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Entwicklung und Implementierung einer INS-Softwareplattform für die referenzlose Low-cost Indoornavigation auf Basis einer modularen Systemarchitektur

©2010 Diplomarbeit 106 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das referenzlose Navigieren im Indoorbereich ist in den letzten Jahren immer mehr zu einer Notwendigkeit in der Industrie geworden. Das Bedürfnis in Industrie und Medizin referenzlos rotatorische und translatorische Bewegungen von Personen, Industriewerkzeugen und sonstigen Objekten zu erfassen ist in den letzten Jahren stark gestiegen.
Waren doch bisher die Einsatzgebiete der inertialen Sensorsysteme auf Airbagsysteme und Avionik (High-End) fokussiert, so zeigt die Entwicklung der letzten Jahre eine steigende Notwendigkeit an industriellen und medizinischen Anwendungen dieser Systeme. Im Gegensatz zur Industrie und Medizin haben sich die Applikationen im Consumer und Entertainmentsegment rapide verbreitet. Die größten Erfolge erzielte Ende 2006 die Firma Nintendo mit ihrer Spielekonsole ‘Wii’, sowie diverse Hersteller von mobilen Endgeräten wie zum Beispiel die Firma Apple mit dem Smartphone ‘iPhone’. Die Plattform zum Erstellen von Inertialsensorapplikationen für mobile Endgeräte haben einige Hersteller mit sogenannten SDK-Paketen (Software-Development-Kits) gelöst.
Anwender können sich die vom Hersteller kostenlos bereitgestellten SDK‘s herunterladen und direkt mit dem Entwickeln von Anwendungen für das entsprechende Endgerät beginnen. Diese sogenannten ‘Apps’ sind bis heute jedoch auf die reine Lage- und Beschleunigungsdetektion (Neigung und Beschleunigung in X, Y und Z Richtung) beschränkt.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit geht es nun um die Entwicklung einer modularen auf LabVIEW basierenden INS-Plattform, mit der es möglich ist, Applikationen für die referenzlose Navigation zu entwickeln. Das bedeutet, dass es nicht ausreicht eine reine Neigungsdetekion vorzunehmen, sondern über inertiale Beschleunigungssensoren eines Sensorboards und über die doppelte Integration jener Daten eine Objektposition und die Orientierung im Raum zu ermitteln. Ferner gehört es zum Umfang der Softwareplattform, Vergleichsmessungen mittels eines auf Infrarot basierenden Tracking-Systems zu erstellen.
Dieses sogenannte Referenzsystem dient zur Verifikation der konzipierten Algorithmen und sonstigen Erweiterungen innerhalb der Softwareplattform. Die Vorteile der Sensordatenfusion zur Validierung von Algorithmen und Verifikation von Softwareerweiterungen liegen hier klar auf der Hand. Eine effizientere Entwicklung durch deutliche Verbesserung der Usability im Zusammenhang mit Evaluierungsvorgängen ist ein Schlüsselmerkmal der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zusammenfassung

Abstract

1 Einleitung

2 Plattform zur referenzlosen Low-cost-Indoor-navigation
2.1 Indoorobjektnavigation mittels inertialem Sensorsystem
2.2 Sensortechnologie für die inertiale Navigation
2.2.1 Beschleunigungssensoren
2.2.2 Drehratensensoren (Gyroskope)
2.3 INS Entwicklungsplattform
2.3.1 IMU (Inertial-Measurement-Unit)
2.3.2 Kommunikationsschnittstellen
2.3.3 Software zur Datenerfassung in LabVIEW und Windows
2.4 Problematik und Fehlerbetrachtung
2.4.1 Deterministische Fehler
2.5 Stand der Technik Navigationssysteme
2.5.1 Sensordatenfusion
2.5.2 Referenzsysteme
2.6 Infrarot-Trackingsystem zur Referenzdatenerfassung
2.7 Applikation zur Visualisierung der Sensormessdaten
2.8 Applikation in LabVIEW
2.8.1 Warum LabVIEW?
2.9 Aufbau und Funktionsweise der Software
2.9.1 Init-Unit
2.9.2 Read-Unit
2.9.3 Calc-Unit
2.9.4 Write-Unit
2.9.5 Vis-Unit

