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Bewältigung von Staatsinsolvenz durch collective action clauses?

©2006 Diplomarbeit 134 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Schon vor mehr als 100 Jahren war das Thema der Schuldenrestrukturierung und ein damit verbundener geregelter Rahmenprozess für die Restrukturierung der Schulden insolventer Emittenten aktuell. Ein Souverän im 21. Jahrhundert ist als Emittent mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie einer von Unternehmens- oder Eisenbahnanleihen im frühen 20. Jahrhundert. Die Verwendung von Anleihen als Instrument der Schuldenaufnahme bringt im Gegensatz zu Kreditgläubigern eine breit gestreute Gläubigerbasis mit sich. Damit steigt das Koordinationsproblem zwischen Gläubiger und Schuldner, aber auch den Gläubigern untereinander. Die Gläubiger müssen sich auf einen gemeinsamen Nenner in der Restrukturierung einigen.
Collective action clauses (CACs) werden in Staatsanleihen verwendet, seitdem sie im 19. Jahrhundert in englischen Unternehmensanleihen erstmals eingebunden wurden. Traditionell werden CACs in Anleihen nach englischem Recht, aber auch in Anleihen nach japanischem und luxemburgischem Recht verwendet. In Anleihen nach deutschem Recht sind sie traditionell nicht enthalten. In Folge der Debatte um einen geordneten Restrukturierungsprozess sind CACs seit Anfang 2003 auch in Anleihen Souveräner, die nach New Yorker Recht emittiert wurden, enthalten. Der Trust Indenture Act (TIA) von 1939 untersagt die Verwendung von Mehrheitswahlklauseln zur Änderungen von Anleihebedingungen in amerikanischen Anleihen. Änderungen von Anleihebedingungen bedürfen nach dem TIA der Einstimmigkeit der Anleihegläubiger.
Die CACs sind ein Bündel von Klauseln, die unter anderem spezifizieren wer die Gläubiger in Verhandlungen repräsentiert. Sie enthalten genau beschriebene Mehrheitswahlklauseln (majority action clauses) für die Änderung von Vertragsbedingungen, die sowohl die finanzielle Seite von Anleihen, als auch nichtfinanzielle Anleihebedingungen betreffen (reserved und non-reserved matters). Zudem senken diese Klauseln den Anreiz bzw. die Möglichkeit einzelner Gläubiger gegen den Schuldner gerichtlich vorzugehen, um ihre Forderungen einzuklagen. CACs erhöhen die Erlösquote einer Umschuldung, indem die Dauer der Restrukturierung und die Prozesskosten der Gläubiger reduziert werden.
Diese Klauseln entfalten ihre Wirkung erst wenn der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Sie haben keinen Einfluss auf die Tragfähigkeit oder Nichttragfähigkeit der Schulden des Emittenten. Eine Eigenschaft der CACs ist, dass sie den Inhalt der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Martin Gunkel
Bewältigung von Staatsinsolvenz durch collective action clauses?
ISBN: 978-3-8366-0135-1
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis...V
Abbildungsverzeichnis ...V
Abkürzungsverzeichnis ...VII
1. Einleitung ... 1
1.1 Ausgangsproblem ... 2
1.2 Begriffliche
Definitionen... 4
1.2.1
Abgrenzung des Staatsbankrotts vom Bankrott der Unternehmung ... 4
1.2.2
Definition der Staatsanleihe... 7
1.3
Aufbau der Arbeit... 8
2.
Probleme bei Umschuldungen von Staatsanleihen... 11
2.1
Holdout- / Freerider-Problem ... 11
2.2
Rush to the exit... 12
2.3
Rush to the court house / rogue creditors ... 13
2.4 Koordinationsproblem... 14
2.4.1
Koordinationsproblem zwischen den Gläubigern ... 14
2.4.2
Koordinationsproblem zwischen Gläubiger und Schuldner... 15
2.5 Gläubigervertretungsproblem... 16
2.6 Aggregationsproblem ... 17
3. Historische
Betrachtung ... 19
3.1
Entwicklung der CACs in England und den USA... 20
3.1.1
Herausbildung der majority action clauses in England ... 20
3.1.2
Historische Bedeutung der majority action clauses in den USA... 21
3.2
Entwicklung der Anleihemärkte für Souveräne ... 26
3.3
Wandel der Dominanzstellung des Londoner Finanzmarktes hin zum New
Yorker Finanzmarkt... 28
4.
Die Klauseln der collective action clauses ... 31
4.1 Schlüsselklauseln... 34
4.1.1
Majority action clause ... 34

II
4.1.2 Represantation
clause ... 35
4.1.3 Sharing
clause... 35
4.1.4 Non-acceleration
clause... 36
4.2
Bewertung der Verwendung von CACs ... 38
4.3 Treuhänderstruktur
von
britischen
und amerikanischen Anleihen... 41
4.3.1 Trustee ... 42
4.3.2 Fiscal
agent... 43
4.4
Debatte über CACs... 44
4.5
Verwendung und Verbreitung von CACs ... 48
4.5.1
Notwendigkeit von CACs... 52
4.5.2
Verbreitung von Anleihen mit CACs vor und nach Mexiko Anfang 2003... 54
4.5.3
Anleihen nach amerikanischem Recht mit CACs ... 57
4.5.4
Gegenüberstellung der verwendeten Klauseln in den Emissionen des
Jahres 2003 ... 59
5.
Durchsetzung von CACs auf den Anleihemärkten... 71
5.1
Hinderungsgründe einer Verwendung von CACs ... 71
5.1.1 Innovationsbedingte
Gründe ... 71
5.1.2 Kostenproblem ... 74
5.1.3 Aggregationsproblem ... 84
5.1.4 Transformationsproblem ... 87
5.1.5
Anpassung der verschiedenen nationalen Rechte... 89
5.1.5.1 Umschuldung von Anleihen in Deutschland... 90
5.1.5.2 CACs im japanischen Recht... 93
5.1.6
Bewertung der Hinderungsgründe... 95
5.2
Gründe der erfolgreichen Etablierung ... 97
6.
Zukünftige Fragestellungen über CACs... 101
6.1
Standardisierung von CACs ... 101
6.1.1
Vorteile einer Harmonierung von CACs ... 102
6.1.2
Hinderungsgründe einer Harmonisierung von CACs... 103
6.2
Einführung von CACs in Konsortialkredite ... 104
7. Fazit ... 109

III
Literaturverzeichnis... 111

V
Tabellenverzeichnis
Tab.
Seite
1
Staatsanleihen von 1991 bis 2003 nach Gerichtsbarkeit, in Mrd. USD
48
2
Anleiheemissionen von Schwellenländern, 1990 bis August 2000
49
3
Internationale Anleiheemissionen von Schwellenländern, Januar 1991 bis
Januar 2003, in Mrd. USD
50
4
Gerichtsbarkeiten für internationale Emissionen von Anleihen zwischen
1990 und 2000
51
5
Verwendung von collective action clauses in Anleiheemissionen
Souveräner zwischen 2002 und 2003, in Mrd. USD
55
6
Emissionen von Staatsanleihen Emerging-Market-Länder nach
Gerichtsbarkeit zwischen 2001 und Anfang 2006, in Mrd. USD
56
7
Übersicht der empirischen Befunde zum Einfluss der CACs auf den
Zinsspread von Anleihen
75
Abbildungsverzeichnis
Abb.
Seite
1
Geschichtliche Zusammenfassung der Entwicklung von majority decision
making clauses in Unternehmens- und Staatsanleihen von 1880 bis 2001
24
2
Collective action clauses und ihre Ziele
32
3
Gerichtsbarkeit von ausstehenden Anleihen Ende 1999
54
4
Gerichtsbarkeit von ausstehenden Anleihen Ende April 2000
54
5
Verwendung von collective action clauses im Jahr 2003: Vergleich mit
der G-10 Empfehlung
60
6
Vergleich des G-10 und Gang of Seven Vorschlages
61
7
Erwartete Zunahme von CACs im Anleihenbestand, wenn alle
zukünftigen Anleiheemissionen CACs seit 2001 enthielten
88

VII
Abkürzungsverzeichnis
CAC
collective action clause
CFB
Council of Foreign Bondholders
EMBI
Emerging Market Bond Index
EMCA
Emerging Markets Creditors Association
EML
Emerging-Market-Land (Schwellenland)
InsO Insolvenzordnung
IWF Internationaler
Währungsfond
SchVG Schuldverschreibungsgesetz
(Gesetz betreffend die gemeinsamen
Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4.12.1899)
SDDS
Special Data Dissemination Standard
SDRM
sovereign debt restructuring mechanism
SEC
Securities and Exchange Commission
TIA
Trust Indenture Act

When it becomes necessary for a state to declare itself bankrupt, in the same
manner as when it becomes necessary for an individual to do so, a fair,
open, and avowed bankruptcy is always the measure which is both least
dishonorable to the debtor and least hurtful to the debtor.
Adam Smith, Wealth of Nations
1
1
Adam Smith, Wealth of Nations 1776, Buch V, Kapitel. III, S. 416 zit. nach Hagan 2005, S. 300.

