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Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen an virtuellen Kraftwerken aus kleinen Blockheizkraftwerken

©2010 Bachelorarbeit 59 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Stromerzeugung in Deutschland wird in Zukunft, insbesondere wegen der staatlichen Förderung, zunehmend dezentralisierter erfolgen. Die Vorteile bestehen unter anderem in der Produktion von Strom nah am Verbraucher, der Entlastung der Netze, der Verbesserung der Versorgungssicherheit durch eine Vielzahl von Anlagen oder der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bei Verbrennungsprozessen. Laut Plan der deutschen Regierung sollen bis 2020 25% des Stroms in KWK erzeugt werden. Demgegenüber besteht jedoch das Problem, dass viele dezentrale Anlagen aufgrund der Willkürlichkeit von Sonne, Wind oder Niederschlägen oder dem Wärmebedarf bei KWK nur schwer prognostizierbar Strom einspeisen. Damit werden die Vorteile der Netzentlastung und Versorgungssicherheit stark in Frage gestellt. Die Wettbewerbsfähigkeit wäre ohne staatliche Förderung bei vielen Anlagen, insbesondere bei Nutzung erneuerbarer Energien, ohnehin fragwürdig.
Um in einem marktwirtschaftlichen Umfeld agieren zu können, wird oftmals vorgeschlagen, die dezentralen Stromerzeugungsanlagen zu virtuellen Kraftwerken (VK) zusammen zu fassen. Unter virtuellen Kraftwerken versteht man einzelne Anlagen zur Stromerzeugung, mitunter auch zur Speicherung und zum Verbrauch von Strom, die durch Leitungs- und Kommunikationstechnik verbunden sind und im Verbund gesteuert werden können. Sie bilden damit eine technische und wirtschaftliche Einheit mit einer akkumulierten Gesamtleistung, die die von herkömmlichen Kraftwerken erreichen könnte. Durch die gemeinsame Steuerung ist es möglich, größenbedingte Markteintrittsbarrieren zu überwinden, mit stochastisch einspeisenden Anlagen trotzdem eine gesicherte Leistung zu gewährleisten, oder die Anlagen im Sinne eines optimalen Netzbetriebes zu steuern.
Das Konzept der virtuellen Kraftwerke wurde bisher noch kaum umgesetzt, da deren Wirtschaftlichkeit noch fraglich ist. Dem Koordinationsaufwand müssen schließlich auch Erträge gegenüber stehen. In Bereichen, wo die Versorgungssicherheit wichtiger als die Kosten bewertet wird, gibt es bereits kleine lokale virtuelle Kraftwerke, sog. Micro Grids. Damit werden beispielsweise Inseln, aber auch kleinere Gebiete in den USA, die über eine schlechte Netzanbindung verfügen, versorgt. Micro Grids dienen jedoch nicht dazu, am Strommarkt zu agieren.
Für marktrelevante Lösungen existieren in Deutschland bisher nur wenige Pilotprojekte. Eines der populärsten ist das virtuelle Kraftwerk der Lichtblick […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungen

1 Motivation

2 Zusammenfassung

3 Einführung
3.1 Begriff „Virtuelles Kraftwerk“
3.2 Aufbau und Komponenten eines virtuellen Kraftwerks
3.3 Nutzen von virtuellen Kraftwerken
3.4 Beispiele und aktuelle Entwicklungen
3.5 Politische und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland
3.6 Der Strommarkt
3.6.1 Stromübertragung
3.6.2 Netzentgelte
3.6.3 Erstattung von Netzentgelten bei dezentraler Einspeisung
3.6.4 Bilanzkreise und Regelleistung
3.6.5 Regelleistung durch virtuelle Kraftwerke
3.6.6 Stromhandel
3.6.7 Stromverkaufsmöglichkeiten von virtuellen Kraftwerken aus BHKWs
3.6.8 Handel an der EPEX Spot
3.7 Wahl von Blockheizkraftwerken für das virtuelle Kraftwerk

4 Modellbeschreibung
4.1 Zusammenfassung und Funktionen
4.2 Ausgangslage und Versorgungsobjekt
4.3 Komponenten und Investitionen
4.4 Laufende Kosten
4.5 Erträge
4.6 Berechnungen und Bewertungskriterien
4.7 Vereinfachungen im Modell
4.8 Weitere unberücksichtigte Kosten

5 Sensitivitätsanalyse
5.1 Ausgangsgrößen
5.2 Variation technischer Größen
5.2.1 Anlagenzahl
5.2.2 BHKW-Leistung
5.2.3 Wärmespeicher im VK
5.3 Variation externer Einflüsse
5.3.1 Gaspreissteigerung
5.3.2 Strompreissteigerung an der Börse
5.3.3 Schwankungen der Börsenpreise
5.3.4 Allgemeine Preissteigerung
5.3.5 Zinsen
5.3.6 Steigerung der Netzentgelte
5.3.7 Änderung der KWK-Vergütung
5.3.8 Zusätzliche Personalkosten für das VK
5.4 Variation der Investitionsstrategie
5.4.1 Tilgungsdauer, Nutzungsdauer
5.4.2 Eigenkapitalanteil
5.4.3 Wärmepreis für Bewohner
5.4.4 Strompreis für Bewohner
5.5 Übersicht Sensitivitäten

6 Ergebnisse und Empfehlungen für den wirtschaftlichen Betrieb

7 Quellenverzeichnis
7.1 Genannte Quellen
7.2 Weitere Quellen
7.3 Gesetze
7.4 Abbildungsquellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Veranschaulichung eines virtuellen Kraftwerks aus BHKWs

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Einflüsse auf ein virtuelles Kraftwerk

Abbildung 3: Demonstrations- und Pilotanlagen virtueller Kraftwerke in Deutschland

