Der HRM-Performance-Link
Eine kritische Literaturanalyse nach 30 Jahren Personalerfolgsfaktorenforschung
Zusammenfassung
Um Wachstum und langfristigen Erfolg zu sichern, müssen Unternehmen die Fähigkeiten besitzen, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren. Sie stehen dabei vor der Herausforderung innovative, strategische und vor allem nicht imitierbare Ressourcen zu identifizieren. Eine dieser Quellen ist das Management der Ressource Mensch.
Durch die Wertschätzung des Menschen und seiner Arbeitsleistung haben sich nicht nur die betrieblichen Managementparadigmen, sondern auch die betriebswirtschaftliche Forschung verändert. Die MitarbeiterInnen eines Unternehmens werden nicht mehr als Kostenstellen in der Buchhaltung betrachtet, sondern als wertvolle und vor allem wertschöpfende Ressource des Unternehmens. Die ressourcenorientierte Perspektive in der Strategie- und Organisationsforschung, welche das Ziel verfolgt einen signifikanten Beitrag zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen und somit zum Unternehmenserfolg zu leisten, gewinnt zusehends an Bedeutung und der Begriff Human Resource Management wird zum Synonym für Personalverwaltung. Publikationen mit Titeln wie Building Profit by Putting People First, HR as a Source of Shareholder Value oder Building Competitive Advantage Through People verdeutlichen diese Entwicklung.
Der vorliegende Beitrag präsentiert eine Literaturanalyse auf der Basis von 57 Primärstudien, die den Zusammenhang zwischen personalpolitischen Maßnahmen und der Unternehmensperformance untersucht haben. Die Analyse zeigt, dass trotz der 30jährigen Geschichte der Personalerfolgsfaktorenforschung die Ergebnisse der Studien erheblich voneinander abweichen und bis heute zu keinem abschließenden Resümee geführt haben. Aufgrund methodischer Schwächen und der Verwendung unterschiedlicher Meßgrößen ist dieses Forschungsfeld massiver Kritik ausgesetzt. Dies ist der Ausgangspunkt für diese Arbeit.
Bis heute müssen sich die Personalverantwortlichen eines Unternehmens einer großen Herausforderung stellen: Während die Investitionen in das Humankapital (z.B. Weiterbildungsmaßnahmen, Anreizsysteme, Gehälter) finanziell dokumentiert werden können, ist der Output dieser Investitionen nur schwer messbar zu machen. Für das Selbstverständnis des HRM ist der Performance-Einfluss daher von entscheidender Bedeutung. Das Personalmanagement eines Unternehmens muss bis heute den Beweis antreten, dass Wert geschaffen und nicht vernichtet wird. Vor allem in Zeiten von globalen Finanzkrisen und der Reduzierung von Personalüberhängen […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2. Konzeptioneller Hintergrund
2.1. Personal als Strategie
2.1.1. Von der Personalverwaltung zum Human Resource Management:
Strategisches HR-Management (SHRM)
2.1.2. Die ressourcenorientierte Perspektive des Strategischen HR-Managements
2.2. Personal als Erfolgsfaktor
2.2.1. Personalpolitische Erfolgsbeiträge
2.2.2. Der Link zwischen HRM und Unternehmenserfolg
2.3. Forschungsparadigmen zur Erklärung des HRM-Performance-Link
2.3.1. Universalistische Perspektive
2.3.2. Kontingenz-Perspektive
2.3.3. Konfigurationale Perspektive
2.3.4. Kontext-Perspektive
2.3.5. Integrative Perspektive
2.3.6. Zusammenfassung der Forschungsparadigmen
3. Analyse empirischer Studien zum HRM-Performance-Link
3.1. Einführung
3.2. Auswahl und Kategorisierung der Primärstudien
3.3. Forschungsdesign der Studien
3.4. Definition und Untersuchung der Variablen
3.4.1. Abhängige Variable: Unternehmensperformance
3.4.2. Unabhängige Variable: Human Resource Management
3.4.2.1. Erfolgsbeiträge durch Investitionen in das Humankapital
3.4.2.2. Erfolgsbeiträge durch High Performance Work System (HPWS)
3.4.2.3. Erfolgsbeiträge durch Vergütung und individuelle Anreizsysteme
3.4.2.4. Erfolgsbeiträge durch Commitment
3.4.2.5. Erfolgsbeiträge durch leistungswirtschaftliche Integration der Personalfunktion
3.4.2.6. Erfolgsbeiträge durch flexibilisierende HR-Maßnahmen
3.4.2.7. Erfolgsbeiträge durch Rekrutierung
3.4.2.8. Erfolgsbeiträge durch MitarbeiterInnen-Partizipation
3.4.2.9. Erfolgsbeiträge durch Leistungsbeurteilung und Feedbacks
3.4.2.10. Erfolgsbeiträge durch Legitimation
3.5. Zusammenfassung der vorgestellten Studien
4. Diskussion der Ergebnisse
4.1. Relevante HR-Maßnahmen für den Unternehmenserfolg
4.2. HRM Best Practices und Unternehmenserfolg
4.3. Kritikpunkte
5. Schlussbetrachtung & Ausblick
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Ressourcenorientierte Perspektive zur Erreichung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Abb. 2: Merkmale der Humanressourcen und ihr Beitrag zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen
Abb. 3: Verbindung zwischen HRM und Performance
Abb. 4: Die Kausalkette des HRM
Abb. 5: Universalistische Perspektive
Abb. 6: Kontingenz-Ansatz
Abb. 7: Konfigurationale Perspektive
Abb. 8: Kontext-Perspektive
Abb. 9: Integrative Perspektive
Abb. 10: Erfolgsstudien nach Veröffentlichungsdatum
Abb. 11: Relative Anteile nach Regionen
Abb. 12: Erfolgsstudien nach Journals
Abb. 13: Erfolgsstudien nach Datenerhebung
Abb. 14: Forschungsdesign der Studien
Abb. 15: Kausalzusammenhang individueller Humankapitalinvestitionen
Abb. 16: Erfolgsbeiträge durch HPWS
Abb. 17: Employee Value Proposition – EVP
Abb. 18: Erfolgsbeiträge durch individuelle Leistungsanreize
Abb. 19: Stellhebel zum MitarbeiterInnen-Commitment
Abb. 20: Erfolgsbeiträge durch leistungswirtschaftliche Integration
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Von der Personalverwaltung zum Human Resource Management
Tab. 2: Die Aufgaben des Strategischen Human Resource Management
Tab. 3: Ansätze zur Erklärung personalpolitischer Erfolgsbeiträge
Tab. 4: Forschungsansätze zur Erklärung des HRM-Performance-Link
Tab. 5: Auswahl und Kategorisierung der Primärstudien
Tab. 6: Erfolgsfaktoren in den Primärstudien
Tab. 7: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch Humankapitalinvestitionen
Tab. 8: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch HPWS
Tab. 9: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch individuelle Leistungsanreize
Tab. 10: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch Commitment
Tab. 11: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch leistungswirtschaftliche Integration
Tab. 12: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch Flexibilisierung
Tab. 13: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch Rekrutierung
Tab. 14: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch Partizipation
Tab. 15: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge durch Leistungsbeurteilung
Tab. 16: Primärstudien zur Untersuchung der Erfolgsbeiträge
Tab. 17: Theoretische Perspektiven der Erfolgsbeiträge durch das HRM
Anhang
Anhang A Primärstudien – Aufstellung Journals
Anhang B Primärstudien – Untersuchte Variablen, Effektbestimmung & Effektgröße
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Um Wachstum und langfristigen Erfolg zu sichern, müssen Unternehmen die Fähigkeiten besitzen, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren. Sie stehen dabei vor der Heraus-forderung innovative, strategische und vor allem nicht imitierbare Ressourcen zu identifizieren. Eine dieser Quellen ist das Management der Ressource Mensch.