3 Softwaretechnologien
3.1 Was ist Modularität?
3.2 Was ist ein Framework
3.3 Datenvisualisierung

4 Ausgangssituation und Handlungsbedarf

5 Konzept
5.1 Bedarf einer modularen Architektur
5.2 Inhalt der Diplomarbeit

6 Implementierung und Umsetzung der modularen Architektur
6.1 Neue und erweiterte Funktionsmodule
6.1.1 Offline-Messdatenerfassung
6.1.2 Online-Messdatenerfassung
6.1.3 Offline-Messdatenerfassung mit IR-Referenzdatenvergleich
6.1.4 Online-Messdatenerfassung mit IR-Referenzdatenvergleich
6.2 Implementierung und Umsetzung der Module
6.3 3D-Visualisierung
6.4 Positionsdaten
6.5 IR-Trackingsystem

7 Validierung
7.1 Fundamentale modulare Funktionsmodule
7.2 Modulier- und Erweiterbarkeit
7.2.1 Funktionserweiterungen und Optimierung der Performance
7.3 IRTS-Referenzmessung

8 Fazit und Ausblick

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Vorwort

Die hier vorliegende Diplom Abschlussarbeit ist während meiner Mitarbeit im ccass der Hochschule Darmstadt entstanden. Das Thema der Arbeit ergab sich aus Anregung meines Betreuers, Herrn Prof. Dr.-Ing. Markus Haid, sowie aus meinen Forschungstätigkeiten im Bereich der inertialen Sensortechnologie im ccass.

Ganz besonderer Dank gilt Ihm, für die umfangreiche Betreuung und die vertrau-ensvolle und harmonische Zusammenarbeit, die zum Gelingen der Diplomarbeit beigetragen hat.

Mein Dank gilt außerdem Herrn Prof. Dr.-Ing. Andreas Gräßer, der als Korrefe-rent seitens der Hochschule zur Verfügung stand.

Vielen Dank auch an Miriam Heil und Thitipun „Teddy“ Chobtrong für die Mitar-beit und Unterstützung im ccass.

Ganz vielen lieben Dank an meine Familie für die liebevolle Unterstützung wäh-rend meines gesamten Studiums.

Besonders Danke ich auch meiner Freundin Anja, die mich in vielerlei Hinsicht in wichtigen Abschnitten meines Studiums unterstützt hat. Ich danke Ihr für Ihre Ge-duld und Liebe.

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit widmet sich der Modularisierung und der Weiterentwicklung einer Softwareplattform in LabVIEW für Anwendungen im Bereich der referenzlosen inertialen Low-cost-Indoornavigation. Anwendungen und Einsatzgebiete der referenzlosen Objektverfolgung liegen im Bereich der Personenüberwachung und Positionsdetektion von Werkzeugen und Halbzeugen in industrieller und medizinischer Anwendung. Auf Grund der kleinen Ausmaße und des geringen Gewichts, ermöglicht diese Low-cost Sensortechnologie überall ohne große Infrastruktur adaptiert zu werden.

Die Entwicklung von Applikationen in Form von Algorithmen, Filtermodellen und Validierungsroutinen für die inertiale Objektverfolgung erfordern eine sehr flexible, strukturierte und ausbaufähige Softwareplattform mit einer modularen Softwarearchitektur, die unter anderem das Prinzip der Dependency-Injection (Abhängigkeiten werden nicht von den modularen Funktionsbausteinen verwaltet) beherrscht. Mit Hilfe dieser Softwarearchitektur und Plattform für Entwicklungsanwendungen und Konzeptentwicklungen im Themenfeld der inertialen Sensortechnologie, soll es dem Anwender ermöglicht werden, modularisierte Funktionen für seine Anwendung zu programmieren und reibungslos in die Softwareplattform zu integrieren. Durch Minimierung des Zeitaufwands ist eine Steigerung der Effizienz im Umgang mit dieser Plattform ermöglicht worden.

Das Ziel dieser Arbeit ist die Weiterentwicklung einer bestehenden Software zu einem modularen Framework. Weitere Ziele dieser Arbeit sind die Verbesserung der Positions- und Orientierungsermittlung aus inertialen Sensormesswerten und die damit verbundene Möglichkeit zur Applikation von beliebigen Filtern und Algorithmen. Des Weiteren ist ein Ziel dieser Arbeit die Verbesserung der Validierungsroutinen mittels eines Infrarot-Trackingsystems und umfangreicher Visualisierungsmöglichkeiten durch Implementierung in die Softwareplattform. Arbeitszeiteinsparungen zu schaffen und somit den Umweg über weitere Software und die damit verbundenen Schnittstellenprobleme zu vermeiden ist ebenfalls ein Ziel dieser Arbeit.

