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Work-Life-Balance als Zukunftsaufgabe

Wie wirken sich familienfreundliche Maßnahmen auf Arbeitszufriedenheit und Commitment aus?

©2010 Diplomarbeit 142 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Mit dem Begriff Work-Life-Balance wird in der Regel das Erreichen einer Balance zwischen beruflichen Aufgaben und Privatleben assoziiert. Im organisationalen Kontext wird Work-Life-Balance häufig verwendet, um nach außen ein Unternehmensbild zu präsentieren, mit dem ein mitarbeiter- und familienfreundliches Arbeitsklima assoziiert werden soll. In der Literatur wird mit Work-Life-Balance oft auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Verbindung gebracht.
Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und organisationalen Wandels vom Industriezeitalter hin zur Informations- und Wissensgesellschaft gewinnen Work-Life-Balance Strategien nicht nur auf politischer und wissenschaftlicher Ebene, sondern auch für Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Das Ziel von Work-Life-Balance Strategien ist, durch ein Gleichgewicht der Anforderungen und Bedürfnisse verschiedener Lebensbereiche die individuelle Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter langfristig zu erhalten.
Zum einen steigen die beruflichen und privaten Anforderungen der Mitarbeiter, zum anderen unterliegen auch die Unternehmen einem steigenden Druck, um auf Veränderungen in der Unternehmensumwelt flexibel und kostengünstig reagieren zu können. Darüber hinaus wird es vor dem Hintergrund des demografischen Wandels auch für Unternehmen immer wichtiger, ihre Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und dafür Sorge zu tragen, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. So kann langfristig das Humankapital erhalten werden. Des Weiteren vertreten Mitarbeiter mit einer positiv erlebten Bindung auch Dritten gegenüber ihren Arbeitgeber loyal.
Grundvoraussetzung für die langfristige Bindung eines Mitarbeiters an ein Unternehmen ist, dass dieser mit seiner Arbeit zufrieden ist und in seinem Arbeitgeber ein Unternehmen mit attraktiven Beschäftigungs- und Standortbedingungen sieht, in dem er sich wohlfühlt. Um dies zu erreichen, können Work-Life-Balance Strategien eingesetzt werden.
Daneben gibt es eine Reihe anderer Maßnahmen, um das Commitment zu fördern. Dies sind z. B. Methoden der Personalauswahl und -entwicklung sowie Strategien zur Mitarbeiterführung. Der Einsatz von Work-Life-Balance Strategien ist in diesem Zusammenhang gut geeignet, weil diese dazu beitragen, dass Mitarbeiter auch langfristig gute Leistungen in ihrem Unternehmen erbringen können.
Ausgehend von der wachsenden Bedeutung des Commitments in Verbindung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

I Abkürzungsverzeichnis

II Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einführung und Überblick
1.1 Thematische Einführung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
1.3 Aktualität des Themas
1.3.1 Einführung in die Aktualität des Themas
1.3.2 Demografische Entwicklung
1.3.3 Wandel der Rollenbilder
1.3.4 Soziostrukturelle Veränderungen
1.3.5 Struktureller Wandel der Arbeitswelt
1.3.6 Betriebswirtschaftliche Vorteile von Work-Life- Balance
1.3.7 Resümee

2.Work-Life-Balance – Die Problematik einer eindeutigen Begriffsabgrenzung
2.1 Die Bedeutung von „Work" „Life" und „Balance" im Kontext der Work-Life-Balance
2.2 Definition von Work-Life-Balance
2.3 Forschungsbereiche von Work-Life-Balance
2.4 Betriebswirtschaftliche Bedeutung von Work-Life-Balance
2.5 Gesellschaftliche Relevanz von Work-Life-Balance
2.6 Wirkungsweise von Work-Life-Balance Konzepten
2.7 Ziele von Work-Life-Balance
2.8 Das Vier-Felder-Schema nach Kastner
2.9 Work-Life-Balance Prozess nach Rockrohr

3.Work-Life-Balance durch familienfreundliche Maßnahmen
3.1 Betriebliche Familienpolitik, betriebliches Familienbewusstsein und Familienfreundlichkeit
3.2 Familienfreundlichkeit in deutschen Unternehmen
3.2.1 Ziele familienbewusster Personalpolitik
3.2.2 Handlungsfelder familienfreundlicher Maßnahmen
3.2.3 Leitbilder familienfreundlichen Handelns
3.3 Instrumente der berufundfamilie gGmbH
3.3.1 Das berufundfamilie audit
3.3.2 Der berufundfamilie Index
3.4 Familienfreundliche Maßnahmen

4.Theoretische Einordnung von Work-Life-Balance
4.1 Klassische Modelle von Arbeit und Privatleben
4.1.1 Segmentationsmodel
4.1.2 Spillovermodell
4.1.3 Kompensationsmodell
4.1.4 Border Theory nach Clark
4.2 Kritik an den Theorien

5. Mitarbeiterbindung und Arbeitszufriedenheit
5.1 Arbeitszufriedenheit
5.1.1 Definition der Arbeitszufriedenheit
5.1.2 Messung der Arbeitszufriedenheit
5.1.3 Determinanten der Arbeitszufriedenheit
5.2 Theoretische Einordnung der Arbeitszufriedenheit
5.2.1 Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg, Mausner & Snyderman
5.2.2 Job Characteristics Modell nach Hackman und Oldham
5.2.3 Prozessmodell der Arbeitszufriedenheit nach Bruggemann
5.3 Organisationales Commitment
5.3.1 Definition von Commitment
5.3.2 Messung von Commitment
5.4 Theoretische Einordnung des Commitment nach dem Drei-Komponenten Modell von Meyer und Allen
5.5 Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Commitment

6. Empirische Hinweise auf den Zusammenhang von familienfreundlichen Maßnahmen, Arbeitszufriedenheit und Commitment
6.1 Empirische Befunde familienbewusster Personalpolitik
6.2 Wie familienfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?
6.3 Familienfreundlichkeit im Mittelstand
6.4 Betriebswirtschaftliche Effekte familienfreundlicher Maßnahmen
6.5 Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2006
6.6 Betriebswirtschaftliche Ziele und Effekte einer familienbewussten Personalpolitik
6.7 Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2010
6.8 Resümee der empirischen Befunde

7. Work-Life-Balance als Zukunftsaufgabe
7.1 Reduktion von Work-Life-Balance auf Work
7.2 Integration von Work und Life
7.3 Resümee

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Glossar

Eigenständigkeitserklärung

I Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

II Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1 Übersicht der Wirkungszusammenhänge der Hauptkonstrukte dieser Arbeit

Abbildung 2 Erwerbsleben und Privatleben als Objekte der Work-Life-Balance

Abbildung 3 Vier-Felder-Schema

Abbildung 4 Ablauf der Auditierung des berufundfamilie audits

Abbildung 5 Segmentationsmodell

Abbildung 6 Spillovermodell

Abbildung 7 Kompensation und Akkommodation

Abbildung 8 Work/Family border theory

Abbildung 9 Hygienefaktoren und Motivatoren

Abbildung 10 Formen der Arbeitszufriedenheit

Abbildung 11 Bedingungsfaktoren und Konsequenzen von Commitment und Arbeitszufriedenheit

Abbildung 12 High Performance Cycle

Abbildung 13 Familienfreundliche Maßnahmen in der Praxis

Abbildung 14 Motive für familienfreundliche Maßnahmen

Abbildung 15 Bedeutung der Familienfreundlichkeit für Unternehmen, Mitarbeiter und Führungskräfte

Tabelle 1 Handlungsfelder des audits berufundfamilie

Tabelle 2 Studien zu den Motiven, Wirkungen und Zielen familienbewusster Personalpolitik

1. Einführung und Überblick

1.1 Thematische Einführung

Mit dem Begriff Work-Life-Balance wird in der Regel das Erreichen einer Balance zwischen beruflichen Aufgaben und Privatleben assoziiert. Im organisationalen Kontext wird Work-Life-Balance häufig verwendet, um nach außen ein Unternehmensbild zu präsentieren, mit dem ein mitarbeiter[1] - und familienfreundliches Arbeitsklima assoziiert werden soll.