Abbildung 4: Vertragsstrukturen um Bilanzkreise

Abbildung 5: Schematische Darstellung des Modells

Abbildung 6: Jahresdauerlinien von Strom und Wärme des Wohngebäudes

Abbildung 7: 50 kWel BHKW von Buderus

Abbildung 8: Wärmeverteilung in einem Schichtwärmespeicher

Abbildung 9: Digitaler Wärmemengenzähler mit Datenverbindung

Abbildung 10: Smartmeter

Abbildung 11: Darstellung des Entscheidungsbaums nach Signalen

Abbildung 12: Übersicht Einnahmen Referenz

Abbildung 13: Übersicht Ausgaben Referenz

Abbildung 14: Übersicht Einnahmen VK

Abbildung 15: Übersicht Ausgaben VK

Abbildung 16: Sensitivität Anlagenzahl

Abbildung 17: Sensitivität BHKW-Leistung

Abbildung 18: Sensitivität Wärmespeichergröße

Abbildung 19: Sensitivität Gaspreissteigerung

Abbildung 20: Sensitivität Steigerung der Börsenpreise

Abbildung 21: Sensitivität stärkerer Preisschwankungen am Day-Ahead-Markt

Abbildung 22: Sensitivität stärkerer Preisschwankungen am Intraday-Markt

Abbildung 23: Sensitivität Inflation

Abbildung 24: Sensitivität Zinsen

Abbildung 25: Sensitivität Steigerung der Netzentgelte

Abbildung 26: Sensitivität KWK-Vergütung

Abbildung 27: Sensitivität zusätzlicher Personalkosten für VK

Abbildung 28: Sensitivität Tilgungsdauer

Abbildung 29: Sensitivität Nutzungsdauer

Abbildung 30: Sensitivität Eigenkapitalanteil

Abbildung 31: Sensitivität Wärmepreis für Bewohner

Abbildung 32: Sensitivität Strompreis für Bewohner

Abbildung 33: Gesamtübersicht der Sensitivitätsanalyse

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Motivation

Die Stromerzeugung in Deutschland wird in Zukunft, insbesondere wegen der staatlichen Förderung, zunehmend dezentralisierter erfolgen. Die Vorteile bestehen unter anderem in der Produktion von Strom nah am Verbraucher, der Entlastung der Netze, der Verbesserung der Versorgungssicherheit durch eine Vielzahl von Anlagen oder der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bei Verbrennungsprozessen. Laut Plan der deutschen Regierung sollen bis 2020 25% des Stroms in KWK erzeugt werden [1]. Demgegenüber besteht jedoch das Problem, dass viele dezentrale Anlagen aufgrund der Willkürlichkeit von Sonne, Wind oder Niederschlägen oder dem Wärmebedarf bei KWK nur schwer prognostizierbar Strom einspeisen. Damit werden die Vorteile der Netzentlastung und Versorgungssicherheit stark in Frage gestellt. Die Wettbewerbsfähigkeit wäre ohne staatliche Förderung bei vielen Anlagen, insbesondere bei Nutzung erneuerbarer Energien, ohnehin fragwürdig.

Um in einem marktwirtschaftlichen Umfeld agieren zu können, wird oftmals vorgeschlagen, die dezentralen Stromerzeugungsanlagen zu virtuellen Kraftwerken (VK) zusammen zu fassen. Unter virtuellen Kraftwerken versteht man einzelne Anlagen zur Stromerzeugung, mitunter auch zur Speicherung und zum Verbrauch von Strom [2], die durch Leitungs- und Kommunikationstechnik verbunden sind und im Verbund gesteuert werden können. Sie bilden damit eine technische und wirtschaftliche Einheit mit einer akkumulierten Gesamtleistung, die die von herkömmlichen Kraftwerken erreichen könnte. Durch die gemeinsame Steuerung ist es möglich, größenbedingte Markteintrittsbarrieren zu überwinden, mit stochastisch einspeisenden Anlagen trotzdem eine gesicherte Leistung zu gewährleisten, oder die Anlagen im Sinne eines optimalen Netzbetriebes zu steuern.

Das Konzept der virtuellen Kraftwerke wurde bisher noch kaum umgesetzt, da deren Wirtschaftlichkeit noch fraglich ist. Dem Koordinationsaufwand müssen schließlich auch Erträge gegenüber stehen. In Bereichen, wo die Versorgungssicherheit wichtiger als die Kosten bewertet wird, gibt es bereits kleine lokale virtuelle Kraftwerke, sog. Micro Grids. Damit werden beispielsweise Inseln, aber auch kleinere Gebiete in den USA, die über eine schlechte Netzanbindung verfügen, versorgt. Micro Grids dienen jedoch nicht dazu, am Strommarkt zu agieren [3].

Für marktrelevante Lösungen existieren in Deutschland bisher nur wenige Pilotprojekte. Eines der populärsten ist das virtuelle Kraftwerk der Lichtblick AG. Unter der Bezeichnung „Schwarmstrom“ vertreibt Lichtblick seit Ende 2010 Strom aus per Contracting[1] betriebenen Mini-Blockheizkraftwerken (BHKWs) am Strommarkt mit dem langfristigen Ziel, durch 100.000 Anlagen eine Gesamtleistung von annähernd 2 GW zu erreichen [4]. Im Folgenden sollen Aufbau und Funktionsweise, sowie das aktuelle wirtschaftliche und gesetzliche Umfeld für virtuelle Kraftwerke beschrieben werden. Anhand einer Simulation werden verschiedene Kriterien und Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Betrieb eines VK aus kleinen Blockheizkraftwerken (50 kWel) erarbeitet. Eine Sensitivitätsanalyse zeigt kritische Größen, die sich besonders auf die Wirtschaftlichkeit auswirken.

2 Zusammenfassung

In dieser Arbeit wird die Frage gestellt, ob der Betrieb als virtuelles Kraftwerk die Wirtschaftlichkeit von kleinen BHKWs verbessern kann. In einem virtuellen Kraftwerk sind einzelne Stromerzeugungsanlagen, die verschiedenste Primärenergien nutzen können, durch Leitungs- und Kommunikationstechnik verbunden. Sie werden zentral als eine technische und wirtschaftliche Einheit gesteuert und erreichen somit eine größere, akkumulierte Gesamtleistung.

Die Vorteile dieses Konzepts bestehen im Wesentlichen im Überwinden von größenbedingten Markteintrittsbarrieren, sowie in der dezentralen und verbrauchernahen Erzeugung von Strom. Neben der verbesserten Versorgungssicherheit durch eine Vielzahl von Anlagen ermöglicht dies eine Entlastung des Stromnetzes bei Vermeidung von Durchleitungsverlusten und erlaubt auch die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung. Wesentliche Markteintrittsbarrieren für die Teilnahme am Strommarkt sind zunächst der organisatorische und finanzielle Aufwand für die Teilnahme an Strombörsen und vor allem die Börsenkonditionen. Strom als standardisiertes Gut muss an Börsen in festgelegten Mengen und zu im Voraus gegebenen Zeiten verkauft werden, wobei Mindestmengen zu beachten sind.

Aufgrund der in Deutschland gesetzlich garantierten finanziellen Förderung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, wie Sonne, Wind und Wasserkraft, bei gleichzeitigen Prognoseunsicherheiten dieser Primärenergien, ist es augenblicklich nicht wirtschaftlich, diese Anlagen als VK am Strommarkt zu betreiben. Dies liegt vor allem an den, verglichen mit Marktpreisen, hohen Vergütungssätzen für produzierten Strom, aber auch an der gesetzlichen Regelung, Strom aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung, unabhängig vom Strommarkt, stets zu gesicherten Konditionen verkaufen zu können. Für das Eingehen von Risiken am freien Strommarkt gibt es oft keinen Anreiz.

