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Entwicklungstendenzen globaler Produktionsnetzwerke

©2010 Diplomarbeit 101 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Rahmen des Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal beschäftigt sich die vorliegende Diplomarbeit mit der industriellen Organisation der globalen Wirtschaft. Dabei wird insbesondere auf zeitgenössische, global orientierte Wertschöpfungs- bzw. Produktionsnetzwerke eingegangen und untersucht, wie sich derartige Netzwerke in Zukunft entwickeln werden.
Die weltwirtschaftliche Entwicklung der letzten zwei bis drei Jahrzehnte ist von einer weit reichenden ökonomischen Globalisierung gekennzeichnet: Liberalisierung und technologischer Fortschritt führen in Verbindung mit internationalen Faktorpreisdifferenzen dazu, dass die industrielle Produktion von Gütern verstärkt in relativ kleine und hoch spezialisierte Einheiten zerlegt und weltweit an die wirtschaftlich günstigsten Standorte verlagert wird. Dies gilt insbesondere für arbeitsintensive Fertigungsschritte, die verstärkt aus Industrieländern in Niedriglohn- und Entwicklungsländer verlagert wurden. Unternehmen sind heute entsprechend ihrer nationalen Wettbewerbsvorteile auf relativ kleine Teile der Wertschöpfung eines Produktes konzentriert, Vor- bzw. Zwischenprodukte eines Unternehmens werden im Rahmen des internationalen Handels auf globaler Ebene vom günstigsten Anbieter beschafft und Endprodukte weltweit vermarktet. Es entstehen globale Produktionsnetzwerke (GPN) auf der Basis von Produktion, Distribution und Konsumption einzelner Produkte.
Zielsetzung und Fragestellungen:
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie sich derartige Systeme in Zukunft entwickeln werden und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Ziel ist es dabei – auf der Basis globalwirtschaftlich relevanter Entwicklungstrends – fundierte Aussagen über die zu erwartende, zukünftige Entwicklung von GPN zu machen, wobei die folgende Frage im Mittelpunkt stehen soll: Wie wird sich die industrielle Organisation bzw. Konfiguration globaler Produktionsnetzwerke in den kommenden Jahrzehnten tendenziell entwickeln?
Der Ursprung globaler Produktionsnetzwerke ist abhängig von zahlreichen Entstehungsfaktoren, so dass zunächst die relevanten identifiziert werden müssen. Hier gilt es die wichtigsten Dimensionen ökonomischer Globalisierung herauszuarbeiten und zu betrachten, inwieweit diese Faktoren die Entstehung globaler Produktionsnetzwerke begünstigen bzw. fördern. GPN können in diesem Sinne als besondere Ausprägung der Globalisierung betrachtet werden: ‘Global […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung und Fragestellungen
1.2 Konzeptioneller Rahmen und Aufbau der Arbeit
1.3 Grundlegende Begriffe

2 Wichtige Faktoren zur Entstehung globaler Produktionsnetzwerke
2.1 Institutioneller Wandel: Liberalisierung
2.1.1 Internationaler Handel und ausländische Direktinvestitionen
2.1.2 Kapitalfreiheit und Privatisierung
2.2 Technologischer Wandel: Fortschritt
2.2.1 Informations- und Kommunikationstechnologien
2.2.2 Logistik- und Transportdienstleistungen
2.3 Industrieller Wandel
2.3.1 Globalisierung des Wettbewerbs
2.3.2 Aufspaltung und räumliche Verteilung der Wertkette
2.3.3 Organisationale Integration als Wettbewerbsfaktor
2.4 Globale Unterschiede
2.4.1 Theorie der komparativen Kostenvorteile
2.4.2 Vertikale Spezialisierung

3 Das Wesen globaler Produktionsnetzwerke
3.1 Rahmenkonzepte
3.1.1 ‚Global Commodity Chains’
3.1.2 ‚Global Value Chains’
3.1.3 ‚Global Production Networks’
3.2 Strukturen und Prozesse globaler Produktionsnetzwerke
3.2.1 Transformationsprozesse und Wertschöpfungsstrukturen
3.2.2 Zirkulationsprozesse – Informations-, Güter und Finanzströme
3.2.3 Machtstrukturen, externe Einflussnahme und internationale Standards
3.2.4 ‚Social Embeddedness’ – Soziokulturelle Einbettung der Akteure
3.3 Akteure und Gruppen innerhalb globaler Produktionsnetzwerke
3.3.1 Unternehmen
3.3.2 Multinationale Regulierungssysteme, Staatenbünde und Nationalstaaten
3.3.3 Arbeit, Konsumenten und zivile Organisationen

4 Wichtige Einflussfaktoren und Entwicklungstendenzen globaler Produktionsnetzwerke
4.1 Auswirkungen der globalen Finanzkrise
4.1.1 Nachfrageeinbrüche und Kollaps des internationalen Handels
4.1.2 Engpässe bei der Kreditfinanzierung
4.1.3 Globale Produktionsnetzwerke während der globalen Finanzkrise
4.2 Ökologische Einflussfaktoren und Trends
4.2.1 Klimatische und wetterbedingte Einflüsse auf GPN
4.2.2 ‚Peak Oil’ – Globales Ölfördermaximum
4.3 Politische Einflussnahme und Regulierung
4.3.1 Umweltpolitische Einflüsse - Klimaschutz
4.3.2 Soziopolitische Einflüsse – Strengere Arbeits- und Sozialstandards

5 Rückverlagerungen deutscher Unternehmen und Erhöhung der Fertigungstiefe
5.1 Probleme der Produktionsverlagerung und das Phänomen der Rückverlagerung
5.2 Rückverlagerungen deutscher Unternehmen
5.3 Erhöhung der Fertigungstiefe zur Steigerung der Produktivität

6 Fazit
6.1 Darstellung und Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2 Probleme und Implikationen bzw. Ansätze für weitere Forschung

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1 Entwicklung des grenzüberschreitenden Warenhandels

Abbildung 2-2 Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen (FDI) pro Jahr

Abbildung 2-3 Entwicklung internationaler Kapitalbewegungen

Abbildung 2-4 Entwicklung von Transport- und Kommunikationskosten

Abbildung 2-5 Bedeutung int. Zulieferbeziehungen (2001 – 2006)

Abbildung 3-1 Koordinationsmechanismen im GVC- Modell

Abbildung 3-2 ‚Global Value Chain’- Bezugssystem

Abbildung 3-3 'Global Production Network'- Rahmenkonzept

Abbildung 4-1 Auswirkungen der Finanzkrise auf die globale Wirtschaft

Abbildung 4-2 Volumen an Bankkrediten in den USA zwischen 1974 und 2009

Abbildung 4-3 Indikatoren zur Abbildung der globalen Klimaerwärmung

Abbildung 4-4 Wichtige int. Fracht- und Transportknotenpunkte in den USA

Abbildung 4-5 Globale Rohölproduktion in Millionen Barrel pro Tag

Abbildung 4-6 Exemplarischer Produktionsverlauf eines Ölfeldes

Abbildung 4-7 Wettbewerbsvorteil amerikanischer Stahlproduzenten im Heimatmarkt

Abbildung 5-1 Verlagerungen und Rückverlagerungen im Zeitablauf

Abbildung 5-2 Motive für Rückverlagerungen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 4-1 Anteil einzelner Transportarten an Gesamttransportleistung

1 Einleitung

Im Rahmen des Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal beschäftigt sich die vorliegende Diplomarbeit mit der industriellen Organisation der globalen Wirtschaft. Dabei wird insbesondere auf zeitgenössische, global orientierte Wertschöpfungs- bzw. Produktionsnetzwerke eingegangen und untersucht, wie sich derartige Netzwerke in Zukunft entwickeln werden.