Durch die Wertschätzung des Menschen und seiner Arbeitsleistung haben sich nicht nur die betrieblichen Managementparadigmen, sondern auch die betriebswirtschaftliche Forschung verändert. Die MitarbeiterInnen eines Unternehmens werden nicht mehr als Kostenstellen in der Buchhaltung betrachtet, sondern als wertvolle und vor allem wertschöpfende Ressource des Unternehmens (Liu et al., 2007, S. 503). Die ressourcenorientierte Perspektive in der Strategie- und Organisationsforschung, welche das Ziel verfolgt einen signifikanten Beitrag zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen und somit zum Unternehmenserfolg zu leisten, gewinnt zusehends an Bedeutung und der Begriff „Human Resource Management“ wird zum Synonym für Personalverwaltung (Gmür, 2003, S. 21). Publikationen mit Titeln wie „Building Profit by Putting People First“ (Pfeffer, 1998), „HR as a Source of Shareholder Value” (Becker et al., 1997) oder „Building Competitive Advantage Through People“ (Bartlett & Ghoshal, 2002) verdeutlichen diese Entwicklung.
Der vorliegende Beitrag präsentiert eine Literaturanalyse auf der Basis von 57 Primärstudien, die den Zusammenhang zwischen personalpolitischen Maßnahmen und der Unternehmens-performance[1] untersucht haben. Die Analyse zeigt, dass trotz der 30jährigen Geschichte der Personalerfolgsfaktorenforschung die Ergebnisse der Studien erheblich voneinander ab-weichen und bis heute zu keinem abschließenden Resümee geführt haben. Aufgrund methodischer Schwächen und der Verwendung unterschiedlicher Meßgrößen ist dieses Forschungsfeld massiver Kritik ausgesetzt. Dies ist der Ausgangspunkt für diese Arbeit.
Bis heute müssen sich die Personalverantwortlichen eines Unternehmens einer großen Herausforderung stellen: Während die Investitionen in das Humankapital (z.B. Weiter-bildungsmaßnahmen, Anreizsysteme, Gehälter) finanziell dokumentiert werden können, ist der Output dieser Investitionen nur schwer messbar zu machen (Liu et al., 2007, S. 504). Für das Selbstverständnis des HRM ist der Performance-Einfluss daher von entscheidender Bedeutung. Das Personalmanagement eines Unternehmens muss bis heute den Beweis antreten, dass Wert geschaffen und nicht vernichtet wird (Wright et al., 2005, S. 409). Vor allem in Zeiten von globalen Finanzkrisen und der Reduzierung von Personalüberhängen durch Outsourcing, Kurzarbeit oder Freisetzungen wird dieser Legitimationsdruck verstärkt (Hesketh & Fleetwood, 2006, S. 678).
Vor diesem Hintergrund entstand in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Forschungsgebiet der Personalerfolgsfaktorenforschung. Ziel dieses Forschungszweiges ist es die Erfolgsbeiträge von Personalmaßnahmen oder ganzen HR-Systemen nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch nachzuweisen (Gmür, 2003, S. 21).
Als erste Studie, die den Zusammenhang zwischen spezifischen HRM-Maßnahmen und dem ökonomischen Erfolg eines Unternehmens zu erklären versucht, kann eine Studie aus dem kanadischen Raum genannt werden (Gmür & Schwerdt, 2005, S. 222). Dimick und Murray untersuchten 1978 erstmals durch welche Aktivitäten des Personalmanagements sich erfolgreichere von weniger erfolgreichen Unternehmen unterscheiden (Dimick & Murray, 1978). Die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren durch die Dominanz nordamerikanischer WissenschaftlerInnen geprägt. Europäische bzw. asiatische Erfolgsfaktorenstudien folgten Ende der 90er Jahre, orientierten sich aber weitgehend an den bisherigen Publikationen aus den USA (Gmür & Schwerdt, 2005, S. 222). Als die einflussreichsten Studien in der Personalerfolgsfaktorenforschung gelten die Unter-suchungen von Arthur (1994), MacDuffie (1995) und Huselid (1995), die einem verhaltens-wissenschaftlichen Ansatz folgen. Seither sind mehr als hundert Studien, die den Zusammenhang von Unternehmenserfolg und Personalmanagement empirisch bestimmen wollen, veröffentlicht worden (vgl. Gmür, 2003; Becker & Gerhart, 2001; Wright et al., 2005).
Bis heute ist der Einfluss von Personalmaßnahmen auf den betriebswirtschaftlichen Unternehmenserfolg umstritten. Somit darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Forschungs-arbeiten zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Human Resource Management und Unternehmensperformance massiver Kritik ausgesetzt sind. KritikerInnen heben besonders die statistischen und methodischen Grenzen der bisherigen Studien, Kausalitätsprobleme, aber auch die Verwendung unterschiedlicher Messdaten hervor (vgl. Boselie et al., 2005; Wall & Wood, 2007; Müller-Camen et al., 2003). Guest (1997, S. 263) betont eine fundamentale Schwäche der Untersuchungen zum HRM-Performance-Link: Die Mehrzahl der veröffentlichten Studien arbeitet empiristisch ohne konsistenten theoretischen Bezugspunkt. Die Konzeptionierung einer allumfassenden Theorie wird in der Literatur auch als „Suche nach dem Heiligen Gral“ bezeichnet (Boselie et al., 2005, S. 67). Die Forschungsbeiträge zum Einfluss des HRM auf den Unternehmenserfolg sind bis heute zu keinem abschließendem Resümee gelangt. Für die Praxis können daher kaum widerspruchs-freie Empfehlungen abgeleitet werden, welche HR-Praktiken für den Unternehmenserfolg besonders entscheidend sind.
1.2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
So populär und faszinierend die Personalerfolgsfaktorenforschung ist, so heftig wird in akademischen Kreisen die grundlegende Frage aufgeworfen, ob das HRM einen Erfolgs-beitrag leistet und wie diese Wirksamkeit messbar gemacht werden kann.
Die vorliegende Arbeit beruht auf einer Auswertung von 57 Untersuchungen, welche zwischen 1985 und 2008 publiziert wurden und sich mit der Frage beschäftigen, ob das HRM einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausübt. Die Auswahl der Studien erfolgte auf Basis von Datenbankrecherchen sowie einer kontinuierlichen Analyse der in den Studien zitierten Publikationen. Im Rahmen der Analyse konnten folgende Journals für Untersuchungen zu Personalerfolgsfaktoren als besonders bedeutsam identifiziert werden: International Journal of Human Resource Management, Academy of Management Journal sowie Human Resource Management und Industrial and Labor Relations Review.
Zielsetzung der hier präsentierten Literaturanalyse ist es herauszuarbeiten, welche Theorien über den Zusammenhang zwischen HR-Maßnahmen und dem ökonomischen Erfolg des Unternehmens in der Literatur bestehen und wie die aktuellen Kenntnisse der Unter-suchungen zum HRM-Performance-Link beurteilt werden können.
Folgende Forschungsfragen werden durch eine theoretische Analyse der Fachliteratur beleuchtet:
- Welche empirischen Untersuchungen zum HRM-Performance-Link können personal-politische Erfolgsbeiträge identifizieren?
- Welche theoretischen Konzepte gibt es, die den Zusammenhang zwischen HR-Maßnahmen und Unternehmenserfolg erklären?
- Welche Forschungsparadigmen haben sich in der Literatur entwickelt, um einen Link zwischen Personalmanagement und Performanz herzustellen?
