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Historisches Lernen durch Sprechblasen? Das Thema Holocaust im Comic: Spiegelman, Croci, Kubert und Heuvel

©2011 Masterarbeit 99 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Historisches Lernen durch Sprechblasen? Das Thema Holocaust im Comic. Auf den ersten Blick eine seltsam anmutende Kombination. Comics? Die sollten doch eigentlich komisch sein. Der Name deutet zumindest darauf hin. Comic leitet sich von Comic-Strip ab und bedeutet ‘drolliger Streifen’. Wie also kann ein so ernstes Thema Inhalt eines Mediums sein, das einen gänzlich gegenteiligen Anschein erweckt? Die Frage ist durchaus keine neue Erscheinung, dennoch ist sie im gesellschaftlichen Diskurs noch präsent. Dagegen geht es in der Wissenschaft längst nicht mehr um die Frage, ob es überhaupt möglich sei, den Holocaust im Comic zu thematisieren, sondern um die Frage nach dem Wie. Wie sollte der Holocaust im Comic dargestellt werden? Aus geschichtsdidaktischer Sicht stellt sich die Frage, ob und wie man diese Comics im Unterricht einsetzen sollte und welchen Stellenwert das Medium Comic bei der Vermittlung von historischem Lernen einnehmen kann.
Um diese Frage beantworten zu können, wird im ersten Kapitel dieser Arbeit eine Einführung des Untersuchungsgegenstands Comic in seiner geschichtlichen Dimension gegeben, woraus auch die Entwicklung des Geschichtscomics, der hier von besonderer Relevanz sein wird und in einem separaten Punkt betrachtet werden soll, hervorging. Des Weiteren soll der Comic in formaler Hinsicht betrachtet werden, da dieser Punkt ein Kriterium für die Analyse der einzelnen Comics bilden wird. Da Geschichtscomics in einer nahezu unüberschaubaren Anzahl vorliegen, werden die wichtigsten Modelle zu einer Kategorisierung dieser dargestellt, um so einen Einblick zu erhalten, ob Geschichtscomics und, wenn dies der Fall sein sollte, welche für einen Einsatz im Geschichtsunterricht in Betracht kommen. Ein weiteres Kriterium für die Analyse der einzelnen Comics wird der Begriff des historischen Lernens sein. Um herauszustellen, worum sich die Diskussion um historisches Lernen dreht, sollen die neu eingeführten Lehrpläne, in diesem Fall der Kernlehrplan für das Fach Geschichte der Realschulen in Nordrhein-Westfalen. in die Diskussion mit einbezogen werden. Zum Vergleich wird auch das Kompetenz-Strukturmodell der Projektgruppe ‘FUER Geschichtsbewusstsein’ in einem weiteren Punkt näher betrachtet, um eine Grundlage für die Analyse einer möglichen Förderung von historischem Lernen durch den Einsatz von Geschichtscomics im Unterricht zu erhalten. Speziell die Thematisierung des Holocaust stellt den Geschichtsunterricht in […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Historisches Lernen durch Sprechblasen? Das Thema Holocaust im Comic:
Spiegelman, Croci, Kubert und Heuvel
ISBN: 978-3-8428-2136-1
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Zugl. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Münster, Deutschland, MA-Thesis /
Master, 2011
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2011

2
Inhalt
0 Einleitung
4
1 Eine kleine Geschichte des Comics
5
3 Entwicklung der ,,Geschichtscomics" 11
4 Sprache des Comics
16
5 Kategorisierung von Geschichtscomics
22
6 Historisches Lernen
27
6.1 Kernlehrplan für das Fach Geschichte an Realschulen in Nordrhein-
Westfalen 28
6.2 Das Kompetenz-Strukturmodell
31
7 Der Holocaust im Geschichtsunterricht
33
8 Kriterienauswahl für die Geschichtscomicanalyse
35
9 ,,Maus - Die Geschichte eines Überlebenden" 37
9.1 Rahmenbedingungen
37
9.1.1 Biographischer Hintergrund/Entstehungskontext
37
9.1.2 Handlung
39
9.1.3 Erzählverfahren
40
9.2 Comicspezifische Gestaltungsmittel 44
9.3 Faktizität und Fiktion
49
9.4 Darstellung von Tätern und Opfern
50
9.5 Darstellung von Gewalt und Vernichtung
52
9.6 Bedeutung für ein historisches Lernen im Geschichtsunterricht
53
10 ,,Auschwitz" 55
10.1 Rahmenbedingungen
55
10.1.1 Biographischer Hintergrund/Entstehungskontext
55
10.1.2 Handlung
56
10.1.3 Erzählverfahren
57
10.2 Comicspezifische Gestaltungmittel
57
10.3 Faktizität und Fiktion
59
10.4 Darstellung von Tätern und Opfern
59
10.5 Darstellung von Gewalt und Vernichtung
62
10.6 Bedeutung für ein historisches Lernen im Geschichtsunterricht
64
11 ,,Yossel, 19. April 1943 - Eine Geschichte des Aufstandes im
Warschauer Ghetto" 66

3
11.1 Rahmenbedingungen
66
11.1.1 Biographischer Hintergrund/Entstehungskontext
66
11.1.2 Handlung
67
11.1.2 Erzählverfahren
68
11.2 Comicspezifische Gestaltungsmittel
69
11.3 Faktizität und Fiktion
70
11.4 Darstellung von Tätern und Opfern
70
11.5 Darstellung von Gewalt und Vernichtung
71
11.6 Bedeutung für ein historisches Lernen im Geschichtsunterricht
75
12 ,,Die Suche" 76
12.1 Rahmenbedingungen
76
12.1.1 Biographischer Hintergrund/Entstehungskontext
76
12.1.2 Handlung
77
12.1.3 Erzählverfahren
78
12.2 Comicspezifische Gestaltungsmittel
79
12.3 Faktizität und Fiktion
80
12.4 Darstellung von Tätern und Opfern
82
12.5 Darstellung von Gewalt und Vernichtung
83
12.6 Bedeutung für historisches Lernen im Geschichtsunterricht
86
13 Fazit
88
14 Literaturverzeichnis
92
14.1 Comics
92
14.2 Quellen
92
14.3 Sekundärliteratur
92
15 Abbildungsverzeichnis
96

