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Juristische Probleme in der Personalberatung unter besonderer Berücksichtigung des Wettbewerbsrechts

©2010 Masterarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Rekrutierung von Mitarbeitern hat in der jüngeren Vergangenheit einen erheblichen Wandel erlebt. Wurden Mitarbeiter früher ausschließlich über Zeitungsannoncen gesucht, hat dieses Instrument heute bei der Gewinnung von Fach- und Führungskräften praktisch kaum mehr eine Lobby.
So hat es die Zeit mit sich gebracht, dass mittlerweile regelmäßig Personalberatungen mit der direkten Abwerbung von Personal in anderen Unternehmen beauftragt werden. Von wenigen schwarzen Schafen der Branche in ein falsches Licht gerückt, ist die Arbeit der Personalberater heutzutage noch mit vielen nebulösen Klischees behaftet und so ziemlich jeder Researcher wird sich bereits häufig von einer angesprochenen Person fragen lassen müssen: ‘Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?’. Der proaktive Charakter dieser Branche birgt jedoch viele juristische Risikofaktoren, die teilweise auch schon in der Rechtsprechung Behandlung erfahren haben.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Methoden der Personalberatungen an den juristischen Gegebenheiten zu messen und anhand von möglichem Konfliktpotential ein Verständnis sowohl für die juristischen als auch für die Handlungsweisen der Personalberatungen zu schaffen. Aus diesem gemeinsamen Verständnis sollen Schnittmengen und Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, die beide Seiten näher aneinander heranführen und somit auch beidseitig praktische Bedeutung gewinnen sollen.
Zunächst wird der Begriff der Personalberatung in seine Erscheinungsformen diversifiziert weil sich nicht in jeder Form von Personalberatung das klassische ‘Headhunting’ wiederfindet. Im Anschluss werden dem Leser die notwendigen Begriffe und die einzelnen Werkzeuge aus der Welt der Personalberatung vorgestellt. In dem darauf folgenden Kapitel der Arbeit werden die grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen vorgestellt, an denen sich die Personalberatung messen lassen muss. Daraufhin wird im Anschluss mittels eines Vergleiches zwischen den juristischen Gegebenheiten und der Personalberatungspraxis Konfliktpotential erarbeitet und mit vorhandener Rechtsprechung verglichen. Aus diesem Vergleich sollen Handlungsempfehlungen folgen, die Verständnis für beide Seiten vermitteln und neue Denkweisen anstoßen sollen. Im Ergebnis möchte der Verfasser einen Beitrag dazu leisten, das die Personalberatungen in ihrer Arbeit mehr juristische Einflüsse zulassen und der juristische Leser seine Arbeit auf einen breiteren Wissensschatz über die Welt der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


