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Sozialraumorientierung als Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit

©2006 Diplomarbeit 114 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Rahmen meines Studiums setzte ich mich mit den Methoden der Sozialraumorientierung auseinander und während meines Praktikums in Tansania in einer Einrichtung für geistig- und körperbehinderte Kinder bekam ich einen direkten Einblick in den Arbeitsbereich der Entwicklungszusammenarbeit. Die Auseinandersetzung mit den beiden Themenbereichen führte mich zu der Frage, ob es möglicherweise Zusammenhänge bzw. Schnittpunkte gibt - zwischen der aus der Sozialen Arbeit stammenden Sozialraumorientierung und der Entwicklungszusammenarbeit und den damit verbundenen Denkansätzen.
Die in Tansania gemachten Erfahrungen, mein erster Kontakt mit der Praxis der Entwicklungszusammenarbeit, sind der Auslöser dafür gewesen, mich näher mit diesem Thema auseinander zu setzen. Die Zeit dort ermöglichte mir, einen Einblick in die komplexen Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit zu bekommen und die dazugehörigen Probleme, Grenzen und Möglichkeiten der Arbeit kennen zulernen.
Ein weiterer Anreiz für diese Arbeit war, dass sich nach umfangreicher Recherche meiner Kenntnis nach zuvor niemand mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat; vermutlich liegt das vor allem daran, dass es sich auf den ersten Blick um zwei kontroverse Themen handelt. Auf der einen Seite die, wegen Zweifel an ihrer Wirkung und ihrer Absichten, immer weiter in die Kritik geratene Entwicklungszusammenarbeit. Auf der anderen Seite die Sozialraumorientierung als heftig umstrittenes Konzept, mit ebenso vielen Kritikern wie Befürwortern.
Dennoch weist die Sozialraumorientierung meiner Ansicht nach Ansätze auf, die für die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere auf der Projektebene, von Nutzen sein können. Des Weiteren sind sowohl die Entwicklungszusammenarbeit als auch die Sozialraumorientierung zwei ganz aktuelle und relevante Themen. Zum einen die Entwicklungszusammenarbeit im Bezug auf die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele und die Sozialraumorientierung zum anderen im Zusammenhang mit der Initiative „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“.
Gang der Untersuchung:
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Möglichkeit einen sozialraumorientierten Ansatz in die Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren auseinander und erörtert dies anhand von Theorien sowie am Beispiel einer Nicht-Regierungsorganisation (MEHAYO-Center) in Morogoro, Tansania, die behinderten Kindern und jungen Erwachsenen ein zu Hause gibt.
Die Arbeit untergliedert sich in vier […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Eike Pöppelmeier
Sozialraumorientierung als Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit
ISBN: 978-3-8366-0117-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Duisburg-Essen, Standort Essen, Essen, Deutschland, Diplomarbeit,
2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

1
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS 1
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 3
EINLEITUNG 5
1
SOZIALRAUMORIENTIERUNG 9
1.1
Begriffe und Definition
9
1.1.1
Der Raum aus der Perspektive der Soziologie
9
1.1.2
Der Sozialraum und seine Grenzen
12
1.1.3
Soziale Arbeit im Sozialraum - Sozialraumorientierung
14
2
ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 17
2.1
Begriffe und Definition
17
2.1.1 Entwicklungshilfe
17
2.1.2 Entwicklungspolitik
18
2.1.3 Entwicklungszusammenarbeit
20
2.1.4 Entwicklungsländer
21
2.2
Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit
23
2.3
Millenniums-Entwicklungsziele 29
3
BRÜCKENSCHLAG ZWISCHEN SOZIALRAUMORIENTIERUNG
UND ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
35
3.1
Sozialraumanalyse 35
3.2
Finanzierung von sozialraumorientierter Sozialer Arbeit
38
3.3
Theorien der Entwicklungszusammenarbeit
43
3.3.1 Modernisierungstheorie
44
3.3.2 Dependenztheorie
46
3.3.3
Nachhaltige Entwicklung ­ Eine neue Theorie?
47
3.4
Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit
49
3.5
Zusammenhänge zwischen Entwicklungszusammenarbeit
und Sozialraumorientierung
52

2
3.6
Voraussetzungen für erfolgreiches sozialraumorientiertes
Arbeiten in der Entwicklungszusammenarbeit
55
3.7
Nutzen der Sozialraumorientierung für die
Entwicklungszusammenarbeit
59
4
ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT IN AFRIKA SÜDLICH
DER SAHARA ­ ERÖRTERT AM BEISPIEL DES
MEHAYO-CENTERS IN MOROGORO, TANSANIA
65
4.1
Entwicklungszusammenarbeit in Afrika südlich der Sahara
65
4.1.1 Tansania
70
4.1.2 MEHAYO-Center
73
4.1.3
Exemplifizierungen anhand der Projektarbeit in Morogoro,
Tansania
75
4.2
Einfluss der Globalisierung auf Entwicklungszusammenarbeit
78
4.3
Evaluation von Entwicklungszusammenarbeit
82
4.4
Grenzen und Möglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit
auf der Projektebene
86
FAZIT 89
LITERATURVERZEICHNIS 93
ANHANG 107

3
Abkürzungsverzeichnis
ASA:
Arbeits- und Studien-Aufenthalte in Afrika, Lateinamerika, Asien und Südosteu-
ropa
BIP:
Bruttoinlandsprodukt
BMZ:
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
BNE:
Bruttonationaleinkommen (= BSP)
BSHG:
Bundessozialhilfegesetz
BSP:
Bruttosozialprodukt (= BNE)
DAC:
Development Assistance Committee (der OECD)
DEZA:
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Schweiz)
DiCV:
Diözesan-Caritasverband
EAC:
East African Community
EZ:
Entwicklungszusammenarbeit
GATS:
General Agreement on Trade in Services
GLEN:
Global Education Network of Young Europeans
GUS:
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
InWEnt:
Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH
IWF:
Internationaler Währungsfond
KGSt:
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung
KJHG:
Kinder- und Jugendhilfegesetz
KKP:
Kaufkraftparität
LDC:
Less Developed Countries
LLC:
Landlocked Countries
LLDC:
Least Developed Countries
1
MDGs:
Millennium Development Goals
1
Teilweise auch als LDC abgekürzt! (UN-interne Begriffsverwirrung, vgl. Nuscheler, 2005, S.100). Das
BMZ benutzt verwirrender Weise die Abkürzung LCD für LLCD. Wobei LCD (= Less Developed
Countries) eine Großgruppe ist, aus der die LLCD-Länder ausgesondert wurden! Das BMZ unterscheidet
allerdings nicht zwischen diesen beiden Ländergruppierungen.

