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Eine systematische Bestandsaufnahme und kritische Analyse staatlicher Beteiligungen an Banken

©2011 Bachelorarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Banken, die sich teilweise oder ganz in Staatsbesitz befinden, sind seit jeher Teil der Finanzsysteme vieler Länder. Die Bandbreite des Anteils der zehn größten Banken eines Landes, die sich 1995 in Staatsbesitz befanden, reichte dabei von 0 Prozent in den Vereinigten Staaten von Amerika bis zu 100 Prozent in Afghanistan. Unter den Industriestaaten fällt besonders der hohe Anteil staatlicher Banken von immerhin 36,36 Prozent in Deutschland auf. Dies ist auf eine Besonderheit des bundesdeutschen Bankensystems zurückzuführen.
Das Bankensystem Deutschlands ist in drei Säulen gegliedert. Die erste Säule umfasst die privaten Banken, die zweite Säule die öffentlich-rechtlichen Banken und die dritte Säule die Genossenschaftsbanken. Die große Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Säule ist unverkennbar, wenn der Anteil an der Gesamtbilanzsumme des Bankensektors Deutschlands der staatlich getragenen Landesbanken und Sparkassen von immerhin 43 Prozent betrachtet wird. Gerade der hohe Anteil staatlicher Banken im deutschen Bankensystem steht seit langem in der Kritik. Unter Anderem forderte der Internationale Währungsfonds noch 2006 Reformen bei den Landesbanken. Die Finanzkrise 2007-2009 zeigte zusätzlich, wie prekär die Lage der Landesbanken war und ist. Nicht nur waren es Landesbanken, die sehr früh staatlichen Beistand benötigten, auch der Großteil der Wertberichtigungen, die Folgen der Krise waren, fielen im Landesbankensektor an. Gleichzeitig setzte jedoch im Zuge der Finanzkrise 2007-2009 weltweit eine Welle von Verstaatlichungen beziehungsweise Teilverstaatlichungen privater Banken ein.
Auf der einen Seite gefährdeten die staatlichen Banken, die große Verluste hinnehmen mussten, die Finanzmarktstabilität in Deutschland. Auf der anderen Seite wurden die durch die Finanzkrise induzierten staatlichen Beteiligungen an Banken, damit begründet, der Finanzmarktstabilität zu dienen. Die Diskrepanz, die sich daraus hinsichtlich der Bewertung staatlicher Beteiligungen an Banken und ihrem Einfluss auf die Finanzmarktstabilität ergibt, wird als Anlass für diese Arbeit gesehen.
Ziel ist es, einen Überblick über die staatlichen Beteiligungen an Banken in Deutschland zu geben sowie die Anreize für die Risikobereitschaft staatlicher Banken zu untersuchen und etwaige Anreizprobleme aufzuzeigen.
Aufbauend auf einer Bestandsaufnahme staatlicher Beteiligungen an Banken in Deutschland in Kapitel zwei, folgt im dritten Kapitel eine Analyse der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Staatliche Beteiligungen an Banken in Deutschland
2.1 Der öffentliche Bankensektor
2.2 Der private Bankensektor

3 Asymmetrische Information zwischen Staat und Banken
3.1 Definition und Grundlagen
3.2 Hidden Action und Moral Hazard am Beispiel der Sachsen LB
3.2.1 Entstehen von Moral Hazard
3.2.2 Maßnahmen gegen Moral Hazard

4 Staatliche Beteiligungen und Risikobereitschaft
4.1 Im Fall der Landesbanken
4.2 Im Fall der Sparkassen
4.3 Im Fall der Privatbanken

5 Beurteilung staatlicher Beteiligungen an Banken

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Aktiva-Struktur der Landesbanken