Die gesamte Softwareplattform und modulare Architektur wurde im Ausblick auf hohe flexible Erweiterungsmöglichkeiten für zukünftige Anwendungen validiert.

Abstract

The present work devotes itself to the modularizing and the wide development of a software platform in LabVIEW for applications in the range without reference inertial low-cost-Indoor navigation. Applications and operational areas of the object pursuit without reference lie in the range of the personal monitoring and Position detection of tools and half witnesses in industrial and medical application. On grounds of the small magnitudes and the low goblin, it allows these low-cost to sensor technology everywhere to be adapted without big infrastructure.

The development of applications in the form of algorithms, filter models and routines for validation for the inertial object pursuit require a very adaptable, structured and expandable software platform with a modular software architecture, among the rest, the principle of the Dependency Injection (dependence are not administered by the modular function modules) controlled. With the help of this software architecture and platform for developing applications and draught developments in the subject field of the inertial-sensor technology, it should be enabled to the user to program modular functions for his application and to integrate freely from problems into the software platform. An increase of the efficiency has been allowed by minimization of the time involved in dealing with this platform.

The destination of this work is the advancement of existing software for a modular Framework. Other destinations of this work are the improvement of the position and orientation determination from inertial sensor measured data and the possibility connected with it for the application of any filters and algorithms. The improvement of the routines for validation by means of an infrared-tracking system and extensive visualization possibilities by implementing it in the software platform. Working hour savings is to be created and to be avoided therefore the detour about other software and the interface problems connected with it also a destination of this work.

The whole software platform and modular architecture was validated in the view of high adaptable extension possibilities for future applications.

1 Einleitung

Das referenzlose Navigieren im Indoorbereich ist in den letzten Jahren immer mehr zu einer Notwendigkeit in der Industrie geworden. Das Bedürfnis in Industrie und Medizin referenzlos rotatorische und translatorische Bewegungen von Personen, Industriewerkzeugen und sonstigen Objekten zu erfassen ist in den letzten Jahren stark gestiegen.

Waren doch bisher die Einsatzgebiete der inertialen Sensorsysteme auf Airbagsysteme und Avionik (High-End) fokussiert, so zeigt die Entwicklung der letzten Jahre eine steigende Notwendigkeit an industriellen und medizinischen Anwendungen dieser Systeme. Im Gegensatz zur Industrie und Medizin haben sich die Applikationen im Consumer und Entertainmentsegment rapide verbreitet. Die größten Erfolge erzielte Ende 2006 die Firma Nintendo mit ihrer Spielekonsole „Wii“, sowie diverse Hersteller von mobilen Endgeräten wie zum Beispiel die Firma Apple mit dem Smartphone „iPhone“. Die Plattform zum Erstellen von Inertialsensorapplikationen für mobile Endgeräte haben einige Hersteller mit sogenannten SDK-Paketen (Software-Development-Kits) gelöst.

Anwender können sich die vom Hersteller kostenlos bereitgestellten SDK‘s herunterladen und direkt mit dem Entwickeln von Anwendungen für das entsprechende Endgerät beginnen. Diese sogenannten „Apps“ sind bis heute jedoch auf die reine Lage- und Beschleunigungsdetektion (Neigung und Beschleunigung in X, Y und Z Richtung) beschränkt.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit geht es nun um die Entwicklung einer modularen auf LabVIEW basierenden INS-Plattform, mit der es möglich ist, Applikationen für die referenzlose Navigation zu entwickeln. Das bedeutet, dass es nicht ausreicht eine reine Neigungsdetekion vorzunehmen, sondern über inertiale Beschleunigungssensoren eines Sensorboards und über die doppelte Integration jener Daten eine Objektposition und die Orientierung im Raum zu ermitteln. Ferner gehört es zum Umfang der Softwareplattform, Vergleichsmessungen mittels eines auf Infrarot basierenden Tracking-Systems zu erstellen.

Dieses sogenannte Referenzsystem dient zur Verifikation der konzipierten Algorithmen und sonstigen Erweiterungen innerhalb der Softwareplattform. Die Vorteile der Sensordatenfusion zur Validierung von Algorithmen und Verifikation von Softwareerweiterungen liegen hier klar auf der Hand. Eine effizientere Entwicklung durch deutliche Verbesserung der Usability im Zusammenhang mit Evaluierungsvorgängen ist ein Schlüsselmerkmal der Softwareplattform.

