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Neue Chancen für Kommunen - Potentialanalyse von genossenschaftlichen Infrastrukturbetrieben

©2011 Diplomarbeit 90 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Nicht erst seit der aktuellen Wirtschaftskrise stehen Gemeinden immer häufiger vor dem Problem, ihren kommunalen Infrastrukturaufgaben nachzukommen.
Seit etwa Anfang der 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde in der kommunalwirtschaftlichen Leistungserbringung ein deutlicher Schub hin zu stärker kostenoptimierter Leistungserbringung spürbar.
Sowohl die Errichtung als auch der Betrieb von Infrastruktur-Einrichtungen stellt die Gemeinden in vielen Fällen vor unlösbare finanzielle Schwierigkeiten. Auch von den übergeordneten Länderverwaltungen wird mit den Schlagworten ‘wirkungsorientierte Verwaltung’ (kurz: WOV) und ‘new public management’ (kurz: NPM) den Kommunen ein klares Ziel vorgegeben: Kosten- und Organisationsoptimierung in allen Bereichen.
Der Kostendruck führt in vielen Fällen jedoch zu einer Zweiklassengesellschaft: In jene Bürgerklasse, die in den Städten und Ortszentren schon seit vielen Jahren mit der wichtigsten Infrastruktur wie Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Wärme- und Energieversorgung, leistungsfähige Internetverbindungen und Kabelfernsehen, Straßenbeleuchtung, öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten, Schulen und anderen Annehmlichkeiten der modernen Gesellschaft versorgt sind und in jene Klasse, die außerhalb der Ortszentren in Siedlungen und kleinen ländlichen Gemeinden, noch auf diese Versorgung warten müssen. Für viele betroffene Bürger bedeutet die aktuelle Wirtschaftskrise einen nicht abschätzbaren Aufschub bis zum Ver- bzw. Entsorgungsanschluss.
Alleine in Oberösterreich gibt es mit seinen typischen Streusiedlungen über 4.000 Ortsteile von Städten und Gemeinden mit weniger als 20 Häusern. Davon ist noch ein großer Teil von der Infrastruktur, wie sie in anderen Siedlungsbereichen als Standard empfunden wird, abgeschnitten und Vieles fiel schon dem Sparstift zum Opfer (Lebensmittelgeschäft im Ort (‘Greißler’), Postfiliale, Kindergarten, Volksschule,…).
Für viele benachteiligte Bürger ist dieser Zustand nicht akzeptabel oder wird als Chance zur Eigeninitiative gesehen. Sie formieren sich in Bürgergemeinschaften wie Vereinen, Genossenschaften und Kooperativen, um selbst Infrastruktur zu errichten und zu betreiben.
Genossenschaften haben eine lange Geschichte, die bis zur Industriellen Revolution zurückreicht, sind aber keine Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert. Genossenschaften sind moderne und dynamische Unternehmen mit einem großen Potential.
Die Geschichte der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsangabe

Abbildungsverzeichnis

1 Ausgangssituation
1.1 Zielsetzung und Aufbau der Diplomarbeit
1.2 Situation der österreichischen Gemeinden im Bereich der kommunalen Infrastruktur
1.3 Genossenschaftliche Infrastrukturbetriebe
1.3.1 Übersicht über Wassergenossenschaften in Österreich
1.3.2 Übersicht über Genossenschaften in Österreich

2 Rahmenbedingungen der Genossenschaften
2.1 Wassergenossenschaften nach dem Wasserrechtsgesetz 1959
2.1.1 Geschichtliche Entwicklung der Wassergenossenschaften in Österreich
2.1.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen und Gründung
2.1.3 Organisatorische und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen
2.1.4 Technische Rahmenbedingungen
2.1.5 Einsatzbereiche von Wassergenossenschaften für kommunale Infrastruktur
2.2 Genossenschaften nach dem Genossenschaftsrecht 1873
2.2.1 Geschichtliche Entwicklung der Genossenschaften in Österreich
2.2.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen und Gründung
2.2.3 Organisatorische und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen
2.2.4 Technische Rahmenbedingungen
2.2.5 Einsatzbereiche von Genossenschaften für kommunale Infrastruktur

3 Analyse der Genossenschaften
3.1 Analyse der Wassergenossenschaften nach dem Wasserrecht
3.1.1 Fragebogen zum Eigenbild der Wassergenossenschaften
3.1.2 Ergebnisse der Eigenbilderhebung der Wassergenossenschaften
3.1.3 SWOT-Analyse für die Organisationsform Wassergenossenschaft
3.1.4 Optimierungsansätze
3.1.4.1 Organisatorische Optimierungsansätze
3.1.4.2 Betriebswirtschaftliche Optimierungsansätze
3.1.4.3 Technische Optimierungsansätze
3.2 Analyse der Genossenschaften nach dem Genossenschaftsrecht
3.2.1 Fragebogen zum Eigenbild der Genossenschaften
3.2.2 Ergebnisse der Eigenbilderhebung der Genossenschaften
3.2.3 SWOT-Analyse für die Organisationsform Genossenschaft
3.2.4 Optimierungsansätze
3.2.4.1 Organisatorische Optimierungsansätze
3.2.4.2 Betriebswirtschaftliche Optimierungsansätze
3.2.4.3 Technische Optimierungsansätze

4 Die Bedeutung der Netzwerke für beide Genossenschafts- formen
4.1 Die Bedeutung der Netzwerke für Wassergenossenschaften
4.2 Die Bedeutung der Netzwerke für Genossenschaften

5 Potentialbewertung für genossenschaftliche Unternehmen
5.1 Potentialbewertung für Wassergenossenschaften
5.2 Potentialbewertung für Genossenschaften