- Wo liegen die Schwächen der bisherigen Studien und worauf basieren die Kritikpunkte?
- Wie können die bisherigen Erkenntnisse beurteilt werden und welche Konsequenzen ergeben sich für die weiterführende Forschung?
Vor dem Hintergrund der dargestellten Zielsetzungen folgt die Arbeit folgender Struktur: Nach den einführenden Gedanken des ersten Kapitels wird in Abschnitt 2 der konzeptionelle Hintergrund des HRM-Performance-Link näher erläutert. Hier wird im Besonderen das Konzept des Strategischen Human Resource Management (SHRM) näher beschrieben sowie die Frage beantwortet, warum das Personalmanagement als Erfolgsressource betrachtet werden kann. Aus der Perspektive des HRM werden außerdem fünf unterschiedliche Forschungsparadigmen vorgestellt, die einen Einfluss des Personalmanagements auf den Unternehmenserfolg unterschiedlich herleiten.
Das dritte Kapitel bildet den Kern der vorliegenden Arbeit: Neben einer Beschreibung der methodischen Vorgehensweise wird die Auswahl der Primärstudien ausführlich vorgestellt. Aufgrund der Analyse wurden zehn verschiedene Theorien identifiziert, die den 57 Untersuchungen zugrunde liegen. Diese theoretischen Vermutungen werden näher erläutert und im Rahmen der darauf aufbauenden empirischen Primärstudien evaluiert.
In Kapitel 4 werden die Ergebnisse der Auswertung interpretiert und mögliche Erklärungen erörtert. Außerdem werden die gewonnenen Resultate einer kritischen Würdigung unter-zogen.
Das letzte Kapitel beinhaltet neben einer kurzen Schlussbetrachtung auch Anregungen für die zukünftige Forschung.
2. Konzeptioneller Hintergrund
2.1. Personal als Strategie
2.1.1. Von der Personalverwaltung zum Human Resource Management: Strategisches HR-Management (SHRM)
Seit Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat sich das Personalwesen in vielen Unternehmen in seiner Aufgabenstellung und Bedeutung fundamental gewandelt (Delery & Doty, 1996, S. 802; Holtbrügge, 2010, S. 1). Lag der Fokus der früheren Personalverwaltung auf der Administration der MitarbeiterInnen und der Sozialfunktion der Personalarbeit, so sieht das Human Resource Management die Belegschaft als wichtigste Ressource des Unternehmens an, welche in unserer innovativen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft einen zentralen Stellenwert einnimmt (vgl. Holtbrügge, 2010; Liu et al., 2007; Hesketh & Fleetwood, 2006). Charakteristisch für den HRM-Ansatz ist die Akzeptanz der MitarbeiterInnen des Unternehmens als eine Quelle für Wettbewerbsvorteile (Handy et al., 1989; Huselid, 1995). Der Erfolgsfaktor „Mensch“ muss neben den anderen Ressourcen des Unternehmens (z.B. Kapital, Rohstoffe, Land) so geführt, motiviert und entwickelt werden, dass sich dies positiv auf die Erfüllung der Unternehmensziele auswirkt (Handy et al., 1989, S. 14; Guest, 1987, S. 507).
Tabelle 1 fasst den Wandel von der Personaladministration zum Human Resource Management zusammen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Von der Personalverwaltung zum Human Resource Management
(Quelle: Holtbrügge, 2010, S. 2)
Während im Rahmen der Personaladministration vor allem die Rechtmäßigkeit sowie die Produktivität personeller Maßnahmen im Rahmen von Dienstanweisungen betont wurden, verfolgt das Human Resource Management insbesondere folgende Ziele:
- Zufriedenheit: MitarbeiterInnen werden nicht länger als normale Arbeitskräfte bzw. Produktionsfaktoren, sondern als Mitglieder der Organisation betrachtet. Ihre Bedürfnisse und Qualifikationen müssen bei Entscheidungen berücksichtigt werden, um eine möglichst hohe Arbeitszufriedenheit zu erzielen. Somit rückt eine ver-haltenswissenschaftliche Betrachtungsweise (z.B. Arbeitspsychologie, Arbeits-soziologie) in den Vordergrund (vgl. Gebert & von Rosenstiehl, 2002; Mikl-Horke, 2007).
- Wirtschaftlichkeit/Effizienz: Neben einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität soll der Einsatz von Personalmanagementmaßnahmen auch zu einer gestiegenen Unter-nehmenseffizienz beitragen, um in weiterer Folge die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Damit betont der HRM-Ansatz neben der MitarbeiterInnen-Zufriedenheit auch eine verstärkte Marktorientierung (vgl. Backes-Gellner et al., 2001).
Begleitet wird die Neuausrichtung der personalwirtschaftlichen Aufgaben auch von einem Begriffswandel: Während bis Anfang der 1980er Jahre die Begriffe „Personalverwaltung“ und „Personaladministration“ gebräuchlich waren, werden heute zunehmend die Begriffe „Personalmanagement“ bzw. „Human Resource Management“ verwendet (Holtbrügge, 2010, S. 2).
Vor diesem Hintergrund hat in der Personalmanagementforschung und -praxis eine strategische Betrachtungsweise Einzug gehalten, welche mit dem Begriff des „Strategischen Human Resource Management“ (SHRM) zusammengefasst wird. Dieser Ansatz fußt auf der Annahme, dass es einer strategischen Planung des Personalmanagements bedarf, um die Humanressourcen für das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen (Haubrock & Öhlschlegel-Haubrock, 2009, S. 21). So kommt den HR-Abteilungen in den Unternehmen eine gestalterische, steuernde bzw. strategische Aufgabe zu: HR-ManagerInnen werden in den Vorstand bzw. die Geschäftsführung eines Unternehmens berufen und in die Strategieentwicklung und -implementierung miteinbezogen. Neben den bereits etablierten Begriffen „CEO“ (Chief Executive Officer), „CMO“ (Chief Marketing Officer) oder „CFO“ (Chief Financial Officer) hat sich – vor allem in den USA – in den letzten Jahren auch die Position des „CHRO“ (Chief Human Resource Officer) entwickelt. Für die HR-ManagerInnen bedeutet dies auch einen Rollenwandel: Sie sind nun nicht mehr administrative DienstleisterInnen ohne Einfluss auf die Unternehmensstrategie, sondern Business-PartnerInnen, die aktiv am Strategiegestaltungsprozess teilnehmen und als MitgestalterInnen der Organisation akzeptiert werden (Hesketh & Fleetwood, 2006, S. 678; Alcázar et al., 2005, S. 214). Die Ziele des Personalmanagements bleiben bestehen, sind aber auf Organisationsstruktur, Wettbewerbsstrategie, Unternehmensgröße und -kultur sowie den Produktlebenszyklus abzustimmen (Haubrock & Öhlschlegel-Haubrock, 2009, S. 21).
In diesen Strategiebildungsprozess wird das HRM auf unterschiedliche Art und auch in unterschiedlichem Umfang eingebunden: Von der Mitarbeit bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie bis hin zur Formulierung spezifischer Ziele für das HRM, um die angestrebte Strategie zu unterstützen. Das Personalmanagement leistet nicht nur einen operativen Beitrag (z.B. Personalbedarfsplanung, Personalsuche und -einstellung), sondern generiert durch die Verknüpfung von HRM und Unternehmenszielen auch nachhaltige Wettbewerbsvorteile (vgl. Wright & McMahan, 1992; Barney & Wright, 1998).