4
MEHAYO-Center:
Mentally Handicapped Youth-Center
NIC:
Newly Industrializing Countries
2
NRO:
Nicht Regierungs-Organisation(en)
ODA:
Official Development Assistance
OECD:
Organization for Economic Cooperation and Development
PKE:
Pro-Kopf-Einkommen
UN:
United Nations
UNCTAD:
UN Conference on Trade and Development
WSSD:
World Summit on Sustainable Development (Johannesburg, 2002)
WTO:
World Trade Organisation
2
Da die Volksrepublik China Taiwan nicht als Staat anerkennen will, heißt es jetzt: NIE (Newly In-
dustrializing Economies)

5
Einleitung
Im Rahmen meines Studiums setzte ich mich mit den Methoden der Sozialraumorientie-
rung auseinander und während meines Praktikums in Tansania in einer Einrichtung für
geistig- und körperbehinderte Kinder bekam ich einen direkten Einblick in den Arbeits-
bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Die Auseinandersetzung mit den beiden
Themenbereichen führte mich zu der Frage, ob es möglicherweise Zusammenhänge
bzw. Schnittpunkte gibt - zwischen der aus der Sozialen Arbeit stammenden Sozial-
raumorientierung und der Entwicklungszusammenarbeit und den damit verbunde-
nen Denkansätzen. Die in Tansania gemachten Erfahrungen, mein erster Kontakt mit
der Praxis der Entwicklungszusammenarbeit, sind der Auslöser dafür gewesen, mich
näher mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Zeit dort ermöglichte mir, einen
Einblick in die komplexen Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit zu bekommen
und die dazugehörigen Probleme, Grenzen und Möglichkeiten der Arbeit kennen zuler-
nen. Ein weiterer Anreiz für diese Arbeit war, dass sich nach umfangreicher Recherche
meiner Kenntnis nach zuvor niemand mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat; ver-
mutlich liegt das vor allem daran, dass es sich auf den ersten Blick um zwei kontroverse
Themen handelt. Auf der einen Seite die, wegen Zweifel an ihrer Wirkung und ihrer
Absichten, immer weiter in die Kritik geratene Entwicklungszusammenarbeit. Auf der
anderen Seite die Sozialraumorientierung als heftig umstrittenes Konzept, mit ebenso
vielen Kritikern wie Befürwortern. Dennoch weist die Sozialraumorientierung meiner
Ansicht nach Ansätze auf, die für die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere auf
der Projektebene, von Nutzen sein können. Des Weiteren sind sowohl die Entwick-
lungszusammenarbeit als auch die Sozialraumorientierung zwei ganz aktuelle und rele-
vante Themen. Zum einen die Entwicklungszusammenarbeit im Bezug auf die Errei-
chung der Millenniums-Entwicklungsziele und die Sozialraumorientierung zum anderen
im Zusammenhang mit der Initiative ,,Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf"
3
.
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Möglichkeit einen sozialraumorientierten
Ansatz in die Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren auseinander und erörtert dies
anhand von Theorien sowie am Beispiel einer Nicht-Regierungsorganisation (ME-
3
Das Programm wurde 1993 unter dem Titel ,,Integriertes Handlungsprogramm der Landesregierung
Nordrhein-Westfalen für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" ins Leben gerufen.

6
HAYO-Center) in Morogoro, Tansania, die behinderten Kindern und jungen Erwach-
senen ein zu Hause gibt.
Die Arbeit untergliedert sich in vier Hauptkapitel, wovon das erste Kapitel das Thema
der Sozialraumorientierung behandelt. Die Fragen, wie ist die Sozialraumorientierung
entstanden, welche Überlegungen liegen ihr zu Grunde und wie wird ein Sozialraum
umschrieben bzw. definiert, sollen hierin beantwortet werden. Darüber hinaus soll er-
läutert werden, wie die Soziale Arbeit im Sozialraum funktioniert und welche Grundsät-
ze ihr zu Grunde liegen.
Im zweiten Kapitel werden die vielfältigen Begriffe der Entwicklungszusammenarbeit
differenziert, erläutert und definiert. Ferner wird die Entstehung von Entwicklungszu-
sammenarbeit thematisiert und die Bedeutung der Millenniums-Entwicklungsziele dis-
kutiert.
Im darauf folgenden dritten Kapitel werden nicht nur die bedeutendsten Bestandteile
der Sozialraumorientierung dargelegt, sondern auch die der Entwicklungszusammenar-
beit sowie die einflussreichsten Theorien beider Bereiche. Abschließend werden in
diesem Kapitel die Verbindungen zwischen den beiden Gebieten aufgezeigt, sowie der
potenzielle Nutzen dieser Verknüpfung dargelegt.
Das vierte Kapitel widmet sich insbesondere der Region Subsahara-Afrika und dem
Land Tansania. Dort werden Exemplifizierungen anhand der Projektarbeit abgehandelt
und anschließend werden die Einflüsse der Globalisierung und die Evaluation von Ent-
wicklungszusammenarbeit diskutiert. Im letzten Teil des Kapitels werden die Grenzen
und Möglichkeiten der entwicklungsbezogenen Projektarbeit veranschaulicht.
Die vorliegende Arbeit bezieht sich, aufgrund der eigenen Erfahrungen und regionalen
Interessen, größtenteils auf Subsahara-Afrika, meist auf den ostafrikanischen Raum.
Dieser Bezug dürfte allerdings häufig exemplarische Bedeutung für andere Kontinente
und Situationen haben. Eine umfangreichere Untersuchung würde außerdem den Rah-
men dieser Arbeit sprengen. Abgesehen davon liegt der Fokus überwiegend auf der
praktischen Umsetzung der Sozialraumorientierung als Ansatz in der Entwicklungszu-
sammenarbeit und den damit verbundenen Faktoren.
Die Idee und die Grundlagen für diese Arbeit sind im Rahmen meines Tansania-
Aufenthalts (von Juli bis Oktober 2005) entstanden. Das Projekt "I am different from

7
the others! Working with handicapped"
4
in Morogoro, Tansania, wurde meiner Pro-
jekt-Partnerin und mir durch ein Stipendium des ASA/GLEN-Programms
5
, das von
InWEnt unterstützt wird, ermöglicht. Den genannten Organisationen sowie dem tansa-
nischen Kooperationspartner, dem MEHAYO-Trustfund, gilt insbesondere mein Dank.
Ebenso meiner Projektpartnerin aus Polen, die nicht nur zum Erfolg der Projektarbeit
beigetragen hat, sondern auch einen weiteren kulturellen Austausch ermöglicht hat.
Zur Ausdrucksweise:
In dieser Arbeit wird aus Gründen der leichteren Lesbarkeit ausschließlich die männli-
che Schreibweise verwendet. Wenn nicht ausdrücklich Bezug auf Männer genommen
wird, beziehen sich die Ausführungen jedoch grundsätzlich auch auf Frauen.
4
Vgl. Anhang, S. 108 ff
5
Das ASA-Programm ist ein Netzwerk für entwicklungspolitisches Lernen auf Basis von Austausch und
gleichberechtigter Zusammenarbeit. Siehe: www.asa-programm.de