- 1 -
1. Einleitung
Schon vor mehr als 100 Jahren war das Thema der Schuldenrestrukturierung
2
und ein
damit verbundener geregelter Rahmenprozess für die Restrukturierung der Schulden
insolventer Emittenten aktuell. Ein Souverän im 21. Jahrhundert ist als Emittent mit
ähnlichen Problemen konfrontiert wie einer von Unternehmens- oder Eisenbahnanleihen
im frühen 20. Jahrhundert.
3
Die Verwendung von Anleihen als Instrument der Schul-
denaufnahme bringt im Gegensatz zu Kreditgläubigern eine breit gestreute Gläubigerba-
sis mit sich. Damit steigt das Koordinationsproblem zwischen Gläubiger und Schuldner,
aber auch den Gläubigern untereinander. Die Gläubiger müssen sich auf einen gemein-
samen Nenner in der Restrukturierung einigen.
Collective action clauses (CACs) werden in Staatsanleihen verwendet, seitdem sie im
19. Jahrhundert in englischen Unternehmensanleihen erstmals eingebunden wurden.
4
Traditionell werden CACs in Anleihen nach englischem Recht, aber auch in Anleihen
nach japanischem und luxemburgischem Recht verwendet.
5
In Anleihen nach deut-
schem Recht sind sie traditionell nicht enthalten.
6
In Folge der Debatte um einen geord-
neten Restrukturierungsprozess sind CACs seit Anfang 2003 auch in Anleihen Souverä-
ner, die nach New Yorker Recht emittiert wurden, enthalten. Der Trust Indenture Act
(TIA) von 1939 untersagt die Verwendung von Mehrheitswahlklauseln zur Änderungen
von Anleihebedingungen in amerikanischen Anleihen.
7
Änderungen von Anleihebedin-
gungen bedürfen nach dem TIA der Einstimmigkeit der Anleihegläubiger.
8
Die CACs sind ein Bündel von Klauseln, die unter anderem spezifizieren wer die
Gläubiger in Verhandlungen repräsentiert. Sie enthalten genau beschriebene Mehrheits-
wahlklauseln (majority action clauses) für die Änderung von Vertragsbedingungen, die
sowohl die finanzielle Seite von Anleihen, als auch nichtfinanzielle Anleihebedin-
gungen betreffen (reserved und non-reserved matters).
9
Zudem senken diese Klauseln
den Anreiz bzw. die Möglichkeit einzelner Gläubiger gegen den Schuldner gerichtlich
2
Siehe Lubben 2004.
3
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 3.
4
Vgl. IMF 2002a, S. 3.
5
Vgl. Becker / Richards / Thaicharoen 2001, S. 7; Dixon / Wall 2000, S. 145; Liu 2002, S. 6;
Eichengreen / Mody 2004, S. 247; Gugiatti / Richards 2003, S. 5.
6
Vgl. Becker / Richards / Thaicharoen 2001, S. 7; Dixon / Wall 2000, S. 145; Eichengreen / Mody 2004,
S. 247; Gugiatti / Richards 2003, S. 5; Liu 2002, S. 6.
7
Siehe Galvis / Saad 2004, S. 728.
8
Siehe Galvis / Saad 2004, S. 728.
9
Vgl. Becker / Richards / Thaicharoen 2001, S. 3; Eichengreen / Mody 2004; S. 247.

- 2 -
vorzugehen, um ihre Forderungen einzuklagen.
10
CACs erhöhen die Erlösquote einer
Umschuldung, indem die Dauer der Restrukturierung und die Prozesskosten der Gläu-
biger reduziert werden.
11
Diese Klauseln entfalten ihre Wirkung erst wenn der Schuldner seinen Zahlungsver-
pflichtungen nicht nachkommt. Sie haben keinen Einfluss auf die Tragfähigkeit oder
Nichttragfähigkeit der Schulden des Emittenten. Eine Eigenschaft der CACs ist, dass sie
den Inhalt der Restrukturierung nicht bestimmen, sondern nur einen geordneten Rahmen
schaffen, in dem der Inhalt der Restrukturierung von den Vertragsparteien ausgehandelt
werden kann.
12
1.1 Ausgangsproblem
Im Jahr 1980 machte der Anteil der Anleihen von Industrieländern zwei Prozent der
Auslandsschulden im Wert von insgesamt 600 Mrd. USD aus. Im Jahr 1999 betrug der
Anteil internationaler Anleihen 19 Prozent der Auslandsschulden der Industrieländer,
die damals einen Umfang von 2,6 Bill. USD ausmachten.
13
Daher ist es für Länder in
den 1990ern eher wahrscheinlich gewesen in Zahlungsschwierigkeiten zu kommen, da
mehr Anleihen (wert- und anzahlmäßig) im ihrem Schuldenportfolio enthalten waren,
als in den 1980ern.
In den 1980ern bestand der Großteil der Gläubiger der Schwellenländer
14
aus einer
übersichtlichen Anzahl von großen Kreditbanken. Mit Beginn der 90er Jahre des letzten
Jahrhunderts veränderte sich die Gläubigerstruktur hin zu einer größeren Heterogenität
15
und fand ein Wandel in den von Schwellenländern verwendeten Schuldeninstrumenten
statt. Die Anleihe als Mittel der Geldaufnahme für Staaten wurde beliebter. Dieses
Instrument hatte den Vorteil, dass es am Finanzmarkt für Investoren frei handelbar war
10
Vgl. Becker / Richards / Thaicharoen 2001, S. 3; Eichengreen / Mody 2004; S. 247.
11
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 146.
12
Vgl. Koch 2004, S. 666.
13
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 142.
14
In der der Arbeit zugrunde liegenden Literatur wird der Begriff ,,emerging markets" als Synonym für
Schwellenländer verwendet. Die empirischen Untersuchungen der vorgestellten Aufsätze benutzen den
Begriff der emerging markets, enthalten aber in ihren Stichprobenumfängen auch Länder die zwar
Schwellenländer sind, aber keine soweit entwickelten heimischen Märkte besitzen, um unter die Katego-
rie der Länder mit emerging markets zu fallen. Ein Grund kann die Überlegung der Verwendung eines
geordneten Restrukturierungsprozess für Anleiheschulden nach den Krisen der Schwellenländer in den
1990ern sein, die auch emerging markets besaßen. Somit zählen diese Länder zu den Emerging-Market-
Ländern als Unterkategorie von Schwellenländern.
15
Vgl. Mullock 2003, S. 4.