Die weltwirtschaftliche Entwicklung der letzten zwei bis drei Jahrzehnte ist von einer weit reichenden ökonomischen Globalisierung gekennzeichnet: Liberalisierung und technologischer Fortschritt führen in Verbindung mit internationalen Faktorpreisdifferenzen dazu, dass die industrielle Produktion von Gütern verstärkt in relativ kleine und hoch spezialisierte Einheiten zerlegt und weltweit an die wirtschaftlich günstigsten Standorte verlagert wird. Dies gilt insbesondere für arbeitsintensive Fertigungsschritte, die verstärkt aus Industrieländern in Niedriglohn- und Entwicklungsländer verlagert wurden. Unternehmen sind heute entsprechend ihrer nationalen Wettbewerbsvorteile auf relativ kleine Teile der Wertschöpfung eines Produktes konzentriert, Vor- bzw. Zwischenprodukte eines Unternehmens werden im Rahmen des internationalen Handels auf globaler Ebene vom günstigsten Anbieter beschafft und Endprodukte weltweit vermarktet. Es entstehen globale Produktionsnetzwerke (GPN) auf der Basis von Produktion, Distribution und Konsumption einzelner Produkte.[1]

1.1 Zielsetzung und Fragestellungen

Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie sich derartige Systeme in Zukunft entwickeln werden und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Ziel ist es dabei – auf der Basis globalwirtschaftlich relevanter Entwicklungstrends – fundierte Aussagen über die zu erwartende, zukünftige Entwicklung von GPN zu machen, wobei die folgende Frage im Mittelpunkt stehen soll: Wie wird sich die industrielle Organisation bzw. Konfiguration globaler Produktionsnetzwerke in den kommenden Jahrzehnten tendenziell entwickeln?

Der Ursprung globaler Produktionsnetzwerke ist abhängig von zahlreichen Entstehungsfaktoren, so dass zunächst die relevanten identifiziert werden müssen. Hier gilt es die wichtigsten Dimensionen ökonomischer Globalisierung herauszuarbeiten und zu betrachten, inwieweit diese Faktoren die Entstehung globaler Produktionsnetzwerke begünstigen bzw. fördern. GPN können in diesem Sinne als besondere Ausprägung der Globalisierung betrachtet werden: „Global Production Networks are remarkable manifestations of globalization that we are just starting to grasp.”[2] Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie solch hochgradig komplexe und dynamische Gebilde aus Unternehmen, Institutionen, Konsumenten, etc. angemessen theoretisch dargestellt werden können. Eine grundlegende Beschreibung der relevanten Strukturen und Prozesse dient als Ausgangspunkt für die Kernfragen dieser Arbeit: Welche Faktoren haben aktuell den größten Einfluss auf die Konfiguration von GPN und wie sieht dieser Einfluss genau aus? Wie werden sich die Strukturen von GPN vor dem Hintergrund dieser Einflüsse mittel- bis langfristig entwickeln? Handelt es sich bei der Aufspaltung und geographischen Verteilung – insbesondere von arbeitsintensiven – Produktionsprozessen tendenziell um einen anhaltenden bzw. unumkehrbaren Trend?[3]

1.2 Konzeptioneller Rahmen und Aufbau der Arbeit

„In der heutigen Zeit ist die innere Lage gegenüber dem Betrieb der Wissenschaft als Beruf bedingt zunächst dadurch, dass die Wissenschaft in ein Stadium der Spezialisierung eingetreten ist (…). Nicht nur äußerlich, nein gerade innerlich liegt die Sache so: dass der einzelne das sichere Bewusstsein, etwas wirklich ganz Vollkommenes auf wissenschaftlichem Gebiet zu leisten, nur im Falle strengster Spezialisierung sich verschaffen kann.“[4]

Die enorme Komplexität der globalen Wirtschaft erweist sich schon im Rahmen der Vorbereitung auf diese Arbeit als Herausforderung. Die meisten der einzelnen Elemente, die zur Beschreibung und Darstellung von GPN herangezogen werden, hätten für sich genommen das Potential, im Umfang einer solchen Arbeit untersucht zu werden. Die relativ weit gefasste Fragestellung führt dazu, dass eine Vielzahl von Themenbereichen in die Untersuchung integriert werden muss und eher unspezifische und allgemeingültige Aussagen als Ergebnis zu erwarten sind. Auf das im vorangegangenen Zitat angesprochene, sichere Bewusstsein, etwas Vollkommenes auf wissenschaftlichem Gebiet zu leisten, muss im Hinblick auf die gedankliche Arbeit am vorliegenden Text (leider) verzichtet werden. Dies sollte jedoch kein Grund dafür sein, unnötige Vereinfachungen vorzunehmen, oder auf eine umfassende, theoretische Auseinandersetzung mit dem gewählten Thema zu verzichten.[5]

Um die verschiedenen Akteure und deren vielschichtigen Beziehungen zueinander angemessen darzustellen, birgt das Konzept des Netzwerks das wohl größte Potential. Dieses Konzept ist insbesondere in der Lage, die Vielzahl verschiedener Elemente, deren geographische Verteilung und die vielschichtigen Beziehungen der Netzwerkelemente (Firmen, Konsumenten, Institutionen, etc.) zu berücksichtigen und angemessen abzubilden, während Veränderungen dieser Parameter im Zeitablauf entsprechend modelliert werden können: „ The global production network as proposed here, is a conceptual framework that is capable of grasping the global, regional and local economic and social dimensions of the processes involved in many (though by no means all) forms of economic globalization.[6]

Diese Arbeit bezieht sich dabei vorrangig auf globale Wertschöpfungssysteme – d.h. systematisch verknüpfte Prozesse zur Produktion bzw. Distribution eines Gutes – und betrachtet diese als ganzheitliche Gebilde. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet das nächste Kapitel mit einer Betrachtung der Entstehung von GPN auf Basis der wichtigsten Einflussfaktoren ökonomischer Globalisierung. Aufbauend auf diesem grundlegenden Verständnis dient das dritte Kapitel einer ausführlichen, theoretischen Darstellung der wichtigsten Strukturen, Prozesse und Elemente globaler Produktionsnetzwerke. Im vierten Kapitel werden verschiedene, globalwirtschaftlich relevante Entwicklungstrends aufgezeigt und gedanklich auf die Strukturen und Elemente von GPN übertragen. Dabei geht es darum, möglichst fundierte Aussagen über die zukünftig zu erwartende Konfiguration von GPN zu machen. Im darauf folgenden fünften Kapitel wird zur Ergänzung der bisherigen – eher makroökonomisch ganzheitlich orientierten – Betrachtung verstärkt die Perspektive einzelner Unternehmen eingenommen, um aktuelle Verhaltenstendenzen von Firmen im Hinblick auf die Entwicklung von GPN zu untersuchen. Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse dieser Arbeit zusammen, beschreibt die Schwierigkeiten und bietet davon ausgehend Ansatzpunkte für weitere Forschung.[7]

1.3 Grundlegende Begriffe

In diesem Abschnitt werden zuvor grundlegende und oft benutzte Begriffe kurz erklärt bzw. voneinander abgegrenzt, um das Verständnis der vorliegenden Arbeit möglichst zu erleichtern. Der Begriff der Globalisierung bspw. wird häufig und in vielen Bereichen benutzt, so dass es leicht zu Missverständnissen kommen kann. Im Rahmen dieser Arbeit bezieht er sich vorrangig auf ökonomisch relevante Aspekte, d.h. auf die Liberalisierung des internationalen Handels, eine Ausweitung von internationalen Direktinvestitionen sowie der damit verbundenen Aufspaltung und geographischen Ausbreitung von Wertschöpfungsketten, etc. Soziale bzw. gesellschaftliche Aspekte einer solchen ökonomischen Globalisierung bleiben weitestgehend unberücksichtigt. Darüber hinaus ist die Entstehung globaler Produktionsnetzwerke eng mit großen, international operierenden Firmen, sog. multinationalen Konzernen (MNC) verbunden. Derartige MNC spielen zwar eine wichtige Rolle in Bezug auf GPN, müssen aber klar von diesen abgegrenzt werden, da es sich um grundsätzlich verschiedene Gebilde handelt. MNC bestehen meist aus einer Vielzahl allein stehender, internationaler Direktinvestitionen, ohne dass diese systematisch miteinander verknüpft sind. Auch wenn einzelne Teile multinationaler Konzerne oft die Rolle eines zentralen Unternehmens im Kern von GPN einnehmen, handelt es sich bei globalen Produktionsnetzwerken um weitaus komplexere Gebilde. GPN integrieren alle relevanten Firmen, Institutionen und Konsumenten, etc. die innerhalb eines zusammenhängenden Systems an der Produktion, Distribution und dem Konsum eines bestimmten Gutes beteiligt sind. In Zeiten weit reichender ökonomischer Globalisierung können GPN als wohl effektivste Form industrieller Organisation betrachtet werden:[8] “The globalization of markets is at hand. With that, the multinational commercial world nears its end, and so does the multinational corporation.“[9]