Die hier im Rahmen der vorliegenden Arbeit realisierte Softwareplattform bietet eine sehr gute Skalierbarkeit und Flexibilität im Bereich der Entwicklung von Applikationen für inertiale Sensortechnologien. Die weiterentwickelte Plattform bietet so ein wichtiges Framework für zukünftige Entwicklungen. Hierzu wird in Kapitel 2 der aktuelle Stand der Inertialsensor-Technologie untersucht und erläutert. In Kapitel 3 werden die für das Konzept nötigen Softwaretechnologien und Strategien erläutert. Die Ausgangssituation und der wissenschaftliche Handlungsbedarf werden in Kapitel 4 abgeleitet. Das Lösungskonzept und die damit verbundenen Verbesserungen werden in Kapitel 5 vorgestellt. In Kapitel 6 werden die Implementierung der Neuerungen sowie die Weiterentwicklung der bestehenden Bestandteile abgehandelt. In Kapitel 7 werden die vorgenommenen Verbesserungen durch Simulationsmessungen evaluiert sowie Aussagen bezüglich der Performance-optimierung und der verbesserten adaptierbarkeit abgeleitet. Beendet wird diese Arbeit in Kapitel 8 mit einem Fazit und einem abschließenden Ausblick.

2 Plattform zur referenzlosen Low-cost-Indoor-navigation

In den nachfolgenden Kapiteln werden die Grundlagen der inertialen-Low-cost-Navigation sowie deren Aufbau und Funktionsweise der vorhandenen Hard- und Software für die Entwicklung von Applikationen erläutert.

2.1 Indoorobjektnavigation mittels inertialem Sensorsystem

Wie bereits beschrieben, ist das Bestimmen von Position und Orientierung eines bewegten Körpers im Raum, relativ zu seinem Anfangszustand (bekannte Position und Orientierung), in unzähligen Anwendungen bereits notwendig oder für die Zukunft wünschenswert.

Die Navigation von Geräten und Personen in Gebäuden ist auch eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung neuer Technologien, wie der Augmented Reality, der mobilen Informationstechnologie (z.B. Bediener- und Besuchernavigation), der minimalinvasiven Chirurgie (z.B. OP-Navigation) und der modernen Produktionstechnik (z.B. Schrauberpositionierung). Diese Zukunftstechnologien sind auf eine Navigationsmöglichkeit angewiesen, an die sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Sie müssen genau, zuverlässig und unabhängig von ihrer Umgebung funktionieren. Für eine breite Anwendung müssen diese Navigationssysteme klein, leicht und vor allem preiswert sowie einfach handhabbar sein.

Die aktuelle Position und Orientierung eines bewegten Körpers kann als Grundlage für die Regelung von Abläufen dienen, in dem für einen Soll-Ist-Vergleich der vorhandene Ist-Wert der Regelgröße bestimmt und die erforderliche Korrektur vorgenommen wird.

Dabei sind die Komplexität und die Genauigkeit der Positions- und Orientierungsbestimmung von der jeweiligen Anwendung und den damit verbundenen Freiheitsgraden abhängig.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2.1: Inertiale Indoornavigation (referenzlose Punkt-zu-Punkt Navigation)

Bei einer Positions- und Orientierungsbestimmung im Raum, als allgemeiner Fall, müssen sechs Parameter festgelegt werden, so dass sowohl die Koordinaten x, y, z als auch die Drehungen a, b, g des bewegten Körpers zu einem Referenzkoordinatensystem eindeutig beschrieben sind.

2.2 Sensortechnologie für die inertiale Navigation

Inertiale Navigationssysteme(Inertial Navigation Systems, im Folgenden kurz INSgenannt) auf der Basis von orthogonal angeordneten Beschleunigungs- und Orientierungssensoren ermöglichen das Bestimmen von Positionen und Orientierungen eines bewegten Objektes im Raum ohne Signale aus der Umgebung zu benötigen. Mit diesen Systemen ist selbst in schwieriger oder gefährdeter Umgebung eine Navigation möglich. Trägheitssysteme (inertia lat.: Untätigkeit, Trägheit), in Form eines INS, sind sehr flexible Systeme, da sie die Beschleunigung und Drehrate eines Körpers erfassen und durch Integration Geschwindigkeit und Position bzw. Orientierungswinkel eines Objektes bestimmen können.[1]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2.2: Vergrößerte Abbildung eines mikroskopisch kleinen MEMS (Micro-Electro-Mechanical Systems) Beschleunigungssensors