Abb. 2: Prinzipal-Agent-Beziehung

Abb. 3: Haftungsbeschränkung und Erwartungsnutzen

Abb. 4: Das Ergebnis der Anstrengung des Agenten als Zufallsvariable

Abb. 5: Entscheidungsstruktur ohne Überwachungsmöglichkeit

Abb. 6: Durchschnittliche Z-scores Privatbanken EU und Landesbanken

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Banken, die sich teilweise oder ganz in Staatsbesitz befinden, sind seit jeher Teil der Finanzsysteme vieler Länder. Die Bandbreite des Anteils der zehn größten Banken eines Landes, die sich 1995 in Staatsbesitz befanden, reichte dabei von 0 Prozent in den Vereinigten Staaten von Amerika bis zu 100 Prozent in Afghanistan.[1] Unter den Industriestaaten fällt besonders der hohe Anteil staatlicher Banken von immerhin 36,36 Prozent in Deutschland auf. Dies ist auf eine Besonderheit des bundesdeutschen Bankensystems zurückzuführen.

Das Bankensystem Deutschlands ist in drei Säulen gegliedert.[2] Die erste Säule umfasst die privaten Banken, die zweite Säule die öffentlich-rechtlichen Banken und die dritte Säule die Genossenschaftsbanken. Die große Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Säule ist unverkennbar, wenn der Anteil an der Gesamtbilanzsumme des Bankensektors Deutschlands der staatlich getragenen Landesbanken und Sparkassen von immerhin 43 Prozent betrachtet wird.[3] Gerade der hohe Anteil staatlicher Banken im deutschen Bankensystem steht seit langem in der Kritik. Unter Anderem forderte der Internationale Währungsfonds noch 2006 Reformen bei den Landesbanken.[4] Die Finanzkrise 2007-2009 zeigte zusätzlich, wie prekär die Lage der Landesbanken war und ist. Nicht nur waren es Landesbanken, die sehr früh staatlichen Beistand benötigten, auch der Großteil der Wertberichtigungen, die Folgen der Krise waren, fielen im Landesbankensektor an.[5] Gleichzeitig setzte jedoch im Zuge der Finanzkrise 2007-2009 weltweit eine Welle von Verstaatlichungen beziehungsweise Teilverstaatlichungen privater Banken ein.[6]

Auf der einen Seite gefährdeten die staatlichen Banken, die große Verluste hinnehmen mussten, die Finanzmarktstabilität in Deutschland. Auf der anderen Seite wurden die durch die Finanzkrise induzierten staatlichen Beteiligungen an Banken, damit begründet, der Finanzmarktstabilität zu dienen. Die Diskrepanz, die sich daraus hinsichtlich der Bewertung staatlicher Beteiligungen an Banken und ihrem Einfluss auf die Finanzmarktstabilität ergibt, wird als Anlass für diese Arbeit gesehen.

Ziel ist es, einen Überblick über die staatlichen Beteiligungen an Banken in Deutschland zu geben sowie die Anreize für die Risikobereitschaft staatlicher Banken zu untersuchen und etwaige Anreizprobleme aufzuzeigen.

Aufbauend auf einer Bestandsaufnahme staatlicher Beteiligungen an Banken in Deutschland in Kapitel zwei, folgt im dritten Kapitel eine Analyse der Anreizstruktur, die sich aus Informationsasymmetrien in der Beziehung zwischen Staat und Bank ergibt, sobald eine staatliche Beteiligung vorliegt. Dies wird am Beispiel der staatlichen Sachsen LB dargelegt. Einen besonderen Fokus erfahren dabei Anreizprobleme bezüglich der Risikobereitschaft von Banken. Dieser Fokus wird in Kapitel vier fortgeführt und an unterschiedlichen Bankengruppen, in denen staatliche Beteiligungen eine Rolle spielen, ins Auge gefasst. Im fünften Kapitel folgt eine abschließende Beurteilung von Staatsbeteiligungen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Risikobereitschaft der Banken.

2 Staatliche Beteiligungen an Banken in Deutschland

2.1 Der öffentliche Bankensektor

Der folgende Abschnitt widmet sich im Detail der bereits genannten herausragenden Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors in Deutschland. Die staatliche Eigentümerschaft der Sparkassen, Landesbanken und Förderbanken wurde damit begründet, dass diese Banken, anders als private Banken, nicht explizit gewinnorientiert sondern gemeinnützig agieren.[7] Dabei besitzen Sparkassen und Landesbanken unterschiedliche Geschäftsmodelle.

