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Wenn ein Student dem Druck nicht mehr standhält

Leistungen und Versagen von Hochschulen in der psychosozialen Betreuung

©2008 Studienarbeit 105 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
‘Eine Untersuchung des Deutschen Studentenwerks von 1999 ergab, dass 40 Prozent der Studierenden mit psychischen Problemen zu tun hatten.’ In Berlin sind bereits um die 5.000 Studenten in psychologischer Behandlung. Die Tendenz ist steigend. So bestätigte eine Erhebung im Jahr 2001 an der Universität Münster, dass bereits 20% der dort immatrikulierten Studenten ihre psychischen Probleme als eine große Schwierigkeit in ihrem Studium ansehen.
Die Entscheidung zur Einführung von Studiengebühren seitens des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2005 spielt in diesem Kontext eine wesentliche Rolle. Die damit einhergehenden und sich zunehmend verschlechternden Lebensbedingungen im Hinblick auf die Finanzierung des Studiums, üben steigenden Druck auf den einzelnen Studenten aus. Der Spagat zwischen dem Studium und dem Job führt nicht bei wenigen Studenten zu psychischen Erkrankungen, dem Ausbruch des Burnout-Syndroms und der trügerisch hoffnungsvollen Zuwendung zu Alkohol und Psychopharmaka, um diesem Druck standhalten zu können. Doch worin sind die Auslöser und Gründe zu finden und um welche Probleme im Studium handelt es sich im Detail? Welche Wünsche und Erwartungen stellt der ratsuchende Student an seine Hochschule und wie kann die Hochschule diesen Erwartungen in Form eines ausgebauten Hochschulmarketing gerecht werden? Auf diese Fragen soll in der folgenden Untersuchung eine Antwort gefunden und aufgezeigt werden, welche Rolle die psychosoziale Betreuung an deutschen Hochschulen in der nahen Zukunft einnehmen kann. In der Gesellschaft zählt die psychische Gesundheit nicht mehr zu den mit einem Makel behafteten, unaussprechbaren Dingen. Die WHO forderte im Januar 2005 auf der Konferenz über psychische Gesundheit in Helsinki in der Zukunft ‘eine gemeinsame Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Krankheiten sowie [...] die Weiterentwicklung gemeindenaher, integrierter psychiatrischer Dienste für zur Selbsthilfe bemündeter Bürger’.
In diesem Buch wird speziell auf die studienbedingten, psychischen Belastungsarten des Studenten Bezug genommen. Die Hochschule kann dabei einerseits der Auslöser dieser individuell stark belastenden Probleme sein und andererseits auch eine erste beratende Anlaufstelle bieten, um diesen Problemen präventiv zu begegnen oder diese durch ein Angebot von verschiedenen psychosozialen Leistungen reduzieren zu helfen. Damit würde die Hochschule den Forderungen der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen der psychosozialen Betreuung an Hochschulen
2.1 Psychologische Beratung versus psychosoziale Betreuung
2.2 Rechtliche Grundlage für psychosoziale Betreuung
2.3 Differenzierungen im psychosozialen Berufsbereich
2.4 Gründungsphasen der Studienberatung an deutschen Hochschulen

3 Druck im Studium - Der Student hat Probleme?
3.1 Arten und Ursachen von Problemen der Studenten
3.2 Einordnung in die Klassifikation ICD-10-GM
3.3 Die Diplomarbeit - Eine persönlich erlebte psychisch belastende Situation
3.3.1 Persönlicher Zusammenbruch
3.3.2 Symptome - Selbst- und Fremdeinschätzung
3.3.3 Verlauf der psychosozialen Betreuung
3.3.4 Wünsche und Erwartungen an die Hochschule

4 Welches Interesse könnten Hochschulen haben, psychisch kranke Studenten zu betreuen?
4.1 Der Bologna-Prozess - Hilfe oder Hindernis für den Studenten?
4.1.1 Ziele des Bologna-Prozesses
4.1.2 Konsequenzen des Bologna-Prozesses für den Studenten
4.2 Interessengruppen der Hochschulen wollen „gesunde“ Studenten
4.3 Rechtliche Grundlagen der Hochschule zur Implementierung einer psychologischen Beratungsstelle

5 Psychosoziale Betreuung als Schritt zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil
5.1 Strategische Planung eines Marketingkonzepts für Hochschulen
5.2 Wettbewerbsstrategie nach Porter

6 Die Leistung der psychosozialen Betreuung im Zusammenhang mit dem Hochschulmarketing
6.1 Definition von Hochschulmarketing
6.2 Zielgruppen des Hochschulmarketing
6.3 Marketing-Mix des Hochschulmarketing
6.3.1 Produktpolitik/ Leistungspolitik
6.3.2 Distributionspolitik
6.3.3 Preispolitik
6.3.4 Kommunikationspolitik
6.3.5 Hochschulmarketing als Dienstleistungsmarketing

7 Hochschulmarkt-Analyse – Welche Leistungen zur psychosozialen Betreuung werden angeboten?
7.1 Psychosoziale Betreuung des Deutschen Studentenwerks
7.1.1 Leistungsangebot
7.1.2 Personal
7.1.3 Kooperationen
7.2 Psychosoziale Betreuung an Hochschulen
7.2.1 Freie Universität Berlin
7.2.2 Humboldt Universität zu Berlin
7.2.3 Fachhochschule für Wirtschaft Berlin
7.3 Leistungslücken von Hochschulen in der psychosozialen Betreuung schließen

8 Zusammenfassung und der zukünftige Weg von Hochschulen

Literaturquellen

Internetquellen

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Bereiche des Beratungs- und Informationsbedarfs von Studenten

