Lade Inhalt...

Art. 91e GG - Eine neue Chance der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen im SGB II?

©2011 Masterarbeit 161 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts setzte ein globaler Wandel in den sozialen Sicherungssystemen hin zu aktivierenden Leistungen ein, der eine stärkere Zusammenarbeit auf den Gebieten der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sowie eine stärkere Einbindung der Hilfeempfänger mit sich brachte. Diese Intention lag auch der in Deutschland zum 01.01.2005 vollzogenen Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zu Grunde. Diese hat ihren Niederschlag im SGB II gefunden. Insbesondere durch Eingliederungen in Arbeit und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes soll die Hilfebedürftigkeit verringert bzw. ganz abgeschafft werden. Die Erreichung dieses Ziels hängt wesentlich von den insbesondere die Arbeitsmarktsituation beeinflussenden ökonomischen Bedingungen ab.
Im Jahr 2010 wurden fast 3,7 Mio. Bedarfsgemeinschaften mit ca. 7,1 Mio. Hilfebedürftigen gezählt. Damit ist fast jeder 10. Bundesbürger hilfebedürftig. Ihre Betreuung erfolgt durch mehr als 75.000 Beschäftigte der beiden Träger – Bundesagentur für Arbeit (BA) und kommunale Träger –, die dafür ca. 45 Mrd. Euro pro Jahr aufwenden. Dies verdeutlicht, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch und besonders aus gesellschaftspolitischer Sicht eine überragende Rolle einnimmt. Dabei erwarten die Hilfebedürftigen vom Staat die Vermittlung von Arbeitsplätzen, einen besseren Zugang zu Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten sowie Beratungen und Angebote bei individuellen Notlagen. Durch eine engere Zusammenarbeit der Träger erhoffen sich Leistungsempfänger eine Ausweitung der individuellen Betreuung sowie bessere Erreichbarkeiten eines einheitlichen Ansprechpartners.
Damit gehen höhere Anforderungen an die öffentliche Verwaltung einher, die auch ein Umdenken bei den Organisationsstrukturen erfordern. Die Kunst hierbei ist, ein angemessenes Verhältnis zwischen zentraler Steuerung durch bundeseinheitliche Vorgaben einerseits und individuell ausgerichteter Leistungserbringung durch Stärkung dezentraler Entscheidungsspielräume andererseits zu finden. Mit einer Neugestaltung der Organisationsstrukturen sind grundlegende Verfassungsfragen sowie Grundfragen der Finanzierung zu klären. Der Bund trägt den größten Teil der Aufwendungen, wobei die kommunalen Träger ca. 25 % der Gesamtaufwendungen – ca. 10 Mrd. Euro – zu leisten haben. Dass eine gute Zusammenarbeit nicht zuletzt vom […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Franziska Ullrich
Art. 91e GG - Eine neue Chance der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und
Kommunen im SGB II?
ISBN: 978-3-8428-2020-3
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Zugl. FernUniversität Hagen, Hagen, Deutschland, MA-Thesis / Master, 2011
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2011

I
Inhaltsverzeichnis
/
/
///
s
s
Z'
/
// h
s '
/// s
E
/
&
'
^
'
'
Z
''
d
Z
E
''
// '
K
s
d
Z
'
s
d
'
///
d
>
s
D
^ ^' //
s
^ ^' //
>
Z
D

II
D
/s
&
&
Z
&
d
Z
d
s ^
/
E
^
^' //
Z
D ^
&
>
d
d
s/ m
<
s
>
&
>
s/

III
Abkürzungsverzeichnis
a.A. anderer
Ansicht
Abs. Absatz
a.F. alter
Fassung
AG-SGB II
Ausführungsgesetz SGB II
ARGE Arbeitsgemeinschaft
Art. Artikel
BA
Bundesagentur für Arbeit
Bbg. Brandenburg
BLA Bund-Länder-Ausschuss
BMAS
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BMI
Bundesministerium des Innern
BPersVG Bundespersonalvertretungsgesetz
BR Bundesrat
BRH Bundesrechnungshof
bspw. beispielsweise
BT Bundestag
BW Baden-Württemberg
BY Bayern
ca. circa
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
Drs. Drucksache
gE gemeinsame
Einrichtung
gem. gemäß
GG Grundgesetz
ggf. gegebenenfalls
HE Hessen
h.M. herrschende
Meinung
i.e.S.
im engeren Sinn
i.S. im
Sinne
i.V.m.
in Verbindung mit
KA Kooperationsausschuss

IV
KtEfV Kommalträger-Eignungsfeststellungs-
verordnung
LPersVG Landespersonalvertretungsgesetz
LT Landtag
LVerfG Landesverfassungsgericht
max. maximal
m.E. meines
Erachtens
mind. mindestens
Mrd. Milliarden
MV Mecklenburg-Vorpommern
Nds. Niedersachsen
NRW Nordrhein-Westfalen
NSM Neues
Steuerungsmodell
RP Rheinland-Pfalz
S. Seite
S-A Sachsen-Anhalt
SächsAGSGB
Sächsisches Gesetz zur Ausführung des So-
zialgesetzbuches
SGB II
Zweites Buch Sozialgesetzbuch
SGB III
Drittes Buch Sozialgesetzbuch
SH Schleswig-Holstein
SN Sachsen
Träger
Träger der Grundsicherung für Arbeit-
suchende
u.a. unter
anderem
Vgl. vergleiche
v.a. vor
allem
VO Verordnung
ZAG
Zentren für Arbeit und Grundsicherung
z.B. zum
Beispiel
zkT
zugelassener kommunaler Träger
zoL zuständige
oberste
Landesbehörde
ZV Zielvereinbarung

V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Arbeitslosenquoten in Deutschland ...1
Abbildung 2: Überblick über die Organisationsstruktur im SGB II ...17
Abbildung 3: Grundstruktur der gemeinsamen Einrichtung ...20
Abbildung 4: Aufsichtsstränge im SGB II ...40
Abbildung 5: Zielvereinbarungssystem im SGB II ...54
Abbildung 6: Vereinbarte Ziele zwischen BMAS und BA...56

1
A. Einleitung
Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts setzte ein globaler Wandel
in den sozialen Sicherungssystemen hin zu aktivierenden Leistungen
ein, der eine stärkere Zusammenarbeit auf den Gebieten der Arbeitslo-
senhilfe und Sozialhilfe sowie eine stärkere Einbindung der Hilfeemp-
fänger mit sich brachte.
1
Diese Intention lag auch der in Deutschland
zum 01.01.2005 vollzogenen Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe
und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zu Grunde. Die-
se hat ihren Niederschlag im SGB II gefunden.
2
Insbesondere durch
Eingliederungen in Arbeit und Leistungen zur Sicherung des Lebensun-
terhaltes soll die Hilfebedürftigkeit verringert bzw. ganz abgeschafft wer-
den. Die Erreichung dieses Ziels hängt wie Abbildung 1 zeigt
wesentlich von den insbesondere die Arbeitsmarktsituation beeinflus-
senden ökonomischen Bedingungen ab.
Abbildung 1: Arbeitslosenquoten in Deutschland
Quelle: Statistik der BA Grundsicherung für Arbeitsuchende in Zahlen April 2011
3
Im Jahr 2010 wurden fast 3,7 Mio. Bedarfsgemeinschaften mit ca. 7,1
Mio. Hilfebedürftigen gezählt. Damit ist fast jeder 10. Bundesbürger hil-
1
Konle-Seidl, Wirtschaftsdienst 2009, 813.
2
BT-Drs. 15/2259, S. 9; Münder, NJW 2004, 3209 (3210); Schwendy, TuP 2008, 204
(208).
3
http://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201104/iiia7/grusi-in-zahlen/grusi-
in-zahlen-d-0-pdf.pdf
vom 24.05.2011.

2
febedürftig. Ihre Betreuung erfolgt durch mehr als 75.000 Beschäftigte
der beiden Träger Bundesagentur für Arbeit (BA) und kommunale Trä-
ger , die dafür ca. 45 Mrd. Euro pro Jahr aufwenden. Dies verdeutlicht,
dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht nur aus wirtschaftli-
cher, sondern auch und besonders aus gesellschaftspolitischer Sicht
eine überragende Rolle einnimmt.
4
Dabei erwarten die Hilfebedürftigen
vom Staat die Vermittlung von Arbeitsplätzen, einen besseren Zugang
zu Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten sowie Beratungen und
Angebote bei individuellen Notlagen. Durch eine engere Zusammenar-
beit der Träger erhoffen sich Leistungsempfänger eine Ausweitung der
individuellen Betreuung sowie bessere Erreichbarkeiten eines einheitli-
chen Ansprechpartners.
5
Damit gehen höhere Anforderungen an die öffentliche Verwaltung ein-
her, die auch ein Umdenken bei den Organisationsstrukturen erfordern.
Die Kunst hierbei ist, ein angemessenes Verhältnis zwischen zentraler
Steuerung durch bundeseinheitliche Vorgaben einerseits und individuell
ausgerichteter Leistungserbringung durch Stärkung dezentraler Ent-
scheidungsspielräume andererseits zu finden.
6
Mit einer Neugestaltung
der Organisationsstrukturen sind grundlegende Verfassungsfragen so-
wie Grundfragen der Finanzierung zu klären. Der Bund trägt den
größten Teil der Aufwendungen, wobei die kommunalen Träger ca. 25 %
der Gesamtaufwendungen ca. 10 Mrd. Euro zu leisten haben.
7
Dass
eine gute Zusammenarbeit nicht zuletzt vom Zusammenwirken der Ak-
teure vor Ort abhängt, ist unbestritten.
8
Eine einheitliche Organisation
sollte aber auch unabhängig davon ein Mindestmaß an ordnungsge-
mäßer Leistungserfüllung gewährleisten.
Die vorliegende Arbeit untersucht, ob und inwieweit Art. 91e Grundge-
setz (GG) Grundlage einer derartigen neuen Zusammenarbeit von Bund,
Ländern und Kommunen seit dem 01.01.2011 darzustellen vermag. Da-
bei werden die hiermit verbundenen Verfassungsfragen unter Einbezie-
hung der ersten Erfahrungen der Praxis diskutiert. Hierzu wird im Ab-
schnitt B die Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den
4
Nakielski, SoSi 2010, 165 (166).
5
Hessisches Sozialministerium, Job-Center in Hessen, Wiesbaden, 2005, S. 44.
6
Konle-Seidl, Wirtschaftsdienst 2009, 813.
7
Stiftung Marktwirtschaft, Tagungsbericht vom 22.04.2008, Berlin, S. 2; Knigge,
ZFSH/SGB 2009, 526.
8
Ebenso: Schwendy, TuP 2008, 204 (208).