In der Literatur wird mit Work-Life-Balance oft auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Verbindung gebracht.

Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und organisationalen Wandels vom Industriezeitalter hin zur Informations- und Wissensgesellschaft gewinnen Work-Life-Balance Strategien nicht nur auf politischer und wissenschaftlicher Ebene, sondern auch für Unternehmen zunehmend an Bedeutung.

Das Ziel von Work-Life-Balance Strategien ist, durch ein Gleichgewicht der Anforderungen und Bedürfnisse verschiedener Lebensbereiche die individuelle Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter langfristig zu erhalten.

Zum einen steigen die beruflichen und privaten Anforderungen der Mitarbeiter, zum anderen unterliegen auch die Unternehmen[2] einem steigenden Druck, um auf Veränderungen in der Unternehmensumwelt flexibel und kostengünstig reagieren zu können. Darüber hinaus wird es vor dem Hintergrund des demografischen Wandels[3] auch für Unternehmen immer wichtiger, ihre Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und dafür Sorge zu tragen, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. So kann langfristig das Humankapital[4] erhalten werden.

Des Weiteren vertreten Mitarbeiter mit einer positiv erlebten Bindung auch Dritten gegenüber ihren Arbeitgeber loyal (vgl. Felfe, 2008, S. 12 ff.).

Grundvoraussetzung für die langfristige Bindung eines Mitarbeiters an ein Unternehmen ist, dass dieser mit seiner Arbeit zufrieden ist und in seinem Arbeitgeber ein Unternehmen mit attraktiven Beschäftigungs- und Standortbedingungen sieht, in dem er sich wohlfühlt. Um dies zu erreichen, können Work-Life-Balance Strategien eingesetzt werden. (vgl. Klimpel & Schütte, 2006, S. 29 f.)

Daneben gibt es eine Reihe anderer Maßnahmen, um das Commitment[5] zu fördern. Dies sind z. B. Methoden der Personalauswahl und -entwicklung sowie Strategien zur Mitarbeiterführung. Der Einsatz von Work-Life-Balance Strategien ist in diesem Zusammenhang gut geeignet, weil diese dazu beitragen, dass Mitarbeiter auch langfristig gute Leistungen in ihrem Unternehmen erbringen können. (vgl. Michalk & Nieder, 2007, S. 46)

Ausgehend von der wachsenden Bedeutung des Commitments in Verbindung mit der Work-Life-Balance Strategie soll auch der Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Commitment untersucht werden. Die Konzepte weisen theoretische Gemeinsamkeiten auf (vgl. Felfe, 2008, S. 154 f.). Ebenso ist mit beiden Konzepten die Erwartung verbunden, dass Mitarbeiter, die hohes Commitment aufweisen bzw. hochzufrieden mit ihrer Arbeit sind, eine stärkere Bereitschaft zeigen, sich im Unternehmen zu engagieren (vgl. Felfe, 2008, S. 157).

Die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit wird in den meisten empirischen Untersuchungen als wichtigstes Ziel betrieblichen Familienbewusstseins genannt (vgl. Gerlach, Schneider & Juncke, 2007, S. 22 f).

Weitere Hinweise auf die Wirkungszusammenhänge der drei vorangehend genannten Konzepte liefern die folgenden Ergebnisse.

Eine Studie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz (2005) bestätigt, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber positive Effekte familienbewusster Maßnahmen auf Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung erwarten (vgl. Häuser, Ruppenthal & Schneider, 2006, S. 27 ff.).

Die Ergebnisse der repräsentativen Unternehmensbefragung des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln (2003) stützen die Erwartung, dass der Einsatz von Work-Life-Balance-Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeitszufriedenheit und Commitment beiträgt. (vgl. Flüter-Hoffmann, C. & Solbrig, J. 2003, S. 66 f.).

Schmitz (2006) verweist ebenfalls darauf, dass die Einführung familienfreundlicher Maßnahmen sowohl auf Mitarbeitergewinnung wie auch -bindung positive Effekte hat (vgl. Schmitz, 2006, S. 175).

Zudem belegt auch eine schweizer Studie, dass sich eine mangelnde Work-Life-Balance negativ auf Arbeitszufriedenheit und Unternehmensbindung auswirkt (vgl. Hämmig, 2008, S. 13 ff.).

Die Ergebnisse einer Online-Befragung von Schnelle, Brandstätter-Morawietz & Moser (2009) stützen die Erwartung, dass Work-Life-Balance Strategien einen entscheidenden Beitrag zur Arbeitszufriedenheit leisten. Durch sie können Zielkonflikte zwischen dem beruflichen und privaten Lebensbereich vermieden werden. (vgl. 2009, S. 47 ff.)

Scandura und Lankau (1997) stellten fest, dass Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten die Arbeitszufriedenheit und organisationale Bindung weiblicher Arbeitnehmer mit familiären Verpflichtungen erhöhen (vgl. Scandura & Lankau, 1997, S. 377).

Abbildung 1 stellt die Zusammenhänge von familienfreundlichen Maßnahmen im Kontext der Work-Life-Balance und die Wirkungsrichtungen dieser Maßnahmen auf Arbeitszufriedenheit und Commitment grafisch dar. Zudem wird die Wechselwirkung von Arbeitszufriedenheit und Commitment gezeigt. Weitere diese Konstrukte beeinflussenden Variablen sind die demografische Entwicklung, Wandel der Rollenbilder, soziostrukturelle Veränderungen, der strukturelle Wandel der Arbeitswelt und betriebswirtschaftliche Vorteile für Unternehmen. Alle Elemente dieser Grafik werden im Verlauf dieser Arbeit detailliert dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Übersicht der Wirkungszusammenhänge der Hauptkonstrukte dieser Arbeit (Eigene Darstellung)

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Da die erwarteten Effekte und deren genaue Wirkungsmechanismen bislang nicht hinreichend empirisch überprüft wurden[6], soll diese Arbeit dazu beitragen, die Frage zu klären, inwieweit Maßnahmen, deren Ziel die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ist, einen Einfluss auf Arbeitszufriedenheit und Commitment ausüben. Daraus lassen sich die folgenden Fragen ableiten:

- Was macht ein gelungenes Work-Life-Balance Konzept aus, damit davon Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen profitieren?
- Gibt es Unterschiede in der Wirkungsweise der Einzelmaßnahmen in Bezug auf Arbeitszufriedenheit und Commitment?
- Welche Faktoren tragen zur erfolgreichen Umsetzung von Work-Life-Balance Konzepten bei?
- Welche Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang besonders geeignet?
- Welche Hemmnisse bei der Implementierung von Work-Life-Balance-Maßnahmen gibt es?
- Welche Nachteile können sich aus dem Einsatz von Work-Life-Balance Konzepten ergeben?

Der wohl gängigste Zugang ist der Genderzugang[7]. Bei diesem steht vor allem die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie im Vordergrund. Dieser Zugang wird auch in dieser Arbeit verwendet.

Eine Unterteilung in Wirtschaftszweige soll nicht erfolgen. Unabhängig davon, welches Verständnis von Work-Life-Balance zugrunde gelegt wird, nimmt die Fachliteratur in der Regel eine solche Unterteilung nicht vor (vgl. z. B. Kastner, 2004; Rost, 2004; Prognos, 2005a; Jürgens, 2006; Michalk & Nieder, 2007, Schneider, Gerlach, Juncke & Krieger, 2008, Schobert, 2008, S. 31).

Dies ist damit zu begründen, dass es sich bei Work-Life-Balance Konzepten weder um isolierte Maßnahmen noch um festgelegte Strategien handelt. Je nach individuellem und betrieblichem Kontext müssen unterschiedliche Konzepte entwickelt werden.