Abb. 2 Beziehungsmarketing bei Anspruchsgruppen einer Hochschule

Abb. 3 Strategische Planung eines Marketingkonzepts für das Hoch-schulmarketing

Abb. 4 Marketingziele im Hochschulmarketing

Abb. 5 Wettbewerbsstrategische Grundtypen nach Michael E. Porter

Abb. 6 Zielgruppen des Hochschulmarketing

Abb. 7 Zusatzinstrumente im Dienstleistungsmarketing

Abb. 8 Instrumenten des Hochschulemarketing-Mix

Abb. 9 Leistungsangebot der psychologischen Beratung der FU Berlin

Abb. 10 Typische Phasen einer Marktforschungsuntersuchung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Klassifikation von Krankheiten nach ICD-10

Tab. 2 Psychische und Verhaltensstörungen nach ICD-10

Tab. 3 Therapiekurse des TWW und ihr Nutzen für die Patienten

Tab. 4 Services an Hochschulen

Tab. 5 Effekte der psychologischen Beratung des Deutschen Studentenwerks

1 Einleitung

„Eine Untersuchung des Deutschen Studentenwerks von 1999 ergab, dass 40 Prozent der Studierenden mit psychischen Problemen zu tun hatten.“ [1] In Berlin sind bereits um die 5.000 Studenten in psychologischer Behandlung. Die Tendenz ist steigend. So bestätigte eine Erhebung im Jahr 2001 an der Universität Münster, dass bereits 20% der dort immatrikulierten Studenten ihre psychischen Probleme als eine große Schwierigkeit in ihrem Studium ansehen.[2]

Die Entscheidung zur Einführung von Studiengebühren seitens des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2005 spielt in diesem Kontext eine wesentliche Rolle. Die damit einhergehenden und sich zunehmend verschlechternden Lebensbedingungen im Hinblick auf die Finanzierung des Studiums, üben steigenden Druck auf den einzelnen Studenten aus. Der Spagat zwischen dem Studium und dem Job führt nicht bei wenigen Studenten zu psychischen Erkrankungen, dem Ausbruch des Burnout-Syndroms und der trügerisch hoffnungsvollen Zuwendung zu Alkohol und Psychopharmaka, um diesem Druck standhalten zu können. Doch worin sind die Auslöser und Gründe zu finden und um welche Probleme im Studium handelt es sich im Detail? Welche Wünsche und Erwartungen stellt der ratsuchende Student an seine Hochschule und wie kann die Hochschule diesen Erwartungen in Form eines ausgebauten Hochschulmarketing gerecht werden? Auf diese Fragen soll in der folgenden Untersuchung eine Antwort gefunden und aufgezeigt werden, welche Rolle die psychosoziale Betreuung an deutschen Hochschulen in der nahen Zukunft einnehmen kann. In der Gesellschaft zählt die psychische Gesundheit nicht mehr zu den mit einem Makel behafteten, unaussprechbaren Dingen.[3] Die WHO forderte im Januar 2005 auf der Konferenz über psychische Gesundheit in Helsinki in der Zukunft „eine gemeinsame Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Krankheiten sowie [...] die Weiterentwicklung gemeindenaher, integrierter psychiatrischer Dienste für zur Selbsthilfe bemündeter Bürger“[4].

In diesem Buch wird speziell auf die studienbedingten, psychischen Belastungsarten des Studenten Bezug genommen. Die Hochschule kann dabei einerseits der Auslöser dieser individuell stark belastenden Probleme sein und andererseits auch eine erste beratende Anlaufstelle bieten, um diesen Problemen präventiv zu begegnen oder diese durch ein Angebot von verschiedenen psychosozialen Leistungen reduzieren zu helfen. Damit würde die Hochschule den Forderungen der WHO-Konferenz gerecht.

Zunächst wird in Kapitel 2 die Grundlage für die vorliegende Untersuchung gelegt, indem der Begriff der psychosozialen Betreuung abgegrenzt und somit für jeden Leser gleichermaßen verständlich gemacht wird. Hierbei wird bereits auf die einzelnen Ausprägungen und Aufgabenbereiche der psychosozialen Betreuung eingegangen und Bezug auf die psychologische Beratung an deutschen Hochschulen genommen.

In Kapitel 3 steht der Student mit seinen Problemen im Vordergrund. Dieser ist die Zentralfigur der vorliegenden Arbeit. Anhand von Studien und Veröffentlichungen werden die Arten von Problemen eines Studenten verdeutlicht und in die Klassifikation ICD-10-GM des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eingeordnet. Des weiteren wird Bezug auf die Ursachen dieser Probleme genommen und anhand eines persönlich erlebten psychischen „Zusammenbruchs“ die Brisanz des Themas durch persönliche Erfahrungen exemplarisch veranschaulicht.

Bezugnehmend auf dieses Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, ob Hochschulen ein Interesse an einer Implementierung eines psychosozialen Betreuungsangebotes für den Studenten haben, um diesem helfen zu können. Hierzu wird der Bologna-Prozess von 1999 kritisch dargestellt und die Folgen dieser Neuordnung im Hochschulsystem für den einzelnen Studenten und das Hochschulsystem selbst aufgezeigt. Anhand der Darstellung einzelner Interessengruppen von Hochschulen wird die Eingangsfrage des dritten Kapitels im Hinblick auf den Nutzen der psychischen Gesundheit des Studenten beleuchtet. Die gesetzliche Grundlage zur Einrichtung einer psychologischen Studienberatung bildet den Abschluss dieses Kapitels, in welchem der gesetzliche Auftrag zur psychologischen Unterstützung von Studenten festgeschrieben ist. Anschließend wird die psychosoziale Betreuung an Hochschulen im betriebswirtschaftlichen Gesamtkontext betrachtet. Die psychosoziale Betreuung wird als Schritt zu einem strategischen Wettbewerbsfaktor diskutiert.