6 Genossenschaftliche best-practice-Modelle im Infrastruktur- bereich
6.1 Best-practice-Modelle aus dem Trink- und Abwasserbereich
6.2 Best-practice-Modelle aus dem Energie-, Verkehrs- und Freizeitbetriebebereich
6.3 Best-practice-Modelle aus dem Pflege-, Betreuungs- und Bildungsbereich
6.4 Best-practice-Modelle aus dem Lebensmittelbereich

7 Ausblick und Schlussbemerkung

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang
Anhang I: Antworten aus Frage 23 (Wassergenossenschaften)
Anhang II: Fragebogen zum Eigenbild (Wassergenossenschaften)
Anhang III: Fragebogen zum Eigenbild (Genossenschaften)

10 Eidesstattliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung der oö. Landesumlage

Abbildung 2: Entwicklung der Krankenanstaltenbeiträge

Abbildung 3: Entwicklung der Sozialhilfeverbandsumlage

Abbildung 4: Abgangsgemeinden 2010

Abbildung 5: Oö. Gemeinden mit über 25 % Bevölkerungsabnahme

Abbildung 6: Anzahl der österr. Wasserversorgungsunternehmen

Abbildung 7: Kombinationen von Mehrfach-Mitgliedschaften im Alltag

Abbildung 8: Fragebogen an die Wassergenossenschaften

Abbildung 9: Auswertung zu Frage 1 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 10: Auswertung zu Frage 2 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 11: Auswertung zu Frage 3 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 12: Auswertung zu Frage 4 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 13: Auswertung zu Frage 5 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 14: Auswertung zu Frage 6 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 15: Auswertung zu Frage 7a (Wassergenossenschaften)

Abbildung 16: Auswertung zu Frage 7b (Wassergenossenschaften)

Abbildung 17: Auswertung zu Frage 7c (Wassergenossenschaften)

Abbildung 18: Auswertung zu Frage 7d (Wassergenossenschaften)

Abbildung 19: Auswertung zu Frage 7e (Wassergenossenschaften)

Abbildung 20: Auswertung zu Frage 7f (Wassergenossenschaften)

Abbildung 21: Auswertung zu Frage 8 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 22: Auswertung zu Frage 9 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 23: Auswertung zu Frage 10 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 24: Auswertung zu Frage 11 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 25: Auswertung zu Frage 12 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 26: Auswertung zu Frage 13 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 27: Auswertung zu Frage 14 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 28: Auswertung zu Frage 15 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 29: Auswertung zu Frage 16 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 30: Auswertung zu Frage 17 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 31: Auswertung zu Frage 18 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 32: Auswertung zu Frage 19 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 33: Auswertung zu Frage 20 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 34: Auswertung zu Frage 21 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 35: Auswertung zu Frage 22 (Wassergenossenschaften)

Abbildung 36: Wassergenossenschaftsverteilung nach Bundesländern

Abbildung 37: Wassergenossenschaftsverteilung nach Zweck

Abbildung 38: Fragebogen an die Genossenschaften

Abbildung 39: Auswertung zu Frage 1 (Genossenschaften)

Abbildung 40: Auswertung zu Frage 2 (Genossenschaften)

Abbildung 41: Auswertung zu Frage 3 (Genossenschaften)

Abbildung 42: Auswertung zu Frage 4 (Genossenschaften)

Abbildung 43: Auswertung zu Frage 5 (Genossenschaften)

Abbildung 44: Auswertung zu Frage 6a (Genossenschaften)

Abbildung 45: Auswertung zu Frage 6b (Genossenschaften)

Abbildung 46: Auswertung zu Frage 6c (Genossenschaften)

Abbildung 47: Auswertung zu Frage 6d (Genossenschaften)

Abbildung 48: Auswertung zu Frage 6e (Genossenschaften)

Abbildung 49: Auswertung zu Frage 6f (Genossenschaften)

Abbildung 50: Auswertung zu Frage 6g (Genossenschaften)

Abbildung 51: Auswertung zu Frage 7 (Genossenschaften)

Abbildung 52: Auswertung zu Frage 8 (Genossenschaften)

Abbildung 53: Auswertung zu Frage 9 (Genossenschaften)

Abbildung 54: Auswertung zu Frage 10 (Genossenschaften)

Abbildung 55: Auswertung zu Frage 11 (Genossenschaften)

Abbildung 56: Auswertung zu Frage 12 (Genossenschaften)

Abbildung 57: Auswertung zu Frage 13 (Genossenschaften)

Abbildung 58: Auswertung zu Frage 14 (Genossenschaften)

Abbildung 59: Auswertung zu Frage 15 (Genossenschaften)

Abbildung 60: Auswertung zu Frage 16 (Genossenschaften)

Abbildung 61: Auswertung zu Frage 17 (Genossenschaften)

Abbildung 62: Auswertung zu Frage 18 (Genossenschaften)

Abbildung 63: Auswertung zu Frage 19 (Genossenschaften)

Abbildung 64: Auswertung zu Frage 20 (Genossenschaften)

Abbildung 65: Auswertung zu Frage 21 (Genossenschaften)

1 Ausgangssituation

Nicht erst seit der aktuellen Wirtschaftskrise stehen Gemeinden immer häufiger vor dem Problem, ihren kommunalen Infrastrukturaufgaben nachzukommen.

Seit etwa Anfang der 90er-jahre des vorigen Jahrhunderts wurde in der kommunalwirtschaftlichen Leistungserbringung ein deutlicher Schub hin zu stärker kostenoptimierter Leistungserbringung spürbar (vgl. Wallnöfer 2006: 5).

Sowohl die Errichtung als auch der Betrieb von Infrastruktur-Einrichtungen stellt die Gemeinden in vielen Fällen vor unlösbare finanzielle Schwierigkeiten. Auch von den übergeordneten Länderverwaltungen wird mit den Schlagworten „wirkungsorientierte Verwaltung“ (kurz: WOV) und „new public management“ (kurz: NPM) den Kommunen ein klares Ziel vorgegeben: Kosten- und Organisationsoptimierung in allen Bereichen.

