Lade Inhalt...

Schauspielpädagogik im Wettkampfsport

Ansätze zur Leistungsoptimierung und Persönlichkeitsentwicklung anhand der Praxisbeispiele Fußball und Boxen

©2010 Diplomarbeit 100 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Zuerst einmal stellt sich die Frage, ob zwei sich in kaum einer Weise nahe stehende Wissenschaften wie die Sportpädagogik und die Schauspielpädagogik überhaupt gegenüberstellen lassen. Betrachten wir jedoch die jeweilige Praxis, die beiden Wissenschaften zugrunde liegt, so finden sich doch einige Parallelen.
Gerade der Hochleistungssport lebt vom Publikum. Der Zuschauer leistet mentale Unterstützung, wenn die Fußballmannschaft im eigenen Stadion den Favoriten schlägt, der Boxer in der zehnten Runde neuen Aufwind spürt, weil ihn sein Publikum anfeuert oder der Stabhochspringer die Zuschauer auffordert, ihn durch rhythmisches Klatschen zu unterstützen. Der Zuschauer sorgt aber auch für Einnahmen durch Sponsoring und Werbung.
Umgekehrt sind es die Wirkung der sportlichen Leistung, die Spannung und vielleicht auch zuletzt die Persönlichkeit des Athleten, die den Zuschauer dazu animieren, den Fernseher einzuschalten, ins Stadion zu gehen oder gar seinem sportlichen Idol oder seiner Fußballmannschaft hinterher zu reisen.
Auch im Theater findet eine Wechselbeziehung zwischen Darsteller und Publikum statt – ein direkter Austausch, der beide Seiten beeinflusst und beflügelt. Aber nicht nur das Publikum vereint Theater und Sport, auch andere Ordnungen und Strukturen zeigen Gemeinsamkeiten auf.
Der Sportler wird kaum an seine Höchstleistung kommen ohne einen guten Trainer. Auch der Schauspieler ist nur so gut, wie ihn sein Regisseur führt.
In beiden Situationen sorgt die Bühne im Vorfeld für große Aufregung und Anspannung. Was für den Schauspieler die Bretter sind, die die Welt bedeuten, ist für den Fußballer das Spielfeld, für den Boxer der Ring, für den Leichtathleten das Stadion und für den Schwimmer das Becken. Der Umgang mit Lampenfieber wird in beiden Wissenschaften genauso thematisiert, wie die Freude, die Lust und die Motivation in Bezug auf die Durchführung und den Erfolg auf der jeweiligen ‘Bühne’.
Ein Einwand könnte aber berechtigten Platz finden: der Schauspieler spiele ja nur eine Rolle, während der Sportler auf Höchstleistung seiner Disziplin nachgehe. Umgekehrt könnte aber auch in den Raum geworfen werden, dass der Sportler ebenfalls eine Rolle spiele.
Wenn ein Vitali Klitschko in den Ring steigt und seinen Gegner ohne mit der Wimper zu zucken anvisiert und mit seinen Blicken keine Sekunde von ihm weicht, dann ist das nicht mehr der Vitali Klitschko, der für Fitnessketten oder Süßwaren heiter und fröhlich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Benjamin Stoll
Schauspielpädagogik im Wettkampfsport
Ansätze zur Leistungsoptimierung und Persönlichkeitsentwicklung anhand der
Praxisbeispiele Fußball und Boxen
ISBN: 978-3-8428-0884-3
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Zugl. Universität Potsdam, Potsdam, Deutschland, Diplomarbeit, 2010
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2011

Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
R
Abbildungsverzeichnis
S
Einführung
T
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
V
.
Status und Rolle
NM
.
Temperament
NR
.
Sicherheit und Prinzip der Anonymität
OO
.
Die vierte Wand und das Lampenfieber
PO
.
Authentizität
PR
Schauspielpädagogischer Ansatz im Wettkampfsport
PV
Bedeutung der schauspielpädagogischen Aspekte für den Fußballsport
QP
.
Status und Rolle im Fußball
QR
.
Temperament im Fußball
RP
.
Sicherheit und Prinzip der Anonymität im Fußball
RQ
.
Die vierte Wand im Fußball
RS
.
Authentizität im Fußball
RS
Bedeutung der schauspielpädagogischen Aspekte für den Boxsport
RU
.
Status und Rolle im Boxen
RU
.
Temperament im Boxen
SO
.
Sicherheit und Prinzip der Anonymität im Boxen
SP
.
Die vierte Wand im Boxen
SP
.
Authentizität im Boxen
SQ
Inhaltsverzeichnis

Praktische Übungen und Methoden und deren Umsetzungsmöglichkeiten im Wett-
kampfsport
SR
.
Improvisation
SS
.. Definition
SS
.. Rahmenbedingungen und Regeln
ST
.
Status-Übungen und Rollenspiel
SU
.. Status wahrnehmen
SU
.. Status spielen
TO
.. Rollenspiel
TS
.
Übungen zu den Temperamenten
TU
.
Übungen zur Sicherheit und zum Prinzip der Anonymität
UQ
.
Übung zur ,,vierten Wand"
UT
.
Finden einer authentischen Rolle
UT
Fazit und Ausblick
VM
Literatur
VO
Inhaltsverzeichnis
_________________
Aufgrund der sprachlichen Einfachheit ist der in dieser Arbeit verwendete maskuline Genus in Bezug auf Personen
und Personengruppen ­ wenn nicht anders gekennzeichnet ­ als übergeschlechtliches Androgynum zu betrach-
ten. Es sind also ausdrücklich beide Geschlechter gemeint.

Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
R
Abb.
Abbildung
akt.
aktualisierte
ARD
Arbeitsgemeinscha der öffentlich-rechtli-
chen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik
Deutschland
Aufl.
Auflage
Ausg.
Ausgabe
bearb.
bearbeitet
BLV
Bayerischer Landwirtschasverlag
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
CA
California
ca.
circa
DABV
Deutscher Amateur-Box-Verband
(seit 2003: Deutscher Boxsport-Verband e.
:
V.)
Dez.
Dezember
DFB
Deutscher Fußball-Bund e.
:
V.
Dipl.-Psych. Diplom-Psychologe
ebd.
ebenda
Ed.
editor
ed.
edition/edited
erg.
ergänzte
erw.
erweiterte
et al.
et alii
etc.
et cetera
e.
:
V.
eingetragener Verein
f.
folgende Seite
ff.
folgende Seiten
FC
Fußball-Club
FL
Florida
franz.
französisch
ggf.
gegebenenfalls
gr.
Griechisch
hg.
herausgegeben
Hrsg.
Herausgeber
ital.
Italienisch
Jr.
Junior
Kap.
Kapitel
km/h
Kilometer pro Stunde
K.
:
o.
Knock out
korr.
korrigierte
lat.
Latein
Ltg.
Leitung
n.
:
Chr.
nach Christus
NLP
Neurolinguistisches Programmieren
p.
page
pp.
pages
Prof. Dr.
Professor Doktor
S.
Seite
s.
siehe
u.
und
u.
:
a.
unter anderem/und andere
überarb.
überarbeitete
UdK
Universität der Künste (Berlin)
UEFA
Union of European Football Associations
unv.
unveränderte
v.
:
Chr.
vor Christus
v.
:
a.
vor allem
VAK
Verlag für angewandte Kinesiologie
VfB
Verein für Bewegungsspiele
VfL
Verein für Leibesübungen
vgl.
vergleiche
vollst.
vollständig
vs.
versus
WM
Weltmeisterscha
z.
:
B.
zum Beispiel
zit.
:
n.
zitiert nach

Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Statusmodell
14
Abb. 2
Die vier Temperamente im zweidimensionalen Modell
16
Abb. 3
Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker
17
Abb. 4
Gegensätze und Verbindungen der Temperamente
20
Abb. 5
Die vier Elemente und ihre Temperamente
21
Abb. 6
Bedürfnispyramide
22
Abb. 7
Kauerstellung und Engelshaltung
25
Abb. 8
Kakerlake und soziale Erleichterung
26
Abb. 9
Soziale Erleichterung und soziales Faulenzen
28
Abb. 10
,,It All started on a Bus": Die Plakataktion im Bus
29
Abb. 11
Die vierte Wand im eater
32
Abb. 12
Modell der Authentizität
36
Abb. 13
Faktoren der Kondition
40
Abb. 14
Psychische Eigenschaen
40
Abb. 15
Triadische Struktur des pädagogischen Handlungsspielraums
42
Abb. 16
Einflussfaktoren auf die Spielleistung gegenüber der Trainingsleistung
43
Abb. 17
Einflussfaktoren auf die Spielleistung
44
Abb. 18
Einflussfelder bei der Entwicklung der Spielerpersönlichkeit
44
Abb. 19
Ronaldos Schusskunst
48
Abb. 20
Olaf on beim Gang zum Elfmeterpunkt im Halbfinale der WM 1990
50
Abb. 21
Grafites Treffer zum 5:1 beim Spiel VfL Wolfsburg ­ FC Bayern München
52
Abb. 22
Die taktischen Kampfhandlungen des Boxens
60
Abb. 23
Weite Distanz, Halbdistanz und Nahdistanz
62
Abb. 24
Mögliche Umsetzung der Übung 3 im Fußballtraining
71
Abb. 25
Mögliche Umsetzung der Übung 6 im Fußballtraining
75
Abb. 26
Mögliche Umsetzung der Übungen 5 und 6 im Sparring
75
Abb. 27
Erde, Lu, Wasser und Feuer als Improvisation
78
Abb. 28
Mögliche Umsetzung der Übung 9 im Fußballtraining
81
Abb. 29
Sandsacktraining
82
Abb. 30
Pratzentraining
85
Abbildungsverzeichnis
=S

1
Einführung
Zuerst einmal stellt sich die Frage, ob zwei sich in kaum einer Weise nahe stehende Wissen-
schaen wie die Sportpädagogik und die Schauspielpädagogik überhaupt gegenüberstellen lassen.
Betrachten wir jedoch die jeweilige Praxis, die beiden Wissenschaen zugrunde liegt, so finden
sich doch einige Parallelen.
Gerade der Hochleistungssport lebt vom Publikum. Der Zuschauer leistet mentale Unterstüt-
zung, wenn die Fußballmannscha im eigenen Stadion den Favoriten schlägt, der Boxer in der
zehnten Runde neuen Aufwind spürt, weil ihn sein Publikum anfeuert oder der Stabhochspringer
die Zuschauer auffordert, ihn durch rhythmisches Klatschen zu unterstützen. Der Zuschauer
sorgt aber auch für Einnahmen durch Sponsoring und Werbung.
Umgekehrt sind es die Wirkung der sportlichen Leistung, die Spannung und vielleicht auch zu-
letzt die Persönlichkeit des Athleten, die den Zuschauer dazu animieren, den Fernseher einzu-
schalten, ins Stadion zu gehen oder gar seinem sportlichen Idol oder seiner Fußballmannscha
hinterher zu reisen.
Auch im eater findet eine Wechselbeziehung zwischen Darsteller und Publikum statt ­ ein
direkter Austausch, der beide Seiten beeinflusst und beflügelt. Aber nicht nur das Publikum ver-
eint eater und Sport, auch andere Ordnungen und Strukturen zeigen Gemeinsamkeiten auf.
Der Sportler wird kaum an seine Höchstleistung kommen ohne einen guten Trainer. Auch der
Schauspieler ist nur so gut, wie ihn sein Regisseur führt.
In beiden Situationen sorgt die Bühne im Vorfeld für große Aufregung und Anspannung. Was
für den Schauspieler die Bretter sind, die die Welt bedeuten, ist für den Fußballer das Spielfeld,
für den Boxer der Ring, für den Leichtathleten das Stadion und für den Schwimmer das Becken.
Der Umgang mit Lampenfieber wird in beiden Wissenschaen genauso thematisiert, wie die
Freude, die Lust und die Motivation in Bezug auf die Durchführung und den Erfolg auf der je-
weiligen ,,Bühne".
Ein Einwand könnte aber berechtigten Platz finden: der Schauspieler spiele ja nur eine Rolle,
während der Sportler auf Höchstleistung seiner Disziplin nachgehe.
Umgekehrt könnte aber auch in den Raum geworfen werden, dass der Sportler ebenfalls eine
Rolle spiele.
Wenn ein Vitali Klitschko in den Ring steigt und seinen Gegner ohne mit der Wimper zu zu-
cken anvisiert und mit seinen Blicken keine Sekunde von ihm weicht, dann ist das nicht mehr der
Vitali Klitschko, der für Fitnessketten oder Süßwaren heiter und fröhlich Werbung macht ­ oder
zumindest Vitali Klitschko in einer anderen Rolle.
Wenn ein Tyson Gay vor dem Start zum 100-Meter-Lauf machtkampfartig posiert um als ,,Psy-
chospielchen" seinen Gegnern schon vorab den Kampf anzusagen, dann ist das eine andere Rolle,
als wenn er zu Hause bei seiner Familie weilt.
Genauso sorgte die teils bedrohlich wirkende Figur Oliver Kahns im Tor des FC Bayern Mün-
chens für Respekt bei den Gegnern.
Deshalb stellt sich vielmehr die Frage: Hat die Rolle, die Sportler im Wettkampf spielen, durch
ihre Wirkung auf den Gegner eine Auswirkung auf die eigene Leistung und gibt es Möglichkeiten
Einführung
T

und Ansätze zu lernen, eine Erfolg bringende Rolle im Wettkampfsport überzeugend und glaub-
würdig ­ authentisch ­ rüberzubringen?
Zu bedenken ist auch die Tatsache, dass viele Spitzensportler dem Druck im Rampenlicht nicht
gewachsen zu sein scheinen und resigniert aufgeben oder gar in die Depression getrieben wer-
den. Das Schicksal Sebastian Deislers oder der Freitod Robert Enkes lassen die Dunkelziffer nur
erahnen und umso mehr die Alarmglocken läuten.
Daher liegt es nahe, einen Vergleich zu wagen und Ansätze aus der Schauspielpädagogik aufzu-
zeigen und vorzustellen, inwieweit diese auf die Sportpädagogik übertragbar sind und dort An-
wendung finden können.
Einführung
U