Erst im Anschluss an die gelegten theoretisch-betriebswirtschaftlichen Grundlagen, kann auf die einzelnen Leistungsangebote ausgewählter Hochschulen eingegangen werden. Das Einholen von Informationen zu den Hochschulen und ihrem psychosozialen Leistungsportfolio erfolgte über die Sekundärforschung, also die Analyse bereits erhobener Daten. Um die Daten aus der Sichtung von Internetmaterialien zu ergänzen und auch den Versagengedanken aus dem Arbeitstitel des vorliegenden Buches zu beleuchten, wurden Befragungen von sieben betroffenen Studenten und ehemaligen Studenten durchgeführt. Die daraus resultierenden und für diese Arbeit relevanten Ergebnisse sind in den Argumentationsverlauf der Untersuchung an der Stelle eingeführt, an welcher sie unterstützende Argumente liefern können. Die Interviewpartner sind aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit ausgewählt worden. Die methodische Vorgehensweise und der Interviewleitfaden der empirischen Erhebung sind dem Anhang zu entnehmen.

Ziel dieses Buches soll es sein, anhand einer Gegenüberstellung individuell bestehender, psychischer Belastungen von Studenten während des Studiums und der Darstellung des Leistungsangebots ausgewählter deutscher Hochschulen, Leistungslücken in der psychosozialen Betreuung von Hochschulen aufzudecken. Ob und in welchem Umfang gegebenenfalls bestehende Leistungslücken zukünftig von den Hochschulen gefüllt werden können oder sogar sollten, wird diskutiert und veranschaulicht.

2 Grundlagen der psychosozialen Betreuung an Hochschulen

Einzelne im Titel eingebundene Begriffe sollen vorab geklärt werden, um die Bedeutung und Versinnbildlichung dieser für jeden Leser gleichermaßen definitorisch festzulegen.

2.1 Psychologische Beratung versus psychosoziale Betreuung

Deutsche Hochschulen wie auch deutsche Studentenwerke bieten vereinzelt neben einer Zentralen bzw. Allgemeinen Studienberatung auch eine Psychologische Studienberatung an. Die Formulierung dessen, was Beratung im Gegensatz zur Betreuung beinhaltet, wird im Folgenden erläutert. Wichtig für das Verständnis dieser Arbeit ist es, zu wissen, dass sich das Ziel dieses Buches nicht nur auf die Darstellung der Leistungsangebote von Hochschulen in der psychologischen Beratung beziehen soll, sondern darüber hinaus aufzeigt, welche Möglichkeiten das breite Feld der psychosozialen Betreuung bietet, psychischen Problemen der Studenten an Hochschulen entgegen zu treten. Die Berücksichtigung dieser Form von Dienstleistung für den einzelnen Studenten kann innerhalb des Hochschulmarketing erfolgen.

Zunächst wird der Unterschied zwischen der Beratung und der Betreuung aufgezeigt, wie er im Folgenden gehandhabt werden soll. In gängigen Lehrbüchern und Lexika wird die Beratung folgendermaßen definiert: „Die Beratung ist in der Regel ein durch Fachleute erteilter Rat, der Informationen (z.B. über Konsumgüter, Miete, Beruf, Rente) umfasst, aber auch eher zu Selbstreflexion und Selbsthilfe anregen kann (z.B. auf den Gebieten Erziehung, Familie, Sucht, Sexualität, Schwangerschaft).“[5] Dabei werden Lebensprobleme und Konflikte aufgegriffen, die in Beratungen verarbeitet werden, was vergleichbar mit einer Psychotherapie ist. Spezialisierte Beratungsstellen werden von öffentlichen und freien Trägern der sozialen Arbeit (Sozialarbeit) unterhalten.[6]

Nach Manfred Beck liegt die Aufgabe der Beratung schwerpunktmäßig darin, dem Betroffenen (Patienten) die Möglichkeit zur Veränderung der Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Einstellungen zu bieten, um dazu beizutragen, emotionale Konflikte, Spannungen und Ängste abzubauen und somit in der Realität besser zurecht zu kommen.[7]

Die Beratung zielt dementsprechend auf die Förderung und (Wieder-) Herstellung der Bewältigungskompetenzen der Patienten in ihrer sozialen Umwelt ab, ohne ihnen die Problemlösung abzunehmen. Die Beratung lässt sich auch als ein Angebot von Hilfe und Unterstützung

- bei der Orientierung in Problemlagen,
- bei der Entscheidung über anzustrebende Wege und Ziele,
- bei der Planung von Handlungsschritten zur Erreichung dieser gesteckten Ziele,
- bei der Realisierung und Umsetzung der Planung,
- und bei der Reflexion ausgeführter Handlungsschritte und Vorgehensweisen definieren.[8]

Psychologische Beratung

Eine zeitlang wurde unter dem Begriff Beratung eine psychologische Beratung verstanden, die vor allem die psychologische Behandlung individueller, emotionaler Verhaltensprobleme und psychischer Störungen beinhaltete. Diese Art der Beratung geht mittlerweile über den Störungs- und Defizitaspekt hinaus. Sie beinhaltet nicht nur die Behandlung individueller Belastungen und Probleme, sondern auch berufliche, bildungsbezogene und persönliche Anpassungsprobleme sowie zwischenmenschliche und gesundheitliche Schwierigkeiten.[9]

Psychosoziale Beratung

Die psychosoziale Beratung rückt das Erkennen von individuellen Lebenseinschränkungen und Belastungen in den Mittelpunkt, wobei die darauf bezogenen Problemlösungskompetenzen entscheidend für den Verlauf der Beratung sind. Der Schwerpunkt des psychosozialen Aspekts liegt auf den Belastungen, die durch äußere Anforderungen an das Individuum herangetragen werden.[10] Damit nähern wir uns in der Definition bereits dem Thema der vorliegenden Arbeit. Die Anforderungen einer Hochschule können ebenfalls Belastungen für den Studenten darstellen, denen er nicht mehr standhalten kann und die behoben werden müssen, um eine positive Entwicklung seiner Person, als auch die des Studienverlaufes zu gewährleisten.