3
Jahren 2005 bis 2010 dargestellt und auf den hart umkämpften Kom-
promiss
9
infolge des Urteils des BVerfG eingegangen.
Sodann wird in Abschnitt C im I. Unterabschnitt die Neuorganisation
infolge der Implementierung des Art. 91e in das GG vorgestellt. Hier
werden insbesondere die Reichweite der Sperrwirkung der ausschließli-
chen Gesetzgebungskompetenz des Bundes und die beschränkte Ge-
setzgebungskompetenz der Länder diskutiert.
Der II. Unterabschnitt stellt die gemeinsame Einrichtung (gE) und ihre
Ausgestaltung vor. Hier wird sich zeigen, dass die vom SGB II offen ge-
lassene Frage in Bezug auf die Rechtsform der gE zu erheblichen
Rechtsunsicherheiten führt. Dabei ist eine Ausgestaltung in öffentlich-
rechtlicher Form unbestritten
10
, jedoch ist fraglich, ob darüber hinaus
auch eine private Rechtsform zulässig ist. Im Anschluss daran folgen im
III. Unterabschnitt Ausführungen zur Entfristung und Ausweitung der
zugelassenen kommunalen Träger (zkT), wobei insbesondere auf das
Antragsverfahren bzgl. der Zulassung zur alleinigen kommunalen Auf-
gabenwahrnehmung eingegangen wird. In diesem Rahmen wird festzu-
stellen sein, dass die bundesgesetzliche Regelung zum Erfordernis der
2/3-Mehrheit nach § 6a Abs. 2 S. 3 SGB II
11
verfassungswidrig ist
12
und
der Erlass einer solchen Regelung der Gesetzgebungskompetenz viel-
mehr der Länder unterliegt. Wie IV. Unterabschnitt zeigen wird, hat die
Neuorganisation nicht zu klaren Aufsichtsstrukturen wie vom Gesetz-
geber beabsichtigt geführt.
13
Die Grundsicherung ist vielmehr nach wie
vor geprägt von verschiedenen Aufsichtssträngen, die eine unterschied-
liche Aufsichtsintensität aufweisen und eine Harmonisierung nur in ei-
nem sehr stark begrenzten Umfang zulassen.
14
Ein Überblick über die
Möglichkeiten der Steuerung durch Zielvereinbarungen sowie über die
einzelnen Zielvereinbarungen nach § 48b erfolgt im V. Unterabschnitt.
Im VI. und letzten Unterabschnitt wird die überregionale Zusammenar-
beit in den vom SGB II vorgesehenen Gremien beleuchtet. Die größere
Bedeutung kommt dabei dem Kooperationsausschuss zu, der zu weiten
Teilen in die Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Landesebene ein-
gebunden ist. Es wird dargelegt, dass eine Besetzung mit Vertretern der
9
Henneke, DÖV 2006, 726; Knigge, ZFSH/SGB 2009, 526; Loos, NVwZ 2008, 514.
10
Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 9; Wendtland, in: Gagel, SGB II, § 44b, Rn.
31ff.
11
Im Folgenden sind Paragraphen ohne Gesetzesbezug solche des SGB II.
12
Ebenso: Dyllick/Lorincz/ Neubauer, DVBl. 2011, 15 (21); Henneke, Der Landkreis
2010, 371 (380); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (445).
13
Dyllick/Lörincz/Neubauer, NJ 2011, 15 (20).
14
Knigge, ZFSH/SGB 2009, 526 (534f.); Nakielski, SoSi 2010, 165 (172).

4
Träger nicht mit den dem Kooperationsausschuss obliegenden Aufga-
ben vereinbar ist. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Fazit.
B. Von den ARGEn zur gemeinsamen Einrichtung
01.01.2005 Geburtsstunde der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Sie ist der lang ersehnte Kompromiss des Vermittlungsausschusses
15
,
der das Ergebnis einer langwierigen politischen Auseinandersetzung um
die höchst umstrittene Neuausrichtung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-
hilfe darstellt.
16
I. Zusammenarbeit von 2005 bis 2010
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich eine einzige Or-
ganisationsform nicht durchsetzen konnte, sondern eine duale Träger-
schaft gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Einzug in das SGB II gehalten hat. Danach
sind Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
17
die BA und die
kommunalen Träger. Letztere sind für die in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ge-
nannten Leistungen insbesondere Leistungen für Unterkunft und Hei-
zung zuständig, die BA für alle übrigen. Diese Teilung basiert auf dem
im Jahr 2003 beschlossenen Kompromiss des Vermittlungsausschus-
ses.
18
Um trotz der geteilten Trägerschaft eine Leistungsgewährung aus
einer Hand zu ermöglichen, wurde als Regelorganisationsform die ge-
meinsame Aufgabenwahrnehmung von BA und kommunalen Trägern in
den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) auf Grundlage des § 44b a.F.
19
ins
Leben gerufen. Gem. § 44b Abs. 1 S. 1 a.F. konnte eine ARGE durch
privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vertrag errichtet werden.
Eine Rechtsform wurde damit nicht vorgegeben, diese und die weitere
Ausgestaltung oblagen vielmehr den Trägern.
20
Die ARGE wurde gem.
§ 44b Abs. 3 S. 1 per Gesetz mit der Wahrnehmung der der BA oblie-
genden Aufgaben betraut. Die kommunalen Träger sollten die Wahr-
nehmung der ihnen obliegenden Aufgaben auf die ARGE durch einen
zusätzlichen Übertragungsakt delegieren.
21
Neben der Hilfe aus einer
Hand sollten Doppelstrukturen abgebaut werden, indem Maßnahmen
15
BT-Drs. 15/2259; Loos, NVwZ 2008, 514; Münder, NJW 2004, 3209 (3213).
16
Henneke, DÖV 2005, 177 (179f.); Ruge/Vorholz, DVBl. 2005, 403f.
17
Im Weiteren nur noch Träger genannt.
18
BT-Drs. 15/2259, S. 2.
19
Mit a.F. ist nachfolgend stets die bis zum Inkrafttreten der Neuorganisation am
11.08.2010 bzw. 01.01.2011 geltende Fassung des SGB II gemeint.
20
Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44b, Rn. 21.
21
Die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift hat einen verpflichtenden Charakter, von dem
nur in atypischen Fällen abgewichen werden kann BverfGE 119, 331, 351f.

5
der Träger ohne Reibungsverluste und Verschiebebahnhöfe harmoni-
siert werden.
22
Von insgesamt 439 kommunalen Trägern nahm die
überwiegende Zahl zuletzt 345 die Aufgabenwahrnehmung in AR-
GEn zusammen mit der BA wahr.
23
Aufgrund der als in den ARGEn zu
stark empfundenen zentralistischen Steuerung durch die BA, die ein
Ausbremsen der kommunalen Ideen und Kompetenzen zur Folge hatte,
entbrannte auf kommunaler Ebene der Wunsch, die eigenen Einfluss-
möglichkeiten zu erhöhen und dezentrale Verantwortungen zu stärken.
24
Dem sind sechs kreisfreie Städte und 63 Kreise
25
gefolgt,
indem sie von
der Möglichkeit der Experimentierklausel in § 6a Abs. 3 S. 1 a.F. Ge-
brauch gemacht haben. Danach konnten neben dem Regelmodell der
gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung bis zu 69 kommunale Träger,
befristet auf sechs Jahre, zugelassen werden, die gesamten Aufgaben
nach dem SGB II eigenständig wahrzunehmen.
Von der Möglichkeit, die Aufgaben in getrennter Trägerschaft von BA
und kommunalen Träger wahrzunehmen, haben 23 Städte und Kreise
Gebrauch gemacht.
26
Die getrennte Aufgabenwahrnehmung stieß bei
kommunalen Trägern mit einer geringen Arbeitslosenquote auf fruchtba-
ren Boden
27
, weshalb es nicht verwundert, dass sich diese in Baden-
Württemberg konzentriert hatten. Eine wissenschaftliche Bewertung
darüber, welche Organisationsform am besten geeignet war, konnte
bislang nicht erfolgen. Alle Formen wiesen sowohl Vor- als auch Nach-
teile auf. Ihre Effizienz hing letztlich in einem nicht unwesentlichen Maß
von den Gegebenheiten auf den lokalen Arbeitsmärkten ab.
28
II. Urteil des BVerfG vom 20.12.2007
Dem BVerfG lagen Verfassungsbeschwerden von elf Kreisen gegen
§§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 44b und 46 Abs. 1 und Abs. 5-10 a.F. vor. Kern-
stück war die Auffassung der Kreise, dass die gemeinsame Aufgaben-
wahrnehmung in den ARGEn nicht mit den verfassungsrechtlichen Vor-
gaben im Einklang steht. Das BVerfG erklärte die Verfassungsbe-
22
Hessisches Sozialministerium, Job-Center in Hessen, Wiesbaden, 2005, S. 82; Stif-
tung Marktwirtschaft, Tagungsbericht vom 22.04.2008, Berlin, S. 1f.
23
Nakielski, SoSi 2010, 165 (166).
24
Henneke, DÖV 2006, 726 (728f.).
25
Knigge, ZFSH/SGB 2009, 526. Durch die Änderung der Kommunalträger-
Zulassungsverordnung in der Fassung vom 24.09.2004 durch Art. 1 der Verordnung vom
14.04.2011 (BGBl. I S. 645), wurde den Gebietsreformen in SN und S-A Rechnung ge-
tragen, sodass seit dem 30.04.2011 nur noch 67 zkT existieren.
26
BR-Drs. 226/10, S. 26; Dyllick/Lörincz/Neubauer, NJ 2011, 15.
27
Schwendy, TuP 2008, 204 (205).
28
Strotmann, in: Stiftung Marktwirtschaft, Tagungsbericht vom 22.04.2008, Berlin, S. 3.