2 Wichtige Faktoren zur Entstehung globaler Produktionsnetzwerke

„Today’s global economy is genuinely borderless. Information, capital and innovation flow all over the world at top speed, enabled by technology and fuelled by consumer’s desires for access to the best and least expensive products.”[10]

Fortschreitende Liberalisierung bzw. Deregulierung von Märkten und internationalem Handel, in Verbindung mit einer rasanten Entwicklung und Ausbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie, sorgen für ein immer intensiveres Wettbewerbsumfeld international operierender Unternehmen. Als Reaktion auf die stetig wachsenden Anforderungen und Möglichkeiten des Wettbewerbs, entstehen immer komplexere Organisationsformen internationaler Austauschbeziehungen: Globale Produktionsnetzwerke lösen multinationale Unternehmen als effektivste Form industrieller Organisation ab. In den folgenden Abschnitten werden zunächst die wichtigsten Entwicklungs- bzw. Einflussfaktoren zur Entstehung erläutert, bevor im dritten Kapitel das Wesen globaler Produktionsnetzwerke deutlicher abgegrenzt wird.[11]

2.1 Institutioneller Wandel: Liberalisierung

Institutionen strukturieren und beschränken menschliche Interaktionen. Sie setzen sich zusammen aus formellen Regeln (Gesetze, Vorschriften, etc.), informellen Beschränkungen (Normen, Verhaltensregeln, etc.) und damit verbundenen Durchsetzungsmechanismen. Ökonomische und politische Institutionen prägen die Allokation von Ressourcen, die Regeln des Wettbewerbs sowie das Verhalten von Organisationen und bestimmen somit die Effizienz von Märkten.[12]

Seit Beginn der 70er Jahre findet ein massiver institutioneller Wandel auf globaler Ebene statt, der mehrere, miteinander verbundene Bereiche umfasst: Liberalisierung des internationalen Handels; Liberalisierung ausländischer Direktinvestitionen; Schaffung weit reichender Kapitalverkehrsfreiheit; und Privatisierung. Liberalisierung kann hier verstanden werden, als Vereinfachung bzw. „Beseitigung von vorhandenen nationalen Beschränkungen des grenzüberschreitenden Waren-, Dienstleistungs-, Zahlungs- und Kapitalverkehrs, die dem freien Wettbewerb zwischen den Staaten entgegenstehen.“[13] Grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten werden erleichtert und gefördert. Die Regierungspolitik einzelner Staaten spielt hier die wichtigste Rolle, während supranationale Organisationen wie bspw. EU und NAFTA, oder die Welthandelsorganisation WTO bedeutenden Einfluss auf einzelne Staaten haben können.[14]

2.1.1 Internationaler Handel und ausländische Direktinvestitionen

Seit Inkrafttreten des „General Agreement on Tariffs and Trade“ (GATT) 1947 und Gründung der Nachfolgeorganisation WTO 1995 bemühen sich zahlreiche Länder um eine Liberalisierung ihrer Außenwirtschaftsbeziehungen. In den bisher verabschiedeten Zoll- und Handelsabkommen kommt regelmäßig die Einsicht zum Ausdruck, dass Importbeschränkungen weder einzelnen Ökonomien noch der Weltwirtschaft nützen. Die Zielvorgabe dieser Abkommen besteht darin, den Zollabbau und eine Verminderung von anderen Handelsbarrieren sowie die Beseitigung von Diskriminierungen im internationalen Handel voranzutreiben. Der Welthandel soll als wechselseitig vorteilhaftes System dauerhaft gefördert werden, so dass Anreize für eine Befolgung der GATT- Vorgaben entstehen.[15]

Abbildung 2-1 Entwicklung des grenzüberschreitenden Warenhandels[16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der grenzüberschreitende Handel mit Waren und Dienstleistungen gilt als ein grundlegender Mechanismus globaler Integration. Die gestiegene Bedeutung wird im Verhältnis von grenzüberschreitendem Warenhandel und Weltwarenproduktion besonders deutlich. Abbildung 2-1 zeigt die weltweiten Zuwächse in Warenhandel und –Produktion von 1950 bis 2007 in Prozent. Von besonderer Bedeutung für den Prozess der ökonomischen Globalisierung ist eine zusätzliche Steigerung des Warenexports um knapp 85% zwischen 1990 und 2000, da hier bereits weit reichende internationale Verflechtungen existierten, bzw. der Warenexport zuvor schon einen Wert von fast 85 Billionen US-Dollar hatte. Aufgrund der relativen Zunahme des grenzüberschreitenden Handels gegenüber der Warenproduktion wächst die Bedeutung der internationalen Wirtschaft für einzelne Volkswirtschaften und Unternehmen stetig weiter an.[17]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2 Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen (FDI) pro Jahr[18]

Ein weiteres wichtiges Element zur Integration einer Volkswirtschaft in die globale Wirtschaft liegt in der Erleichterung ausländischer Direktinvestitionen (Foreign Direct Investments, FDI). FDI sind definiert als Investition eines Wirtschaftssubjekts in eine Firma außerhalb des eigenen Landes, mit dem Ziel einer dauerhaften Beteiligung. Man unterscheidet nach innen gerichtete und nach außen gerichtete Direktinvestitionen, wobei in Bezug auf ökonomische Globalisierung vor allem die Haltung von Volkswirtschaften gegenüber nach innen gerichteten Direktinvestitionen von Bedeutung ist. Abbildung 2-2 zeigt den absoluten Zufluss ausländischer Direktinvestitionen verschieden entwickelter Staaten von 1980 bis 2007. Bezogen auf den Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2007 hat sich der Umfang der FDI gegenüber dem Jahr 1970 mehr als verhundertfacht, was die rapide Zunahme grenzüberschreitender Wirtschaftsbeziehungen verdeutlicht.[19]

2.1.2 Kapitalfreiheit und Privatisierung

Auch wenn Einflüsse ökonomischer Liberalisierung hier isoliert betrachtet werden, sind diese doch auf vielen Ebenen miteinander verknüpft. Eine Liberalisierung von internationalem Handel und ausländischen Direktinvestitionen erhöht bspw. die Nachfrage nach grenzüberschreitenden Kapitalflüssen und Investmentobjekten. Dies führt dazu, dass mehr und mehr Staaten ihre Kapitalmärkte für ausländische Investoren zugänglich machen und Kapital relativ uneingeschränkt bewegt werden kann. Durch eine Liberalisierung von FDI- Bestimmungen in Verbindung mit weit reichenden Privatisierungsmaßnahmen versuchen Staaten, attraktive Bedingungen bzw. Möglichkeiten für Investoren zu schaffen, um so Kapital anzuziehen. Abbildung 2-3 veranschaulicht die Ausweitung weltweiter Kapitalflüsse als Anteil am globalen Bruttosozialprodukt.[20]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3 Entwicklung internationaler Kapitalbewegungen[21]