4
0 Einleitung
Historisches Lernen durch Sprechblasen? Das Thema Holocaust im Comic.
Auf den ersten Blick eine seltsam anmutende Kombination. Comics? Die
sollten doch eigentlich komisch sein. Der Name deutet zumindest darauf hin.
Comic leitet sich von Comic-Strip ab und bedeutet ,,drolliger Streifen".
1
Wie
also kann ein so ernstes Thema Inhalt eines Mediums sein, das einen gänzlich
gegenteiligen Anschein erweckt? Die Frage ist durchaus keine neue
Erscheinung, dennoch ist sie im gesellschaftlichen Diskurs noch präsent.
Dagegen geht es in der Wissenschaft längst nicht mehr um die Frage, ob es
überhaupt möglich sei, den Holocaust im Comic zu thematisieren, sondern um
die Frage nach dem Wie. Wie sollte der Holocaust im Comic dargestellt
werden? Aus geschichtsdidaktischer Sicht stellt sich die Frage, ob und wie man
diese Comics im Unterricht einsetzen sollte und welchen Stellenwert das
Medium Comic bei der Vermittlung von historischem Lernen einnehmen kann.
Um diese Frage beantworten zu können, wird im ersten Kapitel dieser Arbeit
eine Einführung des Untersuchungsgegenstands Comic in seiner
geschichtlichen Dimension gegeben, woraus auch die Entwicklung des
Geschichtscomics, der hier von besonderer Relevanz sein wird und in einem
separaten Punkt betrachtet werden soll, hervorging. Des Weiteren soll der
Comic in formaler Hinsicht betrachtet werden, da dieser Punkt ein Kriterium
für die Analyse der einzelnen Comics bilden wird. Da Geschichtscomics in
einer nahezu unüberschaubaren Anzahl vorliegen, werden die wichtigsten
Modelle zu einer Kategorisierung dieser dargestellt, um so einen Einblick zu
erhalten, ob Geschichtscomics und, wenn dies der Fall sein sollte, welche für
einen Einsatz im Geschichtsunterricht in Betracht kommen. Ein weiteres
Kriterium für die Analyse der einzelnen Comics wird der Begriff des
historischen Lernens sein. Um herauszustellen, worum sich die Diskussion um
historisches Lernen dreht, sollen die neu eingeführten Lehrpläne, in diesem
Fall der Kernlehrplan für das Fach Geschichte der Realschulen in Nordrhein-
Westfalen.
2
in die Diskussion mit einbezogen werden. Zum Vergleich wird
1
Vgl. Duden. Das
Fremdwörterbuch, 8. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Mannheim
2005, S. 190.
2
Kernlehrplan für Realschule in Nordrhein-Westfalen, RdErl. d. Ministeriums für Schule und
Weiterbildung v. 28.04.2011 - 532 ­ 6.08.01.13 ­ 94563,
(http://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/lehrplaene/kernlehrplaene-sek-
i/realschule/realschule.html, letzter Zugriff am 11.7.2011).

5
auch das Kompetenz-Strukturmodell der Projektgruppe ,,FUER
Geschichtsbewusstsein"
3
in einem weiteren Punkt näher betrachtet, um eine
Grundlage für die Analyse einer möglichen Förderung von historischem
Lernen durch den Einsatz von Geschichtscomics im Unterricht zu erhalten.
Speziell die Thematisierung des Holocaust
4
stellt den Geschichtsunterricht in
Deutschland, das Land der Täter, vor eine Herausforderung und bringt
Schwierigkeiten mit sich, die grob in einem separaten Punkt erläutert werden.
Nachdem im ersten Teil dieser Arbeit die Grundlage für eine Analyse von
Geschichtscomics erstellt wurde, werden im zweiten Teil die Comics ,,Maus -
Die Geschichte eines Überlebenden"
5
von Art Spiegelman, ,,Auschwitz. Eine
Graphic Novel von Pascal Croci"
6
, ,,Yossel. Eine Geschichte des Aufstands im
Warschauer Ghetto"
7
von Joe Kubert und ,,Die Suche"
8
von Eric Heuvel
anhand der zuvor festgelegten Kriterien näher betrachtet. Dieser Auswahl liegt
zugrunde, dass in allen vier Comics Auschwitz, der Inbegriff und häufig
verwendetes Synonym für den Holocaust, einen bedeutenden Platz einnimmt.
Dies geschieht aber durch vier gänzlich unterschiedliche Darstellungsweisen
und Kontexte, was die Frage aufwirft, ob eine Darstellung und wenn ja, welche
für einen Einsatz im Geschichtsunterricht geeignet ist. In einem vergleichenden
Resümee soll diese Frage beantwortet werden, zudem erfolgt eine
Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit.
1 Eine kleine Geschichte des Comics
Zunächst gilt es zu erläutern, wie der Begriff Comic definiert wird. Nach Mc
Cloud sind Comics "Zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder
andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder eine ästhetische
Wirkung beim Betrachter erzeugen sollen".
9
3
,,FUER Geschichtsbewusstsein" steht für ein internationales Forschungsprojekt und meint
,,Förderung und Entwicklung von reflektiertem und (selbst-)reflexivem
Geschichtsbewusstsein", vgl. Andreas Körber/Waltraud Schreiber u.a., Historisches Denken.
Ein Kompetenz-Strukturmodell, Neuried 2006, S. 17.
4
Der Begriff Holocaust meint die ,,[...] Massenvernichtung menschlichen Lebens, bes. die der
Juden während des Nationalsozialismus". Vgl. Duden, Fremdwörterbuch, S. 409.
5
Art Spiegelman, Die vollständige Maus, 4. Aufl. Frankfurt am Main 2010.
6
Pascal Croci, Auschwitz. Eine Graphik Novel von Pascal Croci, Köln 2005.
7
Joe Kubert, Yossel. Eine Geschichte des Aufstands im Warschauer Ghetto, Köln 2005.
8
Eric Heuvel, Die Suche, Braunschweig 2010.
9
Vgl. McCloud, Scott. Comics richtig lesen. Hamburg: Carlsen 2001, S. 17.

6
Einer der bedeutendsten Vorläufer, man könnte auch sagen der "eigentliche
Vater" des Comics, war der Schweizer Rodolphe Töpfer. In seinen Anfang des
19. Jahrhunderts entstandenen
Bildergeschichten verwandte er Panel-Rahmen
und cartoonhafte Zeichnungen
10
, setzte filmische Techniken wie Einstellungen,
Schnitt und Montage ein und gestaltete Zeitdimensionen innerhalb seiner
Geschichten durch unterschiedliche Formate der Einzelbilder. Die
bedeutendste Neuerung war aber, dass jedes Panel sowohl Text als auch Bild
enthielt und das erste Ineinandergreifen von Text und Bild in der europäischen
Geschichte war. Weder der Text noch die Bilder ergeben einzeln betrachtet
einen Sinn. Da sich Töpfers Einfluss aber weitgehend nur auf Europa
beschränkte, sollte sich im Geburtsland des Comics, Amerika, Wilhelm Busch
als "Vater des Comics" behaupten, obwohl in seinen Bildergeschichten eine
strikte Trennung von Text und Bild vorherrschte. Seine populären Geschichten
erhielten in Amerika durch die zahlreichen deutschstämmigen Einwanderer,
die diese noch kannten oder von Verwandten zugeschickt bekamen, eine große
Popularität.
Busch galt als Ideal, dem die amerikanischen Zeichner nacheiferten; vor allem
seine Bildergeschichte "Max und Moritz" war Stoff für viele Plagiate.
11
Als
erster moderner Comic gilt aber allgemein Richard Felton Outcaults ,,The
Yellow Kid". Um die Gunst der Leser zu erhalten, wurden in dem einsetzenden
amerikanischen Zeitungskrieg, der vor allem zwischen den New Yorker
Zeitungsmogulen Joseph Pulitzer und William Randolph Hearst geführt wurde
und aus dem letztendlich die Boulevard- und Massenpresse hervorging,
Comics zum entscheidenden Kriterium für einen Vorteil gegenüber der
Konkurrenz. In den Wochenendbeilagen wurden die lustigen Karikaturen und
Witzseiten veröffentlicht und die amüsanteste Beilage entschied den Kampf
zugunsten der jeweiligen Zeitung.
12
Unter dem Titel ,,At the circus in Hogan`s
Alley" wurde ein Junge im Nachthemd mit einem Abdruck einer schmutzigen
Hand darauf als Markenzeichen ab dem 5. Mai 1895 in Pulitzers ,,World"
berühmt. Glatzköpfig und mit großen Segelohren versehen, wirkte er in der
ansonsten naturalistisch gezeichneten Umgebung wie eine Karikatur. Die
10
Vgl. McCloud, Comics, S. 25.
11
Vgl. Platthaus, Andreas. Die 101 wichtigsten Fragen - Comics und Manga. München 2008,
S. 17ff.
12
Vgl. Gerald Munier, Geschichte im Comic. Aufklärung durch Fiktion? Über Möglichkeiten
und Grenzen des historisierenden Autorencomic der Gegenwart, Hannover 2000, S. 22.