6
schwerden mit Urteil vom 20.12.2007 insoweit für unbegründet, wie sie
sich gegen §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 46 Abs. 1 und Abs. 5-10 a.F. wand-
ten. Im Hinblick auf die Zusammenarbeit in den ARGEn erklärte das
BVerfG die Regelung des § 44b a.F. für mit dem GG unvereinbar.
29
Die Pflicht seitens der kommunalen Träger, ihre Aufgabenwahrnehmung
auf die ARGE zu übertragen, verstößt danach gegen den Grundsatz der
eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung
30
, der die Freiheit von staatli-
cher Reglementierung hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerle-
digung und die Organisation der Kommunalverwaltung einschließlich der
Haushalts- und Personalautonomie gewährleistet.
31
Im Rahmen der
Entscheidungszuständigkeiten für die Aufgabenwahrnehmung obliegt
die Organisation der zuständigen Stellen sowie der Steuerungsmecha-
nismen den Kommunen.
32
Eine Einschränkung erfährt dies mit Blick auf
Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG lediglich durch die Ausgestaltung des Gesetzge-
bers, wobei diese nicht Kernbereich betreffen darf.
33
Die eigenverant-
wortliche Aufgabenwahrnehmung der kommunalen Träger wird dann
beeinträchtigt, wenn der Gesetzgeber ohne Rechtfertigung die gemein-
same Aufgabenwahrnehmung vorschreibt.
34
Nach der Kompetenzordnung der Art. 83ff. GG nehmen Bund und Län-
der die Verwaltungszuständigkeiten grundsätzlich getrennt voneinander,
d.h. mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisati-
on, wahr. Diesbezüglich fordert das BVerfG eine klare Zuordnung von
Kompetenzen der Träger unter Berücksichtigung der Grundsätze der
Normenklarheit und der Widerspruchsfreiheit.
35
Mit Blick auf eine unun-
terbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufga-
ben betrauten Stellen bedarf es eines bestimmten Legitimationsni-
veaus
36
, an dem es gerade fehlt, wenn keine klare Zuordnung von Ver-
antwortung gegeben ist.
37
Die Inanspruchnahme von nicht zuständigen
Verwaltungsträgern ist dabei zwar möglich, jedoch nur aufgrund eines
besonderen sachlichen Grundes in Bezug auf eine eng umgrenzte Ver-
waltungsmaterie.
38
Die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung nach § 44b
a.F. beschränkte sich aber weder auf eine räumliche Zusammenfassung
29
BVerfGE 119, 331, 352.
30
BVerfGE 119, 331, 362.
31
BVerfGE 83, 363, 382; 91, 228, 245.
32
BVerfGE 119, 331, 362.
33
BVerfGE 83, 363, 381; 119, 331, 363.
34
BVerfGE 119, 331, 363.
35
BVerfGE 21, 73, 79; 108, 169, 181f.; 119, 331, 365f.
36
BVerfGE 9, 268, 281; 83, 60, 72;
107, 59, 87;
Schliesky, Souveränität und Legitimität
von Herrschaftsgewalt, S. 302.
37
BVerfGE 119, 331, 366.
38
BVerfGE 63, 1, 41; 119, 331, 367.

7
von verschiedenen Behörden noch auf koordinierende oder informieren-
de Tätigkeiten, sondern nahm alle operativen Aufgaben einer hoheitli-
chen Leistungsverwaltung war. Damit wurde der ARGE eine eigene
Aufgabenzuständigkeit eingeräumt, woran auch die Unabhängigkeit und
Eigenständigkeit der Träger nichts änderte.
39
Bei der Grundsicherung für
Arbeitsuchende handelt es sich auch nicht um eine eng umgrenzte Ver-
waltungsmaterie. Dies ist insbesondere mit Blick auf das SGB II als ei-
ner der größten Sozialverwaltungsbereiche, die Anzahl der Hilfebedürfti-
gen und das hohen Finanzierungsvolumen zu sehen. Weder eine politi-
sche Einigungsunfähigkeit noch das historisch bedingte Nebeneinander
von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vermögen besondere Gründe für
eine darüber hinausgehende Ausnahme zu liefern.
40
Unabhängige und eigenständige Entscheidungen der Träger waren im
Rahmen der ARGE nicht möglich. Die Regelung des § 44b Abs. 1 S. 1
a.F. zielte vielmehr auf eine ganzheitliche Aufgabenerledigung, was zu-
gleich zu Kompromisszwängen und systemimmanenten Blockademög-
lichkeiten führte und zudem ein Einfallstor zum Aufgabenbereich des
jeweils anderen Trägers darstellte. Innerhalb der ARGE erfolgte keine
eigenständige Willensbildung der Träger, die gemeinsame Aufgaben-
wahrnehmung mündete vielmehr in eine gemeinschaftliche Willensbil-
dung. Eine freiwillige Selbstbeschränkung änderte an der fehlenden ei-
genverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung mit Blick auf eine damit
einhergehende Nichtwahrnehmung der eigenen Kompetenzen nichts.
41
Die gemeinsame Aufsicht von Bund und Ländern über die ARGE wider-
spricht ebenfalls einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung,
indem Konfliktlösungen für den Fall der Nichteinigung von Bund und
Ländern offen bleiben.
42
Die Vorschrift des § 44b a.F. verstößt auch hin-
sichtlich der organisatorischen und personellen Verflechtung v.a. was
die Unsicherheit über die Anwendbarkeit von Bundes- und Landesrecht
angeht gegen den Grundsatz der Verantwortungsklarheit.
43
Dadurch
wurden weiße Flecken auf der Landkarte der Verantwortung geschaffen,
die einer wirksamen und effektiven Aufsicht und Kontrolle entzogen wa-
ren. Zudem bestand die Gefahr, dass mit Blick auf Kompetenzkonflikte
von gebotenen Kontrollmaßnahmen abgesehen wurde. Die gemeinsa-
39
BVerfGE 119, 331, 368f.
40
BVerfGE 119, 331, 364, 369ff
41
BVerfGE 119, 331, 373ff.
42
BVerfGE 119, 331, 377f.
43
BVerfGE 119, 331, 379.

8
men Planungen der Träger im Bereich der aktiven Leistungen tangierten
zudem die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Träger.
44
Mit Blick auf die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Leistungsge-
währung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat das
BVerfG die Regelung des § 44b a.F. nicht für nichtig, sondern lediglich
für mit dem GG unvereinbar erklärt. Sie konnte bis längstens zum
31.12.2010 weiter Anwendung finden.
45
Dem Gesetzgeber wurde damit
ausreichend Zeit gegeben, eine verfassungsfeste Lösung für die zukünf-
tige Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu finden.
III. Visionen einer neuen Zusammenarbeit
Das Urteil des BVerfG teilweise als Innovationsbremse bezeichnet
46
zwang Politik und Verwaltung, nach neuen Lösungen zu suchen. Ge-
genstand der Diskussionen waren alle möglichen Organisationsfor-
men
47
, wobei an die neuen Strukturen insbesondere folgende Anforde-
rungen gestellt wurden
48
:
Beibehaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende als
Summe aus Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe,
Leistung aus einer Hand,
keine Veränderung der Lastenverteilung und
ausgewogenes Verhältnis zwischen zentraler Steuerung und
lokalem Handlungsspielraum.
Im Hinblick auf die positiven Erfahrungen mit der Zusammenarbeit in
den ARGEn wurde seitens des BMAS und der BA zunächst für eine
Fortführung der Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis in sog. kooperati-
ven Jobcentern geworben. Diese hätten den Vorzug gehabt, dass es
keiner GG-Änderung bedurft hätte und es bei der bundesweiten Finanz-
verantwortung bei nach Auffassung von BMAS und BA dezentralen
Mitwirkungsmöglichkeiten der kommunalen Ebene hätte bleiben kön-
nen.
49
Das kooperative Jobcenter sah zwar ein gemeinsames Dach vor,
unter diesem sollten die Träger ihre Aufgaben jedoch getrennt wahr-
44
BVerfGE 119, 331, 380f.
45
BVerfGE 119, 331, 382f.
46
Nahles, in: Stiftung Marktwirtschaft, Tagungsbericht vom 22.04.2008, Berlin, S. 10.
47
Knigge, ZFSH/SGB 2009, 526 (538ff.); v. Mutius/v. Mutius, KommJur 2008, 201 (202).
48
Schwendy, TuP 2008, 204 (210f.).
49
Scheele/Weise, Das Kooperative Jobcenter, Vorschlag zu Eckpunkten, Stand:
23.04.2008,
http://www.bmas.de/portal/24446/property=pdf/2008__02__12__kooperative
__jobcenter.pdf
vom 28.05.2011, S. 1f.; Scholz, in: Stiftung Marktwirtschaft, Tagungsbe-
richt vom 22.04.2008, Berlin, S. 5.

9
nehmen, was einen Rückschritt hinsichtlich der Hilfe aus einer Hand
50
und einen Ausbau der zentralistischen und engmaschigen Steuerung
bedeutet hätte. Infolge dessen wäre kaum Raum für lokale Entschei-
dungsvielfalt geblieben.
51
Insbesondere die Selbstbeschränkung der
Träger und die daraus resultierende Nichtwahrnehmung der eigenen
Verantwortung hätten zudem erneut verfassungsrechtliche Fragen, ins-
besondere mit Blick auf die in Art. 28 Abs. 2 GG geschützte eigenver-
antwortliche Aufgabenwahrnehmung des kommunalen Trägers
52
, auf-
geworfen.
53
Die kooperativen Jobcenter sind damit zu Recht am Wider-
stand der Länder gescheitert.
54
Als Reaktion auf die ablehnende Haltung der Länder zum Modell der
kooperativen Jobcenter legte das BMAS auf der Grundlage eines ein-
stimmigen Beschlusses der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der
Länder vom 14.07.2008
55
im September 2008 den Entwurf einer GG-
Änderung zur Legalisierung der Mischverwaltung in Form von Zentren
für Arbeit und Grundsicherung (ZAG) vor.
56
Durch die Aufnahme des
Art. 86a in das Grundgesetz sollte die bewährte Zusammenarbeit in den
ARGEn und damit die Leistung aus einer Hand fortgesetzt werden. Mit
den ZAG sollten die bisherigen ARGE-Strukturen im Rahmen eines wei-
terentwickelten Modells
57
beibehalten werden. Darüber hinaus war eine
Entfristung der zkT vorgesehen.
58
Die ZAG scheiterten jedoch im März
2009 überraschend auf politischer Ebene an der CDU/CSU-Fraktion.
59
Begründet wurde dies mit den vom BVerfG angemahnten Verstößen
gegen das Demokratieprinzip, denen nach Auffassung der CDU/CSU-
Fraktion die ZAG keine Rechnung getragen haben.
60
Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und
FDP 2009 für die 17. Legislaturperiode sollte nunmehr von einer grund-
sätzlich getrennten Aufgabenwahrnehmung ausgegangen, gleichzeitig
aber eine Zusammenarbeit der Träger auf freiwilliger Basis im Rahmen
50
Luthe, SGb 2010, 121 (128).
51
Schwendy, TuP 2008, 204 (207).
52
BVerfGE 119, 331, 362. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zu B.II. verwiesen.
53
Ebenso: Wahrendorf/Karmanski, NZS 2008, 281 (284); Luthe, SGb 2010, 121 (129).
54
So auch: Dyllick/Lorincz/ Neubauer, DVBl. 2011, 15 (16).
55
Nakielski, SoSi 2010, 165 (167).
56
Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 86a),
Stand: 13.02.2009.
57
Weiterentwicklung bspw. bzgl. klarer Zuordnung von Aufsichtsrechten und Steue-
rungsmöglichkeiten sowie Klärung bislang strittiger personalrechtlicher Fragen.
58
Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Regelung der gemeinsamen Aufgabenwahr-
nehmung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand: 13.02.2009, S. 3, 30ff.
59
Rasche Jobcenter-Reform gescheitert, in: Schwäbische Zeitung Online, 17.03.2009
um 17:05.
60
Knigge, ZFSH/SGB 2009, 526 (530).