Zur Einführung in die Thematik werden in Kapitel 1.3 zunächst die wichtigsten Einflussfaktoren beschrieben, die zur Relevanz der Work-Life-Balance Thematik beitragen. Hier werden die in Abbildung 1 dargestellten Variablen näher erläutert.

Nach der detaillierten Betrachtung des Work-Life-Balance Begriffs in Kapitel 2 erfolgt in Kapitel 3 die Einordnung des betrieblichen Familienbewusstseins in diesen Kontext. Zunächst werden mögliche Ziele und Handlungsfelder betrieblicher Familienfreundlichkeit vorgestellt. Im Anschluss wird der Fokus auf die Instrumente der berufundfamilie gGmbH gerichtet. Diese wurde ausgewählt, weil sie bundesweit als herausragender Kompetenzträger in Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gilt. Gleichzeitig ist sie Marktführer bei der Implementierung einer familienbewussten Personalpolitik. Das audit der berufundfamilie gGmbH wird von allen Spitzenverbänden[8] der deutschen Wirtschaft empfohlen. (vgl. Gemeinnützige Hertie-Stiftung, 2008, S. 3)

Aufgrund der Vielzahl denkbarer Work-Life-Balance Maßnahmen werden nur solche ausgewählt, die bereits von deutschen Unternehmen eingesetzt werden und von der berufundfamilie gGmbH zertifiziert wurden.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und den daraus resultierenden Folgen ist es nicht nur aus gesellschaftspolitischer Sicht wichtig, Familien Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu geben, sondern auch in den Unternehmen muss ein Umdenken erfolgen.

In Anlehnung an die Einteilung von Michalk und Nieder der Work-Life-Balance Maßnahmen nach Zielgruppen wird sich diese Arbeit schwerpunktmäßig mit der Zielgruppe Familien[9] beschäftigen (Michalk & Nieder, 2007, S. 214 ff.). Diese Gruppe ist in Bezug auf die Auswirkungen auf Arbeitszufriedenheit und Commitment besonders interessant, da es sich bei dieser Gruppe primär um Mitarbeiter handelt, welche aufgrund ihres Alters dem Unternehmen noch lange zur Verfügung stehen sollen.

Im Anschluss erfolgt in Kapitel 4 eine theoretische Einordnung von Work-Life-Balance. Daran anschließend werden in Kapitel 5 die Konzepte der Arbeitszufriedenheit und des organisationalen Commitments vorgestellt und miteinander in Verbindung gesetzt. An dieser Stelle wird auch die Frage geklärt, ob die Work-Life-Balance Strategie dazu dienen kann, Arbeitszufriedenheit zu erhöhen und Mitarbeiter erfolgreich an ein Unternehmen zu binden.

Kapitel 6 wird die empirischen Befunde zu den Wechselwirkungen von familienfreundlichen Maßnahmen auf Arbeitszufriedenheit und Commitment vorstellen.

In Kapitel 7 sollen Schwierigkeiten und Hemmnisse der Implementierung von Work-Life-Balance Konzepten untersucht werden. Dabei werden auch Nachteile, welche durch den missbräuchlichen Einsatz von Work-Life-Maßnahmen entstehen können, kritisch betrachtet.

Die Ausarbeitung wird auf Basis von Literatur erfolgen.

1.3 Aktualität des Themas

1.3.1 Einführung in die Aktualität des Themas

In Zeiten angespannter Wirtschaftslagen vieler Unternehmen und hoher Arbeitslosenzahlen treten Arbeitsklima, Führungs- und Unternehmenskultur bei der Schwerpunktsetzung im Unternehmen häufig in den Hintergrund. Dennoch ist es gerade jetzt in Anbetracht verschiedener gesellschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Aspekte erforderlich, das Thema Work-Life-Balance als Zukunftsaufgabe anzusehen.

Die wichtigsten Gesichtspunkte, die für die Notwendigkeit der Einführung von Work-Life-Balance Strategien sprechen, sind:

- die demografische Entwicklung
- Wandel der Rollenbilder
- soziostrukturelle Veränderungen
- der strukturelle Wandel der Arbeitswelt
- betriebswirtschaftliche Vorteile für Unternehmen

1.3.2 Demografische Entwicklung

Noch vor sieben Jahren kannte mehr als die Hälfte aller Deutschen den Begriff „Demografischer Wandel" nicht. Inzwischen haben zwar die Diskussionen, nicht aber die Maßnahmen zugenommen. Es wird ein deutlicher Rückgang der Geburtenzahlen und damit eine Reduzierung der Bevölkerungsanzahl sowie die Alterung der Gesellschaft prognostiziert. Diese Entwicklung wird sich auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt niederschlagen. (Fuchs, Schnur, Zika, 2005, S 1 ff.; Rost, 2004, S. 13.)

Das Erwerbspersonenpotenzial wird schrumpfen. Somit wird die Bindung und Rekrutierung von Arbeitskräften zukünftig immer bedeutender für Unternehmen. (vgl. Rost, 2004, S. 13.)

Bis zum Jahr 2050 wird die deutsche Bevölkerung nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes auf rund 75 Millionen Menschen geschrumpft sein (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2006)

In Deutschland wird sich der demografische Wandel bereits 2020 deutlich auswirken. Die Zahl der Erwerbstätigen ist rückläufig, und die Zahl der wirtschaftlich Abhängigen steigt. Die über Fünfzigjährigen werden 2020 50 % der Bevölkerung ausmachen und rund 60 % des verfügbaren Einkommens auf sich vereinen. Dies führt dazu, dass bis 2020 1,6 Millionen Arbeitskräfte zusätzlich mobilisiert werden müssten.( vgl. McKinsey, 2008, S. 7 f.)

Diese Mobilisierung kann nur erfolgen, wenn auch Frauen und Männern mit Kinderwunsch verstärkt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht wird. Welchen Beitrag dazu Work-Life-Balance Konzepte leisten können, soll im Verlauf dieser Arbeit untersucht werden.

Angesichts des schrumpfenden Anteils der Erwerbsbevölkerung, des wachsenden Anteils an wissensintensiven Arbeitsplätzen und dem daraus resultierenden Fachkräftemangel wird es eine der dringendsten Zukunftsaufgaben für Unternehmen sein, Work-Life-Balance Konzepte im Unternehmen zu integrieren. Dabei muss der Schwerpunkt vor allem in einer familienbewussten Personalpolitik liegen. Besonders junge, hoch qualifizierte weibliche Mitarbeiter sollen durch diese Konzepte im Unternehmen gehalten werden. Eine betrieblich garantierte Work-Life-Balance kann in Zukunft zum wichtigsten Arbeitsplatzfaktor werden. (vgl. Opaschowski, 2009, S. 68 f.)

1.3.3 Wandel der Rollenbilder

Aus dem Familienmonitor 2009 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geht hervor, dass das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Bevölkerung als wichtig wahrgenommen wird. (BMFSFJ, 2009, S. 11 ff.)

Hinzu kommt, dass immer mehr Frauen nach kurzer Elternzeit wieder zurück in den Beruf möchten. Die Ansprüche an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben sich entscheidend verändert. Frauen investieren mehr in ihre Berufsausbildung und Qualifikation und wollen daher auch als Mütter weiter beruflich eingebunden sein. Zusätzlich wird die Karriereplanung beider Geschlechter dadurch erschwert, dass sich die arbeitsbedingten Anforderungen an Flexibilität und Mobilität ständig erhöhen. Dies geht mit organisatorischem, zeitlichem und finanziellem Aufwand einher und hat häufig auch den Verlust von familialen Netzen zur Folge. (vgl. Rost, 2004, S. 19 ff.)

