Kategorie die einzelnen Bedeutungs-
kategorien untereinander verbindet, wobei dennoch jede für sich separat zu betrachten ist.
61
Auf Grund ihrer zentralen Rolle werden die geschichtlichen Gründe in vielen Denkmalschutz-
gesetzen an erster Stelle genannt. Dies liegt auch daran, dass das Hauptziel der Denkmalpflege
57
Vgl. Heinz, Kersten: Kultur ­ Kulturbegriff ­ Kulturdenkmalbegriff. Frankfurt a. M. 1993. S 190ff.
58
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 118.
59
Zitiert nach: Kiesow (
4
2000) S. 77.
60
Vgl.: Kiesow (
4
2000) S. 44.
61
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 120.

Theoretischer Hintergrund
25
die Erhaltung von Quellen und Zeugnissen menschlicher Geschichte ist. Dieses Hauptziel liegt
bereits in der ursprünglichen Bedeutung von monumentum, was den Begriff der Erinnerung an
etwas Vergangenes und daher die Geschichtlichkeit beinhaltet. Die Bedeutungskategorie der
Geschichtlichkeit kann außerdem als eine Art Anfangstatbestand, der die anderen Bedeutungs-
kategorien differenziert, angesehen werden. Betrachtet man jedoch nur das Kriterium der Ge-
schichtlichkeit, könnten alle Spuren, in denen sich menschliche Tätigkeit in der Geschichte dar-
stellt, ein Kulturdenkmal sein. Die Geschichtlichkeit ist demnach nicht alleiniges, aber wichtigstes
Kriterium für die Einstufung eines Bauwerkes als Kulturdenkmal. Sie kann als Oberbegriff für
die Denkmaleigenschaften eines Bauwerkes angesehen werden.
62
Die geschichtliche Bedeutung eines Bauwerkes besteht in seiner Fähigkeit, Vergangenes zu do-
kumentieren, es kann quasi als Geschichtsurkunde dienen und den Geschehenszusammenhang
menschlichen Handelns, Wirtschaftens, Denkens und Glaubens veranschaulichen. Von besonde-
rem Wert sind dabei Sachen, Gegenstände oder Bauwerke, die die Lebensweise, Gepflogenheiten
sowie die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Menschen bele-
gen. Wichtig sind dabei Anschauungswert und Erinnerungswert eines Bauwerkes. Das Alter allein
spielt nicht ausschließlich eine Rolle, es bedarf vielmehr eines dokumentarischen und exemplari-
schen Charakters, der das Bauwerk zu einem aussagefähigen Zeugnis der Vergangenheit macht.
Zu dem Kriterium der Geschichtlichkeit und dem damit verbundenen exemplarischen Aussage-
charakter ist kritisch hinzuzufügen, dass diese sich ändern oder verloren gehen können, wenn das
Objekt oder Bauwerk sich nicht mehr am ursprünglichen Ort der Aufstellung bzw. Konstruktion
befindet und in einen anderen Umgebungszusammenhang gebracht wird. Dabei spielt das Bedeu-
tungskriterium der Ensembles (siehe 3.1.3.6) eine wichtige Rolle.
3.1.3.2 Künstlerische
Gründe
Die künstlerischen Gründe für die Bewertung eines Denkmals gehören neben den geschichtli-
chen zu den wichtigsten Denkmalkategorien. Sie sind eng mit dem Denkmalbegriff des 19. Jahr-
hunderts verbunden.
63
Künstlerische Gründe für die Bewertung eines Bauwerkes manifestieren sich in der künstleri-
schen Qualität des Bauwerks, seiner Bedeutung in der Entwicklungsgeschichte der Kunst, seiner
Stellung im OEuvre des Künstlers, seinem Seltenheitswert als Vertreter eines Stils und aus ästheti-
scher Sicht in der Qualität oder Vielfalt der Fassadengliederung und Bauornamentik, sowie der
Qualität oder Vielfalt der Innenausstattung.
64
Die künstlerischen Gründe werden in erster Linie durch die Untersuchungsgegenstände selbst,
und durch Erkenntnisse und Methoden der Kunstgeschichte bestimmt. Da sich jedoch die künst-
lerische Qualität eines Bauwerks nicht messen lässt, ist man auf die Einschätzung eines Spezialis-
62
Vgl.: Heinz (1993) S. 202.
63
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 118.
64
Vgl.: Kiesow (
4
2000) S. 79.