- 3 -
und ist. Auch waren die Fremdkapitalkosten im Vergleich zu Bankkrediten niedriger,
denn Anleihen konnten breit gestreut auf dem Sekundärmarkt angeboten werden.
16
Damit sank das Ausfallrisiko für den einzelnen Gläubiger.
17
Bis Ecuador 1995 das erste
Land war, welches seine Zahlungsverpflichtungen für Auslandsanleihen nicht mehr
nachkommen konnte, galt in den 1980er bis Anfang der 1990er die Ansicht, auslän-
dische Staatsanleihen würden immer bedient werden.
18
Internationale Anleihen verdrängten in den 1990er Jahren syndizierte Bankkredite
schnell als Hauptfinanzierungsquelle für Emerging-Market-Länder (EML).
19
Eurobonds
machten in den 1980ern vier Prozent der internationalen Schuldenaufnahme von EMLs
und heute einen Anteil von 90 Prozent aus. Im Vergleich zwischen heute und den
1980ern emittierten nicht nur Länder Anleihen mit einem guten Kreditrating, sondern
auch Schwellenländer mit einer niedrigen Kreditqualität, die im Laufe der 1990er
Zugang zum internationalen Finanzmarkt bekamen.
20
Seitdem öffentlich überwachte Anleihen handelbar sind, sind sie preiswerter und da-
durch die präferierte Quelle zur langfristigen Finanzierung geworden. Hinzu kam die
Bildung eines liquiden Marktes für Anleihen durch Schuldenswaps in Bradyanleihen
Ende der 1980er. Ein Faktor mit katalytischer Wirkung sind auch die Ratingagenturen,
die als öffentlicher Beobachter fungieren.
21
Die Anzahl der EMLs, die einem Rating
von Moddy's unterliegen stieg von 8 auf 65 und von 11 auf 68 für jene von Standard &
Poor's.
22
Der hohe Anteil von Auslandsanleihen im Schuldenportfolio der Länder führte zu
einem neuen Schuldenproblem. Einrichtungen wie der Pariser Club und Londoner Club
sind für eine Umschuldung von Anleihen nicht geeignet. Der Pariser Club besteht für
Verhandlungen der Umschuldung von Staatsschulden die ein Staat von einem anderem
Staat aufgenommen hat (bilaterale Ebene)
23
und für Schulden gegenüber institutionellen
privaten Gläubigern, wie Banken ist der Londoner Club eingerichtet worden (multi-
16
Vgl. Mayer 2005, S. 454; Yianni / Chance 1999, S. 78.
17
Vgl. Mayer 2005, S. 454; Yianni / Chance 1999, S. 78.
18
Vgl. Mayer 2005, S. 454.
19
Vgl. Mauro / Sussman / Yafeh 2006, S. 1.
20
Vgl. Tanaka 2006, S. C149.
21
Vgl. Tanaka 2006, S. C151. Aber dagegen Bolton / Jeanne 2005.
22
Vgl. Tanaka 2006, S. C151. Siehe auch Levey 2003, S. 3.
23
Siehe Vitale 1995. Siehe auch http://www.clubdeparis.org.

- 4 -
laterale Ebene)
24
. Damit ergibt sich eine institutionelle Schwäche hinsichtlich der
Restrukturierung von Anleihen. Eine Etablierung eines entsprechenden Clubs,
25
für die
Umschuldung von Anleihen Souveräner kann allerdings aufgrund der Interessenlage der
Gläubiger bei einer Umschuldung scheitern. Der einzelne Gläubiger ist im Vergleich zu
den Beteiligten im Pariser und Londoner Club nicht grundsätzlich an weiteren Bezie-
hungen mit dem Schuldnerland interessiert, sondern an der Befriedigung seiner Forde-
rungen.
26
CACs schaffen innerhalb einer Anleihe ein Umschuldungsverfahren, eine Art Mikro-
insolvenzverfahren für die betreffende Anleihe (Anleihetranche).
27
Sofern alle Anleihen
eines Staates CACs enthalten, kann in der Summe ein äquivalentes allgemein verbind-
liches Insolvenzverfahren gebildet werden. Somit bieten CACs vertragliche Regeln als
Ersatz für ein internationales Insolvenzrecht für Staaten, welches die gleichen Kern-
funktionen eines Insolvenzrechtes erfüllen muss:
28
Organisation, Erhaltung und Vertei-
lung. Die Effizienz von Vertragsklauseln als Hilfsmittel für eine Schuldenrestrukturie-
rung ist entscheidend von ihrem Verbreitungsgrad abhängig. Aus diesem Grund ist es
erforderlich, dass zumindest auf den wichtigsten Finanzmarktplätzen solche Klauseln
Marktpraxis sind. Nach Sachs
29
könnten durch eine verbesserte Ausgestaltung von Ver-
trägen einer der Gründe für Ineffizienz und Wohlfahrtsverlusten in den internationalen
Finanzmärkten vermieden werden.
30
1.2 Begriffliche Definitionen
1.2.1 Abgrenzung des Staatsbankrotts vom Bankrott der Unternehmung
Der Glaube, ein Staat könnte nicht Bankrott gehen, wurde durch Erfahrungen mit
staatlichen Emissionen vielfach widerlegt.
31
Die Insolvenz eines Staates liegt vor, wenn
ein Land nicht mehr zahlungsfähig ist oder seinen Zahlungsverpflichtungen nicht
nachkommen möchte. Für ein Unternehmen stellt allein die Zahlungsunfähigkeit die
24
Siehe Vitale 1995.
25
Es gab Vorschläge der Etablierung eines eigenen Clubs für Anleiheschulden, den New Yorker Club.
Siehe Eichengreen / Kletzer / Mody 2003; Portes 2004.
26
Vgl. Mayer 2005, S. 454f.
27
Vgl. Mayer 2005, S. 462.
28
Vgl. Mayer 2005, S. 462.
29
Sachs 1995.
30
Sachs 1995, S. 6.
31
Vgl. Siebel 1997, S. 89.

- 5 -
Hauptgrundlage für ein Insolvenzverfahren dar.
32
Demnach steht beim Unternehmen
das Leistenmüssen im Vordergrund, beim Staat dagegen, als Folge des Souveränitäts-
prinzips, das Leistenkönnen und -wollen.
33
Eine Verletzung der Zahlungsverpflich-
tungen eines Staates, die zu einem default
34
(hier i. e. S. Zahlungsausfall) führen, wird
nach privatrechtlicher Analogie als Staatsbankrott bezeichnet.
35
Der Barwert des Bruttoinlandproduktes sollte die Schulden um ein Vielfaches über-
steigen. Die Produktionsleistung vom heimischen Verbrauch und Investitionen um-
zuleiten, sowie Exporterlöse zur Bedienung des Schuldendienstes zu verwenden, kann
politisch nicht tragbar oder ökonomisch nicht gerechtfertigt sein.
36
Daher sollte der
Blick, wie bei einem Unternehmen, auf die Tragfähigkeit der Schuldenlast gerichtet
sein.
Es stellt sich die Frage ob und inwieweit ein Vorgehen ähnlich einer Unternehmens-
insolvenz auf den Fall eines Staatsbankrotts anwendbar ist. Dieses ist mit einigen nicht
überwindbaren Problemen verbunden. Ein Unternehmen kann entweder liquidiert
werden oder im Zuge einer Restrukturierung seiner Schulden und einer Reorganisation
im Going-Concern-Gedanken am Markt verweilen. Ein Staat dagegen kann im Sinne
der Abwicklung eines Unternehmens nicht liquidiert werden, indem das Vermögen
bewertet und dem Markt zugeführt wird.
37
Das Vermögen eines Staates liegt unter
anderem in seinen natürlichen Ressourcen und der Produktivität der Bevölkerung.
Andere Vermögensbestände eines Staates sind nicht nur schwer zu bewerten, sondern
auch umzutauschen. Das einzig bewertbare Vermögen eines Staates ist dinghafter Natur
und von größeren Nutzen, wenn es als Eigentum des Staates im ,,Staatsbetrieb" ver-
bleibt.
38
Bezüglich der finanziellen Reorganisation eines Staates ergibt sich ein Problem der
Analogie zum Unternehmenswert. In einer Unternehmensrestrukturierung sollte der
32
Vgl. Collas 1904, S. 2.
33
Vgl. Collas 1904, S. 2.
34
In der Bestrebung einer Übersetzung des Wortes default ins deutsche verweist der IMF Glossar 2005
auf Zahlungsverzug, Zahlungsausfall, Zahlungseinstellung sowie Konkurs, Bankrott und Zahlungsun-
fähigkeit. Damit ist ein Staat im default, wenn er den Vertragsverpflichtungen der Anleihe nicht
nachkommen kann.
35
Vgl. Collas 1904, S. 1.
36
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 14.
37
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 7; Mullock 2003, S. 2.
38
Vgl. Mullock 2003, S. 2.