INHALTSVERZEICHNIS

AbkÜrzungsverzeichnis

B. Hauptteil
I. Einführung in die Personalberatung
1.Formen externer Personalsuche
a)„Contingency Search“
b)„Retained Search“
2.Beteiligte im Personalberatungsprozess
a)Kunde
b)Personalberater und Researcher
c)Zielfirmen und Zielpersonen
II. Der Beratungsprozess im „Retained Search“
1.Projektbeginn und Briefing
2.Definition von Zielfirmen
3.Identifikationsphase
a)Internetquellen
b)Telefonident mittels „Coverstory“
c)Direktansprache der „Kandidaten“
III. Rechtliche Anforderungen an den Personalberatungsprozess
1.Wettbewerbsrechtliche Rahmenbedingungen
a)Große Generalklausel des § 1 UWG
b)Konkretisierende Tatbestände
aa)Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen nach § 3 UWG
bb)Unzumutbare Belästigungen nach § 7 UWG
cc)Anhang zu § 3 III UWG („Schwarze Liste“)
dd)Verschärfte Bestimmungen gegenüber Verbrauchern
ee)Feststellung der Unlauterkeit nach EU-Richtlinie 2005/29/EG
c)Rechtsfolgen
2.Weitere rechtliche Anforderungen
a)Kollisionstatbestände im Zivilrecht
aa)Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber
bb)Verhältnis Arbeitnehmer – Potentieller neuer Arbeitgeber
b)Kollisionstatbestände im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
IV. Vergleich von Recht und Praxis
1.Telefonidentifikation
a)Unzulässigkeit nach Anhang zu § 3 III UWG („Schwarze Liste“)
b)Wettbewerbsverstoß nach § 3 UWG
aa)Irreführende geschäftliche Handlung, §§ 3, 5 I S. 1 UWG
(1)Irreführung durch unwahre Angaben, § 5 I S. 2 1. Alt. UWG
(2)Überwindung der Bagatellgrenze nach § 3 I UWG
(3)Spürbarkeitseignung eines Identifikationsanrufes
(bb)Gesamtwürdigung der Umstände
c)Unzumutbare Belästigung nach § 7 I UWG
aa)Geschäftliche Handlung und Belästigung
bb)Unzumutbarkeitsermittlung durch Interessensabwägung
(1)Erheblichkeit der Störung
(2)Eingriff in die Privatsphäre
(3)Verhältnis Relevanz der Werbung zu Ausweichmöglichkeiten
(4)Aufwand des Entgehens der Werbemaßnahme
(5)Summen- und Nachahmungseffekt
(6)Interessenabwägung
d)Teilergebnis
2.Persönliche Direktansprache am Arbeitsplatz
a)Rechtliche Einordnung der Direktansprache
b)Entwicklung der Rechtsprechung zur Direktansprache
aa)BGH-Urteil vom 04.03.2004 (Direktansprache am Arbeitsplatz I)
bb)Interessensabwägung und Schlussfolgerungen
cc)Rechtsfortbildung durch den BGH
(1)BGH Urteil vom 09.02.2006 (Direktansprache am Arbeitsplatz II)
(2)BGH Urteil vom 22.11.2007 (Direktansprache am Arbeitsplatz III)
c)Kritische Betrachtung der Rechtsprechung
aa)Unzureichende Rechtssicherheit für Personalberatungen
bb)Unklarheit über Auslegung der Rechtsprechung
cc)Fehlende Klarstellung zu § 4 Nr. 10 UWG und § 7 II Nr. 2 UWG
d)Teilergebnis
3.Sourcing
a)Status quo des „Sourcing“
b)Kritik am heutigen juristischen Standpunkt zum „Sourcing“
c)Schlussfolgerungen
V. Ergebnisse

C. Schlussteil

LITERATURVERZEICHNIS

EIDESSTATTLICHE VERSICHERUNG

AbkÜrzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Die Rekrutierung von Mitarbeitern hat in der jüngeren Vergangenheit einen erheblichen Wandel erlebt. Wurden Mitarbeiter früher ausschließlich über Zeitungsannoncen gesucht, hat dieses Instrument heute bei der Gewinnung von Fach- und Führungskräften praktisch kaum mehr eine Lobby.

So hat es die Zeit mit sich gebracht, dass mittlerweile regelmäßig Personalberatungen mit der direkten Abwerbung von Personal in anderen Unternehmen beauftragt werden. Von wenigen schwarzen Schafen der Branche in ein falsches Licht gerückt, ist die Arbeit der Personalberater heutzutage noch mit vielen nebulösen Klischees behaftet und so ziemlich jeder Researcher wird sich bereits häufig von einer angesprochenen Person fragen lassen müssen: „Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?“. Der proaktive Charakter dieser Branche birgt jedoch viele juristische Risikofaktoren, die teilweise auch schon in der Rechtsprechung Behandlung erfahren haben.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Methoden der Personalberatungen an den juristischen Gegebenheiten zu messen und anhand von möglichem Konfliktpotential ein Verständnis sowohl für die juristischen als auch für die Handlungsweisen der Personalberatungen zu schaffen. Aus diesem gemeinsamen Verständnis sollen Schnittmengen und Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, die beide Seiten näher aneinander heranführen und somit auch beidseitig praktische Bedeutung gewinnen sollen.

Zunächst wird der Begriff der Personalberatung in seine Erscheinungsformen diversifiziert weil sich nicht in jeder Form von Personalberatung das klassische „Headhunting“ wiederfindet. Im Anschluss werden dem Leser die notwendigen Begriffe und die einzelnen Werkzeuge aus der Welt der Personalberatung vorgestellt.