Theoretischer Hintergrund
26
ten angewiesen, der mit Hilfe seiner Erfahrung und dem Vergleich zu anderen Denkmälern die
künstlerische Qualität bestimmen kann. Auf Grund der schweren Fassbarkeit des Begriffs der
künstlerischen Qualität
bedarf es eines hohen Begründungszwangs. Wichtig ist, dass die künstleri-
sche Bedeutung eines Bauwerkes nicht allein auf dessen Ästhetik reduziert wird, sondern auch
der schöpferische Prozess, der an eine spezifische historische Situation gebunden und von politi-
schen, religiösen sowie moralischen Normen bedingt ist, berücksichtigt wird. Die künstlerischen
Gründe dürfen daher nie ohne die geschichtlichen begriffen werden, die künstlerische Bedeutung
eines Objekts ist ohne die geschichtliche nicht denkbar. In der Regel wird für die Bemessung der
Geschichtlichkeit die Zeitspanne einer Generation Abstand zur Gegenwart angesehen.
65
3.1.3.3 Wissenschaftliche
Gründe
Dem Kriterium der Wissenschaftlichkeit wird allgemein eine hohe Bedeutung beigemessen.
Grundlage für die Wissenschaftlichkeit eines Bauwerkes sind nicht nur die Forschungsanliegen
Archäologie, Geschichte und Kunstgeschichte, sondern in zunehmendem Maße auch der Natur-
wissenschaften, die besonders für technische Denkmäler eine Denkmalwürdigkeit erlangen kön-
nen. Grundsätzlich kommen alle Wissenschaften in Frage, sie reichen von der Paläontologie und
Anthropologie, Theologie und Musikforschung, von der Haus- und Siedlungsforschung bis zur
Volkskunde.
66
Die Bedeutung für die Kunstgeschichte steht dennoch im Vordergrund. Die Ü-
bergänge zwischen den künstlerischen und wissenschaftlichen Qualitäten sind dabei fließend. Die
Trennung der wissenschaftlichen und der geschichtlichen Gründe gehen auf das 18. und
19. Jahrhundert zurück. Heute ist diese Trennung fast hinfällig, so kann zum Beispiel eine Dorf-
kirche von wissenschaftlicher Bedeutung sein, da sie als Beispiel für das OEuvre des jeweiligen
Architekten steht; sie muss dabei aber nicht von besonderer künstlerischer Qualität sein.
67
Eine wissenschaftliche Bedeutung eines Bauwerkes besteht immer dann, wenn ein Objekt für die
Wissenschaft oder einen Wissenschaftszweig von Interesse ist, also ein konkretes Forschungs-
vorhaben vorliegt. Aber auch dann, wenn das Objekt als Gegenstand für eine wissenschaftliche
Forschung in Betracht kommt. Der dokumentarische Wert eines Objekts für die Wissenschaft
steht im Vordergrund, weil er den Wissensstand einer bestimmten Epoche bezeugen kann. Die
Begründung der wissenschaftlichen Bedeutung im Einzelfall bleibt spekulativ und verallgemei-
nernd. Sie ist von den jeweiligen zuständigen Landesdenkmalämtern abhängig.
68
3.1.3.4 Technische
Gründe
Die Einbeziehung technischer Gründe für die Bewertung der Denkmalfähigkeit eines Objektes
liegt darin begründet, dass sich die Entwicklung in der Technik sehr schnell vollzieht und damit
Zeugnisse technischen und handwerklichen Wirkens einer Kulturepoche erhalten werden sollen.
65
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 119.
66
Vgl.: Kiesow (
4
2000) S. 49ff.
67
Vgl.: Kiesow (
4
2000) S. 81.
68
Vgl.: Heinz (1993) S. 209f.

Theoretischer Hintergrund
27
Obwohl die Erhaltung technisch besonders bemerkenswerte Bauten bereits durch die geschicht-
lichen und wissenschaftlichen Bedeutungskategorien begründet sein kann, sollen die technischen
Gründe gesondert hervorgehoben werden. Es wird versucht, damit vor allem die Zeugnisse der
Industrialisierung des 18./19. und frühen 20. Jahrhunderts, wie zum Beispiel Bauten und Anala-
gen der frühen Eisenbahntechnik, zu würdigen.
69
Technische Gründe können darin bestehen, dass es sich um ein wichtiges Zeugnis für die Ent-
wicklung der Technik handelt oder in der Qualität der Konstruktion oder Herstellungsart, sowie
in der Qualität der handwerklichen oder technischen Ausführung. Von Bedeutung können dar-
über hinaus die unveränderte Erhaltung des Originalzustandes in Form und Farbe und der be-
sonders gute bauphysikalische Erhaltungszustand des Objektes sein.
