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Der Sulcus praeauricularis

Geschlechtsdiagnose im Kontext archäologischer Funde

©2010 Bachelorarbeit 34 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In dieser Arbeit soll der Sulcus praeauricularis phänomenologisch betrachtet werden. Es ist zu verstehen als eine kleine Zusammenfassung der Diskussionen über die Wertigkeit und das Entstehen des Sulcus. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts diskutieren Wissenschaftler über das Thema. Dieser Sulcus befindet sich am oberen Beckenstück, dem Os pubis an der Facies auricularis. Die Meinungen über ihn sind geteilt. Es gibt Forscher, u.a. Zaaijer die meinen, dieser Sulcus wäre ein Resultat der Beanspruchung des Ligamentum sacro iliaca ventralia. Dann wiederum gibt es andere Wissenschaftler, die glauben, dass der Sulcus ein Geschlechtsbestimmungsmerkmal ist, da besonders der stark ausgeprägte Sulcus praeauricularis im weiblichen Becken vorkommt und bei den männlichen Becken eher schwach bis gar nicht vorhanden ist. Diese stärkere Ausprägung erklärt sich zum Beispiel Houghton durch Geburtstraumen bzw. verstärkte Beckenbelastungen durch die Schwangerschaft. Es soll hier dargestellt werden, wie wichtig der Sulcus wirklich für die Geschlechtsbestimmung ist, und ob er bei archäologischen Skelettfunden ausschlaggebende Ergebnisse über das Geschlecht geben kann. Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Vorwort4
2.Anatomie des Beckens5
2.1Der Sulcus praeauricularis8
3.Forschungsgeschichte10
3.1Diskussion des Sulcus praeauricularis aus medizinischer Sicht16
4.Wertigkeit des Sulcus praeauricularis als Geschlechtsbestimmungsmerkmal18
5.Der Sulcus praeauricularis im archäologischen Kontext in Hinsichtauf die Geschlechtsbestimmung am Becken23
6.Schlusswort26
7.Literatur28
7.1weitere Quellen32 Textprobe:Textprobe:
Kapitel 3.1, Diskussion des Sulcus praeauricularis aus medizinischer Sicht:
Wie schon vorher angedeutet, sind sich die Forscher einig, wodurch der Sulcus praeauricularis entsteht, nämlich durch die Beanspruchung der Ligamente, die an den entsprechenden Beckenteilen reiben. Jedoch ist unklar, wie diese unterschiedlichen Ausprägungen entstehen und warum nur stark ausgeprägte Sulci bei den weiblichen Becken auffindbar sind. Es geht mehr um die Frage, wodurch die unterschiedlichen Ausprägungen des Sulcus beeinflusst werden und wieso vornehmlich Frauen diesen Sulcus praeauricularis aufweisen.
Die Ligamente werden permanent beansprucht, jedoch konnte man feststellen, dass durch die Schwangerschaft eine noch stärkere Belastung der Ligamente hervorgerufen wird.
Durch weitere Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass ab […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Anatomie des Beckens
2.1 Der Sulcus praeauricularis

3. Forschungsgeschichte
3.1 Diskussion des Sulcus praeauricularis aus medizinischer Sicht

4. Wertigkeit des Sulcus praeauricularis als Geschlechtsbestimmungsmerkmal

5. Der Sulcus praeauricularis im archäologischen Kontext in Hinsicht auf die Geschlechtsbestimmung am Becken

6. Schlusswort

7. Literatur
7.1 weitere Quellen

1. Vorwort

In dieser Arbeit soll der Sulcus praeauricularis phänomenologisch betrachtet werden. Es ist zu verstehen als eine kleine Zusammenfassung der Diskussionen über die Wertigkeit und das Entstehen des Sulcus. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts diskutieren Wissenschaftler über das Thema. Dieser Sulcus befindet sich am oberen Beckenstück, dem Os pubis an der Facies auricularis. Die Meinungen über ihn sind geteilt. Es gibt Forscher, u.a. Zaaijer (1893) die meinen, dieser Sulcus wäre ein Resultat der Beanspruchung des Ligamentum sacro iliaca ventralia.[1] Dann wiederum gibt es andere Wissenschaftler, die glauben, dass der Sulcus ein Geschlechtsbestimmungsmerkmal ist, da besonders der stark ausgeprägte Sulcus praeauricularis im weiblichen Becken vorkommt und bei den männlichen Becken eher schwach bis gar nicht vorhanden ist. Diese stärkere Ausprägung erklärt sich zum Beispiel Houghton (1974) durch Geburtstraumen bzw. verstärkte Beckenbelastungen durch die Schwangerschaft.[2]

Es soll hier dargestellt werden, wie wichtig der Sulcus wirklich für die Geschlechtsbestimmung ist, und ob er bei archäologischen Skelettfunden ausschlaggebende Ergebnisse über das Geschlecht geben kann.