2.2.1 Beschleunigungssensoren

Die Beschleunigungssensoren (siehe Bild 2.2) nehmen die translatorische Beschleunigung in die drei Raumrichtungen x, y und z auf. Durch zweifache Integration ergibt sich aus der Beschleunigung die Position im Raum im Bezug auf eine Ausgangsposition. Die hier verwendeten Beschleunigungssensoren können Kräfte zwischen -6g und +6g erfassen. Diese „Accelerometer“ arbeiten gemäß den Newton’schen Axiomen. Als Maß für die Beschleunigung messen sie die Kraft, die auf das bewegte System wirkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2.3: Beschleunigungssensoren der Firma STMicroelectronics

Für die INS werden sogenannte Open-loop-Sensoren verwendet, die nach dem Ausschlagsprinzip arbeiten, wobei eine seismische Masse aufgrund der wirkenden Kraft aus der Ausgangsposition ausgelenkt wird. Das Maß für die gemessene Beschleunigung ist der Betrag der Auslenkung. Open-loop-Sensoren haben die Vorteile, dass sie kostengünstig und robust sind, allerdings sind sie auch sehr ungenau und haben einen hohen Drift. Zusätzlich summiert sich dieser Fehler bei zweifacher Integration zur Streckenbestimmung auf (siehe hierzu auch Kapitel 3.5). Die gemessenen Rohdaten müssen für die Integrationen nach der Zeit in SI-Einheiten umgerechnet werden.

2.2.2 Drehratensensoren (Gyroskope)

Die Drehratensensoren, auch Gyroskope genannt, erfassen die Drehgeschwindigkeiten um die drei Raumachsen. Durch einfache Integration lassen sich daraus die Rotationswinkel bestimmen. Mit Hilfe der drei Rotationswinkel ergibt sich die dreidimensionale Orientierung des zu verfolgenden Objektes im Raum.[2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2.4: Gyroskop der Firma STMicroelectronics

Die Drehratensensoren nehmen die Drehgeschwindigkeit um jede der drei Achsen auf. Für die Messung der Winkelgeschwindigkeit können verschiedene physikalische Mechanismen genutzt werden. Die INS verwendet nur oszillierende Kreisel, da sie im Gegensatz zu optischen und mechanischen Kreisel auch als mikromechanische Ausführung erhältlich sind. Oszillierende Kreisel nutzen entweder den Effekt der Drallerhaltung oder in den meisten Fällen den der Coriolisbeschleunigung.

Diese Drehratensensoren haben zwar die Vorteile gegenüber Inertialsensoren, die für die Navigation von Flugzeugen verwendet werden, dass sie sehr klein und günstig sind, doch sind sie noch ungenauer als die verwendeten Beschleunigungssensoren, da sie ein größeres Messrauschen haben. Die Fehlersummierung bei den Gyroskopen ist jedoch geringer, da die Messwerte nur einfach integriert werden. Bevor die Messdaten allerdings integriert werden können, müssen sie in SI-Einheiten umgerechnet werden.

Da der Wertebereich bei den Drehratensensoren beider Boards gleich ist, werden auch die Messdaten auf die gleiche Weise umgerechnet, für die Umrechnung gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bestimmung der Orientierung eines Objekts aus der Winkelgeschwindigkeit wird wie folgt berechnet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wichtig hierbei ist es vorher die Drehgeschwindigkeiten um die drei Achsen in Rotationswinkel umzurechnen. Im Anschluss lässt sich mit Hilfe einer Transformationsmatrix eine Koordinatentransformation durchführen.[3]

2.3 INS Entwicklungsplattform

Im nachfolgenden Abschnitt werden nun die Bestandteile der Entwicklungsplattform bzw. Entwicklungsumgebung für die Inertiale-Low-cost-Navigation erläutert.