„Besonders von Bedeutung sind in der psychosozialen Beratung Widersprüche und Unvereinbarkeiten zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Anforderungen und subjektiven Bedürfnissen, Interessen und Zielen der Betroffenen.“[11]

Psychosoziale Betreuung

Die im Arbeitstitel der vorliegenden Arbeit verwendete Formulierung der psychosozialen Betreuung ist ganz bewusst gewählt worden. Eine Definition des Begriffs und die Darstellung möglicher Aufgabenschwerpunkte und Prinzipien von psychosozialen Betreuungsangeboten ist in dem Werk „Psychosoziale Betreuung im Arbeitsleben“ von Bungard u.a. erwartet worden. Er bezieht sich in seinem Werk allerdings auf die psychosoziale Betreuung von psychisch kranken, behinderten Menschen und speziell schizophrenen Patienten.[12] Eine Übertragung einzelner Erkenntnisse aus diesem Werk auf die vorliegende Arbeit konnte nicht erfolgen. Der Begriff psycho bedeutet, aus dem lateinischen übersetzt, „Seele“ und verweist somit auf individuelle Probleme, seelische Leiden, die ein Mensch als eine Form von Belastung in sich tragen kann. Der Begriff sozio verweist seinerseits auf interaktionsbedingte Störungen. Diese können zwischen Studierenden untereinander als auch zwischen Studenten und Dozenten auftreten, aber auch zwischen den Studenten und ihrer Familie oder zu Freundschaften bestehen.

„Psychosozial impliziert ein Menschen- und Gesellschaftsbild, das psychische und soziale Befindlichkeiten in Verbindung zu sozialen Lebens- und Umweltbedingungen setzt.“[13] Der Begriff der Betreuung soll im Folgenden die Beratung mit einschließen, wobei sie darüber hinausgehen kann. Im Allgemeinen ist unter der Betreuung eine Art systematisch geplanter Hilfsprozess zu verstehen, um den Betreuten eine auf längere Sicht angelegte Hilfe und Unterstützung zu bieten.

2.2 Rechtliche Grundlage für psychosoziale Betreuung

Eine rechtliche Grundlage bildet der Auszug aus dem Sozialgesetzbuch. Das psychosoziale Betreuungsangebot entspricht dem Leistungsumfang nach §11 SGB XII. Danach ist einem Leistungsberechtigten im Bedarfsfall, Beratung und Unterstützung zu gewähren. Die Beratung bezieht sich gemäß §11 Abs. 2 SGB XII auf die persönliche Situation, insbesondere die Möglichkeit der Stärkung der Selbsthilfe zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und zur Überwindung der Notlage. Die Unterstützung umfasst gemäß §11 Abs. 3 SGB XII Hinweise und, soweit erforderlich, die Vorbereitung von Kontakten und die Begleitung zu sozialen Diensten sowie zu Möglichkeiten der aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Darüber hinaus ist nach §11 Abs. 5 SGB XII auf die Beratung und Unterstützung von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, von Angehörigen der rechtsberatenden Berufe und von sonstigen Stellen hinzuweisen.[14]

Diese Definition der psychosozialen Betreuung bildet die Grundlage dieser Arbeit, da sie die Aufgaben absteckt, die eine Hochschule beim Angebot einer psychosozialen Betreuung für den Studenten leisten kann. Es wird speziell im Kapitel 7 auf einen Vergleich der Leistungsangebote von Hochschulen untereinander Bezug genommen, wobei die Ergebnisse aus den empirischen Befragungen Argumente liefern, ob und inwieweit die Hochschule über das Angebot einer psychologischen Beratung hinaus Hilfe leisten kann und sollte.

2.3 Differenzierungen im psychosozialen Berufsbereich

Die Ursprünge des psychosozialen Handlungsfeldes liegen im Dienstleistungsbereich, welcher in den letzten Jahren im Vergleich zum Produktionsbereich eine starke Expansion erfahren hat.[15] Diese Tendenz lässt sich auch an der Entwicklung der gesellschaftlichen Unterstützungsformen von Weiterbildung, klinischpsychologischer Therapie, sozialer Arbeit und auch der Beratung beobachten. Eine deutliche Differenzierung und Spezialisierung hat es auf dem Gebiet der Beratung gegeben.[16]

Diese geht einher mit einer relativ schnellen Institutionalisierung und Professionalisierung bestimmter Handlungsfelder im psychosozialen Berufsbereich. Hierzu können einige Beispiele aufgezählt werden:

- Erziehungs- und Familienberatung,
- Frauenspezifische Beratung,
- Schulberatung,
- Drogen- und Aidsberatung sowie
- Praxisberatung in Form von Teamsupervision und Organisationsentwicklung.

Diese sicher unvollständige Auflistung von Manfred Beck kann nur ein Beispiel für das Ausmaß der verschiedenen Beratungsangebote im psychosozialen Bereich darstellen. Da laut § 11 SGB XII die Beratung ein Teil der psychosozialen Betreuung ist und diese auf die Hochschule übertragen werden soll, so wird nun noch kurz die Entwicklung der Studienberatung an deutschen Hochschulen vorgestellt. Sie bildet den Ausgangspunkt psychologischer Beratungen an Hochschulen.

