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"Das hatten wir uns aber anders vorgestellt!"

Gesprächsreihen mit Frauen über die Veränderung der Paarbeziehung durch das erste Kind

©2009 Diplomarbeit 391 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Entschließen sich Paare, eine Familie zu gründen, erhoffen sie meist, ihr Beziehungsglück durch ein gemeinsames Kind noch zu vervollkommnen und ihr Gefühl der Zusammengehörigkeit zu vertiefen. Sie richten auf den ersehnten Nachwuchs viele Hoffnungen und Wünsche und möchten ihrem Kind das Bestmögliche bieten. Die idealistischen Vorstellungen, mit denen Paare häufig ihren Weg in die Elternschaft beginnen, stehen oftmals im herben Gegensatz zu dem, was in der Realität tatsächlich entsteht.
Das erste Kind scheint tatsächlich eine schwere Bewährungsprobe für die Beziehung darzustellen. Zum einen sind die Partner durch die neue, gemeinsame Verantwortung verstärkt aufeinander angewiesen, zum anderen kommt es zum Verlust der Zweisamkeit. Erschwerend kommen Ermüdung, Erschöpfung und Überbelastung hinzu. In der Stressforschung wird beim Übergang vom Paar zur Familie von einem kritischen Lebensübergang gesprochen, welcher eines starken Bewältigungspotentials des Paares bedarf. Dieser Übergang kann zugleich Chance und Gefahr für die Beziehung der Partner bedeuten.
Ratgeber sind häufig undifferenziert und stiften eher Verunsicherung als dass sie eine Hilfe darstellen. Ebenso kann die Tabuisierung sehr belastend sein, besonders wenn man sich gerade selbst in dieser Situation befindet, die möglicherweise aussichtslos erscheint. Die Schwangerschaft bedeutet einen unumkehrbaren Weg.
In dieser Forschungsarbeit soll es darum gehen, Paaren eine realistische Sicht auf den Umbruch zu geben, den der Übergang der Paarbeziehung zur Familie bedeutet. Es wird die These aufgestellt, dass die Qualität und Stabilität der Beziehung vor dem Hinzukommen des Babys und eine unverzerrte Sicht auf die Zukunft entscheidend für das Gelingen der Partnerschaft innerhalb der neu gegründeten Familie sind.
Mein Bezug zum Thema:
Vor einigen Jahren veränderte der Beginn meiner Schwangerschaft die Beziehung zu meinem Partner auf ganz vielschichtige Weise. Beim Lesen zahlreicher Ratgeber musste ich enttäuscht feststellen, dass dort diese Thematik fast unberührt bleibt. Die Darstellungen waren größtenteils klischeehaft und der Partner meist uneingeschränkt fasziniert von allen Veränderungen. Auch in Spielfilmen sind die Schwangerschaft und der Übergang zur Erstelternschaft sehr beliebte Themen, die aber oftmals einseitig, beschönigend und äußerst unrealistisch dargestellt werden. Jedoch kann das Erleben der Schwangerschaft bei möglicherweise fehlenden oder […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kathrin Gooßen
"Das hatten wir uns aber anders vorgestellt!"
Gesprächsreihen mit Frauen über die Veränderung der Paarbeziehung durch das erste
Kind
ISBN: 978-3-8428-0732-7
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2011

Zusammenfassung
In der vorliegenden Forschungsarbeit wurden mit Hilfe von offenen, halbstrukturierten
Interviews fünf Frauen über mehrere Jahre hinweg (in der Schwangerschaft beginnend bis
zum dritten Lebensjahr des Kindes) über ihr Erleben des Übergangs der Paarbeziehung zur
Elternbeziehung mit den sich daraus ergebenden Veränderungen befragt. Die inneren,
persönlichen, physiologischen und emotionalen Erlebenswelten der Frauen standen dabei im
Vordergrund.
Folgende Ergebnisse können aufgewiesen werden:
·
Grundsätzliche Probleme, die bereits vor der Schwangerschaft bestanden hatten,
existierten in der neuen Konstellation als Elternpaar weiterhin und spitzten sich sogar
zu.
·
Ganz deutlich zeigte sich eine für alle Paare unerwartet stark veränderte Sexualität im
Zusammenhang mit dem Übergang zur Elternschaft. Es entstand vielfach ein großes,
komplexes Spannungsfeld innerhalb der Beziehung.
·
Obwohl sie sich teilweise umfassend informiert hatten, besaß keine der
Gesprächspartnerinnen ein realistisches Bild von den neuen Anforderungen, alle waren
überrascht von den neuen Dimensionen der Lebensumstände.
·
Der Umbruch in der Beziehung bei der Entwicklung vom Paar zur Familie unterliegt
einem prozesshaften Charakter, der von Rückschlägen, aber auch immer wieder von
Zuversicht und Freude über den Zugewinn geprägt war.

Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
1.1.
Mein Bezug zum Thema ... .......1
1.2.
Zielsetzung und Grundannahmen...4
1.3.
Aufbau der Arbeit...........6
2. Theorieteil
2.1.
Elternschaft als bedeutsame Erfahrung ...
.
...8
2.2.
Einordnung des Übergangsprozesses zur Erstelternschaft in den
Lebenszyklus ...
.
...9
2.2.1.
Kennzeichen gelingender Partnerschaften ...10
2.2.2.
Kinderwunsch ...
.
...10
2.2.3.
Reorganisation der Rollen ...11
2.3.
Bedeutung von Einstellungen und Vorbereitungen beim Übergang zur
Elternschaft...
.
...11
2.3.1.
Einstellungen zur Schwangerschaft und Elternschaft...11
2.3.2. Geplantheit
der
Schwangerschaft...
.
...12
2.3.3.
Qualität und Dauer der vorgeburtlichen Partnerschaft...
.
...13
2.3.4.
Partnerschaftszufriedenheit vor der Schwangerschaft... .....13
2.3.5.
Übergang von der Beziehungsdyade zur Familientriade...14
2.4.
Schritte des Übergangs zur Elternschaft... .....15
2.4.1.
Phasenmodell nach Gloger-Tippelt...
.
...15
2.4.2.
Anmerkungen zu diesem Modell... .....21
2.4.3. alternative Modelle...
.
...22
2.5.
Auswirkungen und Veränderungen der Partnerschaft in Folge des
Übergangs zur Elternschaft... .....22
2.5.1. Modell kritischer Lebensereignisse nach Filipp... .....23
2.5.2. Folgen der Erstelternschaft für die Partnerschaft (personseitig, interaktional)...
.
...24
2.5.2.1. Belastungserleben...
.
...24
2.5.2.2. Zeit- eine knappe Ressource... .....25
2.5.2.3. Kommunikation und Konfliktstile... .....27
2.5.2.4. Aufgabenneuverteilung und Traditionalisierung... .....29
2.5.2.5. Sexualität...
.
...32
2.5.2.6. Zufriedenheit mit der Partnerschaft...
.
...35
2.6.
Dauer der nachteiligen Veränderungen für die Paarbeziehung....36
2.7.
Bereicherung durch Elternschaft... .....37
3.
Methodischer Teil
3.1.
Entwicklung der Fragestellung...39
3.2.
Wahl der Methode...
.
...40
3.3.
Das Erhebungsverfahren...
.
...43
3.3.1. Auswahl der Stichprobe...45
3.3.2.
Die Suche nach den Gesprächspartnerinnen...45
3.3.3. Das Selbstklärungsgespräch...47

