Die Bilanzierung von Verpflichtungen aus betrieblicher Altersversorgung - eine kritische Analyse
©2011
Bachelorarbeit
57 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Die meisten Menschen versuchen sich ihr Leben als Rentner vorzustellen. Die einen möchten endlich reisen, die anderen einem längst vergessenen Hobby nachgehen. Jeder hat unterschiedliche Pläne, nur möchte sich niemand vorstellen als Rentner nur mit knappen Ressourcen auskommen zu müssen. Dabei ist das Thema der Altersvorsorge so aktuell wie nie. Es scheint eindeutig, dass die Mittel der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Zeit immer beschränkter werden und sehr bald nur noch für ein Existenzminimum ausreichen. Deshalb ist es wichtig frühzeitig über eine zusätzliche Altersvorsorge nachzudenken. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung basiert das deutsche Alterssicherungssystem auf zwei weiteren Säulen, nämlich der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge. Beide sind freiwillig und bitten eine Möglichkeit der zusätzlichen Absicherung der späteren Pensionszahlungen. Gegenstand dieser Arbeit soll die betriebliche Altersversorgung sein, wobei die Seite des pensionsgewährenden Arbeitgebers betrachtet wird.
Ein Arbeitgeber, der eine Rentenzusage im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung erteilt, muss sich mit der Frage der richtigen Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen beschäftigen. Denn das Gewicht des Postens der Pensionsrückstellungen in der Bilanz sollte nicht unterschätzt werden. Bei vielen mittelständischen Unternehmen, aber vor allem bei Kapitalgesellschaften stellt dieser Posten sogar am Betrag gemessen die größte Fremdkapitalposition dar. So haben die Pensionsrückstellungen von der BMW AG im Jahre 2009 rund 18 Prozent der Bilanzsumme ausgemacht, bei vielen anderen Unternehmen sieht es ähnlich aus. Dabei müssen sowohl beim Ansatz, wie auch bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen zahlreiche Faktoren beachtet werden. Indes wird die Bilanzierung von den Entscheidungen, die bereits vor der Erteilung der Rentenzusage, getroffen werden müssen, beeinflusst. Zu solchen zählen bspw. die Wahl des Durchführungsweges für die Abwicklung der Pensionsverpflichtung, aber auch die Wahl eines Bewertungsverfahrens. Um eine Pensionsrückstellung zu passivieren, müssen zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) vom Kaufmann bedacht werden und für die Bilanzierung der Sache und der Höhe nach hinzugezogen werden. Diese liefern vor allem auf die Frage des Passivierungszeitpunktes aber auch auf andere kritische Fragen eine eindeutige Antwort. Des Weiteren gilt es auch […]
Die meisten Menschen versuchen sich ihr Leben als Rentner vorzustellen. Die einen möchten endlich reisen, die anderen einem längst vergessenen Hobby nachgehen. Jeder hat unterschiedliche Pläne, nur möchte sich niemand vorstellen als Rentner nur mit knappen Ressourcen auskommen zu müssen. Dabei ist das Thema der Altersvorsorge so aktuell wie nie. Es scheint eindeutig, dass die Mittel der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Zeit immer beschränkter werden und sehr bald nur noch für ein Existenzminimum ausreichen. Deshalb ist es wichtig frühzeitig über eine zusätzliche Altersvorsorge nachzudenken. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung basiert das deutsche Alterssicherungssystem auf zwei weiteren Säulen, nämlich der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge. Beide sind freiwillig und bitten eine Möglichkeit der zusätzlichen Absicherung der späteren Pensionszahlungen. Gegenstand dieser Arbeit soll die betriebliche Altersversorgung sein, wobei die Seite des pensionsgewährenden Arbeitgebers betrachtet wird.