- 6 -
Wert des Unternehmens transparent sein, da z. B. dessen Vermögen veräußert werden
kann, soweit diese Vermögenswerte tangibel und damit auch bewertbar sind.
39
Gerät ein
Land in Zahlungsverzug, ist der Wert der zugrunde liegenden Vermögensaktiva funda-
mental nicht eindeutig zu bewerten. Im Vergleich zu einem Unternehmen, in dem im
Grunde jede Vermögensposition für den Gläubiger im Falle des Unternehmensbankrotts
verfügbar ist, ist nur ein geringer Teil des Staatsvermögens veräußerbar.
40
Zudem ist der
Großteil des Staatsvermögens auf dessen Territorium und aus diesem Grund aus der
Reichweite anderer nationaler Gerichte.
41
Des Weiteren ist die Staatsregierung kein entsprechendes Gegenstück zu einem Vor-
stand. Ihr Handeln dient in erster Linie den Einwohnern des Landes und deren zukünfti-
gem Wohlstand und nicht Investoren wie im Unternehmen.
42
Die Einführung von
Programmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit harten Konditionen kann
als Analogie eines Austausches des Managements interpretiert werden.
43
Jedoch wird
die Regierung nicht ausgetauscht. Vielmehr wird ihre Kontrolle über die heimische
Politik dadurch streng beschränkt.
44
Die Drohung des Kontrollverlustes soll als Ab-
schreckung ein Verhalten verhindern, das zu einer finanziellen Notlage des Staates
führen könnte.
Die Informationsasymmetrie zwischen Schuldner und Gläubiger ist typischerweise für
einen Gläubiger staatlicher Schulden größer als für einen Unternehmensgläubiger. Die
hohe Anzahl von Gläubigern verschlimmert das Trittbrettfahrerverhalten, wodurch die
Möglichkeit der Überwachung für den einzelnen Gläubiger weiter sinkt.
45
Schon in der Vergangenheit zeigte sich, dass ein Schuldner seinem Kapitaldienst nicht
mehr nachkommen konnte oder wollte.
46
Das entstehende Risiko der Leistungsstörung
wird als Kreditrisiko bezeichnet und wurde insbesondere bei bilateralen Krediten
gesehen.
47
Dieses Risiko existiert ebenfalls für Anleihen. Dabei umschreibt der Begriff
Kreditrisiko eine Zahlungsstockung, einen -verzug, die Zahlungsunfähigkeit oder die
39
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 14.
40
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 31.
41
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 31.
42
Vgl. Mullock 2003, S. 2.
43
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 15.
44
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 15.
45
Vgl. Eichengreen / Portes 1995, S. 15.
46
Siehe Collas 1904.
47
Vgl. Spremann / Gantenbein 2005, S. 237f.

- 7 -
Insolvenz. Für den Begriff Kreditrisiko wird in der Bankenwelt die Bezeichnung default
bevorzugt und ist klar definiert.
48
Danach liegt ein default vor und ein Schuldner gilt als
im default befindlich, wenn eines oder mehrere der nachstehenden Ereignisse ein-
getreten sind: (i) der Schuldner mehr als 90 Tage mit seinen Zahlungsverpflichtungen in
Verzug ist, (ii) er ein Konkursverfahren oder ein ähnliches Verfahren beantragt (z. B.
Zahlungsstundung), (iii) die Gläubiger bereits eine Abschreibung ihrer Forderungen
vorgenommen oder einer Verschiebung fälliger Zinszahlungen zugestimmt haben und
(iv) dass aufgrund aktueller Informationen es als unwahrscheinlich gilt, dass der
Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen in voller Höhe nachkommen kann.
49
Jedoch
soll darauf hingewiesen werden, dass Kreditrisiko und default nicht als austauschbare
Begriffe zu verstehen sind, sondern beide Begriffe in Zusammenhang miteinander
betrachtet werden müssen.
Das Kreditrisiko gibt eine Wahrscheinlichkeit oder eine bestimmte Gefährdung an, dass
ein default eintritt. Tritt ein default ein, ist mit ihm ein mehr oder weniger großer
Verlust beim Gläubiger zu erwarten. Gleichwohl besteht die Möglichkeit einer nega-
tiven Wertveränderung der Forderung aufgrund einer sich ändernden Bonität vor einem
default, selbst wenn es letztendlich nicht zu einem default kommt.
50
1.2.2 Definition der Staatsanleihe
Die Anleihe
51
wurde im 16. Jahrhundert entwickelt. Sie ist ein formalisierter, übertrag-
barer Kredit. Dabei bleibt die Eigenschaft des Kredites bestehen, der eine private
Abmachung zwischen zwei oder mehreren Parteien festhält, wobei hinsichtlich der
Anleihe die Eigenschaft als handelbares Instrument hinzukam.
52
Anleihen sind Wertpapiere, die einen festen Betrag von Fremdkapital verbriefen. Der
Anleihehalter ist der Gläubiger und erhält eine vertraglich geregelte periodische Zins-
48
Vgl. Spremann / Gantenbein 2005, S. 237f. Siehe auch für ein Beispiel EMCA 2002, S. 3; República
Oriental del Uruguay 2003; Republic of Italy 2003.
49
Vgl. Spremann / Gantenbein 2005, S. 237. Siehe auch Levey 2003, S. 4
.
50
Vgl. Spremann / Gantenbein 2005, S. 240.
51
Die erste ausgegebene Anleihe war die ,,Grand Parti", die die französische Regierung im Jahr 1555
emittierte. Siehe Allen / Gale 1994, S. 12. Damit ist diese erste Anleihe auch die erste emittierte Staats-
anleihe.
52
Vgl. Allen / Gale 1994, S. 11f; IMF 2002b, S. 3.

- 8 -
leistung vom Schuldner und am Ende der festen Laufzeit der Anleihe den Kreditbetrag
(im Allgemeinen den Nominalbetrag) zurückgezahlt.
53
Internationale Anleihen von Souveränen sind Schuldtitel, welche am heimischen Markt
des Schuldners in Fremdwährung oder nur für ausländische Investoren am Inlandsmarkt
emittiert werden.
54
Des Weiteren ist dieser Begriff auf Schuldtitel anzuwenden, die
nicht am Inlandsmarkt sondern im Ausland begeben werden oder einem ausländischem
Gericht die Kompetenz über Ansprüche aus der Anleihe geben.
55
Dabei spielt die
zugrunde liegende Währung keine Rolle.
56
Ein souveräner Staat oder seine Zentralbank
tritt als Emittent auf
57
bzw. seine öffentlichen Körperschaften.
Nach der Emission auf dem Primärmarkt kann eine Anleihe wie jedes andere Wert-
papier auch weiterverkauft werden. Dabei findet nur ein Finanzstrom zwischen alten
und neuen Gläubiger statt. Der Schuldner ist von dieser Transaktion nicht betroffen.
Diese Transaktionen finden auf dem Sekundärmarkt statt.
58
1.3 Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit soll eine Zusammenfassung über die Verwendung und Eignung von CACs
zur Bewältigung von Staatsinsolvenzen geben. Um die Frage der Nützlichkeit von
CACs zu klären, werden in Kapitel 1 die Probleme dargestellt, die ein Mechanismus zur
Schuldenbewältigung zu lösen in der Lage sein muss. Insbesondere die Koordination
der heterogenen Gläubigergruppe und das eigensinnige Verhalten von Gläubigern, die
durch ihre Handlungen den Restrukturierungsprozess stören, sind grundlegende Lö-
sungsprobleme. Vor diesem Hintergrund behandelt Kapitel 1 in einer geschichtlichen
Betrachtung die Entwicklung der CACs in den beiden wichtigsten Märkten der Finanz-
welt und zeigt Gründe für eine unterschiedliche Herausbildung von Insolvenzverfahren
für Anleihen.
Kapitel 1 geht auf die Verbreitung von CACs in Anleihen in den 1990ern bis heute ein.
Die Dynamik der Entwicklung und Einbeziehung solcher Anleiheklauseln soll aufge-
53
Vgl. IMF 2002b, S. 3; Spremann / Gantenbein 2005, S. 19f.
54
Vgl. Cohen 2005, S. 61.
55
Vgl. IMF 2002b, S. 3; IMF 2003c, S. 2.
56
Vgl. Cohen 2005, S. 61; IMF 2002b, S. 3.
57
Vgl. Elderson / Perassi 2003, S. 255; IMF 2002b, S. 3; IMF 2003c, S. 2; Liu 2002, S. 1.
58
Vgl. IMF 2002b, S. 3; Spremann / Gantenbein 2005, S. 22.