Neben der Abschaffung von Kapitalmarktbeschränkungen werden im Zuge wirtschaftlicher Liberalisierungsmaßnahmen zudem häufig öffentliche Bereiche bzw. Betriebe für privates Kapital zugänglich gemacht. Hauptziele einer solchen Privatisierung sind – entsprechend der Logik effizienter Märkte – eine Steigerung der Leistungsfähigkeit vormals staatlicher Betriebe sowie eine allgemeine Marktliberalisierung. Der Grundgedanke der Liberalisierung wird in diesem Zusammenhang besonders deutlich: Ökonomische Aktivitäten werden immer weniger vom Staat beeinflusst und zunehmend einem globalen Wettbewerb ausgesetzt. Für Unternehmen bietet sich somit also eine wachsende Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten.[22]

2.2 Technologischer Wandel: Fortschritt

Eine zusätzliche Triebkraft der Globalisierung – und somit auch der Entstehung globaler Produktionsnetzwerke – liegt im technologischen Wandel, bzw. positiv ausgedrückt im technologischen Fortschritt. Fortschritte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK- Technologie) sowie im Transportwesen werden angeführt, um die Beschleunigung globaler Verflechtungen zu erklären. Neben den zuvor beschriebenen Veränderungen auf institutioneller Ebene, sind es vor allem sinkende Transport- und Kommunikationskosten in Verbindung mit neuen technologischen Möglichkeiten, die eine Ausweitung grenzüberschreitender Wirtschaftsbeziehungen ermöglichen bzw. vorantreiben.[23]

Abbildung 2-4 Entwicklung von Transport- und Kommunikationskosten[24]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Umgekehrt werden Entwicklungen im Transport- bzw. Kommunikationsbereich verstärkt dadurch beschleunigt, dass durch internationale Austauschbeziehungen, ein immer größeres Nachfragevolumen für Transportdienstleistungen und Kommunikationsinfrastruktur existiert. Abbildung 2-4 veranschaulicht exemplarisch die Entwicklung der Preise für Telekommunikation sowie Luft- und Seefracht zwischen 1930 und 2005. Generell sind hier deutlich sinkende Preise zu erkennen, wobei der Trend im Bereich der Telekommunikation am stärksten ist. So sind z.B. die Kosten für ein 3-minütiges Ferngespräch zwischen London und New York seit 1930 um 99,88 % gesunken. Insgesamt führen die Fortschritte in Transport und Kommunikation zu einer Situation, die eine erhebliche Ausweitung internationaler Aktivitäten und insbesondere eine weit reichende Verlagerung von Produktion aus dem Zentrum (Industrieländer) in die Peripherie (Entwicklungsländer) ermöglicht.[25]

2.2.1 Informations- und Kommunikationstechnologien

„Die Telekommunikation als Verbindungsnetz für Information und Kommunikation ist das Nervensystem einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft.“[26] IuK- Technologien erhöhen die Fähigkeit, Informationen zu sammeln, zu speichern, abzurufen und zu teilen. Vernetzung und ein schneller, reibungsloser Austausch von Daten bilden eine technische Grundlage ökonomischer Globalisierung und räumlicher Verteilung von wirtschaftlichen Aktivitäten. In Verbindung mit rasanten Leistungssteigerungen, führen Miniaturisierung und Integration dieser Techniken oft zu völlig neuen Anwendungspotentialen und Herausforderungen für international operierende Unternehmen. Es zeichnen sich neue Formen der Gestaltung wirtschaftlicher Prozesse ab, die die Funktionsweise von Märkten und das Verhalten der Marktteilnehmer nachhaltig verändern.[27]

Durch Fortschritte in der Telekommunikationstechnik wird es möglich, den Produktionsprozess eines Unternehmens und alle damit verbundenen Aspekte der Arbeitsteilung in effizienter Weise global zu organisieren und zu verbinden. Die Anwendung moderner IuK- Technologie führt zu merklichen Veränderungen der Organisationsstrukturen innerhalb einer Ökonomie: Markttransaktionen eines Unternehmens können teilweise, oder sogar vollständig über IuK- Medien abgewickelt werden. Digitale Märkte entstehen. Technologien wie bspw. das Internet ermöglichen es, von jedem Punkt der Erde auf diese Märkte zuzugreifen, wobei reale Distanzen zwischen den Marktteilnehmern lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Hinsichtlich der internen Organisationsstrukturen von Unternehmen kann die gezielte Anwendung von IuK- Technologie eine räumliche Verteilung insofern unterstützen, als Teile des Wertschöpfungs- bzw. Produktionsprozesses auf verschiedene Orte der Erde verteilt und problemlos koordiniert werden können. Darüber hinaus entstehen vielfältige Formen zwischenbetrieblicher Kooperation, so dass die Grenzen eines Unternehmens zunehmend verwischen. Die Möglichkeiten der effizienten weltweiten Vernetzung im Bereich der IuK- Technologie machen ökonomische Aktivitäten (zumindest theoretisch) hochgradig mobil.[28]

2.2.2 Logistik- und Transportdienstleistungen

„Modern history has been marked by the constant progress of the means of transportation. Transport and travel was the field of particularly radical and rapid change; progress here, as Schumpeter pointed out a long time ago, was not the result of multiplying the number of stage-coaches, but of the invention and mass production of totally new means of travel – trains, motorcars and airplanes.“[29]

Die wirtschaftliche Globalisierung hängt maßgeblich mit dem Transport von Gütern und der Mobilität von Wirtschaftssubjekten zusammen. Eine Folge der immer stärker zunehmenden Verflechtung ökonomischer Aktivitäten auf globaler Ebene sind rasant anwachsende Güterströme und Transportmengen. Die mit der geographischen Verteilung von wirtschaftlichen Aktivitäten einhergehende Komplexität, macht zusätzlich eine rasche und effektive Koordination bzw. Integration verschiedener Abläufe und Warenströme unabdingbar. Eine effektive Logistik ist hier von zentraler Bedeutung und stellt einen integralen Bestandteil der Wertschöpfung international operierender Unternehmen dar.[30]

Der Transport von Gütern erfolgt innerhalb sog. Transportsysteme, die aus den Elementen Transportgut bzw. Transportobjekt, den eingesetzten Transportmitteln (Verkehrsträger, Verkehrswege) und dem Transportprozess als Ablauforganisation des Transports bestehen. Ergebnis des Leistungserstellungsprozesses von Güterverkehrsbetrieben sind Transportleistungen bzw. Gütertransporte, welche in Tonnenkilometern[31] gemessen werden, wobei man bei mehreren synchronisierten Transportprozessen auch von Transportketten spricht. Die zur Güterbeförderung eingesetzten Transportarten sind die des Straßen-, Schienen- und Luftgüterverkehrs sowie die der Schifffahrt, die auch als Verkehrsträger bezeichnet werden. Die Verkehrsmittel dieser Verkehrsträger sind Kraftwagen oder Lkw, Eisenbahnwaggons bzw. Züge, Flugzeuge sowie Binnen- oder Seeschiffe.[32]

Rohöl ist in Bezug auf Transportdienstleistungen der wichtigste Energieträger und Transportkosten hängen maßgeblich vom Preis dieses Rohstoffs ab. Nur bei relativ niedrigen Energiepreisen können theoretisch alle Regionen der Erde als potenzielle Orte der Produktion und des Absatzes in Betracht gezogen werden, da der Transport von Waren das wichtigste Bindeglied darstellt. Bezogen auf die vergangenen Jahrzehnte haben (real) sinkende Rohölpreise zwischen 1980 und 1998 den Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung stark beschleunigt. Kosteneffiziente, schnelle und zuverlässige Transportsysteme sind neben leistungsfähigen IuK- Systemen eine Grundvoraussetzung zur Erschließung günstiger Arbeitskraft und der geographischen Ausbreitung von Wertschöpfungsketten.[33]