Durch die strategische Ausgestaltung des Personalmanagements rückt die Ressource „Personal“ in den Mittelpunkt, wobei die Kompetenzen und Qualifikationen der MitarbeiterInnen Basis für die Strategieentwicklung sind. Für die HR-Verantwortlichen bedeutet diese Fokussierung auf das SHRM auch eine Neuorientierung und die Übernahme unbekannter Aufgaben, die in Tabelle 2 zusammengefasst werden (Conrad, 2003, S. 4f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Die Aufgaben des Strategischen Human Resource Management
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Haubrock & Öhlschlegel-Haubrock, 2009, S. 22)
2.1.2. Die ressourcenorientierte Perspektive des Strategischen HR-Managements
„Motivierte, gut ausgebildete MitarbeiterInnen sind die Basis des Unternehmenserfolges.“ „Das Personal ist die wichtigste Ressource unseres Unternehmens.“ Diese Behauptungen waren in der Personalmanagementpraxis schon immer sehr beliebt.[2] Seit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat sich die ressourcenorientierte Perspektive im Human Resource Management zu einem zentralen Personalmanagementansatz entwickelt und wurde daher mehrfach als theoretische Grundlage in personalwirtschaftlichen Erfolgsfaktorenstudien herangezogen (vgl. Hiltrop, 1996; Barney & Wright, 1998; Wernerfelt, 1995; Holtbrügge, 2010, S. 3). Zu diesen Untersuchungen zählen u.a. die Studien von Youndt et al. (1996), Harel und Tzafrir (1999) sowie Rodríguez und Ventura (2003).
Die ressourcenorientierte Perspektive betont, dass der Erfolg eines Unternehmens auf die strategischen, d.h. spezifischen und einzigartigen Ressourcen eines Unternehmens zurückzuführen ist (vgl. Barney 1991; Peteraf, 1993). Ziel ist es diese strategischen Fähigkeiten zu entwickeln, zu erhalten und auszubauen, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und den langfristigen Erfolg des Unternehmens zu sichern. (Holtbrügge, 2010, S. 30f). Den Humanressourcen, definiert als die Gesamtheit der Qualifikationen und Motivationen der MitarbeiterInnen, die einer Organisation zur Leistungserstellung zur Verfügung stehen, wird hierbei eine besondere Bedeutung beigemessen und die Wertschätzung des Menschen für den Unternehmenserfolg nimmt einen zentralen Stellenwert ein. So betonen Baron und Kreps (1999, S. 4) „competitive advantage built and achieved through superior human resource management is more sustainable and harder for competitors to emulate than some other bases of achieving competitive advantage.“ Dies ist darauf zurückzuführen, dass traditionelle Quellen von Wett-bewerbsvorteilen (z.B. geringere Produktionskosten, Standortvorteile, Zugang zu finanziellen Ressourcen, etc.) zusehends an Bedeutung verlieren (Becker et al., 2001, S. 7). Aufgrund technologischer Fortschritte und den daraus resultierenden verkürzten Produktlebenszyklen wird die Markteinführung neuer Produkte erleichtert und traditionelle Wettbewerbsvorteile erodieren in kürzester Zeit: Wandel ist die bedeutendste Konstante in der Wirtschaft (vgl. Pfeffer, 1994).
Das Strategische HRM will durch die gezielte Steuerung der Humanressourcen einen signifikanten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten (Klimecki et al., 2003, S. 81). Die MitarbeiterInnen, deren Wissen, Kompetenzen, Fähigkeiten und Erfahrungen, rücken somit ins Zentrum des Interesses. Die Personalarbeit ist somit nicht mehr Kostenfaktor, sondern unternehmerischer Erfolgsfaktor (vgl. Frenkel et al., 1999; Liu et al., 2007).
Für zahlreiche WissenschaftlerInnen in der Personalmanagementforschung ist der ressourcenorientierte Ansatz des Human Resource Management der Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, wie das HR-Management eines Unternehmens zu signifikanten Wettbewerbsvorteilen führen kann (vgl. Wright et al., 1994; Lado & Wilson, 1994). In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, ob das HRM überhaupt als Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile genannt werden darf.
Neben dem Einfluss externer Faktoren, dazu zählen insbesondere die Branchenattraktivität, die Verhandlungsmacht von KundInnen und LieferantInnen oder Technologieinnovationen (vgl. Ridder et al., 2001; Porter, 1985) können auch firmeninterne Ressourcen zu Wettbewerbsvorteilen führen. Barney und Wright (1998, S. 32) untersuchten die Rolle des Human Resource Management in Unternehmen und führten die nachhaltigen Wettbewerbs-vorteile eines Unternehmens grundsätzlich auf drei Quellen zurück, welche in Abbildung 1 grafisch dargestellt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ressourcenorientierte Perspektive zur Erreichung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Zu den physischen Ressourcen eines Unternehmens zählen in erster Linie die produktions-technischen Anlagen, das Finanzkapital, die Gebäude, aber auch der geografische Standort sowie der Zugang zu Rohstoffen. Formale Planungs- und Kontrollsysteme, informelle Be-ziehungen sowie die interne Firmenstruktur sind wichtige organisationale Ressourcen eines Unternehmens. Im Zentrum der Humanressourcen stehen die MitarbeiterInnen, ihre Aus-bildung, Fähigkeiten sowie Arbeitserfahrungen.
Barney (1991, S. 101) und Wright et al. (1994, S. 303) betonen dabei zwei wesentliche Grundannahmen, die getroffen werden müssen, damit interne Ressourcen – also auch das Personal – mögliche Wettbewerbsvorteile für Unternehmen generieren:
- Unternehmen verfügen über heterogene Ressourcen und Fähigkeiten.
- Diese Ressourcen unterliegen einer schwierigen Imitierbarkeit und sind daher nicht perfekt mobil. Dadurch ist die Heterogenität aus der ein Wettbewerbsvorteil generiert werden kann zumindest für einen längeren Zeitraum gesichert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Merkmale der Humanressourcen und ihr Beitrag zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Barney, 1991, S. 105ff; Cappelli & Singh, 1992; Wright et al., 1994, S. 303)
Grant (1991) stellte in seiner Analyse fest, dass Humanressourcen über jene spezifischen Merkmale verfügen, die für die ressourcenorientierte Perspektive von Relevanz sind: Sie sind wertvoll, selten, heterogen, schwer imitierbar und kaum substituierbar (Klimecki et al., 2003, S. 81). Abbildung 2 fasst diese Grundannahmen zusammen.
Das Human- und somit nicht mehr das Finanzkapital ist die Ausgangsbasis für eine erfolgreiche und nachhaltige Unternehmensstrategie und die strategische Einbindung des Human Resource Management ist Grundvoraussetzung für die Erzielung nachhaltiger Wett-bewerbsvorteile (vgl. Bartlett & Ghoshal, 2002). Es wird erwartet, dass ein Personal-management, welches in der Lage ist die Wettbewerbschancen eines Unternehmens zu erhöhen, auch einen empirisch nachweisbaren Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat (Klimecki et al., 2003, S. 81). Als Gründe dafür nennt Huselid (1995) das Wissen, die Qualifikation und die Fähigkeiten der MitarbeiterInnen sowie die langfristige Bindung besonders motivierter und leistungsbereiter ArbeitnehmerInnen an das Unternehmen. Je umfangreicher die HR-Praktiken sind, mit denen die Zusammensetzung und die Qualifikation des Personals gefördert werden, umso besser ist die Unternehmensperformance (Gmür, 2003, S. 30).