3.3.4. Die Durchführung der Gespräche... .....48
3.4.
Der Auswertungsprozess... .....50
3.4.1. Die Transkription der Gespräche... .....50
3.4.2. Die Verdichtungen... .....51
3.4.3. Die kommunikative Validierung...52
3.4.4. Die Einzelauswertungen...
.
...53
3.4.5. Die Gesamtauswertungen...
.
...53
4.
Empirischer Teil
4.1.
Die Gespräche mit Pinaruh...56
Die Beziehung vor der Schwangerschaft...56
Die Beziehung in der Schwangerschaft... .....61
Die Geburt und die erste Zeit zu dritt...
.
...68
Die Beziehung als Elternpaar in den ersten sechs Monaten...
.
...70
Die Entwicklung der Beziehung bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes...81
4.2.
Die Gespräche mit Sina...
.
...99
Die Beziehung vor der Schwangerschaft...99
Die Beziehung in der Schwangerschaft... ...103
Die Geburt und die erste Zeit zu dritt...
.
...113
Die Beziehung als Elternpaar in den ersten sechs Monaten...
.
...115
Die Entwicklung der Beziehung bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes...125
4.3.
Die Gespräche mit Silke...
.
...135
Die Beziehung vor der Schwangerschaft...135
Die Beziehung in der Schwangerschaft... ...138
Die Geburt und die erste Zeit zu dritt...
.
...144
Die Beziehung als Elternpaar in den ersten sechs Monaten...
.
...146
Die Entwicklung der Beziehung bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes...154
Die Paarbeziehung 2,5 Jahre nach der Geburt des Kindes...
.
...165
4.4.
Die Gespräche mit Franziska...176
Die Beziehung vor der Schwangerschaft...176
Die Beziehung in der Schwangerschaft... ...180
Die Geburt und die erste Zeit zu dritt...
.
...190
Die Beziehung als Elternpaar in den ersten sechs Monaten...
.
...191
4.5.
Die Gespräche mit Aurelie... ...200
Die Beziehung vor der Schwangerschaft...200
Die Beziehung in der Schwangerschaft... ...205
Die Geburt und die erste Zeit zu dritt...
.
...227
Die Beziehung als Elternpaar in den ersten sechs Monaten...
.
...233
Die Entwicklung der Beziehung bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes...248
5.
Auswertung
5.1.
Einzelauswertungen...263
5.1.1. Einzelauswertung Pinaruh...
.
...265
Das emotionale Miteinander als Paar...
.
...265
Organisation/Aufteilung der Aufgaben...268
Sexualität...269
Selbstbild als Frau/Mutter/Partnerin... ...270
Vergleichende Betrachtung der vorgestellten Veränderungen mit der
tatsächlichen Elternschaft...
.
...272
5.1.2. Einzelauswertung Sina...279

Das emotionale Miteinander als Paar...
.
...279
Organisation/Aufteilung der Aufgaben...282
Sexualität...283
Selbstbild als Frau/Mutter/Partnerin... ...285
Vergleichende Betrachtung der vorgestellten Veränderungen mit der
tatsächlichen Elternschaft...
.
...288
5.1.3. Einzelauswertung Silke...295
Das emotionale Miteinander als Paar... ...295
Organisation/Aufteilung der Aufgaben...297
Sexualität...298
Selbstbild als Frau/Mutter/Partnerin... ...301
Krankheit und Trennung...302
Vergleichende Betrachtung der vorgestellten Veränderungen mit der
tatsächlichen Elternschaft...
.
...304
5.1.4. Einzelauswertung Franziska...
.
...312
Das emotionale Miteinander als Paar...
.
...312
Organisation/Aufteilung der Aufgaben...315
Sexualität...317
Selbstbild als Frau/Mutter/Partnerin... ...318
Vergleichende Betrachtung der vorgestellten Veränderungen mit der
tatsächlichen Elternschaft...
.
...320
5.1.5. Einzelauswertung Aurelie...323
Das emotionale Miteinander als Paar...
.
...323
Untreue...327
Organisation/Aufteilung der Aufgaben...329
Sexualität...330
Selbstbild als Frau/Mutter/Partnerin... ...331
Vergleichende Betrachtung der vorgestellten Veränderungen mit der
tatsächlichen Elternschaft...
.
...335
5.2.
Gesamtauswertungen...
.
...340
5.2.1. Tabellarische Gegenüberstellung der Entwicklungsprozesse...341
6.
Diskussion der Ergebnisse
6.1.
Paarzeit...
.
...354
6.2.
Aufgabenteilung... ...356
6.3.
Sexualität...
.
...358
6.4.
Mögliche Untreue des Partners...
.
...361
6.5.
Streitpunkte...362
6.6.
Liebe/Zuneigung...
.
...364
6.7.
Partnerschaftszufriedenheit...366
6.8.
Erwünschtheit des Kindes...370
6.9.
Sorgen/ Befürchtungen...370
6.10.
Veränderungen von Einstellungen und Vorstellungen...
.
...372
6.11.
Bezug zu den Grundannahmen...
.
...374
7.
Kritik und weiterführende Fragestellungen
... ...376
8.
Verwendete Literatur