Transportprozesse gelten als die Teile der Logistik, welche am stärksten von externen Bedingungen beeinflusst werden. Zu den Umwelteinflüssen zählen dabei bspw. Energiepreise, klima- oder wetterbedingte Einflüsse, die vorhandene Infrastruktur, rechtliche Vorschriften, aber auch anfallende Transportnebenkosten wie Straßenbenutzungs-, Hafen- und Zollgebühren oder notwendige Versicherungen.[34]

2.3 Industrieller Wandel

Der bisher beschriebene Wandel auf institutioneller sowie technischer Ebene verursacht eine erhebliche Intensivierung der Wettbewerbsbedingungen von vielen Unternehmen. Relevante Beschaffungs-, Güter-, Arbeits- und Informationsmärkte bspw. werden zunehmend global integriert. Die Anzahl potentieller Konkurrenten steigt, da nationale Grenzen für die Tätigkeit vieler Unternehmen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Die Komplexität dieser anhaltenden Veränderungen soll hier auf zwei grundlegende Auswirkungen reduziert werden: (1.) Die Ausweitung des Wettbewerbs im geographischen Sinne; und (2.) immer komplexer werdende Anforderungen, um diesem Wettbewerb gerecht zu werden. Einerseits müssen Unternehmen in verschiedenen internationalen Märkten vertreten sein, andererseits müssen Aktivitäten effektiv in einem globalen Rahmen integriert werden, um Verbund- bzw. Skaleneffekte über verschiedene Standorte hinweg auszuschöpfen. Darüber hinaus wird das Engagement international operierender Unternehmen in einzelnen Ländern unter Umständen von den Vorgängen in anderen Ländern beeinflusst, so dass der internationale Wettbewerb ein Komplex vielschichtiger Wechselbeziehungen ist.[35]

2.3.1 Globalisierung des Wettbewerbs

Die Branche – also der jeweils relevante Wirtschaftszweig bzw. Markt – auf die die Tätigkeiten eines Unternehmens bezogen sind, kann in unterschiedlichem Maße von internationalen Einflüssen betroffen sein. Das Spektrum reicht von länderspezifisch bis hin zu global orientierten Wirtschaftszweigen, wobei die Grundprinzipien der Wettbewerbsstrategie in beiden Fällen weiter gelten. In länderspezifisch ausgerichteten Branchen bleibt der Wettbewerb innerhalb eines Landes relativ unabhängig vom Marktgeschehen in anderen Ländern, so dass Auslandsinvestitionen weitestgehend eigenständig voneinander realisiert werden können. Demgegenüber haben sich global orientierte Wirtschaftszweige entwickelt, in denen die Wettbewerbsposition eines Unternehmens in einem bestimmten Land ganz erheblich von seiner Stellung in anderen Ländern beeinflusst wird und umgekehrt.[36] „Es handelt sich also bei einer globalen Branche nicht etwa nur um das Konglomerat aus allen länderspezifischen Märkten, sondern um eine durch vielfältige Faktoren über Ländergrenzen hinweg verknüpfte Gesamtheit von Märkten, auf denen die Unternehmen weltweit konkurrieren.“[37]

Die Entstehung globaler Industrien, wie bspw. Automobil- oder Luftfahrtindustrie, ist eng mit dem Aufkommen globaler Produktionsnetzwerke verknüpft, allerdings darf auch hier eine gewisse Länderorientierung keinesfalls vernachlässigt werden. Vielmehr lassen sich Wettbewerbsvorteile global operierender Unternehmen in solche unterteilen, die sich aus der räumlichen Verteilung von Unternehmensstandorten in verschiedenen Ländern ergeben, und in solche, die standortunabhängig sind und sich aus der Position im globalen Netz unternehmerischer Tätigkeiten ergeben.[38]

2.3.2 Aufspaltung und räumliche Verteilung der Wertkette

Gesteigerter Wettbewerbs- und Kostendruck zwingt Unternehmen in vielen Branchen dazu, die bisherige Konfiguration der Wertschöpfung zu überprüfen. Je nach Produkt bzw. Markt sind die Kompetenzen eines Unternehmens von unterschiedlicher Bedeutung, um Nutzen im Sinne des Kunden zu schaffen, bzw. ökonomisch erfolgreich zu sein. Die Wertkette eines Unternehmens wird hier als interdependentes System verstanden, so dass Wettbewerbsvorteile durch Reorganisation in Form von Zerlegung, Neuordnung, Umgruppierung oder gar dem Auslassen bestimmter Aktivitäten entstehen können. Da Produkte zunehmend komplexer und Produktlebenszyklen parallel dazu kürzer werden, sind Unternehmen oft gezwungen sich auf individuelle, besonders relevante Bereiche der Wertschöpfung – sog. Kernkompetenzen – zu konzentrieren, um dem globalen Wettbewerb innerhalb einer Branche gewachsen zu sein. Einzelne Teile der Wertschöpfung werden aufgegeben, geographisch verlagert oder von externen, besser spezialisierten Partnern erbracht. Dieser Trend wird vor allem im sog. produzie renden Gewerbe deutlich, wie in Abbildung 2-5 im Hinblick auf europäische Unternehmen gut zu erkennen ist.[39]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-5 Bedeutung int. Zulieferbeziehungen (2001 – 2006)[40]

Hier zeigt sich ein Hauptmerkmal der zeitgenössischen Weltwirtschaft: Die Zerlegung der Wertkette bzw. der Produktion in einzelne Module, die an wirtschaftlich und sozial besonders günstige Standorte verlegt und ggf. von besser spezialisierten Unternehmen realisiert werden. Da die Anforderungen, die eine Produktionseinheit an den Standort stellt, stark von der Rolle innerhalb der Unternehmensaktivitäten abhängen, können hier lediglich zwei allgemeine Trends der räumlichen Verteilung differenziert werden: (1.) Produktion für den jeweils spezifischen Markt, in dem das Werk angesiedelt ist, oder (2.) Produktion eingebettet in ein rationalisiertes, globales Wertschöpfungssysteme. Die Arbeitsteilung (zwischen Unternehmen) in GPN basiert auf diesen Grundformen, wobei an dieser Stelle vor allem die verstärkte Entfaltung einer globalen Arbeitsteilung und Verknüpfung von Unternehmensaktivitäten hervorgehoben werden soll. Diese Art der internationalen Arbeitsteilung zwischen Unternehmen bildet die Grundlage der Effizienz globaler Produktionsnetzwerke. Die Erkenntnisse des Adam Smith in Bezug auf Produktivitätssteigerung durch eine Teilung bzw. Spezialisierung der Arbeit in relativ kleine Einheiten erscheinen hier sehr aktuell.[41]

2.3.3 Organisationale Integration als Wettbewerbsfaktor

We want to be global and local, big and small, radically decentralized with centralized reporting and control. If we resolve those contradictions, we create real organizational advantage.[42]

Durch anwachsende Arbeitsteilung und geographische Ausbreitung der Unternehmensaktivitäten entstehen Schnittstellen im Leistungsprozess. Aufgabenteile werden von Personen aus verschiedenen Ländern, unter Umständen von bzw. in Kooperation mit fremden Unternehmen, zu verschiedenen Zeiten erledigt, so dass die Komplexität der Vorgänge steigt. Alle separat erledigten Leistungsfragmente müssen effektiv zu einer Einheit zusammengeführt werden. Man spricht hier auch von organisatorischer Integration. Die bisher beschriebenen Veränderungen im Wettbewerbsumfeld international agierender Unternehmen machen eine optimale Abstimmung der Einzelaktivitäten zu einem kritischen Faktor, wie in dem oben angeführten Zitat deutlich wird. Gelingt es einem Unternehmen, global verteilte Aktivitäten optimal zu koordinieren, können neben Standortvorteilen erhebliche Profite durch Skalen- sowie Synergieeffekte erzielt werden.[43]