Für Anlagen, die nicht als erneuerbare Energien gefördert werden, aber KWK nutzen, kann sich ein Betrieb als VK jedoch lohnen. Zum einen wird die staatliche Vergütung auch bei Vertrieb des Stroms am freien Markt gewährt, was bei EEG-Anlagen nicht der Fall ist, und zum anderen sind diese Anlagen Verbrennungsmaschinen und somit je nach Bedarf regelbar.

Anhand eines Modells wird in dieser Arbeit geprüft, ob und unter welchen Bedingungen der Betrieb von mehreren Blockheizkraftwerken (kleine KWK-Anlagen) als VK vorteilhafter gegenüber der herkömmlichen, wärmegeführten Betriebsweise ist. Diese besteht darin, Wärmeabnehmer mit Wärme und teilweise mit Strom zu versorgen und überschüssigen Strom ins Netz einzuspeisen. Im Fall des VK wird die Stromproduktion der BHKWs gezielt gesteuert, um größtmögliche Erträge an der Strombörse zu erzielen.

Es wird jedoch gezeigt, dass der Mehrwert des VK gegenüber der nur lokalen, wärmegeführten Betriebsweise (Referenzfall) eher gering ist und zumindest nicht die zusätzlichen Risiken durch Teilnahme am Strommarkt rechtfertigt. Doch für Unternehmen, die als Stromhändler ohnehin Marktrisiken an der Börse eingehen, kann ein virtuelles Kraftwerk aus BHKWs durchaus lohnenswert sein. Aktuelle Entwicklungen, wie bei der Lichtblick AG und der

EnVersum GmbH, belegen dies. Die Attraktivität von VK aus BHKWs erhöht sich vor allem dann, wenn die Strompreise an der Börse in Zukunft volatiler wären, da dann von den Preisspitzen profitiert werden kann.

3 Einführung

3.1 Begriff „Virtuelles Kraftwerk“

In dieser Arbeit werden virtuelle Kraftwerke als ein interaktives, zentral steuerbares Netzwerk von dezentralen Stromerzeugungsanlagen [3], also ohne Stromspeicher oder –verbraucher, betrachtet. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff „virtuelles Kraftwerk“ oftmals zu weit gefasst. Beispielsweise ist die Rede von einem virtuellen Kraftwerk aus Sahara-Solarstrom, europäischen Windkraftanlagen und skandinavischen Pumpspeicherkraftwerken [6]. Wenn der Begriff des VK so weit gefasst werden würde, könnte ebenso unser heutiger Kraftwerkspark als virtuelles Kraftwerk bezeichnet werden, da dieser schließlich auch in gewisser Weise koordiniert wird – über den Regelungsmechanismus Preis. Hier ist eine klare Abgrenzung notwendig. Als VK sollten nur Anlagen bezeichnet werden, die von einem einzigen Betreiber wirklich regelungstechnisch kontrolliert werden (beispielhaftAbbildung 1). Dieser Umgang mit dem Begriff zeigt jedoch, dass eben dieser in der wissenschaftlichen Literatur noch nicht abschließend definiert ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung1: Veranschaulichung eines virtuellen Kraftwerks aus BHKWs

3.2 Aufbau und Komponenten eines virtuellen Kraftwerks

Ein VK besteht aus Hardware- und Softwarekomponenten. Die Hardware besteht aus den verschiedenen Maschinen und Anlagen zur Stromerzeugung unter Nutzung verschiedener Energiequellen, wie fossiler und biogener Brennstoffe, Sonneneinstrahlung, Wind- oder Wasserkraft. Des Weiteren benötigen die Anlagen einen Anschluss an das Stromnetz. Je nach Anlagenleistung kann ein Anschluss ans Niederspannungsnetz(bis 1 kV), Mittelspannungsnetz(bis 30 kV), Hochspannungsnetz(bis 150 kV) oder Höchstspannungsnetz erfolgen, üblicherweise aber an das Nieder- und Mittelspannungsnetz.

Weitere Hardware ist die Kommunikations- und Regelungstechnik. Es ist heute schon üblich, Anlagen wie größere Heizungen fernzuwarten. Dazu wird die Regelungstechnik mitsamt der Sensorik der Anlagen an ein DSL- oder GSM-Modem (oder auch neuartige Kommunikations-technik [7]) angeschlossen, um diese per Telefonanschluss oder Internet zu steuern und zu warten. Zu den Geräten gehören auch Zähler für Strom und Wärme, wobei seit 2010 laut Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sog. Smartmeter[2] als Stromzähler in Neubauten vorgeschrieben sind. Weiterhin müssen in einer Zentrale Computer zur Verfügung stehen. Leider benutzen Regelungstechnik und Zähler je nach Hersteller unterschiedliche Kommunikationsprotokolle, sodass sich deren Integration schwierig gestalten würde. Ein einheitlicher Standard könnte sich in Zukunft aus Effizienzgründen durchsetzen [8].

Als Software werden ergänzend zur bereits vorhandenen Wartungssoftware Programme zur Planung, Betriebsführung und Administration benötigt. Das schließt Funktionen wie Prognose, Überwachung, Steuerung, Ausfallsicherheit und Optimierung mit ein (sieheAbbildung 2). Einige Teilfunktionen, wie Strompreisprognosen, können auch extern bezogen werden. Eine genauere Beschreibung der nötigen Software ist in einer von der Siemens AG unterstützten Studie [9] als Lastenheft aufgeführt. Derzeit handelt es sich bei solcher Software noch um Individuallösungen, jedoch ist mit zunehmender Standardisierung in der Regelungs- und Übertragungstechnik auch mit kommerzieller Software zu rechnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung2: Schematische Darstellung der Einflüsse auf ein virtuelles Kraftwerk

