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Zur Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen im bilingualen Geographieunterricht - untersucht am Lehrwerk Diercke Geography

©2009 Examensarbeit 146 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Anliegen und Zielsetzung der Arbeit:
Es herrscht ‘BILI-Konjunktur’, die ‘BILI-‚Küche’ boomt’! Diese schlagwortartigen Aussagen von BACH und ZYDATISS verdeutlichen treffend die Entwicklung des bilingualen Unterrichts und seines heutigen Stellenwerts. Der bilinguale Sachfachunterricht feiert in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag und kann auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken. Die Anfänge dieser Unterrichtsform in Deutschland gehen auf die Einrichtung des ersten französischsprachigen Zuges im Jahre 1969 in Singen am Hohentwiel zurück, was eine Reaktion auf den 1963 gefassten deutsch-französischen Kooperationsvertrag war, mit dem Ziel die deutsch-französische Freundschaft und Kooperation durch die Einbeziehung der Partnersprache und der Partnerkultur dauerhaft zu stärken.
Das bilinguale Angebot hat sich seitdem beachtlich verbreitet. Der erste Aufschwung konnte Ende der 1980er und 1990er Jahre durch die fortschreitende europäische Einigung, u.a. durch den nach 1992 aufkommenden europäischen Binnenmarkt, verzeichnet werden. Im Jahre 1999 gab es schon 366 Schulen im Sekundarbereich mit bilingualem Zug und nur sechs Jahre später gab es einen bis heute noch immer andauernden ‘konjunkturellen BILI-Aufschwung’ mit 847 erfassten Schulen. Doch nicht nur die Menge des Angebots hat sich immens gesteigert und sich von der für den bilingualen Unterricht prädestinierten Schulform (Gymnasium) auf andere Schulformen ausgeweitet (Grund-, Real- und Berufsschule). Es lässt sich auch eine zunehmende Vielfalt in der Angebotspalette bezüglich der Fremdsprache und des Sachfachs feststellen. So gibt es seit 1970 einen sprunghaften Anstieg der englischsprachigen Züge und mittlerweile wird der bilinguale Sachfachunterricht sogar vereinzelt in Fremdsprachen wie z.B. Spanisch, Italienisch, Niederländisch und Russisch angeboten. Es ist nicht verwunderlich, dass die Sprache Englisch, die sich im Zuge der Globalisierung als lingua franca herauskristallisiert hat, die Spitzenreiterposition im bilingualen Sachfachunterricht einnimmt. Von den derzeit am meisten verbreiteten bilingualen Sachfächern, Geographie und Geschichte, ausgehend, wurden auch z.B. Politik, Mathematik, naturwissenschaftliche Fächer wie Biologie und Chemie, künstlerische Fächer wie Kunst und Musik und Sport in die Angebotspalette mit einbezogen. Besonders prädestiniert für den bilingualen Unterricht bleibt jedoch Geographie. Zum einen machen die vielfältigen […]

Leseprobe

Nina Fischer
Zur Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen im bilingualen Geographieunterricht ­
untersucht am Lehrwerk Diercke Geography
ISBN: 978-3-8428-1054-9
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Zugl. Universität Trier, Trier, Deutschland, Staatsexamensarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2011

I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
... III
Abkürzungen
... IV
1 EINLEITUNG ... 1
1.1 Anliegen und Zielsetzung der Arbeit ... 1
1.2 Aufbau der Arbeit ... 4
2 THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR VERKNÜPFUNG VON
INHALT- UND SPRACHLERNEN ... 5
2.1 Inhalt und Sprache als grundlegende Elemente zur Gegenstandsbestimmung ... 5
und Standortbeschreibung des bilingualen Geographieunterrichts ... 5
2.1.1 Zur Terminologie ,,bilingualer Unterricht" ... 5
2.1.2 Unterschiedliche Sichtweisen zum bilingualen Geographieunterricht ... 7
2.1.2.1 Fremdsprachenlernen über Fachinhalte ... 8
2.1.2.2 Fachunterricht in einer Fremdsprache ... 9
2.1.2.3 Content and Language Integrated Learning ... 11
2.1.3 Zur Bestimmung des Inhalt- und Sprachlernens im bilingualen
Geographieunterricht und dem ,,bilingualen Mehrwert" ... 12
2.1.3.1 Fremdsprachliches Lernen ... 12
2.1.3.2 Inhaltliches Lernen ... 16
2.2 Das integrierte Inhalt- und Sprachlernen ... 21
2.2.1 Basic Interpersonal Communication Skills ... 21
2.2.2 Cognitive Academic Language Proficiency ... 23
2.2.2.1 Fremdsprachige Diskurskompetenz ... 24
2.2.2.2 Sprachfunktionen ... 26
2.2.2.3 Fachrelevante Arbeitsweisen ... 28
2.2.2.4 Fachbegriffe, Begriffsbildung und doppelte Sachfachliteralität ... 30
2.2.2.5 Intercultural Language Awareness ... 34
2.2.3 Stützmaßnahmen ... 36
2.3 Zwischenfazit ... 39

II
3 Die Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen im Lehrwerk
Diercke Geography ... 39
3.1 Lehrmaterialien im bilingualen Geographieunterricht ... 40
3.1.1 Anmerkungen zur Materialsituation ... 40
3.1.2 Didaktisch-methodische Funktionen von Geographielehrwerken ... 42
3.2 Das Lehrwerk Diercke Geography ,,unter der Lupe" ... 45
3.2.1 Einleitende Bemerkungen: Über Diercke Geography... 45
3.2.2 Hauptkriterien der Lehrwerksanalyse ... 46
3.2.2.1 Allgemeine Verknüpfung von Inhalt und Sprache ... 46
3.2.2.2 Integriertes Inhalt- und Sprachlernen ... 48
3.3 Die Untersuchung der drei Bände von Diercke Geography ... 50
3.3.1 Band 1: Basic ... 50
3.3.1.1 Allgemeine Verknüpfung von Inhalt und Sprache ... 50
3.3.1.2 Integriertes Inhalt- und Sprachlernen ... 60
3.3.2 Band 2: Volume 1 ... 72
3.3.2.1 Verknüpfung von Inhalt und Sprache ... 73
3.3.2.2 Integriertes Inhalt- und Sprachlernen ... 82
3.3.3 Band 3: Volume 2 ... 94
3.3.3.1 Allgemeine Verknüpfung von Inhalt und Sprache ... 94
3.3.3.2 Integriertes Inhalt- und Sprachlernen ... 102
4 SCHLUSSBETRACHTUNG ... 113
LITERATURVERZEICHNIS ... 117
ANHANG

III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Unterschiedliche Bezeichnungen für den Begriff ,,bilingualer Unterricht" ... 6
Abbildung 2: Die Interdependenz von Inhalt, Sprache und Denken im bilingualen
Sachfachunterricht ... 46
Abbildung 3: Das Begriffssystem ,,natural resources" ... 68
Abbildung 4: Das Begriffssystem ,,energy resources" ... 90
Abbildung 5: Begriffssystem ,,migration" ... 108
Abbildung 6: Das Begriffssystem ,,energy" ... 110

IV
Abkürzungen
BICS
Basic Interpersonal Communication Skills
CALP
Cognitive Academic Language Proficiency
CLIL
Content and Language Integrated Learning
DESI
Deutsch Englisch Schülerleistungen International
ILA
Intercultural Language Awareness
KMK
Kultusministerkonferenz
MBWW
Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung (in Rheinland-Pfalz)
MSW
Ministerium für Schule und Weiterbildung (des Landes Nordrhein-Westfalens)
SKMK
Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland

1
1 Einleitung
1.1 Anliegen und Zielsetzung der Arbeit
Es herrscht ,,BILI
1
-Konjunktur", die ,,BILI-,Küche' boomt"! Diese schlagwortartigen
Aussagen von BACH (2000, S. 11) und ZYDATISS (2002, S.32) verdeutlichen treffend die
Entwicklung des bilingualen Unterrichts
2
und seines heutigen Stellenwerts. Der bilinguale
Sachfachunterricht feiert in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag und kann auf eine lange
Erfolgsgeschichte zurückblicken. Die Anfänge dieser Unterrichtsform in Deutschland gehen
auf die Einrichtung des ersten französischsprachigen Zuges im Jahre 1969 in Singen am
Hohentwiel zurück, was eine Reaktion auf den 1963 gefassten deutsch-französischen
Kooperationsvertrag war, mit dem Ziel die deutsch-französische Freundschaft und
Kooperation durch die Einbeziehung der Partnersprache und der Partnerkultur dauerhaft zu
stärken (vgl. SCHMID-SCHÖNBEIN 1994, S. 7; vgl. SKMK 2006, S. 8).
Das bilinguale Angebot hat sich seitdem beachtlich verbreitet. Der erste Aufschwung konnte
Ende der 1980er und 1990er Jahre durch die fortschreitende europäische Einigung, u.a.
durch den nach 1992 aufkommenden europäischen Binnenmarkt, verzeichnet werden (vgl.
u.a. SCHMID-SCHÖNBEIN 1994, S. 7). Im Jahre 1999 gab es schon 366 Schulen im
Sekundarbereich mit bilingualem Zug und nur sechs Jahre später gab es einen bis heute noch
immer andauernden ,,konjunkturellen BILI-Aufschwung" mit 847 erfassten Schulen (vgl.
ebd., S. 9; vgl. CHRIST 2004, S. 14). Doch nicht nur die Menge des Angebots hat sich
immens gesteigert und sich von der für den bilingualen Unterricht prädestinierten Schulform
(Gymnasium) auf andere Schulformen ausgeweitet (Grund-, Real- und Berufsschule). Es lässt
sich auch eine zunehmende Vielfalt in der Angebotspalette bezüglich der Fremdsprache und
des Sachfachs feststellen. So gibt es seit 1970 einen sprunghaften Anstieg der
englischsprachigen Züge und mittlerweile wird der bilinguale Sachfachunterricht sogar
vereinzelt in Fremdsprachen wie z.B. Spanisch, Italienisch, Niederländisch und Russisch
angeboten (vgl. SKMK 2006, S. 16). Es ist nicht verwunderlich, dass die Sprache Englisch,
die sich im Zuge der Globalisierung als lingua franca herauskristallisiert hat, die
Spitzenreiterposition im bilingualen Sachfachunterricht einnimmt. Von den derzeit am
meisten verbreiteten bilingualen Sachfächern, Geographie und Geschichte, ausgehend,
wurden auch z.B. Politik, Mathematik, naturwissenschaftliche Fächer wie Biologie und
1
BILI= bilingualer Unterricht
2
Der Kürze halber ist in der Arbeit oftmals nur von ,,bilingualem Unterricht" die Rede. Sofern keine
Differenzierung im Text erfolgt, ist damit immer der ,,bilinguale Sachfachunterricht" im Allgemeinen und der
,,bilinguale Geographieunterricht" im Besonderen gemeint.