Ein Arbeitgeber, der eine Rentenzusage im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung erteilt, muss sich mit der Frage der richtigen Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen beschäftigen. Denn das Gewicht des Postens der Pensionsrückstellungen in der Bilanz sollte nicht unterschätzt werden. Bei vielen mittelständischen Unternehmen, aber vor allem bei Kapitalgesellschaften stellt dieser Posten sogar am Betrag gemessen die größte Fremdkapitalposition dar. So haben die Pensionsrückstellungen von der BMW AG im Jahre 2009 rund 18 Prozent der Bilanzsumme ausgemacht, bei vielen anderen Unternehmen sieht es ähnlich aus. Dabei müssen sowohl beim Ansatz, wie auch bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen zahlreiche Faktoren beachtet werden. Indes wird die Bilanzierung von den Entscheidungen, die bereits vor der Erteilung der Rentenzusage, getroffen werden müssen, beeinflusst. Zu solchen zählen bspw. die Wahl des Durchführungsweges für die Abwicklung der Pensionsverpflichtung, aber auch die Wahl eines Bewertungsverfahrens. Um eine Pensionsrückstellung zu passivieren, müssen zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) vom Kaufmann bedacht werden und für die Bilanzierung der Sache und der Höhe nach hinzugezogen werden. Diese liefern vor allem auf die Frage des Passivierungszeitpunktes aber auch auf andere kritische Fragen eine eindeutige Antwort. Des Weiteren gilt es auch […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Alexandra Borovikov
Die Bilanzierung von Verpflichtungen aus betrieblicher Altersversorgung
- eine kritische Analyse
ISBN: 978-3-8428-2141-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Zugl. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main,
Deutschland, Bachelorarbeit, 2011
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2011
I
Abbildungsverzeichnis...II
Tabellenverzeichnis ... III
Abkürzungsverzeichnis ... IV
I. Problemstellung ... 1
II. Bilanz im Rechtssinne ... 2
II.A. Sinn und Zweck des Jahresabschlusses ... 2
II.B. System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ... 4
II.B.1. Fundamentalprinzipien im System der GoB ... 6
II.B.1.a) Vorsichtsprinzip ... 6
II.B.1.b) Realisationsprinzip ... 7
II.B.1.c) Imparitätsprinzip ... 8
II.B.1.d) Objektivierungsprinzip ... 8
III. Ansatz und Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach deutschem
Handelsbilanzrecht ... 9
III.A. Begriff der Pensionsverpflichtung ... 9
III.B. Das Objektivierungsprinzip und seine Implikationen für die Bilanzierung
von Pensionsverpflichtungen ... 12
III.B.1. Außenverpflichtung ... 14
III.B.2. Objektivierte Mindestwahrscheinlichkeit ... 14
III.B.3. Selbstständige Bewertbarkeit ... 15
III.B.4. Passivierungszeitpunkt ... 16
III.C. Konkretisierende Rechtsvorschriften zum Ansatz von
Pensionsverpflichtungen ... 18
III.D. Bewertung von Pensionsverpflichtungen ... 19
III.D.1. Maßgebliche Vorschriften... 19
III.D.2. Bewertungsverfahren ... 22
III.E. Kritische Würdigung ... 28
IV. Thesenförmige Zusammenfassung ... 34
Anhang ... 36
Literaturverzeichnis ... 42
Rechtsprechungsverzeichnis ... 48
Gesetzes- und Regelwerksverzeichnis ... 49
Verlautbarungen von Standardisierungsgremien ... 50
II
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Grafische Darstellung der Rückstellungshöhe zum jeweiligen Stich-
tag unter Anwendung drei unterschiedlicher Bewertungsverfahren.
III
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Berechnung der Teilwerte
Tabelle 2: Rückstellung unter Anwendung des Teilwertverfahrens
Tabelle 3: Entwicklung der Gegenwartswerte
Tabelle 4: Rückstellung unter der Anwendung des Gegenwartswertverfahrens
Tabelle 5: Rückstellung unter Anwendung der PuC Methode
Tabelle 6: Gegenüberstellung der Rückstellungsansammlung
Tabelle 7: Verhältnis der Pensionsrückstellungen zur Bilanzsumme
Tabelle 8: Entwicklung des Jahresgehaltes und der versprochenen Rente
Tabelle 9: Barwert der Altersrente zum 31.12.2004
Tabelle 10: Berechnung der Teilwerte (Teilwertverfahren)
Tabelle 11: Rückstellung unter Anwendung des Teilwertverfahrens
Tabelle 12: Entwicklung der Gegenwartswerte (Gegenwartswertverfahren)
Tabelle 13: Rückstellung unter der Anwendung des Gegenwartswertverfahrens
Tabelle 14: Entwicklung der Teilansprüche unter Anwendung der PuC Methode
Tabelle 15: Rückstellung unter Anwendung der PuC Methode
Tabelle 16: Gegenüberstellung der Rückstellungsansammlung
IV
Abkürzungsverzeichnis
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
ABV
Anwartschaftsbarwertverfahren
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
bAV
betriebliche
Altersversorgung
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BFH
Bundesfinanzhof
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BilMoG
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
BiRiLiG
Bilanzrichtliniengesetz
bspw.