2.4 Globale Unterschiede

Eine Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung und des grenzüberschreitenden Handels lässt sich nicht allein durch Liberalisierung, technischen Fortschritt und industrielle Reorganisation erklären. Zusätzlich spielt die heterogene Verteilung von Produktionsfaktoren über Staaten bzw. Ökonomien hinweg, eine enorm wichtige Rolle. Die zuvor beschriebene Arbeitsteilung basiert vor allem darauf, dass Teile der Wertschöpfung relativ problemlos in die Länder verlegt werden können, die besonders reich mit den jeweils relevanten Produktionsfaktoren ausgestattet, bzw. besonders hoch spezialisiert sind.[44]

2.4.1 Theorie der komparativen Kostenvorteile

Eine Vielzahl theoretischer Arbeiten setzt sich mit dem Phänomen des internationalen Handels auseinander, wobei hier lediglich die Grundprinzipien verständlich gemacht werden sollen. Da die Autoren Heckscher / Ohlin Unterschiede in der Faktorausstattung als entscheidendes Moment für die Entstehung des Außenhandels betrachten, und diese im Bezug auf globale Produktionsnetzwerke sicherlich von großer Bedeutung sind, soll hier an diesen Ansatz angeknüpft werden. Maßgeblich ist das unterschiedliche Verhältnis in der Ausstattung an Produktionsfaktoren zweier Länder zueinander. Der Einfachheit halber wird einzig zwischen den Faktoren Arbeit (bzw. Boden) und Kapital unterschieden. Je reichlicher ein Produktionsfaktor in einem Land vorhanden ist, desto geringer sind die sog. Faktorkosten. Ein „kapitalreiches“ Land besitzt bspw. einen Kostenvorteil bei der Herstellung kapitalintensiver Güter. Ökonomien spezialisieren sich dabei in folgender Form: Die Produktion eines Landes wird sich auf das Gut konzentrieren, welches zum Großteil auf dem Produktionsfaktor aufbaut, der reichlich vorhanden ist. Ein Teil dieser produzierten Güter wird exportiert und im Gegenzug das Gut importiert, welches auf dem Produktionsfaktor beruht, der in relativ geringerem Maße vorhanden ist.[45]

Ohne Zweifel sind auch Unterschiede im Produktivitätsniveau zwischen Ökonomien, Wechselkurse oder Transportkosten von Bedeutung. Ebenso handeln Länder nicht ausschließlich mit jeweils einem im Inland produzierten Gut, sondern mit einer Vielzahl von Gütern unterschiedlicher Ordnung (Rohstoffe, Zwischen- und Fertigprodukte). Im Rahmen der Betrachtung globaler Produktionsnetzwerke ist jedoch vor allem der zu Grunde liegende Mechanismus der Arbeitsteilung und Spezialisierung aufgrund von Faktorunterschieden von Bedeutung, so dass dieses vereinfachte Modell des grenzüberschreitenden Handels ausreichend erscheint. Der folgende Abschnitt veranschaulicht die Spezialisierung von Ländern auf bestimmte Teile der Wertschöpfung, bei der Güter importiert, weiterverarbeitet und im Rahmen globaler Wertschöpfungsketten wieder exportiert werden, da diese Verkettung einen wichtigen Faktor in Bezug auf aktuelle Entwicklungstendenzen globaler Produktionsnetzwerke darstellt.[46]

2.4.2 Vertikale Spezialisierung

Unternehmen in verschiedenen Ländern bzw. Regionen spezialisieren sich entsprechend ihres komparativen Kostenvorteils auf bestimmte Abschnitte einer Wertschöpfungskette. Die Komponenten eines Produkts überqueren dadurch oft zahlreiche Grenzen, bevor sie als Endprodukte unter Umständen erneut exportiert werden. Als Resultat übersteigt das Volumen des Handels die eigentliche Wertschöpfung bei vielen Produkten um ein Vielfaches (siehe Abbildung 2-1). In Verbindung mit zunehmender Standarisierung von Zwischenprodukten ermöglicht diese vertikale Spezialisierung innerhalb einzelner Länder die verstärkte Ausbreitung globaler Produktionsnetzwerke.[47]

Vertikale Spezialisierung – als eine Dimension ökonomischer Globalisierung – kann definiert werden, als Anteil fremder Wertschöpfung bzw. Anteil importierter Zwischenprodukte in weiterverarbeiteten und exportierten Gütern. Die Produktionsaktivitäten inländischer Unternehmen bestimmen das Ausmaß der vertikalen Spezialisierung eines Landes. Die Produktion eines aktuellen „iPod“[48] der Firma „Apple“ bietet ein anschauliches Beispiel für die Bedeutung vertikaler Spezialisierung: Der Festplattenspeicher wird von einem taiwanesischen Unternehmen in China hergestellt. Das Bildschirmmodul wird in Japan von einem heimischen Unternehmen produziert, wobei auch hier ein Teil der Zwischenprodukte aus Korea stammt. Lediglich Kontrolleinheit, Video- und Multimediaprozessoren werden in den USA hergestellt, während auch an dieser Stelle Bauteile erst aus Taiwan oder Singapur importiert werden. Zur Endmontage werden alle Komponenten schließlich von einer taiwanesischen Firma in China importiert, von wo aus die fertigen Produkte in die betreffenden Märkte exportiert werden.[49]

Darüber hinaus versuchen Zulieferunternehmen durch eine Standardisierung ihrer Produkte, möglichst große Outputmengen zu erreichen, um so Skalenvorteile realisieren zu können. In der Wertschöpfungskette nachgelagerte Unternehmen profitieren so von zusätzlichen Kostenvorteilen, wenn die Anpassung der standarisierten Komponenten an Produktvarianten keine erhöhten Kosten erfordert. Der Markt für Fahrradkomponenten ist ein gutes Beispiel, in dem ein dominanter Zulieferer („Shimano“) den Großteil der Fahrradhersteller mit weitestgehend standarisierten Produkten beliefert. Ein weiteres Beispiel bietet der Automobilsektor, in dem viele Hersteller dazu übergegangen sind, verschiedene Modellreihen auf einer gemeinsamen Plattform und mit Hilfe modularisierter Komponenten aufzubauen.[50]

3 Das Wesen globaler Produktionsnetzwerke

Jede Modellierung der zeitgenössischen globalen Wirtschaft, die über das rein Vordergründige hinausgehen soll, muss in der Lage sein, die komplexen Aktionen sowie Interaktionen einer Vielzahl von Institutionen und Akteuren widerzuspiegeln, welche multiskalar, im Rahmen dynamischer und asymmetrischer Machtbeziehungen aufeinander einwirken. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass materielle ökonomische Prozesse (Produktion, Distribution, Konsum) jeweils in ein Set von weiteren Umweltebenen eingebettet sind und ggf. beeinflusst werden. Um die komplizierten Strukturen, Wechselwirkungen bzw. Rückkopplungen und die geographische Verteilung von ökonomischen Prozessen zu erfassen, erscheint das Konzept des Netzwerks, insbesondere des globalen Produktionsnetzwerks als nützlich:[51]

3.1 Rahmenkonzepte

Um das Wesen globaler Produktionsnetzwerke zu verstehen und darzustellen, werden im Rahmen dieses Abschnitts zunächst grundlegende Theorieansätze erläutert, die in gewissen Teilen ergänzend aufeinander aufbauen: (1.) ‚Global Commodity Chains’ bzw. der GCC- Ansatz, (2.) ‚Global Value Chains’ bzw. der GVC- Ansatz sowie (3.) ‚Global Production Networks’ bzw. der GPN- Ansatz, wobei der Fokus dieser Arbeit auf letzterem liegt. Den Kern der Untersuchung bilden in allen drei Fällen global verknüpfte Unternehmensaktivitäten und Transaktionen, die mit der Produktion, Distribution und dem Konsum eines bestimmten Gutes verbunden sind. Die genannten Konzepte werden kurz vorgestellt und gegeneinander abgegrenzt, um die Merkmale, die konzeptionellen Vorteile und die Notwendigkeit des GPN- Ansatzes zu verdeutlichen. Im Anschluss daran werden Strukturen, Prozesse und Akteure globaler Produktionsnetzwerke explizit herausgearbeitet.[52]