3.1.3.5 Städtebauliche
Bedeutung
Das Kriterium städtebaulich bezeichnet gewachsene Siedlungsstrukturen und Stadtbaukunst der
Vergangenheit, aber ebenso Siedlungen im ländlichen Raum. Es bezeichnet Gründe auf der
Ebene der Stadtgestalt, die bei isolierter Betrachtung der Bauwerke nicht erkennbar wäre und das
Stadtbild deutlich geprägt haben. Die städtebauliche Bedeutung bezieht sich dabei jedoch nicht
auf das gegenwärtige oder gar zukünftige Bild einer Stadt, sondern ausschließlich auf den histori-
schen Städtebau, dessen Zeugnisse aus geschichtlichen Gründen erhalten werden sollen.
70
Städtebauliche Gründe zur Einstufung eines Kulturdenkmals als solches sind dann gegeben,
wenn eine stadtbaugeschichtliche oder stadtentwicklungsgeschichtliche Unverwechselbarkeit,
eine charakteristische bauliche Varietät vorhanden ist. Des Weiteren kann man von städte-
baulicher Qualität sprechen, wenn sich an einem Platz eine Bebauung erkennen lässt, die auf
einheitliche Planung zurückzuführen ist oder aus anderen Gründen im Laufe der Zeit auf diese
Art und Weise zusammen gekommen ist. So kann auch ein Bauwerk, das als Einzelkunstwerk
nicht als denkmalwürdig eingestuft werden würde in einem solchen städtebaulichen Zusammen-
hang und ihrer damit verbundenen Funktion kunsthistorisch bedeutsam und somit zu einem
Kulturdenkmal werden.
71
Wiederum sind der historische Hintergrund und die Bewahrung des historischen Original-
zustandes von besonderer Bedeutung für die Denkmalpflege.
Das Sächsische Denkmalschutzgesetz nennt zusätzlich noch die landschaftsgestaltende Bedeu-
tung als Grund für die Denkmaleigenschaft eines Objektes.
3.1.3.6
Bewertungskriterien für Gesamtanlagen und Ensembles
Wie weiter oben bereits angesprochen, können nicht nur Einzelbauwerke, sondern auch Grup-
pen von Bauwerken als denkmalwürdig eingestuft werden. Die Unterschutzstellung von ganzen
69
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 119.
70
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 121f.
71
Vgl.: Kiesow S. 9. (
4
2000) / Heinz (1993) S. 211f.

Theoretischer Hintergrund
28
Anlagen ist, wegen des Umfangs und der untereinander bestehenden Zusammenhänge der zu
unter Schutz stellenden Gegenstände von großer Bedeutung.
Die Notwendigkeit der Erhaltung von Ensembles ist in allen Denkmalschutzgesetzen der Bun-
desländer festgehalten. Dabei divergieren die Bezeichnungen von Gesamtanlage, Gruppen, Mehrheiten
baulicher Anlagen
und Ensembles über Denkmalbereiche bis zu Denkmalzone und Denkmalgebiet. Ge-
meint sind damit immer Ensembles und Gesamtanlagen wie beispielsweise Schloss- und Parkan-
lagen, Straßenzüge oder Plätze. Gründe zur Erhaltung von Ensembles und Gesamtanlagen sind
die gleichen, wie bei einzelnen Sachen.
Soll eine Gesamtanlage unter Denkmalschutz gestellt werden, so muss nicht jedes einzelne der
Bauwerke ein Kulturdenkmal für sich sein. Eine denkmalgeschützte Gesamtanlage ist auch dann
gegeben, wenn nicht jede dazugehörige bauliche Anlage die Kriterien eines Kulturdenkmals
erfüllt.
72
3.1.4 Öffentliches
Interesse
Weiter oben wurde gesagt, dass ein Objekt noch nicht als Kulturdenkmal eingestuft werden kann,
wenn mindestens eine der beschriebenen Bedeutungskategorien vorliegt. Die Bedeutungs-
kategorien definieren lediglich die Denkmalfähigkeit eines Objektes oder Gegenstandes. Zur Be-
gründung der Denkmaleigenschaft muss aber als eigenständiger Tatbestand ein spezifisches
öffentliches Interesse an der Erhaltung des Objektes oder Gegenstandes, d. h. die Denkmalwürdig-
keit
vorhanden sein.