2
Chemie, künstlerische Fächer wie Kunst und Musik und Sport in die Angebotspalette mit
einbezogen. Besonders prädestiniert für den bilingualen Unterricht bleibt jedoch Geographie.
Zum einen machen die vielfältigen Visualisierungsmöglichkeiten, die Anschaulichkeit und
der starke Lebens- und Handlungsbezug eine altersgemäße fremdsprachliche Progression und
somit einen leichteren Zugang zum Sachfach in der Fremdsprache möglich und zum anderen
kann der fremdsprachliche Wortschatz durch die ständige Auseinandersetzung mit den
Arbeitstechniken besonders gut gefestigt werden (vgl. CHRIST 2004, S. 19; vgl. ERNST /
REITZ 2001, S.4).
Wie dieser kurze Überblick gezeigt hat, boomt die ,,BILI-Küche" tatsächlich, weshalb es
nicht verwunderlich ist, dass sich die ,,Köche" stets darum bemühen nach den besten
Rezepten zu suchen und ,,Kochbücher" zu entwerfen (vgl. ZYDATISS 2002, S. 32). So gibt
es, allerdings erst seit den 1980er Jahren, mehr und mehr Forschungsaktivitäten auf dem
Gebiet des bilingualen Sachfachunterrichts, welche sich in einer Zunahme an Beiträgen in
Fachzeitschriften, empirischen Untersuchungen und Forschungsarbeiten widerspiegeln. Dabei
waren bisher die Fremdsprachendidaktiker stets die vorantreibenden Kräfte. Erst seit wenigen
Jahren haben die Fachdidaktiker an dieser Forschungslandschaft ein aktives Interesse
bekundet (vgl. BREIDBACH 2003, S. 10ff.).
Trotz aller Bemühungen hat sich noch nicht das eine Rezept für die ,,BILI-Küche" finden
lassen. Die Praxis scheint der Theorie weit voraus zu sein. Obgleich der hohen Akzeptanz
herrscht also noch immer ein großes Theoriedefizit, denn es gibt europaweit weder eine
eigene theoretisch fundierte Didaktik noch ein eigenes Curriculum (vgl. WOLFF 2002, S. 67).
Deshalb orientiert sich der bilinguale Unterricht primär an der Didaktik bzw. den Lehrplänen
des jeweiligen Sachfachs. Jedoch gibt es in Deutschland, wo der bilinguale Unterricht schon
weitaus stärker etabliert ist, Empfehlungen der Kultusministerien der einzelnen Bundesländer
(vgl. ebd.), die allerdings von Bundesland zu Bundesland ganz unterschiedlich ausfallen.
WOLFF (1997b, S. 50) bringt dieses Theoriedefizit auf den Punkt:
,,[Dem bilingualen Unterricht unterliegt] bisher noch keine auf ihn zugeschnittene Theorie des
Lernens, und auch in der Didaktik ist man über erste experimentierende Versuche noch nicht
hinaus [...]. Jede Form von praktischem unterrichtlichem Handeln [...] bedarf einer unterliegenden
Theorie, durch die abgesichert wird, dass das, was im Klassenzimmer geschieht, auch
lerntheoretisch sinnvoll ist, dass es pädagogisch angemessen ist und zum gewünschten Ergebnis
führt."
Auch lassen sich große Unterschiede im Verständnis des bilingualen Unterrichts feststellen,
was sich sowohl in der Definitionsunschärfe (s. Kap. 2.1.1) als auch in den verschiedenen
Sichtweisen zum bilingualen Unterricht widerspiegelt (s. Kap. 2.1.2).

3
Ein Aspekt des bilingualen Sachfachunterrichts bleibt jedoch unanfechtbar: Er wird von den
Säulen ,,Inhalt" und ,,Sprache" getragen, erhält seine Dynamik von der stetigen
Wechselwirkung dieser beiden grundlegenden Elemente und zielt auf eine Verknüpfung
beider, u.a. durch ein integriertes Inhalt- und Sprachlernen
3
, ab. Dieser Gesichtspunkt macht
sich als charakteristisch wiederkehrendes Phänomen in allen Bereichen des bilingualen
Unterrichts, von seiner Gegenstandsbestimmung, die sich auf die Terminologie, die
verschiedenen Sichtweisen, das Inhalt- und Sprachlernen sowie den ,,bilingualen Mehrwert"
bezieht (s. Kap. 2.1), zu den Dimensionen bilingualen Lernens, nämlich Inhalt ­ Sprache ­
Kognition (s. Kap. 2.2), bemerkbar.
Das Anliegen dieser Arbeit ist es genau dieses Charakteristikum des bilingualen
Sachfachunterrichts
im
Allgemeinen
und
im
Besonderen
des
bilingualen
Geographieunterrichts näher zu betrachten. Da sich bereits zahlreiche Autoren dieser
Thematik, jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten, gewidmet haben, beispielsweise
MOHAN (1979), VOLLMER (2000a), LALLA (2002), ZYDATISS (2002) und WILDHAGE
/ OTTEN (2003), stellen die Erkenntnisse u.a. aus diesen Forschungsarbeiten eine bedeutende
Grundlage für den theoretischen Teil dieser Arbeit dar. Durch die recht hohe
Forschungsaktivität auf dem Gebiet der Integration von Inhalt- und Sprachlernen wird sich
diese Arbeit noch einem zusätzlichem Schwerpunkt und einer tiefer gehenden Fragestellung
annehmen: Die Theorie zur Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen soll in der
Anwendung, hier mittels einer Lehrwerksanalyse, überprüft werden. Die Materialsituation für
den bilingualen Sachfachunterricht ist jedoch immer noch, insbesondere bezüglich der
Entwicklung von Lehrwerken, ein Desideratum. Für den bilingualen Geographieunterricht
gibt es nur ein Lehrwerk, nämlich lediglich eine Schulbuchreihe bestehend aus drei Bänden,
die auf dem deutschen Markt erschienen ist, und zwar Diercke Geography. Deshalb konnte
nur diese Schulbuchreihe für die Lehrwerksanalyse herangezogen werden. Folgende Fragen
sollen bei der Untersuchung der jeweiligen Bände beantwortet werden: Wird der Schwerpunkt
vermehrt auf die Vermittlung von Inhalten oder auf die Arbeit mit der Sprache gelegt?
Werden die einzelnen Bände überhaupt dem integrierten Inhalt- und Sprachlernen gerecht,
d.h. wie werden die spezifischen Merkmale dieser integrativen Lernform in ihnen umgesetzt
und gefördert? Bei der Beantwortung dieser Fragen wird auch ein Vergleich der Ergebnisse
der einzelnen Bände angestrebt.
3
In dieser Arbeit werden folgende Begriffe als Synonyme verwendet: 1. ,,Inhalt-, inhaltliches und
sachfachliches Lernen", wobei mit dem Begriff ,,Sachfach" immer auch der Bezug zum Inhalt des Sachfachs
gemeint ist und umgekehrt; 2. ,,Fremdsprachen-, Sprach-, (fremd-)sprachliches Lernen" sowie ,,Sprache" und
,,Fremdsprache".

4
1.2 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit besteht insgesamt aus vier Kapiteln. Das erste Kapitel, die Einleitung, beschäftigt
sich mit dem Anliegen und dem Aufbau dieser Arbeit.
Kapitel zwei bietet eine Übersicht über theoretische Ansätze und Überlegungen zur
Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen im bilingualen Geographieunterricht. Hier wird
zunächst die Verknüpfung von Inhalt und Sprache durch nähere Betrachtung der Bestimmung
des bilingualen Geographieunterrichts anhand der Aspekte Terminologie (s. Kap. 2.1.1),
unterschiedliche Sichtweisen zum bilingualen Unterricht (s. Kap. 2.1.2) sowie das
fremdsprachliche und sachfachliche Lernen im bilingualen Sachfachunterricht und der
,,bilinguale Mehrwert" (s. Kap. 2.1.3) untersucht. Dabei stößt man, besonders wenn das
grundlegende Verständnis des bilingualen Unterrichts thematisiert wird, also die
Begriffsbestimmung und die verschiedenen Sichtweisen, auf beachtliche Kontroversen in der
Literatur, sodass die Problematisierung einiger Aspekte in dieser Arbeit unumgänglich ist.
Anschließend wird in besagtem Kapitel die Integration von Inhalt- und Sprachlernen mit den
Merkmalen des integrierten Inhalt- und Sprachlernens dargestellt (s. Kap. 2.2), und zwar die
Basic Interpersonal Communication Skills (BICS) (s. Kap. 2.2.1) und die Cognitive Academic
Language Proficiency (CALP) (s. Kap. 2.2.2). Letzteres schließt die fremdsprachige
Diskurskompetenz (s. Kap. 2.2.2.1), die Sprachfunktionen (s. Kap. 2.2.2.2), die
fachrelevanten Arbeitsweisen (s. Kap. 2.2.2.3), die Fachbegriffe, Begriffsbildung sowie
doppelte Sachfachliteralität (s. Kap. 2.2.2.4) und die Intercultural Language Awareness (s.
Kap. 2.2.2.5) mit ein. Schließlich werden die Stützmaßnahmen (s. Kap. 2.2.3), die zur
Förderung des integrierten Inhalt- und Sprachlernens unabdingbar sind, behandelt. Kapitel
zwei wird mit einem kurzen Zwischenfazit (s. Kap. 2.3) abgeschlossen.
In Kapitel drei wird die Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen in der Anwendung
untersucht. Dies geschieht durch Analyse der drei Bände des Lehrwerkes Diercke Geography
für den bilingualen Geographieunterricht. Zunächst wird eine kurze Einführung zu den
Lehrmaterialien im bilingualen Unterricht gegeben (s. Kap. 3.1), die sowohl die
Materialsituation (s. Kap. 3.1.1) als auch die Funktion der Lehrwerke im
Geographieunterricht schildert (s. Kap. 3.1.2). Dann wird eine kurze Einführung zur
Lehrwerksreihe Diercke Geography gegeben (s. Kap. 3.2.1) und es werden die Hauptkriterien
der Lehrbuchanalyse (s. Kap. 3.2.2) dargelegt. Schließlich wird überprüft, wie sich das
Verhältnis zwischen inhaltlicher Vermittlung und sprachlicher Arbeit in den einzelnen
Bänden von Diercke Geography darstellt und ob bzw. wie diese ein integriertes Inhalt- und
Sprachlernen fördern (s. Kap. 3.3).