- 9 -
zeigt werden, wie auch die einzelnen verwendeten Klauseln, die die dargelegten Prob-
leme im Kapitel 1 lösen sollen. Auch die verwendete Treuhänderstruktur der Anleihen
kann für eine erfolgreiche Durchführung einer Umschuldung von Anleiheschulden ein
positiver Faktor sein. Doch wie die Einführung eines neuen Produktes auf den Markt
auf Hemmnisse stößt, waren CACs zu Beginn ihrer breiteren Verwendung mit ähnli-
chen Markthemmnissen konfrontiert. Diese Hinderungsgründe werden in Kapitel 1
dargelegt. Zum Ende der Diskussion werden in Kapitel 1 zukünftige Anforderungen
und Entwicklungen von CACs beleuchtet.

- 11 -
2. Probleme bei Umschuldungen von Staatsanleihen
2.1 Holdout- / Freerider-Problem
Das Problem eines Trittbrettfahrerverhaltens (Freerider-Problem) existiert bei der
Umschuldung von Anleihen bei den Gläubigern
59
wegen der heterogenen Gläubiger-
struktur. Dabei kann eine Minderheit von Gläubigern (hier Holdout-Gläubiger) den
Prozess der Umschuldung, der für die Mehrheit der Gläubiger von Vorteil ist, erschwe-
ren oder auch blockieren.
60
Somit wird eine verhältnismäßig schnelle Lösung des
Umschuldungsprozesses verhindert. Das Holdout-Problem ist eine Variante des Freeri-
der-Problems. Es entsteht auch, wenn im Zuge einer Restrukturierung von Anleihen ein
Umtauschangebot unterbreitet wird, wobei die neue Anleihe einen geringeren Nomi-
nalwert als die alte Anleihe besitzt, aber gleichrangig zu der alten Anleihe ist. Ein
rational handelnder Gläubiger erwartet, dass alle anderen Gläubiger einer Reduzierung
ihrer Rechte (z. B. Zins- und Kuponzahlungen) zustimmen, um den Restrukturierungs-
prozess nicht unnötig zu verlängern. Jedoch besteht dieser rationale Gläubiger auf der
Rückzahlung seiner Forderungen in vollem Umfang.
61
Eine nicht kooperative Lösung ist mit höheren Kosten (Opportunitätskosten der Investi-
tion) des Restrukturierungsprozesses verbunden und führen zu einem ineffizienten Um-
schuldungsprozess. Diese Kosten z. B. können sein:
- Zeitverlust, der sich in einem längeren Restrukturierungsprozess äußert.
- Ein fehlender Zugang zum Kapitalmarkt für den Schuldner.
- Weitere Zinsausfälle für den Gläubiger.
- Ein sinken der Bonität bzw. der Kreditwürdigkeit des Schuldners und damit ver-
bundene höhere Fremdfinanzierungskosten.
- Sinkende Steuereinnahmen, da der längere Restrukturierungsprozess und fehlen-
de Investitionen das Wirtschaftswachstum hemmen oder auch zu einem negati-
ven Wachstum führen können.
Eine dominante Strategie für einen Gläubiger wäre, abzuwarten ob es genug andere
Gläubiger gibt, die dieses Angebot annehmen und somit auf einen Teil ihrer Rück-
59
Als Bespiel ist hier der Fall der Elliot Associates während der Schuldenkrise in Peru 1996 genannt.
Siehe auch Hefeker 2002, S. 686. Für einen tieferen Einblick dieses Falls siehe Elderson / Perassi 2003,
S. 243f; Lindenbaum / Duran 2000, S. 2-3.
60
Vgl. Berensmann 2003, S. 9. Für Beispiele von holdouts in Restrukturierungsprozessen siehe Mullock
2003, S. 5-7.
61
Vgl. Winkeljohann / Wohlschlegel / Dorenkamp 2005, S. 564.

- 12 -
zahlungen verzichten. Für den abzuwartenden Gläubiger wäre es vorteilhaft das Ange-
bot abzulehnen, da die Restrukturierung auch ohne dessen Handeln erfolgreich sein
würde. Lehnen aber eine ausreichende Menge von Gläubigern das Angebot des Schuld-
ners ab, ist der abwartende Gläubiger indifferent in seiner Entscheidung. Somit ist für
alle Gläubiger die Ablehnung des Umtauschangebots zumindest eine schwach dominan-
te Strategie.
62
Um dieses Problem bei einem Umtauschangebot zu umgehen, sind die neuen Anleihen
vorrangig gegenüber den alten. Somit macht sich der Schuldner ein weiteres Koordina-
tionsproblem, das Hold-in-Problem zunutze.
63
Für jeden Gläubiger ist es eine schwach
dominante Strategie das Tauschangebot anzunehmen. Ein ablehnender Gläubiger ris-
kiert in dem Fall, dass das Angebot angenommen wird und damit eine nachrangige For-
derung zu halten, die sich bei einer möglichen Unternehmensinsolvenz sich als
Totalverlust erweisen könnte.
64
Der Gläubiger kann demnach mit seinen alten Anleihen
in einem illiquiden Markt stecken bleiben und erleidet einen Wertverlust seiner Anlei-
hen.
Auch möchte der Gläubiger an dem Nennwert seiner Forderungen festhalten und nicht
seine Ansprüche auf Zins- und Tilgungszahlung geschmälert sehen. Er wird sich daher
nicht an einer Schuldenerleichterung beteiligen. Gläubiger hoffen durch die Nichtbe-
teiligung an der Umschuldungsverhandlung mindestens die gleiche Erlösquote wie die
anderen Gläubiger zu erreichen, zumal einzelne Gläubiger bzw. kleine Gläubiger-
gruppen keinen Einfluss auf das Ergebnis der Restrukturierung haben, da ihr Stimm-
rechtsanteil sehr gering ist. Eine Steigerung des Holdout-Problems sind ,,schurkische"
Gläubiger (rogue creditors), die eher den Rechtsweg bestreiten, um ihre Forderungs-
ansprüche durchzusetzen, als sich am Restrukturierungsprozess zu beteiligen.
65
2.2 Rush to the exit
Mit dem rush to the exit wird jenes Verhalten beschrieben, wenn Gläubiger befürchten,
dass der Schuldner in eine Verschuldenskrise gerät und die Gläubiger versuchen ihre
62
Vgl. Winkeljohann / Wohlschlegel / Dorenkamp 2005, S. 564.
63
Vgl. Winkeljohann / Wohlschlegel / Dorenkamp 2005, S. 564.
64
Vgl. Winkeljohann / Wohlschlegel / Dorenkamp 2005, S. 564.
65
Vgl. Mayer 2005, S. 455.

- 13 -
Forderungen so schnell wie möglich zu verkaufen.
66
Oft tun sie dies zu einem geringe-
ren Preis als dem aktuellen Wert der Anleihe. Die Folge eines solchen Verhaltens der
Gläubiger führt dazu, dass die Kreditwürdigkeit des Schuldners unter solchen Spekula-
tionen leidet und die auf dem Sekundärmarkt gehandelten Anleihen mit einem Preisab-
schlag bewertet werden.
Dies führt für den Schuldner wiederum zu steigenden Risikoaufschlägen und somit zu
erhöhten Kreditfinanzierungskosten. Dabei kann ein verschlechterter Zugang zu Kredit-
mitteln den Druck auf die finanzielle Lage des Schuldners noch weiter erhöhen. Auch
das höhere Angebot von Anleihen auf dem Markt führt zu einem negativen Preisdruck.
Letzteres wird von den Gläubigern ausgelöst, die ihre Forderungen so schnell wie
möglich verkaufen möchten. Wobei für die Gläubiger dieses Verhalten rational ist, da
sie einem Wertverlust der Anleihen vorbeugen möchten, wenn sie ihre Forderungen so
früh wie möglich veräußern.
2.3 Rush to the court house / rogue creditors
Für den Gläubiger besteht ein Anreiz seine Forderung gerichtlich einzuklagen, um
entgangene und zukünftige Zinszahlungen und / oder ihre Aktiva (den Nominalwert der
Anleihe) zurückzuerlangen (rush to court house).
67
Der Wert der Anleihen sinkt auf-
grund eines solchen Verhaltens der Gläubiger, weil die finanzielle Lage des Schuldners
geschwächt wird. Dabei reicht schon die Androhung einer Klage, um negative Auswir-
kungen auf den Wert der Anleihe zu haben.
68
Wenn Gläubiger nicht gleich behandelt
werden und der Anreiz für die anderen Gläubiger geringer wird einer lang dauernden
Restrukturierung zuzustimmen, erhöht sich der Anreiz für Gläubiger gegen den Schuld-
ner gerichtlich vorzugehen, um so eine schnellere Befriedigung ihrer Forderung auf
diesem Wege zu erlangen.
Für private Gläubiger ist die Klage der Begleichung der Forderungen gegen einen Staat
schwierig, da er häufig wenige wertvolle und liquide Aktiva besitzt, um den Gläubiger
zu entschädigen. Ein Gerichtsprozess gegen den Staat ist für den Gläubiger relativ
66
Vgl. Berensmann 2003, S. 8.
67
Vgl. Berensmann 2003, S. 8.
68
Vgl. Dixon / Wall 2000, S, 143.