Die Sparkassen verfolgen das Hausbankprinzip, das sich durch eine besonders enge Beziehung zwischen den Banken und ihren Kunden sowie Geschäftspartnern auszeichnet.[8] Darüber hinaus gilt für sie das Regionalprinzip, welches bedeutet, dass Sparkassen nur im Gebiet ihres Trägers agieren dürfen.[9] Sparkassen agieren nicht explizit gewinnorientiert sondern nach einem ihnen gegebenen öffentlichen Auftrag.[10] Dieser Auftrag besteht in der Förderung des Sparsinns und der Vermögensbildung sowie der Kreditversorgung der Bevölkerung.[11] Deshalb weisen die Bilanzen von Sparkassen traditionell einen hohen Anteil an Forderungen gegenüber Nicht-Banken aus.[12] Als Miteigentümer der Landesbanken, stehen Sparkassen mit diesen in einem engen Verhältnis.

Die Landesbanken dienen den Sparkassen als Zentralbanken, über die sie unter anderem ihren Zahlungsverkehr verrechnen.[13] Darüber hinaus sind die Landesbanken die Hausbanken der Länder. Dieser Aufgabenbereich hat allerdings angesichts gesteigerter Konsolidierungsbestrebungen der Länder an Bedeutung abgenommen.[14] Auch ihre Förderaktivitäten mussten die Landesbanken als Folge einer Entscheidung der EU aufgeben und ausgliedern. Um den Wegfall dieser Geschäftsbereiche zu kompensieren, richteten sich die Landesbanken neu aus und traten durch ihr relativ starkes Engagement auf den internationalen Kapitalmärkten in direkte Konkurrenz zu Privatbanken. Dies zeigt eine Zuwendung des Geschäftsmodells der Landesbanken hin zu einer stärkeren Gewinnorientierung. Diese Zielsetzung unterscheidet sich deutlich von der Gemeinwohlorientierung der Sparkassen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Aktiva-Struktur der Landesbanken

Quelle: Sachverständigenrat (2009), S. 140

Die Veränderung der Geschäftsmodelle hin zu einer stärkeren Auslandsorientierung wird deutlich an der Struktur der Aktiva der Landesbanken, die in Abbildung 1 dargestellt ist. Während die Kredite an inländische Banken und Nichtbanken an Bedeutung verloren haben, sind Kredite an ausländische Banken sowie Wertpapiere ausländischer Banken und Nichtbanken wichtiger geworden.

Die Investments auf den internationalen Kapitalmärkten waren Teil von Arbitragegeschäften, bei denen die Landesbanken in Hochzinsprodukte investiert haben und diese mit kurzfristigen und niedrigverzinsten Geldmarktpapieren finanzierten. Die Arbitragegeschäfte erwuchsen den besonderen Haftungsbedingungen der öffentlichen Banken. Bis ins Jahr 2005 genossen die Landesbanken und Sparkassen mit der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung eine umfassende Haftung der Eigentümer.[15] Die Anstaltslast verpflichtete den Gewährträger dazu, den Fortbestand des Instituts sicherzustellen. Damit ergab sich, dass die Träger für etwaige Verluste eintreten mussten. Bei der Insolvenz einer Landesbank haftete der jeweilige Träger aufgrund der Gewährträgerhaftung mit seinem Vermögen. Diese Haftungssituation bescherte den Landesbanken sehr gute Ratings, die ihnen eine günstige Refinanzierung ermöglichten.

Die Europäische Kommission verständigte sich am 17. Juli 2001 mit der Bundesregierung auf die Abschaffung der Gewährträgerhaftung und der Abänderung der Anstaltslast.[16] Die Beziehung zwischen dem öffentlichen Träger und seines jeweiligen Finanzinstituts sollte durch die Änderungen äquivalent zur Beziehung eines privaten Eigentümers zu seinem Finanzinstitut werden. Durch den so bewirkten Wegfall der staatlichen Garantien und damit der günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten gerieten die Arbitragegeschäfte unter Druck.