5
Die Arbeit schließt mit Kapitel vier, der Schlussbetrachtung, ab.
2 Theoretische Ansätze zur Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen
2.1 Inhalt und Sprache als grundlegende Elemente zur Gegenstandsbestimmung
und Standortbeschreibung des bilingualen Geographieunterrichts
2.1.1 Zur Terminologie ,,bilingualer Unterricht"
Bei der Auswertung der einschlägigen Literatur zur Terminologie ,,bilingualer Unterricht"
trifft man auf zwei hervorstechende Phänomene:
1.
So einig sich alle Autoren über die Unklarheit und Unangemessenheit des Begriffs
,,bilingualer Unterricht" sind,
2.
so uneinig sind sie sich über eine treffendere Alternative.
Dies führt zu dem Paradoxon, dass trotz aller Unstimmigkeiten über den derzeit verwendeten
Begriff, bislang kein neuer eingeführt wurde und somit die Begriffsklarheit nicht verbessert
werden konnte. Die Bedeutung des Terminus ,,bilingualer Unterricht" weckt nämlich eine
ganz andere Erwartungshaltung bzw. Assoziation, denn nach BREIDBACH ET AL. (2007, S.
23) ,,meine [dieser Begriff] nicht, was er sagt, und sage nicht, was er meint". Um dies näher
zu erläutern, muss an dieser Stelle kurz geklärt werden, was ,,bilingualer Unterricht" im
wortwörtlichen
Sinne
eigentlich
bedeutet.
Im
Duden
Fremdwörterbuch
(DIE
DUDENREDAKTION 2007, s.v. ,,bilingual") wird ,,bilingual" wie folgt definiert: ,,1. zwei
Sprachen sprechend, verwendend; zweisprachig; 2. zwei Sprachen betreffend, auf zwei
Sprachen bezogen." Demnach suggeriert der Begriff ,,bilingualer Unterricht" einen Unterricht
in zwei Sprachen, d.h. die Schüler
4
werden im linguistischen Sinne zweisprachig erzogen
(vgl. RÖSSLER 2004, S. 132). Dies trifft allerdings nicht auf die schulische Praxis in
Deutschland zu, wo der bilinguale Unterricht überwiegend in der fremden Sprache und nicht
in zwei Sprachen durchgeführt wird. Die Muttersprache sollte bestenfalls nur funktional
eingesetzt werden. Dies folgt dem Konzept der aufgeklärten Einsprachigkeit, ,,so viel
Fremdsprache wie möglich, so viel Muttersprache wie nötig" (WILDHAGE 2003, S. 105)
bzw. der funktionalen Fremdsprachigkeit (vgl. KRONENBERG 1993, S. 125
)
, welche
besagen, dass die Muttersprache z.B. dann eingesetzt werden sollte, um schwerwiegende
Verständnisfragen zu klären, die den Fortgang des Unterrichts behindern könnten oder um
Fachbegriffe einzuführen, damit eine doppelte Sachfachliteralität ausgebildet werden kann.
4
Der Vereinfachung halber wird in dieser Arbeit bei allen allgemeinen Personenbezeichnungen das generische
Maskulinum verwendet. Demzufolge sind bei allen allgemeinen Personenbezeichnungen sowohl männliche als
auch weibliche Personen mit einbegriffen.

6
Der vermeintlich titulierte ,,bilinguale Unterricht" ist also eher mono- als bilingual (vgl.
MENTZ 2001, S. 45). Unbestritten ist, dass die Schüler im bilingualen Unterricht eine
deutlich höhere Kompetenz in der Fremdsprache erlangen als ausschließlich durch
traditionellen
Fremdsprachenunterricht,
da
sie
die
Sprache
in
authentischen
Kommunikationssituationen lernen, ihr stetig ,,ausgesetzt" sind, über sie reflektieren müssen
und die Bedeutung unbekannter sprachlicher Strukturen und Inhalte aushandeln müssen, was
eine größere Verarbeitungstiefe zur Folge hat (s. Kap. 2.1.3.1). Doch eine ,,annähernde
Zweisprachigkeit" erreichen die Schüler dadurch noch nicht, so wie es als Zielvorgabe für den
bilingualen Sachfachunterricht in Deutschland postuliert wird (vgl. u.a. HAUBRICH ET AL.
1997, S. 244). Allerdings muss an dieser Stelle eingeräumt werden, dass ,,an die schulisch zu
erzielenden Sprachkompetenzen nicht die Meßlatte natürlicher Zweisprachigkeit anzulegen
ist" (OTTEN / THÜRMANN 1993, S. 71). Man sollte also das Ziel der ,,annähernden
Zweisprachigkeit", im weiteren Sinne, als die ,,Fähigkeit zur Mehrsprachigkeit" oder als
,,erhöhte Fremdsprachenkompetenz" verstehen (vgl. BACH 2000, S. 14f.; vgl. MEYER
2003a, S. 7).
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Begriff ,,bilingualer Unterricht" in vielerlei Hinsicht
für die in Deutschland geführte Unterrichtsform höchst unzutreffend ist und möglichst bald
ersetzt werden sollte. Dies stellt sich jedoch als sehr problematisch dar, da aufgrund allseitiger
Unstimmigkeiten eine inhaltliche Begriffsvielfalt herrscht, die es zusehends erschwert eine
Einigung auf einen Begriff in Fachkreisen zu erringen (s. Abb. 1).
Abbildung 1: Unterschiedliche Bezeichnungen für den Begriff ,,bilingualer Unterricht"
Quelle: LENZ 2002, S. 2.

7
Betrachtet man die einzelnen Begriffe in der Abbildung, so wird deutlich, dass jedem ein
unterschiedliches Verständnis von bilingualem Unterricht zugrunde liegt. Die Frage, die es
letztendlich zu klären gilt, bevor man sich in Fachkreisen überhaupt auf einen neuen Begriff
einigen kann, ist, ob der bilinguale Unterricht schwerpunktmäßig Fremdsprachenunterricht
(,,Fremdsprachenlernen
über
Fachinhalte")
(s.
Kap
2.1.2.1),
Sachfachunterricht
(,,Fachunterricht in fremder Sprache") (s. Kap. 2.1.2.2) oder ein integrierter Sachfach- und
Fremdsprachenunterricht (Content and Language Integrated Learning) (s. Kap. 2.1.2.3) ist
(vgl. LENZ 2002, S. 2). Demzufolge handelt es sich primär um eine Diskussion bezüglich des
Verhältnisses der beiden Elemente Inhalt und Sprache zueinander: Soll der bilinguale
Unterricht also verstärkt Inhalt- oder Fremdsprachenlernen fördern oder eine Integration
beider Lernarten verfolgen? Diese Fragestellung wird im folgenden Kapitel näher erläutert.
Was versteht man nun aber unter dem, in Deutschland zurzeit praktizierten, bilingualen
Unterricht? Abgesehen von der mangelnden Definitionsschärfe, wird der bilinguale
Unterricht, wie er derzeit in Deutschland umgesetzt wird, als ,,Sachfachunterricht in einer
Fremdsprache" (MBWW 2001, S. 337) definiert. Diese Unterrichtsform orientiert sich dabei
an der Didaktik des Sachfachs, an dessen Zielen, Inhalten und Methoden, da keine
eigenständige Didaktik vorliegt (vgl. u.a. MSW 2006-2009). Die Fremdsprache wird nicht als
der eigentliche Lerngegenstand angesehen, sondern als Arbeitssprache bzw. als
Kommunikationsmittel, als Träger der sachfachlichen Inhalte und somit als Instrument zur
Bewältigung von fachspezifischen Inhalten (vgl. u.a. BREIDBACH 2003, S. 7; vgl.
HOFFMANN 2004, S. 211 und vgl. SCHMID-SCHÖNBEIN / SIEGISMUND 1998, S. 201)
(s. Kap. 2.1.2.2). ,,Bilingual" bedeutet also nicht ,,zweisprachig", sondern: ,,sich die
Fremdsprache als Arbeitssprache zunutze machend". In diesem Sinne wird der Begriff in der
folgenden Arbeit verwendet.
2.1.2 Unterschiedliche Sichtweisen zum bilingualen Geographieunterricht
Insgesamt
lassen
sich
drei
unterschiedliche
Sichtweisen
zum
bilingualen
Geographieunterricht festhalten: ,,Fremdsprachenlernen über Fachinhalte", ,,Fachunterricht in
einer Fremdsprache" und Content and Language Integrated Learning (s. Abb. 1). Alle drei
Ansichten gehen von einem unterschiedlichen Verhältnis zwischen Sachfach (Inhalt) und
Fremdsprache (Sprache) aus. Sie bevorzugen entweder die Fremdsprachen- oder die
Sachfachdidaktik oder fordern die Entwicklung einer eigenen Didaktik. Damit favorisieren sie
auch eine unterschiedliche Gewichtung des inhaltlichen und sprachlichen Lernens.

8
2.1.2.1 Fremdsprachenlernen über Fachinhalte
Der Ansatz ,,Fremdsprachenlernen über Fachinhalte" (language learning through language
use)
liegt
in
der
Fremdsprachendidaktik
begründet
und
wird
demnach
von
Fremdsprachendidaktikern postuliert (u.a. WODE 1995, WOLFF 2000). Weitere bekannte
Begriffe für diesen Ansatz sind z.B. die folgenden: ,,inhalts- / fachbezogenes
Fremdsprachenlernen", ,,inhaltsorientierter Fremdsprachenunterricht", und ,,erweitertes
Fremdsprachenlernen" (s. Abb. 1).
Dieser Ansatz legt den Schwerpunkt auf das fremdsprachliche Lernen. Die Zielsetzung des
bilingualen Sachfachunterrichts ist es folglich, durch eine in natürlicher Kommunikation
verwendete Zielsprache ein gesteigertes und effektiveres Fremdsprachenlernen zu erreichen
und damit eine höhere Fremdsprachenkompetenz als im regulären Fremdsprachenunterricht
auszubilden (vgl. BREIDBACH ET AL. 2007, S. 37; vgl. VOLLMER 2002, S. 103) (s. Kap.
2.1.3.1). Das zugrunde liegende Konzept ist das der mitteilungsbezogenen Kommunikation,
im Gegensatz zur sprachorientierten Kommunikation im regulären Fremdsprachenunterricht,
d.h. focus on content, not on form und message before accuracy (vgl. BONNET 2004, S. 40;
vgl. BONNET ET AL. 2003, S. 175). Der bilinguale Unterricht legt folglich mehr Wert auf
sprachliche Produktion als auf sprachliche Korrektheit und die Fremdsprache wird
,,gewissermaßen als Nebenprodukt der Vermittlung von Fachwissen" (WODE 1995, S. 131)
erlernt. Dieses Konzept lässt sich auch mit der folgenden Phrase beschreiben: Getting two for
the price of one. Sachfach- und Sprachkompetenz werden demnach parallel und ohne
besonderen Mehraufwand aufgebaut (vgl. VOLLMER 2002, S. 103). Der Fokus liegt dabei
stets auf dem sprachlichen Zugewinn. Doch wie dieser natürliche Prozess des beiläufigen
Spracherwerbs
genau
funktioniert
und
warum
er
in
einem
,,Mehr"
an
Fremdsprachenkompetenz resultiert, ist in Fachkreisen noch nicht geklärt (vgl. VOLLMER
2002, S. 103; vgl. ZYDATISS 2002, S.33).
Anhänger dieses Konzepts zeigen wenig Interesse an der Entwicklung einer geeigneten
,,bilingualen Didaktik". Sie legen ihren Forschungsschwerpunkt primär darauf, eine erhöhte
Fremdsprachenkompetenz im bilingualen Unterricht zu belegen, den allgemeinen
Zweitsprachenerwerb zu dokumentieren und einen Vergleich der Fremdsprachenkompetenz
von bilingual und regulär
5
unterrichteten Schülern durchzuführen (vgl. ZYDATISS 2002, S.
104).
5
,,Regulär", so auch ,,monolingual" und ,,Regelschüler", bezieht sich immer auf ,,nicht-bilingual" unterrichtete
Schüler, also diejenigen, die am muttersprachlichen Geographieunterricht teilnehmen.