beispielsweise
BStBl.
Bundessteuerblatt
BT
Bundestags
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
gem.
gemäß
GoB
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
HFA
Hauptfachausschuss
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
IAS
International Accounting Standard(s)
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.
IRZ
Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung
Jg.
Jahrgang
KoR
Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rech-
nungslegung
Nr.
Nummer
PiR
Praxis der internationalen Rechnungslegung
PuC
Projected Unit Credit
Rn.
Randnummer
Rz.
Randziffer
S.
Seite/n
sog.
so genannte/r
StuB
Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)
StuW
Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
Tz.
Textziffer
u.a.
und andere
u.Ä.
und Ähnliches
Vgl.
Vergleiche
WPg
Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
z.B.
zum Beispiel
1
I.
Problemstellung
Die meisten Menschen versuchen sich ihr Leben als Rentner vorzustellen. Die
einen möchten endlich reisen, die anderen einem längst vergessenen Hobby nach-
gehen. Jeder hat unterschiedliche Pläne, nur möchte sich niemand vorstellen als
Rentner nur mit knappen Ressourcen auskommen zu müssen. Dabei ist das Thema
der Altersvorsorge so aktuell wie nie. Es scheint eindeutig, dass die Mittel der
gesetzlichen Rentenversicherung mit der Zeit immer beschränkter werden und
sehr bald nur noch für ein Existenzminimum ausreichen. Deshalb ist es wichtig
frühzeitig über eine zusätzliche Altersvorsorge nachzudenken. Neben der gesetzli-
chen Rentenversicherung basiert das deutsche Alterssicherungssystem auf zwei
weiteren Säulen, nämlich der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge.
1
Bei-
de sind freiwillig und bitten eine Möglichkeit der zusätzlichen Absicherung der
späteren Pensionszahlungen. Gegenstand dieser Arbeit soll die betriebliche Al-
tersversorgung sein, wobei die Seite des pensionsgewährenden Arbeitgebers be-
trachtet wird.
Ein Arbeitgeber, der eine Rentenzusage im Rahmen der betrieblichen Altersver-
sorgung erteilt, muss sich mit der Frage der richtigen Bilanzierung von Pensions-
verpflichtungen beschäftigen. Denn das Gewicht des Postens der Pensionsrück-
stellungen in der Bilanz sollte nicht unterschätzt werden. Bei vielen mittelständi-
schen Unternehmen, aber vor allem bei Kapitalgesellschaften stellt dieser Posten
sogar am Betrag gemessen die größte Fremdkapitalposition dar. So haben die
Pensionsrückstellungen von der BMW AG im Jahre 2009 rund 18 Prozent der
Bilanzsumme ausgemacht, bei vielen anderen Unternehmen sieht es ähnlich aus.
2
Dabei müssen sowohl beim Ansatz, wie auch bei der Bewertung von Pensions-
verpflichtungen zahlreiche Faktoren beachtet werden. Indes wird die Bilanzierung
von den Entscheidungen, die bereits vor der Erteilung der Rentenzusage, getroffen
werden müssen, beeinflusst. Zu solchen zählen bspw. die Wahl des Durchfüh-
rungsweges für die Abwicklung der Pensionsverpflichtung, aber auch die Wahl
eines Bewertungsverfahrens. Um eine Pensionsrückstellung zu passivieren, müs-
sen zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen auch die Grundsätze ordnungsmä-
ßiger Buchführung (GoB) vom Kaufmann bedacht werden und für die Bilanzie-
rung der Sache und der Höhe nach hinzugezogen werden. Diese liefern vor allem
1
Vgl. Doetsch u.a. (2010), S.9.