3.1.1 ‚Global Commodity Chains’

Direkte Vorgänger des ‚Global Commodity Chain’- Ansatzes betrachten Güterketten – d.h. Produktion, Distribution und Konsum – eines Gutes nicht als lineare bzw. sequenzielle Abfolge wertschöpfender Aktivitäten, sondern vielmehr als ein Netz ineinander verwobener Prozesse, Relationen und Arbeit:[53]Take an ultimate consumable item and trace back the set of inputs that culminated in this item – the prior transformations, the raw materials, the transportation mechanisms, the labor input into each of the material processes, the food inputs into the labor. This linked set of processes we call a commodity chain.[54]

Darauf aufbauend wurde von den Autoren Gereffi et al. 1994 das GCC- Konzept ausgearbeitet, welches sich auf empirische Untersuchungen global orientierter Wirtschaftszweige stützt. Die Autoren versuchen, die Gesamtheit aller Akteure zu erfassen, die an der Produktion eines bestimmten Gutes beteiligt sind, und die Beziehungen zwischen diesen Beteiligten abzubilden. GCCs beschreiben funktional integrierte und geographisch verteilte Systeme der Produktion, die sich aus der Globalisierung ökonomischer Austauschbeziehungen ergeben.[55]

‚Global Commodity Chains’ werden definiert, als Ansammlungen interorganisationaler Netzwerke um eine bestimmte Ware herum, durch die Haushalte, Unternehmen und Staaten innerhalb der Weltwirtschaft miteinander verbunden sind. Diese Netzwerke sind situationsabhängig, gesellschaftlich bedingt und lokal integriert, was die soziale Einbettung ökonomischer Organisation unterstreicht. Spezifische Prozesse bzw. Segmente der Kette können durch Knoten repräsentiert werden, die innerhalb eines Netzwerks miteinander verbunden sind, wobei eine Aneinanderreihung von Wertschöpfungsaktivitäten den Kern bildet. Das GCC- Konzept befasst sich dabei weniger mit der Betrachtung ganzheitlicher Strukturen des globalen Kapitalismus, als viel mehr mit den Organisationsstrukturen zeitgenössischer globaler Industriezweige. Die Autoren sind vor allem daran interessiert, wie insbesondere zentrale Unternehmen innerhalb einzelner Industriezweige, andere Akteure sowie die Struktur bzw. Konfiguration der für sie relevanten Netzwerke beeinflussen können. Herrschaftsstrukturen, wie bspw. rechtliche Machtbefugnisse oder Beziehungsmacht bilden in diesem Konzept ein Schlüsselelement zur Beeinflussung der Allokation von materiellen bzw. finanziellen Ressourcen innerhalb der ‚Global Commodity Chains’.[56]

Gereffi und seine Mitautoren differenzieren zwei grundlegende Herrschaftsstrukturen im Hinblick auf zentrale Unternehmen in GCCs: (1.) ‚Producer- driven’ GCCs; und (2.) ‚Buyer- driven’ GCCs. ‚Producer-driven’ GCCs beziehen sich auf Industriezweige, in denen Großkonzerne oder andere hochgradig integrierte Industrieunternehmen die zentrale Rolle bei der Kontrolle der Produktionssysteme spielen. Dies ist vor allem bei kapital- und technologieintensiven Produkten der Fall, wie z.B. bei Flugzeugen oder Computern. Einzelne Komponenten werden weltweit an den wirtschaftlichsten (oft konzerneigenen) Produktionsstandorten gefertigt und zu einem Endprodukt zusammengesetzt, wobei die Koordination der Produktionskette von der Konzernleitung des führenden Unternehmens (bspw. „General Motors“ oder „IBM“) ausgeht. Im Gegensatz dazu beschreiben ‚Buyer-driven’ GCCs Branchen, in denen große Einzelhändler und Handelsunternehmen die führende Rolle beim Aufbau globaler, dezentralisierter Produktionssysteme einnehmen (z.B. „Wal-Mart“ oder „Nike“). Vor allem in Bereichen arbeitsintensiver Konsumgüter, wie z.B. Bekleidung, Spielzeug, Haushaltselektronik oder Sportschuhe, haben sich diese Systeme durchgesetzt. Einzelhandelsunternehmen geben detaillierte Produktspezifikationen vor und koordinieren Produktionsmengen sowie den Strom der Güter bis zum Konsumenten, wobei unabhängige Firmen – im globalen Wettbewerb – die Produkte bzw. Konsumartikel herstellen. Im Gegensatz zu ‚Producer-driven’ GCCs (überwiegend internes Netzwerk) betreiben die zentralen Unternehmen in ‚Buyer-driven’ GCCs meist keine eigenen Produktionsanlagen, sondern konzentrieren sich auf die Koordination externer Produktion sowie das Design und Marketing der Produkte, die sie vertreiben (externes Netzwerk).[57]

Diese eher statische Differenzierung in ‚Producer-driven’ und ‚Buyer-driven’ GCCs ist zwar hilfreich, um ein grundlegendes Verständnis der industriellen Organisation global orientierter Wirtschaftszweige zu erlangen, doch ist sie nicht in der Lage die Dynamik aktueller Globalisierungstendenzen zu erfassen. Durch radikale Konzentration auf Kernkompetenzen und damit einhergehende vertikale Desintegration hat sich das Wesen von ‚Producer-driven’ GCCs fundamental verändert. In den meisten global orientierten Industrien hat sich ein Trend zum Aufbau externer Netzwerke herausgebildet, wobei die Variante der ‚Buyer-driven’ GCCs nicht in der Lage ist, die Vielzahl dieser Netzwerke adäquat zu erfassen. Auf Basis des ‚Global Commodity Chain’- Konzepts wurde so ein neuer, dynamischer Ansatz entwickelt, der besser geeignet ist zeitgenössische, globale Industriestrukturen abzubilden: Der ‚Global Value Chain’- Ansatz.[58]

3.1.2‚Global Value Chains’

Das GVC- Konzept richtet den Fokus der Untersuchung auf einzelne Transaktionen, durch die verschiedene (aufeinander folgende) Knoten in Produktionsketten miteinander verbunden sind. Dabei werden insbesondere Verknüpfungen zwischen zentralen Unternehmen und wichtigen Lieferanten betrachtet, um diese auf Basis von Transaktionskosten-basierter Logik zu kategorisieren. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht somit nicht mehr die Beeinflussung der Produktionskette in ihrer Gesamtheit (GCC- Konzept), sondern die Fähigkeit zur Koordination einzelner Verknüpfungen und deren Beschaffenheit. Zentrale Variablen des Modells sind die Komplexität der Transaktion bzw. der ausgetauschten Informationen, die potentielle Kodierbarkeit dieser Informationen (bspw. durch Industriestandards) sowie das Kompetenzniveau des Zulieferers. Das GVC- Modell unterscheidet dabei fünf verschiedene Koordinationsmechanismen zwischen zentralen Unternehmen und Zulieferern. Die verschiedenen Formen der Koordination werden in Abbildung 3-1 grafisch verdeutlicht.[59]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-1 Koordinationsmechanismen im GVC- Modell[60]