Der Wegfall der staatlichen Garantien einerseits und die Auslagerung der Förderaktivitäten sowie die stärkere Konsolidierung der Länder andererseits führten dazu, dass die Geschäftsmodelle der Landesbanken neu ausgerichtet werden mussten. Dabei haben die Landesbanken unterschiedliche Wege beschritten, was sich in einem unterschiedlichen Abschneiden während der Finanzkrise wiederspiegelte. Die unterschiedlichen Ausrichtungen der Geschäftsmodelle führten dazu, dass die Geschäftsmodelle einiger Landesbanken in Frage gestellt wurden. In der Literatur wird oft pauschal konstatiert, dass die Landesbanken kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell besäßen.[17]

2.2 Der private Bankensektor

Der private Bankensektor besteht aus den Großbanken, Regionalbanken und sonstigen Kreditbanken, die sich in Privatbesitz befinden.[18] Durch die Finanzmarktkrise 2007-2009 wurde die Eigentümerstruktur einiger Banken allerdings maßgeblich beeinflusst. An drei privaten Banken, namentlich der Commerzbank, der Aareal Bank und der Hypo Real Estate Holding ist der Staat beteiligt. Durch diese Beteiligungen ist ein wesentlicher Charakterzug der öffentlichen Säule, in die private Säule des Bankensystems eingedrungen.

Die Beteiligungen waren Teil des vom Deutschen Bundestag am 17. Oktober 2008 beschlossenen Finanzmarktstabilisierungsgesetzes. Mit dem Gesetz wurden drei Maßnahmen zur Stabilisierung von Banken eingeführt. Dabei handelte es sich um Eigenkapitalbeteiligungen, staatliche Garantien für Schuldtitel sowie den Erwerb von Risikopositionen.[19] Jede dieser Maßnahmen wurde mit unterschiedlichen Auflagen versehen. Während für Garantien lediglich eine solide Geschäftspolitik nachgewiesen werden musste, wurden an die Kapitalmaßnahmen die höchsten Anforderungen gestellt. Um Kapital vom Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) zu erhalten, musste eine solide Geschäftspolitik nachgewiesen werden, die Managervergütung wurde gedeckelt sowie Abfindungen verboten und es durften keine Dividenden ausgeschüttet werden.[20] Ein wesentlicher Aspekt der deutschen Rettungsmaßnahmen war, dass die Maßnahmen nicht verpflichtend waren. Um die Hilfen heranzuziehen, mussten Banken diese freiwillig beantragen.[21] Im Folgenden wird auf die drei privaten Institute eingegangen, die Kapitalmaßnahmen des SoFFin in Anspruch genommen haben.

Die Commerzbank nahm als erstes privates Institut staatliche Eigenkapitalbeteiligungen in Anspruch. Sie erhielt in den Jahren 2008 und 2009 stille Einlagen in Höhe von 16,4 Milliarden Euro.[22] Zudem hält der Bund 25 Prozent + 1 Aktie an der Commerzbank.[23] Dies sichert ihm eine Sperrminorität.[24] Über die gesetzlichen Auflagen, wie die Deckung der Managergehälter und dem Verbot von Dividendenausschüttungen, hinaus, wurden der Commerzbank noch zusätzliche Auflagen auferlegt. Einerseits muss die Commerzbank Geschäftsteile veräußern, so zum Beispiel die Eurohypo.[25] Andererseits wurde mit dem SoFFin explizit einer Erweiterung der Kreditvergabe um 2,5 Milliarden Euro vereinbart.[26]