2.2. Personal als Erfolgsfaktor
2.2.1. Personalpolitische Erfolgsbeiträge
Obwohl sich der Begriff des „Human Resource Management“ bereits in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Personalmanagementforschung etabliert hat, ist die empirische Untersuchung des HRM-Performance-Link, welcher den Zusammenhang zwischen spezifischen Maßnahmen des Personalmanagements und den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens beschreibt, vergleichsweise jung. So wurden zwar bereits Ende der 70er Jahre erste Versuche unternommen, um den Einfluss des HRM auf den finanziellen Erfolg zu messen und die Legitimation der Personalabteilung im Unternehmen zu bestärken. Eine systematische Untersuchung der Erfolgsbeiträge der Ressource Personal erfolgt aber erst ab 1990 (Klimecki & Gmür, 2005, S. 63). Im Fokus der Betrachtung der Erfolgsfaktorenstudien liegt die Identifikation personalwirtschaftlicher Maßnahmen, die eine leistungssteigernde Wirkung entfalten können und somit zu einem fundamentalen Bestandteil der Unternehmensstrategie werden (vgl. Guest, 1997; Storey, 1995). Neben der Betrachtung der Makroebene (Untersuchung der Wettbewerbsziele und den sich daraus ergebenden Unternehmenszielen), ist vor allem die Mikroebene, d.h. die Wirkungsmechanismen der einzelnen Personalmanagementmaßnahmen, von entscheidender Bedeutung (vgl. Wright & Boswell, 2002).
Im Mittelpunkt dieser Arbeiten steht die Untersuchung zweier Dimensionen: Die unabhängige Variable stellt die Erfolgsbeiträge einzelner oder mehrerer HR-Funktionen dar und betrachtet somit das Personalmanagement, während die abhängige Variable den betriebwirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens repräsentiert. Tabelle 3 fasst die beiden Dimensionen zusammen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Ansätze zur Erklärung personalpolitischer Erfolgsbeiträge
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Klimecki & Gmür, 2005, S. 63)
Die erste Dimension umfasst Studien, die den Erfolgsbeitrag einzelner Personalfunktionen untersuchen. Das Ziel dieser Untersuchungen ist die Identifikation so genannter „Best Practices“, d.h. normativer Personalmanagementmaßnahmen, die bei allen Formen von Organisationen, bei allen Typen von ArbeitnehmerInnen und unter allen Rahmen-bedingungen einen Beitrag zum Unternehmenserfolg liefern und dabei anderen Instrumenten universal überlegen sind (vgl. Pfeffer, 1994 & 1998). So gibt es seit Mitte der 80er Jahre mehrere Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen dem Aufwand für Fort- und Weiterbildung und dem Unternehmenserfolg identifizieren. In anderen Unter-suchungen wird gezeigt, dass die leistungsabhängige Vergütung und der Recruiting-Aufwand für die Suche nach neuen MitarbeiterInnen positiv mit dem Unternehmenserfolg korrelieren (vgl. Russell et al., 1985; Gerhart & Milkovich, 1990; Koch & McGrath, 1996).
Im Gegensatz zur Untersuchung einzelner Personalfunktionen stehen Studien, die betonen, dass erst die Konsistenz personalpolitischer Muster den finanziellen Erfolg des Unternehmens positiv beeinflussen kann. Sowohl Ichniowski et al. (1997) als auch Arthur (1994) und Huselid (1995) betonen, dass es nicht einzelne Personalmaßnahmen sind, die erfolgswirksam sind, sondern dass erst durch die Bündelung spezifischer HR-Instrumente die Produktivität und somit der ökonomische Unternehmenserfolg gesteigert werden können. Hier sind im Besonderen folgende Ansätze zu nennen: „High Commitment“ von Walton (1985), „High Involvement“ von Wood (1999), „High Performance Work System (HPWS)“ von Huselid (1995), „High Involvement Work System“ von Lawler (1996) oder „High Involvement Work Practices“ von Guthrie et al. (2002). Das Konzept des „High Performance Work System“ nimmt in diesem Zusammenhang eine zentrale Position in der Personalerfolgs-faktorenforschung ein, da sich zahlreiche Studien an diesem Ansatz orientieren (vgl. Gomez-Mejia, 1988; MacDuffie, 1995; Way, 2002). Das HPWS unterstellt, dass Unternehmen im Wettbewerb besonders erfolgreich sind, wenn es ihnen gelingt besonders motivierte und leistungsbereite MitarbeiterInnen zu gewinnen und diese durch attraktive Personalsysteme an sich zu binden (Gmür & Schwerdt, 2005, S. 223).
Mitte der 90er Jahre verbreitete sich in der personalwirtschaftlichen Erfolgsfaktoren-forschung die Annahme, dass Kontingenzfaktoren einen erheblichen Einfluss auf die personalpolitischen Erfolgsbeiträge des Unternehmens haben. Untersucht wurden vorwiegend die Wettbewerbsstrategie bzw. das Produktionssystem eines Unternehmens (vgl. Dyer & Reeves, 1995; Delery & Doty, 1996; Ethiraj et al., 2005). Dieser Ansatz ist bis heute umstritten, da die empirischen Belege für die Kontingenzhypothesen sehr schwach ausfallen (Klimecki & Gmür, 2005, S. 64). Die Mehrheit der Untersuchungen unterstellt daher einen generellen Erfolgsbeitrag von personalpolitischen Maßnahmen und mögliche Kontingenzfaktoren werden in den Studien weitgehend ignoriert.
Zur Messung des Unternehmenserfolgs dienen in der Regel Kennzahlen der Produktivität bzw. des finanzwirtschaftlichen Erfolgs, insbesondere die Kapitalrentabilität und das Umsatz-wachstum (vgl. Boselie et al., 2005). Subjektive Einschätzungen durch Befragungen in den Unternehmen werden seltener bzw. stets in Kombination mit quantitativen Daten heran-gezogen. Auch die Erfolgsmessung auf Basis personalpolitischer Kennzahlen ist in der Forschung wenig verbreitet, da sie zwar eine eindeutige Zuordnung erfolgswirksamer HR-Maßnahmen für den Unternehmenserfolg ermöglichen, aber gleichzeitig zu der Vermutung führen, dass auch der personalpolitische Erfolg auf nicht-leistungsbezogene Ursachen zurückzuführen ist (z.B. starke Position der Personalabteilung im Unternehmen).
2.2.2. Der Link zwischen HRM und Unternehmenserfolg
Die Herausforderung für WissenschaftlerInnen in der Personalmanagementforschung ist es die Erfolgswirksamkeit der Ressource Personal theoretisch abzubilden und auch empirisch messbar zu machen. Um einen Link zwischen HRM und Unternehmensperformance herzustellen, müssen zwischen dem Input (der HR-Intervention) und dem Output (dem Indikator für Unternehmensperformance) entsprechende Variablen zwischengeschaltet werden, um nachzuweisen, wie das Human Resource Management den finanziellen Erfolg positiv beeinflussen kann (Boselie et al., 2005, S. 77). Dieser Schritt wird in der Literatur als „Kausalkette von HRM-Praktiken“ bezeichnet. Abbildung 3 zeigt die Verbindung zwischen HRM und Performance und erklärt somit indirekt, wie sich HR-Maßnahmen positiv auf den finanziellen Firmenerfolg auswirken können (Guest, 1997, S. 270).[3]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Verbindung zwischen HRM und Performance
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Guest, 1997)
Durch die Entwicklung und Implementierung einer konsistenten HR-Strategie in Abstimmung mit den gewählten Personalmanagementmaßnahmen, können nicht nur die HR-bezogenen Ergebnisse (z.B. Flexibilisierung des Human Resource Management), sondern auch die Motivation, das Commitment sowie das Zugehörigkeitsgefühl der MitarbeiterInnen verbessert werden. Dies wirkt sich auch auf die operationelle Leistung des Unternehmens aus, wodurch das Finanzergebnis positiv beeinflusst wird.