Einleitung
-1-
1. Einleitung
Entschließen sich Paare, eine Familie zu gründen, erhoffen sie meist, ihr Beziehungsglück
durch ein gemeinsames Kind noch zu vervollkommnen und ihr Gefühl der
Zusammengehörigkeit zu vertiefen. Sie richten auf den ersehnten Nachwuchs viele
Hoffnungen und Wünsche und möchten ihrem Kind das Bestmöglichste bieten.
Die idealistischen Vorstellungen, mit denen Paare häufig ihren Weg in die Elternschaft
beginnen, stehen oftmals im herben Gegensatz zu dem, was in der Realität tatsächlich
entsteht.
Das erste Kind scheint tatsächlich eine schwere Bewährungsprobe für die Beziehung
darzustellen. Zum einen sind die Partner durch die neue, gemeinsame Verantwortung
verstärkt aufeinander angewiesen, zum anderen kommt es zum Verlust der Zweisamkeit.
Erschwerend kommen Ermüdung, Erschöpfung und Überbelastung hinzu (vgl. Graf, 2002).
In der Stressforschung wird beim Übergang vom Paar zur Familie von einem kritischen
Lebensübergang gesprochen, welcher eines starken Bewältigungspotentials des Paares bedarf.
Dieser Übergang kann zugleich Chance und Gefahr für die Beziehung der Partner bedeuten.
(vgl. Jellouschek, 2001)
Ratgeber sind häufig undifferenziert und stiften eher Verunsicherung als dass sie eine Hilfe
darstellen. Ebenso kann die Tabuisierung sehr belastend sein, besonders wenn man sich
gerade selbst in dieser Situation befindet, die möglicherweise aussichtslos erscheint. Die
Schwangerschaft bedeutet einen unumkehrbaren Weg.
In dieser Forschungsarbeit soll es darum gehen, Paaren eine realistische Sicht auf den
Umbruch zu geben, den der Übergang der Paarbeziehung zur Familie bedeutet.
Es wird die These aufgestellt, dass die Qualität und Stabilität der Beziehung vor dem
Hinzukommen des Babys und eine unverzerrte Sicht auf die Zukunft entscheidend für das
Gelingen der Partnerschaft innerhalb der neu gegründeten Familie sind.
1.1. Mein Bezug zum Thema
Vor einigen Jahren veränderte der Beginn meiner Schwangerschaft die Beziehung zu meinem
Partner auf ganz vielschichtige Weise.
Beim Lesen zahlreicher Ratgeber musste ich enttäuscht feststellen, dass dort diese Thematik
fast unberührt bleibt. Die Darstellungen waren größtenteils klischeehaft und der Partner meist

Einleitung
-2-
uneingeschränkt fasziniert von allen Veränderungen. Auch in Spielfilmen sind die
Schwangerschaft und der Übergang zur Erstelternschaft sehr beliebte Themen, die aber
oftmals einseitig, beschönigend und äußerst unrealistisch dargestellt werden. Jedoch kann das
Erleben der Schwangerschaft bei möglicherweise fehlenden oder abwertenden Reaktionen des
Partners für die Frauen durchaus ganz negativ beeinflusst werden. Deshalb waren diese
Bücher und die anderen Medien - gemessen an der möglichen Belastung - für Rat suchende
Paare und vor allem für die schwangeren Frauen wenig hilfreich.
In vielen Ratgebern und Zeitschriften gab es Hinweise darauf, dass sich die Partnerschaft
insgesamt nachhaltig verändert, sobald ein Paar ein Kind erwartet. Es wurde angedeutet, dass
in der Zeit danach nichts mehr so sein würde wie vorher. Diese undifferenzierten
Andeutungen beunruhigten mich eher und warfen viele Fragen nach den zugrunde liegenden
Ursachen auf:
Was genau wird denn anders sein als vorher? Welche Partnerschaften sind besonders
gefährdet? Und weshalb? Gibt es Schutzfaktoren? Kann man trotz Elternschaft ein Liebespaar
bleiben oder schließt beides einander aus? Sind die Veränderungen schon in der
Schwangerschaft planbar und eventuell schon im Vorfeld überschaubar, damit man nicht
unvorbereitet in die neue Situation gerät?
In der Magazinen und Zeitschriften bzw. in Ratgebern für junge Eltern sah man stets die
strahlenden Mütter mit den Babys und die überglücklichen Väter meist dicht daneben. Kaum
ein Gedanke, dass diese abgebildete Harmonie auch von Enttäuschungen, Verletzungen,
Streit, Vorwürfen, Traurigkeit getrübt sein könnte. Das Leben dieser Paare schien nach den
überschaubaren Veränderungen glücklich weiter zu gehen. Nette Berichte über den
gemeinsamen, unbeschwerten Alltag mit dem Baby deckten sich allzu oft in keiner Weise mit
der erlebten Realität.
Es ist vorstellbar, dass Frauen und auch Paare, die diese freudestrahlenden, fröhlichen
Elternpaare in fast allen Zeitschriften sehen, sich noch mehr unter Druck gesetzt und
verunsichert fühlen, wenn es offensichtlich nur bei ihnen so anders ist und die dauerhafte
Harmonie misslingt, sich ihr erlebter Alltag von den Darstellungen deutlich unterscheidet.
Es gab wiederum auch Veröffentlichungen, in denen der Übergang zur Familie als große
Krise für die Beziehung dargestellt wurde. Es war sogar vom so genannten ,,Babyschock"
bzw. ,, Erst-Kind-Schock" (Le Masters, 1957) die Rede. Dieses Schlagwort verunsicherte