2.4 Gründungsphasen der Studienberatung an deutschen Hochschulen

In der BRD wurde das Problem psychischer Störungen von Studenten 1954 vom Deutschen Studentenwerk aufgegriffen.[17] Damals wurde die Entwicklung von Studienberatungsstellen durch die Feststellung folgender studienbedingter Probleme beschleunigt[18]:

- Orientierungsprobleme und Vereinsamung vieler Studenten infolge von Anonymität, Expansion und Differenzierung der Studiengänge an den Hochschulen,
- Zunahme sozialer Unrast und gesellschaftskritischer Haltung der Studenten,
- Aufmerksamkeitslenkung auf die Zunahme psychischer Störungen der Studenten,
- Ökonomische (Abbrecherquote und Langzeitstudenten) und politische Motive sowie
- Gesellschaftskritische Motive.

Diese Gründe, für die Einführung von Studienberatungsstellen an Hochschulen werden im nächsten Kapitel beispielhaft ergänzt. In der vorliegenden Arbeit werden unter dem Begriff der Hochschule, öffentliche Hochschulen und Fachhochschulen verstanden.[19] In Verbindung zu den Hochschulen stehen auch die Studentenwerke der einzelnen Bundesländer, die sich für die Belange der Studenten in den unterschiedlichsten Fragestellungen wie z.B. dem Berufsausbildungsförderungsgesetz, kurz BaföG, Wohngeldangelegenheiten, Wohnungsvermittlung und auch der psychologischen Beratung einsetzen. Hochschulen haben eine sehr differenzierte Organisationsstruktur, innerhalb derer viele verschiedene Aufgaben und Funktionen realisiert werden. Auch die verschiedenen Beratungsstellen einer Hochschule bieten dem Studenten heutzutage eine wichtige Anlaufmöglichkeit zu den verschiedensten Fragen bzgl. Studienorganisation, Auslandssemester und vielem mehr. Wann ist das erste Mal eine hochschulinterne Beratungsstelle in Form der Zentralen Studienberatung gegründet worden und was sahen die Aufgaben dieser Anlaufstelle für Studenten vor? U.a. wird dieser Frage in einer empirischen Studie zum Thema „Psychologische Studienberatung an deutschen Hochschulen“ von 1992 nachgegangen.

„Bis auf wenige Vorläufer ist für die westdeutschen Einrichtungen ein ,Gründungsboom' in den 1970er, ausklingend in den 1980er Jahren, zu verzeichnen.“[20] Vorerst existierten etwa 3% der heutigen Zentralen Studienberatungsstellen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Anschließend entstanden weitere Zentrale Studienberatungsstellen sowie die Studentenwerke. Gründe hierfür lagen in dem Einsetzen der Bildungs- und Hochschulreform, die als Antwort auf den steigenden Modernisierungsdruck und die zahlreichen studentischen Protestaktionen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre auftraten. Die wesentliche Gründungsphase der ostdeutschen Beratungsstellen begann nach der Wende. Bis zur Wende gab es allein 16,3% der heutigen Einrichtungen.[21] Es setzte eine Gründungswelle bei den Zentralen Studienberatungsstellen ein. 1990 wurden 66,7% der Zentralen Studienberatungsstellen eingerichtet. Diese Daten aus der Untersuchung von 1992 unterliegen den Ergebnisse aus der Befragung von 131 Zentralen Studienberatungsstellen, 38 Beratungsstellen der Studentenwerke, wie auch fünf Beratungsstellen von Unikliniken und 10 sonstige Beratungsstellen, wie z.B. psychologische Institutionen.[22]

Der Fragebogen, der dieser Untersuchung unterlag, fasste folgende beratungsintensive Tätigkeitsfelder der Studienberatung von Hochschulen zusammen:

- Informative Beratung,
- Personenorientierte Beratung,
- Psychologische Beratung/ Psychotherapie,
- und psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung.

Grundlage für die Unterteilung in die vier Tätigkeitsfelder bildete zum einen die Anforderung an eine möglichst hohe Übereinstimmung der Befragungsteilnehmer, bei dem, was unter der Studienberatung gemeint ist. Zum anderen sollte reflektiert werden, dass die Studienberatung von Hochschulen einem Spannungsfeld gleicht, welches zwischen der persönlichen Verarbeitung von Erlebnissen, Bewertungen und Problemen von Ratsuchenden und der sachlichen Information zur Orientierung in der äußeren Welt des Studiums eine Balance finden muss.[23] Die psychologische Studienberatung wird laut dieser Untersuchung von rund 41% der Zentralen Studienberatungsstellen und von rund 74% der Beratungsstellen der Studentenwerke angeboten.[24]

Dieses Ergebnis zeigt, dass die psychologische Studienberatung noch kein integrierter Bestandteil jeder Zentralen oder Allgemeinen Studienberatung an deutschen Hochschulen ist, allerdings von mehr als der Hälfte der deutschen Studentenwerke bereits durchgeführt wird.