Der Kostendruck führt in vielen Fällen jedoch zu einer Zweiklassengesellschaft: In jene Bürgerklasse, die in den Städten und Ortszentren schon seit vielen Jahren mit der wichtigsten Infrastruktur wie Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Wärme- und Energie-versorgung, leistungsfähige Internetverbindungen und Kabelfernsehen, Straßenbeleuchtung, öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten, Schulen und anderen Annehmlichkeiten der modernen Gesellschaft versorgt sind und in jene Klasse, die außerhalb der Ortszentren in Siedlungen und kleinen ländlichen Gemeinden, noch auf diese Versorgung warten müssen. Für viele betroffene Bürger bedeutet die aktuelle Wirtschaftskrise einen nicht abschätzbaren Aufschub bis zum Ver- bzw. Entsorgungsanschluss.

Alleine in Oberösterreich gibt es mit seinen typischen Streusiedlungen über 4.000 Ortsteile von Städten und Gemeinden mit weniger als 20 Häusern. Davon ist noch ein großer Teil von der Infrastruktur, wie sie in anderen Siedlungsbereichen als Standard empfunden wird, abgeschnitten und Vieles fiel schon dem Sparstift zum Opfer (Lebensmittelgeschäft im Ort („Greißler“), Postfiliale, Kindergarten, Volksschule,…).

Für viele benachteiligte Bürger ist dieser Zustand nicht akzeptabel oder wird als Chance zur Eigeninitiative gesehen. Sie formieren sich in Bürgergemeinschaften wie Vereinen, Genossenschaften und Kooperativen, um selbst Infrastruktur zu errichten und zu betreiben.

Genossenschaften haben eine lange Geschichte, die bis zur Industriellen Revolution zurückreicht, sind aber keine Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert. Genossenschaften sind moderne und dynamische Unternehmen mit einem großen Potential (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2004: 20).

Die Geschichte der Genossenschaftsbewegung ist und bleibt ein Teil der Sozial-geschichte. In diesem Zusammenhang betrachtet, reichen die geistigen Ursprünge der Bewegung über ihre äußeren Anfänge in der Mitte des 19. Jahrhunderts weiter zurück in frühere Zeiten, ja sie umfassen, wenn man den Bogen weit spannt, letztlich alle auf die Gemeinschaft gerichtete geistigen Bestrebungen der Menschen (vgl. Faust 1958: 7).

Gerade für die Erhaltung öffentlicher Einrichtungen in Kultur, Sport oder Bildung ist es häufig notwendig, ein breites Bündnis von Bürgern, Vereinen, Kommunen und örtlichen Unternehmen zu schmieden, um die erforderliche wirtschaftliche Basis für eine nachhaltige Sicherung der Einrichtungen zu schaf­fen. Die Genos-senschaft bietet für eine solche Bündelung wirtschaftlicher Kräfte nicht nur einen verlässlichen Rechtsmantel, sondern entfaltet darüber hinaus wegen ihres Vereins-charakters eine hohe Identifikationskraft der Mitglieder mit ihrem Unternehmen bzw. ihrer Einrichtung (vgl. Deutscher Städte- und Gemeindebund 2004: 2).

1.1 Zielsetzung und Aufbau der Diplomarbeit

Meine Diplomarbeit widmet sich den Rahmenbedingungen für das Wirtschaften der Genossenschaften und Wassergenossenschaften, die nicht immer bürger- bzw. ehrenamtfreundlich sind. Es gibt aber, aus meiner beruflichen Erfahrung gesehen, auch seitens der Genossenschaften einige Optimierungsmöglichkeiten. Dies unter-mauern meine Analysen zahlreicher Genossenschaften und Wassergenossen-schaften sowie Daten aus einer österreichweiten Eigenbild- und Fremdbild-erhebungen.

Das Potential für Genossenschaften und Wassergenossenschaften ist noch lange nicht ausgeschöpft. Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten für Kommunen unterstützen Genossenschaften und Wassergenossenschaften diese bei der Bewältigung teils hoheitlicher Aufgaben und stärken wie seit Beginn der Genossenschaftsbewegung die Selbsthilfe, Selbstverantwortung, Selbstver-waltung und Selbstbestimmung der Bürger als Eigentümer und Betreiber gemeinsamer Infrastruktur. Kommunen kann es somit gelingen, sich auf die Kern-aufgaben der Verwaltung mit optimiertem Kostenaufwand zu konzentrieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass wesentliche Infrastruktur vorhanden ist und nicht in die Hände von privaten Investoren gelangt, die rein wirtschaftliche Interessen verfolgen. Weltweit gibt es dazu zahlreiche bekannte negative Beispiele. Auch Versuche mit Leasing-Modellen haben Gemeinden viel Geld gekostet.

In den Niederlanden entfallen 83% der landwirtschaftlichen Produktion auf Genossenschaften, in Frankreich 50% sowie in Zypern 37% der Bankdienst-leistungen, in Spanien 21% des Gesundheitswesens und in Schweden 60% der Forstwirtschaft (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2004: 20).

Sieht man die Zahl der Genossenschaftsmitglieder relativ zur Bevölkerung, so nimmt Finnland weltweit einen Spitzenrang ein. Sind doch 59% der Finnen min-destens in einer Genossenschaft Mitglied. Etwa 51% sind in einer der beiden genossenschaftlichen Lebensmittelgruppen Mitglied. Den zweitgrößten Sektor bilden die Genossenschaftsbanken, zu denen jeder vierte Finne gehört. 7% sind Mitglied eines genossenschaftlichen Versicherers (vgl. Laurinkari 1998: 7).