7
Hogan`s Alley war eine Straße im New Yorker Elendsviertel, in dem viele
Auswanderer aus Europa und Asien, aber auch New Yorker wohnten.
13
Die
spaßigen Karikaturen erzählten satirisch-ironische Geschichten um den kleinen
Jungen, wie er sich in den New Yorker Elendsvierteln durchs Leben schlagen
musste. Am 16. Februar 1896, nachdem es Pulitzer gelungen war, eine
druckfähige, leuchtend gelbe Farbe herzustellen - zuvor waren lediglich trübe
blaue und braune Töne möglich -, erschien der kleine Vagabund nun mit
einem leuchtend gelben Nachthemd und erhielt aufgrund dieser Sensation den
Namen ,,Yellow Kid". Eigentlich hieß er Mickey Dugan.
14
Der Text, der bis
dahin nur unter die Zeichnungen platziert worden war, verlagerte sich immer
mehr in die Handlung: zuerst in Form von Schildern und Plakaten, bald aber
auch mittels Sprechblasen und auf ,,Yellow Kids" Nachthemd. Aufgrund des
großen Erfolgs warb Pulitzers stärkster Konkurrent Hearst im Jahr 1896
Outcault für sein ,,New York Journal" ab und konnte so die Gunst der Leser für
sich gewinnen. Pulitzer konnte sich den Titel ,,At the circus in Hogan`s Alley"
gerichtlich sichern und ließ ,,Yellow Kid" von George B. Luks weiterzeichnen.
Unter dem Namen ,,McFadden`s Row of Flats" experimentierte Outcault
zunächst mit der Trennung seiner Einzelbilder, bis er Anfang 1897 zu weißen
Stegen überging, wie sie auch heute noch in Comics üblich sind.
Hervorzuheben ist die Leistung Outcaults, da er in ,,Yellow Kid" das Prinzip
der Bildfolge mit dem der Sprechblasen und eines Serienhelden verschmolz
und im Zuge des Zeitungskrieges dem Comic zu seinem Durchbruch verhalf.
15
Hearst engagierte weitere Künstler. Einer davon war Rudolphe Dirks, der mit
einer ,,Max und Moritz"-Adaption, ,,The Katzenjammer Kids", Hearsts
Auflagen enorm steigerte,
16
da die Figuren vor allem Einwanderer aus
Deutschland ansprechen sollten, die mit 800.000 Menschen die zweitgrößte
Bevölkerungsgruppe waren. Dirks hatte im Gegensatz zu Outcault, der
sozusagen die Grammatik des modernen Comics definiert hatte, ein Comic-
eigenes Vokabular entwickelt, indem er Neuerungen wie Speedlines und
13
Vgl. Andreas C. Knigge, 50 Klassiker COMICS. Von Lyonel Feininger bis Art Spiegelman,
Hildesheim 2004, S. 18.
14
Vgl. Munier, Geschichte, S. 22.
15
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 20f.
16
Vgl. Christine Gundermann, Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht,
Schwalbach/Ts. 2007, S. 17.

8
Symbole, z. B. kleine Sternchen für Schmerz, einführte.
17
Nachdem seit 1907
das Sonntagsbeilagenprinzip vom Tagesstrip abgelöst wurde und sich große
Comic-Syndikate zusammenschlossen, wurde eine Standardisierung der
Comic-Form verordnet, um so landes- und bundesweit eine bessere
Vermarktung zu gewährleisten. Rahmungen, eine feste Anzahl von Panels pro
Zeile und zudem gleichartige Seitenmontagen sollten von nun an die
comiceigene Grammatik bilden. Ab 1917 wurde dann auch der Tagesstrip
durch das Fortsetzungsprinzip ersetzt, ebenso wie sich auch inhaltlich eine
gewisse Emanzipation des Comics vollzog. Ausgelöst wurde diese durch das
Frauenwahlrecht, die zunehmende Fabrikarbeit von Frauen und weitere
Umbrüche innerhalb der Gesellschaft, wodurch nun auch Themen wie
Erwerbstätigkeit, Hausarbeit und Liebe Einzug in die Comics erhielten. Im
Zuge der Weltwirtschaftskrise bildeten sich ab 1929 auch Abenteuer-Comics
heraus, wie Harold Fosters ,,Tarzan" und Science-Fiction-Stories wie ,,Buck
Rogers".
18
Ab 1931 wurden des Weiteren Kriminal-Comics wie ,,Dick Tracy"
produziert. Trotz der nun nicht mehr ausschließlich komischen Inhalte wurde
der Name Comic beibehalten, wohingegen Comics mit lustigen Inhalten den
eigenständigen Namen ,,Funnies" erhielten. Einer davon war z. B. ,,Mickey
Mouse", die ab 1935 als eine der ersten Figuren im neuen Comicbook erschien.
Bei den Comicbooks handelte es sich um Comic-Hefte, die eigenständig
erschienen. Zeitgleich wurde auch in Belgien und Frankreich der Comic
populär. Den Anstoß für diese Entwicklung gab Hergé mit seinem ab 1929
erschienenen Comic ,,Tintin", der in Deutschland unter dem Namen ,,Tim und
Struppi" bekannt wurde.
19
Da im europäischen Raum der Comic bis dahin
wenig Beachtung gefunden hatte, sondern man lediglich seine merkwürdigen
Sprechblasen unter die Bilder platzierte wie bei den dort üblichen Bilderbögen,
kann ,,Tintin" als erster europäischer Comic-Klassiker bezeichnet werden.
Zudem wurde Hergé durch seinen bis dato unbekannten Zeichenstil berühmt,
die Ligne claire,
20
auf die bei der Analyse von ,,Die Suche" noch
zurückgekommen wird.
Ende der 1930er Jahre entstanden aus den Abenteuercomics die Superhelden-
17
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 24.
18
Vgl. Munier, Geschichte, S. 26.
19
Vgl. Gundermann, Asterix, S. 17ff.
20
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 41ff.