9
1 Sozialraumorientierung
,,Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn ­
aber abends zum Kino hast dus nicht weit. Ja, das möchste."
6
1.1 Begriffe und Definition
Betrachtet man die Fachliteratur, findet man eine Vielfalt von Begriffen bezüglich des
Raums. Diese, aus unterschiedlichen Fachrichtungen stammenden Begriffe, bilden den
Kern der Sozialraumorientierung und werden im Folgenden differenziert erläutert. Aus-
schlaggebend hierfür ist der Raum bzw. der Sozialraum mit seinen unterschiedlichen
fachspezifischen Ausprägungen. Nachstehend werden nicht alle Fachrichtungen, die
sich mit dem Raumbegriff beschäftigen, behandelt, sondern nur diejenigen, welche für
die Soziale Arbeit und die Entwicklungszusammenarbeit primär von Relevanz sind.
Kurz zu erwähnen ist aber, dass sich nicht nur Philosophie, Architektur, Geographie,
Politik und Stadtplanung, sondern neuerdings auch die Wirtschaftswissenschaften mit
dem ,,Raum" auseinandersetzen. Die fachübergreifenden Ergebnisse der Raumfor-
schung spiegeln sich jedoch in der Sozialraumorientierung wieder.
1.1.1
Der Raum aus der Perspektive der Soziologie
Der verstorbene Berliner Soziologe und Philosoph Georg Simmel gilt als Vorreiter der
Entwicklung eines soziologischen Raumverständnisses. Schon Anfang letzten Jahrhun-
derts beschäftigte er sich intensiv mit der ,,Soziologie des Raumes" und 1903 erschien
sein gleichnamiger Aufsatz.
Simmel stellt fünf Grundqualitäten des Raumes heraus: Erstens, dass jeder Raum ein-
zigartig ist, was er mit Ausschließlichkeit umschreibt. Zweitens definiert er den be-
6
Tucholsky, 1992, S. 550

10
wohnten Raum einer gesellschaftlichen Gruppe als begrenzt. ,,So ist eine Gesellschaft
dadurch, daß ihr Existenzraum von scharf bewußten Grenzen eingefaßt ist, als eine
auch innerlich zusammengehörige charakterisiert und umgekehrt [...]".
7
Drittens stellt
Simmel die Fixierung von Inhalten des Raumes heraus. ,,Eine speziellere soziologi-
sche Bedeutsamkeit der Fixierung im Raum kann man durch den symbolischen Aus-
druck des ,Drehpunktes' bezeichnen: die räumliche Festgelegtheit eines Interessenge-
genstandes bewirkt bestimmte Beziehungsformen, die sich um ihn gruppieren."
8
Ein
anschauliches Beispiel hierfür ist die Kirche (Fixierung im Raum) als ,,Drehpunkt" für
die Beziehung und den Zusammenhalt der Gläubigen. Viertens hebt er die Wechselwir-
kung von Nähe und Distanz hervor, durch die Verbundenheit zwischen Menschen
innerhalb eines sozialen Raumes entsteht. Fünftens benennt er die Bewegung bzw.
Ortsveränderung der Menschen als Auslöser von Aneignungs- und Verdrängungspro-
zessen. Diese ,,Bewegung" steht im Kontrast zu der räumlichen Fixiertheit von Objek-
ten.
Simmel äußert sich auch zum Begriff der ,,Raumgestaltung": Sie resultiert aus der so-
zialen Gestaltung und der Energie innerhalb des Gemeinschaftslebens der Menschen
und ist Kern historischer Vergesellschaftungsformen.
9
Für moderne Gesellschaften hat
Simmel vier ,,Raumgebilde" entworfen: ,,Den Staat, Gebietshoheiten mit unterschied-
lich praktizierter Zentralität, feste Lokalitäten/Häuser für sich vereinheitlichende Grup-
pen, den leeren Raum als Garant für Schutz und Neutralität."
10
Simmel stellt den ,,absoluten Raum" (bzw. den Raum als Behälter), wie er nach dem
Raumverständnis von Einstein und Newton aufgefasst wird, nicht in Frage, sondern
stellt eine Verbindung zwischen diesem und dem sozialen Handeln her. Das heißt es
entsteht ein Wechselspiel zwischen dem ,,absoluten Raum" und dem sozialen Handeln
(,,relationalen Raum"). Ein aktuelles Beispiel zur Verdeutlichung wäre eine Techno-
Diskothek in einer Lagerhalle: ,,Der hier beschriebene Raum entsteht erst in der rhyth-
mischen Bewegung der tanzenden Jugendlichen. Diesen Raum nur über die Anordnung
der Dinge erfassen zu wollen, ist unmöglich."
11
In den 20er Jahren knüpfte der Soziologe Karl Mannheim an Simmels Konzept an,
indem er sich verstärkt mit dem sozialen Raum beschäftigte und sich von der Vorstel-
7
Simmel, 1995, S. 138
8
Simmel, 1995, S. 146
9
Vgl. Löw/Storm, 2005, S. 34
10
Löw/Storm, 2005, S. 34
11
Löw, 2001, S. 133

11
lung des starren, physischen Raums weiter ablöste. Mannheim kam zu dem Ergebnis,
dass ,,[...] die spezifische Lagerung innerhalb des sozialen Raums zu einer unvermeidli-
chen Präfiguration des Handelns und Erlebens führt [...]".
12
Die Diskussion bezüglich des ,,Raums" rückte aufgrund des Zweiten Weltkriegs vorerst
in den Hintergrund. Der wohl bedeutendste Soziologe, der sich nach dem Zweiten
Weltkrieg mit dem Sozialraum befasst hat, ist Pierre Bourdieu. In den 60er Jahren und
bis zu seinem Tod im Jahr 2002 ist die Raumsoziologie ein wichtiger Bestandteil seiner
Arbeit gewesen. Er betrachtet den Sozialraum unter Einbeziehung der sozialen Stellung
von Individuen. Demnach ist die Verteilung des Kapitals auf die Gesellschaftsstrukturen
und Individuen entscheidend für die Ausprägung der sozialen Räume und deren Ab-
grenzung. In einem Sozialraum gibt es demzufolge Ansammlungen von Bevölkerungs-
gruppen (,,Clusters"), die ähnliche Kapital- und Sozialstrukturen aufweisen. Verändern
sich diese Kapital- und Sozialstrukturen, so verändern sich über einen längeren Zeit-
raum betrachtet auch die ,,Clusters" und sind somit keineswegs statisch.
Obendrein definiert Bourdieu den Begriff des sozialen Feldes als Interaktionsraum
innerhalb eines Sozialraums, wobei das soziale Feld alle gesellschaftlichen Handlungen
und Konstellationen beinhaltet. Innerhalb eines Sozialraums und sozialraumübergrei-
fend gibt es eine nicht begrenzte Anzahl von Feldern und Sub-Feldern; als wichtigste
stellt er allerdings das ökonomische, das kulturelle, das politische und das soziale Feld
heraus.
13
In Hinblick auf die Konstituierung von Sozialräumen stellt Bourdieu folgende These
auf: ,,In einer hierarchisierten Gesellschaft gibt es keinen Raum, der nicht hierarchisiert
wäre und nicht Hierarchien und soziale Abstände zum Ausdruck brächte."
14
Die deutsche Soziologin Martina Löw arbeitet an einem konkreten soziologischen
Raumbegriff und entwickelt die vorher genannten Theorien über den Raum, sowie die
anderer Soziologen, weiter. Löw stellt heraus, ,,[...] daß die Entstehung von Räumen
selbst ein Moment sozialer Prozesse darstellt."
15
Der Raum selbst wird als menschlich
und dinglich betrachtet und damit ist für die Konstituierung von Raum nicht nur das
Handeln bestimmend, sondern auch der Raum selbst. ,,Ein nur an den Substanzen ent-
12
Mein/Rieger-Ladich, 2004, S. 8
13
Vgl. Wikipedia, die freie Enzyklopädie: http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialer_Raum
14
Bourdieu, 1997, S. 160
15
Löw, 2001, S. 130