2
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
Bevor auf einzelne schauspielpädagogische Elemente eingegangen werden kann, soll zu Beginn
der über Rolle und Figur hinausgehende Bezug zur Persönlichkeit hergestellt und erläutert wer-
den.
Der multidimensionale und facettenreiche Begriff der Persönlichkeit wurde von Pervin (2000,
S.
:
31) durch ,,jene Charakteristika oder Merkmale" des Menschen dargestellt, ,,die konsistente
Muster des Fühlens, Denkens und Verhaltens ausmachen". Diese Definition findet in der Psycho-
logie mittlerweile allgemeine Anerkennung (Beckmann & Elbe, 2008).
Artus, Griesch, Müller und Schröder verwiesen bereits 1982 auf die Bedeutung der Persönlich-
keitsentwicklung im sportlichen Training und der damit verbundenen Verantwortung der Trainer
gegenüber ihren Sportlern. Während Bakker, Whiting und van der Brug (1992) einen Zusam-
menhang zwischen Sport und Persönlichkeit bestritten, widmete Conzelmann (2001) diesem
ema gar ein ganzes Buch. Dabei betonte er mit Verweis auf Grupe und Kurz (1992), dass die
Sportpädagogik ,,die erzieherische Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für die Entwick-
lung der gesamten Persönlichkeit" stärker auf Basis ,,anthropologischer, soziologischer, psycholo-
gischer und medizinischer Einsichten" betrachte, während die Trainingslehre, Bewegungslehre
und Sportmedizin sich mehr mit den ,,Wirkungen sportlicher Aktivitäten auf den körperlich-mo-
torischen Bereich der Persönlichkeit" auseinandersetzten. Zudem würde der Begriff der Persön-
lichkeit im Sport ,,in der sportwissenschalichen Persönlichkeitsforschung nie eigenständig, son-
dern durchweg in Anlehnung an den Diskussionsstand in der Psychologie diskutiert". Dabei sei
ein ,,mehr oder weniger großes ,time-lag` charakteristisch" (Conzelmann, 2001, S.
:
20).
Seine Untersuchungsbefunde zum Verhältnis ,,Sport und Persönlichkeit" widersprechen den
Alltagserfahrungen, was ,,vor allem darin liegen düre, dass allgemeine Persönlichkeitsmerkmale
in Bezug zu sportlichem Verhalten gesetzt werden, ohne dass überhaupt eine spezifische Verbin-
dung dieser Persönlichkeitseigenschaen mit dem untersuchten Sport zu erwarten wäre" (Beck-
mann & Elbe, 2008, S.
:
41). Wichtig sei hier also die Ausdifferenzierung der verschiedenen Sport-
arten und deren spezieller Anforderungsprofile.
In der Schauspielpädagogik stellt sich ebenfalls die Frage nach einem Zusammenhang zwischen
Schauspielen und Persönlichkeitsentwicklung (Czerny, 2004; Ebert, 2010). Die wenigen empiri-
schen Studien beziehen sich aber fast ausschließlich auf eater mit Kindern und Jugendlichen
(Bittner, 2009; Chaib, 1996; Domkowsky, 2002; Ewen, 2006; Schilling, 2002) und bieten daher
nicht den Umfang und die damit verbundene Aussagekra von Conzelmann. Dennoch ließen
sich auch hier die Modellvorstellungen der Selektions- und Sozialisationshypothese (Beckmann
& Elbe, 2008; Conzelmann, 2001) auf die Schauspielpädagogik übertragen. Denn die Meinungen
bezüglich der Frage, ob jeder (ein erfolgreicher) Schauspieler werden könne oder ob man als
Schauspieler geboren werde, gehen auch hier auseinander (Boldt, 2006; Ebert, 2010; Ebert & Pen-
ka, 1998; Matiasek, 1987; Oberender, 2005). Die Willenskra ist Voraussetzung, um sich auf die
schauspielerischen Prozesse einzulassen. Bei den Stimmen, die behaupten, jeder könne Schau-
spieler werden, sei dahin gestellt, ob sie erlernbar ist ­ wenn sie denn fehlt.
Ziel dieser Arbeit ist aber nicht aus dem Sportler einen professionellen Schauspieler zu machen,
daher sind die im Folgenden diskutierten schauspielpädagogischen Ansätze als fachübergreifende
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
V

Horizonterweiterung zu betrachten. Im optimalen Falle bieten sie Trainern und Talentsuchern
die Möglichkeit, Sportler, die zwar mit viel Talent aber wenig Persönlichkeit ausgestattet sind,
nicht durchs Raster fallen lassen zu müssen bzw. dieses neu erstellen zu können (Beckmann, Sei-
del & Elbe, 2002) sowie Spitzensportler in ihrer Leistungspräsentation (Väth, 1994; Gebauer, 1973)
pädagogisch zu unterstützen.
Um die Persönlichkeit als Ganzes zu erfassen, wurden verschiedene Modelle und eorien ent-
wickelt (Asendorpf, 1996; Fisseni, 1998; Mischel, 1981; Pervin & John, 1997; Sader & Weber, 1996;
Schneewind, 1982, 1984). Mittlerweile findet aber das von Sprache und Kultur unabhängige ,,Big-
Five-Modell" von Costa und McCrae (1985) in der Psychologie große Akzeptanz (vgl. Beckmann
& Elbe, 2008, S.
:
40). Es gliedert die Persönlichkeit in fünf Dimensionen auf:
­
Extraversion ­ Introversion
­
Emotionale Stabilität ­ emotionale Instabilität
­
Offenheit ­ Verschlossenheit
­
Soziale Verträglichkeit, Liebenswürdigkeit ­ Unverträglichkeit
­
Gewissenhaigkeit, Sorgfältigkeit ­ Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit
Diesen fünf Dimensionen lassen sich auch die schauspielpädagogisch relevanten verhaltensspe-
zifischen Aspekte der Persönlichkeit zuordnen. Auf sie soll im Folgenden v.
:
a. im Blick auf den
Status und die Rolle, das Temperament, die Sicherheit, das Lampenfieber beim Umgang mit Pub-
likum und die Authentizität im Sinne der Echtheit und der Glaubwürdigkeit des Verhaltens ein-
gegangen werden. Dies wird verstärkt durch die Tatsache, dass die Schauspielpädagogik hinsicht-
lich der Rolle in großem Umfang die Wirkung auf das Umfeld ­ wie z.
:
B. auf den Zuschauer oder
in diesem Fall auch auf den gegnerischen Sportler ­ mit einbezieht.
2.1
Status und Rolle
Im Allgemeinen bezeichnet der Status die ,,Bewertung oder das Ansehen, welches ein Individu-
um aufgrund seiner sozialen Position [...] erhält." (Clauß, Kulka, Rösler, Timpe & Vorwerg, 1986,
S.
:
596). Häcker und Stapf (1998) weisen zudem auf die äußerliche Kennzeichnung des Status
durch ,,bestimmte Symbole" hin um die Rangordnung zu signalisieren sowie auf das ,,Statuskon-
tinuum", das die stufenweise Rangordnung innerhalb einer Gruppe bezeichnet (S.
:
835). Dabei ist
zu beachten, dass zwei Personen in einer Gruppe niemals den gleichen Status besitzen. Selbst bei
gleichem offiziellem Rang (wie z.
:
B. zwei Generäle) besitzt eine der beiden Personen immer einen
­ wenn auch nur geringfügig ­ höheren Status (Argyle, 1975; Johnstone, 1993; Schmitt & Esser,
2009). Dabei unterscheidet Johnstone (1993) zwei Statusformen: Hochstatus und Tiefstatus. Im
Extremfall sind beide Statusformen Ausdruck der Abwehrhaltung. Eine Person mit reinem Hoch-
status signalisiert ihrem Umfeld: ,,Komm mir nicht näher, ich beiße." Dagegen bringt eine Person
mit reinem Tiefstatus zum Ausdruck: ,,Beiß mich nicht, ich bin der Mühe nicht wert." (ebd.,
S.
:
71). Neben diesen beiden Formen unterscheidet Johnstone zwischen drei Statustypen: dem
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NM