9
Comics. Was mit ,,Superman" von Jerry Siegel und Joe Shuster 1938 begann,
führte zu einem regelrechten Superheldenboom, mit dem auch die Comic-Hefte
zu einer eigenen Industrie wurden.
21
,,Batman" von Bob Kane folgte 1939
ebenso wie ,,Captain America" (1941) und viele weitere. Charakteristisch ist
zudem, dass viele dieser Superhelden auch aktiv gegen das
nationalsozialistische Deutschland kämpften.
22
Der Weg, den die Superhelden
bis in die Gegenwart zurücklegten, lässt sich als eine Entwicklung vom
gesetzestreuen Helden, der keine Kompromisse duldet, bis zu einem gefallenen
Helden, der an der Korruption und Schlechtigkeit des eigenen
gesellschaftlichen Systems zugrunde geht, charakterisieren. Später sollten diese
dann ungebrochen wiedergeboren werden, um den ,,American way of life" zu
beschützen.
23
Im Zuge des Zweiten Weltkriegs verbreitete sich der
amerikanische Comic durch die GIs auch in Deutschland.
24
Dort hatte sich der
Comic bis dahin durch den Antiamerikanismus und das nationalsozialistische
Regime nicht durchsetzen können. Bis zum Ersten Weltkrieg fanden in
Deutschland lediglich die Bildergeschichten Verbreitung.
25
,,Vater und Sohn"
von Erich Ohser, der aber aufgrund seiner Vorarbeiten als Kritiker des
nationalsozialistischen Systems Anfang 1934 mit einem Berufsverbot belegt
wurde und deshalb nur unter dem Pseudonym e. o. Plauen diese Serie
veröffentlichen durfte, wurde in der ,,Berliner Illustrirten" (sic!) ab dem 13.
Dezember 1934 drei Jahre lang wöchentlich veröffentlicht. Die sehr
erfolgreichen Bildergeschichten ohne Text führten in Deutschland erstmals das
in Amerika mittlerweile gängige Prinzip der Serienfigur ein.
26
Die 1930er
Jahre wurden auch zur Geburtsstunde des Geschichtscomics. Am 13. Februar
1937 veröffentlichte Hal Foster, ebenso Schöpfer von ,,Tarzan", erstmals die
zunächst als Sonntagsseite konzipierte Serie ,,Prince Valiant", in Deutschland
21
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 93ff.
22
Vgl. Munier, Geschichte, S. 27.
23
Vgl. Thomas Siek, Der Zeitgeist der Superhelden. Das Gesellschaftsbild amerikanischer
Superheldencomics 1938-1998, Meitingen 1999, S. 12ff., zitiert nach Gundermann, Asterix,
S. 19.
24
Vgl. Munier, Geschichte, S. 29.
25
Vgl. Gundermann, Asterix, S. 20f.
26
Nachdem Ohser 1936 ein weiteres Berufsverbot nur dadurch verhindern konnte, dass er
seine Figuren dem Winterhilfswerk für Werbezwecke zur Verfügung stellen musste und ab
1940 auch Karikaturen für die von Goebbels gegründete Zeitschrift ,,Das Reich" anfertigen
sollte, gab er seine Serie auf. Am 28. März 1944 wurden Ohser und sein Freund Knauf
wegen ,,staatsfeindlicher Äußerungen" verhaftet. Sich seines Schicksals bewusst, auf ihn
wartete eine Gerichtsverhandlung Freislers, nahm er sich am 6. April in seiner
Gefängniszelle das Leben. Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 79ff.

10
später unter dem Namen ,,Prinz Eisenherz" veröffentlicht. Auf diesen Comic
soll in Kapitel zwei noch einmal näher eingegangen werden. In den 1950er und
1960er Jahren kam es zu einer massiven Anti-Comic-Kampagne zunächst in
Amerika, ein wenig später auch in Deutschland. Auslöser dafür waren
Veröffentlichungen und Fernsehauftritte des amerikanischen Psychiaters
Frederic Wertham, der damit argumentierte, dass moderne Massenmedien,
insbesondere der Comic, zu einer Verrohung und Analphabetisierung der
Kinder und Jugendlichen führen würden.
27
In der DDR fanden die beliebten Comics ebenfalls große Verbreitung. Obwohl
ihnen das Makel der amerikanischen ,,Unkultur" anhing und auch der Besitz
westlicher Comics unter Strafe gestellt wurde, konnte dies eine Verbreitung der
Comics nicht verhindern. Deshalb reagierte man mit Eigenproduktionen, wie z.
B. der Kinder- und Jugendzeitschrift ,,MOSAIK", eine Comic-Serie, die 1955
erstmals erschien und die Aufgabe hatte, die amerikanischen Produktionen zu
neutralisieren und sozialistisches Gedankengut zu verbreiten.
28
Die amerikanische Comic-Industrie reagierte auf die Anti-Comic-Kampagnen
mit einer freiwilligen Selbstkontrolle, dem sogenannten Comic-Code, dessen
Richtlinien dazu führten, dass der Comic fortan lediglich als Kinderliteratur
wahrgenommen wurde. In Deutschland gab es keine freiwillige Selbstzensur,
weshalb 1954 die Bundesprüfstelle für jugendgefährdendes Schrifttum als
staatliche Zensurbehörde gegründet wurde. Neben der Zensur war es vor allem
auch das neue Medium Fernsehen, das zu Einbußen in der Comicbranche
führte.
29
In Frankreich konnten sich amerikanische Comics nicht etablieren, da
bereits 1949 ein Comic-Moralkodex verabschiedet wurde und dadurch eine
eigenständige Comic-Kultur entstand. In Deutschland kam es auch durch den
1959 in Frankreich im Pariser Magazin ,,Pilote" erstmals erschienenen Comic
,,Asterix" von René Goscinny und Albert Uderzo, 1965 auch in deutscher
Übersetzung veröffentlicht, zu einer Aufwertung des Mediums.
30
Es ist die
Geschichte um ein paar Gallier, die 50 v. Chr. tapfer gegen die Römer
Widerstand leisten, die ganz Gallien, abgesehen von einem kleinen Dorf, in
dem Asterix, Obelix und Co. wohnen, besetzt halten. Des Weiteren ziehen
27
Vgl. Munier, Geschichte, S. 29.
28
Vgl. Günter Kosche, MOSAIK - eine Comic-Serie aus der DDR, in: Geschichte Lernen 37
(1994), S. 11.
29
Vgl. Munier, Geschichte, S. 29f.
30
Vgl. Gundermann, Asterix, S. 30f.

11
diese Gallier auch in ferne, von den Römern besetzte Länder wie Ägypten,
Rom und Amerika und in das Morgenland.
31
Da ,,Asterix" als Vereinigung von
politischer Satire für Erwachsene, Kinderunterhaltung und als Material für die
pädagogische Vermittlung von Wissen über die Antike angesehen wurde,
sollten diese Comics auch im Unterricht, wie in Geschichte oder Latein,
genutzt werden.
32
Auch wenn es bei ,,Asterix" vor allem um die Parodierung
von Zeitgeschichte vor einem antiken Hintergrund geht, in der historische
Fakten, wie z. B. Schlachten, eingehalten werden, die historischen Requisiten
dagegen meistens aus späterer Zeit stammen, so ist es dennoch so gut wie der
einzige Geschichtscomic, der auch heute noch in vielen Schulbüchern vertreten
ist.
33
Aus der 68er-Generation, die die Superhelden mit ihrer Asexualität und
ihrem sauberen Image als unglaubwürdig empfanden, resultierte der
Underground-Comic, der zu einer Enttabuisierung von politischen und
sexuellen Inhalten im Comic führte und zum Entstehen des
Erwachsenencomics wesentlich beitrug. Diese Comics umgingen den Comic-
Code durch neue Vertriebswege und brachten neben Ironie, Sarkasmus und
Zynismus völlig neue Stilmittel in ihre Werke ein.
34
In den 1980er Jahren
verbreiteten sich in Deutschland auch Comic-Produkte aus dem franko-
belgischen, spanischen, lateinamerikanischen und japanischen Raum. Letztere
führten in den 1990er Jahren zu einem regelrechten Manga-Boom.
35
3 Entwicklung der ,,Geschichtscomics"
Zunächst soll eine Definition von Geschichtscomics vorangestellt werden:
Nach Näpel sind dies solche, deren Handlung deutlich erkennbar in einer
früheren verbürgten Zeit spielen.
36
Wie im vorangegangenen Kapitel bereits erwähnt, gilt Hal Fosters ,,Prinz
Eisenherz" als erster Geschichtscomic.
37
Seinen ersten Auftritt erhielt ,,Prinz
31
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 158f.
32
Vgl. Gundermann, Asterix, S. 31.
33
Vgl. René Mounajed, Geschichte in Sequenzen. Über den Einsatz von Geschichtscomics im
Geschichtsunterricht, Frankfurt am Main 2009, S. 54f.
34
Vgl. Munier, Geschichte, S. 30f.
35
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 35.
36
Vgl. Oliver Näpel, Das Fremde als Argument. Identität und Alterität durch Fremdbilder und
Geschichtsstereotype von der Antike bis zum Holocaust und 9/11 im Comic (Die Deutschen
und das östliche Europa; Bd. 7), Frankfurt am Main 2011, S. 376.
37
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 50.