Wright und Nishii (2004) haben in einem ähnlichen Modell ebenfalls die Thematik der Kausalkette des HRM aufgegriffen und das Modell von Guest (1997) näher spezifiziert. Sie identifizieren in ihrer Analyse fünf Schritte in der Beziehung von Human Resource Management und Unternehmenserfolg. Ihr Modell ist in Abbildung 4 dargestellt und bietet eine detaillierte Grundlage, um den HRM-Performance-Link zu verstehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Die Kausalkette des HRM (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Wright & Nishii, 2004, S. 10)
Im Folgenden werden die einzelnen Schritte der HRM-Kausalkette näher erläutert (Wright & Nishii, S. 11ff):
- Beabsichtigte HR-Maßnahmen sind die vom Unternehmen vorgesehenen personalpolitischen Maßnahmen, welche vor allem durch die Unternehmenswerte und -ziele definiert sind. Ziel ist es möglichst alle MitarbeiterInnen in diese Praktiken miteinzubeziehen.
- Jene HR-Praktiken, die tatsächlich umgesetzt werden, sind die realisierten HR-Maßnahmen. Dieser Schritt zeigt, dass nicht alle vorgesehenen Personal-managementmaßnahmen in der HR-Strategie implementiert werden.
- Die wahrgenommenen HR-Maßnahmen beschreiben den Eindruck der umgesetzten HR-Maßnahmen auf die MitarbeiterInnen. So ist davon auszugehen, dass jeder Beschäftigte die Anwendung personalpolitischer Praktiken anders erfährt und beurteilt. In diesem Zusammenhang spielen vor allem subjektive Kriterien (z.B. Empfinden von Fairness, Wertvorstellungen, etc.) eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung der HR-Maßnahmen.
- Die Einstellung spiegelt die Motivation und Moral der ArbeitnehmerInnen wider, d.h. ihre Kooperationsbereitschaft. Die Einstellung bezieht sich nicht nur auf ihre Beschäftigung, sondern auch auf den/die Arbeitgeber/in.
- Das Verhalten beschreibt, wie MitarbeiterInnen Handlungen setzen und die Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben ausführen. Das Verhalten ist maßgeblich durch die Einstellung der Beschäftigten geprägt.
- Der Unternehmenserfolg resultiert letztlich aus dem Verhalten der MitarbeiterInnen und wird in der Literatur unterschiedlich definiert (z.B. Finanzielles Ergebnis, Steigerung der Produktivität, Erhöhung der MitarbeiterInnen-Zufriedenheit).
Die Erklärung dieser Kausalkette ist bis heute problematisch, da sich die Beschreibung des intermediären Prozesses, der die Beziehung zwischen HRM und Unternehmenserfolg beschreibt, in der Forschung als äußerst schwierig erweist (vgl. Wright & Gardner, 2003; Boselie et al., 2005). Dieses Phänomen wird in der Forschung auch als „HRM Black Box“ bezeichnet. Obwohl sich zahlreiche Arbeiten der Beschreibung des „Black Box“-Phänomens widmen, bleibt eine genaue und detaillierte Analyse aus und die AutorInnen beschränken sich zumeist auf die Untersuchung und Beschreibung der Input-Output-Beziehung (Boselie et al., 2005, S. 77).[4] Daher wird in den Studien auf so genannte Mediatorvariablen zurückgegriffen, um den HRM-Performance-Link indirekt heraus zu arbeiten. Zu diesen Variablen zählen insbesondere das Commitment der MitarbeiterInnen (vgl. Lee & Miller, 1999), die Arbeitszufriedenheit (vgl. Van den Berg et al., 1999) sowie die Gestaltung von individuellen Vergütungssystemen und Incentives (vgl. Murphy, 1985). Untersuchungen zur „Black Box“ konzeptualisieren dabei die Wahrnehmungen, Einstellungen sowie das Verhalten der MitarbeiterInnen und arbeiten erfolgswirksame HR-Effekte heraus. Diese können als ein Vertrag zwischen Beschäftigten und ArbeitgeberInnen betrachtet werden, welche die MitarbeiterInnen-Wahrnehmungen maßgeblich beeinflussen (Wright & Boswell, 2002, S. 261).
2.3. Forschungsparadigmen zur Erklärung des HRM-Performance-Link
In der personalwirtschaftlichen Erfolgsfaktorenforschung werden fünf unterschiedliche Forschungsparadigmen herangezogen, um einen möglichen empirisch nachweisbaren Einfluss des Human Resource Management auf den Unternehmenserfolg erkennbar zu machen. Der universalistische Ansatz, die Kontingenz- sowie die konfigurationale Perspektive beleuchten die Ausrichtung des HRM von der Mikroebene: Im Fokus der Betrachtung liegen spezifische HR-Praktiken und ihre Wirkungsmechanismen. Die Kontextperspektive bzw. der integrative Ansatz analysieren das HRM und seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg von der Makroebene. Im Vordergrund stehen die Gesamtstrategie des Unternehmens und die Verknüpfung der HR-Maßnahmen mit den Unternehmenszielen. In allen fünf Perspektiven wird dabei nicht nur die im Unternehmen implementierte HR-Strategie untersucht, auch die MitarbeiterInnen-Motivation sowie die Weiterentwicklung der ArbeitnehmerInnen in Form von Trainings sind zentrale Interessensbereiche der ForscherInnen (Alcázar et al., 2005a, S. 220ff). Die fünf unterschiedlichen Forschungsansätze werden in den folgenden Kapiteln näher erläutert.
2.3.1. Universalistische Perspektive
Die Anwendung von „Best Practices“ des Human Resource Management steht im Mittelpunkt der universalistischen Betrachtungsweise. Diese Perspektive geht davon aus, dass es spezifische HR-Maßnahmen gibt, die einen universell positiven Einfluss auf die finanzielle Performanz eines Unternehmens haben (Becker & Gerhart, 1996, S. 784). Dieses Forschungsvorhaben ist somit einer der einfacheren Ansätze zur Analyse von HR-Strategien, da eine lineare Beziehung zwischen der unabhängigen Variable (dem Humankapital) und der abhängigen Variable (der Unternehmensperformance) unterstellt wird (Alcázar et al., 2005a, S. 216; Delery & Doty, 1996). Abbildung 5 stellt diesen Zusammenhang grafisch dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Universalistische Perspektive
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Wright et al., 2001; Alcázar et al., 2005a)
Der zentrale Gegenstand dieser Perspektive ist daher die Entwicklung von HR-Praktiken, die universell einsetzbar sind und unter allen Umständen zu Erfolgsbeiträgen führen. ForscherInnen arbeiten hauptsächlich auf der mikrobasierten Ebene: Sie betrachten spezifische HR-Maßnahmen (z.B. Vergütungssystem, Verfahren zur Personalauswahl, MitarbeiterInnen-Entwicklung) isoliert voneinander und untersuchen, ob diese Praktiken universell eingesetzt werden können und einen signifikanten Beitrag zum Unternehmens-erfolg leisten (Terpstra & Rozell, 1993; Alcázar et al., 2005a, S. 217).
Im Vordergrund der universalistischen Forschung steht somit die Identifikation von „Best Practices“ im Human Resource Management, da diese einen großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben und alternativen Praktiken vorzuziehen sind (Alcázar et al., 2005a, S. 217f). Diese überlegenen Maßnahmen bzw. Praktiken werden in weiterer Folge wieder zu ganzheitlichen Konzepten, so genannten „HRM-Bündeln“ (MacDuffie, 1995) bzw. „HRM-Politiken“ (Ichniowski et al., 1996), zusammengefasst. Zu diesen Ansätzen zählen das bereits erwähnte „High Performance Work System“ von Huselid (1995) sowie das „Flexible Production System“ von MacDuffie (1995) und das „High Performance Human Resource Management“ von Becker und Huselid (1998).