In dem darauf folgenden Kapitel der Arbeit werden die grundsätzlichen rechtlichen Rahmenbedingungen vorgestellt, an denen sich die Personalberatung messen lassen muss. Daraufhin wird im Anschluss mittels eines Vergleiches zwischen den juristischen Gegebenheiten und der Personalberatungspraxis Konfliktpotential erarbeitet und mit vorhandener Rechtsprechung verglichen. Aus diesem Vergleich sollen Handlungsempfehlungen folgen, die Verständnis für beide Seiten vermitteln und neue Denkweisen anstoßen sollen. Im Ergebnis möchte der Verfasser einen Beitrag dazu leisten, das die Personalberatungen in ihrer Arbeit mehr juristische Einflüsse zulassen und der juristische Leser seine Arbeit auf einen breiteren Wissensschatz über die Welt der Personalberatung stützen kann.

B. Hauptteil

I. Einführung in die Personalberatung

Die Branche der Personalberatung ist in Deutschland vergleichsweise jung. In den USA wurde diese Dienstleistung schon in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs Anfang der 50er Jahre entwickelt[1]. In Deutschland wurde diese Entwicklung, bedingt durch das 1952 in Kraft getretene Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit, verzögert[2]. Die Personalberatung hat sich mittlerweile zu einer eigenen Branche etabliert, wobei in Deutschland alleine die Top 20 Unternehmen ein Umsatzvolumen von ca. 320 Mio. € in 2007 generierten[3]. Weltweit hat der Berufstand der Personalberater ein Umsatzvolumen von über 11 Mrd. US-$ im Jahr 2008 erzielt[4].

Die Wurzeln der Personalberatung liegen alle in Nordamerika, wobei die älteste Personalberatung, die 1926 gegründete „Thorndike Deland Associates“ in New York, 2001 ihren Betrieb einstellen musste[5]. In Deutschland sind bekannte Personalberatungen wie Egon Zehnder oder Boyden International seit Ende der sechziger Jahre präsent[6].

In den Augen von Wirsing[7] sprechen vier Gründe dafür, einen Personalberatungsauftrag zu vergeben: Erstens weil der Kunde entweder eine bestimmte Person im Auge habe oder weil ein bestimmtes Unternehmen in seinen Augen über gute Leute verfüge, die nach dessen Vorstellung in sein Profil oder seine Branche passten. Zweitens weil der Kunde im Vorfeld schon selbst gesucht und niemanden gefunden habe. Drittens weil es ggf. eine Spezialistenposition sei, für die am Markt keine verfügbaren Bewerber vorhanden seien. Viertens, weil der Auftraggeber so diskret wie möglich die Einstellung vornehmen müsse, ohne dass Mitarbeiter, Wettbewerber oder ggf. der aktuelle Stelleninhaber davon Kenntnis bekommen sollen.

1. Formen externer Personalsuche

Umso spezieller ein Suchprofil erscheint, desto sinnvoller ist es, bei der Besetzung einer Position einen externen Partner um Unterstützung zu bitten, der sich mit einem speziellen Segment gut auskennt. Die verfügbare Grundgesamtheit, also die Anzahl aller fachlich in Frage kommenden Personen auf dem Arbeitsmarkt, ist hier sehr gering. Gleichzeitig sind sich die entsprechenden Personen ihres Marktwertes bewusst. Mit gut dotierten Arbeitsverträgen und hervorragenden innerbetrieblichen Karrieremöglichkeiten sind die Anreize, überhaupt auch nur eine Bewerbung zu schreiben, sehr gering. In dieser schwierigen Situation, wo ein Bedarf auf Knappheit trifft, werden häufig Personalberatungen beauftragt. An dieser Stelle werden Personalberatungen nach zwei Erscheinungsformen unterschieden:

a) „ Contingency Search“

Die sogenannten Contingency-Unternehmen halten in der Regel eine eigene Datenbank von wechselwilligen Fachkräften vor. Selbige Datenbanken weisen gerne einen erstaunlichen Umfang von mehreren Zig- oder Hunderttausend Bewerbern auf. Diese Personalvermittler treten meist sehr werbewirksam in Internetplattformen oder Zeitungen auf, um die eigene Datenbank möglichst stark und vor allem laufend wachsen zu lassen. Der Vorteil für die Bewerber ist, dass sie ihre Bewerbungsunterlagen einem so genannten „Multiplikatoren-Effekt“ unterwerfen können. Dies bedeutet, dass sie nur eine allgemeingültige Bewerbung an einen Personalvermittler senden müssen und dieser kurzfristig versuchen wird, den Bewerber bei einem der vielen Kunden unterzubringen. Der Kunde der Personalvermittlung hat nun die Möglichkeit, da ihm der formelle Suchprozess abgenommen wurde, sich aus den vorhandenen Bewerbern einen passenden auszusuchen. Für den Kunden ergibt sich der Vorteil, dass er lediglich dann ein Honorar schuldet, wenn auch wirklich ein passender Bewerber einen Arbeitsvertrag unterschreibt.