Einleitung
-3-
sicherlich nicht nur mich sehr. Außer der Umschreibung dieses Begriffs und der Feststellung,
dass davon immer mehr Paare betroffen sind, gab es kaum Hinweise, wie dieses Phänomen zu
umgehen sei. Fast lag der Gedanke nah, dass es eine Unabänderlichkeit sei.
Mit Freundinnen war ein reger Austausch über dieses Thema möglich. Ich merkte, dass es
ihnen teilweise ähnlich ergangen war und sie sich oftmals hilflos und unsicher fühlten.
Stellenweise kam es zu schwelenden Konflikten in der Partnerschaft, die sie sogar
längerfristig sehr belasteten. In Gesprächen über Sexualität in der Schwangerschaft und der
Zeit danach stellte ich fest, dass es ein Thema ist, welches mit reichlich Scham und
Tabuisierung einhergeht, da es auch hier zu großen, teilweise unerwarteten und unliebsamen
Veränderungen kommt. Es ist halt so und wird so hingenommen.
Ich möchte Frauen befragen, wie es ihnen ergangen ist, über welche Erfahrungen sie berichten
können, wie ihr inneres Erleben während dieses großen Schrittes aussah, wie sich ihre
Partnerschaft veränderte, was sie stärkte, was sie belastete.
Denn jedes werdende Elternpaar scheint Veränderungen zu unterliegen, welche natürlich
individuelle Verläufe aufzeigen, aber bestimmt auch Parallelen miteinander haben.
Ich möchte in dieser Arbeit Frauen und auch Paare ermutigen, die Zeit der Schwangerschaft
und Übergang zur Elternschaft trotz auftauchender Krisen als Gewinn zu betrachten. Obwohl
und gerade weil Vieles aus der eigenen und der gemeinsamen Geschichte als Paar eine Rolle
spielt, kann diese Zeit eine bedeutende Entwicklungschance darstellen.
Ziel meiner Arbeit soll es sein, dass Frauen und Paare sich nach dem Lesen meiner Arbeit
nicht allein fühlen, sondern entdecken können, dass auch andere Paare in ähnlichen
Situationen Probleme hatten und haben, wie die Betroffenen damit umgingen und wie die
Krisen möglicherweise bewältigt werden konnten.
Insgesamt hoffe ich, aufkommende Gefühle der Resignation und Ohnmacht entgegen zu
wirken und klare Hilfe aufzeigen zu können.

Einleitung
-4-
1.2. Zielsetzung und Grundannahmen
Zu den sensibelsten Phasen innerhalb einer Paarbeziehung gehört die Zeit vor, während und
nach der Geburt des ersten Kindes (vgl. Jelluschek, 2005).
Das Hauptziel meiner Arbeit ist es, die Schwierigkeiten beim Übergang des Paars zur Familie
aufzuzeigen und das Bewältigungspotential bei Paaren zu stärken, die ebenfalls einen
derartigen Übergang bewältigen müssen oder werden. Ich möchte darstellen, welche
verschiedenen Wege es geben kann, mit den neuen Erfahrungen umzugehen.
Auch möchte ich zeigen, dass es trotz individueller Unterschiede ähnliche und vergleichbare
Problemkreise gibt und somit der Tabuisierung entgegen wirken. Allein die Tatsache, zu
erfahren, dass es anderen Paaren ähnlich ging, könnte hilfreich sein, diese krisenhafte Episode
auszuhalten und zuversichtlich zu bleiben.
Die Gesprächsreihen mit den Frauen zogen sich über einen langen Zeitraum von bis zu drei
Jahren hinweg. Innerhalb dieser Zeit wollte ich die Entwicklung, das Prozesshafte des
Umbruchs vom Paar hin zum Elternpaar innerhalb der Familie verdeutlichen. Es gibt
unterschiedliche Angaben darüber, wann die Phase des Übergangs als beendet zu betrachten
ist. So geht Gloger-Tippelt (1999) davon aus, dass dieser Prozess bereits nach einem Jahr
abgeschlossen sei. Andere Autoren hingegen postulieren, dass die Phase der Neuorientierung
und des Umbruchs bis zu zwei Jahre (vgl. Gauda, 1990, vgl. Cowan Cowan, 1994) oder
drei Jahre (vgl. Engfer et al. , 1988) bzw. auch sogar bis zu fünf Jahre nach der Geburt ( vgl.
Graf, 2002) andauern kann.
In sehr konfliktträchtigen Situationen erscheint es für die Beteiligten gewiss oftmals kaum
vorstellbar, dass es sich um eine zeitlich begrenzte Umbruchsphase im Lebenszyklus handelt.
Das Lesen der Erfahrungsberichte der Gesprächsteilnehmerinnen könnte eine Hilfe sein,
zuversichtlich zu bleiben.
Die Ergebnisse dieser Arbeit können Betroffenen und auch Menschen, die in Beratung oder
Geburtsvorbereitung tätig sind, helfen, innere und äußere Prozesse und die Dimension des
Umbruchs in dieser sensiblen Phase des Übergangs von der Paarbeziehung zur Triade
deutlicher zu machen. Ich möchte verdeutlichen, was Paare tun können, damit die anfällige
Phase der Familiengründung zu einer positiven Zeit wird und nicht beherrscht wird von
Konflikten und Entfremdung.