9
Als Beispiel für diesen Ansatz werden oft die kanadischen Immersionsmodelle genannt, bei
denen das inhaltsbasierte, also implizite, Fremdsprachenlernen als erwiesen gilt (vgl.
ZYDATISS 2002, S. 33). Immersion wird dabei verstanden als ,,das Eintauchen von Schülern
der sprachlichen Minorität in die Sprache der Majorität (auch vice versa) möglichst früh in
möglichst vielen (allen) Fächern mit keiner oder nur geringer schulischer Förderung der
Muttersprache" (MÄSCH 1991, S. 11; eigene Hervorhebungen) verstanden.
Nach LENZ (2002, S. 3) ist man sich in Deutschland allerdings einig darüber, dass der
bilinguale Unterricht keinen erweiterten Fremdsprachenunterricht darstellt und somit nicht
mit dem Immersionsansatz zu vergleichen ist. Das wird der Grund dafür sein, dass die
Stimmen, die sich für einen solchen Ansatz aussprechen, inzwischen fast gänzlich verstummt
sind. Viele Fremdsprachendidaktiker fordern nun einen dritten Weg, bei dem das sprachliche
und das inhaltliche Lernen den gleichen Stellenwert haben (s. Kap. 2.1.2.3).
2.1.2.2 Fachunterricht in einer Fremdsprache
Die Vertreter des Sachfachs halten allerdings das ,,Fremdsprachenlernen über Fachinhalte",
also ,,die einseitige Instrumentalisierung des Sachlernens für ein ,verbessertes'
Fremdsprachenlernen aus der Sicht der übergeordneten Ziele der Sachfächer für wenig
angebracht" (ZYDATISS 2002, S.34). Deshalb fordern sie einen sachfachdidaktischen
Ansatz. So schreibt HALLET (1998, S. 117):
,,Solange aber der bilinguale Fachunterricht als language instruction angesehen und Konzepte
fremdsprachendidaktisch hergeleitet werden, kann die Entwicklung einer Didaktik des bilingualen
Sachfachunterrichts nicht vorankommen. Vielmehr muss ernst genommen werden, dass es sich
zuallererst um Fachunterricht handelt ­ in einer fremden Sprache. Didaktische Konzepte müssen
hier ihren Ausgang nehmen."
Der bilinguale Sachfachunterricht orientiert sich nach diesem Ansatz an den Zielen und
Inhalten der Sachfachdidaktik, wobei aber eine gewisse Modifizierung der Didaktik unter
Berücksichtigung der besonderen Situation des bilingualen Unterrichts, also den veränderten
Kommunikationsbedingungen, nicht ausgeschlossen ist. Die Modifizierungen umfassen z.B.
im Bereich der Inhalte eine verstärkte Berücksichtigung der Zielsprachenländer, eine
Erweiterung der Zielperspektive um das Ziel ,,Mehrsprachigkeit als Kulturkompetenz"
(BACH 2000, S. 11) und unter dem Aspekt der Methodik eine veränderte Kommunikation,
verstärkte Kleinschrittigkeit und intensivere Begriffsarbeit (vgl. HOFFMANN 2004, S. 215).
Die Sachfachdidaktiker befürworten demzufolge nicht die Entwicklung einer eigenständigen
Didaktik des bilingualen Sachfachunterrichts. Sie sehen methodische Modifikationen als
ausreichend an und fordern demnach eine eigenständige Methodik. Mögliche Unterschiede in

10
den Inhalten zwischen dem bilingualen und regulären Geographieunterricht
6
, z.B. durch die
angesprochene besondere Berücksichtigung der Zielsprachenländer, gelten danach nicht als
Begründung für eine eigenständige Didaktik, wie sich dies schon in den unterschiedlichen
Inhalten in den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer zeigt (vgl. HAUBRICH 2006, S. 162;
HOFFMANN 2004, S. 214ff.). Dies zeigt den Unterschied zum ersten Ansatz, da sich die
Sachfachdidaktiker primär darum bemühen eine geeignete Didaktik bzw. Methodik zu
entwickeln.
Wie bereits in Kap. 2.1.1 beschrieben, wird genau diese Form des bilingualen Unterrichts in
Deutschland zurzeit praktiziert. Andere Bezeichnungen für diesen Ansatz sind z.B. ,,Englisch
als Arbeitssprache" - siehe bilingualer (englischer) Sachfachunterricht in Österreich (vgl.
ABUJA 1999) - oder ,,fremdsprachiger Sach(fach)unterricht" (s. Abb. 1). Der Schwerpunkt
dieser Sichtweise liegt eindeutig auf dem sachfachlichen Lernen. Im Gegensatz zum regulären
Fremdsprachenunterricht stellt beim ,,Fachunterricht in der Fremdsprache" nicht die
Fremdsprache den eigentlichen Unterrichts- und Lerngegenstand dar, sondern sie steht in der
dienenden Funktion des Sachfaches. Sie ist demzufolge lediglich die Arbeitssprache und das
Kommunikationsmittel, also ein Werkzeug, mit dessen Hilfe die sachfachlichen Inhalte
transportiert und bearbeitet werden sollen (vgl. u.a. LENZ 2002, S. 3) (s. Kap. 2.1.2.1): ,,We
SPEAK English in our GEOGRAPHY class, and we LEARN English in our ENGLISH
class." (GRÖNE 1997, S. 1, Hervorhebungen des Autors). Die Spracharbeit beschränkt sich
dabei nur auf die sprachlichen Aspekte, die in eindeutiger Verbindung mit dem
sachfachlichen Lernen stehen (sachbezogene Spracharbeit), wie z.B. die Fachbegriffe und die
Redemittel zur Auswertung von Materialien. Eine explizite Spracharbeit anhand von
Grammatik- und Wortschatzübungen ist demnach nicht Bestandteil dieses Ansatzes. Hier
kann man eine Ähnlichkeit zu der ersten Sichtweise feststellen, da auch in diesem
Zusammenhang die Prinzipien message before accuracy and focus on content, not on form
gelten. Sprachliche Fehler werden, wenn überhaupt, nur beiläufig korrigiert und bei der
Leistungsbewertung in allen Bundesländern, außer in Rheinland-Pfalz mit einem Verhältnis
von 2 (sachfachliche Leistung) : 1 (sprachliche Leistung), nicht berücksichtigt (vgl. LENZ
2004, S. 103). Das Sachfach und somit das Inhaltlernen steht also eindeutig im Mittelpunkt
des Interesses. Dies belegt, dass bilingualer Geographieunterricht in Deutschland
überwiegend als ,,Fachunterricht in einer fremden Sprache" verstanden wird.
6
Die Bezeichnung ,,regulärer (Geographie-)Unterricht" bezieht sich immer auf den ,,nicht-bilingualen", also
den muttersprachlichen (Geographie-)Unterricht.

11
2.1.2.3 Content and Language Integrated Learning
Viele Fremdsprachendidaktiker (u.a. VOLLMER 2000a, ZYDATISS 2002) und auch einige
Fachdidaktiker (u.a. LAMSFUSS-SCHENK 2000) sprechen sich derzeit für einen dritten
Weg aus, nämlich für die Kombination von Sachfach- und Fremdsprachenunterricht, also
einem integrierten Inhalt- und Sprachlernen, ganz nach dem Motto: ,,[W]ill man das
sprachliche und inhaltliche Potenzial des bilingualen Unterrichts ausschöpfen, muss man mit
,beiden Augen sehen'" (OTTEN / WILDHAGE 2003, S. 22f.). Im englischen Sprachraum hat
sich dafür der Begriff Content and Language Integrated Learning (CLIL) eingebürgert. CLIL
wird wie folgt definiert:
"Content and language integrated learning (CLIL) is a generic term that refers to any educational
situation in which an additional language and therefore not the most widely used language of the
environment is used for the teaching and learning of subjects other than the language itself"
(MARSH / MARSLAND / MALJERS 1999, in: LENZ 2002, S. 3).
Die Befürworter dieses Ansatzes fordern die Entwicklung einer eigenen, ,,integrierten
bilingualen Sachfachdidaktik" (LAMSFUSS-SCHENK 2000, S. 78), die dem sprachlichen
Lernen den gleichen Stellenwert zuschreibt wie dem sachfachlichen Lernen, damit die
,,bilinguale Didaktik" nicht mehr, so wie es BREIDBACH (2000, S. 173) treffend formuliert
hat, ,,zwischen allen Stühlen steht" (zwischen Sachfach- und Fremdsprachendidaktik). So
stellt beispielsweise HALLET (1998) ein eigenes didaktisches Konzept für den bilingualen
Unterricht vor, das Bilingual Triangle, welches eine Richtschnur für die Ziele und Inhalte des
bilingualen Sachfachs darstellen soll. Auch WILDHAGE / OTTEN (2003) und ZYDATISS
(2002) befassten sich mit der Frage nach einer eigenständigen Didaktik. Sie entwickelten
jeweils ein Konzept für eine ,,bilinguale Didaktik", einschließlich einer Methodik, die auf die
Integration von Inhalt- und Sprachlernen abzielt.
Der CLIL-Ansatz geht demzufolge davon aus, dass sachfachliches Lernen immer auch
sprachliches Lernen ist und umgekehrt. VOLLMER (2002, S. 105) schreibt dazu:
,,Es gibt kein Fachlernen ohne Sprache, Sprache ist das Medium des Denkens und des Aufbaus von
Vorstellungsinhalten, von Konzepten, von Repräsentationen ­ alles Lernen und alles Wissen ist
letztlich sprachlich vermittelt und von daher zutiefst mit den sprachlichen Einheiten, Strukturen
und Handlungen verknüpft, über die Lernen und Wissensaufbau erfolgten."
Darüber hinaus wird festgestellt, dass die fremde Sprache, ,,soweit dies nötig und zur
Unterstützung der Lernenden in ihrem Bemühen um inhaltliche Genauigkeit im Verstehen
und in der Präzisierung ihrer Aussagen richtig erscheint" (VOLLMER 1992, in: DE FLORIO-
HANSEN 2003, S. 16) auch zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden soll. Somit fordern
die Verfechter dieser Variante ein systematisches Sprachlernen durch sogenannte ,,Inseln der
funktionalen Spracharbeit" (VOLLMER 2000a, S. 54) nach dem Prinzip focus on forms /