Jedoch weist dieses Modell ebenfalls die Schwäche auf, darauf zu vertrauen, dass sich die Fachkräfte selber bewerben, was gerade im Umfeld von hochspezialisierten Ingenieuren zu Problemen führt. Häufig führt ein sehr spezieller Suchauftrag nach in der Regel wenigen Wochen nicht zum gewünschten Erfolg und das suchende Unternehmen beauftragt eine andere Personalberatung, die eine proaktive Suchstrategie verfolgt.

b) „Retained Search“

Die Personalberatungen im „Retained Search“ („to retain“ dt.: „einbehalten“), zumeist auch „Executive Search“ („Executive“ dt: „Führungskraft“) genannt, begegnen dem Problem bewerbungsinaktiver Fachkräfte dadurch, dass sie den überragenden Teil aller verfügbaren oder sogar alle vorhandenen Fachkräfte eines engen Marktsegmentes direkt auf deren Wechselmotivation hinsichtlich einer verfügbaren Vakanz anspricht. Auf die Eigeninitiative der Bewerber wird hier nicht vertraut. Auch werden diese Unternehmen regelmäßig nicht rein erfolgsabhängig bezahlt wie die Contingency-Unternehmen. Vielmehr wird ein Gesamthonorar für die Besetzung der Vakanz vereinbart, welches entweder in mehreren, zeitlich geprägten Raten oder bei bestimmten Projektschritten fällig wird. Auch in dem Fall, dass ein Suchauftrag nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann, verbleiben die bisher gezahlten Raten bei der Personalberatung („to retain“). Das Gesamthonorar beträgt, je nach Personalberatung und abhängig vom Kunden und vom Schwierigkeitsgrad der Suche in der Regel zwischen 20 - 35 % eines definierten Zieljahresgehaltes der Person, die gesucht wird. Stets wird dabei auch eine sogenannte „Minimum-Fee“ vereinbart, welche bei erfolgreicher Besetzung der Position unabhängig vom Prozentsatz das Mindesthonorar darstellt. Dieses liegt je nach Personalberatung nicht selten in einer Größenordnung von 20.000 € oder darüber.

2. Beteiligte im Personalberatungsprozess

Wie im vergangenen Abschnitt festgehalten, sind die Suchmethoden der Personalberatungen als einzige durch einen proaktiven Charakter geprägt: Es werden stets Personen angesprochen, die sich bis zum Zeitpunkt des telefonischen „Outings“ durch den Personalberater möglicherweise noch überhaupt nicht mit dem Gedanken eines Arbeitgeberwechsels beschäftigt haben. Die Beteiligten im Personalberatungsprozess sind:

a) Kunde

Maßgeblicher Bestandteil eines Suchauftrages bzw. eines Suchprojektes ist der Auftrag gebende Kunde. Er hat in seiner Personalstruktur den konkreten Bedarf nach einem bestimmten Mitarbeiter und gibt vor, welche fachlichen Qualifikationen „Muss-Kriterien“ und welche „Soll-Kriterien“ darstellen. „Muss-Kriterien“ sind häufig ein bestimmter akademischer Abschluss oder Berufserfahrung in einer bestimmten Branche oder einem Produktsegment. Ebenso wird die Berufserfahrung in einer Anzahl an Jahren definiert. „Kann-Kriterien“ sind oftmals Spezialwissen oder kritische Kriterien wie Alter und Geschlecht, die nicht offen kommuniziert werden können.

b) Personalberater und Researcher

Der Berater hat den Kunden von einer Zusammenarbeit mit seinem Unternehmen überzeugen können und nimmt die grundsätzlichen Kriterien in einer Positionsbeschreibung auf, welche die Grundlage seiner Suche darstellen wird. Juristisch bedenkliche Kriterien wie Alter und Geschlecht werden dem Berater dabei durch den Kunden entweder explizit oder in diskreter Form kommuniziert. Gute Berater wissen jedoch schon durch ihre Branchenerfahrung, dass bestimmte Kunden eine Präferenz oder Vorbehalte für oder gegen bestimmte Spezifikationen haben.