Hochstatus-Spieler, dem Tiefstatus-Spieler und dem Status-Experten
1
. Dabei ist mit ,,Spieler"
kein professioneller Darsteller oder gar Schauspieler gemeint, sondern allgemein die Tatsache,
dass der Mensch sich in zwischenmenschlicher Kommunikation gerne verstellt und in Rollen
schlüp.
Während der Hochstatus-Spieler stets versucht, Überlegenheit und Unantastbarkeit auszudrü-
cken, weicht der Tiefstatus-Spieler aus, in dem er sich unterordnet oder gar unterwir. Beide
Formen wirken dabei sehr statisch. Der Status-Experte dagegen nimmt einen dynamischen Status
ein. Er passt seinen Status seinem Umfeld an um sein Gegenüber für sich zu gewinnen und hebt
dann seinen Status wieder an, wenn es darum geht, Führung zu übernehmen. Ein ähnliches Phä-
nomen beschreibt die Psychologie im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) beim Pacing
and Leading (vgl. Bandler & Grindler, 1976, S.
:
25
:
ff.).
Hierbei wird deutlich, dass der Status nicht festgelegt, sondern veränderbar ist. Auch kann der
soziale Status, den eine Person einnimmt, ein anderer sein, als der Status, den diese Person in ei-
ner bestimmten Situation erhält. So beschreibt Johnstone folgenden Dialog zwischen einem
Landstreicher und einer Herzogin, in dem der Landstreicher gegenüber der Herzogin einen deut-
lich höheren Status einnimmt:
DER LANDSTREICHER: He! Wo gehst du hin?
DIE HERZOGIN: Entschuldigung, ich habe nicht ganz verstanden ...
DER LANDSTREICHER: Du bist wohl blind und taub dazu? (Johnstone, 1993, S.
:
57)
Das Verhalten, das eng mit der Rolle und dem Status verbunden ist, führt in dieser Situation
zum Statustausch. Der Landstreicher herrscht für diesen Moment über die Herzogin, weil ihr Sta-
tus und ihre Contenance es nicht erlauben, sich auf den Landstreicher in dieser Art einzulassen.
Wäre die Herzogin im Sinne von Johnstone statt einer Hochstatus-Spielerin eine Status-Expertin,
wäre es ein Leichtes für sie, sich auf den Landstreicher einzulassen und seinen Angriff schlagfer-
tig zu erwidern um anschließend wieder ihre Position einzunehmen und die Hierarchie zu wah-
ren.
Neben äußeren Statussymbolen und Haltung äußert sich der Status in weiteren Punkten. So gibt
die Art und Weise der Bewegung ebenfalls Aufschluss über den Status. Ein Hochstatus-Spieler
,,versucht, sich sehr geschmeidig zu bewegen", während im Tiefstatus die Bewegungen eher
,,ruckartig" seien (ebd., S.
:
71). Johnstone schreibt dazu:
Die Zeitlupe erzielt eine Hochstatus-Wirkung. Deshalb werden Fernsehhelden, die die Fähigkeit ha-
ben, sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit fortzubewegen, in Zeitlupe gezeigt! Scheinbar wäre
es folgerichtig, den Film schneller laufen zu lassen, doch dann würden sie wie die Keystone Cops he-
rumzappeln (Johnstone, 1993, S.
:
125).
Auch die Form des Lächelns gibt Aufschluss über den Status. So signalisiert man dem Gegen-
über einen tieferen Status, wenn beim Lächeln sowohl die obere als auch die untere Zahnreihe zu
sehen ist (vgl. ebd., S.
:
79). Will man Hochstatus vermitteln, zeigt man nur die oberen Zähne.
Henschke und Steinhoff (1977) untersuchten die Interpretationsfähigkeit von Kopfhaltungen
und kamen zu dem Schluss, ,,dass man Kopfhaltungen bzw. -bewegungen zur Manipulation ein-
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NN
1
Schmitt und Esser (2009, S.
:
90) bezeichnen die dritte Form als ,,Status-Artisten".

setzen kann" (S.
:
59), denn ,,der Kommunikationsempfänger kann Kopfhaltungen bzw. -bewegun-
gen eindeutig interpretieren und ließe sich somit manipulieren" (S.
:
59). Auch Johnstone (1993,
1998) widmet sich der Kopfhaltung und deren Wirkung auf andere. Eine starre Kopfhaltung in
der Kommunikation ordnet er dem Hochstatus zu, während ein Tiefstatus-Spieler beim Kommu-
nizieren den Kopf eher unruhig bewegt und mit den Augen zwinkert:
Clint Eastwood hat als Hochstatusexperte ein Vermögen verdient. Versuchen Sie, seinen berühmten
Satz: ,,Nur zu, Freundchen!" auszusprechen, während Sie mit dem Kopf wackeln ­ Sie werden sehen,
wie wirkungslos er wird (Johnstone, 1998, S.
:
357).
Nicht zu vernachlässigen ist der Blickkontakt. Die Art und Weise wie man sich gegenseitig in
die Augen schaut ist ebenfalls eng mit dem Status verbunden und führte schon Ende der 60er
Jahre und in den 70ern zu heigen Diskussionen um die Hierarchie beim Blickkontakt. 1968 gin-
gen Strongman und Champness davon aus, dass diejenige Person, die zuerst mit dem Blick aus-
weicht, die dominantere sei. In ihrer Untersuchung schauten Personen mit niedrigerem Status die
dominanteren in einer Gruppe häufiger an. Strongman und Champness argumentierten, dass
Personen mit höherem Status ihre Dominanz durch weniger Blickkontakt zum Ausdruck bräch-
ten. Damit meinten sie die von Argyle und Dean (1965) aufgestellte ese zu widerlegen, derjeni-
ge sei dominanter, der den anderen länger anschaue. Später stellte ayer (1969) fest, dass domi-
nantere Personen andere Menschen insgesamt zwar weniger anschauten, dafür aber länger Blick-
kontakt hielten, was durch ein ähnliches Ergebnis von Rubin (1970) bekräigt wurde. Exline
(1971) und Exline, Ellyson und Long (1975) brachten dagegen die ,,Drohstarre" von Andrew (1963)
ins Spiel, die ihrer Ansicht nach der Grund dafür sei, dass dominantere Personen eben doch öer
und länger den Blick hielten, wogegen Menschen mit niedrigerem Status aufgrund der Bedro-
hung zuerst mit dem Blick auswichen. Auch die Studien von Argyle und Ingham (1972) und
Wagner, Ellgring und Clarke (1981) konnten diese verschiedenen Beobachtungen im Blickverhal-
ten nicht klären.
Johnstone argumentiert mit der Studie von Ellsworth, Carlsmith und Henson (1972), bei der an
einer roten Ampel angestarrte Autofahrer bei grün schneller anfuhren als unbeobachtete, und
fügte die verschiedenen zugrunde liegenden Forschungsergebnisse mit der Begründung zusam-
men, dass ,,das Abbrechen des Blickkontakts Hochstatus [beweise], solange man nicht gleich da-
rauf für den Bruchteil einer Sekunde wieder hinschaut" (S.
:
68). So würde man seinen Status he-
ben, wenn man den anderen durch Wegschauen ignoriere, ,,wen es [aber] dazu drängt, gleich
wieder hinzusehen, der senkt ihn" (S.
:
68). In Bezug auf die Drohstarre von Andrew ist dieser kur-
ze Blick zurück gewissermaßen ein unsicheres Überprüfen, ob die Bedrohung noch da ist.
Aber nicht nur ein kurzer Blick zurück signalisiert den Tiefstatus. Wenn derjenige, der zuerst
mit dem Blick ausweicht, anschließend für den Bruchteil einer Sekunde auf den Boden schaut,
drückt er damit ebenfalls seine Unsicherheit aus und senkt seinen Status unter den des anderen
(Näheres dazu in Kap. 2.3).
Im Weiteren zeigt Johnstone die kleinen Unterschiede im Statusausdruck auch in der verbalen
Kommunikation. Häufige Äh-Laute beim freien Sprechen signalisieren zwar in der Regel Unsi-
cherheit, können aber unterschiedliche Status signalisieren. So senken sie nur dann den eigenen
Status, wenn die Ähs kurz und abgehackt gesprochen werden. Dagegen drückt ein langgezogenes
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NO