Die Hypo Real Estate geriet gegen Ende des Jahres 2008 aufgrund von Refinanzierungsschwierigkeiten ihrer irischen Tochtergesellschaft Depfa Bank plc in eine existenzbedrohende Situation. Um den Zusammenbruch zu verhindern und die Hypo Real Estate zu rekapitalisieren schoss der SoFFin der Hypo Real Estate in mehreren Tranchen insgesamt 7,42 Milliarden Euro zu und stellte zusätzliche Mittel in Höhe von 0,45 Milliarden Euro für den Bedarfsfall zur Verfügung.[27] Laut SoFFin (2011) sind bis 2011 7,7 Milliarden Euro an Kapitalmaßnahmen an die Hypo Real Estate geflossen.[28] Im Gegensatz zur Commerzbank wurde die Hypo Real Estate zu 100 Prozent vom Bund übernommen.[29] Während die Commerzbank teilverstaatlicht wurde, wurde die Hypo Real Estate somit vollständig verstaatlicht.

Als kleinste private Bank erhielt die Aareal Bank vom SoFFin unbefristete stille Einlagen in Höhe von 0,525 Milliarden Euro.[30] Es wurden der Aareal Bank über die gesetzlich vorgesehenen Auflagen keine weiteren auferlegt.[31] Somit sind, wie auch bei der Commerzbank, eine Gehaltsdeckelung und ein Dividendenverbot mit der Kapitalmaßnahme verbunden worden. Im Gegensatz zur Commerzbank und zur Hypo Real Estate hat die Aareal Bank bereits mit der Rückführung der stillen Einlagen des Bundes begonnen[32], sodass diese aktuell eine Höhe von 0,38 Milliarden Euro betragen.[33]

Durch die Beteiligung des Staates an diesen Banken ist die strikte Trennung der drei Säulen des Bankensystems nach Eigentümerverhältnissen aufgelöst worden. Dies wirft die Frage auf, wie die Veränderung der Eigentumsverhältnisse bei den Privatbanken wirkt. Dafür wird zunächst die staatliche Beteiligung als Prinzipal-Agent-Beziehung zwischen Staat und Bank gedeutet und danach das Beispiel der Sachsen LB als staatliche Bank untersucht. An ihr werden die Anreizwirkungen verdeutlich, die sich aus einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Staat und Bank für die Risikobereitschaft ergeben.

3 Asymmetrische Information zwischen Staat und Banken

3.1 Definition und Grundlagen

Der Staat als Eigentümer einer Bank beauftragt die Bank zur Ausführung von Bankgeschäften. Dazu kann er sich eines öffentlichen Auftrags bedienen. Die Bank trägt die Entscheidungsgewalt, führt die Bankgeschäfte aus und beteiligt den Staat an Gewinnen und Verlusten. In Abbildung 2 ist die Idee dieser Beziehung dargestellt.

Abb. 2: Prinzipal-Agent-Beziehung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung.

Das Verhältnis zwischen Staat und Banken, das sich ergibt, entspricht einer Prinzipal-Agent-Beziehung. Diese ist definiert als ein Vertrag mit dem eine oder mehrere Subjekte (Prinzipal[e]) ein anderes Subjekt (Agent) engagieren, um eine Leistung in ihrem Auftrag zu erfüllen, wodurch die Entscheidungsgewalt auf den Agenten übergeht.[34] Ein wichtiges Problem, das Prinzipal-Agent-Beziehungen anhaftet, ist eine asymmetrische Verteilung von Information. Diese ergibt sich, wenn ein Subjekt einem anderen Subjekt gegenüber mehr Wissen über die Qualität eines Gutes besitzt.[35] Im Falle der Beziehung zwischen Staat und Banken haben die Banken bezüglich ihrer eigenen Qualität und der Qualität ihrer Geschäfte einen Informationsvorsprung gegenüber dem Staat. Dies folgt aus der Tatsache, dass Information bei Vorliegen von Unsicherheit ein Gut darstellt, das Produktionskosten und Transmissionskosten verursacht.[36] Aufgrund dieser Kosten ist Information nicht gleich verteilt, sondern konzentriert bei den Akteuren, die am meisten von ihr profitieren können. Im Falle der Banken, werden diese als Agenten gewählt, da sie über spezielles Wissen verfügen.[37] Der Staat als Prinzipal dagegen, besitzt dieses spezielle Wissen nicht, weshalb er die Geschäftstätigkeit der Banken nie vollständig kontrollieren kann.