Der Berater arbeitet in der Regel mit einem oder mehreren Researchern zusammen, die für die operative Suche zuständig sind. Der englische Begriff „to research“ bedeutet übersetzt nichts anderes als „nachforschen“ oder „forschen“. Sinnbildlich ist der Researcher ein Marktforscher, der marktrelevante Daten über einen bestimmten Arbeitsmarkt aufarbeitet und darstellt. Der Researcher ist derjenige, der die tatsächliche Arbeit „an der Front“ vollzieht und anhand der vom Kunden und Berater definierten Kriterien nach den geeigneten Personen sucht und diese in der Direktansprache überzeugt. Regelmäßig hat die Arbeit des Researchers die häufigsten Berührungspunkte zu juristisch bedenklichen Situationen.

c) Zielfirmen und Zielpersonen

Die Zielfirmen („targets“) werden durch den Researcher anhand des Anforderungsprofiles des Kunden als die Firmen festgelegt, die durch Produktportfolio, Unternehmensstandort und Unternehmensgröße am ehesten die am besten geeigneten Mitarbeiter für den Suchauftrag bereithalten. Sie stellen die Unternehmen dar, die der Researcher durchsuchen wird und werden auf der so genannten „Longlist“ aufgeführt. Die recherchierten Zielfirmen enthalten im Idealfall tatsächlich, jedoch auch nicht immer, die Mitarbeiter, die das Anforderungsprofil des Auftraggebers erfüllen („Zielpersonen“).

Der Researcher weiß nach seiner Recherche zumeist nichts außer den vermeintlichen Positionstiteln und den Namen dieser Mitarbeiter. Er hat keine Informationen über vorhandene Qualifikationsmerkmale oder gar Bestandteile des Lebenslaufes. Bei ungenauem Wissensstand werden die Zielpersonen nach der Identifikation auch noch unter Verwendung einer Coverstory angerufen, um bei diesen zu verifizieren, ob sie die richtigen Ansprechpartner sind. Nach der im Anschluss erfolgten Direktansprache, wenn eine Zielperson Interesse signalisiert hat und von seinem beruflichen Werdegang grundsätzlich in Frage kommt, wird sie zum „Kandidaten“.

Im nachstehenden Teil dieser Arbeit sollen ausschließlich die Suchmethoden der Personalberatungen im Bereich des Retained Search weiterführende Betrachtung finden. Lediglich bei dieser Form der Personalsuche werden Personen proaktiv am Arbeitsplatz angesprochen, die sich bisher nicht mit einem Stellenwechsel auseinander gesetzt haben so dass hier das bedeutendste juristische Konfliktpotential vermutet werden kann.

II. Der Beratungsprozess im „Retained Search“

1. Projektbeginn und Briefing

Der Beginn eines Suchauftrages stellt das so genannte „Briefing“ dar. Der Researcher steht nicht im direkten Kontakt mit dem Kunden, da dies die Aufgabe des Beraters ist. Es ist dem Berater sogleich daran gelegen, den Researcher im Briefing „auf die richtige Spur“ zu setzen, um von diesem die gewünschten Ergebnisse zu bekommen.

Das Briefing stellt das Fundament für das gesamte Projekt dar. Im Gespräch zwischen den an der Abwicklung beteiligten Personen werden alle erforderlichen Informationen ausgetauscht. Dies sind alle Angaben zum Auftraggeber, neben den typischen Eckdaten meist auch Interna des Unternehmens, deren Kenntnis sich spätestens bei Kontakten mit potentiellen Kandidaten als wichtig erweisen werden[8].

Im nächsten Schritt wird das Anforderungsprofil des gesuchten Kandidaten definiert. Hier wird intern in der Regel auch diskutiert werden, wie viel davon Wunschvorstellungen des Klienten sind, welche sich in der Praxis möglicherweise als nicht realisierbar erweisen könnten[9]. Die Budgetierung des Projekts nach Stunden oder auch Festhonorar beschließt in der Regel das Briefing[10].