10
von Kooperationsvereinbarungen vorgesehen werden.
61
Vorteil dieses
Modells wäre gewesen, dass hierfür weder die Verfassung noch die Fi-
nanzbeziehungen hätten geändert werden müssen.
62
Dies vermochte
jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass statt belastbarer und zu-
kunftsfähiger Organisationsstrukturen Doppelstrukturen und geringe
lokale Gestaltungsspielräume geschaffen worden wären. Das hätte nicht
nur den Abschied von einer ganzheitlichen Betreuung der Hilfebedürfti-
gen, sondern auch das Wiederbeleben des vor der Gründung der AR-
GEn kritisierten Nebeneinander von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
bedeutet.
63
Darüber hinaus war durch die angestrebte enge Zusammen-
arbeit wenn auch auf freiwilliger Basis erneut die Gefahr einer unzu-
lässigen Mischverwaltung gegeben.
64
Auch dieser Vorstoß der Bundes-
regierung scheiterte an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates.
65
Damit waren zwei von drei Jahren, die das BVerfG dem Gesetzgeber
Zeit für eine neue Regelung gegeben hatte, verstrichen, ohne dass eine
konsensfähige Organisationsform in Aussicht stand.
61
Arbeitsentwurf für ein Gesetz zur Einführung der eigenverantwortlichen und kooperati-
ven Aufgabenwahrnehmung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand:
25.01.2010, S. 22f.
62
Henneke, Der Landkreis 2009, 603.
63
So auch: Mempel, ArchSozArb 2008, 115 (120).
64
Ebenso: Henneke, Der Landkreis 2009, 603 (606).
65
Dyllick/Lorincz/ Neubauer, DVBl. 2011, 15 (17).

11
C. Neuorganisation der Zusammenarbeit
I. Eine neue Form der Zusammenarbeit im Grundgesetz
Im Hinblick auf den stetig näher rückenden 31.12.2010 und den nun-
mehr unaufschiebbaren Handlungsbedarf des Bundesgesetzgebers bil-
dete sich eine interfraktionelle Arbeitsgruppe aus Vertretern des BMAS,
der politischen Parteien sowie der Länder, um ein konsensfähiges Mo-
dell zu erarbeiten.
66
Inhalt des in der Arbeitsgruppe erzielten Kompro-
misses war die Implementierung von Art. 91e in das GG, die im Mai
2010 Einzug in den Bundestag hielt.
67
Mit der Aufnahme von Art. 91e in
das GG wurde die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung von Bund,
Ländern und Kommunen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende legalisiert.
68
Damit war das Ziel einer langen, von zahlreichen,
höchst kontroversen Diskussionen begleiteten Reise erreicht.
1. Stellung im Grundgesetz
Diese neue Form der Zusammenarbeit findet sich im Abschnitt VIII
Buchstabe a des GG zu Regelungen über Gemeinschaftsaufgaben und
Verwaltungszusammenarbeit wieder. Trotz seines kooperativen Charak-
ters in Abs. 1, der durch die alleinige kommunale Aufgabenwahrneh-
mung in Abs. 2 ein Stück weit nivelliert wird, erscheint die Legalisierung
der bereits bestehenden Zusammenarbeit im SGB II wie ein Fremdkör-
per in diesem Teil des GG.
69
Mit Blick auf die Verpflichtung zur Zusam-
menarbeit unterscheidet sich Art. 91e Abs. 1 GG deutlich von den Art.
91b-d GG, die eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern lediglich
ermöglichen, jedoch nicht verbindlich vorschreiben. Auch wenn Art. 91e
GG dadurch der echten Gemeinschaftsaufgabe nach Art. 91a GG nahe-
kommt, unterscheiden sie sich wesentlich darin, dass Art. 91a GG die
Bereiche der Zusammenarbeit vorgibt, während Art. 91e GG eine bereits
bestehende Zusammenarbeit nachträglich legalisiert. Zudem lässt Art.
91e Abs. 2 GG eine alleinige Aufgabenwahrnehmung des kommunalen
Trägers zu, was gerade einer Zusammenarbeit entgegensteht. Vor die-
sem Hintergrund vermag Art. 91e GG auch Art. 91a GG inhaltlich nicht
zu erreichen. Insgesamt wäre eine Implementierung im Abschnitt über
die Ausführung der Bundesgesetze und der Bundesverwaltung gem. Art.
66
Dyllick/Lorincz/ Neubauer, DVBl. 2011, 15 (17).
67
BT-Drs. 17/1554; BT-Drs. 17/1555.
68
BR-Drs. 186/10, S. 2; BT-Drs. 17/1554, S. 4.
69
Hermes, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Art. 91e, Rn. 56.

12
83ff., wie es mit Art. 86a GG im Rahmen der 2008/2009 gescheiterten
GG-Änderung beabsichtigt war, naheliegender gewesen.
70
Gegenüber den Regelungen der Art. 83ff. GG stellt Art. 91e GG vor dem
Hintergrund der Legalisierung der Mischverwaltung im Bereich des SGB
II eine speziellere Vorschrift dar, weswegen Erstere von Art. 91e GG
verdrängt werden.
71
Der Gesetzgeber verfügt demzufolge im Rahmen
des Art. 91e Abs. 3 GG über einen größeren Gestaltungsspielraum, was
die Ausgestaltung bspw. der Organisation, Aufsicht und Zielvereinba-
rungen angeht.
72
2. Gemeinsame Einrichtung als Regelfall nach Art. 91e Abs. 1 GG
Im Mittelpunkt des neu geschaffenen Art. 91e GG steht die in Abs. 1
geregelte Verpflichtung zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern
oder der nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindever-
bände in den gE als Regelorganisationsform für die Aufgabenwahrneh-
mung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
73
Der Bezug auf die
Grundsicherung für Arbeitsuchende ist lediglich als äußeren Rahmen zu
sehen. Inhaltliche Änderungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
wirken sich auf den Umfang des Zusammenwirkens in den gE aus.
74
So
erweitern die neuen Leistungen für Bildung und Teilhabe gem. §§ 28,
29
75
auch den Umfang der Zusammenarbeit in den gE.
Eine Abweichung von der gE als Regelorganisationsform ist nur vor dem
Hintergrund der alleinigen kommunalen Aufgabenwahrnehmung nach
Art. 91e Abs. 2 GG zulässig, sodass eine getrennte Aufgabenwahrneh-
mung in Zukunft nicht mehr möglich ist.
76
Dies ist vor dem Hintergrund
der damit einhergegangenen Doppelstrukturen und Schnittstellenprob-
leme zu begrüßen.
77
Indem Art. 91e Abs. 1 GG Bund und Länder bzw. die nach Landesrecht
zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände anspricht, eröffnet er
ihnen einen weiten Handlungsspielraum, was die organisationsrechtliche
Ausgestaltung der jeweiligen Verwaltung angeht. Der Verweis auf die
Länder ist mit Blick auf die im Rahmen des Art. 28 Abs. 1 GG garantierte
70
Volkmann, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 91e, Rn. 4, 7.
71
Ebenso: Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (377); Volkmann, a.a.O., Rn. 4.; a.A.,
wonach in Bezug auf Art. 84 nur der Abs. 1 verdrängt wird - Hermes, a.a.O., Rn. 29f, 56.
72
BR-Drs. 186/10, S. 5; BT-Drs. 17/1554, S. 5.
73
Volkmann, a.a.O., Rn. 7; kritisch hierzu: Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (381f.).
74
Volkmann, a.a.O., Rn. 6.
75
Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453, 469f.).
76
BT-Drs. 17/1554, S. 4; BT-Drs. 17/1555, S. 23.
77
Ebenso: Mempel, ArchSozArb 2008, 115 (120).

13
Verfassungsautonomie der Länder zu sehen. Die Erwähnung der nach
Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände stellt
aufgrund der gegenüber Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG spezielleren Norm des
Art. 91e Abs. 1 GG
78
eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der
unmittelbaren bundesgesetzlichen Aufgabenübertragung auf die kom-
munale Ebene dar. Damit ist auch die Übertragung weiterer Aufgaben
auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf die kommu-
nalen Träger im Rahmen von zukünftigen Änderungen des SGB II zu-
lässig
79
, gleichzeitig aber auch hierauf beschränkt.
80
Die gE stellt eine echte Mischbehörde aus Bundes- und Landesbehörde
dar
81
und gewährleistet durch ein Mindestmaß an arbeitsteiliger und
koordinierender Aufgabenwahrnehmung die bewährte Erbringung der
Leistung aus einer Hand auch über das Jahr 2010 hinaus. Ziel ist es,
eine einheitliche und kundenorientierte Dienstleistung zu ermöglichen.
82
Dabei steht dem Gesetzgeber bei der näheren Ausgestaltung nach Art.
91e Abs. 3 GG ein großer Handlungsspielraum zur Verfügung
83
, der nur
durch die Verfassung selbst eine Begrenzung erfährt. So stehen grund-
sätzlich alle Bestimmungen des GG auf gleicher Stufe und werden infol-
ge dessen nicht aneinander gemessen. Eine Ausnahme besteht jedoch
nach Art. 79 Abs. 3 GG bei Änderungen des GG, durch die insbesonde-
re die in Art. 20 GG festgelegten Grundsätze berührt werden.
84
Mit Blick
auf das Urteil des BVerfG vom 20.12.2007 ist Art. 91e Abs. 1 GG insbe-
sondere mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip im Wege einer
Abwägung zu harmonisieren. Dies erfolgt vorrangig im Rahmen der nä-
heren Ausgestaltung nach Art. 91e Abs. 3 GG durch den einfachen Ge-
setzgebers, dem es obliegt, der gE eine verfassungsfeste Kontur zu
geben. Dieser hat ebenso die zwingenden Vorschriften des Grundgeset-
zes
85
sowie den Grundsatz der Einheit der Verfassung und das hieraus
resultierende Prinzip der praktischen Konkordanz zu beachten.
86
Soweit das Bundesausführungsgesetz zu Art. 91e Abs. 1 GG nichts an-
deres bestimmt, tragen Bund und Länder die ihnen durch die Wahrneh-
78
Volkmann, a.a.O., Rn. 4.; Hermes, a.a.O., Rn. 29f, 56.
79
BR-Drs. 186/10, S. 7; BT-Drs. 17/1554, S. 4. Diesbezüglich sind auch an die Leistungen
für Bildung und Teilhabe gem. §§ 28, 29 zu denken.
80
Damit scheidet bspw. in der aktuellen Diskussion eine Übertragung der Bildungs- und
Teilhabefälle nach § 6b Bundeskindergeldgesetz auf die gE aus.
81
Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 6.
82
BR-Drs. 186/10, S. 6; BT-Drs. 17/1554, S. 4; ebenso: Hermes, a.a.O., Rn. 23; Luthe,
SGb 2011, 131 (132); Wendtland, in: Gagel, SGB II, § 44b, Rn. 19.
83
Volkmann, a.a.O., Rn. 7.
84
Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (443).
85
Volkmann, a.a.O., Rn. 7.
86
Hermes, a.a.O., Rn. 35f.