Mit dem Wandel der Geschlechterrollen geht nicht nur der Wunsch der Frauen einher, trotz Kindern weiter berufstätig zu sein, sondern auch die Väter wünschen sich in zunehmendem Maße mehr Teilhabe an Familie und die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (vgl. BMFSJ, 2008a, S. 5; Rost, 2004, S. 22)

2004 nutzten nur ca. 2 % der Väter tatsächlich auch eine Erziehungszeit. Dies hängt damit zusammen, dass sie Sanktionen, berufliche Schlechterstellungen oder starke finanzielle Einbußen befürchteten. Im Sinne des Work-Life-Balance Gedanken sollten Unternehmen daher die Herausforderung aufgreifen und sich stärker für die Vereinbarkeitsproblematik beider Geschlechter einsetzen. Langfristig profitieren davon beide Seiten. Rost (2004) geht davon aus, dass die Erfüllung des Vereinbarkeitsbedürfnisses der Mitarbeiter Konflikte reduziert und die Lebenszufriedenheit erhöht. (vgl. Rost, 2004, S. 22 f.)

Mittlerweile lässt sich ein Trend erkennen, nachdem auch Väter in zunehmendem Maße Erziehungsauszeiten in Anspruch nehmen. Dieser ist vermutlich auch mit der Einführung des Elterngelds 2007[10] zu erklären.

2009 lag der Anteil der Väter mit einer zwölfmonatigen Bezugsdauer des Elterngelds bei 8 %. Drei von vier Vätern nutzen ihren Anspruch auf Elterngeld für zwei Monate. (vgl. Statistisches Bundesamt, 2010)

Die Folge dieser geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ist ein im internationalen Vergleich niedriger Anteil an erwerbstätigen Müttern mit kleinen Kindern. Zudem sind Mütter um das Zehnfache häufiger in Teilzeitarbeit beschäftigt als Väter. (vgl. Schneider, 2010, S. 130)

Zudem kommt erschwerend hinzu, dass gerade in Westdeutschland sowohl in den Betrieben wie auch unter den Mitarbeitern stark das traditionelle Leitbild des männlichen Familienernährers mit der dazuverdienenden Ehefrau vorherrscht (vgl. Botsch et al., 2007, S. 135).

Opaschowski (2008) sieht daher mit dem Struktur- und Wertewandel, der sich in der Arbeitswelt vollzieht, nicht nur die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern auch die Frage der Vereinbarkeit von Frauen- und Männerrollen verbunden (vgl. Opaschowski, 2009, S. 63 f.).

1.3.4 Soziostrukturelle Veränderungen

Auch soziostrukturelle Veränderungen tragen zur Erschwerung der Vereinbarkeit bei. Dazu zählen etwa das steigende Bildungsniveau, der wachsende Anteil erwerbstätiger und karriereorientierter Frauen, die zunehmende Instabilität von Beziehungen und der damit einhergehende steigende Anteil an Alleinerziehenden und Patchworkfamilien. Die Forderungen nach Work-Life-Balance-Konzepten werden auch durch den Strukturwandel der modernen Arbeitswelt gestärkt. Darüber hinaus spitzen sich die Konflikte zwischen den Handlungsanforderungen der Bereiche Arbeit und Privat für viele Arbeitnehmer immer mehr zu. (vgl. Wiese, 2007, S. 247; Hoff, Grote, Dettmer, Hohner & Olos, 2005, S. 197)

Längere Ausbildungszeiten und damit einhergehende spätere Berufseinstiege führen dazu, dass die Familiengründung immer später begonnen wird. Mütter sind heute bei der Geburt ihres ersten Kindes im Durchschnitt 28 Jahre alt. Bei den Akademikerinnen liegt das Durchschnittsalter bei über 30 Jahren. Und die Tendenz ist weiter steigend. Auch die Größe der Familien hat in den letzten 25 Jahren deutlich abgenommen. Es gibt weniger Familien mit mehr als einem Kind. Familien mit drei oder mehr Kindern werden zur Ausnahme. (vgl. Rost, 2004, S. 19 ff.)

Dennoch stellt der Zukunftsforscher Opaschowski (2009) eine Trendwende fest. Kinder und Familie rücken wieder mehr ins Zentrum des Lebens. Den Trend der Individualisierung sieht Opaschowski als rückläufig an. (vgl. Opaschowski, 2009, S. 20) Immer mehr junge Menschen wünschen sich sowohl Familie als auch beruflichen Erfolg. Besonders Frauen wünschen sich ein ausbalanciertes Lebenskonzept, bei dem Berufs- und Privatleben gleichermaßen berücksichtigt werden. (vgl. Opaschowski, 2009, S. 63 ff.)

Hierbei handelt es sich laut Opaschowski um einen generellen Einstellungswandel, der sich langsam entwickelt und nicht sofort in der Demografie messbar sein wird. Immer noch stehen Vorbehalte und Vereinbarkeitsprobleme diesem Wandel entgegen. (vgl. Opaschowski, 2009, S. 21)

Auch verstärke Mobilitätsanforderungen an die Arbeitnehmer führen dazu, dass gerade Frauen ihren Kinderwunsch in die Zukunft verschieben, weniger Kinder als eigentlich erwünscht bekommen oder den Kinderwunsch ganz aufgegeben (vgl. Schneider, 2010, S. 9).

1.3.5 Struktureller Wandel der Arbeitswelt

Veränderungen der Arbeitswelt führen ebenfalls dazu, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter stärker bei der Balance von Arbeit und Privatleben unterstützen müssen, um den Mitarbeitern die Möglichkeit der Regeneration zu bieten. Steigender Qualitäts-, Zeit- und Kostendruck führen dazu, dass Arbeitsaufgaben immer komplexer und dynamischer werden. Dies bezeichnet Kastner (2004, S. 21) als Dynaxität.

Auch Resch und Bamberg (2005) sehen unter anderem den Auslöser für die Popularität der Work-Life-Balance Thematik in zunehmenden Schwierigkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Männer und Frauen. Steigende und neue Belastungen der Arbeit für beide Geschlechter steigern die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit diesem Thema. (vgl. Resch & Bamberg, 2005, S. 171)

Zudem beeinflusst der sektorale Wandel hin zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft mit zunehmender Globalisierung auch das psychische Befinden und die körperliche Gesundheit der Mitarbeiter. Hoher Zeitdruck, steigende Aufgabenkomplexität und fortschreitende Technisierung erhöhen zusätzlich den Druck, der auf dem einzelnen Mitarbeiter lastet. (vgl. Bandura & Vetter, 2004, S. 7 f., Schneewind, 2009, S. 86)

Der strukturelle Wandel der Arbeitswelt wie z. B. die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, hohe Anforderungen an Flexibilität und Mobilität der Mitarbeiter, immer höhere Anforderungen im Berufsleben und die damit wachsende Verantwortung des Einzelnen zur kontinuierlichen Weiterentwicklung führen dazu, dass die Forderungen nach Konzepten zur Work-Life-Balance immer deutlicher werden.

Die zunehmende Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen, damit verkürzte Halbwertzeiten von Wissens- und Produktlebenszyklen und der Konkurrenzdruck der Unternehmen führen zu einer gestiegenen Belastungssituation sowie Orientierungs- und Bindungsverlusten der Mitarbeiter. (vgl. Rockrohr, 2003, S. 15; Wiese, 2007, S. 247)

1.3.6 Betriebswirtschaftliche Vorteile von Work-Life-Balance

Dadurch, dass Arbeit heute nicht mehr ausschließlich als Mittel zum Zweck, sondern als bereichernde und erfüllende Aufgabe wahrgenommen wird, müssen sich auch die Unternehmen diesen neuen Ansprüchen anpassen und die traditionellen Denkweisen des 20. Jahrhunderts aufgeben. Die individuellen Einstellungen bezüglich Arbeit, Freizeit und Arbeitszufriedenheit haben sich verändert. Arbeitnehmer verlangen nach sichtbaren Wertschätzungen ihrer Arbeitsleistungen. Der Trend geht dahin, sich den geänderten Lebensstil der Mitarbeiter zunutze zu machen, ihn wertschöpfend einzusetzen, die persönliche Bedeutung des Einzelnen zu stärken und dies mit einer flexiblen Entlohnung zu steuern. (vgl. Voelpel, Leibold & Fürchtenicht, 2007, S. 31; Weinert, 2004, S. 42)

Die Mitarbeiter eines Unternehmens sind sowohl wichtige Ressource als auch entscheidender Kostenfaktor (Schmitz, 2006, S. 41). Daher spricht auch aus ökonomischer Sicht vieles dafür, sich für den Erhalt der Gesundheit und die Steigerung der Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten einzusetzen.