2.3.1 IMU (Inertial-Measurement-Unit)

Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde als inertiale Sensorplattform ein sogenanntes IMU-Board genutzt. Das IMU-Board besteht aus einer 16-Kanal ADC/DAC (Analog-Digital-Converter/Digital-Analog-Converter) Einheit, welches die analogen Sensorsignale in Digital verwertbare Daten umwandelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2.5: Mini-IMU in Kunststoffgehäuse

Es handelt sich hierbei um ein redundantes Sensorboard, das über die doppelte Anzahl der nötigen Sensoren verfügt. Im Normalfall genügen drei Drehratensensoren, sogenannte Gyroskope und drei Beschleunigungssensoren, um sechs Freiheitsgrade darzustellen.

Auf diesem redundanten Board sind somit sechs Beschleunigungssensoren und sechs Drehratensensoren verbaut. Diese sind paarweise parallel oder antiparallel angeordnet. Zu den parallel angeordneten Sensoren gehören die Beschleunigungssensoren, diese sind in gleicher Richtung orientiert und zeigen somit entweder beide eine positive oder negative Beschleunigung an.

Die Drehratensensoren bzw. Gyroskope dagegen sind antiparallel verbaut und zeigen die Sensormessdaten in unterschiedlichen Vorzeichen an.

Die zwölf Sensoren können Drehraten in einem Messbereich von -100°/s bis +100°/s und Beschleunigungen von -6g bis +6g erfassen, wobei 1g = 9,81 m/­s² erfassen. Das Board verfügt über eine USB-Schnittstelle mit einer Auflösung von 12 Bit und einem Bluetooth-Modul, das eine kabellose Verbindung mit bis zu 10m Reichweite ermöglicht.

Die Spannungsversorgung für den Betrieb des IMU-Boards wird über das USB-Kabel mit 5V und bis 500mA durch den PC gewährleistet oder extern durch eine Gleichspannung von 7 bis 12V und einen Strom bis 1A. Eine Alternative für den mobilen Bluetooth Betrieb, bietet die Versorgung durch eine 9V Blockbatterie, die an separate Anschlussklemmen auf dem Board angeschlossen wird.

Ein nicht redundantes IMU-Board gehört auch zum Bestandteil der Sensorplattform. Es besitzt insgesamt 6 Sensoren, wovon drei Beschleunigungs- und drei Drehratensensoren sind. Die sogenannte „mini-IMU“ besitzt unter anderem keine Bluetooth-Schnittstelle und nur einen Messbereich von minus 2g bis plus 2g, bietet aber dafür einen viel geringeren Formfaktor.

2.3.2 Kommunikationsschnittstellen

Wie bereits erwähnt bietet die IMU beide Kommunikationswege zum Erfassen der Messdaten (USB und Bluetooth). Die Einbindung der Hardware in ein Betriebssystem erfolgt durch die bereits in Windows integrierten USB und Bluetooth Treiber. Die Ansteuerung der Hardware und die Nutzung der Sensorik auf der Platine wird durch eine DLL[4] -Datei ermöglicht.

Diese „DLL“ wird in die entsprechenden Anwendungen integriert und dient dazu, spezifische Controller-Ressourcen auf dem Board anzusprechen. Eine DLL-Datei beinhaltet meistens programmierte Funktionen und Methoden, die in verschiedenen Anwendungen weiterverwendet werden können.

Das IMU verfügt, wie bereits in Abschnitt 2.3.1 erwähnt, über 16 Kanäle, von denen nur 12 Kanäle für die Sensormessdatenübertragung genutzt werden, die anderen sind unbenutzt oder dienen als digitaler I/O Port zum Schalten von Aus- oder Eingängen. Die Daten werden in 12 Bit übertragen und müssen zur Weiterverarbeitung dementsprechend umgerechnet werden. Dazu dient die Treiber-Software des Sensorboards.

2.3.3 Software zur Datenerfassung in LabVIEW und Windows

Die zum Board mitgelieferte Software „MultiIOBoard-Tool“ dient unter anderem zur Umrechnung der Sensor RAW-Daten in verwertbare Messdaten unter Beachtung, dass die Übertragung 12 Bit erfolgt bei einer Abtastrate von bis zu 100Hz pro Kanal.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2.6: Softwaretool „MultiIOBoard“ zum Auslesen der Sensormessdaten

Mit Hilfe des Tools können die Messwerte eingelesen, live betrachtet und in eine Datei abgespeichert werden. Entwicklungsumgebungen wie Matlab, LabVIEW oder Visual Studio können diese Dateien einlesen und die Messwerte zur Weiterverarbeitung als Daten-Ressource nutzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 2.7: Grafische Darstellung der Sensormessdaten der MultiIOBoard Anwendung

Wie man anhand der Abbildung 2.7 sieht, lassen sich die Sensormessdaten des Sensorboards (sechs Kanäle) mit Hilfe des MultiIOBoard-Tools auch in 4 Grafen darstellen.