2. Definition von Zielfirmen

Nachdem alle für ein Projekt relevanten Informationen ausgetauscht wurden, startet der Researcher mit der Abwicklung des Suchprozesses. In einem nächsten Schritt werden anhand der Suchkriterien des Beraters jene Zielfirmen definiert, die vermutlich die den Kundenkriterien am besten entsprechenden Kandidaten beschäftigen und im Anschluss in der sogenannten „Zielfirmenliste“ oder „Targetlist“ konzentriert. Bei der Zusammenstellung spielen Aspekte wie Bekanntheitsgrad des eigenen Kunden innerhalb der Branche, die Unternehmensgrößen aller Beteiligten, der nationale Ursprung einer Zielfirma und vor allem der Standort der jeweiligen Zielfirma eine Rolle. Letzteres ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, weil die Notwendigkeit eines Umzuges für viele Zielpersonen ein Ausschlusskriterium ist. Wünscht der Kunde eine Abstimmung der Zielfirmenliste, findet dies Berücksichtigung. Oftmals können sonst Firmen auf der Zielfirmenliste auftauchen, zu denen kundenseitig Geschäftsbeziehungen bestehen oder bei denen sich die Geschäftsleitung persönlich kennt. Entsprechende Firmen werden von der Zielfirmenliste entfernt und bei der Suche außen vor gelassen (s. g. „Off-Limits“).

Der Researcher wird berücksichtigen, ob die Kandidaten aus bestimmten Branchen kommen sollen oder relativ offen gesucht werden kann[11]. Ist dies festgelegt, wird der Researcher zur Bestimmung der am besten geeigneten Suchkanäle übergehen, um in den Zielfirmen, die den Kundenwünschen am besten entsprechenden Zielpersonen zu identifizieren.

3. Identifikationsphase

Dem Researcher stehen verschiedene Informationswege zur Verfügung. Der erste aus dieser Palette hat sich in der Vergangenheit stetig steigender Nützlichkeit und Beliebtheit erfreut und wird seinen Siegeszug auch in Zukunft fortführen.

a) Internetquellen

Der leichteste und juristisch wohlmöglich am wenigsten Probleme bereitende Weg ist die Internetrecherche. Gerade die Internetseiten der Unternehmen sind mit den Namen der Top-Führungskräfte und deren Kontaktdaten geradezu prall gefüllt. Für die Identifikation der Geschäftsführung reicht ein Blick in das jeweilige Impressum. Beinahe ebenso häufig finden sich komplette Vertriebsmannschaften oder andere Führungskräfte, teilweise mit Mitarbeitern, auf der Homepage. Der sich anschließende Schritt der Direktansprache fällt nun leicht, da die Namen einmal gewonnen und zumeist auch bereits verifiziert sind. Weitere populäre, öffentliche Quellen sind die so genannten „Social Networks“ wie XING, Linked.In oder Facebook. Hier findet ein professioneller Researcher mit Hilfe entsprechender Fachtermini in Verbindung mit dem Unternehmensnamen, ähnlich einem gut sortierten Buchladen, weite Teile der relevanten Zielpersonen. In vielen Fällen kann er hier sogar schon durch vorhandene, berufliche Werdegänge eine Vorauswahl für die Ansprache treffen.

Zusätzliche Informationen gewinnt der Researcher aus dem Referentenverzeichnis von Fachvorträgen, dem Teilnehmerverzeichnis von großen Fachmessen, die auch stets online verfügbar sind oder online verfügbaren Fachzeitungsartikeln.

b) Telefonident mittels „Coverstory“

Die klassischste und immer noch am höchsten angesehene Methode um Zielpersonen zu identifizieren ist der Telefonident. Während bei den obigen Quellen die Informationen öffentlich zugängig sind, will der Researcher hier Informationen erfahren, die ihm sonst nicht zur Verfügung stehen. Die Unternehmen wiederum haben natürlich kein Interesse daran, jemandem, der einen ihrer Mitarbeiter abwerben und dem Unternehmen somit wirtschaftlichen Schaden zufügen will, freiwillig die notwendigen Informationen zu geben. Der Researcher steht somit vor der Aufgabe, gegen den Willen der Zielfirmen an die gewünschten Informationen zu kommen.

Es genügt jedoch nicht, sich telefonisch in der Telefonzentrale eines Unternehmens zu melden und nach einem Ansprechpartner für ein bestimmtes Fachgebiet zu fragen. Häufig ist eine entsprechende Zuständigkeit in der Telefonzentrale einfach unbekannt. Gleichwohl haben viele Empfangsmitarbeiter von ihrer Geschäftsführung die Anweisung erhalten, grundsätzlich nicht die Namen von Mitarbeitern an Unbekannte herauszugeben. Diese Vorsichtsmaßnahme dient gezielt dazu, um Personalberater abzuwehren.