12
Eisenherz" am 13. Februar 1937 als Sonntagsseite.
38
Die Handlung dreht sich
um den Prinzen von Thule, der mit seinem Vater, König Aguar, vor
Thronräubern fliehen muss und so in die Sümpfe Großbritanniens gelangt, wo
er von nun an aufwächst, die Jagd erlernt und zahlreiche Abenteuer erlebt. Im
Folgenden möchte er Ritter der Tafelrunde von Camelot werden, was ihm nach
der Behauptung in einer Schlacht auch gelingen sollte. Hiernach treibt ihn das
Schicksal quer über die Erde, vom mittelalterlichen Europa nach Afrika, ins
Morgenland und bis hin zur chinesischen Mauer. Begleitet wird er vom seinem
singenden Schwert, das eigens für ihn vom Magier des Königs Arthur
geschmiedet wurde und mit dem er unter anderem auch Riesen, Tyrannen,
Sachsen und Hunnen besiegt. Im Gegensatz zur üblichen Comicgestaltung
kreierte Foster keine Sprechblasen für seine Zeichnungen, sondern platzierte
den Text, an Stummfilmen orientiert, unter seine Bilder.
39
Kennzeichnend war
die besondere Sorgfalt, mit der er seine Bilder zeichnete, die aufgrund dessen
sehr authentisch wirkten. Auch wenn er seine Serie, die im 5. Jahrhundert nach
Christus spielt, durch Bildmaterialien beispielsweise aus dem 12. und 13.
Jahrhundert ausstattete, so betrieb er dennoch unablässige Recherchearbeit für
seine Zeichnungen. In späteren Jahren war es ihm sogar möglich, Museen und
historische Stätten seiner Handlung zu besuchen und sich ein umfangreiches
Fotoarchiv zuzulegen.
40
,,Prinz Eisenherz" ist weniger historisch authentisch,
auch wenn dies seine naturalistischen Zeichnungen suggerieren, sondern
vielmehr eine Mischung aus gut recherchierten Kostümen und
architektonischen Erzeugnissen aus einer Zeitspanne von etwa tausend
Jahren.
41
Weiterhin war es Fosters besondere Leistung, das Prinzip des Alterns
seines Helden in die Comicwelt einzuführen. Erstmals wurde ein Comicheld
mit seinem Publikum älter, heiratete und gründete seine eigene Familie, auch
wenn sich dieser Prozess viel langsamer als bei den Lesern vollzog.
42
Um den
ersten Sohn, der zum Jugendlichen herangereift war, drehten sich dann auch
eine Zeit lang die Abenteuer in ,,Prinz Eisenherz".
43
Seit 1951 erscheint dieser
Comic auch in Albenform.
38
Vgl. Gerald Munier, Historische Themen im Comic, In: Geschichte Lernen 37 (1994),
S. 4.
39
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 82ff.
40
Vgl. Munier, Geschichte, S. 34f.
41
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 84.
42
Vgl. Munier, Geschichte, S. 34f.
43
Vgl. Knigge, 50 Comics, S. 84.

13
1953 erschien der erste deutsche Geschichtscomic ,,Sigurd" von Hansrudi
Wäscher. Als deutsche Version von ,,Prinz Eisenherz" wurde ,,Sigurd" sowohl
in den Piccolos
44
als auch in Albenformat veröffentlicht. Aber im Gegensatz zu
Hal Fosters ,,Prinz Eisenherz" war es nicht Wäschers Anliegen, historische
Triftigkeit in seiner Geschichte zu erfüllen, sondern lediglich zu unterhalten.
So handelt es sich bei seinem Helden zwar ebenfalls um einen Ritter, der das
Böse bekämpft, aber Sigurd wird lediglich in das Sagenumfeld des
Nibelungenliedes platziert. Weitere historische Bezüge tauchen nicht auf,
weshalb dieser Comic eher als Abenteuercomic eingeordnet wird. Als
historisch triftige Geschichtscomics werden aber die von 1952 bis 1969
erschienenen ,,Illustrierten Klassiker" ebenso wie die von 1953 bis 1958
publizierten ,,Abenteuer der Weltgeschichte" eingestuft. Auch wenn der Titel
,,Illustrierte Klassiker" schon auf die Adaption von Klassikern der Weltliteratur
schließen lässt, so erschienen in diesen auch historische Themen, wie z. B. die
Ausgaben ,,Cäsar" und ,,Kolumbus". Aufgrund der historischen Triftigkeit und
der redaktionellen Aufsicht von Historikern konnten diese Comics sogar,
entgegen der damaligen negativen Sichtweise auf das Medium Comic, Eingang
in den Schulunterricht finden.
45
Auf dem franko-belgischen historisierenden Comicmarkt wurde dagegen schon
seit Mitte der 1950er Jahre akzeptiert, dass Comics auf eine unterhaltsame
Weise durchaus auch Geschichte erzählen können, weshalb diese ebenfalls von
Erwachsenen gelesen wurden, was unter anderem auch an der detailreichen
Ligne claire und den daraus resultierenden realistischen Hintergründen lag.
,,Alix" von Jacques Martin, der als Begründer der europäischen
historisierenden Comics gilt, erschien erstmals 1948 im Comic-Magazin ,,Tin-
tin". In diesem Comic bestreiten Alix und sein Begleiter Enak zahlreiche
Abenteuer in der Welt des römischen Reiches um 50 vor Christus im Schatten
von historisch verbürgten Personen quer durch den Mittelmeerraum. Franko-
belgische Comics erschienen überwiegend erst im Verlauf der 1980er Jahre in
deutscher Sprache.
46
Wie schon in Kapitel 1 erwähnt, nimmt der Comic ,,Asterix" in der Geschichte
des Geschichtscomics eine besondere Stellung ein und war für eine
44
Ein Heftchen im Format 7,5X17cm. Vgl. Munier, Geschichte, S. 39.
45
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 51ff.
46
Vgl. Munier, Geschichte, S. 36ff.