3.3 Nutzen von virtuellen Kraftwerken

Einzelne Anlagen des virtuellen Kraftwerks sind dadurch gekennzeichnet, dezentral und nur mit relativ geringer elektrischer Leistung Strom zu erzeugen und diesen daher kaum wirtschaftlich am Strommarkt anbieten zu können. Die Markteintrittsbarrieren bestehen vor allem in der Mindestangebotsgröße an den Strombörsen (i.d.R. mindestens 0,1 MW für mindestens eine Stunde), aber auch in den Fixkosten und dem organisatorischen Aufwand, um überhaupt am Handel teilnehmen zu können (dazu mehr in Kapitel 3.6.8.). Eine gemeinsame Stromvermarktung als virtuelles Kraftwerk kann diese Markteintrittsbarrieren überwinden und zusätzliche Gewinnmöglichkeiten schaffen, wenn vor allem bei hohen Strompreisen eingespeist oder Regelleistung angeboten wird. Wenn man, beispielsweise als Stromhändler, einen Bilanzkreis betreibt, kann man sich durch ein VK eine kleine Kraftwerkskapazität aufbauen, um weniger teure Spitzenlast oder sogar Regelleistung einkaufen zu müssen (dazu mehr in Kapitel 3.6.4.). Da die staatliche Förderung für dezentrale Anlagen nach dem „Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien“ (EEG) und dem „Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung“ (KWKG) zunehmend sinkt, bzw. einige Anlagen bereits aus der Förderung ausscheiden, wird ein wirtschaftlicher Betrieb zu Marktkonditionen in Zukunft immer relevanter. Der Strommarkt hat die Besonderheit, dass Strom immer im Voraus verkauft wird, weil die Nutzung des Netzes geplant werden muss und Strom zum Zeitpunkt der Nachfrage immer verfügbar sein muss. Weil Strom andererseits noch kaum speicherbar ist, muss er planbar zum Verbrauchszeitpunkt produziert werden. Es wurde nachgewiesen, dass die fluktuierende Einspeisung von Photovoltaik, Wasser- und Windkraft signifikant geglättet werden kann, wenn mehrere dieser Erzeugungstechnologien oder verschiedene Standorte zusammen vermarktet werden [3].

Virtuelle Kraftwerke werden oft mit der Optimierung des Netzbetriebs in Verbindung gebracht. Durch die Vielzahl der dezentralen Anlagen wird die Versorgungssicherheit verbessert. Bei Einbindung von Stromerzeugern in ein lokales Verteilnetz muss weniger Strom von außerhalb bezogen werden. Dadurch kann das Netz entlastet werden. In der Realität sieht es aber so aus, dass Stromnetze vor allem für den Lastfluss vom Großkraftwerk zum Endkunden ausgelegt sind und nicht unbedingt in die andere Richtung. Virtuelle Kraftwerke würden sogar zunehmend Probleme mit ihren Verteilnetzbetreibern (VNB) bekommen, da die Anreize für den Betrieb des VK von einer fernen Strombörse kommen, während die VNB ihre lokalen Netzkapazitäten im Auge behalten müssen. Es könnte sein, dass sich gesetzliche Regelungen bezüglich der Netzentgelte ändern, wenn VNB durch dezentrale Einspeiser zu sehr belastet werden. Virtuelle Kraftwerke können also eher zur Netzstabilität beitragen, wenn der VNB mit einbezogen wird. Beispielsweise könnte ein VNB gegen eine Gebühr Eingriff in den Betrieb des VK bekommen [11], sodass eine vorteilhafte Situation für beide Seiten entsteht.

3.4 Beispiele und aktuelle Entwicklungen

In Deutschland existieren einige Pilotprojekte von Anlagenherstellern und Hochschulen (sieheAbbildung 3), beispielsweise an den Fachhochschulen Bingen und Clausthal, sowie von Vaillant und Siemens/RWE.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung3: Demonstrations- und Pilotanlagen virtueller Kraftwerke in Deutschland

Marktwirtschaftlich werden in Deutschland folgende Projekte betrieben:

Das VK der Stadtwerke Unna besteht aus fünf Blockheizkraftwerken, zwei Windparks, einer Fotovoltaik- und einer Wasserkraftanlage, die zusammen 5 – 10% des Strombedarfs der Stadt Unna decken. Ziel war, neben dem grünen Image, den Bezug von teurem Spitzenlaststrom und Regelleistung zu verringern [12].

Die Evonik Industries AG (früher STEAG Saar Energie AG) betreibt ein virtuelles Kraftwerk („Virtuelles Regelkraftwerk“) aus kleinen Industriekraftwerken, BHKWs und Windenergieanlagen mit 400 MW Gesamtleistung, sowie mehrere Großkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 2 GW in Deutschland. In das VK werden auch industrielle Verbraucher eingebunden, die negative Regeleistung anbieten können. Das Anbieten von Regelleistung ist der Hauptzweck dieses Projektes [13].

Ende 2010 begann der Vattenfall-Konzern in Berlin den Aufbau eines VK aus bisher 25 BHKWs [32]. Betreiber von bestehenden BHKWs können sich dem VK anschließen. Laut Vattenfall [33] soll das VK mit BHKWs als Stromerzeuger und Wärmepumpen als Verbraucher auf die fluktuierende Windenergieeinspeisung reagieren.

Seit 2010 ist in Deutschland die Lichtblick AG, ein Strom- und Gashändler, auch mit einem virtuellen Kraftwerk am Markt. Lichtblick vertreibt BHKWs mit VW-Gasmotoren und 19 kW elektrischer Leistung per Contracting und steuert diese zentral, um den Strom unter dem Werbebegriff „Schwarmstrom“ zu vermarkten. Das VK soll laut Lichtblick vor allem dazu dienen, die fluktuierenden Einspeisungen aus EEG-Anlagen auszugleichen, was der Strategie des Peak Shaving (Anbieten zu Hochpreiszeiten) gleich kommt [5].

Seit 2010 ist die EnVersum GmbH, ebenfalls ein Unternehmen aus Hamburg, auf dem Markt. Das Unternehmen vertreibt BHKWs von der SenerTec GmbH, die vor allem durch ihr Modell „Dachs“ bekannt ist. Das geplante virtuelle Kraftwerk soll „MiniVersum“ heißen [14].

Das Verkaufsmodell beider Anbieter sieht vor, dass der Kunde einen Einrichtungspreis von 5000€ (Lichtblick), bzw. 4800€ (EnVersum) zahlt und anschließend einen Arbeitspreis für jede genutzte kWh Wärme entrichtet. Im Contracting ist es normalerweise eher üblich, einen jährlich zu entrichtenden Leistungspreis zu verlangen, der die Finanzierungskosten deckt. Schließlich ist einer der Vorteile von Contracting, dass der Kunde keinen Finanzierungsaufwand hat. Lichtblick bindet Kunden vertraglich für nur 2 Jahre und nur in Bezug auf die Wärmeabnahme. EnVersum bindet Kunden für die Wärmeabnahme über 10 Jahre und für die Stromabnahme über mindestens 2 Jahre.

Das erklärte Ziel von Lichtblick, 100.000 Anlagen mit 2 GW betreiben zu wollen, scheint angesichts einer Marktgröße von rund 5400 verkauften BHKWs (fossile Kraftstoffe, bis 2 MWel), bzw. rund 31.000 insgesamt installierten BHKWs (alle Kraftstoffe, bis 20 MWel) in 2009 in Deutschland [15] sehr ambitioniert.