Die verschiedenen Arten der Verknüpfung sind nach steigender Notwendigkeit zur Koordination geordnet und sollen kurz erläutert werden: (1.) Einfache Marktbeziehungen, auf Basis des Preismechanismus; (2.) Modulare Verknüpfungen, über die komplexe Informationen (meist innerhalb gemeinsamer IuK- Systeme) an kompetente Zulieferer übermittelt werden; (3.) Relationale Verknüpfungen mit kompetenten Zulieferern, oft zur Weitergabe von implizitem Wissen; (4.) Einnehmende Beziehungen, bei denen weniger kompetente Zulieferer detailreiche Instruktionen benötigen und erhalten; Und (5.) hierarchische Einbindung von Zulieferern in das eigene Unternehmen, also vertikale Integration.[61]

Das GVC- Modell hilft zu verstehen, warum Aktivitäten innerhalb einer Produktionskette von einem zentralen Unternehmen selbst (vertikal integriert), bzw. im Rahmen verschiedenster Transaktionen mit anderen Unternehmen ausgeführt werden. Relativ unkomplexe Transaktionen, die sich leicht kodieren lassen, können meist über Märkte abgewickelt werden, wenn die potentiellen Zulieferer über die nötigen Kompetenzen verfügen. Sehr komplizierte Aktivitäten, die nur schwer kodierbar sind und daher nicht einfach ausgegliedert werden können, werden im Unternehmen selbst ausgeführt, wenn andere Unternehmen nicht über die relevanten Fähigkeiten für eine Zusammenarbeit verfügen. Insbesondere modulare Verknüpfungen in GVCs erhöhen – selbst bei hoher Komplexität der Transaktion – das Potential einer effektiven Koordination entfernter, externer Aktivitäten. Relationale Verbindungen hingegen erfordern oft eine gewisse geographische Nähe, um optimale Zusammenarbeit und den Transfer von implizitem Wissen zu fördern. So kann das GVC- Konzept bspw. einen Beitrag zum Verständnis von Standort- Agglomerationen und industriellen Cluster leisten.[62]

Über eine Veränderung der zentralen Variablen, kann darüber hinaus eine entsprechende Anpassung des Koordinationsmechanismus vorausgesagt werden: Durch steigende Komplexität, oder die Einführung einer neuen Technologie, sind Kodierungsstandards möglicherweise überfordert bzw. veraltet, so dass modulare Verknüpfungen eher relationalen Charakter annehmen werden. Findet ein zentrales Unternehmen keine Zulieferer mit ausreichenden Kompetenzen, können einnehmende Beziehungen zum Wissenstransfer, oder vertikale Integration geeignete Gestaltungsmittel sein. Gleichzeitig entwickeln sich durch wachsende Kompetenzen des Zulieferers, aus einnehmenden Beziehungen eher relationale Kooperationsformen, wobei effektive Kodierungsmöglichkeiten hier auch modulare Verbindungen zulassen. Abbildung 3-2 verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen den wichtigsten Variablen im GVC- Modell, den daraus resultierenden Koordinationsmechanismen und der Notwendigkeit zur ausdrücklichen Koordination grafisch.[63]

[...]


[1] Vgl. Gereffi, et al. (2005), S. 78f; Dicken (2005), S. 2ff.

[2] Hesse / Rodrigue (2006), S. 504.

[3] Vgl. Coe, et al. (2008a), S. 271f; Ernst / Kim (2001), S. 3ff.

[4] Weber (1919), S. 588.

[5] Vgl. Sturgeon (2008), S. 1ff.

[6] Vgl. Henderson, et al. (2002), S. 445.

[7] Vgl. Henderson, et al. (2002), S. 442ff.

[8] Vgl. Ernst / Kim (2001), S. 2ff.

[9] Levitt (1983), S. 92.

[10] Ohmae (1995), im Einband.

[11] Vgl. Ernst / Kim (2001), S. 2f.

[12] Vgl. North (1996), S. 8f.

[13] Duden, Lexikon der Wirtschaft (2001): „Liberalisierung“.

[14] Vgl. Ernst / Kim (2001), S. 4.

[15] Vgl. Welfens (2005), S. 642f; IMF (2001).

[16] Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung (2009a), S.1.

[17] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2009a), S. 2.

[18] Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung (2009b), S. 41.

[19] Vgl. OECD (2009), S. 88ff; Bundeszentrale für politische Bildung (2009b), S. 41f.

[20] Vgl. Ernst / Kim (2001), S. 4.

[21] Quelle: Reserve Bank of Australia (2009).

[22] Vgl. OECD (2008), S. 127f.

[23] Vgl. Kutschker / Schmid (2008), S. 193.

[24] Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung (2009c), S. 1.

[25] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2009c), S. 2; Enquete-Kommission (2002), S. 139.

[26] Welfens / Graack (1996), S. 20.

[27] Vgl. Picot, et al. (2003), S. 5; O’Connor (2006), S. 219.

[28] Vgl. Enquete-Kommission (2001), S. 40; Schäfer (2005), S. 1.

[29] Baumann (1998), S. 14.

[30] Vgl. Coe, et al. (2008a), S. 276; Hesse / Rodrigue (2006), S. 505.

[31] Tonnenkilometer (tkm) als Produkt aus beförderter Menge in Tonnen und zurückgelegter Strecke in Kilometern.

[32] Vgl. Gleißner / Femerling (2007), S. 40f.

[33] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2009c), S. 5; Enquete-Kommission (2001), S. 40; Curtis (2009), S. 428.

[34] Vgl. Schulte (1999), S. 135.

[35] Vgl. Ernst / Kim (2001), S. 5f; Picot, et al. (2003), S. 2; Porter (1989), S. 18f.

[36] Vgl. Porter (1989), S. 18ff.

[37] Porter (1989), S. 20.

[38] Vgl. Porter (1991), S. 82.

[39] Vgl. Prahalad / Hamel (1990), S. 81; Porter (1991), S. 64; Alajääskö (2009), S. 2.

[40] Quelle: Alajääskö (2009), S. 2.

[41] Vgl. Massey (1995), S. 114f; Dicken (1986), S. 202; Smith (1776), S. 1ff.

[42] Percy Barnevik, ehemaliger Co-Chairman von ABB (Asea Brown Boveri). Quelle: Kutschker (2008), S. 489.

[43] Vgl. Schreyögg (2003), S. 155f; Porter (1991), S. 82.

[44] Vgl. Porter (1991), S. 97f.

[45] Vgl. Kutschker / Schmid (2008), S. 387f.

[46] Vgl. Kutschker / Schmid (2008), S. 389f; Hummels, et al. (2001), S. 75f.

[47] Vgl. Krugman (1995), S. 334; Lorz / Wrede (2008), S. 517f.

[48] Vgl. o.V. (2010).

[49] Vgl. Hummels, et al. (1998), S. 81f; Linden, et al. (2009), S. 141ff.

[50] Vgl. Lorz / Wrede (2008), S. 518.

[51] Vgl. Coe, et al. (2008a), S. 271f; Hudson (2004), S. 462.

[52] Vgl. Bair (2008), S. 347ff.

[53] Vgl. Bair (2005), S. 154f.

[54] Hopkins / Wallerstein (1977), S. 128.

[55] Vgl. Coe, et al. (2008b), S. 267; Bair (2008), S. 347f.

[56] Vgl. Gereffi, et al. (1994), S. 2; Bair (2008), S. 348.

[57] Vgl. Gereffi (1994), S. 97f.

[58] Vgl. Sturgeon (2008), S. 8ff. Hierzu auch Kap. 2.3, S. 10ff.

[59] Vgl. Bair (2008), S. 354;

[60] Quelle: Gereffi, et al. (2005), S. 89.

[61] Vgl. Gereffi, et al. (2005), S. 83f.

[62] Vgl. Sturgeon (2008), S. 11.

[63] Vgl. Sturgeon (2008), S. 11f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842811218
DOI
10.3239/9783842811218
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bergische Universität Wuppertal – Innovation und Produktion, Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2011 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
produktionsnetzwerke peak finanzkrise globalisierung
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Titel: Entwicklungstendenzen globaler Produktionsnetzwerke
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