Für Österreich sind keine konkreten %-Angaben bekannt, jedoch wirtschaften 2 der größten Banken (Raiffeisen und Volksbank) als Genossenschaften, stärken die zahlreichen Lagerhausgenossenschaften den Landwirtschaftsbereich, versorgen die größten Molkereien als Genossenschaften mit Milchprodukten, ist Intersport der größte genossenschaftliche Sportartikelhändler, ADEG der größte genossen-schaftliche Lebensmittelversorger, es versorgen Wassergenossenschaften knapp 500.000 Personen mit Trinkwasser, beseitigen für knapp 200.000 Personen das Abwasser und stellen rd. 300 Genossenschaften Biowärme zur Verfügung.

1.2 Situation der österreichischen Gemeinden im Bereich der kommu-nalen Infrastruktur

Das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben von Gemeinden hängt entscheidend von den öffentlichen Infrastruktur- und Versorgungsleistungen ab. Nur wenn diese in entsprechendem Ausmaß langfristig den Bürgern zur Verfügung stehen, werden Gemeinden als Wirtschaftsstandorte und Lebensräume ihre Attraktivität behalten, wird die Abwanderung in städtische Ballungsräume abgewehrt. Es gilt dem europaweiten Trend des Kaufkraftabflusses aus den ländlichen Regionen entgegen zu treten. Aufgrund der finanziellen Situation müssen Gemeinden neue und kostengünstigere Aufgabenerledigungen und Möglichkeiten zum Erhalt kommunaler Einrichtungen und Dienstleistungen überlegen und Modelle der Bürgergesellschaft andenken (vgl. Österreichischer Gemeindebund 2009: 2f).

Die Situation der österreichischen Kommunen hat sich in den letzten 15 Jahren teilweise dramatisch entwickelt. Dabei kann nicht generalisiert, sondern muss in verschiedene Kategorien unterschieden werden (vgl. Amt der Oö. Landesregierung 2006: 5f):

- den Landeshauptstädten und Städten mit eigenem Statut, die teilweise an den Kapazitätsgrenzen als Wohn- und Arbeitsstätte angelangt sind, in denen Grundstücks- und Wohnungspreise eine wirtschaftliche Grenze erreicht haben und deshalb Abwanderungen in die Umlandgemeinden stattfanden

- jene Gemeinden, die im Nahbereich von Städten und Ballungszentren einen starken Bevölkerungszuwachs sowie eine äußerst positive Entwicklung bei Betriebsansiedelungen erleben durften (vgl. in OÖ vor allem im Umland von Wels und Linz)

- jene Gemeinden, die eigene „Ballungsinseln“ als eigene Wirtschaftsräume entwickeln konnten und einen Bevölkerungszuwachs erleben durften, (vgl. in OÖ die Bezirkshauptstädte und Umlandgemeinden von Eferding, Perg, Vöcklabruck und Braunau)

- jene Gemeinden, die abseits von Ballungszentren und -inseln zwar einen leichten bis mittleren Bevölkerungszuwachs erleben durften, für Betriebe jedoch wirtschaftlich nicht mehr interessant sind (vgl. in OÖ in den Bezirken Gmunden, Kirchdorf und Grieskirchen)

- und jene, oft kleine Gemeinden, die weit abseits von Ballungszentren, in sehr ländlicher Umgebung, für viele Einwohner keine nahen Arbeitsplätze bieten können und wo für Betriebe kaum wirtschaftliche Bedingungen vorzufinden sind (vgl. in OÖ die Grenzregionen des Mühl- und Innviertels, Teile des Voralpenlandes sowie im Ennstal)

Die Zusammensetzung der Gemeindefinanzen (vgl. Amt der Oberösterreichischen Landesregierung 2007: 7ff):

Wesentliche Einnahmen:

- Einnahmen als Vertretungskörper und für die allgemeine Verwaltung
- Einnahmen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
- Einnahmen für Unterricht, Sport und Wissenschaft
- Einnahmen für Kunst, Kultur und Kultus
- Einnahmen für soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderung
- Einnahmen für Gesundheit
- Einnahmen für Straßen- und Wasserbau, sowie Verkehr
- Einnahmen für die Wirtschaftsförderung
- Einnahmen für Dienstleistungen
- Einnahmen aus der Finanzwirtschaft
- Steuern (Grundsteuer, Interessentenbeiträge, Kommunalsteuer, Ertragsanteile, ev. Fremdenverkehrsabgaben)

Wesentliche Ausgaben:

- Ausgaben als Vertretungskörper und für die allgemeine Verwaltung
- Ausgaben für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
- Ausgaben für Unterricht, Sport und Wissenschaft
- Ausgaben für Kunst, Kultur und Kultus
- Ausgaben für soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderung
- Ausgaben für Gesundheit
- Ausgaben für Straßen- und Wasserbau, sowie Verkehr
- Ausgaben für die Wirtschaftsförderung
- Ausgaben für Dienstleistungen
- Ausgaben für die Finanzwirtschaft
- Personalaufwand
- Transferleistungen (Landesumlage, Sozialhilfeverbandsumlage, Krankenanstaltenbeiträge)
- Ausgaben des außerordentlichen Haushaltes

Nachfolgend wird die Ausgabenentwicklung der sogenannten Transferleistungen von 1998-2009 anhand einer kleinen oö. Gemeinde mit ca. 700 Einwohnern im Vergleich zur Durchschnittsentwicklung in Oberösterreich dargestellt (vgl. www.land-oberoesterreich.gv.at 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung der oö. Landesumlage (in Euro je Einwohner)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung der Krankenanstaltenbeiträge (in Euro je Einwohner)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Entwicklung der Sozialhilfeverbandsumlage (in Euro je Einwohner)

Gemeinden, die den Haushalt nicht mehr selbst finanzieren können, werden als Abgangsgemeinden bezeichnet. Die Anzahl der Abgangsgemeinden in den Bundesländern ist sehr unterschiedlich und reicht, mit Ausnahme der Bundeshauptstadt Wien, von 10% (Salzburg und Tirol) bis 70% (Oberösterreich):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Abgangsgemeinden 2010 (vgl. Salzburger Volkszeitung 5.8.2010: 12)

Zur Entwicklung in Oberösterreich: 2002 hatten nur 87 Gemeinden (~20%) und 2005 nur 177 Gemeinden (~40%) einen Abgang im Budget-Haushalt zu verzeichnen.