Das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Objektes ist wichtiger Tatbestand für die Defini-
tion eines Kulturdenkmals bzw. die Einordnung eines Bauwerkes als Denkmal überhaupt. Es ist
eigenständiger Bestandteil des Denkmalbegriffs und hat nicht nur erklärenden Charakter. Seine
Funktion besteht zum einen darin, als Ausgleichsmittel für die weit gefassten und unbestimmten
Rechtsbegriffe der Bedeutungskategorien zu dienen und zum anderen ist es eigener notwendiger
Tatbestand für Schutzgründe. Das Kriterium des öffentlichen Erhaltungsinteresses ermöglicht
ein Abwägen der Bedeutung der verschiedenen Kriterien zur Einstufung eines Bauwerkes als
Denkmal und legt die Denkmalwürdigkeit eines Bauwerkes fest.
73
Alle modernen deutschen Denkmalschutzgesetze beinhalten den Wortlaut des öffentlichen Erhal-
tungsinteresses
als Bedingung für die Einstufung eines Objektes als Kulturdenkmal neben den
unter 1.2 aufgeführten Bedeutungskategorien. Die Rechtssprechung hat eindeutig bestätigt, dass
es neben einer Denkmalfähigkeit auch einer Denkmalwürdigkeit bedarf!
74
Das öffentliche Interesse wird inhaltlich jedoch nicht näher erklärt und konkretisiert. Es bleibt
ein unbestimmter Rechtsbegriff. Eine bis heute bestehende Formulierung dessen, was öffentli-
ches Interesse im Sinne des gesetzlichen Denkmalschutzes bedeutet, geht aus dem ältesten deut-
72
Vgl.: Hönes, Ernst-Rainer: Denkmalrecht und Dorferneuerung. Eine praxisbezogene Abhandlung zur Erhaltung des ländlichen
Raumes
. Köln 1988. S. 30.
73
Vgl.: Heinz (1993) S. 215ff.
74
Vgl.: Martin / Krautzberger, (2004) S. 124.

Theoretischer Hintergrund
29
schen Denkmalschutzgesetz, dem schleswig-holsteinischen Gesetz zum Schutz von Denkmälern
vom 7. Juli 1958 hervor: ,,Öffentliches Interesse besteht, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des
Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind
und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe
vorliegen."
75
Die Bedeutung des Begriffs des öffentlichen Interesses lässt sich aus den Formulierungen der
Denkmalschutzgesetze und der ihm darin zugedachten Funktion nach Kersten Heinz so erklären,
dass ein öffentliches Interesse dann besteht, ,,wenn eine allgemeine Übereinstimmung von der Denkmal-
würdigkeit einer baulichen Anlage und der Notwendigkeit ihrer Erhaltung besteht."
76
Diese von ihm formulierte allgemeine Übereinstimmung von Denkmalwürdigkeit und Notwen-
digkeit der Erhaltung eines Objektes setzt voraus, dass diese im Bewusstsein der Bevölkerung
oder von Sachverständigen vorhanden ist. In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf die
wichtige Aufgabe der Denkmalpfleger hinzuweisen, der Bevölkerung die verschiedenen zutref-
fenden Bedeutungskriterien eines Denkmals zu veranschaulichen und darzustellen, nicht in erster
Linie, um ein Interesse am Erhalt zu wecken, sondern um sie entscheidungsfähiger zu machen.
Die Probleme entstehen in der Tat immer dann, wenn die Denkmalwürdigkeit eines vom Ab-
bruch bedrohten Gebäudes oder Ensembles der Bevölkerung nicht bewusst ist.
77
Aufgabe des Tatbestandes des öffentlichen Interesses ist es, eine Auswahl der infrage kommen-
den Objekte zu treffen, was zwar fachlich oft unbefriedigend erscheint, aber aus rechtlichen und
verwaltungspraktischen Gründen unumgänglich ist. Dem öffentlichen Erhaltungsinteresse muss
tatsächlich eine große Bedeutung beigemessen werden, da sich mit dem Verständnis der Öffent-
lichkeit mitunter sehr viel bewegen lässt.
Um den Tatbestand des öffentlichen Interesses festzustellen, wird vorrangig der Seltenheitswert
eines Objektes betrachtet. Dennoch bedarf es dabei immer eines konkreten Schutzgrundes und
nicht nur des Seltenheitswertes allein, um die Denkmaleigenschaft eines Objektes zu begründen.
Denn es ist damit nicht gemeint, dass sich Denkmalschutz und Denkmalpflege auf den Erhalt
von gewissermaßen ,,letzten Exemplaren" beschränken
78
. Weniger zutreffend ist das Kriterium
des Seltenheitswertes nämlich immer dann, wenn gerade die Gleichartigkeit mehrerer Denkmäler
aus derselben Entstehungszeit den Aussagewert eines Objektes steigert. Neben der Seltenheit,
werden auch Originalität und Integrität zur Beurteilung des öffentlichen Interesses betrachtet. Dem
baulichen Erhaltungszustand eines Objektes hingegen wird keinerlei Beachtung beigemessen.