- 14 -
zeitaufwendig, zumal der Staat vor Gericht gegenüber dem Gläubiger besser geschützt
ist.
69
2.4 Koordinationsproblem
Koordinationsprobleme im Rahmen einer Umstrukturierung von Schulden können
auftreten, wenn sich die privaten Gläubiger koordinieren müssen (collective action
problem). Dabei äußern sich der rush to the exit, rush to court house und das Holdout-
Problem als Koordinationsprobleme einer Umstrukturierung (siehe Abschnitt 2.1 bis
2.3).
2.4.1 Koordinationsproblem zwischen den Gläubigern
Die Schuldenrestrukturierung von Anleihen und Krediten führt zu Problemen der
Vertretung der Gläubiger und deren kollektiven Handelns. Das Handeln der Gläubiger-
masse stellt ein verhaltensorientiertes Problem der jeweiligen Gläubiger dar. Wie bei
anderen Marktexternalitäten tritt dieses Problem auf, wenn zwischen dem individuellen
(privaten) und dem kollektiven (sozialen) Gewinn, der mit einem bestimmten prozedu-
ralen Ablauf verbunden ist, eine Differenz besteht. Allerdings sind diese Probleme
hinsichtlich der Anleihen schwerwiegender als bei Kreditverträgen, da im Vergleich die
Gläubigerstruktur bei Anleihen sehr viel breiter gestreut ist und die Anzahl der Gläubi-
ger ein Vielfaches der Anzahl der Gläubiger bei Krediten ausmacht. Das bedeutet auch,
dass Anleihegläubiger anonym sind und auch nicht in der Reichweite der Schuldner
sein müssen.
70
Im Zusammenhang mit einer Schuldenrestrukturierung ist der Anleihehalter mit einem
klassischen Gefangenendilemma konfrontiert
71
. Dass heißt, für jeden einzelnen Anlei-
hehalter ist es rational seine Forderungen gegenüber dem Schuldner im Fall eines
Zahlungsausfalls gerichtlich einzuklagen, aber nur der Anleihehalter, der zuerst den
Rechtsweg einschlägt wird wahrscheinlich in vollem Umfang ausgezahlt. So wird jeder
Gläubiger versuchen dem anderen zuvorzukommen. Jeglicher daraufhin entstehende
,,Notverkauf" (grabe race) von Anleihen führt zu einem Wertverlust der Anleihen bei
allen Anleihehaltern. Das bedeutet, dass ein individuelles Handeln dazu führt, dass alle
69
Vgl. Berensmann 2003, S. 8.
70
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 142; Mullock 2003, S. 4.
71
Ein Beispiel anhand von Anleihen nach New Yorker Rechts ist in Illing 2000, S. 68-69 dargestellt.

- 15 -
Investoren letztendlich weniger aus der Restrukturierung an monetären Mitteln erlangen
als wenn sie miteinander kooperieren würden.
72
Anzumerken ist zu der obigen Ausführung, dass in der Realität erfolgreiche gerichtliche
Auseinandersetzungen von Gläubigern gegen einen Souveränen selten sind, da die
Drohung eines solchen Vorgehens eine zerstörende Wirkung auf den Restrukturierungs-
prozess und dem ökonomischen Erholungsprozess der betroffenen Volkswirt-schaft
haben kann. Für die Anleihehalter bestehen Anreize eine Kollektivlösung zu verfolgen,
selbst wenn CACs nicht in den Anleiheverträgen enthalten sind. Wenn z. B. eine homo-
gene Gruppe von Gläubigern in einer Schuldenrestrukturierung eines anderen Landes
darüber besorgt sind, dass der Schuldner versucht ihre gleichen Schulden zu restruktu-
rieren so werden sie zusammen handeln, um ihre langfristigen Forderungen zu maxi-
mieren. Insofern handeln die Anleihehalter wie in einem wiederholtem Spiel verbunden
mit einem Gefangenendilemma.
73
2.4.2 Koordinationsproblem zwischen Gläubiger und Schuldner
Ein zweites wichtiges Koordinationsproblem das zu lösen gilt, ist die Interaktion von
Schuldner und Gläubigern. Der Schuldner hat den Anreiz sein wahres Zahlungsvermö-
gen nicht zu offenbaren. Gläubiger hingegen haben einen geringen Anreiz sich auf ei-
nen Minimalhandel mit dem Schuldner einzulassen, auf den sie im Grunde vorbe-reitet
sind diesen zu akzeptieren. Das sich daraus ergebene Verhandlungsspiel zwischen Gläu-
biger und Schuldner unter unvollständigen Informationen kann zu Ineffizienzen füh-
ren.
74
Kletzer
75
zeigte, dass CACs bei Neuverhandlungen von Anleihebedingungen helfen
können, das Verpflichtungsproblem des Schuldners und das Koordinationsproblem in-
nerhalb der Gläubigergruppe zu lösen. Bolton und Jeanne wiesen 2002 darauf hin, dass
unvollständige Verträge zu schwerwiegenden Ineffizienzen führen.
76
72
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 143.
73
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 143.
74
Vgl. Haldane / Penalver 2005, S. 317.
75
Kletzer 2003.
76
Vgl. Haldane / Penalver / Saporta / Shin 2005, S. 317.

- 16 -
Haldane, Penalver, Saporta und Shin
77
zeigten die Robustheit ihrer Ergebnisse, die sich
an Kletzer
78
und Bolton und Jeanne anlehnen bzgl. einer Aufweichung der Annahme
über vollständige Informationen. Jedoch hat eine Aufweichung der Annahme über
vollständige Informationen bei der Verwendung von CACs Ineffizienzen zur Folge.
79
Haldane, Penalver, Saporta und Shin
80
legten dar, dass die Verwendung von CACs in
Anleihen die Ineffizienzen des Koordinationsproblems zwischen den Gläubigern lösen,
wenn diese vollständige Informationen über die Präferenzen der anderen Gläubiger
besitzen, selbst wenn der Schuldner nicht zahlungswillig ist oder er Probleme der
Zahlungsfähigkeit hat.
Um dieses Problem zu lösen, führten Vorschläge
81
zu der Einführung von Klauseln, die
für zukünftige Anleihen die Berufung eines Repräsentanten erlauben. Der Repräsentant
hat den Auftrag die Anleihegläubiger in den Verhandlungen zu vertreten. Eine Alterna-
tive wäre, dem Treuhänder die Autorität zu verleihen als Kommunikationskanal zwi-
schen Gläubiger und Schuldner zu agieren.
82
Der Treuhänder könnte diese Funktion
sogar an einen Dritten delegieren.
83
Jedoch hätten beide, der Treuhänder und der Reprä-
sentant nicht das Recht und die Autorität alle Gläubiger rechtlich an jeglichen Vor-
schlag zu binden.
84
Ihre Autorität würde mit der Einberufung der Gläubigerversamm-
lung erlöschen, soweit sie nicht von den Gläubigern erweitert wurde.
85
2.5 Gläubigervertretungsproblem
Das Gläubigervertretungsproblem (collective representation problem) ist zum größten
Teil administrativer Natur. Aufgrund der hohen Heterogenität und des Umfangs der
Gläubigermasse ist ein Aufruf und das Abhalten einer Versammlung zwischen Schuld-
ner und einer diffusen Gruppe von anonymen Gläubigern schwer zu erreichen.
86
Es existieren eine Reihe von Möglichkeiten dem Gläubigervertretungsproblem
entgegen
zu treten. Unter englischem Recht repräsentiert ein trustee die Interessen der Anleihe-
77
Haldane / Penalver / Saporta / Shin 2005.
78
Kletzer 2003.
79
Vgl. Haldane / Penalver / Saporta / Shin 2005, S. 329.
80
Haldane / Penalver / Saporta / Shin 2005.
81
Siehe Buchheit 1998a; Buchheit 1998b; Buchheit 1998c; G-10 2002; Liu 2002; Taylor 2000a.
82
Vgl. Buchheit 1998c, S. 10.
83
Vgl. Liu 2002, S. 17.
84
Vgl. Liu 2002, S. 17.
85
Vgl. Liu 2002, S. 17.
86
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 143.