Die Bevölkerungsentwicklung spielt in der Sicherung und Finanzierung der Infrastruktur einer Gemeinde eine große Rolle. Raschen Handlungsdruck haben Regionen im sogenannten „Speckgürtel“ rund um die Ballungszentren. Hier ist zwar die Finanzkraft vorhanden, jedoch kann der Ausbau der Infrastruktur oft mit der Bevölkerungsentwicklung nicht schritthalten. Andererseits erleben zahlreiche kleinere Gemeinden, meist bis 2000 Einwohner und häufig an den Landesgrenzen gelegen, seit geraumer Zeit eine Abwanderung und damit einhergehend einen Finanzkraftverlust. Dies bewirkt, dass für die verbleibende Bevölkerung Infrastruktur verloren geht bzw. ein weiterer Ausbau wie ursprünglich geplant nicht finanzierbar ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Oö. Gemeinden mit über 25 % Bevölkerungsabnahme 2005-2040 (vgl. Amt der Oberösterreichischen Landesregierung 2006: 25)

Durch die Übernahme und Ausführung von Aufgaben, die im herkömmlichen, traditionellen Sinne von Kommunen erledigt werden bzw. wurden, entlasten und unterstützen Genossenschaften und Wassergenossenschaften Gemeinden und Länderverwaltungen von Investitions- und Betriebskosten durch Privatfinan-zierung und von Personalkosten durch ehrenamtliche Arbeit der Genossen-schaftsmitglieder. Dieses Outsourcing von kommunalen Aufgaben trägt zur Kostenoptimierung der Kommunen bei und führt gleichzeitig zur Übertragung von Verantwortungen und Kompetenzen an die Bürger hin zur sogenannten Bürgergesellschaft.

Durch genossenschaftliches Engagement wird in vielen Fällen Infrastruktur geschaffen, welche durch Kommunen erst in einigen Jahren oder überhaupt nicht bewerkstelligt werden könnte. Vor allem von Ortszentren weiter entfernte Ortsteile und Streusiedlungen profitieren vom Ausbau der Infrastruktur, die Kommunen wiederum von Bauaktivitäten, Steuereinnahmen und besser genützter Infrastruktur. In einigen Fällen sind Kommunen sogar auf die Unterstützung durch Genossenschaften angewiesen, nämlich dann, wenn durch gesetzliche Vorgaben aus Sanitäts-, Raumplanungs- oder Umweltschutzverordnungen strenge Umsetzungsfristen existieren.

Es zeigt sich aber, dass es gelingt bzw. gelingen kann, nicht nur die Kommunen von Kosten zu entlasten, sondern auch den Bürgern eine Chance auf kosten-günstigere Infrastruktur durch Eigeninitiative zu ermöglichen. Möglichkeiten, die der kommunale Betrieb auf Grund gesetzlicher und wirtschaftlicher Rahmen-bedingungen nicht hätte.

1.3 Genossenschaftliche Infrastrukturbetriebe

Neben der Entlastung der Gemeinden hat der genossenschaftliche Betrieb in vielen Fällen steuerliche und betriebswirtschaftliche Vorteile gegenüber der kommunalen Variante. Genossenschaftlicher Betrieb als Bürgerbeteiligung schützt aber auch vor gewerblichen Interessenten an kommunalen Aufgaben, dem gefürchteten „Ausverkauf“ von Infrastruktur an rein finanziell interessierte Investoren. Man bezeichnet diese Partnerschaften zwischen Kommunen und Bürgergemeinschaften als PCP-Modelle (Public-Citizen-Partnership-Modelle). Zusätzlich werden durch lokale Betreiber der Infrastruktur Arbeitsplätze geschaffen und gesichert.

Genossenschaften nach dem Genossenschaftsrecht stärken bereits in vielen Lebensbereichen die Kommunen. Zahlreiche jüngere Beispiele aus dem In- und Ausland zeigen neue Betätigungsbereiche für Genossenschaften und das zukünftige Potential für Kommunen auf: Genossenschaftlich betriebene Hallenbäder und andere Freizeiteinrichtungen, genossenschaftlich organisierte Alten- und Kinderbetreuung, genossenschaftliche Schulen oder genossenschaftlich geführte öffentliche Verkehrsbetriebe und Bibliotheken. Einige best-practice- Modelle sind exemplarisch in meiner Diplomarbeit ausgeführt.

Die Genossenschaften werden oft als Kinder der Not bezeichnet. Damit meint man, dass Notzeiten die Bildung von genossenschaftlichen Selbsthilfever-einigungen besonders begünstigen. Wenn der Kreditwucher gängige Praxis ist, haben dagegen ankämpfende Kreditgenossenschaften es naturgemäß besonders leicht. In guten Zeiten fällt es dagegen schwerer, die Förderleistung für die Mitglieder spürbar zu machen (vgl. Dellinger 2003: 7).

Nur wenn eine Genossenschaft ihren Mitgliedern mehr bietet als ihre Mitbe-werber, hat sie auf die Dauer eine Existenzberechtigung (vgl. Böök 1992: 91).