14
mung der zugewiesenen Aufgaben entstandenen Aufwendungen nach
Art. 104a Abs. 1 GG gesondert jeder für sich.
87
Was die Verwaltungs-
kosten der gE angeht, so findet Art. 104a Abs. 5 S. 1 GG keine Anwen-
dung, da die gE weder eine Behörde des Bundes noch des Landes dar-
stellt. Von daher ist in das Bundesausführungsgesetz gem.
Art. 91e Abs. 3 GG eine Regelung aufzunehmen, wie sich die Verwal-
tungskosten der gE auf Bund und Länder verteilen.
88
3. Zugelassene kommunale Träger als Ausnahme vom Regelfall
Als Ausnahme zur Regelorganisationsform der gE nach Abs. 1 kann der
Bund nach Art. 91e Abs. 2 GG eine begrenzte Anzahl von Gemeinden
und Gemeindeverbänden zulassen, die sämtliche Aufgaben nach dem
SGB II alleine wahrnehmen. Auf der Basis von Abs. 2 ist es folglich
möglich, die zum 01.01.2005 zkT zu verstetigen und um eine begrenzte
Anzahl zu erweitern.
89
Dies ist aus zweierlei Gründen möglich gewesen:
zum einen erfolgt die Zulassung nur auf Antrag der Gemeinden und
Gemeindeverbände, was den Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 GG
entspricht, wonach eine Aufgabenübertragung gegen den kommunalen
Willen einen Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie darstellen würde.
90
Zum anderen treten die Regelungen der Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG und Art.
85 Abs. 1 S. 2 GG im Wege der Spezialität von Art. 91e GG zurück
91
,
sodass das Verbot einer bundesgesetzlichen Aufgabenübertragung
nicht greift.
Eine zahlenmäßige Begrenzung ist dem Wortlaut des Art. 91e Abs. 2
GG nicht zu entnehmen. Der Verfassungsgeber hat es vielmehr damit
bewenden lassen, seinen Vorstellungen im Rahmen der Begründung
Ausdruck zu verleihen.
92
Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet soll
danach die Anzahl der zkT höchstens ein Vierteil der Aufgabenträger
betragen.
93
Warum der Verfassungsgeber seinen in diesem Zusammen-
hang offensichtlich konkreten Vorstellungen nicht in Art. 91e Abs. 2 GG
selbst Ausdruck verliehen und damit Rechtsunsicherheiten Haus und
Hof geöffnet hat, bleibt unklar. Im Hinblick darauf verwundert es nicht,
87
So auch Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (375).
88
Volkmann, a.a.O., Rn. 8. Insofern wird auf die Ausführungen unter C.II. verwiesen.
89
BR-Drs. 186/10, S. 7; BT-Drs. 17/1554, S. 4.
90
Hermes, a.a.O., Rn. 43.
91
Insofern wird auf die Ausführungen unter C.I.1. verwiesen.
92
BR-Drs. 186/10, S. 7; BT-Drs. 17/1554, S. 4; BT-Drs. 17/2192, S. 2. Dies ist nicht
lediglich als politische Absichtserklärung zu werten, sondern im Rahmen des Bundes-
ausführungsgesetzes nach Art. 91e Abs. 3 GG zu beachten a.A.: Henneke, Der Land-
kreis 2010, 371 (378).
93
Von derzeit 439 kommunalen Trägern können somit insgesamt bis zu 110 Zulassun-
gen nach Art. 91e Abs. 2 GG i.V.m. § 6a SGB II erfolgen.

15
dass die Auslegung des Begriffs der begrenzten Anzahl unterschiedlich
ausfällt. Während die Bundesregierung stets für eine Begrenzung auf
höchstens ein Viertel der Aufgabenträger plädiert hat, sieht insbesonde-
re der kommunale Raum das Regel-Ausnahme-Verhältnis auch dann
noch gewahrt, wenn bundesweit bis knapp die Hälfte der Aufgabenträ-
ger optiert.
94
Letzterem ist indes nicht zu folgen, da der Verfassungsge-
ber durch Art. 91e Abs. 1 GG zum Ausdruck gebracht hat, dass die gE
als gemeinsame Aufgabenwahrnehmung den Regelfall darstellen und
nur ausnahmsweise eine alleinige kommunale Trägerschaft nach Art.
91e Abs. 2 GG in Betracht kommen soll. Das Regel-Ausnahme-
Verhältnis wäre gerade nicht mehr erfüllt, wenn infolge einer Ausweitung
der zkT auf knapp die Hälfte aller kommunalen Träger zwei zahlenmäßig
fast gleichwertige Organisationsformen nebeneinander stehen. Sowohl
das Verhältnis von Art. 91e Abs. 1 und 2 GG zueinander als auch der in
die Begründung Einzug gehaltene Wille des Verfassungsgebers spre-
chen für eine derartige Auslegung. Vor diesem Hintergrund wird das von
der Bundesregierung favorisierte Verhältnis von höchstens ein Viertel
dem eher gerecht.
95
. Die konkrete Anzahl der zkT ist im Zuge des Bun-
desausführungsgesetzes nach Art. 91e Abs. 3 GG zu regeln, wobei dem
einfachen Gesetzgeber der o.g. Rahmen vorgegeben ist.
96
Dabei bleibt
es dem einfachen Gesetzgeber unbenommen, eine geringere Anzahl als
ein Viertel der Aufgabenträger als Optionskommune zuzulassen, da in-
sofern nur eine Höchstgrenze vorgegeben ist. Mit Blick auf den erklärten
Willen des Verfassungsgebers für die Verstetigung und Erweiterung der
alleinigen Aufgabenwahrnehmung nach Abs. 2
97
wenn auch nur als
Ausnahme gegenüber Abs. 1 im Wege einer Kann-Regelung , dürfte
der einfache Gesetzgeber jedoch nicht befugt sein, diese Möglichkeit im
Rahmen des Bundesausführungsgesetzes vollständig aufzuheben.
98
Im Hinblick auf die Zulassungskriterien setzt Art. 91e Abs. 2 GG lediglich
einen Antrag der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die Zu-
stimmung der obersten Landesbehörde voraus. Ansonsten eröffnet sich
dem einfachen Gesetzgeber in diesem Zusammenhang ein weiter Hand-
lungsspielraum.
99
94
Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (379).
95
A.A.: Hermes, a.a.O., Rn. 42, der die Festlegung einer bestimmten Anzahl für willkür-
lich hält und eine verfassungskonforme Auslegung nur dann erfüllt sieht, wenn alle
Kommunen, die die Zulassungskriterien erfüllen, zugelassen werden.
96
So auch: Volkmann, a.a.O., Rn. 10.
97
BR-Drs. 186/10, S. 9; BT-Drs. 17/1554, S. 5.
98
A.A.: Volkmann, a.a.O., Rn. 10; Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (379).
99
BR-Drs. 186/10, S. 9f.; BT-Drs. 17/1554, S. 5.

16
Im Gegensatz zu Abs. 1 bestimmt Abs. 2, dass der Bund die notwendi-
gen Ausgaben einschließlich Verwaltungsausgaben trägt, soweit die
Aufgaben bei einer Ausführung von Gesetzen nach Abs. 1 von ihm
wahrzunehmen wären. Dies umfasst auch eine Anschubfinanzierung für
einmalige bei neu zugelassenen Optionskommunen anfallende An-
laufkosten.
100
Durch diese Regelung werden die Vorschriften der
Art. 104a ff. GG verdrängt. Für den Bereich der zkT stellt sie eine Aus-
nahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit von direkten Finanzströmen
zwischen Bund und Kommunen dar.
101
4. Nähere Ausgestaltung nach Art. 91e Abs. 3 GG
Die nähere Ausgestaltung erfolgt gem. Art. 91e Abs. 3 GG durch ein
Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Dies ist
mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsiche-
rung für Arbeitsuchende vom 03.08.2010 und einer damit einhergehen-
den Änderung des SGB II
102
geschehen. Der einfache Bundesgesetzge-
ber ist in seiner Ausgestaltung nur insoweit eingeschränkt, als er die
Vorgaben der Verfassung zu beachten hat.
103
Danach ist es dem einfa-
chen Gesetzgeber bspw. verwehrt, die Aufgaben der Grundsicherung für
Arbeitsuchende im Rahmen einer anderen Regelorganisationsform als
der gE wahrnehmen zu lassen, selbst dann, wenn die Rahmenbedin-
gungen eine Änderung erforderlich machen würden.
104
Im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 03.08.2010 sind insbesondere
die Regelungen zur Verstetigung und Zulassung von Optionskommunen
nach §§ 6a, 6b, zur Zusammenarbeit in verschiedenen Gremien nach §§
18b ff., zur Aufgabenwahrnehmung in gE nach §§ 44b ff. sowie zur Aus-
gestaltung der Aufsicht und des Zielvereinbarungssystems gem. §§ 47ff.
hervorzuheben.
100
Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (381).
101
BR-Drs. 186/10, S. 9f.; BT-Drs. 17/1554, S. 5.
102
BGBl. I 1112.
103
Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zu C.I.2. verwiesen.
104
Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (382); Zieglmeier, KommJur 2010, 441 (442).