Dass sich der Einsatz von familienfreundlichen Maßnahmen auch betriebswirtschaftlich rechnet, hat die Kosten-Nutzen-Analyse des BMFSFJ (2005a) gezeigt.

Die ökonomische Bedeutung der Bindung, Unterstützung und Förderung der Leistungsfähigkeit qualifizierten Personals betont auch Thom (2008, S. 235).

Rost sieht in der Unterstützung vereinbarkeitsfördernder Maßnahmen, die über die flexible Arbeitszeitgestaltung hinausgehen, auch einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, um qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren. Darüber hinaus kann so die Bindung von Arbeitskräften an das Unternehmen, ihre Loyalität und ihre Arbeitszufriedenheit gestärkt werden. Dies wirkt sich im Endeffekt auch positiv auf die Effizienz des Unternehmens aus. (vgl. Rost, 2004, S. 24 f.)

Die aktuelle staatliche Familienpolitik bietet zwar viele unterstützende Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, jedoch kann sie allein das Problem nicht lösen. Oftmals gibt es innerbetriebliche Hürden bei der Vereinbarkeit, die nicht durch staatliche Maßnahmen kompensiert werden können. Darum müssen Unternehmen und Führungskräfte für die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sensibilisiert werden. Rost (2004) ist der Ansicht, dass es seitens der Betriebe oft an Sensibilität, Verständnis und Informationen zu vereinbarkeitsfördernden Möglichkeiten mangelt. Besonders bei kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht noch ein erheblicher Informationsbedarf. (vgl. Rost, 2004, S. 7 ff.)

Rost (2004) ist der Ansicht, dass durch die Schaffung familienfreundlicher Maßnahmen die Mitarbeiter effizienter und motivierter arbeiten und sich dem Unternehmen gegenüber loyaler verhalten werden. Mitarbeiter, die sich mit ihren Interessen im Unternehmen akzeptiert und vertreten sehen, werden auch eher bereit sein, sich verändernden betrieblichen Erfordernissen anzupassen. Die betriebliche Weiterbildung von Mitarbeitern hält Rost ebenfalls für eine wichtige Investition, um Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, sich Veränderungen wie zum Beispiel technologischen Innovationen anpassen zu können. Dadurch wird auch die Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen gefördert. (vgl. Rost, 2004, S. 15 f.)

Insgesamt lässt sich seit Mitte der 1990er Jahre eine neue Sichtweise betrieblicher Familienpolitik erkennen. Es geht nicht mehr nur um „die Sicherung der Arbeitsfähigkeit des männlichen Arbeitnehmers" (Schneider, Gerlach, Juncke & Krieger, 2008, S. 3), sondern um die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Arbeitnehmer beider Geschlechter. Die übergeordnete Zielsetzung der Unternehmen ist dabei die Bindung und Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter (vgl. Schneider et al., 2008, S. 3; Weinert, 2004, S. 42).

Das BMFSFJ betont ebenfalls die positiven Effekte familienfreundlicher Maßnahmen. Auch hier wird der Aspekt der Mitarbeiterbindung an das Unternehmen besonders akzentuiert. Beispielsweise sieht die vom BMFSFJ in Auftrag gegebene Studie der Prognos AG (2005a) die Potenzialerschließung aller Mitarbeiter und deren Bindung an das Unternehmen als zentrales Argument für das Wirkungsspektrum von Work-Life-Balance. (vgl. Prognos, 2005a, S. 2)

Die Möglichkeit zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt eine immer größere Rolle bei der Bindung von Fachkräften an ein Unternehmen. Eine repräsentative Umfrage des BMFSFJ (2008b, S. 6) zeigt, dass 78 % der Befragten sich vorstellen können, für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ihren Arbeitsplatz zu wechseln.

Hinzu kommt die Dimension der gesellschaftlichen Verantwortung moderner Unternehmen. Mit der steigenden Erwerbstätigkeit von Frauen nimmt die Notwendigkeit einer Familienorientierung der Arbeitswelt zu. Arbeitnehmer mit Kindern stehen in einer „doppelten Loyalitätsverpflichtung". Sie sind Betrieb und Familie gleichermaßen verpflichtet. Der einzelne Mitarbeiter wird heute nicht mehr als reiner Funktionsträger betrieblicher Leistungen gesehen. Er steht als Person mit seinen familiären Beziehungen und Verpflichtungen im Betrachtungsfokus. (vgl. Wingen, 2003, S. 62)

Besonders vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs um qualifizierte Arbeiter ist es wichtig, sich für vereinbarkeitsfördernde Maßnahmen wie z. B. Arbeitszeitflexibilisierungen und Teilzeitstellen einzusetzen. So kann beispielsweise der vielfach gefürchteten Dequalifizierung von Frauen während der Berufspause entgegengewirkt werden, wenn ein schneller Wiedereinstieg ermöglicht wird (vgl. Rost, 2004, S. 22).

Zu diesem Aspekt hinzu kommt „die Angst vor Veränderungen" (Thom, 2008, S. 237). Die mit einem Veränderungsprozess wie der Einführung einer Work-Life-Balance-Strategie einhergehende Unruhe wird in Unternehmen oft mit dem Verlust an Produktivität und Leistungsfähigkeit gleichgesetzt. Thom (2008) betont, dass dies nicht der Fall sein muss. Stattdessen kann mit einem Umdenken in der Unternehmenskultur eine Quelle neuer Energie, Kraft, Kreativität, Motivation und Leistungsbereitschaft entsehen. (vgl. Thom, 2008, S. 237)

Insgesamt kann betriebliche Familienpolitik als Element der Gesellschaftspolitik und als Bestandteil moderner Unternehmenspolitik verstanden werden und ist eine langfristige Voraussetzung für erfolgreiches unternehmerisches Handeln. (vgl. Wingen, 2003, S. 63)

1.3.7 Resümee

Aus den vorangehend genannten Entwicklungen ergibt sich für Unternehmen, Staat und Gesellschaft die zwingende Notwendigkeit, Work-Life-Balance-Maßnahmen als existenzielle Zukunftsaufgabe zu begreifen.

Wie dargestellt wurde, ist der entscheidende Parameter die demografische Entwicklung in der Bundesrepublik. In einer veralternden Gesellschaft mit einer sinkenden Geburtenrate müssen alle Ressourcen potenzieller Arbeitskräfte eingebunden werden. Work-Life-Balance Strategien tragen maßgeblich dazu bei, dieses Ziel zu erreichen. Dabei ist es wichtig, dass diese Strategien nur sinnvoll im Kontext eines Gesamtkonzeptes eingesetzt werden. Darauf wird in den Kapiteln 2 und 7 noch eingegangen.

In diesem Sinne fordert der Zukunftswissenschaftler Opaschowski (2009), die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Geschlechter als zentrale Herausforderung für die Zukunft anzusehen. Politik und Unternehmen sollen sich gleichermaßen dieser Aufgabe stellen. (vgl. Opaschowski, 2009, S. 21)

2. Work-Life-Balance - die Problematik einer eindeutigen Begriffsabgrenzung

2.1 Die Bedeutung von „Work", „Life" und „Balance" im Kontext der Work-Life-Balance

Der Begriff Work-Life-Balance wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet und umschreibt, je nach Kontext, sehr unterschiedliche Aspekte.