1.3.1 Übersicht über Wassergenossenschaften in Österreich

Zahlreiche Gemeinden in Österreich beauftragen im siedlungswasser-wirtschaftlichen Bereich Wassergenossenschaften (nach dem österreichischen Wasserrechtsgesetz 1959). Alleine in Oberösterreich sind etwa 1000 Wasserver-sorgungsgenossenschaften und knapp 300 Abwassergenossenschaften als Körper-schaften öffentlichen Rechtes mit kommunalen Aufgaben betraut. Auch in anderen Bundesländern sind zahlreiche Wassergenossenschaften tätig, wobei die regionale Verteilung sehr unterschiedlich ist. Vielfach hängt diese Verteilung mit der Tatsache von vorhandenen oder fehlenden Netzwerken sowie dem Grad der Zusammenarbeit zwischen den Wassergenossenschaften, Gemeinden und der Länderverwaltung zusammen.

Wassergenossenschaften in Österreich gesamt (vgl. www.statistik.at 2010):

Österreichweit sind etwa 6.000 Wassergenossenschaften überwiegend als Trinkwasserversorger (rd. 4.000), als Betreiber eines Abwasserkanalnetzes (rd. 900) mit eigener oder fremder (z.B. kommunaler) Kläranlage, als gemeinsame landwirtschaftliche Be- oder Entwässerungsanlage (Drainagesystem) oder als Sondergenossenschaft (z.B. Betrieb und Erhaltung eines Mühlbaches oder eines Kleinkraftwerkes) behördlich anerkannt.

Wassergenossenschaften in Oberösterreich (vgl. www.oöwasser.at 2010):

In Oberösterreich sind knapp 1.900 Wassergenossenschaften aktiv. Davon sind etwa 1.000 als Trink- und Nutzwasserversorger, etwa 550 als Entwässerer (Drainagesysteme), ca. 300 zur Abwasserbeseitigung und ca. 50 Sonder-genossenschaften (Mühlbach, Uferanrainer eines Sees, Kleinkraftwerk, Hoch-wasserschutz, Bewässerung,…) tätig.

In Österreich sind rund 5.500 Wasserversorgungsunternehmen tätig, die 90% der Bevölkerung zentral mit Trinkwasser versorgen. Bezogen auf die Anzahl an Unternehmen dominieren die Wassergenossenschaften mit 62%. Betrachtet man die durch Wassergenossenschaften versorgten Personen, so erreichen diese rund 10% der Bevölkerung (vgl. ÖVGW 2009: 13f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Anzahl der österreichischen Wasserversorgungsunternehmen (vgl. ÖVGW 2009: 13)

Die Besonderheiten für die hohe Anzahl der Wassergenossenschaften in OÖ:

- Mehr als 4.000 Siedlungen mit weniger als 20 Häusern (welche nur zu geringem Teil durch kommunale Anlagen mit Trinkwasser versorgt und deren Abwasser entsorgt werden).
- Intensive landwirtschaftliche Nutzung von Flächen - teilweise nur durch die Regulierung des Bodenwasserhaushaltes möglich (ca. 33.000 ha); (ohne Entwässerung: wesentlich geringere Erträge und Böden zum Teil mit landwirtschaftlichen Maschinen nicht bewirtschaftbar).
- Ein hohes Maß an Bürgerengagement.
- Mindestgebührenvorschreibungen bei Inanspruchnahme von Landes-förderungen für den Trink- und Abwasserbereich (deshalb österreichweit sehr hohe Gebühren).
- Einen Landesverband für Wassergenossenschaften, welcher per Land-tagsbeschluss 1946 mit einer Dienststelle in der Landesverwaltung und 38 Mitarbeitern eingerichtet wurde und den Wassergenossenschaften mit Beratungs-, Schulungs-, und Serviceleistungen zur Verfügung steht.

Die Wassergenossenschaften haben eine wichtige lokale Bedeutung und unterstützen die Existenzsicherung im ländlichen Raum. Sie sind Nahversorger im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung (vgl. Raiffeisenverband OÖ 2009: 5).

1.3.2 Übersicht über Genossenschaften in Österreich

Nach System Schulze-Delitzsch (vgl. Österr. Genossenschaftsverband 2010: 173):

55 genossenschaftliche Volksbanken (inkl. Sparda-Banken)

77 Waren-, Dienstleistungs- und Produktivgenossenschaften

12 Konsumgenossenschaften

Davon in Oberösterreich (vgl. Österreichischer Genossenschaftsverband 2010):

14 genossenschaftliche Volksbanken (inkl. Sparda-Banken) und 13 Waren-, Dienstleistungs-, Produktiv- und Konsumgenossenschaften

Nach System Raiffeisen in Österreich (vgl. Raiffeisenverband OÖ 2011: 48):

~ 560 Raiffeisenbanken (mit rd. 1700 Bankstellen)

~ 100 Lagerhausgenossenschaften

~ 130 Molkerei- und Milchverwertungsgenossenschaften

~ 830 weitere Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften

Davon in Oberösterreich (vgl. Raiffeisenverband OÖ 2011: 48):

96 Raiffeisenbanken

13 Lagerhausgenossenschaften sowie

154 Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften

2 Rahmenbedingungen der Genossenschaften

Als Genossenschaft wird „landläufig“ jede Art von gewerblicher als auch wasserrechtlicher Vereinigung bezeichnet, welche nach Genossenschaftsgesetz oder nach Wasserrechtsgesetz gegründet und anerkannt wurde. In vielen Gemeinden gibt es mehrere Vertreter beider Rechtsgrundlagen und häufig überschneiden sich die Mitglieder in mehreren Zwecken. Eine mögliche „Multi“-Mitgliedschaft kann sich wie in der folgenden Abbildung (anhand von 2 Bürgern) darstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Kombinationen von Mehrfach-Mitgliedschaften im Alltag