2
Zur ausführlichen Darstellung siehe Tabelle 7 im Anhang.
2
auf die Frage des Passivierungszeitpunktes aber auch auf andere kritische Fragen
eine eindeutige Antwort. Des Weiteren gilt es auch die biometrischen Parameter
bei der Bewertung mit einzubeziehen. Wobei die Tatsache, dass die Pensionsver-
pflichtungen abgezinst werden sollen nicht unbestritten ist. Allerdings stellt die
Wahl eines sachgerechten Zinssatzes seit der Einführung des Bilanzrechtsmoder-
nisierungsgesetzes (BilMoG) keine Diskussion mehr dar. Denn dieser wird nun
von der Deutschen Bundesbank monatlich ermittelt und veröffentlicht. Im Rah-
men des im Mai 2009 erlassenen BilMoG sollte eine moderate Annäherung an die
internationalen Rechnungslegungsstandards erfolgen, wofür unter anderem eine
Reihe von Wahlrechten, wie die Wahl des Zinssatzes zur Diskontierung von Pen-
sionsverpflichtungen, abgeschaffen wurden.
3
Dies sollte eine Einschränkung von
Ermessensspielräumen bewirken. Außerdem wurde die Möglichkeit zur Saldie-
rung von Pensionsrückstellungen mit dem Deckungsvermögen unter Erfüllung
bestimmter Bedingungen geschaffen, was den IAS-Vorschriften auch ein Schritt
näher kommt. Diese Möglichkeit wird, aber nicht im Rahmen dieser Arbeit ge-
schildert. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der vorgeschriebenen Beachtung
von Renten- und Gehaltstrends, denn diese sollen bei der Ermittlung des Erfül-
lungsbetrags einer Pensionsverpflichtung helfen, unklar ist aber ob dies nicht den
GoB widerspricht.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen zunächst die handelsrechtlichen Grundlagen vor-
gestellt werden (Kap. II) um dann den Ansatz und die Bewertung von Pensions-
verpflichtungen (Kap. III) auf dieser Basis beurteilen zu können. Dafür wird zu-
erst der Begriff der Pensionsverpflichtung erläutert und ihr Verbindlichkeitscha-
rakter begründet. Einen der Kernpunkte bildet die Betrachtung der Bewertungs-
verfahren für unmittelbare Pensionszusagen. Diese werden anhand eines verein-
fachten Beispiels erklärt und die dabei entstandenen Unterschiede, wie auch die
anderen angesprochen Problempunkte in der Kritischen Würdigung diskutiert.
Anschließend werden die Ergebnisse der nachfolgenden Analyse thesenförmig
zusammengefasst (Kap IV).
II.
Bilanz im Rechtssinne
II.A.
Sinn und Zweck des Jahresabschlusses
3
Vgl. BT Drucksache 16/10067, S.1.
3
Jeder Kaufmann ist gemäß § 242 Abs.1 HGB verpflichtet ,,zu Beginn seines Han-
delsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres" einen Jahresab-
schluss aufzustellen. Dabei bildet die handelsrechtliche Bilanz neben der Gewinn-
und Verlustrechnung (dem Gesetz weiter folgend § 242 Abs.3) einen Teil des Jah-
resabschlusses und fällt unter den Begriff der ,,Bilanz im Rechtssinne"
4
. Die Bi-
lanz im Rechtssinne soll die nach gesetzlichen Normen aufzustellenden Bilanzen,
die Handelsbilanz (handelsrechtliche Bilanz) und die Steuerbilanz (einkommens-
steuerrechtliche Bilanz),
5
von der sogenannten internen Bilanz, die aus rein be-
triebswirtschaftlichen Zwecken aufgestellt wird, abgrenzen.
6
Die rein betriebs-
wirtschaftliche Bilanz wird vom Kaufmann für seine eigenen Zwecke aufgestellt
und unterliegt damit der ,,Bilanzfreiheit"
7
, was aber nicht zu einer willkürliche
Bilanzaufstellung führen sollte, sondern dem Kaufmann eine freie Wahl der Bi-
lanzaufgabe überlässt.