Wichtig ist es zwischen verschiedenen Arten der asymmetrischen Informationsverteilung zu unterscheiden, da mit ihnen unterschiedliche Folgen verbunden sind:

(1) Verborgene Eigenschaften: Bei verborgenen Eigenschaften liegt die asymmetrische Informationsverteilung vor Vertragsabschluss vor. Ein Wirtschaftssubjekt besitzt hierbei vor Vertragsabschluss mehr Informationen bezüglich der Qualität eines Gutes als ein anderes.[38] Aus dieser Konstellation entspringt das Problem der adversen Selektion.
(2) Verborgene Intention: Verborgene Intention kommt erst nach dem Vertragsabschluss zum Tragen.[39] Verborgene Intention wird zu einem Problem bei spezifischen Investitionen, bei denen sich ein Abhängigkeitsverhältnis einstellt. Diese Abhängigkeit kann für Neuverhandlungen ausgenutzt werden. Dieses opportunistische Verhalten des Vertragspartners kann zwar beobachtet, jedoch nicht verhindert werden. Das Problem, das sich ergibt ist das Problem des Hold-up.
(3) Verborgene Handlung (Hidden Action): Verborgene Handlung ist ein Problem, das nach Vertragsabschluss auftritt. Der Prinzipal ist nicht in der Lage die Anstrengungen des Agenten zu beobachten. Während bei hoher Anstrengung des Agenten dessen Nutzen abnimmt, nimmt der Nutzen des Prinzipals zu, weil die Wahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses steigt.[40] Folge verborgener Handlung ist das Problem des Moral Hazard, welches in Kapitel 3.2 eingehend erläutert wird.

Bei staatlichen Beteiligungen an Banken besteht eine Informationsasymmetrie nach dem Eingehen der Beteiligung. Der Staat besitzt den Banken gegenüber geringere Information über die Geschäftstätigkeit der Banken. Informationsasymmetrien nach dem Eingehen einer Beziehung führen zu Hold-up und Moral Hazard. Im Folgenden soll am Beispiel der Sachsen LB lediglich das Problem des Moral Hazard untersucht werden.

3.2 Hidden Action und Moral Hazard am Beispiel der Sachsen LB

3.2.1 Entstehen von Moral Hazard

Die Sachsen LB war ein bis zum 31. Dezember 2007 bestehendes Finanzinstitut öffentlichen Rechts.[41] Ihre Träger waren der Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe.[42] Als öffentlich-rechtliche Bank kam die Sachsen LB bis 2005 in den Genuss der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. Dadurch bestand bis 2005 eine explizite Sicherung der Fortführung der Geschäftstätigkeit durch den Staat. Im Jahre 2007 wurden unter anderem vom Freistaat Sachsen und der Sachsen-Finanzgruppe Liquiditätslinien für die Sachsen LB bereitgestellt.[43] Diese Kapitalzufuhren zeigen, dass die Geschäftstätigkeit der Sachsen LB auch nach dem Wegfall der expliziten Staatsgarantie geschützt wurde. Es zeigte sich, dass eine Beteiligung des Staates an einer Bank wie eine implizite Staatsgarantie für Verbindlichkeiten der jeweiligen Bank wirkt.[44] Es lag also selbst nach 2005 implizit weiterhin eine staatliche Versicherung vor einer Insolvenz der Sachsen LB vor.

Ein Problem, das Versicherungen bergen, ist Moral Hazard. Moral Hazard ist ein Anreizproblem, das aufgrund einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Individuen und nicht beobachtbarer individueller Handlungen entsteht.[45] Im Fall einer Versicherung kann diese selbst zu Veränderungen von Anreizen führen und so die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Verlustes erhöhen.[46] Dies kann von den Versicherern nicht verhindert werden, da sie die Handlungen der Versicherten nicht beobachten können. Hinsichtlich der Sachsen LB versicherte der Staat den Fortbestand der Bank. In welcher Weise diese Versicherung Anreize für eine erhöhte Risikobereitschaft setzte und die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz erhöhte, wird im Folgenden betrachtet.