12
negotiation of form, das bestmöglich in einer integrativen Didaktik verankert werden sollte
(vgl. LENZ 2002, S. 3; vgl. VOLLMER 2002, S. 106). Der bilinguale Sachfachunterricht, wie
es ZYDATISS (2002, S. 37) festhält, ist damit auch eine ,,Variante des ,gesteuerten'
Fremdsprachenerwerbs". Diese Sichtweise des bilingualen Unterrichts ist die Grundlage für
die folgenden Kapitel, in denen die Integration von Inhalt- und Sprachlernen dargestellt wird.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird das sprachliche und inhaltliche Lernen im bilingualen
Geographieunterricht ausführlicher behandelt. Es wird also dargestellt, welche Kompetenzen
das ,,bilinguale Sprach- und Inhaltlernen" jeweils umfassen, weil darauf die Verknüpfung
beider Lernbereiche aufbaut. Außerdem wird aufgezeigt, wie die zu vermittelnde inhaltliche
und sprachliche Kompetenz im bilingualen Unterricht zu einem Mehrwert gegenüber dem
regulären Sachfach- und Fremdsprachenunterricht beiträgt.
2.1.3 Zur
Bestimmung
des
Inhalt-
und
Sprachlernens
im
bilingualen
Geographieunterricht und dem ,,bilingualen Mehrwert"
2.1.3.1 Fremdsprachliches Lernen
Was bedeutet nun fremdsprachliches Lernen im bilingualen Unterricht?
Fremdsprachliches Lernen ist im bilingualen Geographieunterricht weniger auf das Erlernen
der Alltagskommunikation, einem Ziel des regulären Fremdsprachenunterrichts (s. Kap.
2.2.1), ausgerichtet, vielmehr steht der ,,gezielte Aufbau fachsprachlicher Elemente im
Mittelpunkt der sprachlichen Lernprozesse" (OTTEN / WILDHAGE 2003, S. 18) (s. Kap.
2.2.2), dient doch die Fremdsprache nur als Mittel zur Bewältigung von Lern-,
Arbeitsprozessen und Inhalten des Sachfachs. Je nachdem, welcher Ansatz des bilingualen
Unterrichts verfolgt wird, hat die Spracharbeit einen unterschiedlichen Stellenwert. Entweder
wird sie nur funktional angewandt (,,Fachunterricht in einer Fremdsprache") oder sie wird
systematisch eingesetzt und gilt somit als ein konstitutives Element einer bilingualen Didaktik
(CLIL-Konzept). Die exakte Bestimmung des fremdsprachlichen Lernens im bilingualen
Unterricht wird im Zusammenhang mit dem inhaltlichen Lernen dargestellt, da beides im
bilingualen Unterricht untrennbar ist (s. Kap. 2.1.3.2).
Wie verhält es sich nun mit dem fremdsprachlichen Zugewinn im bilingualen
Sachfachunterricht? Fördert der bilinguale Unterricht das fremdsprachliche Lernen mehr als
der reguläre Fremdsprachenunterricht? Hierzu wurden mehrere Studien veröffentlicht. Einige
davon werden mit ihren Ergebnissen im Folgenden kurz dargestellt.
BREDENBRÖKER (2002) hat in seiner empirischen Studie zur Förderung der
fremdsprachlichen Kompetenz durch bilingualen Unterricht die allgemeine Sprachfähigkeit,

13
die grammatische Kompetenz und das Leseverständnis bei bilingual und regulär
unterrichteten Schülern der siebten und achten Klasse über zwei Jahre lang untersucht.
Folgende Ergebnisse lassen sich aus dieser Studie festhalten: Erstens die allgemeine
Sprachkompetenz war bei den bilingual unterrichteten Schülern etwas stärker ausgeprägt als
bei den regulär unterrichteten Schülern (vgl. ebd., S. 94). Zweitens der bilinguale
Sachfachunterricht beeinflusste auch die grammatische Kompetenz der bilingualen Schüler
positiv. Zuletzt wurde festgestellt, dass der bilinguale Unterricht am stärksten das
Leseverständnis der bilingual unterrichteten Schüler gefördert hat, da diese bereits nach einem
Jahr bilingualen Unterrichts ein signifikant höheres Textverständnis aufweisen konnten als die
monolingualen Schüler (vgl. ebd.).
Die Studie von THEIS / WERKMANN (2004) untersuchte die Lernfortschritte im Englischen
von bilingual und regulär unterrichteten Schülern in den Jahrgangsstufen sechs bis zwölf am
Gymnasium sowie von Studierenden der Anglistik (vgl. ebd., S. 145f.). Die Ergebnisse der
Studie zeigten, dass die bilingualen Schüler, insbesondere in den Jahrgangsstufen sieben und
acht, größere Lernfortschritte machten im Vergleich zu den nicht-bilingualen Schülern.
Bereits in der achten Jahrgangsstufe wiesen sie deutlich höhere Werte auf als die
monolingualen Schüler, selbst als jene der Jahrgangsstufe zwölf (vgl. ebd., S. 149).
Überraschenderweise wurde in der Untersuchung auch festgestellt, dass die Studierenden der
Anglistik das Niveau der nicht-bilingualen Schüler gut erreichen, aber an das der bilingual
unterrichteten Schüler nicht heranreichen konnten und die Testwerte der letzteren bereits in
der achten Klasse deutlich höher lagen als die der Studenten (vgl. ebd., S. 150f.). Dies führten
THEIS / WERKMANN (2004, S. 151) darauf zurück, dass sich nicht unbedingt die sprachlich
leistungsstärksten Abiturienten für ein Sprachstudium entschieden. Die Testergebnisse sollten
also als Ansatzpunkt für eine verbesserte Lehrerausbildung herangezogen werden.
Auch die im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK) durchgeführte DESI-Studie
bewertet den bilingualen Sachfachunterricht als ein ,,Erfolgsmodell zur Förderung
sprachlicher Kompetenzen" (KLIEME 2006, S. 5). Den Ergebnissen der Untersuchung
zufolge, wirkte sich der bilinguale Unterricht besonders positiv auf die kommunikative
Kompetenz der bilingualen Schüler aus. Im Hörverständnis waren sie bis zum Ende der
neunten Jahrgangsstufe den monolingualen Schülern zwei Schuljahre voraus und auch im
Erkennen und Korrigieren von grammatischen Fehlern, zeigten sie beachtliche Fortschritte
gegenüber den monolingual unterrichteten Schülern (vgl. ebd.).
In GRUMs (2007) Studie wurden die lexikalischen Differenzen, also der lexikalische
Ausdruck, die Flüssigkeit des Ausdrucks, die strukturelle Elaboriertheit, sowie die

14
Grammatik, die Aussprache und der Inhalt (vgl. ebd., 125) im mündlichen Englisch
untersucht und dabei die Leistungen der Regelschüler und bilingualen Schüler der zehnten
Jahrgangsstufe am Gymnasium und an der Realschule verglichen. Bei der Untersuchung
wurden sogar englische Muttersprachler mit einbezogen. GRUM stellte generell fest, dass die
englischen Muttersprachler in allen Bereichen wie erwartet mit Abstand am besten
abschnitten, insbesondere in der Anwendung individueller Lexeme. Dies belegt somit die
Aussage in Kap. 2.1.1, dass das Konzept der ,,annähernden Zweisprachigkeit" als Zielvorgabe
im bilingualen Unterricht unzutreffend formuliert ist. Die bilingualen Schüler wiesen,
verglichen mit den monolingualen Schülern, eine verbesserte lexikalische Kompetenz im
mündlichen Englisch auf. Erstere erlangten einen weitaus umfangreicheren Wortschatz und
somit auch eine höhere Sprachkompetenz im mündlichen Englisch (vgl. ebd., S. 130.). Dies
ist sicherlich auch auf die intensivere Begriffsarbeit im bilingualen Unterricht und die daraus
folgende tiefere Verarbeitung der Begriffe in der Fremd- und in der Muttersprache
zurückzuführen (s. Kap. 2.2.2.4). Darüber hinaus zeigte sich, dass die Regelschüler generell
häufiger auf die deutsche Sprache zurückgriffen als die bilingualen Schüler. Daraus
schlussfolgerte GRUM (2007, S. 129f.), dass die Regelschüler nicht nur über vergleichsweise
,,weniger Wörter verfügen, sondern auch über weniger lexikalisch-syntaktische Versatzstücke
und feste Redewendungen". Insgesamt schnitten die Muttersprachler am besten ab, gefolgt
von bilingualen Gymnasiasten, Regelgymnasiasten, bilingualen Realschülern und zuletzt
Regelrealschülern.
ZYDATISS (2007) verglich in seiner Studie die qualitativen Merkmale des schriftlichen
textgebundenen Outputs von bilingualen mit monolingualen Schülern der zehnten
Jahrgangsstufe und stellte dabei signifikante Unterschiede zugunsten der bilingualen Schüler
fest (vgl. ebd., S. 161). Neben der bemerkenswert besseren Entwicklung fremdsprachlicher
Leistungen der bilingualen Schüler, konnte insbesondere ein produktiverer Sprachgebrauch
und eine zunehmende sprachliche Korrektheit mit einem größeren Spektrum an lexikalischen
und grammatischen Optionen im Verfassen von Texten nachgewiesen werden (vgl. ebd., S.
165ff.).
Die dargestellten empirischen Untersuchungen zeigen auf, dass die fremdsprachliche
Kompetenz der bilingual unterrichteten Schüler im Vergleich zu der der regulär unterrichteten
Schüler ein deutlich höheres Level erreicht. Durch bilingualen Unterricht ist also verglichen
mit dem regulären Fremdsprachenunterricht eindeutig ein Mehrwert im fremdsprachlichen
Lernen festzustellen.

15
Viele Fremdsprachendidaktiker schätzen diesen Zugewinn der fremdsprachlichen Kompetenz
sogar höher ein als den des sachfachlichen Lernens, obwohl dies nicht empirisch belegt ist
(vgl. HOFFMANN 2004, S. 211). Diese Annahme kann man auch darauf zurückführen, dass
es im Bereich der Sachfachdidaktik derzeit insgesamt weniger empirische Studien gibt, die
den Zugewinn für das Sachfach bzw. die Förderung der sachfachlichen Kompetenz durch
bilingualen Unterricht untersucht haben, d.h. hier besteht dringender Forschungsbedarf (vgl.
ebd.; vgl. OSTERHAGE 2007, S. 42). So schlussfolgert ZYDATISS (2002, S. 58):
,,Im Übrigen hat mich bisher noch niemand von meinen Zweifeln befreit, dass eventuell (bei
bestimmten Lernerinnen und Lernern, Zielgruppen oder Unterrichtsvoraussetzungen) doch das
Wissen und Können im Sachfach [gemeint ist das Inhaltlernen im Vergleich zum Sprachlernen;
Anmerkung der Verfasserin] mehr als vertretbar leiden könnte."
Worin liegt nun aber der Mehrwert des bilingualen Sachfachunterrichts gegenüber dem
traditionellen Fremdsprachenunterricht begründet? Das fremdsprachliche Lernen im
bilingualen Unterricht läuft verglichen mit dem regulären Fremdsprachenunterricht unter ganz
anderen Voraussetzungen ab. Der bilinguale Unterricht ist nicht nur durch ein ,,Mehr" an
Fremdsprache (Quantität), sondern insbesondere auch durch eine andere Art und Weise beim
Gebrauch der Fremdsprache (Qualität) gekennzeichnet (vgl. SCHMID-SCHÖNBEIN 1994, S.
7; vgl. SCHMID-SCHÖNBEIN / SIEGISMUND 1998, S. 201).
Erster Unterscheidungspunkt ist die Art der Sprache, die gebraucht bzw. gelehrt wird, nämlich
die Fachsprache, die durch ihren Grad an Vagheit ein höheres, abstraktes sprachliches Niveau
darstellt (vgl. WOLFF 2000, S. 169). Darüber hinaus ist der bilinguale Unterricht durch
Authentizität gekennzeichnet, denn Sachfächer sind Realien, d.h. sie stellen Prozesse und
Fakten der realen Lebenswelt dar und haben damit eine größere Relevanz und
Identifikationsmöglichkeit für die Schüler. Dies führt zu einer größeren Lernmotivation und
zu einer tieferen inhaltlichen und sprachlichen Verarbeitung durch die Schüler (vgl. WOLFF
2000, S. 169). Auch die interaktive Verwendung der Sprache, die nicht der eigentliche
Unterrichtsgegenstand ist, sondern lediglich als Arbeitssprache dient, ist durch Authentizität
gekennzeichnet.
Im
Gegensatz
dazu
sind
die
Lerninhalte
des
traditionellen
Fremdsprachenunterrichts zumeist pseudoreal und fiktiv, da sie im Wesentlichen auf den
Erwerb der Sprache und nicht des Inhalts abzielen. Die Schüler sind oft weniger tangiert und
damit weniger motiviert (vgl. u.a. BREIDBACH 2006, S. 11; vgl. WOLFF 2000, S. 169). Da
der bilinguale Unterricht schließlich dem Prinzip message before accuracy folgt, verwenden
die Schüler die Fremdsprache angstfreier und ungezwungener. Letztlich sind die bilingual
unterrichteten Schüler durch die höhere Stundenzahl der fremden Sprache viel länger