Äh dem Gesprächspartner aus: ,,Unterbrich mich nicht, auch wenn ich noch nicht weiß, was ich
sagen will" (ebd., S.
:
70) und hebt den Status an. Wenn in allen kommunikativen Bereichen Status
dargestellt wird, stellt sich die Frage, ob es möglich ist, im Status neutral zu bleiben. Johnstone
zeigt an dieser Stelle auf, dass Botschaen stets vom Empfänger modifiziert werden. So kann das
,,Guten Morgen" vom Direktor als herabsetzend empfunden werden, ,,während der Bankange-
stellte es als Status-hebend [sic] empfindet" (ebd., S.
:
59). Von Status-Neutralität kann in diesem
Zusammenhang also nicht gesprochen werden. Es ist eher der Fall, dass versucht wird, den Status
zu verstecken:
Auf Gruppenphotographien kann man erkennen, wie Leute versuchen, ,,neutral" zu sein. Sie ver-
schränken die Arme oder pressen sie eng an den Körper, als wollten sie sagen: ,,Seht! Ich beanspruche
nicht einen Millimeter mehr Raum, als mir zusteht", und sie halten sich sehr aufrecht, als wollten sie
zeigen: ,,Ich bin aber auch nicht unterwürfig!" Wenn jemand eine Kamera auf dich richtet, läufst du
Gefahr, daß dein Status aufgedeckt wird, also blödelst du herum oder zeigst absichtlich überhaupt kei-
nen Ausdruck. Auf gestellten Gruppenphotos sieht man erwartungsgemäß Leute, die ihren Status hü-
ten. Wenn sie nicht wissen, dass sie photographiert werden, kommt man zu ganz anderen Ergebnissen
(Johnstone, 1993, S.
:
59).
Da man nach Johnstone den Status nie loswerden kann, finden auch im engen Freundeskreis so
genannte Status-Spiele statt (ebd., S.
:
59). Johnstone geht sogar davon aus, dass erst durch die Be-
reitscha, sich auf Status-Spiele einzulassen, aus Bekannten Freunde werden können (ebd., S.
:
60).
Wenn ich einem Bekannten morgens eine Tasse Tee anbiete, kann ich sagen: ,,Haben Sie gut geschla-
fen?" oder etwas ähnliches ,,Neutrales", der Status wird durch die Stimme, die Körperhaltung, den
Blickkontakt und so weiter hergestellt. Wenn ich die Tasse Tee einem Freund bringe, sage ich vielleicht:
,,Steh auf, alter Ochse" oder ,,Der Tee, Eure Hoheit", ich gebe also vor, Status zu heben oder zu senken
(Johnstone, 1993, S.
:
60).
Schmitt und Esser (2009) unterscheiden zudem zwischen einem inneren und einem äußeren
Status der nie absolut, sondern immer relativ in Abhängigkeit zum Gegenüber steht:
O spielen Menschen nur den starken Mann bzw. die starke Frau, obwohl sie im Inneren keineswegs
so sicher und entschlossen sind, wie es den Anschein haben soll. Umgekehrt kann es sein, dass jemand
nach außen eine untergeordnete Position einnimmt, innerlich aber einer klaren Strategie folgt und sie,
trotz scheinbarer Unterlegenheit, am Ende durchsetzt (Schmitt & Esser, 2009, S.
:
22).
Ihr Statusmodell beruht auf den Dimensionen der interpersonalen Einstellungen
2
von Argyle
(1975). Dabei ordnen sie den äußeren Status der Dimension ,,Ablehnung ­ Sympathie" zu, weil
dieser Ausdruck der Beziehung sei. Der innere Status sei dagegen durch die Haltung der Person
eine Frage der Machtposition und wird von Schmitt und Esser in die Dimension ,,Nachgiebig-
keit ­ Durchsetzungsvermögen" einsortiert (Abb. 1).
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NP
2
Bei Argyle (1975, S.
:
86) lauten die den Dimensionen ,,Hostile ­ Friendly" und ,,Submissive ­ Dominant".

Dadurch unterscheiden sie vier unterschiedliche Haltungen (ebd., S.
:
23):
­
Tief fühlen, nach außen aber hoch spielen: Der ,,Arrogante" verscha sich weder Respekt
noch Sympathie.
­
Tief fühlen und nach außen tief spielen: Der ,,Teamplayer" erzeugt zwar hohe Sympathiewer-
te, bekommt jedoch wenig Respekt.
­
Hoch fühlen, nach außen aber tief spielen: Dem ,,Charismatiker" gelingt es, respektiert zu
werden und gleichzeitig sympathisch zu sein.
­
Hoch fühlen und nach außen auch hoch spielen: Der ,,Macher" verscha sich großen Re-
spekt, verliert aber an Sympathie.
Der ,,Charismatiker" ist nach Schmitt und Esser die Haltung, die es zu erlernen gilt, da sie zwar
,,größten Einsatz erfordert und die höchsten Ansprüche an den Status-Spieler stellt", aber am En-
de ,,reiche Früchte" trüge (ebd., S.
:
24). Des Weiteren vereine jeder in unterschiedlichen Situatio-
nen alle vier Status-Typen in sich, tendiere aber zu einem bevorzugten Status-Typ, der unbewusst
und ,,scheinbar unausweichlich" immer wieder zum Ausdruck käme, ,,er funktioniert wie ein
Autopilot, der in sozial schwierigen Situationen automatisch die Führung übernimmt" (ebd.,
S.
:
24). Es gelte daher, ,,das Spiel [...] auf eine bewusste Ebene zu heben" (ebd., S.
:
23).
Broich (1999) bringt den Status in engen Zusammenhang mit der Rolle, wobei ,,die Rolle als
dynamischer Aspekt vom Status [...] die Realisierung der mit dem Status zusammenhängenden
Ansprüche, Rechte und Pflichten" sei (ebd., S.
:
11). Im Gegenzug deutet Friedrich (2001) auf die
Abb. 1
Statusmodell (Schmitt & Esser, 2009, S.
:
22)
DURCHSETZUNGSVERMÖGEN
NACHGIEBIGKEIT
SYMPAPTHIE
ABLEHNUNG
M
A
CHT
-
KOORDINA
TE
BEZIEHUNGS-
KOORDINATE
INNEN = H
AUSSEN = T
INNEN = T
AUSSEN = H
INNEN U. AUSSEN = TIEF
INNEN U. AUSSEN = HOCH
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NQ

Schwierigkeit der Disktutierbarkeit des Begriffs in den Sozialwissenschaen hin und verweist auf
die Definition von Heinemann:
Unter sozialer Rolle verstehen wir die Summe der Erwartungen und Ansprüche, die eine Gruppe, ein
größerer Daseinsbereich [...] oder die Gesellscha insgesamt an das Verhalten und das äußere Er-
scheinungsbild des Inhabers einer sozialen Position richtet. Die Rolle sagt damit noch nichts über das
faktische Verhalten eines Positionsinhabers (Heinemann, 1980, S.
:
60).
In der Schauspielpädagogik bedeutet eine (darzustellende) Rolle darüber hinaus den Schaffens-
prozess des Darstellers, ein inneres Bild nach außen zu projizieren und dabei konkret in Bezug
auf Figur und Situation zu werden (Ebert, 1979; Simhandl, 1990). Der Darsteller spaltet sich dabei
in einen aktivierten und einen nichtaktivierten Teil. ,,Anders ausgedrückt: der Darsteller verdop-
pelt sich in 1) den Produzenten des Abbildes und 2) in das Abbild selbst" (Simhandl, 1990, S.
:
46).
Vergleicht man nun Schauspiel und Sport miteinander, kann die Rolle des Sportlers verschiede-
ne Gestalt annehmen. So spielt er als Favorit die Rolle des Helden, als Herausforderer im ,,gegne-
rischen Lager" dagegen mimt er den bösen Buben. In beiden Fällen muss er sich dieser Rolle be-
wusst sein und sie annehmen. Beispielsweise ein Boxer, der als Held in den Ring steigt, wird es
sich mit dem Publikum verscherzen, wenn er unfair boxt, sich z.
:
B. permanent wegdreht oder zu
viele Tiefschläge austeilt. Dann darf er nicht mehr mit der Publikumsunterstützung rechnen, die
ihm in den letzten Runden eventuell den nötigen Aufschwung verleiht.
Wenn sein Kontrahent dagegen als böser Bube den Ring betritt, braucht dieser keine Energie zu
vergeuden, das Publikum durch Sympathien auf seine Seite zu ziehen. Denn er hat diese Rolle
vom Publikum schon fest aufgedrückt bekommen. Er fährt besser, wenn er diese Rolle auch
durchzieht und die Energie der pfeifenden und buhenden Zuschauer dazu benutzt, erst recht wei-
ter zu machen.
Bezieht man Status und Rolle auf das Big-Five-Modell, findet sich der Status überwiegend in
den Dimensionen ,,Extraversion ­ Intraversion", ,,Emotionale Stabilität ­ emotionale Instabilität"
und ,,Offenheit ­ Verschlossenheit" wieder. Die Rolle dagegen zeigt die Person in ihrer ganzen
Persönlichkeit und lässt sich daher nicht auf einzelne Dimensionen beschränken. Sie findet sich
in allen Dimensionen wieder.
2.2
Temperament
Neben dem Status stellt das Temperament im Schauspiel ein weiteres wesentliches Merkmal dar.
Vom lateinischen Verb temperáre (mäßigen, mischen; lat. temperamentum das richtige Maß, die
richtige Mischung) wird das Temperament in der Psychologie als ,,die vorherrschende Art und
die individuelle Eigenart des Ablaufs der seelischen Vorgänge" bezeichnet (Dorsch, Häcker &
Stapf, 1992, S.
:
680). Dabei reicht die Lehre der Temperamente bis in die Antike zurück, als der
Begründer der westlichen Medizin, Hippokrates (460­377 v.
:
Chr.) und später der römische Arzt
Galen (129­199 n.
:
Chr.) einen kausalen Zusammenhang zwischen seelischem Ausdruck und Un-
gleichgewicht der vier Körpersäe (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle) aufstellten (Eysenck
& Eysenck, 1985). Sie unterschieden dabei vier Grundtypen ­ Sanguiniker, Melancholiker, Chole-
riker und Phlegmatiker ­ in Bezug auf ihr Temperament und ordneten diese dem Überhang je-
weils eines der vier Körpersäe entlang den Dimensionen ,,warm ­ kalt" und ,,trocken ­ feucht"
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NR