Bei einer Betrachtung der Risikobereitschaft ist es zunächst wichtig, Risiko zu definieren sowie Kosten und Nutzen des Risikos zu erkennen. Risiko ist eine Abweichung von einem Mittelwert, die sowohl positiv als auch negativ sein kann.[47] Von großer Bedeutung ist, dass Risiko potenziell sehr produktiv ist. Sinn (1986) bezeichnet Risiko auch als einen wichtigen Produktionsfaktor.[48] Durch Risikokonsolidierung in Form von Versicherungen können die Anfangsrisiken, die bei einer wirtschaftlichen Tätigkeit entstehen dürfen, größer sein als ohne Versicherung.[49] Dadurch ermöglichen Versicherungen Investitionen, die aufgrund eines hohen Risikos sonst nicht eingegangen worden wären. In Abbildung 3 ist dargestellt, wie eine staatliche Versicherung auf die Investitionsentscheidung einer Bank Einfluss nimmt.

Abb. 3: Haftungsbeschränkung und Erwartungsnutzen[50]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an: Sinn (1996), S. 144.

Es handele sich bei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenum das Gesamtkapital zu Beginn der Anlageperiode und bei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenum das Gesamtkapital zu Ende der Anlageperiode.[51] Wird in eine riskante Anlage investiert handelt es sich bei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenum eine Zufallsvariable. Es wird nun eine Investitionsentscheidung betrachtet, bei der der Erwartungswert für Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltender Höhe des Gesamtkapitals zu Beginn der Anlageperiode Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenentspricht. Es entsteht also weder ein Gewinn noch ein Verlust. Bei einer Investition in eine riskante Anlage können die AusprägungenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenundAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenjeweils mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 erreicht werden. Die Erwartungsnutzenfunktion ist konkav, was die Risikoaversion der Bank wiederspiegelt. Gibt es keine staatliche Absicherung von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, so ergibt sich für das riskante Investitionsprojekt ein Erwartungswert, der auf der Sehne zwischen A und B liegt. Dieser Erwartungswert spendet genauso viel Nutzen wie das Sicherheitsäquivalent Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Die Entscheidungsträger wären also bezüglich eines sicheren Gesamtkapitals in Höhe von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenund der riskanten Anlage indifferent. Es zeigt sich allerdings, dass der Nutzen der riskanten Anlage, der äquivalent zu Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenist, geringer als der Nutzen von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenist. Die Entscheidungsträger würden sich somit gegen eine riskante Investition entscheiden.

[...]


[1] Vgl. hier und im nächsten Satz: La Porta et al. (2002), S. 272ff.

[2] Grundlegend zum Thema des deutschen Bankensystems siehe Hartmann-Wendels et al. (2010), S. 29ff.

[3] Vgl. Schrooten (2011), S. 4.

[4] Vgl. Internationaler Währungsfonds (2006), S. 76ff.

[5] Vgl. Sachverständigenrat (2008), S. 138.

[6] Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2008), S. 10.

[7] Vgl. Engerer und Schrooten (2005), S. 24.

[8] Vgl. Schrooten (2009), S. 392.

[9] Siehe § 3 Abs. 1 SpkG Nordrhein-Westfalen.

[10] Siehe § 2 SpkG Nordrhein-Westfalen.

[11] Vgl. Harmann-Wendels et al. (2010), S. 36.

[12] Vgl. Schrooten (2009), S. 392.

[13] Vgl. hier und im nächsten Satz: Hartmann-Wendels et al. (2010), S. 38f.

[14] Vgl. im Folgenden: Schrooten (2011), S. 5.

[15] Vgl. im Folgenden: Hartmann-Wendels et al. (2010), S. 36ff.