17
Abbildung 2: Überblick über die Organisationsstruktur im SGB II
Dabei bildet § 44b den Mittelpunkt der Neuorganisation. Dieser verpflich-
tet die Träger in Abs. 1 zur Bildung einer gE, es sei denn, dass der
kommunale Träger die Aufgaben im Rahmen der §§ 6a, 6b als zkT
wahrnimmt. Die gE und die zkT führen gem. § 6d einheitlich die Be-
zeichnung Jobcenter.
Im Bereich der Leistungserbringung der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz
gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG inne.
105
Im Gegensatz dazu obliegt dem
Bund im Rahmen der Regelungen zur Organisation der Grundsicherung
105
Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, Art. 74, Rn. 59; Seiler, in:
Epping/Hillgruber, GG, Art. 74, Rn. 24.
Bund-Länder-
Ausschuss
Kooperations-
ausschuss
Gemeinsame Einrichtung
BA
kommunaler
Träger
Besondere Einrichtung
zugelassener kommunaler Träger
BMAS
zoL
zoL
BMAS
Örtlicher Beirat
BMAS + zoL

18
für Arbeitsuchende nach Art. 91e Abs. 3 GG die ausschließliche Ge-
setzgebungskompetenz.
106
Gem. Art. 71 GG steht den Ländern im
Rahmen einer ausschließlichen Bundesgesetzgebungskompetenz nur
dann eine Gesetzgebungskompetenz zu, wenn sie in einem Bundesge-
setz ausdrücklich hierzu ermächtigt werden. Damit entfaltet die aus-
schließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes unabhängig da-
von, ob der Bund hiervon Gebrauch gemacht hat grundsätzlich eine
Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Länder.
107
Das Gesetz zur Wei-
terentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende
und infolgedessen das SGB II enthalten keine Ermächtigung für die
Länder. Einzig in § 6 Abs. 3 werden die Stadtstaaten ermächtigt, die dort
genannten Vorschriften dem besonderen Verwaltungsaufbau anzupas-
sen. Danach hätten die Länder in Bezug auf Art. 91e GG keine darüber
hinausgehende Gesetzgebungskompetenz.
108
Umstritten ist jedoch, ob auch Landesverfassungsrecht von der Sperr-
wirkung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes
betroffen ist. Dagegen spricht insbesondere der Umstand, dass die
Sperrwirkung mit Blick auf Art. 28 Abs. 1 GG zu einer Aushöhlung der
darin garantierten Verfassungshoheit der Länder führen würde.
109
Im
Rahmen des SGB II betrifft dies Regelungen in Bezug auf die kommuna-
len Träger, die wegen des zweistufigen Staatsaufbaus zu den Län-
dern gehören.
110
Um einen Konflikt mit Art. 28 Abs. 1 GG zu verhindern,
ist es geboten, die Sperrwirkung der ausschließlichen Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes in diesem Zusammenhang außer Kraft zu set-
zen und den Ländern eine diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz
einzuräumen. Für diese Auffassung spricht auch die Begründung zu
§§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 1, wonach Zuständigkeit sowie Art und Umfang
der Aufsicht durch Landesrecht geregelt werden und landesrechtliche
Regelungen zur Aufsicht im Übrigen unberührt bleiben sollen.
111
Die
Ausgestaltung der Länderaufsicht über die kommunalen Träger unterfällt
der in Art. 28 Abs. 1 GG garantierten Verfassungshoheit der Länder
112
,
106
Volkmann, a.a.O., Rn. 12; Finkelnburg, Rechtliche Erläuterung und Bewertung der
Möglichkeiten des Landes Berlin, e
n-
desagentur zu vereinbaren, 28.06.2010, Anhang 1, S. 78:
107
Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 71, Rn. 1; Seiler, a.a.O., Art. 71,
Rn. 1; Uhle, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 71, Rn. 34.
108
Finkelnburg, a.a.O., S. 78.
109
Heintzen, a.a.O., Rn. 23f.; ähnlich: Sacksofsy, NVwZ 1993, 235 (239); differenziert:
Uhle, a.a.O., Rn. 39.
110
BVerfGE 39, 96, 109; 119, 331, 364; Cornils, ZG 2008, 184 (201).
111
BR-Drs. 226/10, S. 47; BT-Drs. 17/1555, S. 29f.
112
Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 28, Rn. 3.

19
womit die Aufrechterhaltung der Sperrwirkung zu dem o.g. Spannungs-
verhältnis führen könnte. Der Bundesgesetzgeber geht mit Blick auf die
Begründung zu §§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 1 offenbar ebenfalls von einer
wenn auch beschränkten Gesetzgebungskompetenz der Länder im
Zusammenhang mit Art. 91e GG aus. Dass auch die Länder zumindest
teilweise hiervon ausgehen, zeigt § 3 Abs. 1 AG-SGB II NRW, wonach
die zkT zur Erfüllung der ihnen nach dem SGB II obliegenden Aufgaben
eine Anstalt des öffentlichen Rechts errichten können. Das SGB II
schweigt an dieser Stelle. Das BMAS, das bisher gegen diese Regelung
keine Bedenken geltend gemacht hat, scheint den Ländern diesbezüg-
lich ebenfalls eine Gesetzgebungskompetenz zuzugestehen, vorausge-
setzt, die landesrechtlichen Regelungen stehen nicht im Widerspruch zu
der in Art. 91e GG geregelten Organisation.
Eine darüber hinausgehende Gesetzgebungskompetenz der Länder ist
mit Blick auf die Sperrwirkung der ausschließlichen Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes zu verneinen. Dies betrifft auch die Fälle, in de-
nen der Bundesgesetzgeber zu bestimmten Teilbereichen keine Rege-
lung getroffen hat und auch durch Auslegung keine eindeutige Antwort
auf die offenen Fragen möglich ist.
113
113
Uhle, a.a.O., Rn. 33.

20
II. Grundstruktur der Zusammenarbeit in gemeinsamen
Einrichtungen
Gem. § 44b Abs. 1 S. 1 bilden die Träger zur einheitlichen Durchführung
der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Gebiet eines kommunalen
Trägers eine gE. Im Gegensatz zu § 44b Abs. 1 a.F. wird sowohl die
Errichtung der gE als auch das Führen der Bezeichnung Jobcenter
nunmehr verbindlich vorgeschrieben. Eine Vereinbarung zwischen den
Trägern zur Errichtung der gE und zur Übertragung der Aufgaben bedarf
es demnach nicht mehr.
114
Die gE hat zwei durch §§ 44c, 44d verbind-
lich vorgegebene Organe: die Trägerversammlung und den Geschäfts-
führer. Der nach § 18d S. 1 einzurichtende örtliche Beirat, in dem bspw.
Wohlfahrtsverbände, Arbeitgeber und Gewerkschaften vertreten sind,
berät das Jobcenter in Fragen der Auswahl und Gestaltung der Einglie-
derungsinstrumente und -maßnahmen.
Grundsätzlich tragen Bund und kommunale Träger die Aufwendungen
für die ihnen obliegenden Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende einschließlich der damit verbundenen Verwaltungskosten
selbst.
115
Hiervon hat der Gesetzgeber Ausnahmen bestimmt. So sieht
114
Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 6; Wendtland, a.a.O., Rn. 24.
115
BR-Drs. 226/10, S. 46; BT-Drs. 17/1555, S. 29.
berät
Geschäftsführer
Trägerversammlung
BA
kommunaler
Träger
Gemeinsame Einrichtung
bestellt
Örtlicher Beirat
Weisung srecht
Abbildung 3: Grundstruktur der gemeinsamen Einrichtung

21
§ 46 Abs. 5 für die Kosten der Unterkunft eine landesabhängige finanzi-
elle Beteiligung des Bundes vor. Damit sollen die kommunalen Träger,
denen diese kostenträchtige Aufgabe nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zuge-
ordnet ist, entlastet werden.
116
An den Gesamtverwaltungskosten der gE
beteiligt sich der Bund pauschal mit 84,8 v.H., für den kommunalen Trä-
ger verbleibt damit ein kommunaler Finanzierungsanteil in Höhe von
15,2 v.H.
1. Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung
Die gE ist unabhängig von der gewählten Rechtsform Behörde i.S. des
§ 1 Abs. 2 SGB X
117
und gem. § 44b Abs. 1 S. 3 befugt, Verwaltungsak-
te und Widerspruchsbescheide im eigenen Namen zu erlassen. Somit
weist die gE eine eigene Rechtsfähigkeit auf.
118
a) Verhältnis der Träger zu der gemeinsamen Einrichtung
Die Träger übertragen der gE kraft Gesetzes die Wahrnehmung der
ihnen nach § 6 Abs. 1 S. 1 zugewiesenen Aufgaben. Auf Beschluss
der Trägerversammlung kann die Wahrnehmung von Aufgaben
rechtsgeschäftlich wieder auf die Träger übertragen werden, wenn
eine Wahrnehmung durch die gE nicht zweckmäßig erscheint. Als
solche kommen bspw. die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen,
Ausbildungsstellenvermittlung und der Forderungseinzug Betracht.
119
Mit Blick auf die grundsätzlich einheitliche Aufgabenwahrnehmung in
der gE ist jedoch nur die Übertragung der Wahrnehmung einzelner
Aufgaben zulässig. Die Übertragung der Wahrnehmung von wesentli-
chen Aufgaben würde die als Regelfall vorgesehene Aufgabenwahr-
nehmung in den gE nach § 44b Abs. 1 untergraben und damit dem
Willen der Verfassung in Art. 91e Abs. 1 GG widersprechen.
120
Eine Eigenschaft als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
wird für die gE dadurch nicht begründet, vielmehr bleibt die Träger-
schaft nach § 6 unberührt.
121
Vor diesem Hintergrund ist auch die
Regelung des § 44b Abs. 3 zu sehen, wonach die Träger für die
rechtmäßige und zweckmäßige Aufgabenerfüllung verantwortlich
bleiben und ihnen hierfür ein umfassendes Auskunfts- und Prüfungs-
recht an die Hand gegeben wird. Im Aufgabenbereich nach § 6 Abs. 1
116
Volkmann, a.a.O., Rn. 8.
117
Luthe, SGb 2011, 131 (135); Wendtland, a.a.O., Rn. 26.
118
Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 14.
119
BT-Drs. 17/1555, S. 24.
120
Ebenso: Luthe, SGb 2011, 131 (138).
121
BR-Drs. 226/10, S. 36; BT-Drs. 17/1555, S. 23.