zu. Dieser Überhang sollte zudem für jeweils eines der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und
Lu stehen (Hofstätter, 1977).
Diese psychoneuroendokrinologische eorie von Temperamentstypen beruhte auf rein
sprachlicher Assoziation und wurde, wie Asendorpf beschreibt, um 1900 von Wilhelm Wundt
,,zu einem zweidimensionalen Modell mit den Dimensionen ,Stärke der Gemütsbewegung` und
,Schnelligkeit des Wechsels der Gemütsbewegungen`" (Asendorpf, 2009, S.
:
29) erweitert.
Eysenck (1953/1985) knüpe daran an und ordnete die vier Grundtypen einem Koordinatensys-
tem zu, indem er die Dimensionen ,,Extraversion ­ Introversion" (s.
Big-Five-Modell, Punkt
:
1) von
Pawlows Psychophysiologie der Temperamente und ,,labil ­ stabil" (s. Big-Five-Modell, Punkt
:
2)
des Neurotizismus zusammenbrachte (Abb. 2).
Nach diesem Schema ruhen Sanguiniker und Phlegmatiker in sich selbst und sind von äußeren
Einflüssen unabhängiger als die labil eingestuen Melancholiker und Choleriker, die von äußeren
Einflüssen sehr schnell aus der Ruhe zu bringen sind. Im Gegensatz dazu richten sowohl Choleri-
ker als auch Sanguiniker ihr Verhalten nach außen und sind dadurch wesentlich ausdrucksstärker
und aktiver als die nach innen gekehrten passiven Phlegmatiker und Melancholiker. Heutzutage
in der Psychologie als biologische Persönlichkeitstheorie bezeichnet, diente diese Sichtweise vie-
len Autoren als Grundlage und wurde von ihnen weiter ausgebaut und vertie (Eysenck & Ey-
senck, 1985; Meyer, 1988; Netter & Hennig, 2005). Dennoch soll im Folgenden auf den Ansatz
Hippokrates' und Galens und ihre vier Temperamentstypen in Zusammenhang mit den vier Ele-
menten eingegangen werden, da sie in der Schauspielpädagogik von großer Relevanz sind und
Abb. 2 Die vier Temperamente im zweidimensionalen Modell (nach Eysenck & Eysenck, 1985, S.
:
50;
deutsche Bezeichnungen aus Hermann, 1969, S.
:
248)
INTROVERTED
(introvertiert)
EXTRAVERTED
(extravertiert)
UNSTABLE
(labil)
STABLE
(stabil)
Melancholiker
Choleriker
Sanguiniker
Phlegmatiker
QUIET
(schweigsam)
UNSOCIABLE
(ungesellig)
RESERVED
(zurückhaltend)
PESSIMISTIC
(pessimistisch)
SOBER
(bedrückt)
RIGID
(rigide)
ANXIOUS
(ängstlich)
MOODY
(launisch)
ACTIVE
(aktiv)
OPTIMISTIC
(optimistisch)
IMPULSIVE
(impulsiv)
CHANGEABLE
(wechselhaft)
EXCITABLE
(reizbar)
AGGRESSIVE
(aggressiv)
RESTLESS
(unruhig)
TOUCHY
(emp ndlich)
LEADERSHIP
(tonangebend)
CAREFREE
(sorglos)
LIVELY
(lebhaft)
EASYGOING
(lässig)
RESPONSE
(teilnehmend)
TALAKTIVE
(gesprächig)
OUTGOING
(aus sich herausgehend)
SOCIABLE
(gesellig)
CALM
(ruhig)
EVEN-TEMPERED
(ausgeglichen)
RELIABLE
(zuverlässig)
CONTROLLED
(beherrscht)
PEACEFUL
(friedlich)
THOUGHTFUL
(nachdenklich)
CAREFUL
(sorgsam)
PASSIVE
(passiv)
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NS

eine einfache Herangehensweise an Emotionen und Ausdrucksweisen in der Darstellung ermög-
lichen (Abb. 3; Müller, 1984; Bartussek, 1990).
Der Sanguiniker
Elan und Lebensfreude verdanke man der Kra des Blutes, und so schrieb Immanuel Kant 1798
über den Sanguiniker (lat. sánguis Blut, Kra):
Er ist sorglos und von guter Hoffnung; gibt jedem Dinge für den Augenblick eine große Wichtigkeit,
und den folgenden mag er daran nicht weiter denken. Er verspricht ehrlicherweise, aber hält nicht
Wort: weil er nicht vorher tief genug nachgedacht hat, ob er es auch zu halten vermögend sein werde.
Er ist gutmütig genug, anderen Hülfe zu leisten, ist aber ein schlimmer Schuldner und verlangt immer
Fristen. Er ist ein guter Gesellschaer, scherzha, aufgeräumt, mag keinem Dinge gerne große Wich-
tigkeit geben (Vive la bagatelle!) und hat alle Menschen zu Freunden (Kant, 1798/2000, S.
:
214).
Littauer (1994) beschreibt den Sanguiniker durch seine extrovertierte und stabile Art als an-
sprechende, redselige und humorvolle Persönlichkeit. Er sei enthusiastisch, ausdrucksvoll und
optimistisch. Er könne andere Menschen begeistern und antreiben und zeichne sich so als Füh-
rungspersönlichkeit aus (ebd., S.
:
23). Dagegen sei er oberflächlich und undiszipliniert und verlie-
re schnell die Geduld. Er habe zwar viele Freunde um sich herum, sobald es aber um ernstere
emen ginge, zöge er sich schnell zurück. Durch seine Redseligkeit neige er zu Übertreibungen
und stieße Leute mit seiner angeberischen Art vor den Kopf oder nerve durch seine laute Stimme.
Er neige zu falschen Prioritäten und sei leicht abzulenken. Angefangene Arbeit führe er selten zu
Ende (ebd., S.
:
98).
Nach der antiken Lehre ähnle seine Leichtigkeit, Fröhlichkeit und Leidenscha dem Element
Lu in den Dimensionen feucht/warm (Hofstätter, 1977).
Abb. 3 Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker (Molcho, 1983, S.
:
12
:
f.)
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NT