8
Die Bilanz im Rechtssinne soll dagegen einer Vielzahl
von Adressaten dienen
9
und bindet den Kaufmann bei der Erstellung an die Ein-
haltung gesetzlicher und gesellschaftsvertraglicher Normen.
10
Die Bilanzen im
Rechtssinne und speziell die Handelsbilanz sollen der Unternehmensleitung, den
aktuellen Kreditgebern sowie potentiellen Unternehmenseignern, aber auch Ar-
beitgebern und insbesondere Gläubigern und anderen Adressaten zur Informati-
onsgewinnung dienen.
11
Der breite Adressatenkreis der Handelsbilanz hat kon-
sequenterweise ein breites Spektrum an Aufgaben und Anforderungen, die es in
einem Abschluss zu erfüllen gilt
12
, zur Folge. Denn das Gesetz schreibt eindeutig
die Erstellung einer Handelsbilanz vor und nicht mehrerer jeweils einer Aufgabe
entsprechenden Bilanzen nebeneinander.
13
So soll die Handelsbilanz verschiedene Aufgaben, wie etwa Ausschüttungsbemes-
sung und Informationsgewinnung über die Lage des Unternehmens, erfüllen, wel-
che bei isolierter Betrachtung ,,zu sehr unterschiedlichen Bilanzinhalten führen"
14
.
So würde die Handelsbilanz regelmäßig in Konfliktsituationen geraten, wenn sie
4
Moxter (1984), S.149.
5
Vgl. Moxter (1984), S.156, vgl. auch Beisse (1984), S.4.
6
Vgl. Moxter (1984), S.149.
7
Moxter (1984), S.149.
8
Vgl. Moxter (1984), S.149.
9
Vgl. Hommel (1992), S.6.
10
Vgl. Moxter (1984), S.149.
11
Vgl. Hommel (1992), S.6.
12
Vgl. Moxter (1984), S.156; vgl. auch Hommel (1992), S.6-7.
13
Vgl. Moxter (1984), S.156.
14
Moxter (1984), S.156.
4
allen Zwecken gleichzeitig gerecht werden sollte. Damit wird deutlich, dass ,,ein
gleichberechtigtes Nebeneinander dieses Aufgabenkonglomerats"
15
nicht möglich
ist und, dass eine Rangordnung unter den verschiedenen Bilanzaufgaben vom Ge-
setz gewollt sein soll.
16
Die moderne (oder Ausschüttungs-) Statik sieht den Pri-
märzweck der Handelsbilanz in der vorsichtigen Ermittlung eines ,,verteilungsfä-
higen und ausschüttbaren Gewinn[s]"
17
.
18
Damit werden aber Aufgaben, die nicht
zur Ermittlung eines unbedenklich ausschüttbaren Gewinns führen, zurückged-
rängt.
19
Dies soll aber nicht heißen, dass diese völlig vernachlässigt werden soll-
ten.
20
Die Vermittlung eines ,,den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend[en]
Bild[es]" (§264 Abs.2 Satz 1 HGB) der Unternehmenslage soll, der Abkopplungs-
these nach Moxter folgend, innerhalb des Lageberichts und insbesondere inner-
halb des Anhangs geschehen,
21
somit sollen die Informationsverzerrungen, die
beim Herausstellen der Ermittlung ,,einer durch das Vorsichtsprinzip geprägten
Ausschüttungsgröße"
22
als primäre Bilanzaufgabe, entstehen, durch erläuternde
Informationen im Anhang wieder behoben werden.
23
Die Forderung der General-
klausel nach der Vermittlung des True and Fair View ist auf Kapitalgesellschaften
beschränkt
24
und soll also von der Bilanz abgekoppelt und in den Anhang verla-
gert werden.
25
II.B.
System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
Das Handelsgesetzbuch gibt dem Kaufmann wesentliche Normen und Richtlinien
zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und wird als die bedeutendste Grundlage
für die deutsche Rechnungslegung angesehen.