22
S. 1 sind die Träger gegenüber der gE abgesehen vom Zuständig-
keitsbereich der Trägerversammlung nach § 44c darüber hinaus
weisungsberechtigt. Der Ausschluss des Weisungsrechts im Aufga-
benbereich der Trägerversammlung begründet sich mit dem Zustän-
digkeitsbereich der Trägerversammlung, der Angelegenheiten um-
fasst, die regelmäßig beide Träger berühren.
122
Bei Weisungen von
grundsätzlicher Bedeutung haben die Träger den auf Landesebene
eingerichteten Kooperationsausschuss nach § 18b vorher zu beteili-
gen. Eine Aussage dazu, wann eine Weisung grundsätzliche Bedeu-
tung hat, enthält das SGB II nicht. Eine solche dürfte jedoch dann zu
bejahen sein, wenn die Weisung den Zuständigkeitsbereich des je-
weils anderen Trägers und nicht nur unerheblich dessen Aufgabenin-
halte berührt.
123
Bei Meinungsverschiedenheiten über Weisungszu-
ständigkeiten kann gem. § 44e der Kooperationsausschuss angeru-
fen werden.
124
b) Rechtsform
Fraglich ist, in welcher Rechtsform die gE ausgestaltet werden kann.
Weder Art. 91e GG
125
noch das SGB II
126
treffen hierzu eine Aussa-
ge. Damit wird an die unklaren Verhältnisse vor der Neuorganisation
angeknüpft und die Chance auf eine klare Regelung vertan.
127
Die
Frage bleibt, welche Rechtsformen für gE zulässig sind.
Eine öffentliche-rechtliche Ausgestaltung vorrangig als öffentlich-
rechtliche Gesellschaft sui generis ist nach einhelliger Auffassung
unstreitig zulässig.
128
Es ist jedoch umstritten, ob weitere öffentlich-
rechtliche Organisationsformen, insbesondere die rechtsfähige An-
stalt des öffentlichen Rechts, möglich sind.
129
Dafür würde der Um-
stand sprechen, dass in § 1 Abs. 1 S. ZAG-Organisationsgesetz die
gE als Anstalt des öffentlichen Rechts ausgestaltet werden sollte und
122
BR-Drs. 226/10, S. 37; BT-Drs. 17/1555, S. 24.
123
Ebenso: Luthe, SGb 2011, 131 (138).
124
Insofern wird auf die Ausführungen zu C.VI.1. verwiesen.
125
Volkmann, a.a.O., Rn. 7.
126
Das gescheiterte ZAG-Organisationsgesetz sah in § 1 Abs. 1 S. 1 dagegen eine
Ausgestaltung als Anstalt des öffentlichen Rechts vor - BT-Drs. 17/181, S. 3.
127
So auch: Deutscher Landkreistag, Überlegungen zur Organisation der gemeinsamen
Einrichtung mit Blick auf Dienst-, Personal- und Arbeitsrecht,
http://www.loccum.de/
material/arbeit/sgbii/dlt2.pdf
, S. 4f.; Volkmann, a.a.O., Rn. 7.
128
Prozesshandbuch der BA vom 22.09.2010,
http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-
Content/HEGA-Internet/A07-Geldleistung/Dokument/GA-SGB-II-NR-33-2010-09-24-
Anlage-1.pdf
am 10.05.2011, S. 21; Wendtland, a.a.O., Rn. 31ff. So auch bereits in
Bezug auf die ARGE: Schweiger, NZS 2008, 247; bejahend, aber ohne Rechtsfähigkeit:
Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44b, Rn. 10, 14; Ruge/Vorholz, DVBl. 2005, 403
(412f.).
129
bejahend: Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 9; Wendtland, a.a.O., Rn. 32.

23
die letztlich vorgenommen Änderungen des SGB II im Zuge der Neu-
organisation dem nicht entgegenstehen.
Fraglich ist weiterhin, ob neben einer öffentlich-rechtlichen auch eine
privatrechtliche Organisationsform zulässig ist. Hinweise darauf könn-
ten sich aus historischer Sicht ergeben. Art. 91e GG hat die Legalisie-
rung der ARGEn nach § 44b a.F. zum Gegenstand
130
, was den
Schluss nahe legt, dass soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt
ist die ARGE in ihrer gesamten Ausgestaltung und damit auch hin-
sichtlich der Organisationsformen verfassungsfest gemacht werden
sollte.
131
Die Zulässigkeit von privaten Rechtsformen bestimmte sich
aufgrund regelmäßig fehlender Regelungen in den AG-SGB II an-
hand des jeweiligen Kommunalrechts.
132
Hiernach waren insbesonde-
re die GmbH
133
und GbR
134
zulässig.
Unter Maßgabe der bundes-
und landesrechtlichen Bestimmungen oblag die weitere Ausgestal-
tung und Organisation der ARGE den Trägern.
135
Mit den Regelungen im SGB II zur gE werden die grundlegenden
Entscheidungen über die Organisationsstruktur, Organe, Aufgaben
und Befugnisse der gE getroffen. Die Ausfüllung dieses Rahmens ob-
liegt ausdrücklich den Trägern, die diesbezüglich den regionalen Be-
sonderheiten Rechnung tragen sollen.
136
Überwiegend wird die Auf-
fassung vertreten, dass die gE öffentlich-rechtlicher Natur und damit
eine private Rechtsform ausgeschlossen sei.
137
Der Wortlaut des
§ 44b hilft an dieser Stelle nicht weiter, da nach diesem weder öffent-
lich-rechtliche noch private Rechtsformen explizit (un-)zulässig sind.
Für die o.g. Auffassung könnte jedoch sprechen, dass gem. § 44h ei-
ne Personalvertretung und gerade kein Betriebsrat vorgesehen ist.
138
Dies ist jedoch zu kurz gegriffen. Die Einführung dieser Regelung ist
vor dem Hintergrund zu sehen, dass vor der Neuorganisation die
Frage der Interessenvertretung in den ARGEn unterschiedlich beant-
130
BT-Drs. 17/1554, S. 4; ebenso: Henneke, Der Landkreis 2010, 371 (376).
131
Hermes, a.a.O., Rn. 33;Volkmann, a.a.O., Rn. 7.
132
Berlit, a.a.O., Rn. 26; gegen eine Zulässigkeit: Ruge/Vorholz, DVBl. 2005, 403
(409f.).
133
Schweiger, NZS 2008, 247; Strobel, NVwZ 2004, 1195 (1197f.); Winkler, VerwArch
2008, 509 (517); a.A.: Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 2006, 142 (143).
134
Deutsches Notarinstitut, DNotI-Report 2006, 142 (143); Schwanenflug, KommJur
2007, 446 (448); a.A.: Berlit, a.a.O., Rn. 26; Strobel, NVwZ 2004, 1195 (1196f.).
135
kritisch: Rixen, a.a.O., Rn. 14f.; Winkler, VerwArch 2008, 509 (517).
136
BR-Drs. 226/10, S. 37; BT-Drs. 17/1555, S. 24.
137
Prozesshandbuch der BA vom 22.09.2010,
http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-
Content/HEGA-Internet/A07-Geldleistung/Dokument/GA-SGB-II-NR-33-2010-09-24-
Anlage-1.pdf
am 10.05.2011, S. 21; Wendtland, a.a.O., Rn. 26.
138
Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 44h: Wendtland, a.a.O., Rn. 31.

24
wortet wurde.
139
Bei öffentlich-rechtlich organisierten ARGEn waren
insbesondere die Dienststelleneigenschaft und die Anwendbarkeit
von BPersVG- und/oder LPersVG streitig.
Die Regelung des § 44h
Abs. 1 S. 2 trägt dem insofern Rechnung, als das BPersVG im Hin-
blick auf die gE entsprechende Anwendung findet. Damit soll eine
angemessene Mitarbeiterbeteiligung und eine einheitliche Interes-
senvertretung für alle Beschäftigten der gE gewährleistet werden
140
,
um eine unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten infolge ggf.
vorhandener Unterschiede zwischen BPersVG und BetrVG einerseits
sowie BPersVG und LPersVG andererseits zu verhindern. Es könnte
die Auffassung vertreten werden, der Gesetzgeber wollte den Prob-
lemen mit einer aus einer einheitlichen öffentlich-rechtlichen
Rechtsform resultierend entsprechenden Anwendung des BPersVG
begegnen. Eine solche Intention hinsichtlich der Rechtsform findet
sich jedoch weder in den Regelungen des SGB II selbst noch in der
Begründung, sodass ein Ausschluss der privaten Rechtsformen nicht
überzeugen kann.
Eine andere Auslegung könnte sich aus § 76 Abs. 3 ergeben, wonach
ein nahtloser Übergang u.a. einer bisher als zivilrechtliche Gesell-
schaft geführten gE in eine öffentlich-rechtliche gE nach § 44b si-
chergestellt werden soll.
141
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass
§ 76 Abs. 3 auch dahingehend ausgelegt werden kann, dass ein sol-
cher Übergang nicht vorgeschrieben wird, sondern lediglich eine
Rechtsnachfolge für den Fall geregelt wird, dass ein solcher Über-
gang stattfindet. Eine zwingende Einschränkung der Rechtsform auf
eine nur öffentlich-rechtliche Organisationsform vermag hierin nicht
gesehen werden. Im Übrigen dürfte die Begründung zu § 76 Abs. 3
den erklärten Willen des Gesetzgebers in § 44b Abs. 2 hinsichtlich
der Kompetenz der Träger zur näheren Ausgestaltung der gE nicht
aushöhlen zu können. Hätte der Gesetzgeber die Rechtsform der gE
auf die öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis beschränken wol-
len, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, dies entweder in § 44b selbst
oder aber in der Begründung zu diesem kundzutun. Beides ist indes
nicht erfolgt. Die Detailgenauigkeit in §§ 44c-e, 44g. 47ff. und die Be-
rechtigung zum Erlass von Verwaltungsakten und Widerspruchsbe-
scheiden sprechen auch mit Blick darauf, dass eine Beleihung mit
139
Jordan, Der Personalrat 2011, 420 (424); Nakielski; SoSi 2010, 165 (170).
140
BT-Drs. 1555, S. 28.
141
BR-Drs. 226/10, S. 52; BT-Drs. 17/1555, S. 33.