Auch die wörtliche Herleitung des Begriffs über die einzelnen Komponenten „Work", „Life" und „Balance" führt zu keiner eindeutigen Lösung. „Work" kann wörtlich mit „Arbeit“ übersetzt werden. Jedoch ist damit nicht klar, um welche Form von Arbeit es sich handelt. Im Kontext der Work-Life-Balance Diskussion ist i. d. R. bezahlte Erwerbsarbeit gemeint. Aber auch unentgeltliche Tätigkeiten der Aus- und Weiterbildung gehören zu dem Erwerbsarbeitsbegriff. Je nach Untersuchungsgegenstand und Zugang werden weitere Differenzierungen vorgenommen. (vgl. Zaugg, 2006, S. 5 ff.)

Einige davon werden im Laufe dieser Arbeit noch genauer thematisiert. Michalk & Nieder (2007) fassen unter dem Begriff „Work" schwerpunktmäßig die Arbeitswelt zusammen. Diese umfasst einen zeitlichen Aspekt, Tätigkeiten und Handlungen sowie strukturelle Gegebenheiten. (vgl. Michalk & Nieder, 2007, S.19 f.)

„Life" wird im Zusammenhang mit Work-Life-Balance im Allgemeinen mit dem Privat- oder Familienleben gleichgesetzt (vgl. Zaugg, 2006, S. 7 f.).

Der Begriff „Life" bezeichnet die freie Zeit, welche nicht mit der Erwerbsarbeit verbracht wird. Ein Aspekt dieser Zeit ist auch das Familienleben.

„Balance" hat sowohl eine physische wie auch psychologische Bedeutung. Demnach kann „Balance" sowohl subjektiv empfunden als auch objektiv gemessen werden. Mit dem Begriff wird in Verbindung mit Work-Life-Balance stets eine positive Bedeutung assoziiert. (vgl. Guest, 2002, S. 260 ff.)

„Balance“ kann sich sowohl auf Balance innerhalb einer kurzfristigen Zeitperspektive wie z. B. auf das Alltagshandeln als auch auf eine längerfristige Perspektive wie z. B. das Management verschiedener Lebensphasen beziehen (vgl. Abele, 2005, S. 175 f.).

Zaugg (2006) sieht im „Balance“ Begriff ein psychologisches Gleichgewicht, welches durch hohe Autonomie des Individuums erreicht wird (Zaugg, 2006, S. 5 f.). Im folgenden Kapitel 2.2 wird darauf noch einmal Bezug genommen.

2.2 Definition von Work-Life-Balance

Häuser, Ruppenthal und Schneider (2006) definieren Work-Life-Balance als ein Gesamtkonzept, welches darauf abzielt, Mitarbeitern beider Geschlechter zu ermöglichen, dass sie „Erfolg und Zufriedenheit in der Berufsarbeit, ein glückliches Familienleben und erfüllende soziale Beziehungen im Privatleben“ (Häuser et al. 2006, S. 26) haben. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter Möglichkeiten der Selbstentfaltung und Möglichkeiten zum Erhalt ihrer Gesundheit haben. Häuser et al. sehen darin auch eine positive Wirkung auf die Arbeitsleistung (vgl. Häuser et al., 2006, S. 26).

Kaiser, Ringelstetter und Stolz (2009) fassen Work-Life-Balance als „ein dynamisches Konstrukt, das nur vor dem Hintergrund individuell-subjektiver Gegebenheiten verstanden werden kann“ zusammen (Kaiser et al. 2009, S. 30).

Klimpel und Schütte (2006) bezeichnen Work-Life-Balance als eine Strategie, deren Ziel es ist, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern langfristig zu erhalten. Dies erfolgt durch die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Gesundheit, sozialer Anerkennung und sozialen Beziehungen sowie Selbstverwirklichung. Work-Life-Balance fügt die Aspekte Gesundheit, Zeitmanagement, Chancengleichheit, Selbstverwirklichung und Familienfreundlichkeit in einem ganzheitlichen Konzept zusammen. (vgl. Klimpel & Schütte, 2006, S. 32)

Nach einer Definition von Zaugg (2006) beschäftigt sich Work-Life-Balance

mit der Schaffung eines psychologischen Gleichgewichts zwischen dem Erwerbsleben und dem Privatleben anhand von individuellen, organisationalen und gesellschaftlichen Maßnahmen“ (Zaugg, 2006, S. 9). Dabei werden mit dem Begriff der „Arbeit“ die Erwerbsarbeit und alle damit einhergehenden Tätigkeiten verbunden. Alle Tätigkeiten, die außerhalb des Erwerbslebens stattfinden, werden dem Privatleben zugerechnet. Die Begriffe „Privatleben“ und „Erwerbsleben“ verwendet Zaugg (2006) bewusst, da sie auch Tätigkeiten mit einbeziehen, die als zweckgebunden und fremdbestimmt empfunden werden. Daneben gibt es Tätigkeiten, die nicht eindeutig einem Lebensbereich zugeordnet werden können. Zaugg (2006) bezeichnet den Bereich, in dem solche Tätigkeiten zu finden sind, als Überschneidungsbereich.

Sowohl im Bereich des Privatlebens wie auch im Bereich des Erwerbslebens gibt es Aktivitäten, die als selbst- oder fremdbestimmt wahrgenommen werden. Die individuelle Wahrnehmung ist abhängig von der individuellen Einstellung zur jeweiligen Tätigkeit. Zaugg (2006) zufolge ist der Grad der Fremdbestimmung ein Zusatzkriterium, um die individuelle Balance zwischen beiden Bereichen zu untersuchen. Mit „Balance“ meint Zaugg (2006) hier eine individuelle Bewertung der Lebenswelten im Sinne eines psychologischen Gleichgewichts. Dies wird durch die Minimierung der als fremdbestimmten Tätigkeiten erreicht. (vgl. Zaugg, 2006, S. 5 f.)

Dass eine hohe Autonomie und Partizipation am Arbeitsplatz das Gleichgewicht zwischen Erwerbs- und Privatleben fördern, belegen auch die Befunde von Guest (2002, S. 269 ff.).

Abbildung 2 fasst diese Überlegungen grafisch zusammen. Alle dargestellten Ellipsen können je nach individueller Bewertung unterschiedlich groß ausfallen. Die Frage, wie die beiden Bereiche miteinander interagieren, wird in Kapitel 4 noch einmal aufgegriffen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Erwerbsleben und Privatleben als Objekte der Work-Life-Balance (vgl. Zaugg, 2006, S. 8)

2.3 Forschungsbereiche von Work-Life-Balance

Insgesamt bezeichnet Work-Life-Balance ein Forschungsgebiet, welches unter diversen Fragestellungen die Qualität und das Verhältnis verschiedener Arbeits- und Lebensbereiche untersucht (vgl. Resch & Bamberg, 2005, S. 174).

In Anlehnung an das Alltagsverständnis von Work-Life-Balance beschreiben Wachenfeld und Wiesmann (2008) vorrangig zwei Ziele solcher Konzepte. Erstens soll durch sie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erreicht werden. Zweitens tragen sie dazu bei, die Zufriedenheit der Arbeitnehmer zu stärken (vgl. Wachenfeld & Wiesmann, 2008, S. 58).

Es gibt eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen, die sich mit Work-Life-Balance beschäftigen. Diese sind vor allem die Soziologie, die Genderforschung im Rahmen der Politikwissenschaften, die Arbeits- und Organisationspsychologie sowie die Betriebswirtschaftslehre im Rahmen des Personalmanagements. Dennoch gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs. (vgl. Schobert, 2007, S. 19)

Bei der Forschung zum Themengebiet Work-Life Balance geht es insgesamt um die Koordination und Integration verschiedener Lebensbereiche. Innerhalb der Arbeitspsychologie geht es dabei um die ausdrückliche Berücksichtigung außerberuflicher Lebensbereiche. Konflikte zwischen dem beruflichen und dem privaten Lebensbereich stellen den Kernpunkt der Work-Life-Balance Diskussionen dar. (vgl. Resch und Bamberg, 2005, S.171; Wiese, 2007, S. 246 ff.)

Aus arbeitspsychologischer Sicht geht es nicht nur um den Zustand der Balance zwischen Beruf und Privatleben, sondern auch um die Ausgestaltung der Balance (vgl. Resch & Bamberg, 2005, S. 173). Resch und Bamberg sprechen daher auch von einem „Prozess des Balancierens" (Resch & Bamberg, 2005, S. 173).