Einleitung
-5-
Auch Paaren mit Kinderwunsch kann diese Arbeit vermutlich ein realistisches Bild auf den
Übergang zur Elternschaft bieten und ihnen bei den inneren und äußeren Vorbereitungen
behilflich sein.
Im Focus der Gespräche standen die subjektiven Erlebnisse der Gesprächspartnerinnen, da die
einschneidenden Veränderungen während der Schwangerschaft und in den ersten
Lebensjahren des Babys nach wie vor größtenteils die Frauen betreffen.
Die beschriebenen Zielsetzungen basieren auf folgenden Grundannahmen:
· Schutzfaktoren: hat das Paar vor der Schwangerschaft eine tragende, intakte,
kommunikative und konfliktfähige Beziehung, so ist die Wahrscheinlichkeit größer,
diese sensible Phase der Neuorientierung mit all seinen Krisen und Verunsicherungen
leichter zu bestehen.
· Probleme, die vor der Schwangerschaft in der Beziehung existierten und nicht gelöst
waren, werden in der neuen Konstellation, die viel stärker von Abhängigkeiten und
Fixierung aufeinander bestimmt ist, stark vergrößert.
· Vorstellungen von der Zukunft: Wenn die Partner sich schon vor oder in der
Schwangerschaft mit den zukünftigen Anforderungen auseinandergesetzt haben,
werden beide sich schneller und konfliktfreier mit den neuen Rollen zurechtfinden. Je
konkreter und realistischer die Vorstellungen im Vorfeld (Schwangerschaft und davor)
waren, desto flexibler kann die Anpassung an die neuen Lebensumstände sein.
· Der Umbruch in der Beziehung bei der Entwicklung vom Paar zur Familie hat einen
prozesshaften Charakter, ist von Rückschlägen, aber auch immer wieder von
Fortschritten geprägt.
· Die neue Rollenfindung führt zurück zur eigenen Ursprungsfamilie, und somit können
Konflikte entstehen, wenn beide Partner aus ihren Familien Ansichten und
Einstellungen ,,mitbringen", die sich möglicherweise konträr entgegenstehen.
·
Gerät die Sexualität zu lange und zu stark in den Hintergrund, z.B. aufgrund von
Angst, etwas im Mutterleib zu zerstören oder später durch die Fixierung der Mutter
auf das Kind, hat auch das Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Paarbeziehung und
kann möglicherweise auch zu einem neuen Spannungsfeld innerhalb der
Paarbeziehung führen. Auch Missverständnisse und unausgesprochene, schwelende

Einleitung
-6-
Konflikte, die aufgrund des turbulenten Alltags nicht geklärt werden, können die
Anspannung verschärfen und sich auf die sexuelle Anziehung zueinander auswirken.
1.3. Aufbau der Arbeit
Im Theorieteil beschäftige ich mich anhand ausgewählter Literatur zunächst mit der
Einordnung der Elternschaft in den Lebenszyklus und der Bedeutung von Voreinstellungen
über die Elternschaft. Anschließend stelle ich ein aussagekräftiges Phasenmodell vor, welches
die Schritte des Übergangsprozesses verdeutlicht. Es folgen Ausführungen über die
Veränderungen und Auswirkungen der Elternschaft auf verschiedene Aspekte der
Partnerschaft.
Im Methodenteil dieser Arbeit begründe und beschreibe ich meine Wahl des qualitativen
Forschungsansatzes. Es folgt die Entwicklung der Fragestellung, die Beschreibung der
gewählten Methode des offenen, halbstrukturierten Interviews. Es schließt sich eine
Erläuterung zur Planung und Durchführung der Untersuchung an. Im letzten Abschnitt
erläutere ich das Vorgehen zur Auswertung der Ergebnisse.
Der empirische Teil meiner Arbeit enthält die Verdichtungsprotokolle der Gesprächsreihen
mit den fünf Gesprächspartnerinnen, gegliedert in die verschiedenen Gesprächszeitpunkte.
Die Auswertung teilt sich in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt beinhaltet die
Zusammenstellung der Einzelaussagen, die für die jeweilige Gesprächspartnerin bedeutend
waren. Es werden die spezifischen Informationen jeder Frau auf die verschiedenen
Themenbereiche benannt und diese entsprechend der unterschiedlichen Gesprächszeitpunkte
gegliedert. In der anschließenden Gesamtauswertung stelle ich die Informationen aller
Gesprächteilnehmerinnen bezogen auf die relevanten Themenbereiche vor, die sich ebenso in
zeitliche Abschnitte gliedern.
Im folgenden Abschnitt, der Zusammenfassung der Ergebnisse, fasse ich die Ergebnisse
meiner Untersuchung tabellarisch zusammen und versuche Gemeinsamkeiten zu
verdeutlichen.
In der sich anschließenden Diskussion erörtere ich die bedeutsamen Themenbereiche, die sich
in den Gesprächsauswertungen ergeben hatten, vor dem Hintergrund ausgewählter Literatur.

Einleitung
-7-
Im letzten Kapitel Kritik und Ausblick finden sich neben kritischer Betrachtung dieser
Untersuchung Vorschläge zu weiterführenden Forschungsfragen.

Theoretischer Teil
-8-
2. Theoretischer Teil
2.1. Elternschaft als bedeutsame Erfahrung
In unserer Gesellschaft ist die Elternschaft auch heute noch eine hoch bewertete Option der
Lebensgestaltung (vgl. Simm, 1991).
Die Erfahrung der Elternschaft ist ein bedeutsames Lebensthema, denn die Geburt des ersten
Kindes, mit allen damit verbundenen Anforderungen und Veränderungen stellt einen
familienzyklisch kritischen Übergang in eine neue Lebensphase dar (vgl. Brüderl, 1989).
Im Hinblick auf die gesamte Lebensspanne eines Menschen markieren die Veränderungen im
Kontext von Schwangerschaft, Geburt des ersten Kindes und ersten gemeinsamen
Interaktionen als Elternpaar einen bedeutsamen Wendepunkt sowohl im individuellen
Entwicklungsprozess als auch innerhalb der Partnerschaftsbiographie. Komplexe
Neuorientierungen auf individueller, partnerbezogener und kindzentrierter Ebene sowie
innerhalb sozialer Umfeldbeziehungen werden erforderlich (vgl. ebenda).
Deshalb stellt besonders diese Lebensphase eine große Herausforderung an die Anpassungs-
und Bewältigungspotentiale dar (vgl. Brüderl, 1988, Gloger-Tippelt, 1988).
Handlungsorientierungen und Bewältigungsstrategien, die vielleicht vor den
Elternschaftserfahrungen sehr effizient und ausreichend waren, müssen dem nun stark
veränderten Lebenskontext angepasst werden. In sehr komplexen Lebensbereichen, wie
beispielsweise in der Partnerschaft, im Beruf und in der Freizeit, wird eine verstärkte
Anpassung erforderlich. Dieser Übergangsphase kommt demnach eine große
entwicklungsdynamische Funktion zu, in der es durch Bewältigung der adaptiven
Herausforderungen zu einer damit verbundenen Wiederherstellung oder auch eines
Neuaufbaues stabiler Orientierungen zu Entwicklungsprozessen kommen muss (vgl. Oerter
Montada, 1998).
Man kann ganz allgemein zwei Klassen von Veränderungen feststellen: qualitative
Veränderungen äußerer Art (Rollenveränderungen, Restrukturierungen der persönlichen
Kompetenz zur Lösung neuer Aufgaben, Reorganisation von Beziehungen) und qualitative
Veränderungen im Selbst- und Weltbild der Person (vgl. Cowan, 1991).
Nach Montada (1981) ist es in der Regel nicht das Lebensereignis per se, das belastet und
Gewohnheiten stört, sondern vielmehr die Veränderung der gesamten Lebenslage, für die das
Ereignis lediglich der Auslöser ist.