In der Literatur wird eine Vielzahl von „Best Practices“ im Human Resource Management angeführt. Folgende personalpolitischen Maßnahmen werden jedoch häufiger genannt (Gmür, 2003, S. 6): variable Entlohnung (vgl. Gerhart & Milkovich, 1990), leistungsorientierte Beförderung (vgl. Borman, 1991), Personalauswahlverfahren (vgl. Terpstra & Rozell, 1993) sowie Leistungsselbstverpflichtung, Partizipation und Problemlösungspotential (vgl. Youndt et al., 1996).
In zahlreichen empirischen Arbeiten, die dem universalistischen Ansatz folgen, wird der Link zwischen HRM und Performance (also der kausale Zusammenhang) mit dem schwer greifbaren Konzept des „Commitment“ erklärt (vgl. Youndt et al., 1996). Die empirischen Tests beruhen daher auf statistisch signifikanten Beziehungen unter der Anwendung einer rigorosen deduktiven Logik (vgl. Alcázar et al., 2005a, S. 223). Dies führt zu dem bereits angesprochenen „HRM Black Box“-Phänomen. KritikerInnen weisen darauf hin, dass die universalistischen Untersuchungen keine kausale Verknüpfung zwischen den HR-Praktiken und dem Unternehmenserfolg herstellen können (vgl. Hesketh & Fleetwood, 2006, S. 679f). Auch die Nicht-Beachtung kontextueller Faktoren (z.B. Ansprüche von Stakeholdern, Unternehmensgröße, Arbeitsklima, Technologie) ist ein Kritikpunkt, der in der Literatur oft angeführt wird (vgl. Cappelli & Neumark, 2001). Außerdem ignorieren universalistische Forschungsvorhaben nicht nur die Interdependenzen zwischen einzelnen HR-Maßnahmen, sondern auch die Integration verschiedener HR-Praktiken (Alcázar et al., 2005a, S. 217).
Weitere Kritikpunkte im Zusammenhang mit universalistischen Forschungsansätzen ergeben sich durch die praktische Durchdringung bzw. Implementierung dieser Perspektive: Nicht nur die Identifikation von HRM-Praktiken, die einen positiven Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten, sondern auch die reale Umsetzung dieser Maßnahmen stellen große Heraus-forderungen an Unternehmen (vgl. Patterson et al., 1998). In Pfeffers Analyse der US-amerikanischen Textilindustrie kann dieses substantielle Problem auch empirisch bewiesen werden: Zahlreiche Unternehmen verschrieben ihr Arbeitssystem weiterhin dem Taylorismus, obwohl alternative modulare Systeme bereits existierten und den Unternehmen auch bekannt waren. Pfeffer stellte sich daher folgende Frage: „When it comes to ‚best practices‘ – why do smart organizations occasionally do dumb things?“ (Pfeffer, 1996). Hiltrop (1996) weist außerdem darauf hin, dass nicht nur die Identifikation von „Best Practices“ in der Personalmanagementforschung herausfordernd sein kann: HR-Maßnahmen, welche positiv zum Unternehmenserfolg beitragen, sind oftmals sehr unterschiedlich und können sich teilweise sogar widersprechen.
Eine Untersuchung von Alcázar et al. (2005a, S. 219) zeigt, dass der universalistische Forschungsansatz in der personalwirtschaftlichen Erfolgsfaktorenforschung an Bedeutung verliert: In einer Befragung von 223 ForscherInnen geben fast 70% der Befragten an, dem „Best Practice“-Ansatz in Zukunft weniger Beachtung zu schenken.
2.3.2. Kontingenz-Perspektive
Im Gegensatz zum „Best Practice“-Ansatz steht die Kontingenz-Perspektive, welche die Verbindung von Personalmanagementmaßnahmen (z.B. Training und Entwicklung, Entlohnung, Beförderung, Arbeitsplatzdesign) und Unternehmenserfolg in Abhängigkeit von so genannten Kontingenzfaktoren sieht (Alcázar et al., 2005a, S. 221). Auch der Kontingenz-Ansatz geht davon aus, dass durch die Entwicklung von Humanressourcen Wettbewerbsvorteile generiert werden können, wobei diese als kontingent betrachtet werden (vgl. Wright & McMahan, 1992; Wright et al., 2001).
Der Linearität der universalistischen Perspektive wird somit widersprochen und die Beziehung zwischen abhängiger Variable (Erfolg) und unabhängiger Variable (HR-Praktiken) ist nicht mehr stabil. Das Modell wird um eine dritte Variable, die Kontingenzvariable, ergänzt und geht von einer Verbindung von HRM, Performance und Kontext aus (Wright & McMahan, 1992). Universalistische Forschungsansätze werden daher abgelehnt. Abbildung 6 veranschaulicht dieses Konzept grafisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Kontingenz-Ansatz (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Jackson & Schuler, 1995; Alcázar et al., 2005a)
Aufgrund der Einbeziehung von verhaltenswissenschaftlichen Aspekten des HRM (z.B. interne Beziehungen, Organisationsstruktur) wird die im universalistischen Ansatz oft kritisierte „Black Box“ verringert, wobei kulturelle und kognitive Umweltfaktoren eine besondere Rolle spielen (vgl. Jackson & Schuler, 1995).
Die universalistische Perspektive wird um folgende Kontingenzfaktoren ergänzt:
- Unternehmensstrategie
Studien in der Tradition dieses Ansatzes unterstellen eine Interaktivität zwischen Human Resource Management und Unternehmensstrategie und heben somit die Bedeutung der Integration von Faktoren außerhalb des Personalmanagements hervor: Die Erfolgsbeiträge von HR-Praktiken sind somit vom „Fit“ mit der Geschäftsstrategie abhängig (vgl. Cappelli & Singh, 1992).
- Externe Umweltfaktoren
Zum externen Kontext werden in erster Linie das Wettbewerbsumfeld sowie die technologische, makroökonomische, gesetzgebende, kulturelle und arbeitsmarktliche Umwelt gezählt (vgl. Jackson & Schuler, 1995; Becker & Gerhart, 1996).
- Interne organisationale Variablen
Auch der interne Kontext wird in der Kontingenz-Perspektive berücksichtigt: So haben die Unternehmensgröße, die Technologie, die Organisationsstruktur sowie interne Netzwerke einen erheblichen Einfluss auf die Personalmanagementpraktiken und deren Erfolgsbeiträge (vgl. Jackson & Schuler, 1995).
Der Kontingenz-Ansatz betont nicht nur die Einbeziehung von verhaltenswissenschaftlichen Faktoren (vgl. Miles & Snow, 1984; Jackson & Schuler, 1995), sondern auch den ressourcen-orientierten Ansatz in der Unternehmensforschung (vgl. Wright & McMahan, 1992; Barney & Wright, 1998; Wright et al., 2001).[5] Das theoretische Fundament dieses Forschungs-vorhabens ist daher solider als jenes der universalistischen Perspektive (Alcázar et al., 2005a, S. 222).
Aufgrund der Komplexität der Beziehungen, die im Kontingenz-Modell unterstellt werden, kommen die Untersuchungen dieser Perspektive (vorwiegend Regressions-, Faktor- bzw. Meta-Analysen) oft zu weniger signifikanten Ergebnissen im Vergleich zum „Best Practice“-Ansatz (Alcázar et al., 2005a, S. 223). Becker und Gerhart (1996) betonen, dass die Kontingenz-Perspektive aufgrund der angewandten Untersuchungsmethoden daher häufig zur Formulierung von universalistischen Schlüssen führt. Außerdem vernachlässigt auch diese Perspektive die Betrachtung von Synergieeffekten und die Integration verschiedener HR-Praktiken (vgl. Delery & Doty, 1996).