16
ausgesetzt und müssen sie häufiger nutzen (frequency of exposure) als die regulär
unterrichteten Schüler (vgl. WOLFF 2000, S. 169).
2.1.3.2 Inhaltliches Lernen
Schon HALLET (2003, S. 46) hat ein Defizit in der Definition des ,,bilingualen
Sachfachlernens" festgestellt. So schreibt er:
,,M. E. mangelt es immer noch an einer präzisen Vorstellung davon, was bilinguales
Sachfachlernen eigentlich ist, welche Ziele, Qualifikationen und Kompetenzen damit verknüpft
sind und was den Kern dieses Fachlernens in der Fremdsprache ausmacht."
In diesem Kapitel soll versucht werden, das Defizit zu beseitigen.
Was bedeutet sachfachliches Lernen im bilingualen Geographieunterricht? Eine Antwort
darauf bieten zwei Modelle zur sachfachlichen Kompetenz im bilingualen Unterricht, die im
Folgenden dargestellt werden sollen. Zum einen das Modell der fachlichen Kompetenz nach
BONNET ET AL. (2003, S. 176ff.) bzw. BREIDBACH (2006, S. 13), zum anderen das
Modell der geographischen Kompetenz nach VOLLMER (2006, S. 210 ff.; 2007, S. 287ff.).
Im ersten Modell wird die fachliche Kompetenz in fünf Dimensionen untergliedert, nämlich
in die konzeptuale, die diskursive, die methodische, die interaktionale und die reflexive
Dimension. VOLLMERs Modell unterteilt die geographische Kompetenz ebenfalls in fünf
Domänen, und zwar in das fachlich-inhaltliche Wissen, die Methodenkompetenz, die
fachliche Kommunikationsfähigkeit, die Reflexionskompetenz und die Beurteilungs- /
Bewertungskompetenz. Dabei gelten die drei ersten als die zentralen Basiskompetenzen. Die
Reflexionskompetenz kann in allen Dimensionen enthalten sein, aber auch selbstständige
Dimension sein. Die Beurteilungs- / Bewertungskompetenz ist Teil einer sogenannten zweiten
Kompetenzschicht, unterhalb der drei Basisdimensionen (vgl. VOLLMER 2007, S. 288ff.).
Zwischen BREIDBACHs Dimensionen und VOLLMERs Domänen ergeben sich
Überschneidungen, wie dies im Folgenden dargestellt wird.
Die konzeptuale Dimension ist nach BREIDBACH (2006, S. 13) der Erwerb zentraler
fachspezifischer Konzepte und Begriffe, d.h. fachspezifischer Denkweisen und -modelle (s.
Kap. 2.2.2.4). Dies ist vergleichbar mit der Domäne des fachlich-inhaltlichen Wissens in
VOLLMERs Modell.
Die diskursive Dimension bezieht sich auf die sprachlichen Umgangsformen des Sachfaches,
also die fachspezifische Kommunikation oder Diskursfähigkeit und die Fachsprache (s. Kap.
2.2.2.1). Diese Dimension deckt sich mit der fachlichen Kommunikationsfähigkeit nach
VOLLMER.

17
Zur methodischen Dimension bzw. der Methodenkompetenz in VOLLMERs Modell zählen
die fachspezifischen Methoden sowie die Lern- und Arbeitsweisen zur Dokumentation und
Darstellung der Sachverhalte (vgl. ebd.) (s. Kap. 2.2.2.3).
In den Bereich der interaktionalen Dimension fällt die ,,soziale Gesprächs- und
Kooperationsfähigkeit" (ebd.), was sich auf den Umgang der Lernenden untereinander und
mit dem Lehrer bezieht. Dabei kommt der sogenannten Bedeutungsaushandlung (negotiation
of meaning) ein besonderer Stellenwert zu. Dieser Prozess meint, dass durch Interaktion die
Bedeutung von Konzepten und Begriffen ausgehandelt wird. Darunter ist zu verstehen, dass
wir unser Weltwissen und unsere Vorstellung von der Bedeutung eines Konzepts in
Interaktionen mit anderen Menschen überprüfen, überdenken oder modifizieren und dabei
aktiv
unser
Wissen
erweitern.
Diese
Dimension
beinhaltet
die
fachliche
Kommunikationsfähigkeit nach VOLLMERs Modell.
Die reflexive Dimension betrifft die ,,Strategien zum Umgang mit fachkulturellen und
sozialen Differenzerfahrungen" (ebd.) und entspricht der Reflexionskompetenz bei
VOLLMER. Sie umfasst das Konzept des ,,interkulturellen Lernens", das auch für den
regulären
Unterricht
postuliert
wird.
Unter
,,interkulturellem
Lernen"
versteht
ABENDROTH-TIMMER (2002, S. 377):
"[Die] [...] unterrichtliche kognitive und affektive Auseinandersetzung mit Wissen, Haltungen und
Einstellungen bezüglich des Eigenen und des Anderen unter Bewusstmachung des Wechselspiels
zwischen Kultur, Wahrnehmung, Identität und Sprache. Kultur gilt dabei als ein individuelles und
interindividuelles Wahrnehmungsmuster, das sich in kommunikativer Auseinandersetzung mit der
Lebenswirklichkeit entwickelt."
Das interkulturelle Lernen zielt ,,darauf ab fremdkulturelle Orientierungssysteme zu verstehen
und dabei das eigene Orientierungssystem zu reflektieren, im günstigsten Fall auch Vorurteile
abzubauen" (HAUBRICH ET AL. 1997, S. 82). Da Interkulturalität im bilingualen
Sachfachunterricht in der Begegnung von fremden Diskursen und Begriffen und nicht in
Realbegegnungen mit anderen Kulturen erfahren wird (vgl. BREIDBACH 2006, S. 13),
spricht man neben interkulturellem Lernen auch von der Intercultural Language Awareness,
also einem interkulturellen Sprachbewusstsein (s. Kap. 2.2.2.5).
Unter der nur in VOLLMERs Modell dargestellten Beurteilungs- / Bewertungskompetenz
versteht man die unterschiedlichen Diskurs- oder Sprachfunktionen, wie z.B. ,,beschreiben",
,,erklären" und ,,bewerten" (s. Kap. 2.2.2.2).
In beiden Modellen sind Inhalt und Sprache die tragenden Elemente der geographischen,
fachlichen Kompetenz des bilingualen Unterrichts. Inhalt und Sprache bedingen sich, denn
durch die Sprache werden die Inhalte transportiert, d.h. die Fremdsprache muss zuerst
dekodiert und verarbeitet werden, bevor die Inhalte begriffen werden können (s. Kap. 2.1.3.2).

18
Die fremdsprachliche Unterrichtung im bilingualen Geographieunterricht und damit das
inhaltliche Lernen über die Fremdsprache führt also zu einer Integration von sachfachlichem
und fremdsprachlichem Lernen, d.h. sachfachliches Lernen ist immer zugleich sprachliches
Lernen und umgekehrt (VOLLMER 2007, S. 297). Dieser Sachverhalt entspricht dem bereits
vorgestellten Verständnis vom bilingualen Unterricht als Content and Language Integrated
Learning. OTTEN / WILDHAGE (2003, S. 23) stellen hierzu fest:
,,Sprache erschien den Vertretern der Sachfächer [...] häufig als etwas Zusätzliches, Belastendes.
Dabei ist es genau umgekehrt: Auch wenn der Status als Sachfachunterricht unumstritten ist, wird
der an der fachlichen Progression des jeweiligen Faches orientierte Aufbau einer fachspezifischen
Diskursfähigkeit benötigt, um fachliche Inhalte korrekt und differenziert auszudrücken. Umgekehrt
gilt: Fachliches Lernen ist immer auch sprachliches Lernen, die Schnittmenge wird durch die
fachspezifischen, für das verbale Denken zuständigen kognitiven Prozesse und Begriffsbildungen
markiert."
Diese ,,fachspezifischen, für das verbale Denken zuständigen kognitiven Prozesse", welche
die Integration von Inhalt- und Sprachlernen bewirken, sind die Bestandteile der Dimensionen
der zwei vorgestellten Modelle der geographischen Kompetenz. Die konzeptuale Dimension
ist durch den Prozess der Begriffsbildung gekennzeichnet. Charakterisiert sind die diskursive
Dimension durch die fachliche Diskursfähigkeit, die methodische durch fachrelevante
Arbeitsweisen, die interaktionale durch Bedeutungsaushandlung, die reflexive durch
interkulturelles Lernen sowie Intercultural Language Awareness und die Beurteilungs- und
Bewertungsdimension durch die sogenannten Sprachfunktionen.
Dass Fachlernen zugleich Sprachlernen ist, trifft nicht nur auf den bilingualen
Geographieunterricht zu, denn jeder Unterricht ist zugleich auch Sprachunterricht, was in dem
im europäischen Kontext entwickelten Konzept Language Across the Curriculum deutlich
wird (vgl. u.a. BREIDBACH 2006, S. 14; vgl. OTTEN / THÜRMANN 1993, S. 74). Der
reguläre Geographieunterricht vermittelt wie der bilinguale Unterricht also nicht nur Inhalte
des Sachfachs, er fördert auch die sprachliche Kompetenz und trägt somit zum Ziel des
Deutschunterrichts bei. Die fachlichen Diskurse, also z.B. das geographische Fachvokabular,
die fachrelevanten Arbeitsweisen und Redemittel, die zur Materialauswertung im regulären
Geographieunterricht gelehrt werden, fördern damit die allgemeine Ausdrucksfähigkeit in
Deutsch.
Da sich der bilinguale Geographieunterricht als Fachunterricht in einer Fremdsprache an der
Sachfachdidaktik
orientiert,
ist
er
wie
der
reguläre
Geographieunterricht
der
Wissenschaftsorientierung verpflichtet. Dabei liegt der Schwerpunkt auf wissenschaftlichen
Theorien, Konzepten und Begriffen (vgl. konzeptuale Dimension von BREIDBACH ). So hält
WOLFF (2000, S. 169) fest, dass im Gegensatz zu den Inhalten des traditionellen
Fremdsprachenunterrichts, die sich auf das Alltags- und Erfahrungswissen und somit auf die