14
gesellschaftliche Etablierung von historischen Themen im Comic von
immenser Bedeutung.
In den 1980er Jahren vollzog sich ein Wandel innerhalb der Kategorie
Geschichtscomics fort von der Geschichte, die von großen Männern gemacht
wurde, hin zur Alltagsgeschichte ,,der kleinen Leute". Zudem sahen es die
Künstler nun als besondere Aufgabe an, historisch triftige Geschichtscomics zu
gestalten. Weiterhin rückten auch zeitgeschichtliche Themen in den
Vordergrund.
47
Auch wenn es sich um fiktive Geschichten handelte, wurden
die historischen Hintergründe nun detailliert und authentisch dargestellt.
48
So
erzählt Will Eisner in seinem Werk ,,Ein Vertrag mit Gott"
49
von seinem Leben
in der New Yorker Bronx in den 1930er Jahren, das unter anderem von
Rassismus, Kriminalität, aber auch von Liebe geprägt ist. Mit seinen Comics,
die 1979 in Amerika erschienen, in Deutschland 1980, zählt Eisner zu den
Leitfiguren des Wandels innerhalb der Geschichtscomic-Kultur.
50
Die Themen
seiner Comics sind auch durch seine jüdische Identität beeinflusst worden.
Zudem gilt Eisner als Erfinder der ,,Graphic Novel" und definierte als erster
Theoretiker den Comic als ,,sequentielle Kunst".
51
Als weiteres bedeutendes Werk in der Entwicklung des Geschichtscomics gilt
die französische Comicserie ,,Reisende im Wind"
52
von François Bourgeon,
1979 in Frankreich erschienen und 1981 in Deutschland. Sie wurde bewusst für
Erwachsene produziert und thematisiert den Sklavenhandel Ende des 18.
Jahrhunderts, eingebettet in die fiktive Geschichte zweier Mädchen, die durch
einen Rollentausch, da sie sich zum Verwechseln ähnlich sehen, ihr ganzes
Leben verändern und so auch auf ein Sklavenschiff nach Afrika gelangen. Die
menschenverachtende Behandlung von schwarzen Sklaven durch ihre weißen
Herren, sowohl auf dem Land, als auch auf See, wird hier detailliert und
realistisch geschildert.
53
In der Tradition der neuen Erzählweise in
47
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 56.
48
Vgl. Oliver Näpel, Auschwitz im Comic - Die Abbildung unvorstellbarer Zeitgeschichte,
Münster 1998, S. 33f.
49
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 56.
50
Vgl. ebd., S. 56.
51
Vgl. Marco Behringer, Der Holocaust in Sprechblasen. Erinnerung im Comic, Marburg
2009, S. 28.
52
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 57.
53
Bourgeon betrieb aufwendige Archivstudien und stand für diesen Gesichtscomic in enger
Zusammenarbeit mit einem Archäologen und Schiffsexperten.,Vgl. Mounajed, Geschichte,
S. 57.

15
Geschichtscomics steht auch die Serie ,,Die Türme von Bos-Maury"
54
von
Hermann Huppen. In dieser werden das Leben der ,,kleinen Leute" im
Mittelalter des 11./12. Jahrhunderts und die Kreuzzugsthematik dargestellt.
Auch wenn Huppens Hauptprotagonist ein Ritter ist, der versucht, seine Burg
zurückzuerobern, rückt er immer wieder zahlreiche Figuren aus
verschiedensten gesellschaftlichen Sparten in das Zentrum der Erzählung,
sodass hier Multiperspektivität entsteht.
55
Ein weiterer bedeutender Comic in der Entwicklung des Geschichtscomics ist
der Geschichtsmanga ,,Barfuß durch Hiroshima"
56
von Keiji Nakazawa, der in
Deutschland 1982 erstmals veröffentlicht wurde. Zu dieser Zeit waren Mangas
noch relativ selten auf dem Comicmarkt in Deutschland zu finden. Der Comic
befasst sich mit der Geschichte des Jungen Nakazawa, der den
Atombombenabwurf über Hiroshima am 6. August 1945 im Alter von sechs
Jahren miterleben musste. Von seiner Familie überlebten nur er und seine
Mutter diesen folgenschweren Tag. Der Comic thematisiert seine Geschichte,
ist aber dennoch eine fiktive Darstellung.
57
1989 erschien in Deutschland erstmals ein Comic, der den Holocaust zum
Thema machte. Seit 1980 wurde der Comic ,,Maus, a survivor`s tale" in dem
von Art Spiegelman herausgegebenen Comic-Magazin ,,RAW" veröffentlicht
und erschien dann erstmals 1986 als Album in Amerika. 1989 in Deutschland
veröffentlicht, verursachte dieser Geschichtscomic zahlreiche Diskussionen. Im
Jahr 1992 folgte der zweite Teil der Geschichte.
58
Mit der ersten
Veröffentlichung dieses Comics, in dem die Geschichte von Art Spiegelmans
Eltern, die Auschwitz überlebten, künstlerisch verarbeitet wurde, setzte eine
lautstarke Diskussion um die Frage ein, ob ein Thema wie der Holocaust in
einem trivialen Medium wie dem Comic dargestellt werden dürfe.
59
Für
besondere Aufregung sorgte vor allem die Darstellungsweise. Juden sind als
Mäuse, Deutsche als Katzen, Polen als Schweine, Franzosen als Frösche und
Amerikaner als Hunde dargestellt.
60
Da dieser Comic unter anderem
54
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 59.
55
Vgl. ebd., S. 59f.
56
Vgl. ebd., S. 61.
57
Vgl. ebd., S. 61.
58
Vgl. ebd., S. 62f.
59
Vgl. Näpel, Fremde, S. 576.
60
Vgl. Kai-Steffen Schwarz, Vom Aufmucken und Verstummen der Kritiker. Die Diskussion
um Art Spiegelmans ,,Maus", in: Joachim Kaps (Hrsg.), Comic Almanach 1993,

16
Gegenstand dieser Arbeit ist, soll eine detaillierte Betrachtung dessen im 9.
Kapitel erfolgen. Wichtig für die Entwicklung von Geschichtscomics ist in
diesem Fall, dass Spiegelman durch ,,Maus" in großem Maße dazu beigetragen
hat, dass eine gesellschaftliche Aufwertung des Mediums Comic stattfand, er
zu zahlreichen weiteren Produktionen angeregt hat und mit den zuvor
genannten anderen Geschichtscomics einen regelrechten
Geschichtscomicboom herbeiführte.
61
Spiegelman legte den Grundstein für
zahlreiche weitere Geschichtscomics, wie die Comics ,,Die Suche" 2008,
,,Auschwitz" 2002 bzw. in Deutschland 2005 und ,,Yossel. April 19, 1943"
2005, deren Gegenstand auch der Holocaust ist.
62
Nachdem in den beiden vorherigen Kapiteln der Untersuchungsgegenstand
Comic bzw. Geschichtscomic in seiner geschichtlichen Dimension grob
erläutert wurde, soll im Folgenden seine formale Dimension näher betrachtet
werden.
4 Sprache des Comics
Bei einem Comic handelt es sich um eine spezielle Gattung des graphischen
Erzählens.
63
Um einen Überblick über die Gattung Comic zu erhalten, sollen
zunächst wesentliche Merkmale des Mediums dargestellt werden.
Ein Comic besteht aus bildlichen Sequenzen, wobei einzelne Bilder als Panels
bezeichnet werden. Ein Bild allein bildet aber noch keinen Comic. Erst die
Aufeinanderfolge von mindestens zwei Panels bildet eine Sequenz, die eine
Handlung erzählt. Die einzelnen Panels sind meist in viereckiger Form
gehalten, können aber je nach Intention durchaus auch in ihrer Form
variieren.
64
Auch sind Bildfolgen ohne Rahmenbegrenzung möglich, wobei
aber innerhalb der Seite durch verschiedene Hintergründe, die Wiederholung
von Figuren in bestimmten Handlungen oder auch durch weiße Flächen
zwischen den einzelnen Bildfolgen ein indirekter Panelrahmen entsteht. Zudem
Wimmelbach 1993, S. 109f.
61
Vgl. Mounajed, Geschichte, S. 65.
62
Vgl. ebd., S. 253, 269 und 272.
63
Vgl. Hans-Jürgen Pandel, Comics. Gezeichnete Narrativität und gedeutete Geschichte, in:
Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hrsg.), Handbuch Medien im Geschichtsunterricht,
5. erw. Aufl., Schwalbach/Ts. 2010, S. 349.
64
Vgl. Pandel, Comics, S. 352.