Der Melancholiker
Die schwarze Galle mache schwermütig und trübsinnig, deshalb sei sie verantwortlich für die
Regungen des Melancholikers (gr. melas schwarz, cholé Galle):
Der zur Melancholie Gestimmte [...] gibt allen Dingen, die ihn selbst angehen, eine große Wichtigkeit,
findet allerwärts Ursache zu Besorgnissen und richtet seine Aufmerksamkeit zuerst auf die Schwierig-
keiten, so wie dagegen der Sanguinische von der Hoffnung des Gelingens anhebt: daher jener auch tief,
so wie dieser nur oberflächlich denkt. Er verspricht schwerlich: weil ihm das Worthalten teuer, aber
das Vermögen dazu bedenklich ist. Nicht daß dieses alles aus moralischen Ursachen geschähe (denn es
ist hier von sinnlichen Triebfedern die Rede), sondern weil ihm das Widerspiel Ungelegenheit und ihn
eben darum besorgt, mißtrauisch und bedenklich, dadurch aber auch für den Frohsinn unempfänglich
macht (Kant, 1798/2000, S.
:
215).
Ein Melancholiker sei nach Littauer ein sehr nachdenklicher, verschlossener und pessimisti-
scher Mensch. Er analysiere gerne und sei kreativ und künstlerisch oder musikalisch begabt. Er
habe Feingefühl und großes Einfühlvermögen, was die Belange anderer Menschen anginge. Er sei
aufopferungsvoll und gewissenha. Dadurch plane er sehr genau und ginge die Dinge perfektio-
nistisch an. Er erkenne sehr schnell die Probleme und fände kreative Lösungen. Im Gegensatz
zum Sanguiniker müsse er zu Ende führen, was er angefangen habe und sei sehr ordentlich und
sorgfältig (ebd., S.
:
41). Dagegen sei er sehr launisch und deprimiert und nähme Dinge schnell
persönlich. Er lebe in seiner Gefühlswelt und neige zu Hypochondrie. Die Ziele, die er sich setze,
seien meistens unerreichbar und er würde gerne zum Märtyrer. Er plane zu ausgedehnt und de-
tailliert und ziehe die Analyse der Arbeit vor. Er könne sich o selbst nicht leiden und benötige
viel Anerkennung (ebd., S.
:
115). Durch seinen Schwermut und Trübsinn ähnele er nach der anti-
ken Lehre in Art und Weise dem Element Erde in den Dimensionen trocken/kalt (Hofstätter,
1977).
Der Choleriker
Halsstarrigkeit, Aufgeregtheit und Ungeduld sei Ursache zu viel gelber Galle, welche verant-
wortlich für den Namen des Cholerikers (gr. cholé gelbe Galle) sei:
Man sagt von ihm: er ist hitzig, brennt schnell auf, wie Strohfeuer; läßt sich durch Nachgeben des an-
deren bald besänigen, zürnt alsdann, ohne zu hassen, und liebt wohl gar den noch desto mehr, der
ihm bald nachgegeben hat. ­ Seine Tätigkeit ist rasch, aber nicht anhaltend. ­ Er ist geschäig, aber
unterzieht sich selbst ungern den Geschäen, eben darum weil er es nicht anhaltend ist, und macht
also gern den bloßen Befehlshaber, der sie leitet, aber selbst nicht ausführen will. Daher ist seine herr-
schende Leidenscha Ehrbegierde; er hat gern mit öffentlichen Geschäen zu tun und will laut geprie-
sen sein (Kant, 1798/2000, S.
:
215
:
f.).
Für Littauer ist der Choleriker der dynamischste und aktivste unter den Temperamentstypen.
Er verspüre meistens Drang zur Veränderung und müsse Fehler korrigieren. Er sei entschlossen
und willensstark, aber nicht emotional. Er sei nicht leicht zu entmutigen, unabhängig und selb-
ständig. Er sprühe vor Ehrgeiz und sei zielstrebig. Durch seine Auffassungsgabe behielte er stets
den Überblick, sei organisiert und könne Arbeiten gut delegieren. Dadurch eigne er sich gut als
Führungskra (vgl. ebd., S.
:
63). Dagegen kommandiere er viel zu gerne herum, sei ungeduldig
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NU

und aufbrausend. Er suche gerne Streit und sei o beleidigt, wenn andere nicht nach seiner Pfeife
tanzten oder tanzen wollten. Er lehne Sentimentalität und Emotionalität ab und gehe über Lei-
chen. Er durchdenke Pläne nicht im Detail und könne taktlos und unverschämt sein. Der Zweck
heilige bei ihm die Mittel (vgl. ebd., S.
:
130). Durch seine energetische Art ähnele er nach der anti-
ken Lehre stark dem Element Feuer in den Dimensionen trocken/warm (Hofstätter, 1977).
Der Phlegmatiker
Der Schleim führe zu Faulheit und Gleichgültigkeit, weswegen Immanuel Kant antriebslose und
apathische Menschen als Phlegmatiker (gr. phlégma Schleim) bezeichnete:
Phlegma, als Schwäche, ist Hang zur Untätigkeit, sich durch selbst starke Triebfedern zu Geschäen
nicht bewegen zu lassen. Die Unempfindlichkeit dafür ist willkürliche Unnützlichkeit und die Neigun-
gen gehen nur auf Sättigung und Schlaf. Phlegma, als Stärke, ist dagegen die Eigenscha: nicht leicht
oder rasch, aber, wenngleich langsam, doch anhaltend bewegt zu werden. ­ Der, welcher eine gute Do-
sis von Phlegma in seiner Mischung hat, wird langsam warm, aber er behält die Wärme länger (Kant,
1798/2000, S.
:
216
:
f.).
Ein Phlegmatiker sei nach Littauer die Ruhe in Person ­ unaufdringlich, unbekümmert und
entspannt. Stets geduldig, kühl und ausgeglichen ginge er Dinge überlegt, beständig und kompe-
tent an. Er sei mitfühlend und gütig, verberge aber Emotionen. Er sei mit dem Leben zufrieden
und nie in Eile. Er stimme gerne zu und sei friedliebend. Er könne sehr gut unter Druck arbeiten,
da ihn nichts so schnell aus der Fassung bringe. Er sei ein guter Zuhörer und Genießer. Durch
seine ruhige stabile Art ziehe er Menschen an, die auf der Suche nach Halt seien (vgl. ebd., S.
:
76).
Dagegen sei er nicht sonderlich begeisterungsfähig und furchtsam und besorgt. Er meide Ver-
antwortung und könne egoistisch sein. Er sei zu kompromissbereit und selbstgerecht. Ihm fehlten
Zielorientierung und Eigenmotivation, da er schwer in Gang käme. Er sei faul und nachlässig und
bremse andere aus. Durch seine harten Urteile und seinen Sarkasmus verscherze er es sich mit
anderen Menschen (vgl. ebd., S.
:
149). Nach der antiken Lehre ähnele der Phlegmatiker am ehes-
ten dem Element Wasser in den Dimensionen feucht/kalt (Hofstätter, 1977).
Während bei Kant die Temperamente klar differenziert waren und er eine Mischung dieser aus-
schloss, sind sowohl bei Hippokrates und Galen durch das Körpersaverhältnis als auch bei Ey-
senck und Eysenck und Littauer die Grenzen fließend und Menschen lassen sich innerhalb dieser
Dimensionen stufenlos einordnen. Littauer schreibt sogar von den üblichen Gegensätzen der
Temperamente, die ,,innere Konflikte, [wie] sanguinische Melancholiker und cholerische Phleg-
matiker, vereinigen können" (ebd., S.
:
169). Auch hätte jeder Mensch zwar einen klaren Schwer-
punkt in einem der Temperamente, jedoch auch ein weiteres Standbein in einem anderem Tem-
perament ,,und zusätzlich verschiedene Eigenschaen aus den restlichen beiden" (ebd., S.
:
165).
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
NV