12
wickeltes Raumverständnis erfaßt lediglich die sichtbare Dingwelt, nicht aber raumkon-
stituierende Faktoren wie Atmosphären, Gerüche, Geräusche etc."
16
Löw hat einen
relationalen Raumbegriff entwickelt, wobei sie den Sozialraum ,,[...] als eine relationa-
le (An)Ordnung von Körpern [versteht], welche unaufhörlich in Bewegung sind, wo-
durch sich die (An)Ordnung selbst ständig verändert. Das bedeutet, Raum konstituiert
sich auch in der Zeit. Raum kann demnach nicht der starre Behälter sein, der unabhän-
gig von den sozialen und materiellen Verhältnissen existiert, sondern Raum und Kör-
perwelt sind verwoben."
17
Mit Körpern sind sowohl Lebewesen als auch Objekte ge-
meint.
Abschließend lässt sich sagen, dass der soziologische Raumbegriff sich noch in der
Entwicklungsphase befindet und eine Synthese aus vielen unterschiedlichen Theorien
darstellt. Ferner nimmt die Globalisierung und Technologisierung (virtuelle Räume)
zunehmend Einfluss auf die Gestaltung und Entstehung von Räumen und sollte deshalb
stärker in die Raumtheorien mit einbezogen werden.
1.1.2
Der Sozialraum und seine Grenzen
Im Folgenden werden der Sozialraum und seine Abgrenzung allgemein beschrieben und
soweit möglich definiert. Es gibt keine eindeutige, einheitliche Definition von dem
Begriff des Sozialraums in der Fachliteratur, weshalb die Definitionen auf Überlegun-
gen von unterschiedlichen Autoren gestützt sind und eine Mischung aus deren Meinun-
gen bilden. Oelschlägel schreibt hierzu: ,,Eine gültige Definition für Sozialraum gibt es
nicht, wahrscheinlich kann es sie auch nicht geben."
18
Erst einmal sind die Faktoren zu benennen, die einen Sozialraum ausmachen: Wohnen,
Arbeit, Bildung, Soziales und Freizeit. Der Sozialraum wird umschrieben und physisch
abgegrenzt (objektive Merkmale) durch:
x Die administrative Festlegung der Grenzen
x Die geographische Struktur (Topographie, Bebauung, Besiedlung) und deren
natürliche Grenzen (Flüsse, Wälder, Autobahntrassen, Bahnlinien)
16
Löw, 2001, S. 134
17
Löw, 2001, S. 131
18
Oelschlägel, 2003, S. 7 (Internetquelle)

13
x Die Infrastruktur (öffentliche und privatwirtschaftliche)
x Die Bevölkerung (Segregation)
x Die Tauschbeziehungen mit umliegenden Räumen
x Die Politischen Machstrukturen
Ebenfalls gibt es subjektive Merkmale eines Sozialraums und dessen Grenzen:
x Die Identifikation der Bewohner mit dem Sozialraum ­ Identifikationsraum
(Beispiel: Der Stadtteil Prenzlauer Berg, Berlin gilt als Szene Viertel für Künst-
ler und Kreative, womit sich ein Großteil der Bewohner identifiziert)
x Die Etikettierung von Außen (Beispiel: South Central, Los Angeles gilt wegen
der Ausschreitungen von 1992 als gefährliches Ghetto. Diese Wahrnehmung
von außen entspricht aber nicht der Wirklichkeit, sondern ist größtenteils auf
einen schlechten Ruf zurückzuführen, der die Stadt Los Angeles 2003 sogar da-
zu veranlasste den Stadtteil in South Los Angeles umzubenennen.)
Ein Sozialraum muss eine gewisse Mindestgröße aufweisen, damit die oben genannten
Faktoren berücksichtigt werden können: ,,Die Größe eines Sozialraumes sollte aus
fachlicher Sicht zwischen 4.000 bis 10.000 Einwohnern liegen. Für die Träger der Ju-
gendhilfe [...] ist dies die relevante Planungsgröße für fachliche Aktivitäten."
19
Den Sozialraum kann man als die mehrheitliche Einschätzung der Bewohner bzw. Orts-
ansässigen hinsichtlich der Grenzen ihres Viertels definieren. Er ist eine räumliche
Struktur, welcher soziale Beziehungen zu Grunde liegen. Diese Definition spricht dafür,
sich von der administrativen Raumabgrenzung zu lösen und sich näher am eigentlichen
Lebensraum der Bewohner zu orientieren.
20
Allerdings erschwert dies eine Analyse, da
es keine langfristig gesammelten Daten für diesen Raum gibt. Eine präzise begriffliche
Definition des Sozialraums gibt Hagemeier:
,,Der Sozialraum ist ein Ort, an dem innerhalb bestimmter sozialstruktureller
Verhältnisse alltägliches Leben konkret, überschaubar und identitätsbildend
stattfindet. Der Begriff überschneidet sich in großen Teilbereichen mit dem Beg-
riff ,Lebenswelt' und beschreibt den eigensinnigen Möglichkeitsraum von Indi-
viduen und Gruppen mit vielfältigen Handlungsalternativen, die durch die jewei-
19
DiCV, 2001, S. 7
20
Vgl. Oelschlägel, 2003, S. 7 (Internetquelle)