26
Im § 243 Abs. 1 HGB ist die Ge-
neralnorm festgehalten, die die Aufstellung des Jahresabschlusses an die Grund-
sätze ordnungsmäßiger Buchführung (im Weiteren: GoB) bindet.
27
Die handels-
rechtlichen GoB sollen demnach eine Beurteilung von Tatbeständen ermöglichen,
15
Hommel (1992), S.7.
16
Vgl. Moxter (1984), S.156.
17
Beisse (1984), S.4; vgl. auch Berndt (1998), S.40.
18
Moxter (1984a), S.1783; vgl. auch Moxter (1989); S.236; Hommel (1992), S.13.
19
Vgl. Moxter (1984), S.158.
20
Vgl. Moxter (1984), S.158.
21
Vgl. Hommel (1992), S.18; vgl. auch Planert (2006), S.16; Moxter (1984), S.158, Beisse
(1999), S.2182.
22
Hommel (1992), S.18.
23
Vgl. Hommel (1992), S.18; vgl. auch Euler (1997), S.175; Planert (2006), S.16; Binger (2009),
S.9; Euler (1989) S.55; Moxter (1995), S.426-427.
24
Vgl. Beisse (1988) S.30.
25
Vgl. Beisse (1988) S.33; vgl. auch Beisse (1996) S.37-38; Moxter (1995), S.426-427.
26
Vgl. Binger (2009), S.15.
27
Vgl. Beisse (1988), S.30; vgl. auch Hommel (1992), S.5, Baetge/Kirsch/Thiele (2011), S.103.
5
Bilanzierung welcher nicht durch gesetzliche Einzelvorschriften eindeutig gere-
gelt ist.
28
Der Generalverweis auf die GoB führt folglich dazu, dass ,,das Handels-
bilanzrecht ,,lückenlos"
29
ist.
30
Somit gelten die GoB als die Regeln, die der
Kaufmann anzuwenden hat, ,,um zu einer dem gesetzlichen Zweck entsprechen-
den Bilanz zu gelangen"
31
. Dabei bilden die GoB ein ,,offenes System"
32
von
Fundamentalprinzipien, Folgeprinzipien und Einzelnormen.
33
Einzelne Normen
dieses Systems sind im Gegensatz zu einem geschlossenen System offen für not-
wendige Anpassungen, welche aufgrund einer veränderten Gesetzgebung oder
Rechtsprechung oder auch aufgrund neuer Erkenntnisse notwendig sein können.
34
Diese Offenheit des Systems wird vom Gesetzgeber durch das Benutzen der Be-
griffe ,,Grundsatz" oder ,,Prinzip" erreicht, denn durch diese werden allgemeine
Regeln zur Ausgestaltung der Rechnungslegung gegeben.
35
Deshalb handelt es
sich bei den handelsrechtlichen GoB nach wie vor um einen unbestimmten
Rechtsbegriff.
36
Diese wurden im Rahmen des Bilanzrichtliniengesetzes (BiRi-
LiG) bereits 1985 teilweise in das Gesetz aufgenommen d.h. kodifiziert
37
, bedür-
fen aber trotzdem einer Auslegung und Konkretisierung für den Einzelfall.
38
Die heutige Sichtweise auf das System der GoB hat sich im Laufe der Zeit aus
vielerlei Veränderungen und neuen Theorien ergeben. In der Zeit der Einführung
des HGB im Jahre 1897 erfolgte die Ermittlung einzelner Grundsätze induktiv, die
Prinzipien entstanden somit aus der tatsächlichen Kaufmannsübung.
39
Allerdings
wird im späteren Verlauf der GoB-Entwicklung herausgestellt, dass man zur Auf-
stellung einer Norm nicht die Normadressaten befragen kann, denn diese verfol-
gen ihre eigenen Interessen und sind deshalb nicht objektiv.
40
Diesbezüglich stellt
Döllerer später sehr treffend fest, dass die GoB keine Regeln darstellen, nach de-
nen sich tatsächlich gerichtet wird, sondern solche, nach welchen man sich zu
28
Vgl. Hommel (1992), S.5.
29
Beisse (1990), S.499.
30
Vgl. Hommel (1992), S.5; vgl. auch Beisse (1984) S.4.