Theoretischer Teil
-9-
2. 2. Einordnung des Übergangsprozesses zur Erstelternschaft in den
Lebenszyklus
Der Übergang von der kinderlosen Partnerschaft zur Familie gilt als eines der bedeutsamsten
und folgenreichsten Ereignisse im menschlichen Lebenslauf. Die Geburt des ersten Kindes
übt einen entscheidenden Einfluss auf die individuelle Lebensgestaltung und die Gestaltung
der Partnerschaft aus. Fortan ist eine dauerhafte Neuorganisation der Familie als soziales
System erforderlich (vgl. Gloger-Tippelt, 1999).
In der Entwicklungspsychologie wird die gesamte Lebensspanne als Lebenszyklus betrachtet.
Er beinhaltet verschiedene Markierungspunkte im Lebenslauf, wie zum Beispiel beim
Verlassen des Elternhauses, bei der Heirat oder bei der Geburt des ersten Kindes. Hierbei
wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung bei erwachsenen Menschen in Phasen mit
erhöhtem Anforderungsniveau erfolgt. Der Übergang vom Paar zum Elternpaar wird als eine
derartige Phase mit besonderem Anforderungscharakter angesehen (vgl. Baltes Brim,
1983).
Nach Erikson (1966) ist für die Entwicklung der persönlichen Identität die erfolgreiche
Bewältigung bestimmter ,,Krisen" grundlegende Voraussetzung. In der Auseinandersetzung
mit der jeweiligen Krise stellt sich heraus, ob die Entwicklung der Persönlichkeit in Richtung
einer Progression oder Regression verläuft und die mit den Entwicklungsaufgaben
verbundenen Konflikte ein Potential der Reifung beinhalten (vgl. Moos Schäfer, 1986).
In der psychologischen Lebensereignisforschung wird also als kritisches Lebensereignis ein
Vorkommnis bezeichnet, das gewohnte Verhaltensmuster stört und insofern krisenhaft ist, als
dass es einen Wendepunkt zu einer positiven oder negativen Entwicklung markiert (vgl.
Reichle, 1994).
Eine Grundlage des Forschungsansatzes zu lebensverändernden Ereignissen bilden jene
krisenhafte Situationen oder auch kritische Lebensereignisse (s. Kap.2.5.1.). Diese zeichnen
sich dadurch aus, dass sie mehr oder weniger abrupte Veränderungen der Lebenssituation
eines Individuums darstellen, wie sie auch durch Schwangerschaft und Geburt gegeben sein
können (vgl. Reichle, 1994). Kritische Lebensereignisse erfordern innerhalb der Person-
Umwelt-Beziehung qualitative und strukturelle Veränderungen Sie sind zudem von starken
affektiven Reaktionen begleitet. Die zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien und ­
Ressourcen, die Möglichkeit zur Antizipation sowie die Fähigkeit, sich auf die neuen
Situationen einzustellen, bestimmen, ob ein krisenhaftes Lebensereignis zum

Theoretischer Teil
-10-
entwicklungsfördernden Lebensereignis wird, welches bewältigt werden kann (vgl. Filipps,
1990).
Der Übergang zur Elternschaft ist als normatives Ereignis anzusehen. Dennoch können alle
lebensverändernden Ereignisse- also auch normative- als Stressoren betrachtet werden, da
sowohl positive als auch negative Veränderungen entsprechende Anpassungsleistungen an die
Lebenssituation erforderlich machen (vgl. Bleich, 1996).
2.2.1. Kennzeichen gelingender Partnerschaften
Aus Sicht der Familienentwicklungstheorie kommt auf Paare, sobald sie eine feste Bindung
miteinander eingegangen sind, eine Reihe von Entwicklungsaufgaben zu, deren Bewältigung
für den weiteren Verlauf der Partnerschaft von entscheidender Bedeutung ist (Aldous, 1996).
Als Ergebnis ihrer Längsschnittuntersuchung postulierten Wallerstein und Blakeslee (1998)
sieben zentrale Aufgaben, welche in den ersten Jahren der Partnerschaft erfolgreich bewältigt
worden sein müssen, damit die Beziehung den Anforderungen der Erstelternschaft standhalten
kann:
Zunächst muss der Prozess der (1) Loslösung von der Herkunftsfamilie abgeschlossen sein,
um mit dem Partner überhaupt eine stabile Bindung eingehen zu können. Die Aufgabe, durch
(2) Zuwendung, Achtsamkeit, Selbstöffnung und Unterstützung Gefühle der
Zusammengehörigkeit aufzubauen, ist eng verbunden mit der gegensätzlichen Aufgabe, (3)
Freiräume zu gewähren und Unterschiede zu respektieren. Die fragile Balance aus
Verbundenheit und gewährter Autonomie muss kontinuierlich (4) austariert werden. Werden
Paare Eltern, müssen sie in ihrer Beziehung einen (5) neuen Raum für das Kind schaffen,
ohne die Partnerschaft dabei zu vernachlässigen. Wichtig ist es, die (6) emotionale Intimität
der Partner zueinander aufrecht zu erhalten. Dabei stellt die (7)sexuelle Beziehung einen
besonders sensiblen und auch störanfälligen Bereich innerhalb der Partnerschaft dar.
2.2.2. Kinderwunsch
Aus historischer Perspektive wird ein nachhaltiger Wandel in der Qualität des
Kinderwunsches deutlich. Der früher eher versorgungszentrierte Wunsch nach Kindern wird
von persönlichen, sinnstiftenden Motiven abgelöst. Kinder gelten als Quelle individueller
Glückserfahrung und emotionaler Bereicherung des Lebens. Die kindliche Liebe wird häufig
mit der Erfüllung individueller Sehnsüchte assoziiert (vgl. Oerter Montada, 1998).
Im Idealbild von Partnerschaft nehmen Kinderwunsch und Familienvorstellungen eine
zentrale Rolle ein. Nach Köcher (1988) verknüpft sich bei der Mehrheit aller Erwachsener mit