14
ligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen - mehr oder weniger - einge-
schränkt werden. In gegenseitiger Bedingtheit beeinflussen die Menschen den
Sozialraum und der Sozialraum die Menschen.
21
Wenn man einen Sozialraum definiert, darf man nicht außer Acht lassen, dass der Sozi-
alraum immer nur einen Teil der Lebenswelt der Bewohner abdeckt, ausgenommen
Kinder und Senioren, für die häufig der Sozialraum die gesamte Lebenswelt ist. Die
Lebenswelt ,,[...] hängt vom Alter, vom Gesundheitszustand, von der Sozial- und Bil-
dungsschicht und von der jeweiligen Phase im Leben eines Menschen ab."
22
1.1.3
Soziale Arbeit im Sozialraum - Sozialraumorientierung
Die sozialraumorientierte Soziale Arbeit überschneidet sich mit den Prinzipien der
stadtteilbezogenen Sozialen Arbeit und der Gemeinwesenarbeit. Die Sozialraumorien-
tierung kann dabei als Weiterführung und Ergänzung dieser Konzepte gesehen werden.
Die Soziale Arbeit widmet sich dem Sozialraum, da es vor allem in größeren Städten,
zunehmend mehr räumlich abgegrenzte Gebiete gibt, die von einer erhöhten Konzentra-
tion sozialer Probleme betroffen sind. ,,Stadtteile bzw. Wohnquartiere bilden soziale
Mikrokosmen, in denen sich die globalen gesellschaftlichen Entwicklungen aufgrund
der je spezifischen Konstellation unterschiedlich widerspiegeln. Je nach dem Grad der
Segregation der Wohnbevölkerung und räumlicher Segmentierung kumulieren Problem-
lagen in bestimmten Quartieren."
23
In diesem Zusammenhang wird häufig von sozialen
Brennpunkten gesprochen. Daraus wird deutlich: ,,Soziale Probleme haben räumliche
Verteilungsmuster."
24
Selbstverständlich kann die Soziale Arbeit auch in ländlichen
Regionen sozialraumbezogen arbeiten.
Anfangs muss der Sozialraum durch Beobachtung und Analyse definiert und abgegrenzt
werden.
25
Die sozialraumorientierte Soziale Arbeit muss konsequent an dem Willen der
betroffenen Bewohner ansetzen. Die Ursachen von sozialen Problemen sind an der
,,Wurzel" zu bearbeiten, d. h. durch Ressourcenmobilisierung innerhalb des Sozial-
21
Hagemeier, 2001 (Internetquelle)
22
Müller, W., 2002, S. 35
23
Jordan, 2001, S. 877
24
Oelschlägel, 2003, S. 8 (Internetquelle)
25
Vgl. Kapitel 3.1, S. 33

15
raums. Vor allem kennzeichnend für die sozialraumorientierte Soziale Arbeit ist, dass
sie möglichst viele Menschen erreicht und sich von der reinen Fallarbeit ,,wegorien-
tiert". Vielmehr wird sie aufgegliedert in ein Mischsystem aus drei Tätigkeitsfeldern:
,,Fallspezifische Arbeit, Fallübergreifende Arbeit und Fallunspezifische Arbeit."
26
Die
Effizienz der Sozialarbeit wird so gesteigert und präventives Arbeiten rückt weiter in
den Vordergrund. Allerdings widerspricht die sozialraumorientierte Arbeitsweise teil-
weise den gesetzlich vorgeschriebenen Finanzierungsmethoden bzw. den Rechtsansprü-
chen der einzelnen Klienten.
27
Die Finanzierungsmethoden von Sozialer Arbeit in
Deutschland müssen umgestaltet werden, hin zur Sozialraumbudgetierung (Kontrakt-
management), um sozialraumorientiertes Arbeiten zu ermöglichen, wozu sich einige
Kommunen und Städte bereit erklärt haben. Die Sozialraumbudgetierung hat sich aller-
dings nicht als konfliktfrei herausgestellt.
Die Ressourcen des Raumes werden durch ein wachsendes Netzwerk erschlossen, zu
diesen Ressourcen zählen die Bewohner des Sozialraumes aber auch der Sozialraum
selbst (Natur, Straßen, Unternehmens- und Dienstleistungsstrukturen etc.). ,,Vielen
Akteuren des sozialen Bereiches ist mittlerweile klar geworden, daß Menschen über
Ideen, Fähigkeiten und Aktivitätsbereitschaft verfügen, die als Ressourcen des Sozial-
raums betrachtet und genutzt werden können."
28
Partizipation und Mobilisierung von
Selbsthilfekräften ist entscheidend für erfolgreiches sozialraumorientiertes Handeln und
soll durch entsprechende Fachkräfte angeleitet werden. ,,Im Gegensatz zu klassischen
Ansätzen sozialer Arbeit verlagert die sozialräumliche Sichtweise ihr Hauptaugenmerk
also von einzelnen Klienten/innen auf deren direkte Lebensumwelt und versucht hier,
durch die Initiierung von Lernprozessen und Selbstorganisationsaktivitäten gemeinsam
mit den betroffenen Menschen Veränderungen zu erreichen."
29
Beispielsweise nutzt ein
Projekt zur Wohnumfeldverbesserung die Ressourcen des Sozialraums vor allen Dingen
dadurch, dass die Bevölkerung dazu bewegt wird, selbst aktiv zu werden und zusammen
den Raum zu gestalten. So ein Projekt sollte darauf ausgerichtet sein, möglichst ziel-
gruppenübergreifend zu arbeiten. Jugendliche sowie Senioren können gleichermaßen in
unterschiedlichen Feldern des Projekts tätig werden, wodurch der Sozialraum nachhaltig
verändert und umgestaltet werden soll. Die Bewohner sollen sich wieder positiv mit
26
Krummacher u.a., 2003, S. 165
27
Vgl. Kapitel 3.2, S. 39
28
Litges, 2000, S. 46
29
Litges, 2000, S. 44

16
ihrem Sozialraum identifizieren können, ein neues Bewusstsein entwickeln und aktiv
den Sozialraum mitgestalten.
Sozialraumorientierte Soziale Arbeit muss bereichübergreifend konstituiert sein. Sie
muss also quasi ein Mitspracherecht haben beispielsweise im sozialen Wohnungsbau
oder anderen Sektoren, statt lediglich die nach geordnete Instanz darzustellen, welche
die Probleme, die in anderen Sektoren entstanden sind, zu bewältigen hat. Dies kann
durch ämterübergreifende Arbeitskreise (Gremien) ermöglicht werden.
30
Statt ,,Vom Fall zum Feld"
31
wie es das gleichnamige Buch propagiert, wäre meines
Erachtens ein sozialraumorientierter Ansatz noch eindeutiger mit den Worten ,,der Fall
im Feld" oder ,,vom Feld zum Fall" umschrieben. Der Logik nach sollten durch die
sozialräumliche Perspektive erst Defizite im Raum aufgedeckt werden, die sich dann zu
einer spezifischen Fallarbeit entwickeln können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine sozialraumorientierte Soziale Arbeit von
fünf methodischen Grundprinzipien geleitet wird. Die sozialraumorientierte Soziale
Arbeit muss
32
:
x konsequent am Willen und den geäußerten Bedürfnissen der Wohnbevölkerung
ansetzen.
x aktivierend, Selbsthilfe und Eigeninitiative fördernd sein.
x sich auf die Ressourcen der im Sozialraum lebenden Menschen und der sozial-
räumlichen Strukturen stützen.
x ein zielgruppen- und bereichsübergreifendes Arbeitskonzept haben.
x die Kooperation mit unterschiedlichen sozialen Diensten und Akteuren im Blick
haben, sowie die diesbezüglich aktivierbaren Ressourcen aufeinander abstim-
men (Netzwerkarbeit).
30
Vgl. Hinte, 2002(a), S.541
31
Hinte/Litges/Springer, 2000
32
Vgl. Hinte, 2002(b), S. 92 und KGSt, 1998, S. 45