Die „Coverstory“ ist die von allen Researchern in dieser Situation verwendete Methode, um in unauffälliger Weise in den Zielfirmen die Informationen zu erhalten, welche sie für das jeweilige Projekt gewinnen möchten. Insbesondere natürlich Angaben über mögliche Kandidaten und Berichtsstrukturen des Zielunternehmens[12]. Dabei hat es sich in der Praxis sehr wohl erprobt, dass diejenigen Coverstories die besten sind, bei denen die vorgetragene Geschichte möglichst einfach ist und somit das wenigste Misstrauen erzeugt. Detailliert ausgearbeitete Fachthemen überfordern den Gesprächspartner meist oder erzeugen Rückfragen, die der Researcher selber nicht beantworten kann, was im Ergebnis nicht zum Ziel führt.

Beispiele für bewährte Coverstories sind

- die Vorgabe, ein Kongressveranstalter zu sein, der für eine Fachmesse aus dem Zielunternehmen einen besonderen Spezialisten als Referenten einladen möchte. Weiterhin
- die jährliche, namentliche Aktualisierung des eigenen E-Mailverteilers anlässlich großer Feiertage (z. B. Weihnachten), um komplette Abteilungen zu identifizieren. Häufig wird dem Gesprächspartner ein kleiner „Reward“ wie eine Flasche Wein o. ä. angeboten, um die Bereitschaft zur Kooperation zu erhöhen. „Rewards“ haben sich als äußerst lukrativer Motivationsfaktor erwiesen, da jeder Gesprächspartner gerne Geschenke „mitnimmt“. Darüber hinaus ist
- die Angabe, Mitarbeiter einer Fachzeitung zu sein, der einen Aufsehen erregenden Leitartikel verfasst und hierfür fachliche Informationen aus der Praxis benötigt, ein geeigneter Weg. Hier ist die einfache Nennung eines Namens schnell erledigt und die gewünschte Person muss nicht direkt gesprochen werden, was wenig Verdacht weckt. Ferner wird der Gesprächspartner auch nicht dazu verleitet, die Sache an seine Führungskraft weiter zu verweisen, weil der Angelegenheit ohnehin kein hoher Stellenwert bei bemessen wird.

In der Telefonidentifikation wird mit der richtigen Datenbasis das Erfolgsfundament eines Suchauftrages gelegt. Hier stellt sich heraus, ob das Zielunternehmen so strukturiert ist, wie dies erwartet wurde. Gibt es die fragliche Stelle überhaupt oder wird die Funktion möglicherweise von einer anderen Stelle oder von einer anderen Niederlassung des Unternehmens wahrgenommen?[13] Am Ende der Identifikation liegt im Idealfall eine umfangreiche Liste mit Personennamen und Positionstiteln vor, die Antwort auf die Frage gibt, wie viele grundsätzlich geeignete Zielpersonen es für die zu besetzende Stelle überhaupt gibt („Longlist“). Bei breiten Suchprofilen umfasst diese Liste leicht 100 Zielpersonen; bei engeren Profilen liegt die Zahl durchaus gerade mal bei 30 Zielpersonen oder deutlich weniger.

Der Researcher weiß an dieser Stelle bis auf den Namen und den Positionstitel nichts über die betreffende Person. In der sich anschließenden Direktansprache muss er die Zielpersonen von der Attraktivität der zu besetzenden Position überzeugen. Da die Longlist alle grundsätzlich in Frage kommenden Personen beinhaltet, steht der Researcher unter dem Druck, aus dieser geringen Masse, die Kandidaten zu motivieren, die dem genauen Profil des Kunden entsprechen und sich gleichzeitig auch für einen Stellenwechsel motivieren lassen. Überdies erwarten viele Berater im Idealfall direkt in den ersten Tagen nach Projektstart die ersten Kandidaten. Nicht selten werden direkt zu Projektbeginn mit dem Kunden Termine vereinbart, beispielhaft innerhalb von 4 Wochen nach Projektstart, an denen die ersten Kandidaten beim Kunden vorgestellt werden sollen. Da sowohl Researcher als auch Berater eine Vielzahl an Suchaufträgen gleichzeitig betreuen und mit jedem Projekt eine Gewinnerzielungsabsicht einhergeht, entsteht in dieser Phase ein erheblicher Druck auf alle Parteien.