In Abb. 4 stellt Littauer diese Gegensätze und Verbindungen der unterschiedlichen Typen dar
und zeigt auf, an welcher Stelle sich die Temperamente gleichen, und wo sie einen ausgleichenden
Gegenpol der Persönlichkeit bieten. Entscheidend ist zudem, dass das Temperament als Teil der
Persönlichkeit nicht festgelegt und unveränderbar ist, sondern durch äußere Faktoren beeinflusst
und in Abhängigkeit der Lebenssituation variiert, ,,wobei das genaue Muster der Veränderung
von der jeweiligen Eigenscha abhängt" (Beckmann & Elbe, 2008, S.
:
40).
Auch im Elisabethanischen Zeitalter waren psychische Dispositionen keine Frage der mentalen
Verfassung, sondern vielmehr beeinflusst von den im Körper vorhandenen Säen (Zschirnt,
2000). Diese widerspiegelten nach dem Weltbild der Elisabethaner als Mikrokosmos die Ele-
mente des Makrokosmos (Lovejoy, 2001; Tillyard, 1998), was den Bezug der vier Körpersäe mit
den vier Elementen noch eimal ausdrücklich betonte (Abb. 5).
Abb. 4 Gegensätze und Verbindungen der Temperamente (Littauer, 1994, S.
:
166)
NATÜRLICHE VERBINDUNGEN (BLUTSBRÜDER)
kontaktfreudig, optimistisch, fremütig
introvertiert, pessimistisch, zurückhaltend
NATÜRLICHE VERBINDUNGEN (BLUTSBRÜDER
)
PHLEGMATIKER
MELANCHOLIKER
CHOLERIKER
SANGUINIKER
ER
GÄNZENDE
VERBINDUNGEN
beziehungsor
ien
tier
t
ER
GÄNZENDE
VERBINDUNGEN
auf
gabenor
ien
tier
t
Führungs-
persönlichkeit
Führungs-
persönlichkeit
Beoachter
Beobachter
geistreich
gelassen
entschlossen
organisiert
zielstrebig
orientiert
nicht
zielorientiert
verstandsor
ien
tier
t
willensstar
k
verstandsor
ien
tier
t
willensstar
k
krea
tiv
gefühlsbet
on
t
krea
tiv
gefühlsbet
on
t
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
OM

So war es nicht erstaunlich, dass der im Elisabethanischen Zeitalter lebende Schauspieler und
Dramatiker William Shakespeare von den vier Grundtypen in seinen Stücken regelrecht Ge-
brauch machte, was sich dramaturgisch auch anbot, da durch die gegensätzlichen Figuren genug
Spannung und Attraktivität geboten war.
Der nachdenkliche, depressive Hamlet ist der Melancholiker; der ständig aufbrausende, überdrehte
Hotspur ist der Choleriker (Heinrich IV.); der feuchte, weil ständig betrunkene und unbewegliche
Falstaff mit den Körperausmaßen eines Weinfasses ist der Phlegmatiker (Heinrich IV.); und der fröhli-
che Luikus Mercutio ist der Sanguiniker (Romeo und Julia). Brutus ist hingegen jemand, bei dem sich
alle Säe im Gleichgewicht befinden (Zschirnt, 2000, S.
:
207).
Auch in der Commedia dell'arte
3
spielten die vier Elemente und die dazugehörigen Tempera-
mente eine große Rolle. Hier tauchen die Temperamente in unterschiedlichen Archetypen auf,
wobei im Gegensatz zur antiken Lehre das melancholische Temperament dem Element Wasser
und das phlegmatische dem Element Erde entsprachen (Moraidis, 2009; Müller, 1984).
In der Schauspielpädagogik tauchen daher immer wieder diese vier Grundformen als Archety-
pen der Temperamente mit den zur Versinnbildlichung verknüpen Elementen Feuer, Erde, Was-
ser und Lu auf und dienen dem werdenden Schauspieler als guter Einstieg zum Erlernen von
Ausdruck und Emotion (Bartussek, 1990; Lecoq, 2000; Molcho, 1983; Müller, 1984).
Abb. 5 Die vier Elemente und ihre Temperamente (nach Zschirnt, 2000 und Hofstätter, 1977)
kalt
warm
trocken
feucht
Schleim
WASSER
LUFT
FEUER
ERDE
Melancholiker
Choleriker
Sanguiniker
Phlegmatiker
Blut
schwarze Galle
gelbe Galle
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
ON
3
Die Commedia dell'arte (ital. commedia eater, arte Kunst bzw. Handwerk) war eine im 16. Jahrhundert in Italien
entwickelte Form des Volkstheaters, die sich durch Berufsschauspieler, überwiegend improvisierter Darbietung,
Archetypen sowie Pantomime und Maskenspiel als wesentliche Elemente vom damaligen höfischen Laienthea-
ter abgrenzte (vgl. Moraidis, 2009, S.
:
30
:
ff.). Durch ihr von der Fixation losgelöstes Stegreifmuster bildet sie die
Grundlage der modernen Rollenarbeit und Improvisation (Ebert, 1979).

Da davon ausgegangen wird, dass alle vier Temperamente im Menschen vorhanden und nur
mehr oder weniger ausgeprägt sind, ist es Aufgabe der Schauspielpädagogik, diese zu entfalten
(Penka, 1998). Darauf soll in Kap. 6 ausführlicher eingegangen werden.
Auch für die Sportpädagogik kann die Kategorisierung dieser vier Temperamente von großem
Interesse sein um z.
:
B. beim Teambuilding der Fußballmannscha die Rollenverteilung aufzuzei-
gen und zu erklären (wie bei Brisanz und Gerisch, 2008, in Ansätzen gezeigt) oder aber beim Un-
terstützen des Sportlers, auch im Wettkampf unter schwierigsten Bedingungen aus sich heraus zu
gehen und dennoch seine Emotionen zu kontrollieren.
2.3
Sicherheit und Prinzip der Anonymität
Sicherheit und Unsicherheit beeinflussen den Menschen wesentlich in seiner Handlung und
bilden damit eine entscheidende Grundlage für das Schauspiel. Maslow bezeichnete 1943 in seiner
Motivationstheorie der Persönlichkeit die Sicherheit sogar als eines der Grundbedürfnisse des
Menschen (Abb. 6). Dabei stellte er die Sicherheit auf zweiter Stufe über die physiologischen
Grundbedürfnisse (wie Atmung, Schlaf, Nahrung, Wärme, Gesundheit, Wohnraum, Kleidung,
Sexualität und Bewegung) und behauptete, dass all diese Bedürfnisse angeboren seien und die
nächste Stufe der Bedürfnishierarchie erst erreicht werden könnte, wenn die Bedürfnisse auf da-
runter liegenden Stufen befriedigt seien. Zudem würden Bedürfnisse darüber liegender Stufen
erst im Zuge der Persönlichkeitsentwicklung zum Tragen kommen (Rammsayer, 2005).
Obwohl Maslows Bedürfnispyramide von ihm selbst mehrfach überarbeitet und insbesondere
die mit ihr verknüpen Bedingungen von vielen Autoren kritisiert oder verbessert wurden, ist die
Sicherheit auch bei anderen Autoren ein Grundbedürfnis geblieben (Aronson, Wilson & Akert,
2008; Pekrun, 1988; Rammsayer, 2005; Schmitt & Brunstein, 2005).
Abb. 6 Bedürfnispyramide (nach Maslow, 1943, S.
:
372
:
ff.)
physiological needs
safety needs
love needs
esteem needs
need
for self-
actualization
Schauspielpädagogische Aspekte der Persönlichkeit
OO

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842808843
DOI
10.3239/9783842808843
Dateigröße
3.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Potsdam – Humanwissenschaftliche Fakultät, Sportwissenschaft
Erscheinungsdatum
2011 (Januar)
Note
1,7
Schlagworte
spitzensport theater verhaltenspsychologie medien temperament
Zurück

Titel: Schauspielpädagogik im Wettkampfsport
Cookie-Einstellungen