2.4 Problematik und Fehlerbetrachtung

Einige der unten aufgeführten Fehler werden durch notwendige Integrationen, um Position und Orientierung aus Beschleunigung und Winkelgeschwindigkeit zu bestimmen, exponentiell verstärkt.

2.4.1 Deterministische Fehler

Deterministische Fehler sind sogenannte abschätzbare Fehler, die aufgrund einer bestimmten Konfiguration oder durch Materialermüdung zu erwarten sind. Zu den deterministischen Fehlern gehören Skalierungsfehler, Nullpunkfehler (auch Bias oder Offset), Linearitätsfehler, Fertigungs- und Montagefehler, Sensorauflösung und Alterungseffekte.

2.4.1.1 Nullpunktfehler

Der Nullpunkfehler ist mit höchster Priorität zu beachten, da dieser die größte Messabweichung verursacht. Der Nullpunktfehler ist somit sehr genau zu kompensieren. Durch eine Messung in Ruhelage ist dieser erfassbar und kann einerseits durch Mittelwertbildung bestimmt und verringert werden. Komplett wird dieser auch durch eine Maximum- und Minimumbestimmung in Ruhelage kompensiert, jedoch werden dadurch auch Informationen von kleinen und kurzen Bewegungen mit kompensiert. Ein geringer stochastischer Restfehler ist allerdings in beiden Verfahren unvermeidbar (hat keine analysierbare Einflüsse).

Der Positionsfehler für Beschleunigungssensoren berechnet sich durch einen konstanten Offset Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der konstante Drehratenfehler Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenführt bei den Gyroskopen zu einem Winkelfehler Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4.1.2 Skalierungs- und Linearitätsfehler

Der Skalierungsfaktor kann als Steigung der Kennlinie gesehen werden. Weichen die Messergebnisse vom Ideal der Kennlinie ab, nennt man das den Linearitätsfehler. Dieser Fehler wird durch eine Kalibrierung des Skalierungsfaktors verringert. Für die Kalibrierung der Beschleunigungssensoren wird eine Drehung aufgenommen, so dass der Sensor am Anfang der Messung in plus G und am Ende in minus G steht.

Nun kann für die Ruhephasen am Anfang und am Ende der Messung der Skalierungsfaktor bestimmt werden. Bei Drehratensensoren kann eine Drehung um einen beliebigen Winkel erfolgen. Solange dieser Winkel bekannt ist, lässt sich auch hier der Skalierungsfaktor für jeden Sensor entsprechend bestimmen.

2.4.1.3 Montage- und Fertigungsfehler

Montage- und Fertigungsfehler entstehen durch den Bau bzw. während des Einbaus von Sensoren. So kann es vorkommen, dass die sensitiven Achsen der Inertialsensoren nicht immer exakt orthogonal zueinander ausgerichtet sind. Durch eine Nichtorthogonalmatrix, jeweils für das Koordinatensystem der Beschleunigungs- und Drehratensensoren, lässt sich dieser Fehler beheben.

2.4.1.4 Sensorauflösung und Alterung

Die durch Alterungseffekte oder Sensorauflösung entstehenden Einflüsse können kaum kompensiert werden, da sie nur in etwa abgeschätzt werden können. Durch Alterungseffekte (Materialermüdung) verändern sich auch alle anderen Fehler, wie zum Beispiel der Skalierungs- und der Nullpunktfehler.

Es ist allerdings nicht vorauszusagen, in welchem Maße diese Veränderung stattfindet. Der folgende Technologievergleich verdeutlicht in Hinsicht auf Materialermüdung und weiteren Parameter die Sensorwahl (siehe Tabelle 2.1):

[...]


[1] Vgl. [Hai1]

[2] Vgl. [Hei1]

[3] Vgl. [Hei1]

[4] DLL: Dynamic Link Library (DLL) bezeichnet allgemein eine Dynamische Bibliothek, meist bezieht sich der Begriff jedoch auf die unter dem Betriebssystem Microsoft Windows verwendete Variante.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842811935
Dateigröße
8.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Darmstadt – EIT, Studiengang Automatisierungstechnik
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
inertialsensorik navigation
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