[16] Vgl. hier und im nächsten Satz: Europäische Kommission (2002), S. 4. Bis zum Jahre 2005 wurde eine Übergangsfrist eingeräumt. Verbindlichkeiten, die bis 2005 eingegangen wurden und deren Laufzeit das Jahr 2015 nicht überschreiten, wurden noch mit einer Haftung durch den Staat versehen. Vgl. Europäische Kommission (2002), S.3.

[17] Vgl. beispielsweise Schrooten (2009), S. 390 und Sinn (2008a), S. 52.

[18] Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2010), S. 33.

[19] Siehe §§ 6-8 FMStFG.

[20] Vgl. SoFFin (2011b).

[21] Siehe § 4 Abs. 1 FMStFG.

[22] Vgl. Commerzbank (2010), S. 82.

[23] Vgl. Commerzbank (2010), S. 71.

[24] Bestimmte Entscheidungen bedürfen einer 75-prozentigen Kapitalmehrheit. Beispielsweise eine Satzungsänderung (siehe § 179 Abs. 2 AktG) und eine Auflösung der Aktiengesellschaft (siehe § 262 Abs. 1 AktG). Diese Entscheidungen kann der Staat durch seinen Anteil von über 25 Prozent am Eigenkapital blockieren.

[25] Vgl. Commerzbank (2010), S. 71.

[26] Vgl. Commerzbank (2009), S. 9.

[27] Vgl. Hypo Real Estate (2010a), S.12.

[28] Vgl. SoFFin (2011).

[29] Vgl. Hypo Real Estate (2010b), S. 6.

[30] Vgl. Aareal Bank (2010), S. 15.

[31] Vgl. Aareal Bank (2009), S. 5.

[32] Die Commerzbank hat angekündigt, dass bis Juni 2011 ungefähr 80 Prozent der Staatshilfen im Rahmen einer Kapitalerhöhung zurückgeführt werden sollen. Vgl. Schäder (2011).

[33] Vgl. Soffin (2011a).

[34] Vgl. Jensen und Meckling (1976), S. 308. Für eine weitere Definition siehe: Ross (1974), S. 134.

[35] Vgl. Akerlof (1970), S. 489.

[36] Vgl. hier und im nächsten Satz: Arrow (1963), S. 946.

[37] Vgl. hier und im nächsten Satz: Arrow (1976), S. 221.

[38] Vgl. hier und im nächsten Satz: Akerlof (1970), S. 489f.

[39] Vgl. im Folgenden: Picot et al. (2008), S. 75.

[40] Vgl. Arrow (1985), S. 38.

[41] Die Sachsen LB wurde am 25. Oktober 2007 von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen. Bei der Übernahme wurde die Sachsen LB aufgelöst und firmiert unter dem Dach der Landesbank Baden-Württemberg als Sachsenbank. Vgl. Sachsen LB (2008), S. 4 und S. 92.

[42] Vgl. Sachsen LB (2008), S. 61. Die Sachsen-Finanzgruppe (SFG) ist ein Verbund sieben sächsischer Sparkasse. Anteilseigner der SFG sind der Freistaat Sachsen sowie mehrere Gebietskörperschaften und Sparkassen. Vgl. Sachsen-Finanzgruppe (2011).

[43] Vgl. Sachsen LB (2008), S.15f.

[44] Vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (2008), S. 23.

[45] Vgl. Holmström (1979), S. 74.

[46] Vgl. hier und im nächsten Satz: Arrow (1976), S. 142.

[47] Vgl. Sinn (1986), S. 557.

[48] Zum Konzept des Risikos als Produktionsfaktors siehe: Sinn (1986), S. 559ff.

[49] Vgl. Sinn (1986), S. 564.

[50] Für die Eignung der Erwartungsnutzenfunktion siehe auch: Arrow (1963), S. 959.

[51] Nachfolgender Abschnitt auf Grundlage von: Sinn (1996), S. 143ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842815407
DOI
10.3239/9783842815407
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – 4, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Genossenschaftswesen
Erscheinungsdatum
2011 (Juni)
Note
2,0
Schlagworte
bankensystem deutschland finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz soffin moral hazard risikobereitschaft
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