Die Balance kann sich sowohl auf Balance innerhalb einer kurzfristigen Zeitperspektive wie z. B. auf das Alltagshandeln als auch auf eine längerfristige Perspektive z. B. das Management verschiedener Lebensphasen, beziehen (vgl. Abele, 2005, S. 175 f.).

Die deutschsprachige Literatur beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Vereinbarungsproblematik von Familie und Beruf (vgl. Jürgens, 2006, S. 167). Diskussionen um diesen Aspekt werden meist auf familienpolitischer Ebene geführt und betreffen in der Regel die Problematiken berufstätiger Mütter und ihre Belastungen durch die unterschiedlichen Rollen im privaten und beruflichen Bereich.

Zunehmend geht es aber auch um die generelle Notwendigkeit familienfreundlicher Maßnahmen. Immer mehr Väter haben ebenfalls den Wunsch, ihr Berufsleben so zu gestalten, dass sie die Möglichkeit haben, sich neben der Berufstätigkeit im familiären Bereich zu engagieren. (vgl. Michalk & Nieder, 2007, S. 11 f.)

Als wichtigste familienfreundliche Maßnahmen nennt Rost (2004) flexible Arbeitszeiten, Unterstützung bei der Kinderbetreuung sowie eine Personalpolitik, die durch eine familienbewusste Unternehmensphilosophie gekennzeichnet ist (vgl. Rost, 2004, S. 13).

Die Bedeutung von Work-Life-Balance impliziert darüber hinaus die Betrachtung alltäglicher Probleme, welche im Zusammenhang von Berufs- und Privatleben auftreten. Einige Autoren gehen in ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung bis zur Forderung nach gesellschaftlichen Veränderungen (vgl. Michalk & Nieder, 2007, S. 12).

Die Uneindeutigkeit des Work-Life-Balance Begriffs resultiert auch aus den vielen unterschiedlichen Fragestellungen, die sich aus der Diskussion um die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ergeben. Der Zugang zu diesem Themengebiet variiert je nach dem, in welchem Kontext er gebraucht wird. Der wohl gängigste Zugang ist der Genderzugang. Hier steht vor allem die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie im Vordergrund. Weitere mögliche Zugänge, sich der Work-Life-Balance Problematik zu nähern, sind z. B. der medizinische Zugang, bei dem Fragen der psychischen und physischen Gesundheit im Vordergrund stehen, sowie der Zugang der Organisationspsychologie, der soziologische Zugang, der Zugang über Arbeitslosigkeit und Arbeitsverhältnisse oder auch ökonomische Zugänge. (vgl. Kastner, 2004, S. 68 ff.)

2.4 Betriebswirtschaftliche Bedeutung von Work-Life-Balance

Ursprünglich kommt der Begriff Work-Life-Balance aus dem US-amerikanischen Personalentwicklungsmanagement. Heute wird er als Oberbegriff zu den Wechselwirkungen zwischen Lebensbereichen verwendet. In Deutschland und in den USA geht es bei der Diskussion von Work-Life-Balance primär um die betriebliche Ebene.

Die Idee der Work-Life-Balance Konzepte ist es, durch ein Gleichgewicht der Anforderungen und Bedürfnisse verschiedener Lebensbereiche die Leistungsfähigkeit und Kreativität der Mitarbeiter langfristig zu erhalten. Insbesondere geht es dabei um Rekrutierung hoch qualifizierter Mitarbeiter und ihre Bindung an das Unternehmen, um Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu erzielen. (vgl. Jürgens, 2006, S. 165; Oechsle, 2008, S. 227)

Als Beispiel solcher Programme nennt Jürgens (2006): Fitnessstudios im Betrieb, Supervisionsangebote oder Zeitmanagementseminare sowie die Vermittlung verschiedenster Serviceleistungen wie z. B. Wäsche- und Einkaufsdienst oder Tagesmütter. Ziel der Programme soll sein, die Personalkosten zu senken, indem Ausfallzeiten, Leistungsschwächen und Motivationsverlusten vorgebeugt werden. Dabei bedarf es nicht nur der Einführung von Work-Life-Balance Maßnahmen, sondern es muss eine veränderte Firmenkultur etabliert werden, in der private und betriebliche Ziele miteinander in Einklang gebracht werden können. (vgl. Jürgens, 2006, S. 165)

Ziel betrieblicher Work-Life-Balance Maßnahmen ist es, unter Berücksichtigung privater, sozialer, kultureller und gesundheitlicher Erfordernisse erfolgreiche Berufsbiografien zu ermöglichen. Innerhalb dieser grundsätzlichen Betrachtungsweise bildet die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen zentralen Aspekt. (vgl. Prognos, 2005a, S. 1)

Das BMFSFJ (2005b) versteht Work-Life-Balance ebenfalls als Wirtschaftsthema. Bei erfolgreicher Umsetzung betrieblicher Work-Life-Balance-Maßnahmen entsteht eine dreifache Gewinnsituation. Diese resultiert aus den Vorteilen für die beschäftigten Individuen, die Unternehmen sowie die Gesellschaft insgesamt. Work-Life-Balance wird als: „neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt" (BMFSFJ, 2005b, S. 4) definiert.

Ziel betrieblicher Work-Life-Balance-Maßnahmen ist es, das Humankapital der Mitarbeiter unter Berücksichtigung privater, sozialer, kultureller und gesundheitlicher Aspekte bestmöglich im Unternehmen nutzen zu können. (vgl. BMFSFJ; 2005b, S. 4)

Typische familienfreundliche[11] Programme sind von den Unternehmen so gestaltet, dass sie sich besonders auf die Commitmentperspektive konzentrieren. Solche familienfreundlichen Programme helfen den Beschäftigten, Konflikte zwischen beruflichen und privaten Anforderungen zu reduzieren. Dadurch werden die Mitarbeiterbindung und die Produktivität des Mitarbeiters gestärkt. (vgl. z. B. Sutton & Noe, 2005, S. 161)

2.5 Gesellschaftliche Bedeutung von Work-Life-Balance

Diskussionen um Work-Life-Balance werden in Deutschland meist auf familienpolitischer Ebene geführt und betreffen in der Regel die Problematiken berufstätiger Mütter und ihre Belastungen durch die unterschiedlichen Rollen im privaten und beruflichen Bereich.

Zunehmend geht es aber auch um die generelle Notwendigkeit familienfreundlicher Maßnahmen. Immer mehr Väter haben ebenfalls den Wunsch, ihr Berufsleben so zu gestalten, dass sie die Möglichkeit haben, sich neben der Berufstätigkeit im familiären Bereich zu engagieren (vgl. Michalk & Nieder, 2007, S. 11 f.).

Auch Mohn und Schmidt (2004) sind der Ansicht, dass von einer familienfreundlichen Unternehmenskultur eine dreifache Gewinnsituation ausgeht. Erstens profitieren die Familien, da sie bei der Koordination von Berufs- und Privatleben entlastet werden. Zweitens profitiert der Staat, da er durch höhere Erwerbsbeteiligung mehr Steuern und Sozialabgaben einnimmt. Und drittens bringt eine familienorientierte Personalpolitik Wettbewerbs- und Standortvorteile sowie Kosteneinsparungen mit sich. (vgl. Mohn & Schmidt, 2004, S.15)

Eine strikte Trennung der Begriffe „Work" und „Life" ist besonders vor dem Hintergrund sich wandelnder Arbeitsverhältnisse häufig kaum mehr möglich. Flexible Gestaltungen von Arbeitszeit und -ort sowie die permanente mobile Erreichbarkeit der Mitarbeiter führen vielfach zum Verschwimmen der Grenzen von Arbeit und Freizeit.