3.5 Politische und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

Das Betreiben von dezentralen Stromerzeugungsanlagen, auch als VK, wird durch zwei Faktoren begünstigt: die Liberalisierung des Energiemarktes und die finanzielle Förderung dezentraler und ressourcenschonender Stromerzeugung.

Die Liberalisierung wurde auf Betreiben der EU in den 1990er Jahren begonnen (Richtlinie 96/92/EG), als die Stromversorgung noch von staatlich regulierten Großkonzernen und lokalen Netzbetreibern (oft im Eigentum dieser Konzerne und der Gemeinden) auf allen Ebenen durchgeführt wurde. Mittlerweile ist die Liberalisierung weit fortgeschritten, indem die Strukturen der großen Konzerne entflochten wurden und nur das Stromnetz als natürliches Monopol bestehen bleibt. Das Stromnetz unterliegt wegen der Monopolstellung staatlicher Regulierung durch die Bundesnetzagentur.

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) mit seinen Verordnungen, wie der Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (StromNZV) und der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV), garantiert neuen Anbietern einen fairen Zugang zum Strommarkt.

Der Strommarkt ist marktwirtschaftlich, insbesondere in Form von Strombörsen, organisiert. Die für Deutschland relevanten Börsen sind die EEX (European Energy Exchange) mit Sitz in Leipzig und die EPEX Spot mit Sitz in Paris.

Die finanzielle Förderung bezieht sich vor allem auf Anlagen mit KWK zur besseren Ausnutzung von Primärenergie und auf Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Neben Förderkrediten der KfW und Zuschüssen der BAFA besteht die Förderung in der Vergütung des produzierten Stroms.

Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) hat folgendes Ziel:

„Zweck des Gesetzes ist es, einen Beitrag zur Erhöhung der Stromerzeugung ausKraft-Wärme-Kopplungin der Bundesrepublik Deutschland auf 25 Prozent durch den befristeten Schutz, die Förderung der Modernisierung und des Neubaus von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen), die Unterstützung der Markteinführung der Brennstoffzelle sowie die Förderung des Neu- und Ausbaus von Wärmenetzen, in die Wärme aus KWK-Anlagen eingespeist wird, im Interesse der Energieeinsparung, des Umweltschutzes und der Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung zu leisten.“ (§1 KWKG)

Es garantiert eine Vergütung für jede erzeugte kWh Strom aus KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung kleiner 50 kW von 5,11 Cent für die Dauer von 10 Jahren. Anlagen mit Leistungen zwischen 50 kW und 2 MW erhalten 2,11 Cent plus 5,11 Cent anteilig bis 50 kW. Durch diese Stufungen gilt meist in deutscher Literatur ein BHKW mit bis zu 50 kWel als „Mini-BHKW“ und eines mit bis zu 2 MWel als „kleines BHKW“. Die Vergütung wird vom Netzbetreiber erstattet, der es wiederum auf die Netzentgelte verteilt.

Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien werden je nach Art und Größe nach EEG vergütet. Für KWK mit erneuerbaren Energien gibt es einen Zuschlag nach dem EEWärmeG. Die Vergütungen werden ebenfalls vom Netzbetreiber erstattet und über ein deutschlandweites Umverteilungssystem verteilt. Wasserkraftanlagen bis 500 kW erhalten beispielsweise 12,67 €c/kWh, Windkraftanlagen in den ersten 5 Betriebsjahren 9,7 €c/kWh (windreicher Standort, ohne Boni), Fotovoltaikanlagen 28,74 €c/kWh (ab 2011, auf Dach, bis 30kW), Biomasseanlagen 11,67 €c/kWh (Grundvergütung ohne Boni, bis 150kWel). Die Kosten für diese Subventionen werden letztendlich direkt auf die Stromendkunden übertragen.

Sowohl aus EEG-, als auch aus KWK-Anlagen wird der Strom bevorzugt gegenüber anderen Kraftwerken ins Netz eingespeist, der Strom muss also in jedem Fall abgenommen werden. Um gefördert zu werden, müssen die Anlagen bei der BAFA angemeldet werden. Wurden kleine Anlagen installiert, die auch allgemein am Markt verfügbar sind, ist die Anmeldung mithilfe der Herstellerdokumente recht einfach.

Neben der fixen KWK-Vergütung erhält der BHKW-Betreiber nach KWKG einen Preis für den gelieferten Strom. Er kann sich entweder mit dem Netzbetreiber auf einen Preis einigen oder einen vierteljährlich ermittelten Preis erhalten, der sich an dem mittleren Preis für monatliche Baseload-Futures des vergangenen Quartals an der EEX orientiert (dazu mehr in Kapitel 3.6.). Er hat auch die Möglichkeit, unter Beibehaltung der Förderung Strom an einen Dritten, beispielsweise an einer Börse, zu verkaufen.

Bei EEG-geförderten Anlagen besteht diese Möglichkeit nicht. Man muss sich jeweils einen Monat im Voraus für den Folgemonat entscheiden, ob man die EEG-Förderung verlangt oder den Strom selbstständig vertreibt. Durch die hohe Förderung ist es also meist unwirtschaftlich, den Strom marktnah zu vertreiben. Durch die Degression der Fördersätze könnte sich dies in Zukunft ändern.

Das Energiesteuergesetz (EnergieStG) regelt die Besteuerung von Brennstoffen, wie Erdgas oder Diesel. Werden Brennstoffe in BHKWs mit KWK verbraucht, kann die Ökosteuer nach §53 auf Antrag beim Zoll zurück erstattet werden.

Die neuesten Schritte der Liberalisierung betreffen das Messwesen. Ab einer elektrischen Einspeise- oder Entnahmeleistung von 30 kW oder einer jährlichen Arbeit von 100 MWh ist der Betrieb einer Messstelle erforderlich, die die Lastkurve misst. Die Lastkurve gibt meistens die elektrische Arbeit im ¼h-Takt an, wodurch sich eine durchschnittliche Leistung errechnet. Das Messen erfolgt mit geeichten Zählern und war früher nur den Netzbetreibern gestattet, die diese Dienstleistung relativ teuer anboten. Heute darf jeder qualifizierte Betrieb nach dem „Gesetz zur Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb“ (Wettb-MesswSGG) eine Messstelle betreiben und Messdaten auslesen, wodurch die Preise sinken sollten.