Theoretischer Teil
-11-
dem Begriff Familie nicht nur Partnerschaft oder Ehe, sondern ausdrücklich eine
Paarbeziehung mit Kind oder Kindern. Auch Gloger-Tippelt (1995) wies auf Veränderungen
bezüglich des Kinderwunsches bei Paaren hin. Entgegen den extrinsischen Gründen der
Vergangenheit (beispielsweise der Norm, dass Kinder zur intimen Partnerschaft einfach
dazugehören) überwiegen in der Gegenwart die intrinsischen Gründe zum Kinderwunsch. Ein
Kind stellt für Paare emotionale, partnerschaftliche Werte dar. Es wird eine Erweiterung der
Selbsterfahrung, des Lebenssinnes, des Wunsches nach Nähe und Zärtlichkeit gesucht. Kinder
erscheinen als sinnstiftender Lebensinhalt in einer Partnerschaft und als gemeinsame Freude
beider Partner. Sie erhoffen sich nicht selten durch ein Kind auch eine Stärkung ihrer
Paarbeziehung. Diese Erwartungen an ein Kind sind teilweise emotional überhöht. Sie können
somit implizit eine Enttäuschung vorbereiten, wenn das Kind zur Regulierung einer
ungünstigen oder scheiternden Partnerbeziehung beitragen soll (vgl. Olbrich Brüderl,
1995).
Eine grundsätzliche Entscheidung gegen leibliche Kinder ist sehr selten anzutreffen. Der
Anteil gewollt kinderloser Paare wird nur auf acht bis zehn Prozent der Paare im
entsprechenden Alter geschätzt (Nave-Herz, 2008).
2.3.2. Reorganisation der Rollen
Mit der Elternschaft ist die Übernahme wesentlicher Rollenverpflichtungen verknüpft, welche
beispielsweise Fürsorgeverhalten, das Eigenbild von sich als Mutter/ Vater, Ansichten über
Erziehungsstile etc. umfassen. Bereits in der Schwangerschaft beginnen die Partner über ihre
Rolle als Elternteil nachzudenken und übernehmen oftmals gewisse Verhaltensstandards.
Jeder Mensch verinnerlicht mehrere Rollen. Veränderungen einer zentralen Rolle führen zu
einer Neuorganisation des gesamten Rollenarrangements. Im System einer Partnerschaft
bedeutet dieses, dass sich veränderte Rollengefüge aufeinander auswirken. So müssen sich
zwangsläufig auch Erwartungen und Verhaltensweisen verändern bzw. anpassen (vgl.
Fthenakis, 1999).
2.3. Bedeutung von Einstellungen und Vorbereitungen beim Übergang zur
Elternschaft
2.3.1. Einstellungen zur Schwangerschaft und Elternschaft
Grundsätzliche Einstellungen beider Partner zur Elternschaft und Familie sind sehr
bedeutsam. Der antizipatorischen Bewältigung des Übergangs kommt schon innerhalb der
Schwangerschaft eine wichtige Funktion zu. In welchem Ausmaß sich die Zufriedenheit und

Theoretischer Teil
-12-
Befindlichkeit der Eltern nach der Geburt des ersten Kindes verändern, ist abhängig davon,
inwieweit sich die Personen auf die Elternschaft vorbereitet und eingestellt haben. Die
subjektive Erwünschtheit des Kindes unter Einbeziehung einzelner Aspekte der zukünftigen
und später aktuellen Lebenssituationen ist ebenso bedeutend für die individuellen
Anpassungs- und Umdeutungsprozesse (vgl. Kalicki, Peitz, Fthenakis Engfer, 1999).
Messen die Partner einem Leben mit Kindern generell einen hohen Stellenwert bei, sind sie
eher widerstandsfähig gegenüber potentiellen Belastungen (vgl. Werneck Rollett, 1999).
Allerdings scheint dieses nach Feierfeil Gutmann (1994) nicht ausreichend, denn die
ursprünglichen Vorstellungen von Partnerschaft und Elternschaft ändern sich im realen
Familienalltag, die notwendige Neuorganisation auf der Paarebene gestaltet sich häufig
problematisch. Es dominieren die elternschafts- und kindbezogenen Interaktionen, das
Paarsystem tritt immer mehr in den Hintergrund und wird geschwächt. Zudem sind
Paarbeziehungen mit eingeschränkt gelebter Intimität besonders krisenanfällig (vgl. Feierfeil
Gutmann, 1994). Auch nach Graf (2002) stehen die idealistischen Zielvorstellungen, mit
welchen die Paare oftmals ihren Weg in die Elternschaft beginnen, in vielen Fällen im starken
Gegensatz zu den Ereignissen, die in der Realität später tatsächlich eintreten. Deshalb bleibt
angesichts der Vielzahl der neuen Aufgaben die Partnerschaft häufig auf der Strecke.
Interessant erscheint der Aspekt in der Untersuchung von Kalicki, Peitz, Fthenakis Engfer
(1999), dass die erste Reaktion der Männer auf die Mitteilung der Schwangerschaft ein
wichtiger Hinweis auf die zukünftige Partnerschaftsqualität sein kann. Je positiver sie diese
Nachricht aufnehmen, desto eher kann die Partnerschaftsqualität zufrieden stellend
aufrechterhalten werden- und das unabhängig von ihrem Ausgangsniveau.
Ein weiteres sehr interessantes Ergebnis zum Zusammenhang zwischen Partnerschaft in der
Schwangerschaft und dem weiteren Verlauf der Beziehung ergab die Untersuchung von
Heinig Engfer (1988). Die Befunde wiesen darauf hin, dass die Schwangerschaft als eine
Art ,,Test" für die Partnerschaft angesehen werden kann. Negative Reaktionen des Partners
auf die Feststellung der Schwangerschaft, Ungeplantheit des Kindes und eine unbefriedigende
sexuelle Beziehung während der Schwangerschaft führen 43 Monate nach Geburt des Kindes
zu einer negativen Veränderung der Partnerschaftszufriedenheit (vgl. ebenda, 1988).
2.3.2. Geplantheit der Schwangerschaft
Partner, die die Schwangerschaft geplant und erwünscht hatten, erleben weniger
Beeinträchtigungen durch die Geburt des Kindes als Paare ohne Kinderwunsch (vgl. Gloger-
Tippelt, 1988).