- 17 -
inhaber. Ein Vorteil dieser Lösung ist der, dass kein einzelner Gläubiger einen ein-
seitigen Prozess anstreben kann. Es sei denn dieser Gläubiger hält mehr als einen
Mindestanteil des ausstehenden Kapitals (normalerweise 20 bis 25 Prozent), womit er in
der Lage wäre, den trustee mit einem solchen Prozess gegen den Schuldner zu beauf-
tragen. Der trustee muss sicherstellen, dass alle Gläubiger in Bezug auf jedwede Aus-
zahlung gleich behandelt werden, die durch einen erfolgreichen Prozess vom Schuldner
geleistet werden muss. Damit besteht für die Gläubiger ein Anreiz kollektiv zu han-
deln.
87
Eine Alternative zu einem trustee ist die Einbeziehung eines großen institutionellen
Anleihegläubigers als fiscal agent, der auch eine Treuhänderposition wahrnimmt, durch
welche der Schuldner mit den Anleihehaltern kommunizieren kann. Der fiscal agent
unterstützt den Schuldner beratend. So hatte es Ekuador im September 1999 nach
seinem Zahlungsausfall getan.
88
Eine andere Möglichkeit wäre die Errichtung eines Gläubigerschutzkomitees ähnlich
des englischen Council of Foreign Bondholders (CFB)
89
, welches im 19. Jahrhundert
bis in die 1930er aktiv Pfundanleihehalter in Streitigkeiten vertrat. Der CFB wendete
sich im Namen der Anleihegläubiger an souveräne Emittenten von zahlungsausfälligen
Anleihen und versuchte die bestmöglichsten Bedingungen für eine Regulierung oder
Vorrausetzungen für eine Wiederaufnahme der Zahlungen sicherzustellen. Solche Ver-
handlungen dauerten Jahre oder auch Dekaden, bei denen alle Beteiligten eine kostspie-
lige Verschwendung ihrer Ressourcen beklagten.
90
2.6 Aggregationsproblem
Das Aggregationsproblem bei einer Umschuldung von Anleihen zeigt sich darin, dass
die Klauseln der CACs, wie sie nach den englischen traditionellen CACs ausgelegt
werden, es nicht ermöglichen, kumuliert über verschiedene Klassen von Anleihen
hinweg Änderungen in den Anleihebedingungen vorzunehmen.
91
Problematisch bei der
Aggregation von Anleiheforderungen sind die unterschiedlichen Interessen der Gläubi-
87
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 144.
88
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 144.
89
Diese Einrichtung wurde 1868 gegründet.
90
Siehe Eichengreen / Portes 1995. Vgl. auch Dixon / Wall 2000, S. 144.
91
Vgl. G-10 2002, S. 5; G-30 2002, S. 15; Hefeker 2002, S. 686.

- 18 -
ger, die sich in den unterschiedlichen Anleiheklassen, die die Gläubiger halten wieder-
spiegeln. Anleihen besitzen unterschiedliche Laufzeiten und Zinshöhen, die das jeweili-
ge Risiko der Investitionsentscheidung begründen.
Denkbar wäre auch die Ausbreitung der Wirkung einer Aggregation auf Forderungen
anderer Schuldtitel als nur auf die Anleihen des Souveräns, z. B. auf bilaterale Kredite.
Im Sinne einer Umschuldung und einer neuen gestärkten finanziellen Basis wäre ein
solcher Ansatz für Schuldner und Gläubiger von Vorteil. Jedoch ist die Praktikabilität
eines solchen Vorgehens fraglich. Wie bei der Aggregation von Anleiheforderungen
würden sich noch weiter reichende Probleme hinsichtlich der Gläubigerinteressen
auftun. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang die Gleichbehandlung von Gläubi-
gern, die in einem solchen Fall nicht gewährleistet werden könnte. Gläubiger bilateraler
Kredite sind große Banken oder andere Souveräne und besitzen oft eine längere Kredit-
beziehung mit dem Schuldner als im Falle von Anleihegläubigern. Zudem stehen für
bilaterale und multilaterale Kredite andere Mechanismen wie der Pariser und Londoner
Club für Umschuldung bereit.

- 19 -
3. Historische Betrachtung
Die Gemeinsamkeit der verschiedenen nationalen Rechte in den meisten Ländern ist ein
Fehlen einer spezifischen Gesetzgebung bzgl. eines Restrukturierungsprozesses für
Schuldtitel, speziell für Anleihen souveräner Schuldner.
92
Daher bleibt als Lösung den
gesetzlichen Rahmen zu prüfen, der in Verbindung mit der Unternehmensverschuldung
steht und insbesondere jene Regularien, die eine Änderung der ursprünglichen Bedin-
gungen und Konditionen für Unternehmensschulden ermöglichen. Dabei ist ein Mecha-
nismus zu finden der eher auf einen Verhandlungsprozess setzt als auf eine Liquida-
tion.
93
Im späten 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts rückten für Gläu-
biger als auch Emittenten die Verwendung von Vertragsklauseln zur Änderung beste-
hender Konditionen von Anleihen zur Bewältigung von Unternehmensinsolvenzen auf
der Basis von Mehrheitsregeln in den Fokus ihrer Überlegungen.
94
Durch diese Ver-
tragsklauseln sollte der Entschuldungsprozess nicht in einer Liquidation des Unterneh-
mens enden.
Die Notwendigkeit für Anleihehalter sich zu koordinieren, erlangte erstmals im
19. Jahrhundert besonderes wirtschaftliches Interesse, als große Unternehmen auf exter-
ne Finanzierung angewiesen waren. In den USA waren dies die Eisenbahngesellschaf-
ten, die zur Finanzierung ihrer Investitionen, dem Auf- und Ausbau von Infrastruktur,
95
auf Fremdkapital in großen Umfang angewiesen waren. Die Situation damals war ähn-
lich jener der EMLs heute.
96
Eine Liquidation dieser Eisenbahngesellschaften wäre aus
ökonomischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen gewesen, da die Investitionen in
die Infrastruktur notwendig gewesen waren und somit der Wohlfahrt des Staates, sowie
der Entwicklung anderer Industrien nutzten.
Anleihen, die Anfang des 19. Jahrhunderts von Unternehmen und von Staaten emittiert
wurden, enthielten kaum Klauseln, die einen Einfluss auf die kollektive Entscheidungs-
findung der Anleihehalter hatten. Jede Anleihe war für sich ein eigenständiges Schul-
deninstrument, dessen Vertragsbedingungen nicht geändert werden konnten ohne die
Zustimmung der jeweiligen Halter (Einstimmigkeitsregel). Wenn keine Zahlungen ge-
92
Vgl. Elderson / Perassi 2003, S, 255.
93
Vgl. Elderson / Perassi 2003, S. 256.
94
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 2.
95
Zwischen 1870 und 1914 betrug der Anteil von Schulden für die Infrastrukturprojekte über 40 Prozent
der investierten Schulden. Siehe Aggarwal / Granville 2003, S. 13.
96
Vgl. Eichengreen / Kletzer / Mody 2003, S. 32.