2.1 Wassergenossenschaften nach dem Wasserrechtsgesetz 1959

In Österreich ist die Rechtsgrundlage für Bildung, Anerkennung und Rahmenbedingungen einer Wassergenossenschaft das Wasserrechtsgesetz 1959. Neben dem Wasserrechtsgesetz 1959 gibt es jedoch zahlreiche weitere Rahmenbedingungen, welche, abhängig vom Fachbereich, in dem die Wassergenossenschaft tätig ist, einzuhalten sind. Dazu zählen Gesetze, Verord-nungen, Normen, Richtlinien und Regelwerke aus dem Wasserversorgungs-, Abwasser-, und Entwässerungsbereich. Darüber hinaus gelten für die Beschäftigung von Personal die entsprechenden Arbeitsgesetze, sozialrechtliche und finanzrechtliche Verpflichtungen, sowie die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung aus dem Rechnungswesen. Werden öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen, gelten die entsprechenden Förderungs-richtlinien mit den damit verbundenen Verpflichtungen. Eine Vorschreibung zur Einhaltung von Mindestgebühren (Anschluss- und Benützungsgebühren) bei Inanspruchnahme von Landes-Fördermitteln gibt es nur in Oberösterreich. Dies führt häufig dazu, dass auf Landes-Fördermittel bewusst verzichtet wird und im Allgemeinen die Gebühren für Trinkwasser und Abwasserbeseitigung in Oberösterreich im Ländervergleich sehr hoch sind.

2.1.1 Geschichtliche Entwicklung der Wassergenossenschaften in Österreich

Die Geschichte der Wassergenossenschaften hängt direkt mit dem österreichischen Wasserrechtsgesetz zusammen. Ein einheitliches, bundesweites Wasserrechts-gesetz wurde erstmals im Jahr 1869 (Reichswasserrechtsgesetz 1869) erlassen. Seither sind auch Wassergenossenschaften aktiv. Vereinzelt wurden auch schon Wassergenossenschaften vor dem Reichswasserrechtsgesetz gegründet. Das heute geltende Wasserrechtsgesetz stammt aus dem Jahr 1934. Mit der Novellierung im Jahr 1959 wurde das österreichische Wasserrechtsgesetz als Wasserrechtsgesetz 1959 verordnet.

Die 5 ältesten noch aktiven Wassergenossenschaften Österreichs sind:

WG Niederkappel (WV; Oö.): Gründung 1852 (dzt. ca. 90 Mitglieder)

WG Bad Goisern (WV; Oö.): Gründung 1895 (dzt. ca. 810 Mitglieder)

WG Mayrhofen/Zillertal (WV; T): Gründung 1900 (dzt. ca. 480 Mitglieder)

WG Seewalchen/Attersee (WV; Oö.): Gründung 1907 (dzt. ca. 1850 Mitglieder)

WG Annaberg (WV; Sbg.): Gründung 1910 (dzt. ca. 190 Mitglieder)

Die ersten Entwässerungsgenossenschaften wurden ab 1930 gegründet, im Abwasserbereich formierten sich erst ab Mitte der 1980er Jahre Wasserge-nossenschaften. Die Zahl der Wassergenossenschaften wächst alleine in Ober-österreich jährlich um etwa 50-60. Österreichweit wird der Zuwachs auf 100-120 Wassergenossenschaften geschätzt.

2.1.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen und Gründung

Die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen für Wassergenossenschaften legt das Wasserrechtsgesetz 1959 fest. Im Wasserrechtsgesetz werden Zweck, Bildung, Inhalt der Satzung, Organe, Aufsicht und Auflösung definiert. Darüber hinaus regelt das Wasserrechtsgesetz, welche wasserwirtschaftlichen Maßnahmen einer Bewilligung unterliegen und unter welchen Auflagen diese erteilt werden können.

Die Gründung einer Wassergenossenschaft erfolgt durch Willenserklärung von mindestens 3 Eigentümern (Mitglied wird ein Grundstück, nicht eine Person), der Ausarbeitung einer Satzung sowie der Verfassung einer Gründungsniederschrift mit dem Beitritt der Mitglieder und der Festlegung der verantwortlichen Funktionäre. Nach Einreichung dieser Unterlagen bei der zuständigen Wasserrechtsbehörde kann diese, wenn keine wasserrechtlichen oder privatrechtlichen Gründe gegen die Bildung vorliegen, die Wassergenossenschaft per Bescheid anerkennen und im öffentlichen Wasserbuch eintragen. Es erfolgt keine Eintragung im Vereinsregister (DVR) oder im Firmenbuch (FB).

Für die Errichtung und den Betrieb einer Wasserversorgungs-, Abwasserbeseiti-gungs-, Entwässerungs- oder Kleinkraftwerksanlage ist überdies eine wasser-rechtliche Bewilligung nach Wasserrechtsgesetz erforderlich. Dazu können privat-rechtliche Vereinbarungen für Gestattungen bzw. Servitute von Leitungs- und Zugangsrechten sowie Kauf- oder Pachtverträge für Grundstücke erforderlich sein.

Der technische Betrieb von wasserwirtschaftlichen Anlagen unterliegt zahlreichen weiteren Bundes- und Landesgesetzen und -verordnungen wie beispielsweise der Trinkwasserverordnung, dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutz-gesetz, dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz, sowie den jeweiligen Abwasserent-sorgungs-, Wasserversorgungs- und Bodenschutzgesetzen der Länder.

Für die wirtschaftliche Administration gelten überdies Steuer- und Finanzgesetze, buchhalterische Vorschriften, sozialrechtliche Verpflichtungen und die Ansätze zur Kosten- und Leistungsrechnung (vgl. Sams 2010: 45).

Wassergenossenschaften sind Körperschaften öffentlichen Rechtes und nicht auf Gewinn ausgerichtet. Sie sind verpflichtet, soweit technisch und wirtschaftlich möglich, alle an der Mitgliedschaft Interessierte aufzunehmen und am genossenschaftlichen Unternehmen teilhaben zu lassen.