3.6 Der Strommarkt

3.6.1 Stromübertragung

Die Übertragung von Strom über größere Entfernungen findet über das Übertragungsnetz, ein 220-380 kV Höchstspannungsnetz statt. Es gibt in Deutschland vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜBN:TranspowerStromübertragungs-GmbH,50Hertz Transmission GmbH,Amprion GmbH,EnBW Transportnetze AG), die auch gleichzeitig die Regelzonen bilden (siehe Kapitel 3.6.4.). Unterhalb der Übertragungsnetze existieren die Verteilnetze im Mittel- und Niederspannungsbereich. Die Verteilnetzbetreiber sind im Normalfall Ansprechpartner, wenn eine dezentrale Stromerzeugungsanlage ans Netz angeschlossen werden soll. Sie sind verpflichtet, einen Anschluss herzustellen, können für die Baukosten aber einen Zuschuss verlangen. Zwischen dem Betreiber einer dezentralen Stromerzeugungsanlage und dem Netzbetreiber besteht prinzipiell ein Interessenkonflikt, denn der Anschluss der Anlage lohnt sich für den Netzbetreiber im Grunde kaum und die unvorhersehbare Einspeisung stört seinen Netzbetrieb. Dies führt dazu, dass der Netzbetreiber unter Umständen seine Netze ausbauen muss, oder dass sich der Bilanzkreisverantwortliche öfter verkalkuliert und Regelleistung anfordern muss. Der Netzbetreiber muss den Strom grundsätzlich abnehmen, er ist jedoch nicht wehrlos. Er ist im Normalfall vertraglich berechtigt, bei kritischem Netzzustand die Stromabnahme zu verweigern. Die envia Verteilnetz GmbH veröffentlicht beispielsweise einer Karte, in welchen Regionen eine Einspeisung aufgrund von Netzengpässen nicht immer möglich ist. Die Zusatzkosten für den Netzausbau legen die VNB auf die Netzentgelte um. Dieser Interessenkonflikt führt zu einer auf das gesamte System bezogenen technischen Ineffizienz durch die dezentralen Stromerzeugungsanlagen, die auch durch das Konzept der virtuellen Kraftwerke nicht immer gelöst werden würde [2]. Schließlich könnte man das virtuelle Kraftwerk nach dem (fernen) Börsenpreis optimieren und lokale Netzbelastungen zu wenig beachten. Eine Kooperation zwischen Anlagen- und Netzbetreiber wäre denkbar, wobei der Anlageneigentümer den Betrieb gegen eine Vergütung teilweise dem Netzbetreiber überlässt. Es müsste eine Mindestanzahl an Anlagen vorhanden sein, damit sich der Mehraufwand für die Koordination lohnt. Die Einflussnahme von Netzbetreibern auf Erzeugungskapazitäten ist aber hinsichtlich der Entflechtung des Energiemarktes als kritisch zu sehen.

3.6.2 Netzentgelte

Die Netzbetreiber fordern für die Nutzung ihrer Netze Entgelte ein. Die Stromnetze sind eine wichtige Infrastruktur und sollen im Rahmen der Liberalisierung möglichst jedem Marktteilnehmer offen stehen. Darum werden Netzentgelte durch die StromNEV staatlich reguliert, indem den Netzbetreibern nur eine bestimmte Gewinnspanne zugestanden wird. Die Höhe richtet sich, neben der zugewiesenen Gewinnspanne, nach den Betriebskosten, die vor allem für Instandhaltung und Ausbau entstehen, aber auch nach Regelleistung und Konzessionen. Entgelte werden von der Quelle über alle Spannungsebenen und Umspannvorgänge bis zum Bilanzkreis des Endkunden weitergegeben und dort vom VNB erhoben. Wenn also Strom einspeist wird, ist kein Entgelt zu entrichten, wenn aber Strom beispielweise an der Strombörse gekauft wird, ist das Entgelt zu zahlen, das am Entnahmepunkt gilt. Neben den regionalen Unterschieden durch unterschiedliche VNB gibt es noch weitere preisliche Unterschiede in der Spannungsebene. Für dezentrale Erzeuger kommen Nieder- und Mittelspannung in Frage.

Netzentgelte setzen sich aus einem Leistungs- und einem Arbeitspreis zusammen. Der Leistungspreis ist ein fixer Betrag, der sich nach der maximal entnommenen Leistung richtet, der Arbeitspreis wird für die entnommene Arbeit berechnet. Für kleine Verbraucher mit weniger als 30 kW Leistung oder 100.000 kWh jährlicher Arbeit werden zur Bestimmung des Leistungspreises Standardlastprofile verwendet. Wenn kleine dezentrale Anlagen einspeisen, rechnet der VNB ebenfalls mit Standardlastprofilen, um seine Bilanz ausgeglichen zu halten. Wenn die oben genannten Werte überschritten werden, fordert der VNB gegen Gebühr oft eine registrierende Leistungsmessung (RLM). Für Einspeiser, die die Grenzwerte überschreiten, kann er ebenfalls eine RLM fordern. Für den Betrieb eines VK aus BHKWs mit Stromverbrauchern ist die RLM ebenfalls am Netzanschlusspunkt erforderlich, da der Betreiber vielleicht die Leistung der BHKWs, nicht aber die Entnahmeleistung der Stromverbraucher kennt. Für das Einhalten der Fahrpläne und das Ausgleichen des Bilanzkreises ist es sinnvoll, so viele Informationen wie möglich über Leistungen zu erhalten. Die RLM findet meist über die Erfassung des viertelstündlichen Stromverbrauchs und die Ermittlung der daraus resultierenden Durchschnittsleistung statt. Die Leistungsdaten werden anschließend über eine Kommunikationsverbindung wie DSL oder GSM gemeldet.

3.6.3 Erstattung von Netzentgelten bei dezentraler Einspeisung

Der VNB erstattet eine Vergütung für die dezentrale Einspeisung von Strom, wenn er dadurch weniger Strom aus höheren Netzebenen beziehen musste. Die Vergütung für vermiedene Netzkosten ist im zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (Stromnetzentgeltverordnung) festgelegt und für jeden VNB unterschiedlich. Sie errechnet sich aus einem Arbeits- und Leistungspreisanteil bezüglich der jeweils vermiedenen höheren Netzebene. Wird beispielsweise in das Niederspannungsnetz eingespeist, werden die Netzentgelte für die Umspannung von Mittelspannung auf Niederspannung erstattet.

Der Leistungspreis ergibt sich wahlweise aus der Einspeiseleistung zur Höchstlastzeit (meistens mittags am ersten Weihnachtsfeiertag, bei einigen VNB auch an mehreren Tagen im Jahr gemessen) oder aus der verstetigten Einspeiseleistung aus Jahresarbeit geteilt durch 8760 Stunden. Für beide Verfahren muss die Leistung mit einem Korrekturfaktor multipliziert werden, da die eingespeiste Leistung durch Verluste nicht komplett das Netz entlastet. Wird ein leistungsstarkes BHKW mit relativ wenigen Volllaststunden betrieben, ist die Vergütung nach Maximalleistung vorteilhaft, sofern diese zu den Messzeitpunkten auch erreicht wird. Die Messzeitpunkte werden im Voraus veröffentlicht, es besteht jedoch das Risiko, dass die Anlage gerade dann defekt ist.