- 20 -
leistet wurden, wurde die Anleihe fällig und jeder Anleihehalter hatte das Recht seine
Ansprüche gerichtlich gegen den Emittenten geltend zu machen. Dieses Vorgehen be-
durfte keiner Beratschlagung mit einem anderen Anleihehalter, noch weniger vor, wäh-
rend oder nach einem Zahlungsausfall mit anderen Anleiheinhabern zusammen zu han-
deln.
97
Dennoch versicherte dieser Ansatz der Einstimmigkeitsregelung, dass der Anspruch ei-
nes jeden Anleihehalters gegen den Schuldner ohne die Zustimmung des betroffenen
Gläubigers nicht beeinträchtigt werden konnte. Dies hatte auch zur Folge, dass ein in fi-
nanziellen Schwierigkeiten befindliches Unternehmen in den Bankrott getrieben und li-
quidiert wurde. Anleihehalter, die als eine Gruppe handeln wollten, fehlte die rechtliche
Befähigung sich auf einen zeitweiligen Aufschub ihrer Ansprüche oder einen Teilerlass
der fälligen Zahlungen zu einigen, um ein Fortbestehen des Schuldners und seiner Zah-
lungen zu gewährleisten. Natürlich war es jedem einzelnen Anleiheinhaber freigestellt
dem Schuldner einen Teil ihrer Ansprüche abzutreten, aber sie konnten andere Anleihe-
gläubiger nicht dazu zwingen, gleiches zu tun. Die Nachsicht einiger oder sogar der
Mehrheit der Gläubiger ermöglichte es den Holdout-Gläubigern voll und pünktlich be-
zahlt zu werden.
98
3.1 Entwicklung der CACs in England und den USA
3.1.1 Herausbildung der majority action clauses in England
Ab den 1870er Jahren erlaubte das englische Gesetz auf Grundlage der Vertragsfreiheit
die Einbeziehung von majority action clauses in Anleihen. Die Klauseln der englischen
majority action clauses erlaubten die Änderung von Zahlungsbedingungen einer Anlei-
he mit der Zustimmung einer Mehrheit (75 Prozent, Quorum-Ansatz).
99
97
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 4.
98
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 4f.
99
Vgl. Elderson / Perassi 2003, S. 256.

- 21 -
Francis Beaufort Palmer,
100
ein englischer Rechtsanwalt, lieferte die erste Ausgestaltung
der majority action clause im Jahr 1879.
101
Aus der untersuchten Literatur geht hervor
wann majority action clauses für Unternehmensanleihen eingeführt wurden, jedoch wird
nicht erwähnt wann diese Anleiheklauseln auch in Staatsanleihen nach englischem
Recht Eingang fanden. Majority action clauses sind heute gängige Praxis in Unterneh-
mens- als auch Staatsanleihen unter englischem
102
und amerikanischem Recht.
Vor Palmers Vorschlag konnten Gläubiger in England nur zwischen einer einstimmigen
Übereinkunft bei einer privaten Verhandlung oder dem Konkurs wählen. Letzteres führ-
te zu einer Liquidation der Unternehmung, um den Schuldner von seiner Restschuld zu
entlasten.
103
3.1.2 Historische Bedeutung der majority action clauses in den USA
Majority action clauses nach englischem Vorbild waren in der Zeitperiode von 1880 bis
1920 nur in wenigen Anleihen amerikanischer Gerichtsbarkeit enthalten. Die bevor-
zugte Lösung in den Vereinigten Staaten war zu dieser Zeit die Eigenkapitalrestruktu-
rierung. Danach kann eine Gruppe von Gläubigern mit dem Anliegen an ein Gericht
herantreten, einen Konkursverwalter für das finanziell angeschlagene Unternehmen (oft
Eisenbahnunternehmen) zu berufen. Die verschiedenen Anspruchsberechtigen verhan-
delten währenddessen über die Bedingungen einer Schuldenreorganisation.
104
Ende des 19. Jahrhunderts kamen Anleiheemittenten und Investoren zur der Überzeu-
gung, dass eine Kooperation von Anleihegläubigern in einer verzweifelten Lage äußerst
wünschenswert wäre. Zu dieser Zeit bedeutete Bankrott hauptsächlich Liquidation mit
der Folge von Regressforderungen der Gläubiger, wobei diese einen geringen Anteil
ihrer Investitionen zurückerhielten.
105
Bis zum Jahr 1898 gab es vor dem Bankruptcy
100
In seinem Buch ,,Company Precedents" von 1881 (Palmer, Francis B.: Company Precedents. 2d.
London : Stevens & Sons, 1881, S. 271) stellte Palmer die erste Form der majority action clause vor. In
der achten Ausgabe seines Buches 1900 ist auf Seite 123 zu lesen: "Majority provisions have now been
adopted in hundreds of cases and their usefulness is generally acknowledged...". Siehe Buchheit / Gulati
2002a, Fußnote 2.
101
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 5.
102
Vgl. Dixon / Wall 2000, S. 142.
103
Vgl. Sgard 2005, S. 10.
104
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 3; Eichengreen / Kletzer / Mody 2003, S. 32f.
105
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 2.

- 22 -
Act in den USA kein Insolvenzrecht.
106
Der Wirkungsspielraum des Bankruptcy Acts
erstreckte sich nicht auf insolvente Eisenbahnunternehmen, obwohl diese die ersten
Großunternehmen dieser Zeit waren.
107
In den 1920ern begann die Technik der Eigenkapitalrestrukturierung auf Missfallen zu
stoßen. Der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika verordnete 1933 die Ände-
rungen des Konkursrechts für Eisenbahngesellschaften und 1934 für Industrieunter-
nehmen, was Unternehmensreorganisationen unter der Aufsicht eines Konkurs-richters
förderte. Diese Änderungen waren die Vorläufer des heutigen Chapter 11.
108
Somit
wurde erst 1934 das Insolvenzrecht insoweit geändert, dass wirksame Maßnahmen für
eine Umstrukturierung der Unternehmensschulden vorgesehen waren, wodurch Unter-
nehmen vor einer Liquidation bewahrt wurden und gegen Holdout-Gläubiger schütz-
te.
109
Die englische Lösung. die Verwendung von majority action clauses fand in den
USA keinen großen Zuspruch bei der Securities and Exchange Commission (SEC)
110
.
Der ausschlaggebende Grund für den Widerstand gegen majority action clauses in
amerikanischen Anleihen spiegelte nicht die Besorgnis über die Rechtsbeständigkeit
dieser Klauseln wieder. Vielmehr resultiert er aus der Sorge, dass eine Klausel eine
nachträgliche Änderung der Zahlungsbedingungen nach der Emission erlaubt und die
Stellung der Anleihen als begebbares Handelspapier nach dem amerikanischen Wert-
papierrecht schmälert.
111
So hat ein begebbares Handelspapier nach dem amerikanischen Wertpapierrecht eine
vorbehaltslose Zusicherung eine bestimmte Geldsumme, fällig auf Forderung oder zu
einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft zu zahlen. Vor diesem Hintergrund war die
New York Stock Exchange nicht Willens Anleihen zu listen, die majority action clauses
enthielten. Aus dem gleichen Grund widerstrebten auch Großanleiheemittenten und ihre
Zeichner dem Handel von Anleihen mit diesen Klauseln.
112
Später war der Schutz der
Minderheit der Gläubiger von größerem Interesse und die SEC schlug 1933 die Ein-
106
Es sei darauf hingewiesen, dass die Anfänge des Konkursrechts in den USA auf das Jahr 1848
zurückzuführen sind, welches für die Eisenbahngesellschaften eine hinreichende maximale Lösung der
Finanzprobleme darstellte. Siehe Skeel 2003, S. 421. Wohingegen in England die majority action clauses
ab 1879 bekannt waren. In England wurde mit dem Bankruptcy Act von 1842 das sich während der
Industrialisierung herausbildende Insolvenz- und Konkursrecht weiter verfeinert. Siehe Duffy 1985.
107
Vgl. Lubben 2004, S. 847.
108
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 3, S. 8; Roe 1987, S. 251.
109
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 6; Eichengreen / Kletzer / Mody 2003, S. 32f.
110
Die SEC wurde durch den Securities Act von 1933 gegründet.
111
Vgl. Elderson / Perassi 2003, S. 256.
112
Vgl. Buchheit / Gulati 2002a, S. 6f; Eichengreen / Kletzer / Mody 2003, S. 32.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836601351
DOI
10.3239/9783836601351
Dateigröße
721 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Fakultät VIII - Wirtschaft und Management, Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2007 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
staatsanleihe staatsbankrott staatsinsolvenz insolvenz finanzkrise collective
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Titel: Bewältigung von Staatsinsolvenz durch collective action clauses?
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