3 Druck im Studium - Der Student hat Probleme?

Im Zentrum der Thematik steht der Student. Wie eingangs bereits kurz erwähnt wurde, hat sich in den letzten Jahren der Druck auf den Studenten enorm erhöht. Dies veranlasst bereits einzelne Studenten dazu, Alkohol und Psychopharmaka in hohen Mengen zu konsumieren, um den Druck im Studium vermeintlich ausgleichen zu helfen bzw. standhalten zu können. Doch inwieweit entspricht diese Aussage der Realität? Die allgemeine Annahme ist jene, dass Studenten ein sehr bequemes und unkompliziertes Leben führen. Sie haben viel Zeit zum Feiern, für Freunde und für sonstige Freizeitaktivitäten. Diesen Behauptungen versucht Susanne Pflaum in ihrem Bericht zum Thema „Studenten haben es gut“[25] nachzugehen. Hier stellt Sie die These auf, dass es sich dabei wohl um ein falsches Studentenbild handelt. „Ein Studium aufzunehmen, bedeutet heute mehr denn je unter teilweise enormen Druck zu stehen.“[26] Diese These soll in diesem Kapitel mit praktischen Beispielen untermauert werden und dient dazu, die aktuelle Entwicklung der Probleme von Studierenden aufzuzeigen, markante Arten von Problemen, die der Student in der heutigen Zeit zu bewältigen hat, zu definieren, diese in den Gesamtkontext der Klassifikation psychischer Störungen einzugliedern und die möglichen Ursachen dieser Probleme zu verdeutlichen. Im Anschluss wird von der allgemeinen Darstellung der Dinge Abstand genommen und ein persönlich erlebtes Schicksal skizziert, welches in seiner akuten Brisanz die Notwendigkeit von psychosozialen Beratungs- und Betreuungsangeboten an Hochschulen verdeutlicht.

3.1 Arten und Ursachen von Problemen der Studenten

Grundlage einer psychosozialen Betreuung bildet das individuelle Problem, welches es aus dem Weg zu schaffen gilt. Wie bereits in Kapitel 2 zur Begriffsbestimmung der psychosozialen Betreuung angesprochen wurde, geht einer Behandlung dieser Art immer eine individuelle Leistungseinschränkung oder eine Belastung voraus, die sich auch im Laufe eines Studiums und womöglich durch das Studium selbst bedingt, ereignen und den Studenten beeinträchtigen oder sogar schaden kann.

Von zuhause weg, raus aus der Kleinstadt, rein in die Metropole, endlich eine eigene Wohnung und bald sicherlich auch schon die ersten neuen Freunde. "Doch diese Freiheit und überhaupt die neue Lebenssituation stellen auch besondere Anforderungen, denen Studienanfänger nicht immer gewachsen sind.“[27] Studenten sind mit einer Vielzahl an Anforderungen während ihres Studiums konfrontiert. Sie befinden sich zumeist in einer Lebensphase, in der – entwicklungspsychologisch gesehen – besondere Aufgaben auf sie zukommen. „Die erste eigene Wohnung, oft ein komplett neues Umfeld, dazu die schwer zu durchschauenden Uni-Strukturen; und vor allem: die Abnabelung von den Eltern. Das könne Identitätskrisen wachrufen.“[28] Jeder Mensch, muss im Laufe seines Entwicklungsprozesses neuartige Situationen durchleben, in denen er sein bisheriges Verhalten neu anpassen und auf die Situation abstimmen muss. Der Lernprozess, der durch eine zunehmende Zahl erfolgreich bewältigter Krisen erfolgt, führt zu Wohlbefinden und innerer Sicherheit.[29] Nicht-bewältigte Krisen können allerdings zu einem Gefühl von Hilflosigkeit, Dis-Organisation des psychischen Funktionierens und dem sozialen Zurückzug führen. Hier setzt die Beratung als eine angemessene Methode bei krisenbedingten Verhaltensstörungen ein.[30]

Für die Bewältigung dieser für viele Studenten empfundenen Belastungen und Krisensituationen benötigen sie also Informationen und Beratung. Die Abbildung 1 zeigt die Bereiche auf, in denen die 17.000 befragten Studenten der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks vom Jahr 2006 zum Thema „wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden der BRD“, Beratungs- und Informationsbedarf benötigten. Die Vielfalt der Beratungsbereiche lässt sich laut Abbildung 1 in drei Problemfelder zusammenfassen:

- Finanzierungsbezogene Probleme,
- Studien(-leistungs-) bezogene Probleme,
- Persönliche und umweltbezogene Probleme.

Jedes dieser drei Problemfelder stellt für einen Studenten eine erhöhte Belastung dar, die natürlich typabhängig eher schwach oder sogar sehr stark belastend empfunden werden können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Titel: Bereiche des Beratungs- und Informationsbedarfs von Stundenten

Quelle: DSW/ HIS 18. Sozialerhebung, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2006, S.42

Anhand dieser drei Problemfelder sollen nun die Belastungen von Studierenden skizziert werden und anhand einiger Ergebnisse aus den mündlichen Befragungen exemplarisch belegt werden.

Finanzierungsbezogene Probleme

Laut Abbildung 1 konsultiert jeder vierte Student eine Beratungsstelle aufgrund von Problemen bei der Studienfinanzierung. Herr Grill, ein Mitarbeiter der „Psychosozialen und Psychotherapeutischen Beratungsstelle“ der Münchener Studentenwerke fürchtet, dass die finanzielle Belastung aufgrund der Studiengebühren den Erfolgsdruck bei vielen Studenten noch verschlimmern wird.[31]

Der Befragte „m1“, welcher im Zuge der mündlichen Befragung dieser Untersuchung zu seinen Arten von Krisen befragt wurde, berichtet: „Ich hatte keinen Unterhalt und wusste nicht, wie ich ihn sichern konnte. Der Konflikt mit meinem Vater, der keinen Unterhalt zahlen wollte, das Zurechtfinden in einem neuen Wohnort und das Finden einer Unterkunft ohne Geld waren nur ein Teil meiner erlebten Krisen, die ich bereits am Anfang meines Jura-Studiums an der Uni Bonn durchmachte.“[32] „m1“ hat erst nach fünf Jahren, in denen er nach eigenen Aussagen sehr gelitten hat, in der Uni Hamburg, wo er anschließend Jura und Wirtschaftswissenschaften studierte, Hilfe aufgesucht. Die dortige Studienberatung hat ihm ein psychotherapeutisches Einzelgespräch bei einer externen Therapeutin empfohlen. Mit der Betreuung der Hochschule war er insgesamt sehr unzufrieden.