19
Alltagsbegriffe beziehen, die Inhalte des Sachfachs bzw. das inhaltliche Lernen durch
wissenschaftspropädeutische
Merkmale
gekennzeichnet
sind,
also
z.B.
durch
wissenschaftlichen Diskurs sowie wissenschaftliche Arbeitstechniken und Begriffe. Nach
HALLET (2003, S.50f.) handelt es sich bei diesen Merkmalen um eine systematische
Erfassung, Beschreibung und Erklärung von Phänomenen (vgl. Beurteilung- /
Bewertungsdimension von VOLLMER). Dabei sind einzelne Aussagen immer Teil eines
übergeordneten Systems, einer Theorie.
Wie sieht es nun mit dem sachfachlichen Zugewinn im bilingualen Unterricht aus? Es wurde
bereits festgestellt, dass der fremdsprachliche Zugewinn definitiv als erwiesen gilt. Zudem
wurde festgehalten, dass es insgesamt viel weniger Studien im Bereich des sachfachlichen
Lernens gibt, was unter anderem auf die schwere Messbarkeit sachfachlicher Leistung
zurückzuführen ist, wohl weil sie von sprachlicher Leistung kaum zu trennen ist. In jüngster
Zeit lässt sich jedoch eine stark ansteigende Forschungsaktivität im Bereich des
sachfachlichen Lernzuwaches verzeichnen. Eine Auswahl der entsprechenden Studien und
ihrer Ergebnisse wird im Folgenden kurz vorgestellt.
LAMSFUSS-SCHENK (2002) hat eine Studie zu der Thematik veröffentlicht ,,Wie das
Sachlernen durch den Gebrauch einer Fremdsprache verändert wird". Darin wurde der
monolinguale und der bilinguale Geschichtsunterricht zweier neunter Jahrgangsstufen am
Gymnasium ein Jahr lang untersucht und u.a. anhand eines Geschichtstests die sachfachlichen
Leistungen der bilingual und monolingual unterrichteten Schüler miteinander verglichen. Es
stellte sich heraus, dass die bilingualen Schüler den monolingualen Schülern fachlich
teilweise überlegen waren, da sie wegen der Hürde der Fremdsprache über Texte bzw. Inhalte
viel intensiver reflektieren mussten, um diese überhaupt verstehen zu können. Dies führte
dazu, dass sie die Inhalte viel angemessener und zielorientierter bearbeiteten, wodurch der
Behaltenseffekt verstärkt und das Fremdverstehen vertieft und gefördert wurde (vgl. ebd., S.
200ff.).
In seiner empirischen ,,Untersuchung zum sachfachlichen Lernzuwachs im bilingual deutsch-
französischen Geographieunterricht in der Sekundarstufe I" kam GOLAY (2005) zu
folgenden Ergebnissen: Erstens gab es einen sachfachlichen Lernzuwachs nach einem
einjährigen Unterrichtsbaustein bei den bilingual unterrichteten Schülern. Zweitens wiesen
die bilingual unterrichteten Schüler keine Lerndefizite gegenüber den regulär unterrichteten
Schülern auf und drittens waren sie sowohl bei der Untersuchung der Unterrichtsthemen als
auch bei der Untersuchung der kognitiven Lernzielkontrollebenen tendenziell besser als die

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monolinguale Vergleichsgruppe. In der kognitiven Lernzielkontrollebene ,,Verstehen" waren
sie sogar signifikant leistungsstärker.
BONNET (2004a / b) hat die Kompetenz von bilingualen Schülern ab der zehnten
Jahrgangsstufe eines Gymnasiums im bilingualen Chemieunterricht in Bezug auf Interaktion
und Bedeutungsaushandlung untersucht und kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie GOLAY.
Es zeigte sich, dass die sachfachliche Kompetenz der bilingual unterrichteten Schüler
gegenüber den monolingual unterrichteten Schülern höher einzustufen war. Das Fazit
BONNETs lautete demzufolge: ,,Chemie auf Englisch geht und beeinträchtigt die kognitive
Entwicklung der Lernenden keineswegs" (2004a, S. 122).
OSTERHAGE (2007) verglich das Sachfachkönnen (scientific literacy) bilingual und
monolingual unterrichteter Biologieschüler der neunten Jahrgangsstufe eines Gymnasiums
miteinander. Das Sachfachkönnen wurde in den Bereichen ,,Konvergentes Denken" (Analyse
von Informationen), ,,Umgang mit Zahlen" (Rechenfertigkeit und Verknüpfung der
unterschiedlichen Repräsentationsmodi, z.B. Text und Zahl), ,,Divergentes Denken" (Bilden
von Lösungsvarianten), ,,Umgang mit Graphen" (Transformation der bildlichen
Repräsentationsmodi, z.B. Diagramme, in andere Repräsentationsmodi, z.B. Texte), ,,Mentale
Modelle" (kognitive Repräsentation komplexer Sachverhalte mittels einer räumlich-
geometrischen Vorstellung) und ,,Sachverhalte verbalisieren" überprüft. In fünf der sechs
Bereiche schnitten die bilingualen Schüler besser ab als die monolingualen Schüler.
Ausnahme war der Bereich ,,Divergentes Denkens", in dem die monolingualen Schüler
leistungsstärker waren. Der Unterschied war aber nur bei drei der fünf Kategorien, und zwar
,,Konvergentes Denken", ,,Umgang mit Graphen" und ,,Umgang mit Zahlen", signifikant.
Dies zeigt eine deutlich stärkere Ausbildung der Methodenkompetenz der bilingual
unterrichteten Schüler. Dies ist darauf zurückzuführen, dass fachrelevante Arbeitsweisen in
der Fremdsprache viel mehr trainiert werden müssen, um eine angemessene Anwendung
dieser zu gewährleisten. Dies resultiert in einer tieferen Verarbeitung und einem bewussteren
Umgang der Methoden im bilingualen Unterricht verglichen mit dem regulären
Sachfachunterricht (s. Kap. 2.2.2.3).
Die genannten empirischen Untersuchungen belegen, dass die These von ZYDATISS (2000,
S.58) (vgl. Kap. 2.1.3.1), dass ,,das Wissen und Können im Sachfach mehr als vertretbar
leiden könnte", nicht länger haltbar ist, denn die fremdsprachliche Kompetenz vermindert
eben nicht die sachfachliche Kompetenz. Im Gegenteil, es ist ein sachfachlicher Zugewinn im
bilingualen Unterricht zu verzeichnen. Der bilinguale Geographieunterricht fördert somit
sowohl das Inhalt- als auch das Fremdsprachenlernen. Er stellt folglich nicht nur einen

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Mehrwert gegenüber dem regulären Fremdsprachenunterricht, sondern auch gegenüber dem
regulären Sachfachunterricht dar, im Ergebnis damit eine Gleichberechtigung beider
Komponenten (CLIL-Konzept). Ob nun der fremdsprachliche Zugewinn höher ist als der
sachfachliche Zugewinn ist empirisch nicht belegt und lässt sich aufgrund der Einheit von
Sprach- und Sachlernen auch nur schwer überprüfen. Das ,,Sich-gegenseitig-ausspielen" von
Fremdsprachen- und Sachfachdidaktikern ist nicht zielführend, beide Parteien sollten
vielmehr für ein integratives Modell zusammenarbeiten.
Das folgende Kapitel behandelt die Integration von Inhalt- und Sprachlernen als die
besondere Eigenschaft des bilingualen Geographieunterrichts und den ,,bilingualen
Mehrwert" gegenüber dem regulären Sachfach- und Fremdsprachenunterricht. Darüber hinaus
werden die Aspekte und Merkmale dargestellt, durch die das integrierte Inhalt- und
Sprachlernen realisiert wird.
2.2 Das integrierte Inhalt- und Sprachlernen
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Unterscheidung der Sprachkompetenz nach
CUMMINS (1979) zwischen der alltagsorientierten Dimension, den Basic Interpersonal
Communication Skills (BICS) und der akademisch-abstrahierenden Dimension, der Cognitive
Academic Language Proficiency (CALP). Dabei beruhen die Merkmale des integrierten
Inhalt- und Sprachlernens, die die Komponenten von CALP sind, u.a. auf dem geographischen
Kompetenzmodell im bilingualen Unterricht nach BONNET (2003) bzw. BREIDBACH
(2006) und VOLLMER (2006, 2007) (s. Kap. 2.1.3.2).
2.2.1 Basic Interpersonal Communication Skills
Die Basic Interpersonal Communication Skills, im Folgenden BICS genannt, definieren
OTTEN / WILDHAGE (2003, S. 28) als ,,grundlegende interpersonale, kommunikative und
sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten". Hierzu zählen z.B. Aussprache, Redeflüssigkeit,
Hörverstehen und Beherrschung paralinguistischer Mittel (Gesten, Mimik), mit deren Hilfe
die Schüler dazu befähigt werden Lebens- und Alltagssituationen zu bewältigen (vgl. HORN
1990, S. 115). Diese allgemeinsprachliche Kommunikationsfähigkeit wird im Wesentlichen
im traditionellen Fremdsprachenunterricht, vor allem in der Unter- und Mittelstufe in
sogenannten context-embedded situations aufgebaut (vgl. LENZ 2002, S. 6). Mit dem Begriff
context-embedded situations werden Kommunikationssituationen des Alltags, z.B. das
Einkaufen, bezeichnet, die in einen Kontext eingebettet und somit durch kontextgebundene
Sprache, z.B. durch die Zeigwörter ,,hier", ,,ich", ,,jetzt", gekennzeichnet sind. Die

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Gesprächteilnehmer sollen bei der Bedeutungsaushandlung immer auf die Wirklichkeit, die
sie umgibt, verweisen und sich zur Verständnissicherung nonverbaler Ausdrucksmittel
bedienen können (vgl. BREIDBACH 2007, S. 97; vgl. HORN 1990, S. 119). Anders
ausgedrückt: context-embedded situations sind so stark kontextuell in die Alltagserfahrung
der Schüler eingegliedert, dass Intentionen und Bedeutungen meistens eindeutig sind (vgl.
BREIDBACH 2006, S. 12). BICS sind somit nicht nur durch alltagsorientierten sondern
insbesondere durch erfahrungs- und kontextgebundenen Sprachgebrauch der Schüler
gekennzeichnet. Demnach sind die Leistungen, die den Schülern in den kontextualisierten
Kommunikationssituationen abverlangt werden, inhaltlich, sprachlich und kognitiv weniger
anspruchsvoll und abstrakt, u.a. auch deswegen, weil die sprachlichen Mittel zur Bewältigung
der Situation weitgehend automatisiert sind (vgl. BONNET 2004a, S. 46). Letzteres trifft
insbesondere auf die Situationen des realen Alltags der Schüler außerhalb des Unterrichts in
der Muttersprache zu, muss aber bezüglich des Fremdsprachenunterrichts etwas relativiert
werden. Denn je nach dem in welcher Klassenstufe sich die Schüler befinden bzw. welches
Sprachlevel die Schüler vorweisen können, sind die sprachlichen Mittel zur Bewältigung
einer z.B. ,,Einkaufs"-Situation, die in der Fremdsprache verfügbar sein müssen, nicht
unbedingt schon automatisiert. Die ,,Einkaufs"-Situation kann also trotz des bekannten
Kontexts aus der sie umgebenden Welt in der Fremdsprache eine kognitive Herausforderung
für die Schüler darstellen, indem sie ,,einen großen Teil der Aufmerksamkeit auf die
Sprachproduktion selbst richten [müssen]" (BONNET 2004a, S. 46).
Für den Erwerb der BICS werden nach CUMMINS (1986, S. 157) ungefähr zwei bis drei
Jahre benötigt. Es gibt jedoch stark ausgeprägte individuelle Unterschiede, die diesen Erwerb
positiv oder negativ beeinflussen könnten. Wie schnell BICS tatsächlich aufgebaut werden
können, hängt beispielsweise von Faktoren wie den kognitiven Dispositionen und dem
Leistungsvermögen der Schüler oder dem sozialen Lernumfeld ab.
Die Alltagssprache wird nicht nur im Fremdsprachenunterricht, sondern oft auch in den
vielfältigen Diskursen im bilingualen Sachfachunterricht angewandt. So wird die
allgemeinsprachliche Ausdrucksfähigkeit der Schüler durch das Prinzip der message before
accuracy bzw. dem häufigeren und freieren Gebrauch der Fremdsprache auch im bilingualen
Geographieunterricht gefördert und vertieft (vgl. VOLLMER 2000, S. 62). Es muss aber
darauf hingewiesen werden, dass BICS kein konstitutives bzw. besonders prägendes Merkmal
des integrierten Inhalt- und Sprachlernen sind. Sie dienen vielmehr dem Aufbau der ­ im
folgenden Kapitel ­ behandelten Cognitive Academic Language Proficiency (CALP). Dies