17
bildet die gesamte Seite einen Rahmen.
65
Ein ganzseitiges Bild bezeichnet man
als Full Page Shot, wohingegen ein Bild, das sich über eine ganze Doppelseite
erstreckt, Splash Page genannt wird. Bei diesen beiden Variationen können
auch kleinere Bilder eingesetzt sein. Für die Narration eines Comics ist es von
Bedeutung, wie das Panel gestaltet ist. Dabei spielen beispielsweise Linien,
Flächen, Formen, Farben sowie auch Kontraste, Perspektiven und Übergänge
eine tragende Rolle. Die Gestaltung eines Panels beeinflusst auch die weiteren
und vorherigen Panels, sodass von einer panelübergreifenden Bedeutung eines
jeden Panels gesprochen werden kann, wobei jedes Panel eine spezielle
Funktion für die Entwicklung einer Narration besitzt.
66
Dennoch liegt bei
einem Comic der Schwerpunkt auf der Sequenz, da erst durch diese ein
Handlungsablauf und eine zusammenhängende erzählerische Einheit
entstehen.
67
Dabei werden Comics üblicherweise von links nach rechts und von
oben nach unten gelesen. Der Vordergrund dominiert den Hintergrund, sodass
ein Bild entlang der Betonungslinien vom Vordergrund zum Hintergrund und
von größer zu kleiner dargestellten Bildelementen betrachtet wird. Mangas,
japanische Comics, haben dagegen die Leserichtung von unten nach oben und
von rechts nach links.
68
Der Leser nimmt in der Regel zunächst eine gesamte
Doppel- oder Einzelseite wahr, worauf erst im Anschluss einzelne Sequenzen
betrachtet werden, um sich darauf folgend mit den einzelnen Bildern zu
befassen. Dabei springt der Leser permanent vor und zurück, während er
sowohl die visuellen als auch die verbalen Elemente eines Bildes erfassen und
dekodieren muss.
69
Das Format der einzelnen Bilder spielt in Bezug auf ihre
Wirkung eine besondere Rolle. Auf großen oder detailreichen Bildern ruht das
Auge des Lesers länger, weshalb diese an Punkten eingesetzt werden, wo eine
Verzögerung in der Erzählung stattfinden soll. Jedes einzelne Bild soll eine
Entwicklung der Handlung oder einen Stimmungsaufbau bewirken, wobei das
Umschlagbild eines Comics ebenfalls eine Geschichte erzählt. Üblicherweise
verweist das Umschlagbild auf die Grundthematik oder wesentliche Punkte der
Erzählung, ist also Teil der Sequenz, da es sich auf die Erzählung beziehen
(kann). Aber nicht nur durch das Bild, sondern erst durch eine gegenseitige
65
Vgl. Jakob F. Dittmar, Comic-Analyse, Konstanz 2008, S. 57ff.
66
Vgl. ebd., S. 68f.
67
Vgl. Pandel, Comics, S. 352f.
68
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 76.
69
Vgl. Näpel, Fremde, S. 49.

18
Ergänzung von Bild und Text entsteht eine Narration, die von beiden
Elementen gemeinsam getragen wird.
70
Dennoch ist der Comic auf ein weiteres
Element angewiesen, um überhaupt erst zu einer Geschichte zu werden: den
Hiatus. Als Hiatus wird der Zwischenraum zwischen zwei Bildern bezeichnet.
In diesem vergeht Zeit, indem er ausdrückt, dass die Handlung zwischen den
einzelnen Bildern weiter vorangeschritten ist, nicht dargestellte Ereignisse
geschehen sind.
71
An diesem Punkt wird eine Induktionsleistung des Lesers
erforderlich, was meint, dass der Leser durch seine Phantasie diesen
Zwischenraum füllt und die an sich separaten Bilder gedanklich zu einer
zusammenhängenden, geschlossenen Wirklichkeit verbindet.
72
Sie ist das
primäre Mittel des Comics, um Zeit und Bewegung zu simulieren. Diese
Übergänge können durch verschiedene Kategorien eingeordnet werden, die
eine unterschiedlich starke Induktionsleistung des Lesers verlangen. Der
Übergang von Augenblick zu Augenblick erfordert nur eine sehr geringe
Induktionsleistung. Von Handlung zu Handlung werden die Übergänge
bezeichnet, in denen Subjekte bei verschiedenen Handlungen dargestellt
werden. Ein Übergang von Gegenstand zu Gegenstand bleibt innerhalb einer
Szene, zeigt aber das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven. Übergänge,
in denen erhebliche Raum- und Zeitdifferenzen übersprungen werden, nennt
man Übergänge von Szene zu Szene.
73
Eine weitere Art des Übergangs ist die
von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt. Dieser lässt den Blick über verschiedene
Aspekte eines Ortes, einer Idee oder einer Stimmung schweifen, wobei der
Aspekt der Zeit dabei größtenteils übergangen wird. Die letzte Art eines
Übergangs ist die Paralogie, bei der überhaupt kein logischer Zusammenhang
zwischen den Panels hergestellt ist, sich jedoch dennoch zwangsläufig einer
entwickelt.
74
In europäischen und amerikanischen Comics sind Übergänge von
Handlung zu Handlung am häufigsten vertreten, gefolgt von Übergängen von
Gegenstand zu Gegenstand und von Szene zu Szene.
75
Bei japanischen Comics
verteilt sich das Verhältnis von Übergängen ähnlich, jedoch werden in diesen
auch Übergänge von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt und zu einem geringen
70
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 69ff.
71
Vgl. Pandel, Comics, S. 353.
72
Vgl. McCloud, Comics, S. 74f.
73
Vgl. ebd., S. 77f.
74
Vgl. ebd., S. 80f.
75
Vgl. ebd., S. 83.