Mitverantwortlich für die beängstigende Situation der Studenten ist auch die Studienreform (im Zuge des Bologna-Prozesses, auf die in Abschnitt 4.1 näher eingegangen wird) und die damit einhergehende Umstellung auf Bachelor und Master.[33]

Der Student steht vor dem Problem den Spagat zwischen Nebenjob, Studium und Prüfungen zu schaffen. Der Bachelor verstärkt diese Problematik. „Das neue System biete weniger Freiheiten, das Pensum steige, die Erfahrungen mit der neuen Studienordnung fehlten. Es gäbe niemanden, den die Studenten fragen können, wenn sie nicht mehr weiter wissen.“[34]

Studien(-leistungs-)bezogene Probleme

Zu den vorrangigen studienbezogenen Themen gehört mitunter auch der Zweifel, das Studium fortzuführen. Eine der sieben mündlich Befragten (w1) hat diese Art von Belastung bereits im ersten Semester an der Hochschule für Kunst und Design in Halle (Burg Giebichenstein) erlebt.[35] Sie berichtet davon, dass sie nach der Aufnahme ihres Kunstpädagogik-Studienganges einen enormen Konkurrenzdruck verspürt hat und mit der Situation, der Entfernung zum Elternhaus und zum Partner und dem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl an dieser Hochschule restlos überfordert war. An den Wochenenden reiste sie zurück in ihre Heimat Berlin, um dem Druck zu entfliehen. Sie berichtet von Zukunftsängsten, die sie plagten, die bis hin zu Selbsthass und Verzweiflung führten und sie letztendlich dazu veranlassten das Studium im ersten Semester abzubrechen. Von ihrer damaligen Hochschule erhielt sie keine Unterstützung. Auch nicht, nachdem sie ein Urlaubssemester beantragen wollte. Der bürokratische Aufwand, der mit der Beantragung eines Urlaubssemesters zusammenhing, war ihr zum damaligen Zeitpunkt viel zu aufwendig. Die dortige Studienberatung hat sich nach ihren Aussagen nicht sonderlich darum bemüht sie problemgerecht zu betreuen.

Folge ihrer persönlichen wie auch studienbezogenen Belastungen war der Abbruch des Studiums, wie dies auch bei weiteren fünf der sieben mündlich interviewten Studenten und ehemaligen Studenten der Fall war. Die Befragte „w5“, ehemalige Studentin der BWL an der Viadrina in Frankfurt, wie auch der Befragte „m2“ des Studienganges Business Administration an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin (FHW) haben mit Prüfungs- und Versagensängsten zu kämpfen gehabt, aufgrund derer sie ihr Studium abgebrochen haben.

Dem Jahresbericht der Humboldt Universität zu Berlin (HU) von 2004 ist zu entnehmen, dass die Hauptanliegen der Ratsuchenden in der Psychologischen Beratungsstelle der HU Lern- und Leistungsstörungen (15%), Orientierungsprobleme (13%) und Prüfungsängste (13%) sind. Die angeführten Ergebnisse beinhalten dabei massive Beeinträchtigungen und Ängste von Studenten, die sehr Ernst genommen und frühzeitig erkannt werden sollten, da sich die psychischen Probleme sonst langfristig auswirken könnten - wie in einer Verlängerung der Ausbildungszeit, einem Studienabbruch oder fehlender Korrektur einer falschen Studienfachwahl.[36]

Persönliche und umweltbezogene Probleme

Hauptanliegen bei den Problemen im persönlichen Umfeld sind laut Abbildung 1 u.a. depressive Verstimmungen. Laut Fernsehsender „ARTE“ ist die Depression mit ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen mittlerweile eine der am weitesten verbreiteten psychischen Störungen in den Industriestaaten.[37] Glück, Erfolg und Selbstverwirklichung sind Ansprüche der modernen Gesellschaft, an denen viele Menschen scheitern. Bei dem Befragten „m2“ FHW-Studenten wurde eine klinische Depression diagnostiziert.[38] Er beschrieb dies folgendermaßen: „Im dritten Semester des Studiums machte sich plötzlich eine klinische Depression bemerkbar. Keine Depression im Sinne von ,ich fühle mich depressiv', sondern eine Depression im Sinne von ,wenn ich jetzt sterbe, dann bin ich wenigstens die Depression los'.“[39] Über 5% der Bevölkerung sind laut „ARTE“- Bericht akut betroffen. Die Krankheit wird trotzdem noch tabuisiert und unterschätzt. „Die wachsende Ausbreitung von Depression, der steigende Konsum von Psychopharmaka und die Zunahme der Alkohol- und Drogenabhängigkeit sind nach neuesten Untersuchungen Reaktionen auf die allgegenwärtige Erwartung, nach der jeder Mensch zu funktionieren hat.“[40]

„Die Zahl derjenigen, die mit wirklich schwerwiegenden psychischen Problemen zu uns kommen, wird tendenziell größer“[41], so Herr Grill von der Beratungsstelle der Münchener Studentenwerke. Schwere Depressionen, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen scheinen häufiger aufzutreten.[42] Ein Internetartikel des Nachrichtensenders „n-tv“ beginnt mit den Worten „Druck auf Studenten steigt - Mit Schnaps und Pillen an die Uni“[43]. Dies ist eine alarmierende Folge, die sich aus dem Studienalltag ergeben hat, welcher nicht, wie jeder glaubt, aus Party, Feiern, Ferien und guter Laune besteht, sondern für Einzelne sehr belastend und bedrückend sein kann. Volle Stundenpläne, unzählige Examen, Klausuren, Referate und Hausarbeiten veranlassen laut einer Studie fast jeden dritten Studenten dazu, Alkohol zu trinken und mehr Psychopharmaka einzunehmen als gleichaltrige Nichtstudenten.[44]