2.1.3 Organisatorische und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die wichtigsten organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Regelungen sind bei Wassergenossenschaften in den jeweiligen Satzungen, sowie in ergänzenden Ordnungen (Gebühren-, Leitungs- und Kanalordnung) und in Beschlüssen der Mitgliederversammlung oder des Ausschusses zu finden.

Beschlüsse kommen satzungsgemäß zustande, wenn eine demokratische Mehrheit (einfache Mehrheit) der Mitglieder einem Vorschlag zustimmt. Für Ent-scheidungen zur Auflösung und der Satzungsänderung ist eine 2/3-Mehrheit (qualifizierte Mehrheit) erforderlich. Wahlen der Funktionäre sind gemäß den Satzungen alle 3-6 Jahre (in OÖ fast einheitlich alle 5 Jahre) abzuhalten.

Wassergenossenschaften sind zur jährlichen Gebarungsprüfung (Kassenprüfung) durch gewählte Rechnungsprüfer und zum Abschlussbericht in der jährlichen Mitgliederversammlung verpflichtet.

Besteht eine Wassergenossenschaft aus mehr als 19 Mitgliedern, so ist die Installation eines Ausschusses verpflichtend. Dem Ausschuss werden satzungsgemäß Aufgaben und Rechte zugesprochen. Beispielsweise können in Ausschüssen die Gebühren ohne Mitsprache der Mitglieder verändert werden. Allerdings ist eine Satzungsänderung durch den Ausschuss nicht möglich, sodass wesentliche Maßstäbe für Gebührenaufteilungen nicht verändert werden können. Ausschüsse sollen die Handlungsfähigkeit von größeren Wassergenossenschaften erhöhen. Zusätzliche, aufwändige Mitgliederversammlungen für einzelne Beschlussfassungen zum betrieblichen Alltag werden so reduziert. Obmänner bzw. Obfrauen sind die satzungsgemäßen Vertreter der Wassergenossenschaften und besitzen Zeichnungs-, Vertrags- und weitreichende Geschäftsbefugnisse, jedoch immer in Verbindung mit einer weiteren Vertretung.

Die Haftung liegt, ausgenommen bei in persönlicher Verantwortung zu vertretenden Schäden, bei allen Mitgliedern der Wassergenossenschaft und ist nicht auf die Höhe einer Einlage beschränkt. Mitglieder einer Wassergenossenschaft haften, so ferne keine Haftungsübernahme durch Ver-sicherungen oder die Gemeinde vereinbart wurde, mit ihrem Privatvermögen. Einzelne, besondere Haftung von Funktionären (Obmann, Obfrau, Kassier, Ausschussmitglied,…) ist nur bei vorsätzlichen und nicht mit satzungsgemäßen Beschlüssen ausgestatteten Handlungen vorgesehen. Wassergenossenschaften sind zum nachhaltigen Betrieb und zur Erhaltung der Anlagen gesetzlich verpflichtet und an die Ansätze zur Kosten- und Leistungsrechnung gebunden. Ebenso gilt die Einhaltung der Rechnungslegungs-, Steuer- und Fiskalgesetze, sowie der sozialrechtlichen Verpflichtungen.

2.1.4 Technische Rahmenbedingungen

Die technischen Rahmenbedingungen hängen stark vom Fachbereich der Wassergenossenschaft ab. Eine Präzisierung ist hier schwer möglich. Wassergenossenschaften sind jedoch zur Einhaltung der entsprechenden Vorschriften, z.B. aus Wasserleitungs- bzw. Kanalordnung der Wassergenossen-schaft, Wasserrechtsgesetz, wasserrechtlichen Bescheiden (Auflagenpunkte), Wasserversorgungs- und Anschlussgesetze der Länder, Normen (ÖNORM, DIN, EU-NORM), Technische Richtlinien (ATV, ÖVGW, ÖWAV, DVGW,…), technischen Anleitungen (Verlege-, Montage-, Betriebsanleitungen,…) verpflichtet. Die Einhaltung wird regelmäßig durch behördliche Überprüfungen kontrolliert und Verstöße werden strafrechtlich verfolgt.

2.1.5 Einsatzbereiche von Wassergenossenschaften für kommunale Infrastruktur

Gemäß Wasserrechtsgesetz 1959 (§ 73) sind verschiedene Einsatzbereiche für kommunale Infrastruktur durch Wassergenossenschaften zur finanziellen und organisatorischen Entlastung von Kommunen möglich.

In Österreich praktizierte Tätigkeitsbereiche von Wassergenossenschaften:

- Wassergenossenschaften zur Versorgung mit Trink-, Nutz- und Löschwasser
- Wassergenossenschaften zur Beseitigung und Reinigung von Ab-wässern (auch der Betrieb eines einzelnen Kanalstranges mit Einleitung der Abwässer in ein weiteres Netz wird häufig praktiziert [~25-30%])
- Wassergenossenschaften zum Hochwasserschutz
- Wassergenossenschaften zur Entwässerung zur Regelung des Boden-wasserhaushaltes
- Wassergenossenschaften zur Bewässerung zur Regelung des Boden-wasserhaushaltes
- Wassergenossenschaften zur Errichtung, Benutzung und Erhaltung gemeinsamer, der Ausnutzung der Wasserkraft dienender Anlagen

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842819245
DOI
10.3239/9783842819245
Dateigröße
2.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule – Technik, Wirtschaftswissenschaften, Studiengang: Wirtschaftsingenieurwesen
Erscheinungsdatum
2011 (August)
Note
1,1
Schlagworte
genossenschaft wassergenossenschaft infrastruktur kommune gemeinde
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Titel: Neue Chancen für Kommunen - Potentialanalyse von genossenschaftlichen Infrastrukturbetrieben
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