Ebenso wenig ist die Höhe der Erhaltungs- und Instandsetzungskosten ausschlaggebend für die
Einschätzung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung eine Objektes oder Gegenstandes.
Aus diesem Grund ist die Haltung, ein Objekt könne auf Grund seines schlechten Erhaltungs-
75
Zitiert nach: Hönes (1988) S. 13.
76
Zitiert nach: Heinz (1993) S. 218.
77
Vgl.: Kiesow (
4
2000) S. 77.
78
Vgl.: Martin / Krautzberger (2004) S. 125.

Theoretischer Hintergrund
30
zustandes
nicht als Denkmal eingestuft werden, falsch. Auch wenn ein Objekt dem Abbruch
preisgegeben werden muss, darf davon die Feststellung der Denkmaleigenschaft nicht beeinträch-
tigt sein. Die Einstufung als Kulturdenkmal kann im Falle eines Abbruchs zu einer Fotodoku-
mentation oder zeichnerischen Aufnahme des Objektes führen. Das Objekt wird dann in Form
einer Sekundärquelle für später weiter existieren. Ebenso kommt es selten vor, dass nachträgliche
Veränderungen oder Teilwiederherstellungen an Objekten die Feststellung des öffentlichen
Interesses an der Erhaltung des Objektes beeinträchtigen.
79
Bei der Bewertung des öffentlichen Erhaltungsinteresses sind ausschließlich die gesetzlichen
Schutzgründe zu beurteilen, öffentliche Belange wie zum Beispiel Straßenbau, Eisenbahnverkehr
oder Stadtplanung dürfen nicht berücksichtigt werden. Auch individuelle Belange des Denkmal-
eigentümers haben keinen Einfluss auf die Feststellung des öffentlichen Interesses. Private Inte-
ressen des Eigentümers finden erst bei konkreten Entscheidungen über das weitere Vorgehen mit
dem Denkmal eine Berücksichtigung. Das öffentliche Erhaltungsinteresse entfällt auch nicht
grundsätzlich, wenn der Gemeinde- oder Stadtrat den Abbruch einstimmig entschieden hat.
Entscheidend für die Beurteilung des öffentlichen Interesses ist der Maßstab, der bei der Bewer-
tung der verschiedenen Bedeutungskategorien angelegt wird. Laut Rechtssprechung ist nicht die
Anschauung eines ,,gebildeten Durchschnittsmenschen"
80
ausschlaggebend, sondern das Wissen
und die Kenntnis eines Fachmannes. Das Fachwissen diese Spezialisten muss regelmäßig von der
Fachbehörde der Länder vermittelt werden. Insbesondere die Denkmalfachbehörden der Länder
sind verantwortlich, sachkundige Stellungnahmen zur Schutzwürdigkeit eines Denkmals ab-
zugeben.
81
3.2
Der gesetzliche Denkmalschutz in Deutschland
3.2.1
Historische Entwicklung des gesetzlichen Denkmalschutzes
Eine Disziplin wie die Denkmalpflege, die sich überwiegend mit Zeugnissen der Vergangenheit
beschäftigt, ist immer auch selbst in historische Prozesse eingebunden. Ein Blick in die Geschich-
te der Denkmalpflege ist aus diesem Grund unvermeidlich. Die gegenwärtige Situation mit ihren
Diskussionen und Kontroversen ist nur dann verständlich, wenn man einen Überblick über die
früheren Vorgehensweisen der Denkmalpflege hat. Die langsame und zum Teil widersprüchliche
Entwicklung der gesetzlichen Denkmalpflege ist für die Bewertung der heutigen Tendenzen
äußerst wichtig.
79
Vgl.: Ebd. S. 126.
80
Ebd. S. 127.
81
Vgl.: Ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836602259
DOI
10.3239/9783836602259
Dateigröße
4.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden – Philosophische Fakultät, Kunst- und Musikwissenschaften
Erscheinungsdatum
2007 (März)
Note
1,7
Schlagworte
leipzig region braunkohlentagebau devastierung kirchenbau denkmalpflege kunstgeschichte denkmalschutz architektur
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Titel: Denkmäler im Braunkohleabbaugebiet Leipzig Süd - Möglichkeiten und Grenzen der Denkmalpflege im Umgang mit sakralen Baudenkmälern und deren Ausstattung
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