19
Anteil Übergänge von Augenblick zu Augenblick verwendet. Ein Grund
hierfür ist darin zu finden, dass in der japanischen Kultur Comics allgemein als
Kunstwerke angesehen werden.
76
Ein weiteres Element des Comics ist der Panelrahmen, der als Habitus
bezeichnet wird. Er dient der Begrenzung einzelner Panels und ist meistens
rechteckig. Dennoch können auch andere Formen verwendet werden, wenn z.
B. die Zeit reguliert werden soll. Durch rechteckige gleichmäßige Panels wird
eine Kontinuität im Zeitverlauf, eine stabile, gleichmäßig fortlaufende
Handlung, ausgedrückt. Dagegen erzeugen unregelmäßige Vierecke Dynamik,
Spannung, Unruhe oder Beschleunigung.
77
Weitere Gestaltungsmöglichkeiten
sind unter anderem das Aufbrechen oder Auflösen von Rahmen, wenn z. B. ein
Ereignis oder eine Handlung besonders dynamisch wirken soll oder die
Stabilität des Protagonisten gefährdet ist.
78
Der Panelrahmen ist der Leitfaden
durch die Zeit und den Raum der Erzählung. Ein randloses Panel kann
Zeitlosigkeit suggerieren, breite Panels erzeugen eine längere Dauer der
Handlung.
79
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, durch die Gestaltung der
Panelrahmen unterschiedliche Wirkungen zu erzielen. Das gesamte
Rahmengitter einer Seite wird als Gutter bezeichnet.
80
Ein weiteres Element
von Comics sind Sprech- oder Gedankenblasen sowie auch der Blocktext, der
meistens oberhalb des Bildes - unterhalb ist dies aber auch möglich -
abgegrenzt in einem kleinen Kasten platziert wird, um Text zu integrieren. Bei
der Sprechblase verweist ein Dorn auf diejenige Person, die spricht, bei
Gedankenblasen verweisen Wölkchen auf die Figur, deren Gedanken
dargestellt werden. Bei diesen beiden Formen der Textintegration handelt es
sich um eine Wiedergabe von wörtlicher Rede.
Blocktexte dagegen enthalten Situationsbeschreibungen, Kommentare,
Authentizitätsbeteuerungen und metanarrative Bemerkungen des Erzählers in
der Funktion, einen Erzählzusammenhang zur Überbrückung von Raum und
Zeit herzustellen. In den Sprech- und Denkblasen werden die Texte
normalerweiser gelettert, was heißt, dass Texte handschriftlich in die Blasen
76
Vgl. McCloud, Comics, S. 88f.
77
Vgl. Pandel, Comics, S. 353.
78
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 60ff.
79
Vgl. McCloud, Comics, S. 109f.
80
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 124.

20
gesetzt werden.
81
Zusammen mit der Form der Sprechblasen und den
Kommentarhintergründen werden durch verschiedene Gestaltungen der Texte
akustische Informationen vermittelt und jeweils andere Wirkungen erzielt.
Große fettgedruckte Buchstaben verweisen z. B. auf eine große Lautstärke.
82
Weiterhin kann durch die Wahl und den Wechsel von Einstellungsgrößen eine
unterschiedliche Wirkung hergestellt werden, da sie verschiedene Funktionen,
ähnlich wie beim Film, besitzen.
83
Die Totale z. B. gibt dem Leser einen
Überblick über den Handlungsraum und zeigt alle Elemente einer Szenerie.
Die halbnahe Ansicht
84
wird dagegen häufig für die Darstellung von zwei oder
drei Figuren im Gespräch oder in Konfrontation genutzt, wobei der Betrachter
durch diese Einstellung in die Situation involviert wird. Bei der Großaufnahme
werden Details der Handlung sowie auch Gefühle vermittelt.
85
Allgemein lässt
sich festhalten, dass je größer Personen und Ereignisse dargestellt werden,
desto umfangreicher die Identifikationsmöglichkeit für den Leser ist.
86
Perspektiven verdeutlichen dagegen Beziehungen in einem dreidimensionalen
Raum. Dieser Blickwinkel auf das Geschehen versetzt den Leser dadurch
entweder in die Rolle eines beteiligten oder unbeteiligten Beobachters. Es wird
zwischen Vogelperspektive, Obersicht, Augenhöhe, Untersicht und
Froschperspektive unterschieden. Während die Vogelperspektive einen
Überblick über einen Szenenraum ermöglicht, betont die Froschperspektive die
Bedeutung der dargestellten Gegenstände oder Figuren. Die Augenhöhe gilt als
normale Perspektive, in der der Leser in die Handlung mit einbezogen wird.
Dadurch dass dem Leser ein bestimmter Blickpunkt auf das Geschehen
ermöglicht wird, ist er infolgedessen auch gezwungen, diese Perspektive
einzunehmen.
87
Mittel, um Bewegungen visuell zu erzeugen, sind neben der genannten
Induktion die sogenannten Speedlines. Hierbei stehen verschiedenste
Möglichkeiten zur Verfügung, wie der Verwacklungseffekt oder ein
81
Vgl. Pandel, Comics, S. 354ff.
82
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 103f.
83
Vgl. Pandel, Comics, S. 353f.
84
Von der Hüfte aufwärts, wobei das unmittelbare Umfeld noch zu erkennen ist, vgl. Dittmar,
Comic-Analyse, S. 83.
85
Vgl. ebd., S. 82f.
86
Vgl. Pandel, Comics, S. 354.
87
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 84ff.

21
verwischter Hintergrund bei scharf bleibendem Objekt.
88
Eine weitere
Variante, um Bewegungen darzustellen, ist das Polyptychon, bei dem sich
Figuren vor einem feststehenden Hintergrund von Panel zu Panel bewegen.
89
Auch verschiedene Zeichenstile werden von den Comiczeichnern bewusst
eingesetzt, um unterschiedliche Wirkungen zu erzielen und dem Comic eine
individuelle Note zu verleihen. Ein grober Strich erlaubt z. B. keine Details,
außer bei Nahansichten, bei der Ligne claire dagegen werden die Lesbarkeit
sowie auch die Transparenz der Zeichnungen und Erzählstruktur durch die
Schematisierung der Umwelt und die Reduktion der Figuren auf wesentliche
Merkmale gesichert. Unterschiedliche Zeichenstile stellen differierende
Weltsichten dar. Auch die Beschränkung auf die Farbkombination Schwarz-
Weiß ist ein bestimmter Stil,
90
da er völlig anders wirkt als Graustufen oder
Farbigkeit. Farben werden von jedem Menschen unterschiedlich
wahrgenommen und sind so nur oberflächlich interpretierbar. Dennoch lassen
sich einige Aussagen über die psychologische Wirkung ableiten. So wirken
intensive Farbtöne, eine hohe Farbsättigung, aktiver als blassere Farben, die
eher passiv anmuten.
91
Farben lenken das Augenmerk stärker auf äußere
Gestaltung als Zeichnungen in Schwarz-Weiß. Zudem können sie Stimmungen
ausdrücken oder auch räumliche Tiefe erzeugen. Da die Welt, in der wir leben,
farbig ist, werden farbige Zeichnungen vom Leser auf den ersten Blick realer
empfunden als schwarz-weiße.
92
Sie können auch verwendet werden, um z.
Zeitebenen zu verdeutlichen oder bestimmte Assoziationen hervorzurufen.
So signalisiert Rot eine Gefahr oder Warnung, wohingegen Blau auf Angst
oder Kälte verweist. Des Weiteren werden schwarz-weiße Comics gänzlich
anders gelesen als farbige, da sie weniger visuelle Informationen enthalten.
Zudem verzögern sie die Lesegeschwindigkeit.
93
Bei der Analyse von Comics beschränkt man sich lediglich auf einzelne
Aspekte der einzelnen Bilder, auf Details von entscheidenden Szenen, auf
vorherrschende Stilmerkmale, Perspektiven, Figurendarstellungen usw., da
eine Beschreibung jedes einzelnen Bildes in der Praxis kaum möglich wäre.
88
Vgl. McCloud, S. 120f.
89
Vgl. ebd., S. 123.
90
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 150ff.
91
Vgl. ebd., S. 160f.
92
Vgl. McCloud, Comics, S. 198ff.
93
Vgl. Dittmar, Comic-Analyse, S. 161ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842821361
DOI
10.3239/9783842821361
Dateigröße
6.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Geschichte
Erscheinungsdatum
2011 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
comic holocaust geschichtsunterricht comicanalyse geschichtscomic sprechblase
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Titel: Historisches Lernen durch Sprechblasen? Das Thema Holocaust im Comic: Spiegelman, Croci, Kubert und Heuvel
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