„Alkohol, Aufputschmittel, Tabletten und ein immer intensiverer Cannabiskonsum dienen als Ventil gegen Leistungsdruck, Übermüdung und Versagensängste, wie der Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle von Universität und Studentenwerk Oldenburg, Wilfried Schumann, festgestellt hat.“[45] Ursache dieser paradoxen Problemlösungsversuche ist u.a. der Gedanke, sein Studium schnell beenden zu müssen, weil man beruflich sonst keine Chancen mehr hat. Rauschmittel dienen dabei der Kompensation des Drucks. Die Psychotherapeutische Beratungsstelle des Studentenwerks Heidelberg hat in einer Untersuchung von 1997 festgestellt, dass 16% der Studierenden sich als gravierend psychisch beeinträchtigt einschätzen und professionelle Hilfe benötigen.[46] Mit zunehmenden Alter der Studenten steigt auch der Anteil derjenigen, die Fragen zu den verschiedensten psychologischen Problemen haben.[47]

Eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK), bei der 130 Studenten im Alter von 20-34 Jahren im Januar 2008 befragt wurden, bestätigt diese Tendenz. Bei 10% der verordneten Medikamente an angehende Akademiker handelte es sich um Psychopharmaka. "Besonders höhere Semester schlucken Pillen. Wir vermuten, dass der Druck von Seiten der Arbeitswelt und den Eltern, aber auch der finanzielle Druck mit zunehmenden Alter im Studium steigt"[48], so TK-Sprecherin Michaela Speldich.

[...]


[1] o.V., Probleme beim Einstieg ins Studium, 2002, S. 7.

[2] vgl. o.V., Probleme beim Einstieg ins Studium, 2002, S. 7.

[3] vgl. WHO, Psychische Gesundheit, S. 10.

[4] WHO, Psychische Gesundheit, S. 10.

[5] Brockhaus, Beratung, 2007.

[6] vgl. Brockhaus, Beratung, 2007.

[7] vgl. Beck, et al., Psychosoziale Beratung, 1991, S. 37.

[8] vgl. Sickendiek, et al., Beratung, 1999, S. 14.

[9] vgl. Sickendiek, et al., Beratung, 1999, S. 17.

[10] vgl. Sickendiek, et al., Beratung, 1999, S. 19.

[11] Sickendiek, et al., Beratung, 1999, S. 19.

[12] Bungard, Psychosoziale Betreuung im Arbeitsleben, 1989.

[13] Sickendiek, et al., Beratung, 1999, S. 19.

[14] SGB, . 11 SGB XII, Abs. 2,3,5, Sozialgesetzbuch.

[15] vgl. Beck, et al., Psychosoziale Beratung, 1991, S. 11.

[16] vgl. Beck, et al., Psychosoziale Beratung, 1991, S. 11.

[17] vlg. Klingenbeck, Studentenberatung an Schweizer Hochschulen, 1981, S. 130.

[18] vgl. Klingenbeck, Studentenberatung an Schweizer Hochschulen, 1981, S. 131.

[19] Privathochschulen und Unikliniken finden keine Berücksichtigung.

[20] Figge, et al., Psychologische Studienberatung, 1995, S. 23.

[21] vgl. Figge, et al., Psychologische Studienberatung, 1995, S.24.

[22] vgl. Figge, et al., Psychologische Studienberatung, 1995, S. 17.

[23] vgl. Figge, et al., Psychologische Studienberatung, 1995, S. 30.

[24] vgl. Figge, et al., Psychologische Studienberatung, 1995, S 37.

[25] Pflaum, Studenten haben es gut, 2007.

[26] Pflaum, Studenten haben es gut, 2007.

[27] o.V., Probleme beim Einstieg ins Studium, 2002, S. 6.

[28] Jacobsen, Studenten in der Krise, S. 1.

[29] vgl. Klingenbeck, Studentenberatung an Schweizer Hochschulen, 1981, S. 39.

[30] vgl. Klingenbeck, Studentenberatung an Schweizer Hochschulen, 1981, S. 39.

[31] vgl. Jacobsen, Studenten in der Krise, S. 2.

[32] Interview mit m1, 14. Juni 2008

[33] vgl. Bönisch, Psychisch kranke Studenten, 2008, S. 2.

[34] Bönisch, Psychisch kranke Studenten, 2008, S. 2.

[35] vgl. Interview mit w1, 05. Juni 2008

[36] vgl. Mlynek/ Walther, 2004, Psychologische Beratung an der HU, S. 6.

[37] vgl. Arte, Volkskrankheit Depression, 2008.

[38] vgl. Interview mit m2, 14. Juni 2008

[39] Interview mit m2, 14. Juni 2008

[40] Arte, Volkskrankheit Depression, 2008.

[41] Jacobsen, Studenten in der Krise, S. 2.

[42] vgl. Jacobsen, Studenten in der Krise, S 2.

[43] o.V., Druck auf Studenten steigt, 2008.

[44] vgl. o.V., Druck auf Studenten steigt, 2008.

[45] o.V., Druck auf Studenten steigt, 2008.

[46] vgl. Mlynek/ Walther, 2004, Psychologische Beratung an der HU, S. 6.

[47] vgl. DSW, Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden der BRD, 2006, S.

[48] o.V., Druck auf Studenten steigt, 2008.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783842813694
DOI
10.3239/9783842813694
Dateigröße
5.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin – Wirtschaftswissenschaften, Marketing
Erscheinungsdatum
2011 (April)
Note
1,3
Schlagworte
studium bologna-prozess burn hochschulmarketing depression
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Titel: Wenn ein Student dem Druck nicht mehr standhält
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