17
2 Entwicklungszusammenarbeit
2.1 Begriffe
und
Definition
Sowohl in der Wissenschaft als auch im allgemeinen Sprachgebrauch gibt es eine Viel-
zahl von Begriffen, die sich auf die ,,Entwicklung" von wirtschaftlich und sozial schwä-
cheren Ländern in ärmeren Regionen der Welt (außerhalb der westlichen Welt) bezie-
hen. Die ,,Entwicklungsbegriffe" sind ,,[...] weder vorgegeben noch allgemeingültig
definierbar, noch wertneutral, sondern abhängig von Raum und Zeit sowie insbesonde-
re von individuellen und kollektiven Wertvorstellungen."
33
Im Folgenden werden kurz
die meist verwendeten Begriffe aus der Fachöffentlichkeit erläutert.
2.1.1 Entwicklungshilfe
Verwirrenderweise ist der Begriff Entwicklungshilfe nicht eindeutig abgegrenzt oder
definiert und wird häufig synonym mit anderen Begriffen ,,[...] wie ,Entwicklungshilfe-
politik', ,Entwicklungszusammenarbeit', ,Auslandshilfe', oder ,Politik der wirtschaftli-
chen Zusammenarbeit' verwendet."
34
Entwicklungshilfe ist wahrscheinlich der Begriff,
der im allgemeinen Sprachgebrauch am häufigsten verwendet wird; in der wissenschaft-
lichen Diskussion wird er allerdings - wegen seinem stark wertbeladenen Charakter - als
nicht mehr zeitgemäß angesehen. ,,Wer Hilfe empfängt, ist ,hilfsbedürftig' und abhän-
gig vom Hilfegeber, der sich dem Helfenden gegenüber als überlegen ansehen kann.
Der Begriff ruft Emotionen hervor, die eine wissenschaftliche Behandlung erschwe-
ren."
35
Dennoch verwenden einige Autoren diesen Begriff weiterhin, um die Akzentuie-
rung auf die Hilfe von außen auf Entwicklungsprozesse zu setzen, statt auf die gegensei-
tig bedingte Zusammenarbeit.
Überwiegend findet der Begriff als Ausdruck für Entwicklungsunterstützung auf finan-
zieller Basis Verwendung
36
, d. h. auf wirtschaftswissenschaftlichen Gesichtspunkten
beruhend. Darunter ist zu verstehen: ,,[...] einerseits alle direkten finanziellen Ressour-
33
Nohlen, 1998, S. 216
34
Lachmann, 1999, S. 2
35
Lachmann, 1999, S. 3
36
Im Folgenden verwende ich den Begriff ebenfalls unter den oben genannten Gesichtspunkt.

18
centransfers, die im Rahmen der Vergabe öffentlicher Mittel durch staatliche und inter-
nationale Institutionen den Entwicklungsländern zukommen (Finanzhilfe), andererseits
Hilfeleistungen nicht-staatlicher Organisationen sowie private Direktinvestitionen (pri-
vate Entwicklungshilfe)."
37
Entwicklungshilfe ist eine Sammelbezeichnung für entwick-
lungsbezogene staatliche Leistungen (öffentliche Entwicklungshilfe
38
) und die nicht
staatlichen Hilfen (wirtschaftlich, aber auch z.B. durch die konfessionell gebundenen
Hilfen der Kirche).
39
Technische Hilfe durch Entsendung von Beratern oder Experten
sowie Warenhilfe zählen auch als Leistung. Die Schuldendiensterleichterung, die durch
Initiative der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) 1996 ins Leben
gerufen wurde, ist auch ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Entwicklungshilfe.
40
Im Vordergrund stehen also vornehmlich die Förderung der wirtschaftlichen Entwick-
lung und die dadurch angenommene Hebung des Lebensstandards.
Das Ziel der Entwicklungshilfe soll sein: Einen Beitrag zur Überwindung der ,,Unter-
entwicklung" zu leisten. Dies ist jedoch kein völlig uneigennütziges Ziel. Die finanziel-
le Hilfeleistung der Geberländer ist im hohen Maß durch außenwirtschaftspolitische
Interessen bestimmt und kommt somit letztendlich der eigenen Volkswirtschaft zugute.
2.1.2 Entwicklungspolitik
Der Begriff der Entwicklungspolitik umfasst einen weit umfangreicheren Bereich als
die ,,Entwicklungshilfe" oder die ,,Entwicklungszusammenarbeit". Entwicklungspolitik
kann folgendermaßen definiert werden:
,,Unter Entwicklungspolitik ist die Summe aller Mittel und Maßnahmen zu ver-
stehen, die von Entwicklungsländern und Industrieländern eingesetzt und ergrif-
fen werden, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungs-
länder zu fördern, d.h. die Lebensbedingungen der Bevölkerung in den Entwick-
lungsländern zu verbessern."
41
37
Lachmann, 1999, S. 2 f
38
Die öffentliche Entwicklungshilfe ist als ,,Official Development Assistance" (ODA) zu verstehen. Vgl.
Nohlen, 1998, S. 577
39
Vgl. Nohlen, 1998, S. 220
40
Mit dem Stand vom 27.03.2004 ist 27 Ländern ein Schuldenerlass von insgesamt 52 Milliarden US-
Dollar zugestanden worden. Vgl. Weltentwicklungsbericht 2006, S. 273 f
41
Nohlen, 1998, S. 224

19
Andere Definitionen konzentrieren sich überwiegend auf die Ziele der Entwicklungspo-
litik. Eine genaue Definition ist somit schwierig, da der Begriff einer stetigen Verände-
rung unterliegt. Die aktuellen sowie auch die vergangenen Ziele der deutschen Entwick-
lungspolitik lassen sich wie folgt zusammenfassen
42
:
x Steigerung des sozialen Fortschritts
x Verbesserung der Lebensstandards
x Schaffung menschenwürdiger Lebensverhältnisse, für Männer und Frauen
x Soziale Gerechtigkeit, die Armutsminderung ermöglicht
x Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zusammenarbeit ,,von unten" her stei-
gern (,,Trickle up effect")
x Politische Stabilität: Frieden, Achtung der Menschenrechte, Demokratie und
Gleichberechtigung
x Ökologisches Gleichgewicht erhalten, durch Ressourcen schonendes Verhalten
In der Entwicklungspolitik stellt die politische Stabilität immer mehr ein ausschlagge-
bendes Kriterium für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit dar. Das so genannte
,,Good Governance" ist Bedingung für eine friedliche Entwicklung und ausschlagge-
bend für eine Kooperationsbereitschaft der Industrieländer mit den Entwicklungslän-
dern.
Entwicklungspolitik wird immer wieder als Interessenpolitik der Geberländer kritisiert.
Das Hauptaugenmerk der Entwicklungspolitik muss sich aber auf die ärmsten Bevölke-
rungsschichten der Entwicklungsländer konzentrieren. Entwicklung muss vor allem bei
der Bekämpfung der schlimmsten Mangelerscheinungen, wie Hunger oder Krankheit
ansetzten - so lautet der Konsens, der über Fachgrenzen hinweg vertreten wird.
43
Dies
wird politisch bekräftigt durch die von der UN gemeinsam beschlossenen Millenniums-
Entwicklungsziele.
42
Vgl. Nuscheler, 2005, S. 76
43
Vgl. Nohlen/Nuscheler, 1993, S. 57