31
BFH Urteil, 31.05.1967, I 208/63; vgl. BFH Urteil, 03.02.1969, GrS 2/68; Moxter (2003), S.9.
32
Beisse (1988), S.40; vgl. auch Beisse (1990), S.500.
33
Vgl. Hommel (1992), S.9; vgl. Beisse (1997), S.401; Beisse (1988), S.40; Moxter (2007), S.2.
34
Vgl. Hommel (1992), S.9; vgl. auch Beisse (1988), S.41.; Baetge/Kirsch/Thiele (2011), S.103.
35
Vgl. Federmann (2010), S.187.
36
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2011), S.103; vgl. auch Binger (2009), S.22; Rüdinger (2004), S.6.
37
Vgl. Beisse (1999), S.2182; vgl. auch Federmann (2010), S.189; Beisse (1997), S.400.
38
Vgl. Ballwieser (1995), S.43;vgl. auch Binger S.22.
39
Vgl. Moxter (2003), S.12; vgl. auch Beisse (1988) S.40.
40
Vgl. Ballwieser (1995), S.45.
6
richten hat ,,um zu einer sachgerechten Bilanz zu kommen"
41
. Weiter dem Gedan-
ken Döllerers folgend, soll die Ermittlung der GoB ,,durch Nachdenken" über
einen sachgerechten Bilanzzweck erfolgen.
42
Die Deduktion der GoB aus dem
Bilanzzweck wird ferner auch von der Rechtsprechung bekräftigt.
43
Man kann
aber nicht zur Lösung von neuen Fragen durch bloße Deduktion gelangen, meist
sind dazu Wertungsentscheidungen der Rechtsprechung notwendig.
44
Steuerge-
richte sind dafür von hoher Bedeutung, denn aufgrund der Maßgeblichkeit der
handelsrechtlichen GoB für die steuerliche Gewinnermittlung (§ 5 Abs. 1 EStG)
wird dem Bundesfinanzhof und seinen Entscheidungen ein Einfluss auf die Aus-
legung und Fortbildung der GoB zugestanden.
45
II.B.1.
Fundamentalprinzipien im System der GoB
II.B.1.a)
Vorsichtsprinzip
Nach dem heutigen Stand der Rechtserkenntnis hat der Gläubigerschutzgedanke
eine leitende Rolle im System der handelsrechtlichen GoB.
46
Damit kann das Vor-
sichtsprinzip als oberster Grundsatz
47
herausgestellt werden, denn dieser führt mit
seiner vorsichtigen Bewertung zur Erfüllung des Leitgedanken.
48
Durch das Vor-
sichtsprinzip, welches in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifiziert ist, kommt zum
Ausdruck, dass ein Kaufmann die Vermögens- und Ertragslage seines Unterneh-
mens grundsätzlich vorsichtig einschätzen muss und deshalb alle vorhersehbaren
Risiken im Jahresabschluss berücksichtigen muss. Mögliche Verluste haben dem-
nach ein größeres Gewicht als mögliche Gewinne, was bedeutet, dass Vermö-
genswerte eher niedriger und Schulden eher höher anzusetzen sind.
49
Diese Un-
gleichbehandlung von Risiken und Chancen wird auch das Imparitätsprinzip im
weiteren Sinne genannt.
50
Um eine richtige Anwendung des durchaus weitgefass-
ten Vorsichtsprinzips sicherzustellen, wird dieses durch weitere Prinzipien konk-
retisiert und objektiviert.
51
41
Döllerer (1959), S.1220.
42
Vgl. Döllerer (1959), S.1220; vgl. auch Beisse (1984) S.7.
43
Vgl. BFH-Urteil, 31.05.1967, I 208/63; vgl. auch Euler (1989), S.30.
44
Vgl. Beisse (1997), S.403.
45
Vgl. Beisse (1980), S. 637-638;vgl auch Beisse (1990), S.504, Binger (2004), S.26.
46
Vgl. Hommel (1992), S.9.
47
Vgl. Beisse (1990), S. 500-501; vgl. auch Hommel (1992), S.9.