3.6.4 Bilanzkreise und Regelleistung

Das deutsche Stromnetz ist in den europäischen Netzverbund UCTE integriert und selbst in die vier Regelzonen eingeteilt. Im UCTE gelten einheitliche Standards, wie zulässige Toleranzen in Spannung und Frequenz sowie die Verfügbarkeit von Regelleistung. Sollten die Stromeigenschaften (insbesondere Spannung, Frequenz, Blindleistung) unzulässige Werte annehmen, müssen die Übertragungsnetzbetreiber dies ausgleichen. Abweichungen kommen unter anderem zustande, wenn Einspeisung und Verbrauch von Strom bei 50 Hz nicht genau übereinstimmen. Sollte es zu solchen Ungleichgewichten kommen, wird Regelleistung eingesetzt. Bei einem Überangebot wird negative Regelleistung abgerufen (ein Einspeiser schaltet aus, ein Verbraucher schaltet ein), bei einem Unterangebot wird positive Regelleistung abgerufen (Einspeiser schaltet ein, Verbraucher schaltet aus). In der UTCE ist Regelleistung in drei Verfügbarkeitsstufen eingeteilt: Primärreserve, Sekundärreserve und Minutenreserve. Primärreserve steht bis spätestens 30 s ab Störung zur Verfügung, Sekundärleistung ab spätestens 5 min und Minutenreserve ab 15 min. Aufgrund der technischen Anforderungen ist es für regelbare dezentrale Anlagen oder Anlagen mit Akkumulator prinzipiell möglich, Minutenreserve anzubieten. Dazu werden überwww.regelleistung.netin einer Auktion mindestens 15 MW angeboten, was bei kleinen Anlagen nur durch ein virtuelles Kraftwerk möglich ist. Die Annahme des Angebots richtet sich nach den niedrigsten Leistungspreisen, also der Vergütung für die bloße Bereitstellung der Leistung. Die Abrufung erfolgt gestaffelt nach den niedrigsten Arbeitspreisen, also den Preisen für die tatsächlich geleistete Arbeit. Durch bessere Prognosen und einen Intraday-Markt für Strom wird Minutenreserve immer seltener abgerufen.

Die Übertragungsnetzbetreiber gleichen die Strombilanz aus Einspeisung und Verbrauch nicht in jedem Teilbereich des Netzes aus, dazu haben sie ihr Netz in Bilanzkreise aufgeteilt. Jedes Übertragungsnetzgebiet ist in 100 bis 200 Bilanzkreise aufgeteilt [16], wobei ein Bilanzkreis eine definierte Menge von Einspeise- und Entnahmepunkten ist. Wer Strom an der Börse handeln möchte, muss nachweislich mindestens einen Bilanzkreis besitzen oder mit einem Bilanzkreisbesitzer eine Vereinbarung, beispielsweise über einen Subbilanzkreis, aushandeln. Die Beziehungen zwischen Bilanzkreis, ÜNB und VNB sind inAbbildung 4dargestellt. Der Bilanzkreisverantwortliche ist für eine ausgeglichene Strombilanz verantwortlich. Das heißt, Ein- und Ausspeisungen in seinen Bilanzbereich müssen stets ausgeglichen sein. Durchleitungen aus anderen Bilanzkreisen muss er in Form von vorher gemeldeten Fahrplänen einplanen. Sollte der Bilanzkreisverantwortliche, also beispielsweise der Betreiber eines virtuellen Kraftwerks, keine ausgeglichene Bilanz haben und sollte diese durch andere Bilanzkreise nicht ausgeglichen werden, setzt der Übertragungsnetzbetreiber Regelleistung ein. Diese wird dem Bilanzkreisverantwortlichen in Rechnung gestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung4:Vertragsstrukturen um Bilanzkreise

3.6.5 Regelleistung durch virtuelle Kraftwerke

Aufgrund des starken Ausbaus dezentraler Stromerzeugungsanlagen wird von der Politik angestrebt, dass diese auch zunehmend Systemverantwortung übernehmen [17]. Dazu gehört unter anderem, das Netz durch Regelleistung stabil zu halten. Primär- und Sekundärreserve werden in der Regel durch die Trägheit der rotierenden Massen in Großkraftwerken und durch Drosselsysteme in deren Dampfzufuhr bereitgestellt. Das Bereitstellen von Minutenreserve könnte für VK in Frage kommen, sofern die Anlagen wirklich regelbar sind. Durch die derzeit hohen Vergütungssätze für erneuerbare Energien besteht aber kein Anreiz, am Regelleistungsmarkt teilzunehmen. VK aus EEG-Anlagen bewirken eine bessere Prognosesicherheit und damit eine Einsparung von Regelleistungsabruf [8], eignen sich aber kaum zum Anbieten von Regelleistung.

Das einzige, bisher realisierte VK zum Anbieten von Regelleistung ist das der EVONIK AG, mit einem Marktanteil bei der Minutenreserve von 10% [8] in Deutschland. Es besteht überwiegend aus industriellen Kleinkraftwerken mit mindestens 1 MW Leistung und industriellen Verbrauchern.

Aufgrund der guten Regelbarkeit wäre ein VK aus BHKWs denkbar. Der Nutzen des VKs liegt hier wieder in der Überwindung von Markteintrittsbarrieren, da als Minutenreserve mindestens 15 MW angeboten werden müssen (www.regelleistung.net). Wegen der relativ kleinen Leistung bei relativ hohen Investitionskosten würden BHKWs nicht primär zum Anbieten von Regelleistung errichtet werden. Mehrere Studien haben sich damit beschäftigt, ob deren Rentabilität durch Teilnahme in einem VK am Regelleistungsmarkt gesteigert werden kann (siehe [11], [18]). Alle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass das Anbieten negativer Regelleistung unzweckmäßig ist, da permanent ein Wärmespeicher für die eventuelle Ausfallzeit beheizt oder eine Zusatzheizung betrieben werden müsste. Deren Betriebskosten sind aufgrund der fehlenden Vergütung und Steuerbegünstigung höher als die eher geringe Vergütung für negative Regelleistung. Man dürfte den Strom auch nicht bereits am Markt verkauft haben, wodurch das Anbieten negativer Regelleistung eigentlich nur bei Anlagen denkbar ist, die Strom per Zwangsabnahme einspeisen.