2. Anatomie des Beckens

Vorab sollen hier einzelne anatomische und geschlechtsdifferenzierte Merkmale am Becken beschrieben werden, um den folgenden Kontext nachvollziehen zu können. Das Becken (Pelvis) setzt sich aus drei Teilen zusammen: Dem Darmbein, Os ilium, dem Sitzbein, Os ischii und dem Schambein, Os pubis (siehe Abb.1).[3]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Rechtes Hüftbein; Anatomische Aufteilung

Gemeinsam bilden sie das Acetabulum bzw. die Hüftpfanne. Den größten Teil im Becken bildet das Os ilium. Dieses wird durch den Darmbeinkamm im oberen Bereich abgeschlossen. Os pubis bildet sich aus einem oberen, zwischen Schambeinfuge und Darmbein verlaufenden Ast und einem absteigenden, mit dem Sitzbein verbundenen Ast. An dem oberen ragt ein kleiner Höcker, Tuberculum pubicum, hervor, am dem das Leistenband ansetzt.[4] Sitzbein und Schambein begrenzen vorne ein ovales Loch, das Foramen obturatum (siehe Abb.2).[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Innenseite des Hüftbeins mit anatomischer Beschriftung

Die Symphysen werden als bandscheibenartige Strukturen beschrieben. Sie sind eng mit der funktionellen Mechanik des Beckens verbunden.[6] Durch die Beanspruchung des Gehens bilden sich faserige Strukturen und eine charakteristische Verteilung von Knochendichte an den Sacroiliak-Gelenken und Symphysen. Dementsprechend handelt es sich um ein Gelenk mit vorderer und hinterer Kapsel, Gelenkspalt und Gelenkknorpel. Jopp (2007) bezieht sich auf die Habilitationsschrift von Kernbach Wighton (1999), um den Symphysenaufbau am Becken genauer zu beschreiben. Es heißt, dass die Schambeine im Bereich der Symphyse durch Bänder miteinander verbunden sind. Diese Bänder werden als Ligamentum pubicum superius, welches am oberen Schambeinrand verläuft, und als Ligamentum arcuatum pubis beschrieben. Das Ligamentum arcuatum pubis überbrückt als eine ca. ein Zentimeter hohe Bandplatte die unteren Schambeinäste. Die Symphysen werden im allgemeinen durch Bewegungen im Beckenbereich sehr stark belastet. Durch Druckbelastungen im kranialen und dorsalen Bereich wird der Beckenring durch Biegungen beansprucht.[7]

Das Becken ist eines der wichtigsten Merkmale in der Geschlechtsbestimmung, da wesentliche Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Becken existieren. Die Funktion des Beckens als Geburtskanal bei der Frau ist eines der ausschlaggebendsten Geschlechtsunterschiede.[8] Durch diese Tatsache lassen sich Proportionsunterschiede bei männlichen und weiblichen Becken leichter nachvollziehen. Das Becken der Frau ist relativ gesehen breiter und niedriger als das des Mannes.[9] Mädchen haben bereits im Säuglingsalter ein breiteres Becken als Jungen. Bis zum 10. Lebensjahr besteht ein gleichsinniges Wachstum. Im Verlauf des 10. Lebensjahres wächst jedoch das weibliche Becken allmählich mehr in die Breite. Somit lässt sich sagen, dass ab der Pubertät ein ausgeprägter Geschlechtsunterschied besteht.[10]

Die Verbreiterung des Beckens der Frau entsteht durch einen vergrößerten Winkel der Incisura ischiadica major und einer ventralen Verlängerung des Os pubis und Os ischii. Diese Ausdehnung des weiblichen Beckens in die Breite bewirkt, dass der Angulus subpubicus breiter und das Foramen obturatum mehr zu einer Dreiecksform neigt. Entgegengesetzt dazu ist das männliche Becken, bei dem der Angulus subpubicus schmaler und das Foramen obturatum eher abgerundet oval ist (siehe Abb.3).[11]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Geschlechtsunterschiede am weiblichen und männlichen Becken

2.1 Der Sulcus praeauricularis

In diesem Teilkapitel soll lediglich der Sulcus praeauricularis in seinem anatomischen Kontext beschrieben werden.