20
2.1.3 Entwicklungszusammenarbeit
Der Begriff Entwicklungszusammenarbeit löst den älteren, nicht mehr offiziell verwen-
deten Begriff Entwicklungshilfe ab. Der Leitgedanke der partnerschaftlichen Zusam-
menarbeit rückt weiter in den Vordergrund. Die Hilfe zur Selbsthilfe ist entscheidend
und es sollen auf ,,gleicher Augenhöhe" gemeinsam mit dem Entwicklungsland, mit
beidseitiger Verantwortung, Konzepte und Maßnahmen entwickelt werden.
44
,,Entwicklungszusammenarbeit ist der Oberbegriff für alle Maßnahmen und Ak-
tivitäten, die von unterschiedlichen Akteuren und Trägern mit dem Ziel einer
umfassenden/mehrdimensionalen Verbesserung der Lebenssituation in Entwick-
lungsländern durch geführt werden [...]."
45
Die Entwicklungszusammenarbeit wird in bilaterale (von Einzelstaaten) und multilate-
rale (von internationalen Organisationen) Zusammenarbeit eingeteilt. ,,Dabei gilt in der
aktuellen internationalen entwicklungspolitischen Diskussion [in Bezug auf die multila-
terale Zusammenarbeit] die programmorientierte Entwicklungszusammenarbeit im
Rahmen von Armutsbekämpfungsstrategien [...], als die effektivste Form der Zusam-
menarbeit."
46
Grundsätzlich zielt die Entwicklungszusammenarbeit auf langfristige,
nachhaltige Entwicklungen (,,sustainable development") ab, fungiert aber auch als
Katastrophen- und Nahrungsmittelhilfe. Die in Punkt 2.1.1 beschriebene Entwicklungs-
unterstützung auf wirtschaftlicher und finanzieller Basis trifft für die Entwicklungszu-
sammenarbeit auch zu, da der Begriff synonym verwandt wird.
Eine kritische Anmerkung zu der Entwicklungszusammenarbeit allgemein gibt Wolf-
gang Gieler. Er zeigt auf, dass ,,[...] das vorherrschende Konzept der Entwicklungszu-
sammenarbeit ein kulturelles Produkt des Westens ist, das letzten Endes dessen eigenen
Zielsetzungen widerspricht. Die Ursachen sind die Unwissenheit über die Gegebenhei-
ten der nichtwestlichen Kulturen und ihre Vergewaltigung durch den Westen. Die Men-
schen der Dritten Welt verwerfen daher mehr und mehr die westlichen Modelle der
Entwicklung [...]".
47
Diese aktuelle Aussage bestätigt die Annahme, dass soziokulturel-
le Faktoren immer stärker berücksichtigt werden müssen in einem Entwicklungsprozess.
44
Vgl. Know Library: http://entwicklungshilfe.know-library.net/
45
Hofmeier/Mehler, 2005, S. 87
46
BMZ, 2004(b), S. 97
47
Gieler, 2006, S. 12

21
2.1.4 Entwicklungsländer
Entwicklungsländer sind die Länder, die von der UN und in den meisten internationalen
Statistiken als Less Developed Countries (LDC) aufgeführt werden. Sie spalten sich
jedoch in viele Untergruppen auf. Dennoch ist die Form der Kategorisierung bei den
LDC fraglich. Die Ländergruppen werden unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten defi-
niert ohne kulturelle oder geschichtliche Aspekte zu berücksichtigen, geschweige denn
die Lebenswirklichkeit der Menschen.
48
Der Begriff Entwicklungsländer ist nicht nur
deshalb umstritten, sondern auch da es keine einheitliche Definition in der Fachliteratur
gibt. Der Begriff wurde in Deutschland seit den 50er Jahren geprägt. Die als Entwick-
lungsland bezeichneten Länder weisen jedoch gemeinsame Merkmale auf. Die bedeu-
tendsten sind:
,,ungenügende Versorgung mit Nahrungsmitteln, niedriges Pro-Kopf-Einkom-
men, schlechter Gesundheitszustand, zu wenige Bildungsmöglichkeiten, Arbeits-
losigkeit, niedriger Lebensstandard bei oft extrem ungleicher Verteilung der
vorhandenen Güter und Dienstleistungen."
49
Dennoch gibt es weltweit (noch) keine umfassende und verbindliche Liste der Entwick-
lungsländer. Die am wenigsten entwickelten Länder (LLDC = Least Developed Count-
ries, auch als ,,Vierte Welt" bezeichnet) werden jedoch in einer Liste des Entwicklungs-
hilfeausschusses der OECD, in der DAC­Liste, festgehalten. Diese Länder kann man
als die hilfsbedürftigsten Entwicklungsländer betrachten. Das ausschlaggebende Krite-
rium für die Einstufung als LLCD ist das Pro-Kopf-Einkommen (1999 lag der Wert bei
weniger als 755 US-Dollar).
50
Die zwei weiteren Auswahlkriterien sind: Der Anteil der
industriellen Produktion am BIP und die Alphabetisierungsquote. Die Schwellenwerte
und deren Anwendung werden jährlich geprüft und periodisch fortentwickelt.
51
Die
Liste umfasst zurzeit 51 Länder, überwiegend aus Schwarzafrika, der Karibik und A-
sien. Gesondert aufgeführt werden die Länder, die aufgrund der geographischen Lage
(ohne direkten Zugang zum Meer) mit erheblichen Erschwernissen des Außenhandels
zu kämpfen haben; diese Länder werden als Landlocked Countries (LLC) bezeichnet.
52
48
Vgl. Nuscheler, 2005, S. 99 f
49
BMZ, 2004(b), S. 358
50
Vgl. BMZ, 2004(b), S. 358 f
51
Vgl. Lachmann, 1994, S. 21
52
Vgl. Nuscheler, 2005, S. 101 f