Das Bereitstellen positiver Regelleistung bedeutet einen Stillstand der Anlage. Aufgrund hoher Investitionen strebt man bei BHKWs eine hohe Volllaststundenzahl an, auch weil der Betrieb einer Zusatzheizung aufgrund der geringen Minutenreservenpreise unwirtschaftlich ist. Wenn jedoch nicht mit einem hohen Wärmebedarf zu rechnen ist, wie dies im Sommer oder in der Nacht der Fall ist, und im Speicher noch Kapazität frei ist, kann das Anbieten positiver Regelleistung einen kleinen Zusatzertrag erwirtschaften [18]. Nach [11] stellt das Anbieten von Regelleistung keine Grundlage für eine Investition in ein VK aus Mini-KWK-Anlagen nur zu diesem Zweck dar.

3.6.6 Stromhandel

Strom wird wie viele andere Waren gehandelt. Er kann vom Erzeuger direkt an den Verbraucher verkauft werden, beispielsweise in Form von „Lastgängen“. Darin sind bestimmte elektrische Leistungen zu bestimmten Zeiten festgelegt. Die Preise werden dabei individuell verhandelt. Strom kann aber auch an Börsen gehandelt werden. Im Zuge der EU-weiten Liberalisierung des Strommarktes haben sich in Europa verschiedene Strombörsen etabliert. Die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig und die EPEX Spot in Paris sind die wesentlichen Börsen für Deutschland. An diesen Börsen agieren nicht nur Erzeuger und Verbraucher, sondern auch Händler und Broker. Strom kann an der EPEX Spot auf einem Intraday-Spotmarkt bis 75 min vor Lieferung gehandelt werden, wobei die Volumen sehr gering sind, da ein so kurzfristiger Handel risikoreich wäre und die Fahrpläne an die Netzbetreiber meist mindestens einen Tag im Voraus gemeldet werden. Der Day-Ahead-Markt ist deutlich liquider als der Intraday-Markt. Heutzutage sind auch so gute Prognosen möglich, dass nicht bis zur letzten Stunde vor Abruf gewartet werden muss, um den Strombedarf zu erkennen. Außerdem müssen die Übertragungsnetzbetreiber die Netznutzung und eventuelle Engpässe rechtzeitig planen können. Der Strom wird am Spotmarkt also größtenteils bereits einen Tag im Voraus verkauft. Zur Absicherung gegen Preisschwankungen in der Zukunft kann der Strom an der Terminbörse EEX bis zu drei Jahre im Voraus als Future (German Power Future) gehandelt werden. Für alle Börsengeschäfte ist die Mitgliedschaft in einer Clearingbank erforderlich, die bei der Clearinggesellschaft ECC zugelassen ist und die Geschäfte finanziell absichert.

3.6.7 Stromverkaufsmöglichkeiten von virtuellen Kraftwerken aus BHKWs

Um als Betreiber eines VKs aus BHKWs Strom verkaufen zu können, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an:

1. Lieferung an den Netzbetreiber

Der lokale Netzbetreiber ist laut Gesetz dazu verpflichtet, den produzierten Strom jederzeit abzunehmen (sofern es zumutbar ist). Diese Lösung ist völlig unproblematisch, bringt dem Erzeuger jedoch nur eine gesetzlich geregelte Vergütung ein, die sich am Baseload-Future-Preis der EEX orientiert.

2. Liefervertrag

Ein Großteil des Stroms wird in Deutschland über längerfristige Lieferverträge (OTC – OverThe-Counter-Handel) gehandelt. Ein Liefervertrag könnte beispielsweise mit einem Stromhändler oder einem Verbraucher geschlossen werden. Der Preis orientiert sich bei diesen Verträgen meist an Futures-Preisen, also den Terminkontrakten an der EEX.

3. Verkauf an eigene Kunden

Beim Endkunden wird erwartungsgemäß der höchste Preis erzielt. Einem Kunden, in dessen Haus die Stromerzeugung stattfindet, kann der Strom direkt über einen eigenen Stromzähler verkauft werden. Die KWK-Vergütung wird auch für den im Haus genutzten Strom erstattet. Ohne weitere Umstände könnte fehlender Strom über einen anderen Stromhändler bezogen werden. Überschüssiger Strom könnte per Zwangsabnahme eingespeist oder an Dritte verkauft werden.

Es wäre jedoch auch denkbar, selbst als Stromhändler zu agieren und einen Bilanzkreis mit verschiedenen Stromkunden zu führen. Dann würde das virtuelle Kraftwerk nicht nur nach den Börsenpreisen ausgerichtet werden, sondern auch nach dem Strombedarf der eigenen Kunden im Bilanzkreis und an einer ausgeglichenen Bilanz. Wenn dann der produzierte Strom zur Deckung der Nachfrage nicht ausreicht, muss gegebenenfalls Strom eingekauft werden. In dem Fall müssen auch Stromsteuer, Netzentgelte und Abgaben für EEG und KWK berücksichtigt werden.

[...]


[1] Wärme-Contracting: ist eine Dienstleistung, bei der der Kunde Aufbau und Betrieb seiner Warmwasserversorgung einem Unternehmen überlässt und für die gelieferte Wärme Gebühren zahlt. Contracting wird oft in Anspruch genommen, wenn veraltete Heizkessel hohe laufende Kosten verursachen und ersetzt werden sollen und der Besitzer die Investitionen scheut. Hier springt der Dienstleister ein, der es idealerweise schafft, dem Kunden trotz Investitionskosten und Gewinnabschlag einen günstigeren Wärmepreis als mit der Altanlage zu bieten [5].

[2] Smartmeter: Intelligente Stromzähler. Seit 2010 sind laut Energiewirtschaftsgesetz in neu gebauten und sanierten Gebäuden intelligente Stromzähler einzusetzen. Die Mindestanforderung laut Gesetz ist das Zählen der elektrischen Arbeit nach verschiedenen Tageszeiten, um zeitlich flexible Stromtarife zu ermöglichen. Die Zeitabstände sind nicht genauer vorgeschrieben. Smartmeter könnten aber auch mehr leisten: das Messen der Arbeit in kurzen Zeitabständen, das Bestimmen der Leistung, Fernauslesung oder Anzeige der Strompreise und des Verbrauchs für den Nutzer. Derzeit befinden sich solche modernen Smartmeter in Deutschland nur in der Erprobung. Im Ausland sind Smartmeter teilweise schon länger verbreitet [7] (siehe auchAbbildung 9).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842812406
DOI
10.3239/9783842812406
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden – Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen
Erscheinungsdatum
2011 (März)
Note
1,8
Schlagworte
kraftwerk dezentrale energieversorgung blockheizkraftwerk strommarkt
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Titel: Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen an virtuellen Kraftwerken aus kleinen Blockheizkraftwerken
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