In der Literatur wird Work-Life-Balance häufig mit einer gesellschaftspolitischen Aufgabe zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Verbindung gebracht. Schneider (2007, S. 65) postuliert, dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland und in Anbetracht des Wandels der Geschlechterrollen und veränderter Anforderungen im Berufsleben die Erleichterung der Vereinbarkeit beider Bereiche zentraler Bestandteil von Work-Life-Balance Konzepten sein soll. Darüber hinaus sollen Work-Life-Balance Konzepte darauf abzielen, allen Mitarbeitern „Zufriedenheit in der Berufsarbeit, ein glückliches Familienleben und erfüllende soziale Beziehungen im Privatleben" (Schneider, 2007, S. 65) zu ermöglichen.

2.6 Wirkungsweise von Work-Life-Balance Konzepten

Mit der Implementierung von Work-Life-Balance Maßnahmen ist immer ein Umdenken in der Grundhaltung zur Arbeit verbunden. Arbeit ist nicht nur ein Mittel, um das Überleben zu sichern, sondern für die meisten Individuen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens.

Stehen die Bereiche Berufs- und Privatleben dauerhaft im Konflikt zueinander, hat dies sowohl negative Auswirkungen auf die Unternehmen, deren Mitarbeiter sich in diesem Dilemma befinden, als auch auf die beschäftigten Individuen selbst. Schlimmstenfalls kommt es zum Burn-out der Mitarbeiter. Ziel von Work-Life-Balance ist es darum, über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinaus für Männer und Frauen eine Ausgewogenheit zwischen den beruflichen und privaten Interessen zu schaffen. (vgl. Thom, 2008, S. 233 f.)

Thom (2008) beschreibt Work-Life-Balance daher als: „Gleichgewicht [...] zwischen Berufs- und Privatleben, zwischen Körper, Geist und Seele, zwischen Arbeit und Entspannung, zwischen Müssen und Wollen" (Thom, 2008, S. 234).

Die berufundfamilie gGmbH nennt vor allem drei Ebenen, auf denen sich die Implementierung von vereinbarkeitsfördernden Maßnahmen nachhaltig auswirkt. Erstens wirkten diese Maßnahmen im Bewusstsein der vorhandenen Mitarbeiter, weil diese so das Engagement ihres Unternehmens positiv wahrnehmen. Zweitens spielt es eine Rolle bei der Rekrutierung qualifizierten Nachwuchses. Drittens wird dadurch ein Imagegewinn bei den Kunden des Unternehmens erzielt. (vgl. Gemeinnützige Herti-Stiftung, 2008, S. 9)

Kaiser et al. (2009) schlagen eine Unterscheidung zwischen kompensatorischen und echten Work-Life-Balance Maßnahmen vor. Zu den kompensatorischen Maßnahmen zählen sie z. B. Maßnahmen des Stessmanagements, da diese versuchen, vor allem die Symptome von Work-Life-Balance Konflikten zu behandeln. Echte Work-Life-Balance Maßnahmen versuchen darüber hinaus, Lösungen für die Interrollenkonflikte zu finden. Dazu zählen z. B. Maßnahmen zur Arbeitsflexibilisierung. Interrollenkonflikte treten auf, wenn die unterschiedlichen Rollen, die ein Individuum in der Gesellschaft einnimmt, in Konflikt geraten, weil die Partizipation an einer Rolle die Partizipation an einer anderen Rolle erschwert. Die Lösung von Interrollenkonflikten ist nach Kaiser et al. die zentrale Aufgabe von Work-Life-Balance (vgl. Kaiser et al., 2009, S. 30).

Klimpel und Schütte (2006) betonen die Bedeutung des „Grundbedürfnis[es] des Menschen nach Sicherheit, Gesundheit, Wertschätzung, sozialen Beziehungen und Selbstverwirklichung" (Klimpel & Schütte, 2006, S. 32) im Zusammenhang mit dem Erhalt der Gesundheit. Daher sollten „Zielsetzungen von betrieblichen Work-Life-Balance-Maßnahmen [...] mit diesen Erwartungshaltungen in Einklang" gebracht werden und die Komponenten Selbstverwirklichung, Chancengleichheit, Gesundheit, Zeitmanagement und Familienfreundlichkeit als ganzheitliches Konzept in sich vereinen" (Klimpel & Schütte, 2006, S. 32).

In dieser Arbeit wird Work-Life-Balance in dem engen Betrachtungsrahmen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie diskutiert. Somit wird Work-Life-Balance in Anlehnung an Häuser et al. (2006, S. 26) als ein Gesamtkonzept verstanden, welches Arbeitnehmern mit Kindern oder Kinderwunsch die Möglichkeit bietet, Arbeit und Privatleben so miteinander zu verbinden, dass es möglich ist, Erfolg im Berufsleben zu haben und gleichzeitig ein erfülltes Privatleben zu führen.

2.7 Ziele von Work-Life-Balance

In Anlehnung an das Alltagsverständnis von Work-Life-Balance beschreiben Wachenfeld und Wiesmann (2008) vorrangig zwei Ziele solcher Konzepte. Erstens soll durch sie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erreicht werden. Zweitens tragen sie dazu bei, die Zufriedenheit der Arbeitnehmer zu stärken (vgl. Wachenfeld & Wiesmann 2008, S. 58).

Im Ergebnis streben Work-Life-Balance Konzepte einen positiven Erlebniszustand an. Dieser soll sich aus der Erfüllung der Bedürfnisse und Erwartungen im beruflichen und im privaten Bereich ergeben. Das Erleben dieses Balancezustandes ist individuell unterschiedlich und von subjektiven und soziokulturellen Aspekten abhängig (vgl. Wiese, 2007, S. 247).

Work-Life-Balance Konzepte sollen neben ökonomischen Vorteilen Unternehmen die Möglichkeit bieten, Belastungssituationen der Mitarbeiter zu entschärfen und die Wertschätzung des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern auszudrücken. Dies soll dann letztendlich zu einer gesteigerten Arbeitsmotivation der Mitarbeiter führen. (vgl. Rockrohr, 2003, S. 15 ff.) Rockrohr beschreibt Work-Life-Balance in diesem Sinn als „eine Investition in das partnerschaftliche Verhältnis von Unternehmen und Mitarbeitern" (Rockrohr, 2003, S. 15).

Insgesamt steht das Konstrukt der Work-Life-Balance immer in einem humanistisch orientierten Zusammenhang. Es ist an der ganzheitlichen Betrachtung des Menschen orientiert. (vgl. Thom, 2008, S. 247) Thom bezeichnet Work-Life-Balance daher als „Schutzschild gegen Burn-out" (Thom, 2008, S. 247).

2.8 Das Vier-Felder-Schema nach Kastner

Die Vielfalt der Zugänge zeigt, dass eine einheitliche Verwendung des Work-Life-Balance Begriffs kaum möglich ist.

[...]


[1] In dieser Arbeit wird aufgrund der besseren Lesbarkeit das generische Maskulin verwendet. Soweit es nicht explizit anders formuliert wird, ist damit stets die weibliche und männliche Sprachform gemeint.

[2] Siehe Glossar im Anhang.

[3] Siehe Glossar im Anhang.

[4] Siehe Glossar im Anhang.

[5] Commtiment und Bindung sind synonyme Begriffe. Kapitel 5 greift dies noch einmal auf.

[6] Trotz der gesamtgesellschaftlichen wie auch betriebswirtschaftlichen Relevanz fehlt es an fundierten empirischen Analysen, die das Familienbewusstsein deutscher Unternehmen messen (vgl. Schneider et al., 2010, S. 126).

[7] Siehe Glossar im Anhang.

[8] Siehe Glossar im Anhang.

[9] Siehe Glossar im Anhang.

[10] Siehe Glossar im Anhang.

[11] Siehe Glossar im Anhang.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842809185
DOI
10.3239/9783842809185
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover – Sozialwissenschaften, Soziologie und Sozialpsychologie
Erscheinungsdatum
2011 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
commitment familienpolitik bindung motivation
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Titel: Work-Life-Balance als Zukunftsaufgabe
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