Im Bereich des Kreuz-Darmbeingelenks, an der ohrförmigen Gelenkfläche, die Facies auricularis, befindet sich der Sulcus praeauricularis (siehe Abb. 4).[12]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Anatomische Sitz des Sulcus praeauricularis

Der vordere Bereich der Gelenkkapsel wird durch das Ligamentum sacro iliaca interossa und dorsalia zwischen den beiden Darmbeinen aufgehängt.[13] Durch diese Ligamenta wird das Becken bei Bewegungen entlastet und in seiner Form gehalten. Dies bedeutet demnach, dass der Sulcus praeauricularis an dem inferioren bzw. anterioren Bereich des Ligamentum sacro iliaca ventralia anhaftet (siehe Abb. 5). Der Sulcus wird als Rinne oder Furche beschrieben, der an männlichen Becken nur schwach ausgeprägt ist oder fehlt, wobei er in der Regel am häufigsten am weiblichen Becken auftritt.[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Bogenkonstruktion des Beckens mit den angehefteten Ligamenten und deren Beanspruchung bei verschiedenen Belastungen

Nach Houghton (1974) existieren zwei verschiedene Ausprägungen vom Sulcus praeauricularis, die im späteren Verlauf dieser Arbeit noch genauer besprochen werden (siehe Kapitel 3).[15]

Er geht davon aus, dass die Sulcusausprägung durch eine Schwangerschaft begünstigt wird.[16] Durch Geburtstraumen können Gruben in der seichten Furche des Sulcus entstehen (siehe Kapitel 3.1). Jedoch muss hierbei berücksichtigt werden, dass diese Grubenbildung auch ohne Geburten entstehen und dass durch das Alter die Gruben remodelliert werden können. Die Untersuchungen von Hermann und Bergfelder (1978) ergaben, dass die Zahl der Geburten nicht vom Sulcus praeauricularis ablesbar ist.[17]

3. Forschungsgeschichte

Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs das Interesse am menschlichen Becken, da man meinte, dort „Rassenmerkmale“ feststellen zu können. Es begann 1842, als A. Retzius den Längenbreiten-Index vorstellte und verschiedenste Becken auf metrisch nachweisbare Rassenunterschiede untersuchte. A. Weisbach führte 1885 Messungen an Becken österreichischer Völker durch und wurde somit ein Pionier der Pelvimetrie.[18]

Die Entdeckung des Sulcus praeauricularis ist T. Zaaijer zu verdanken. Er untersuchte 1866, 26 javanische Frauenbecken auf metrischer Basis (siehe Abb. 6).[19]

Zudem verglich er diese mit 41 europäischen Hüftbeinen, deren Geschlecht nicht angegeben war.[20] Seine Schlussfolgerung aus den Untersuchungen war:

„Der sulcus praeauricularis, welcher bei den meisten javanischen Frauenbecken angetroffen wird, fehlt bei den europäischen Becken entweder ganz oder ist doch nur sehr schwach entwickelt; er dient zur Anheftung der ligamenta sacro-iliaca anteriora.“ [21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Fig.1 rechtes Hüftbein einer erwachsenen javanischen Frau mir stark entwickeltem Sulcus praeauricularis; Fig.2 linkes Hüftbein eines 45jährigen Mannes mit schwach entwickeltem Sulcus praeauricularis

[...]


[1] Zaaijer 1893, 15.

[2] Houghton 1974, 383.

[3] Jopp 2007, 13.

[4] Ebd.

[5] Jopp (wie Anm.3), 14.

[6] Ebd.

[7] Jopp (wie Anm.3), 15.

[8] Sjovold 1988, 446.

[9] Sjovold (wie Anm. 8),447.

[10] Hunger, Leopold 1978,134.

[11] Sjovold (wie Anm. 8),447.

[12] Jopp (wie Anm.3), 16.

[13] Ebd.

[14] Jopp (wie Anm.3), 17.

[15] Hoyme, Iscan 1989, 77.

[16] Ebd.

[17] Sjovold (wie Anm. 8),447.

[18] Breitinger 1990, 64.

[19] Zaaijer (wie Anm. 1), 3.

[20] Zaaijer (wie Anm. 1), 4.

[21] Ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842815056
DOI
10.3239/9783842815056
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Philosophie und Geschichte, Frühgeschichtliche Archäologie
Erscheinungsdatum
2011 (Juni)
Note
1,7
Schlagworte
paläoanthopologie geschlechtsdiagnose geburtstraumatische veränderung gynäkologie sulcus
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Titel: Der Sulcus praeauricularis
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