Aufgrund der wenig signifikanten Ergebnisse der Untersuchungen von Kontingenzfaktoren wird dieser Ansatz von ForscherInnen in der personalwirtschaftlichen Erfolgsfaktoren-forschung gegenüber der universalistischen Perspektive weitgehend vernachlässigt. Befragungen gehen allerdings davon aus, dass die Bedeutung des Kontingenz-Modells in Zukunft steigen wird (Alcázar et al., 2005a, S. 224).
2.3.3. Konfigurationale Perspektive
Der konfigurationale Ansatz stellt eine Weiterentwicklung des universalistischen bzw. Kontingenz-Ansatzes dar und legt einen höheren Wert auf die Konstellation der internen Faktoren im Unternehmen. Dieses Forschungsvorhaben definiert das Human Resource Management als multidimensionales System, welches unterschiedliche Methoden umfasst, um das Humankapital zu fördern und weiterzuentwickeln (Alcázar et al., 2005a, S. 226). Diese Perspektive betont daher nicht nur die synergetischen Interdependenzen zwischen einzelnen HR-Maßnahmen, sondern auch die Integration dieser Praktiken. Somit ist die Beziehung einer Personalmanagementmaßnahme mit dem Erfolgsbeitrag auch von der Anwendung anderer HRM-Praktiken abhängig und das Konzept der Linearität zwischen dem Humankapital und dem Unternehmenserfolg wird abgelehnt (vgl. Delery & Doty, 1996). Im Gegensatz zum universalistischen Ansatz können HR-Praktiken, die sich positiv auf die Performance auswirken daher nicht additiv zu einem Bündel zusammengefasst werden, sondern müssen gesamt betrachtet werden. So testen beispielsweise Ichniowski et al. (1997) den Einfluss einer Gruppe von untereinander konsistenten HR-Maßnahmen auf die Unternehmensperformance.
Die konfigurationale Perspektive basiert auf dem Ansatz, dass eine synergetische Integration der HRM-Praktiken angenommen wird: Ein kohärentes System hat somit einen höheren Einfluss auf den ökonomischen Unternehmenserfolg als isolierte Personalmanagement-praktiken (vgl. Delery & Doty, 1996; Alcázar et al., 2005a, S. 226). Dieser Ansatz erlaubt somit eine tiefergehende Analyse der „Black Box“, die ein grundlegendes Problem der universalistischen Perspektive ist (Alcázar et al., 2005a, S. 226).
Der Konfigurationsansatz fußt auf Ideen aus der allgemeinen Systemtheorie (vgl. Snell & Dean, 1992) sowie dem ressourcenorientierten Paradigma der Unternehmensforschung[6] (vgl. Delery & Shaw, 2001), bedient sich aber auch Gedanken des verhaltens-wissenschaftlichen Ansatzes bzw. der Humankapital-Theorie (vgl. Miles & Snow, 1984; Lepak & Snell, 1999).
Abbildung 7 verdeutlicht die Weiterentwicklung des universalistischen bzw. Kontingenz-Ansatzes grafisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Konfigurationale Perspektive
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Wright et al., 2001; Alcázar et al., 2005a; Delery & Shaw, 2001)
Damit Personalmanagementpraktiken einen Erfolgsbeitrag leisten können, müssen zwei Grundannahmen erfüllt sein (Alcázar et al., 2005a, S. 226):
- Die HR-Maßnahmen müssen mit den externen, internen und strategischen Umweltfaktoren konsistent sein (vgl. Delery & Doty, 1996).
- Die HR-Strategie muss auch synergetische Interdependenzen, welche zwischen den HR-Praktiken wirken, berücksichtigen und die Integration der Maßnahmen fördern (vgl. Venkatraman & Prescott, 1990).
Die Herausforderung für ForscherInnen des Konfigurationsansatzes ist die empirische Überprüfbarkeit: Meyer et al. (1993) stellen in ihrer Arbeit fest, dass die analysierten konfigurationalen Muster keine empirisch beobachtbaren Phänomene sind, sondern eher Idealtypen bzw. -vorstellungen. Unternehmen werden daher dazu tendieren diese Personalmanagementmaßnahmen an die HR- bzw. Geschäftsstrategie anzupassen, auch wenn es keinen exakten strategischen „Fit“ gibt (Alcázar et al., 2005a, S. 226; Meyer at al., 1993; Doty & Glick, 1994). Dies führt nicht nur zu ungenauen Messungen, sondern auch zu einer Simplifizierung der Realität: Die empirischen Ergebnisse der Untersuchungen (vorwiegend Cluster-, Faktor- bzw. neuronale Netzwerk-Analysen[7] ) sind im Vergleich zur universalistischen Perspektive nicht eindeutig (vgl. Delery, 1998).
Obwohl der Einsatz des konfigurationalen Ansatzes in Zukunft leicht ansteigen wird, bevorzugen AkademikerInnen der Personalmanagementforschung die Verwendung von Modellen, welche der Kontingenz-Perspektive folgen (Alcázar et al., 2005a, S. 227f).
2.3.4. Kontext-Perspektive
Der kontextuelle Ansatz impliziert eine grundlegende Neubetrachtung des Strategischen Human Resource Management: Diese Perspektive basiert auf einer Verschiebung des Be-trachtungswinkels durch die Anwendung eines breiteren deskriptiven Modells (Alcázar et al., 2005a, S. 230). Somit wird die Beziehung zwischen HRM und der Unternehmensumwelt (dem Kontext) komplett überdacht. Die Kontextperspektive geht davon aus, dass das HRM – und somit auch die Personalmanagementpraktiken – mit dem Kontext interagieren. VertreterInnen des kontextuellen Ansatzes betonen, dass die Auswirkungen von HR-Maßnahmen nicht nur intern zu untersuchen, sondern auch Einflüsse auf den externen organisationalen und sozio-ökonomischen Kontext zu erfassen sind, in welchem Managemententscheidungen getroffen werden. Dieser Kontext kann bedingend wirken, aber auch vom Personalmanagement bedingt werden. HR-Strategien müssen daher einerseits hinsichtlich ihrer Wirkung auf interne Aspekte, aber auch auf ihren Einfluss auf die Unternehmensumwelt untersucht werden (vgl. Brewster et al., 1991; Brewster, 1993, 1995 & 1999; Alcázar et al., 2005a, S. 230). Abbildung 8 veranschaulicht grafisch die Miteinbeziehung der Unternehmensumwelt und ihren Einfluss auf das Personalmanagement des Unternehmens.
[...]
[1] In Untersuchungen aus dem US-amerikanischen bzw. britischen Raum wird fast ausschließlich der Begriff „Performance“ verwendet. In den meisten Arbeiten aus dem deutschsprachigen Raum wird „Performance“ mit „Unternehmenserfolg“ übersetzt bzw. gleichgesetzt (vgl. Gmür & Schwerdt, 2005). Auch die vorliegende Arbeit folgt dieser Übersetzung.
[2] Vgl. dazu das Leitbild der Telekom Austria Group unter http://www.telekomaustria.com/verantwortung/mitarbeiter.php - Abgefragt am: 31.01.2011
[3] Ähnliche Modelle sind auch in den Untersuchungen von Becker et al. (1997), Wright und McMahan (1992), Paauwe und Richardson (1997) sowie Paul und Anantharaman (2003) zu finden.
[4] Zur Problematik der „HRM Black Box“ siehe Kapitel 4.3. Kritikpunkte
[5] Vgl. Kapitel 2.1. Personal als Strategie
[6] Vgl. Kapitel 2.1.2. Die ressourcenorientierte Perspektive des Strategischen HR-Managements
[7] Vgl. MacDuffie (1995) und Woelfel (1993) für weiterführende Informationen.