25
Hoheitsbefugnissen unabhängig von der Rechtsform erfolgen
kann
142
, nicht gegen eine private Rechtsform.
143
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Beschränkung auf eine öffent-
lich-rechtliche Gesellschaft sui generis den Umständen nicht gerecht
zu werden. Soweit Landesrecht dem nicht entgegensteht
144
, und die
Träger eine entsprechende Vereinbarung treffen
145
, sind somit auch
privatrechtliche Organisationsformen zulässig.
c) Gründungsbegleitende Vereinbarung
Die nähere Ausgestaltung und Organisation der gE wird gem. § 44b
Abs. 2 S. 1 durch Vereinbarung zwischen den Trägern bestimmt. Die
Vereinbarung soll den individuellen Bedürfnissen der Beteiligten
Rechnung tragen, indem der durch das SGB II vorgegebene Rahmen
mit Blick auf regionale Besonderheiten ausgefüllt wird.
146
Folgt man
der Auffassung, dass als Rechtsform nur eine öffentlich-rechtliche
Gesellschaft sui generis in Betracht kommt, ist als gründungsbeglei-
tende Vereinbarung im Rahmen des § 44b Abs. 2 S. 1 auch nur eine
solche öffentlich-rechtlicher Natur zulässig.
147
Notwendiger Inhalt von
gründungsbegleitenden Vereinbarungen ist bspw. die Ausgestaltung
und Organisation sowie die Sitz- und Standortfrage Darüber hinaus
können auch Regelungen bspw. zur (Rück-)Übertragung von Aufga-
ben auf die Träger, Personalgestellung und zum Vorsitz in der Trä-
gerversammlung Gegenstand der gründungsbegleitenden Vereinba-
rung sein.
148
2. Trägerversammlung
Die Regelung des § 44c Abs. 1 S. 1
149
sieht die Bildung einer Trägerver-
sammlung als Organ der gE verbindlich vor. Auch wenn diese Verpflich-
142
Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 11, 15. Im Übrigen hatte auch die ARGE
gem. § 44b Abs. 3 S. 3 a.F. schon solche Hoheitsbefugnisse inne, was bekanntlich einer
privaten Rechtsform nicht entgegenstand.
143
A.A. Luthe, SGb 2011, 131 (133).
144
Berlit, a.a.O., Rn. 26.
145
A.A.: Wendtland, a.a.O., Rn. 31ff.; Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 8, der
die Möglichkeit einer privatrechtlichen Form zwar nicht generell verneint, jedoch eine
öffentliche-rechtliche Rechtsform mit Blick auf § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I und die deutlich
öffentlich-rechtliche Vorprägung für vorzugswürdig hält. Letzteres war jedoch bereits vor
der Neuorganisation der Fall, was auch damals nicht zur Unzulässigkeit von privatrecht-
lichen Rechtsformen geführt hat.
146
BR-Drs. 226/10, S. 37; BT-Drs. 17/1555, S. 24; Luthe, SGb 2011, 131 (136).
147
Hinter dieser verbirgt sich nichts anderes als ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß
§ 53 SGB X - Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 44b, Rn. 21.
148
Zwischen BA, BMAS, DLT, DST und DStGB abgestimmte Checkliste für eine grün-
dungsbegleitende Vereinbarung, Anhang 2, S.88f.
149
Entspricht weitestgehend den Regelungen hierzu im Rahmen der ZAG Regie-
rungsentwurf für ein Gesetz zur Regelung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung in
der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 13.02.2009, S. 4, 24.

26
tung noch nicht Gegenstand des § 44b a.F. war, bildeten die Träger be-
reits zu Zeiten der ARGE auf der Grundlage der Gründungsvereinba-
rung eine Trägerversammlung, um dadurch das Verwaltungshandeln
bestimmen zu können.
150
Im Rahmen der gE ist die Trägerversammlung
paritätisch mit regelmäßig je drei Vertretern der Träger
151
besetzt. Sie
fasst ihre Beschlüsse gem. § 44c Abs. 1 S. 6 durch Stimmenmehrheit. In
der Regel haben alle Vertreter das gleiche Stimmrecht. Bei Stimmen-
gleichheit ist grundsätzlich die Stimme des Vorsitzenden maßgeblich.
152
Dieser Fall dürfte in einem paritätisch besetzten Gremium keine Selten-
heit sein. Die zu dieser Regelung geführten Gründe präventive Kon-
fliktlösung sowie Praktikabilität sind zwar nachvollziehbar, es erscheint
jedoch fragwürdig, die Entscheidung letztlich davon abhängig zu ma-
chen, welcher Träger gerade zufällig den Vorsitzenden stellt.
153
Daran
vermag auch eine grundsätzlich vertrauensvolle Zusammenarbeit der
Träger nichts zu ändern. Infolge dessen kommt der Wahl des Vorsitzen-
den durch die Mitglieder der Trägerversammlung besondere Bedeutung
zu. Können sich die Träger auf keinen Vorsitzenden einigen, sieht § 44c
Abs. 1 S. 5 die erstmalige, auf zwei Jahre angelegte, Bestimmung durch
die BA vor. Dies stellt sicher, dass die Zusammenarbeit der Träger vor
Ort nicht bereits an der Entscheidung über den Vorsitz der Trägerver-
sammlung scheitert und eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung
nach dem SGB II nicht gefährdet wird. Das Nähere zum Verfahren und
zur Ausgestaltung der Trägerversammlung in Ergänzung von § 44c er-
folgt in einer Geschäftsordnung, die sich die Trägerversammlung gibt.
Der Zuständigkeitsbereich der Trägerversammlung umfasst nach § 44c
Abs. 2 bis 6 insbesondere organisatorische und planerische Aufgaben.
Die in § 44c Abs. 2 beispielhaft genannten Angelegenheiten berühren
typischerweise beide Träger
154
, weshalb Entscheidungen hierzu der ge-
meinsam besetzen Trägerversammlung vorbehalten sind. Damit erfolgt
eine Abgrenzung zum Zuständigkeitsbereich der einzelnen Träger.
155
Die Trägerversammlung stimmt gem. § 44c Abs. 6 das örtliche Arbeits-
markt- und Integrationsprogramm unter Beachtung der Zielvorgaben der
Träger ab. Indem die Eingliederungsleistungen der BA mit den kommu-
150
Henneke, DÖV 2006, 726 (731); Wendtland, in: Gagel, SGB II, § 44c, Rn. 2.
151
Die in § 44c Abs. 1 S. 1 genannten Agenturen für Arbeit gehören zwar zur Verwaltung
der BA, korrekterweise hätte es hier jedoch BA heißen müssen, weil nur diese Träger
der Grundsicherung gem. § 6 abs. 1 S. 1 Nr. 1 ist.
152
Ausgenommen hiervon sind Entscheidungen nach § 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 4 und 8.
153
ähnlich: Wendtland, a.a.O., Rn. 3.
154
Wendtland, a.a.O., Rn. 6.
155
BR-Drs. 226/10, S. 39; BT-Drs. 17/1555, S. 25.

27
nalen Eingliederungsleistungen verbunden werden, soll eine gemeinsa-
me inhaltliche und programmatische Planung von Eingliederungsleis-
tungen ermöglicht und eine gemeinsame Vorgehensweise bei der Be-
kämpfung der Hilfebedürftigkeit erreicht werden.
156
Die kommunalen
Träger erhalten dadurch Gelegenheit, die lokale Arbeitsmarkt- und Integ-
rationspolitik mitzugestalten.
157
Eine Zuständigkeit der Trägerversammlung ist nicht nur in Abgrenzung
zum Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers relevant, sondern ent-
scheidet auch darüber, ob den Trägern gegenüber der gE ein Weisungs-
recht zusteht oder das BMAS im Einvernehmen mit der zoL die Aufsicht
führt.
158
Mit Blick auf die teilweise nur beispielhafte Aufzählung der Zu-
ständigkeitsbereiche der Trägerversammlung ist fraglich, ob stets eine
eindeutige Aufgabenzuordnung zu den Aufgaben des Geschäftsführers
und der Träger möglich ist.
159
3. Geschäftsführer
Als zweites Organ neben der Trägerversammlung sieht § 44d
160
den
Geschäftsführer verbindlich vor, dem die rechtliche Vertretung der gE
nach außen obliegt. Eine Einschränkung nimmt § 44d dahingehend vor,
dass Letzteres nur insoweit der Fall ist, soweit nicht durch Gesetz etwas
anderes bestimmt ist. Dies betrifft die Abgrenzung zum Zuständigkeits-
bereich der Trägerversammlung. Dem Geschäftsführer obliegt es einer-
seits, die von der Trägerversammlung beschlossenen rechtmäßigen
Maßnahmen auszuführen, andererseits die im Rahmen des § 44b Abs.
3 erfolgten Weisungen der Träger umzusetzen.
161
Vor dem Hintergrund
einer einheitlichen Personalführung und -steuerung in der gE werden
dem Geschäftsführer gem. § 44d Abs. 4 umfassende dienst- und perso-
nalrechtliche Befugnisse übertragen. Er übt die Dienst- und Vorgesetz-
tenfunktion gegenüber den Beschäftigten der gE aus und vereint we-
sentliche Befugnisse eines Behördenleiters in seiner Person. Eine Aus-
nahme hiervon bilden Entscheidungen, die das Arbeits- bzw. Dienstver-
hältnis in statusrechtlichen Angelegenheiten Begründung und Beendi-
156
BR-Drs. 226/10, S. 40; BT-Drs. 17/1555, S. 25f.
157
So schon im Rahmen der ZAG: Vorholz, Der Landkreis 2009, 114.
158
Wendtland, a.a.O., Rn. 5.
159
So schon im Rahmen der ZAG: Vorholz, Der Landkreis 2009, 114. Sh. hierzu: BMAS,
Konzept zum Abstimmungs- und Informationsverfahren bei Weisungen, Empfehlungen
und Informationen der BA im SGB II, Anhang 7, 100.
160
Entspricht in großen Teilen den Regelungen im Rahmen der ZAG Regierungsent-
wurf für ein Gesetz zur Regelung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung in der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 13.02.2009, S. 5f., 25.
161
BT-Drs. 17/1555, S. 26.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842820203
DOI
10.3239/9783842820203
Dateigröße
5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen – Rechtswissenschaft, Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie Völkerrecht
Erscheinungsdatum
2011 (September)
Note
1,3
Schlagworte
neuorganisation grundsicherung arbeitsuchende jobcenter einrichtung träger
Cookie-Einstellungen