22
Nach Dieter Nohlen lassen sich anhand theoretischer Annahmen wirtschaftliche, soziale
und soziokulturelle Bestimmungsmerkmale von Entwicklungsländern festlegen. Sozio-
kulturelle Merkmale finden einen geringeren Konsens und weniger Beachtung in der
Wissenschaft, was aus der schwierigen Messbarkeit der Faktoren resultiert. Die wich-
tigsten Indikatoren werden im Folgenden aufgelistet
53
:
Wirtschaftliche Indikatoren:
x Niedriges Pro-Kopf-Einkommen
x Niedrige Spar- und Investitionstätigkeiten
x Geringe Kapitalintensität, gemessen am Kapitalaufwand pro Beschäftigtem und
geringe Produktivität der Arbeit
x Niedriger technischer Ausbildungsstand (mangelndes ,,Know-how")
x Vorherrschaft des primären Wirtschaftssektors (Grundstofferzeugung)
x Mangelnde materielle Infrastruktur
Soziale Indikatoren:
x Lebenserwartung
x Kalorien- und Proteinaufnahme pro Tag
x Analphabetismusquote
Soziokulturelle Indikatoren:
x Nicht abgeschlossener ,,Nation-building-process"
x Geringe soziale Mobilität
x Vorherrschende traditionelle Verhaltensmuster (Rollenzuschreibung beispiels-
weise in der Familie)
x Geringe soziale Differenzierung
Hinzu zu fügen ist noch, dass alle Entwicklungsländer sich durch ein hohes Bevölke-
rungswachstum und dementsprechend hohe Bevölkerungszahlen auszeichnen. Im Zeit-
raum von 1980 bis 1990 wuchs beispielsweise die Bevölkerung Afrikas südlich der
Sahara um 3,1%. Bei den OECD-Mitgliedern war hingegen lediglich ein Bevölke-
rungswachstum von 0,6% zu verzeichnen.
54
Fernerhin ist die Säuglingssterblichkeit in
53
Vgl. Nohlen, 1998, S. 222
54
Vgl. Lachmann, 1994, S. 13

23
vielen Entwicklungsländern (vor allem in Afrika südlich der Sahara sowie in Südasien)
im Vergleich zur westlichen Welt noch erschreckend hoch; sie hat aber im Laufe der
letzten 50 Jahre weltweit stetig abgenommen.
55
Die Säuglingssterblichkeit wird zusam-
men mit der Lebenserwartung zu den wichtigsten Indikatoren für die Entwicklung eines
Landes gezählt und ist demnach auch relevant für die Kategorisierung von Entwick-
lungsländern. Auch ähnliche naturgeografische Merkmale (tropische Zone/hohe Humi-
dität) weisen die meisten Entwicklungsländer auf.
In der Entwicklungspolitik ist der Begriff ,,Schwellenland"
56
häufig im Gespräch. Die-
ser Begriff bezeichnet Entwicklungsländer mit einem überdurchschnittlich hohen Ent-
wicklungsfortschritt (überwiegend wirtschaftlicher Art). Fraglich ist, wann diese Länder
die ,,Schwelle" vom Entwicklungsland zur Industrienation überschritten haben.
57
Für
viele von diesen Ländern ist typisch, dass gesellschaftliche und soziale Entwicklung
nicht mit der raschen wirtschaftlichen Entwicklung standhalten können. Als das wich-
tigste Kriterium zum Erstellen einer Liste von Schwellenländern wird wieder das Pro-
Kopf-Einkommen herangezogen. Der negative Aspekt der Erfolgsgeschichten dieser
Länder ist allerdings, dass ökologische Standards zu Gunsten einer schnell wachsenden
Wirtschaft nicht berücksichtigt werden.
58
Ebenso wie beim Entwicklungshilfebegriff, muss man mit dem Begriff Entwicklungs-
land vorsichtig umgehen, da es Unterentwicklung suggeriert und als herablassender
Begriff der Industrieländer aufgefasst werden könnte. Die Schweizer Entwicklungszu-
sammenarbeitsbehörde (DEZA) bezeichnet deshalb diese Länder als Partnerländer.
2.2 Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit
Mit der Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Internationalen
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Die Weltbank), auf der Währungs- und Fi-
nanzkonferenz in Bretton Woods, USA
59
im Juli 1944 von den Mitgliedern der UN, war
55
Vgl. Wolff, 2005, S. 137
56
Auch als Take-off-Countries bzw. Newly Industrializing Countries - NIC oder bei den ostasiatischen
Ländern als ,,Tigerstaaten" bekannt. Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur gelten als die erfolg-
reichsten ,,Schwellenländer".
57
Taiwan beispielsweise ist inzwischen amtlich als Industrieland anerkannt.
58
Vgl. Lachmann, 1994, S. 22 und Nuscheler, 2005, S. 110 f
59
Deshalb ist das globale Währungssystem auch bekannt als das ,,Bretton-Woods-System".

24
ein Grundstein für die internationale Entwicklungszusammenarbeit gelegt. Die Förde-
rung des internationalen Zahlungsverkehrs und die Vereinfachung des Welthandels sind
das Ziel der ,,Bretton Woods Organisationen".
60
Vor allem aufgrund des von den USA finanzierten, europäischen Wiederaufbau-
Programms (,,Marshallplan") ­ das übrigens durchaus als Entwicklungshilfe betrachtet
werden kann ­, hatte sich Europa und insbesondere Deutschland Mitte der 1950er Jahre
von den Folgen des Zweiten Weltkriegs erholt. Daraufhin bauten sich innerhalb Europas
und weltweit Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit auf. ,,1956 bewilligte der
Deutsche Bundestag dann seinerseits erste deutsche ,uneigennützige' Hilfe in Höhe von
50 Millionen DM für die Entwicklungsländer."
61
Die Entwicklungshilfe bestand aus
Kapitalhilfe und technischer Hilfe (Aussenden von Fachkräften); Schwerpunktländer
waren Indien und Afghanistan. Im Herbst 1961 wurde das Bundesministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit (BMZ) gegründet, dem dann 1964 die entwicklungspoliti-
sche Verantwortung für die technische Zusammenarbeit übertragen wurde. Es dauerte
aber noch bis 1972, bis dem BMZ, mit der Kapitalhilfe eine umfassende Zuständigkeit
für die Entwicklungspolitik übertragen wurde.
62
Die Anfänge der Entwicklungspolitik waren durch verschobene Interessen beeinflusst,
die durch den Beginn des Kalten Kriegs ausgelöst wurden. Die USA, aber auch
Deutschland, waren daran interessiert, die kommunistische Expansion in den Entwick-
lungsländern zu bremsen.
In den 60er Jahren, in der Zeit der Dekolonialisierung, als die Mehrheit der UN-Mitglie-
der nicht mehr aus den ,,nördlichen", sondern den ,,südlichen" Ländern kam, rückten die
Entwicklungsprobleme weiter in den Vordergrund. Mehr und mehr Staaten erlangten
die Unabhängigkeit und umso wichtiger wurde es für die Entwicklungspolitik der ehe-
maligen Kolonialmächte eine besondere ,,Hilfsbeziehung" zu ihren ehemaligen Kolo-
nien herzustellen, um weiter indirekt Macht ausüben zu können. 1961 wurde von der
UN die erste Entwicklungsdekade, der erstmals eine längerfristige Strategie zu Grunde
lag, deklariert. Globale Ziele wurden definiert, die anhand von quantifizierbaren Daten
gemessen werden sollten. In der ersten Dekade stand der Leitsatz ,,Trade not Aid" mit
60
Vgl. Barthelt, 2005, S. 14
61
Barthelt, 2005, S. 17
62
Vgl. BMZ, 2004(a), S. 32

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836601177
Dateigröße
3.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen – Bildungswissenschaften, Studiengang Soziale Arbeit
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
tansania entwicklungsprojekt sozialarbeit sozialraum handlungsorientierung entwicklungshilfe gemeinwesen
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