48
Vgl. Beisse (1990a), S.2008; vgl. auch Moxter (1996), S.240.
49
Vgl. Federmann (2010), S.221.
50
Vgl. Moxter (2003), S. 34-35.
51
Vgl. Moxter (2003), S. 34; vgl. auch Beisse (1990a), S.2008.
7
II.B.1.b)
Realisationsprinzip
Das Realisationsprinzip knüpft den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung an den ,,so
gut wie sicher"
52
entstandenen Umsatzakt.
53
Demnach sind Gewinne gem. § 252
Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 erst auszuweisen, wenn sie am Abschlussstichtag durch
Umsätze realisiert wurden. Somit entsteht erst Gewinn im Sinne des Realisations-
prinzips, wenn eine Lieferung oder sonstige Leistung erbracht ist,
54
also begründet
die faktische Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht und der daraus folgende
Forderungszugang, als wirtschaftlicher Umsatzakt, den maßgeblichen Realisati-
onsvorgang.
55
Dabei muss jedoch jegliches Abnahmerisiko ausgeschlossen und
die Preisgefahr übergegangen sein.
56
Das im Rahmen vom BiRiLiG rechtsformunabhängig kodifizierte Realisations-
prinzip zählt zu den bedeutendsten Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung.
57
Denn einerseits wird dieses als eine ,,besondere Ausprägung"
58
oder Konkretisie-
rung des Vorsichtsprinzips gesehen,
59
noch nicht realisierte Wertsteigerungen ,,am
ruhenden Vermögen"
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sollen unberücksichtigt bleiben,
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was einer vorsichtigen
Bilanzierung entspricht. Und andererseits bildet das Realisationsprinzip eine
wichtige Grundlage zur Ableitung anderer Einzelprinzipien.
62
Von der umsatzab-
hängigen Ertragsrealisation kann man auf die umsatzabhängige Aufwandsrealisa-
tion schließen.
63
Daraus folgt, dass Aufwendungen in der Periode bilanziell zu
erfassen sind, in welcher sie den erzielten Umsatz in Form von Erträgen alimen-
tieren.
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Wenn Ausgaben dagegen mit Umsätzen einer späteren Periode im Zu-
sammenhang stehen, sollen diese im Ausgabejahr erfolgsneutral bilanziert werden
und erst im Umsatzjahr zur Aufwandserfassung führen.
65
Dieses Verständnis des
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Moxter (2003), S. 41; vgl. auch Hommel (1992), S.28.
53
Vgl. Moxter (1983), S.304; vgl. auch Moxter (1986), S.174; Hommel (1992) S.22.
54
Vgl. Moxter (1983), S.304; vgl. auch Hommel (1992), S.22; Rüdinger (2004), S.24.
55
Vgl. Moxter (2003), S.45; vgl. auch Federmann (2010), S. 225.
56
Vgl. Moxter (2003), S.45; vgl. auch Federmann (2010), S. 225.
57
Vgl. Moxter (1983), S.304; vgl. auch Binger (2009), S.36; Moxter (1984a), S.1781; Moxter
(1986), S.175; Moxter (1996), S.239.
58
Moxter (1984a), S.1780.
59
Vgl. Hommel (1992), S.21; vgl. auch Moxter (2003), S.41-42.
60
Hommel (1992), S.12; vgl. auch Rüdinger (2004), S.24.
61
Vgl. Moxter (1984a), S.1781; vgl. auch Hommel (1992), S.12; Moxter (2003), S.41.
62
Vgl. Moxter (1983), S.304; vgl. auch Moxter (1987), S.365.
63
Vgl. Hommel (1992), S.22.
64
Vgl. Hommel (1992), S.22; vgl. auch Moxter (1989), S.234.
65
Vgl. Hommel (1992), S.22; vgl. auch Moxter (1988), S.449; Moxter (1989), S.234.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2011
- ISBN (eBook)
- 9783842821415
- DOI
- 10.3239/9783842821415
- Dateigröße
- 501 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Wirtschaftswissenschaften
- Erscheinungsdatum
- 2011 (Oktober)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- pensionsrückstellung bewertung bilanz rechtssinn bilanzierung
- Produktsicherheit
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