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wird z.B. bei der Begriffsbildung deutlich, bei der CALP auf BICS aufbaut. BICS ist somit nur
zum Teil bei der Integration von Inhalt- und Sprachlernen beteiligt.
2.2.2 Cognitive Academic Language Proficiency
Im Gegensatz zu BICS als der ,,kommunikativen Basisfähigkeit" der Alltagskommunikation
bezieht sich die Cognitive Academic Language Proficiency (CALP) auf die kognitiv und
sprachlich komplexen Fähigkeiten und Fertigkeiten (vgl. WILDHAGE / OTTEN 2003, S. 28),
die insbesondere im schulisch-akademischen Umfeld ausgebildet werden. Diese akademisch-
intellektuellen, sprachlichen
Fähigkeiten dienen der Erschließung von kognitiv
anspruchsvollen, komplexen und kontextreduzierten Situationen (context reduced situations),
in denen fachliche Informationsgewinnung, -verarbeitung und -darstellung, sowie
Begriffsbildung und Abstraktion verlangt werden (vgl. LENZ 2002, S. 6).
Zur Begriffsklärung: Kognitiv anspruchsvoll sind solche Sprachhandlungen, bei denen keine
routinemäßig verfügbaren sprachlichen Mittel genutzt werden, sondern vielmehr formal
richtige sprachliche Äußerungen von den Schülern gefordert sind (vgl. BREIDBACH 2007,
S. 97). Kontextreduzierte Situationen sind inhaltlich und kognitiv anspruchsvolle Situationen,
die nicht wie bei BICS auf einen konkreten Wahrnehmungsraum verweisen. Kennzeichnend
ist die Abstraktion von der Alltagserfahrung, sodass die Schüler nicht auf einen Kontext, die
reale Welt, zurückgreifen können (vgl. HORN 1990, S. 119f.). CALP umfasst daher
Tätigkeiten wie beispielsweise das Verfassen und Lesen von (wissenschaftlichen) Texten, der
Gebrauch fachsprachlicher Terminologie und die Auswertung von kontextreduzierten
Darstellungen wie Abbildungen, Grafiken, Tabellen, Übersichten etc. (vgl. HORN 1990, S.
121; vgl. SCHMID-SCHÖNBEIN / SIEGISMUND 1998, S. 202). Als Beispiel wird das
Textverstehen erläutert. Dabei müssen sich die Schüler durch Dekodierung der Sprache den
Sinn allein aus den konstituierenden Zeichen, den Symbolen des Textes, erschließen (vgl.
HORN 1990, S. 120f.). Er kann somit nur auf linguistische Bedeutungshinweise und nicht auf
die reale Welt oder auf Verständigungsstrategien, z.B. paralinguistische Mittel, zurückgreifen
und muss demnach, um den Textsinn zu verstehen, die symbolische Aussage des Textes mit
dem eigenen Erfahrungshorizont in Verbindung bringen und den entsprechenden Transfer
leisten (vgl. ebd.).
Der Lerner erfährt im bilingualen Geographieunterricht einen Fortschritt von den schon im
traditionellen
Fremdsprachenunterricht
vermittelten
BICS,
die
der
bilinguale
Sachfachunterricht zwar fördert aber eigentlich schon voraussetzt, zu den fachspezifischen
sprachlichen Mitteln, also den wissenschaftspropädeutischen Merkmalen (CALP) (vgl.

24
THÜRMANN / OTTEN 1992, S. 42). Die Förderung von CALP stellt folglich die
Charakteristik des bilingualen Sachfachunterrichts dar.
Nach CUMMINS (1986, S. 157) kann die Entwicklung von CALP ca. fünf bis sieben Jahre
dauern, bevor die Schüler an eine fast muttersprachliche Kompetenz heranreichen. Diese
Zeitspanne ist deutlich länger, als diejenige, die für BICS veranschlagt wurde. Dies ist auf den
höheren kognitiven Anspruch von CALP zurückzuführen.
Abschließend soll die Begrifflichkeit von CALP überdacht werden. Die Unterscheidung
zwischen BICS und CALP nach CUMMINS entstammt der Spracherwerbsforschung. Beide
Konzepte stellen nach CUMMINS unterschiedliche Sprachkompetenzen mit besonderem
Bezug zur schulischen Sprachverwendung dar (vgl. BREIDBACH 2007, S. 111). In diesem
Sinne haben auch OTTEN / THÜRMANN (1993, S. 74) CALP definiert, nämlich als
,,inhaltsorientiertes sprachliches Lernen". Die inhaltliche Komponente wird dabei zumindest
ansatzweise miteinbezogen. Der Schwerpunkt wird jedoch auf das sprachliche Lernen gelegt,
denn ,,inhaltsorientiertes sprachliches Lernen" bedeutet zuallererst sprachliches Lernen, das
,,nur" an Inhalten orientiert ist. Wenn diese Lernform das Charakteristikum des bilingualen
Unterrichts ist, wird dieser demnach primär als ,,inhaltsorientierter Fremdsprachenunterricht"
bzw. content based language instruction angesehen. Der in Deutschland umgesetzte
bilinguale Unterricht wird jedoch nicht in erster Linie von dem Fremdsprachenlernen
bestimmt, sondern wird als ,,Fachunterricht in einer fremden Sprache" (s. Kap. 2.1.2.2) bzw.
derzeit vermehrt als eine Integration von Sachfach- und Sprachlernen (CLIL) angesehen (s.
Kap. 2.1.2.3). Dies ist der Ausgangspunkt für eine andere Definition von CALP. CALP wird
als ,,integriertes Inhalt- und Sprachlernen" verstanden und in diesem Sinne in der
vorliegenden Arbeit verwendet. In den folgenden Kapiteln wird aufgezeigt durch welche
Merkmale CALP realisiert wird, die dementsprechend als Charakteristika des integrierten
Inhalt- und Sprachlernens gelten.
2.2.2.1 Fremdsprachige Diskurskompetenz
Ein Merkmal von CALP ist die fremdsprachige Diskurskompetenz, worunter die Fähigkeit der
Schüler zur Versprachlichung sachfachlicher bzw. geographischer Inhalte zu verstehen ist
(vgl. LENZ 2002, S. 6). Sie beinhaltet die Textrezeption, also die sachfachliche
Lesekompetenz, und die Textproduktion, d.h. die Schreibkompetenz, und das Sprechen
(WILDHAGE / OTTEN 2003, S. 35). Die fremdsprachige Diskursfähigkeit entspricht somit
der diskursiven Dimension des Modells der geographischen Kompetenz (s. Kap. 2.1.3.2). Die
Forderung nach der Ausbildung der fremdsprachigen Diskursfähigkeit beruht darauf, dass

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schulisches Fachwissen auf Diskursen aufgebaut ist (vgl. ZYDATISS 2002, S. 41).
ZYDATISS (2002, S. 42) hält dazu fest:
,,Die Wissensbestände wissenschaftlicher Disziplinen [,wie z.B. der Geographie; Anmerkung der
Verfasserin] werden im gesellschaftlichen Diskurs verhandelt bzw. validiert; und sie werden in
aller Regel im Unterricht im Diskurs vermittelt, im Rahmen von Problemstellungen oder
Aufgaben, die für die Lernenden sinnvoll oder nachvollziehbar scheinen [...]. Wissenschaftlich
fundiertes Fachwissen ist [folglich] diskursiver Natur, das in der kommunikativen Interaktion von
,Experten' [, z.B. Lehrern; Anmerkung der Verfasserin] und ,Novizen' [, z.B. Schülern;
Anmerkung der Verfasserin] aufgebaut wird [...]."
Unter dem Begriff ,,Diskurs" ist also nicht nur die gesellschaftliche Konstruktion von
Bedeutung und Wissen unter bestimmten sozialen oder historischen Bedingungen zu
verstehen, sondern auch das kommunikative Handeln in Situationen (vgl. BONNET ET AL.
2003, S. 177). Dies verdeutlicht den Unterschied zwischen wissenschaftlichem und
fachspezifischem Diskurs. Ersterer ist darauf ausgerichtet wissenschaftliche Erkenntnisse und
deren Bedeutung aufzuzeigen, wohingegen der fachspezifische Diskurs, also der Diskurs im
schulischen Kontext, die Schüler zum Denken und Handeln in dem jeweiligen Fach anregt
(vgl. COETZEE-LACHMANN 2006, S. 255). Diese kommunikative Kompetenz ist aber
nicht nur auf das Realisieren einzelner Sprechabsichten und die Beherrschung der
Fachsprache, die spezielles Vokabular und Redemittel umfasst, beschränkt, sondern schließt
auch die dynamische Komponente von Interaktion mit ein (vgl. BONNET ET AL. 2003, S.
178). Nach BONNET ET AL. (2003, S. 178f.) bezieht sich das Erlangen der
Diskurskompetenz demzufolge auf den Erwerb folgender Fähigkeiten:
-
Realisierung von Mitteilungsabsichten durch Mittel und Strategien im Sinne einer
allgemeinen Gesprächsfähigkeit
-
Sachwissen durch Interaktion und Bedeutungsaushandlung zu konzeptualisieren und
zu strukturieren
-
Wissen fachsprachlich zu erschließen
-
Aushandeln von diskursiven Differenzen und Aneignung konfliktvermeidender/-
lösender Strategien
-
Befähigung eigenständig zu urteilen und bewerten zu können, um an fremdsprachigen
und globalen Diskursen teilhaben zu können
Somit schließt die Diskurskompetenz als Oberbegriff die Aspekte Sprachfunktionen,
fachrelevante Arbeitsweisen und Fachbegriffe bzw. Begriffsbildung mit ein.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783842810549
DOI
10.3239/9783842810549
Dateigröße
8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Trier – Geographie/Geowissenschaften FB VI, Studiengang Geographie/Lehramt
Erscheinungsdatum
2011 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
inhalt- sprachlernen clil unterricht diercke geography geographieunterricht
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Titel: Zur Verknüpfung von Inhalt- und Sprachlernen im bilingualen Geographieunterricht - untersucht am Lehrwerk Diercke Geography
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