c) Direktansprache der „Kandidaten“

Wurde die Identifikation abgeschlossen, beginnt die Direktansprache der Zielpersonen. Gegebenenfalls wird sich die Personalberatung noch die Longlist von seinem Kunden bestätigen lassen, wenn die Vakanz geheim bleiben soll. Dies ist exemplarisch dann der Fall, wenn der bisherige Stelleninhaber noch nicht weiß, dass er bald seine Position verlieren wird oder dass die Branche sehr klein ist und sich alle Marktteilnehmer in der Regel persönlich kennen. So können von vornherein bestimmte Personen ausgeschlossen werden, bei denen der Kunde keine Direktansprache wünscht.

Bei der tatsächlichen Direktansprache am Arbeitsplatz ist zu berücksichtigen, dass sich die Zielpersonen in einem wenig diskreten Umfeld bewegen. Die Kollegen sollen nicht erfahren, dass ein Personalberater anruft. Aber nicht nur beim Kontakt mit einer direkten Zielperson eröffnen sich juristische Schwierigkeiten. Häufig tritt der Fall ein, dass unter einer direkten Firmendurchwahl, eine Sekretärin an das Telefon geht. Es nun üblich, diese elegant dazu zu bringen, den Researcher zur Zielperson durchzustellen, was auf Geschäftsführungsniveau eine echte Herausforderung sein kann.

Da ein vorzeitiges Outing als Personalberater verständlicher Weise nicht von Vorteil ist, wird sich der Researcher grundsätzlich wieder einer Cover-Identität bedienen, um an der Sekretärin vorbei zu kommen. Diese „Show“ wird häufig mit der Frage der Sekretärin eingeleitet: „Um welche Angelegenheit geht es?“. Schraaf/Nehring geben hier einen guten Einblick, mit welchen Geschichten sich eine Sekretärin überzeugen lassen könnte. Dazu gehören[14]

1. „Ich sollte Herrn X zurückrufen. Ich weiß nicht worum es geht und meine Sekretärin ist schon weg.“
2. „Ich habe Herrn X auf der Messe Z getroffen und wollte nun den Kontakt vertiefen.“
3. „ABC-Bank. Es geht um eine private Transaktion.“ – Generell ein denkbarer weg, da der Vorfall privater Natur des Angerufenen ist und die Sekretärin hier nicht weiterhelfen kann.
4. „Es geht um einen ehemaligen Mitarbeiter, der mir Herrn X als Referenz angegeben hat.“ – Die üblichste Variante. Hier kann die Sekretärin kaum einschreiten, weil es um eine für einen Dritten vertrauliche Situation geht, zu dessen Aufdeckung der Anrufer nicht gezwungen werden kann. Gleichzeitig sind Referenzanfragen im Geschäftsleben durchaus sehr üblich.

[...]


[1] vgl. Wirsing, Yvonne (2009), Die Direktsuche, http://www.executivesearchconsultants.de/direktsuche/, [2010-11-23]

[2] vgl. Wirsing, Yvonne, ebd.

[3] vgl. Wirsing, Yvonne, ebd.

[4] vgl. Wirsing, Yvonne, ebd.

[5] vgl. Wirsing, Yvonne, ebd.

[6] vgl. Wirsing, Yvonne, ebd.

[7] vgl. Wirsing, Yvonne, ebd.

[8] vgl. Nehring / Schraaf, S. 39

[9] vgl. Nehring / Schraaf, S. 39

[10] vgl. Nehring / Schraaf, S. 41

[11] vgl.Nehring / Schraaf, S. 41

[12] vgl. Nehring / Schraaf, S. 87

[13] vgl. Nehring / Schraaf, S. 43

[14] vgl. Nehring / Schraaf, S. 118 ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842810457
DOI
10.3239/9783842810457
Dateigröße
640 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität des Saarlandes – Rechtswissenschaften, Wirtschaftsrecht für die Unternehmenspraxis
Erscheinungsdatum
2011 (Februar)
Note
2,0
Schlagworte
wettbewerb headhunting personalberatung gesetz executive search
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