Theoretischer Teil
-13-
Auch Adler et al. (1994) verdeutlichten, dass die Geplantheit der Schwangerschaft einen
starken Einfluss auf mögliche Probleme innerhalb der Paarbeziehung beim Übergang zur
Elternschaft haben kann. Ungeplante Schwangerschaften waren krisenanfälliger. Es kam
oftmals zu unterschiedlichen Auffassungen in der Rollenverteilung. Besonders die Frauen
waren in ihrem Rollenverhalten verunsichert. Zudem gab es häufiger Unstimmigkeiten
hinsichtlich der Erwartungen an den Partner über dessen Pflichten und Verantwortlichkeiten.
2.3.3. Qualität und Dauer der vorgeburtlichen Partnerschaft
Eine längere Dauer der Paarbeziehung kann dazu führen, dass das Kind möglicherweise als
Störung für die ,,eingespielte" Partnerschaft angesehen wird und somit eine größere
Umstellung der Partner erforderlich wird (vgl. LaRossa, 1977).
Easterbrooks Emde (1988) beschrieben als Intrusion, dass eine besonders glückliche,
harmonische und intime Beziehung vor der Geburt des Kindes zur Folge haben kann, dass das
Kind als störender Eindringling betrachtet wird. Das Paarsystem kann in solchen Fällen zu
starre, unflexible Grenzen haben, welche einer Erweiterung durch Einbeziehung des Kindes
möglicherweise keinen Raum geben (Easterbrooks Emde, 1988). Auch nach Belsky
Rovine (1990) sind jene Paare, die vor der Geburt des ersten Kindes ihre Partnerschaft als
romantische Beziehung verstanden hatten, besonders gefährdet.
2.3.4. Partnerschaftszufriedenheit vor der Schwangerschaft
Goldberg Easterbrooks (1984) wiesen hingegen darauf hin, dass eher mit der Partnerschaft
unzufriedene und nicht glückliche Paare ihr Kind als Belastung für die Beziehung und ihren
Lebensstil betrachten. Einen ganz ähnlichen Befund postulierte Schneewind (1999): ein Kind
wird für die Paarbeziehung nur dann zum Stressor, wenn beide Partner das Beziehungsklima
bereits vor der Geburt ihres Kindes negativ bewertet hatten.
Also das Klima innerhalb der Beziehung vor der Schwangerschaft bzw. Geburt entscheidet
darüber, ob der Zuwachs durch ein Kind eine Bereicherung darstellen kann. Zeichnet sich die
Beziehung vor der Geburt durch hohen Zusammenhalt, hohe Aktivität und wenig Kontrolle
aus, dann stellt ein Kind eine große Bereicherung dar. Bewerten beide Partner ihre Beziehung
negativ, kann der Übergang zur Elternschaft eine große Belastung mit vielen Konflikten
darstellen (vgl. Schneewind, 1999).
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Cowan und Cowan (1994) in ihrer Studie. Es gehörten
jene Partner zur Gruppe der konfliktreichen Paare mit einer schlechten Prognose hinsichtlich
der Partnerschaftsqualität, welche bis zur letzten Phase der Schwangerschaft keine
Übereinstimmung ihrer Erwartungen und Lebensziele erreicht hatten. Als frühe Warnsignale

Theoretischer Teil
-14-
wurden gewertet: eine negative Einstellung der Partner zueinander, Probleme mit der
Arbeitsaufteilung innerhalb der Familie, Unzufriedenheit mit der Regelung zur Betreuung des
Kindes sowie mit dem Gesamtzustand der Paarbeziehung. Jene Faktoren stellen Hinweise für
zukünftige Partnerschaftsprobleme der werdenden Eltern dar. Sie führen dazu, dass sie die
schwierigen Anpassungsleistungen schlechter bewältigen als zufriedene Paare.
Ebenso beschrieb El-Giamal (1999) eine niedrige vorgeburtliche Partnerschaftszufriedenheit
als hohen Risikofaktor für die weitere Entwicklung der Beziehung nach der Geburt.
Wente und Crockenberg (1976) kamen in ihren Studien zu dem ähnlichen Ergebnis, dass eine
lange Dauer der Partnerschaft im Zusammenhang mit einer hohen Paarbeziehungsqualität
einem krisenhaften Erleben beim Übergang zur Elternschaft sogar entgegen wirken kann.
Nach Belsky Rovine (1990) und LaRossa (1977) ist jedoch gerade eine innige, langjährige
Paarbeziehung ein möglicher Belastungsfaktor (vgl. 2.3.3.).
Deshalb
gehört zu den zentralen Entwicklungsaufgaben beider Partner vor der Geburt ihres
ersten Kindes, ihre dyadische Beziehung derart gefestigt zu haben, dass eine hinreichende
Bindung gewährleistet ist. Diese Bindung muss zudem ausreichend flexibel sein, um dem
Kind den Eintritt in die Familie zu ermöglichen (vgl. Aldous, 1996).
Dieses ist von besonderer Wichtigkeit, da Entwicklungen innerhalb der Paarbeziehung, die
bereits in der vorfamiliären Phase bzw. Schwangerschaft stattgefunden hatten, durch die
Anforderungen und Veränderungen im Zusammenhang mit der Erstelternschaft akzentuiert
werden (vgl. Oerter Montada, 1998).
2.3.5. Übergang von der Beziehungsdyade zur Familientriade
Die Fusion von Partnerschaft und Elternschaft beinhaltet aus systemischer Perspektive die
Erweiterung der Partnerschaftsdyade um neue Subsysteme und deren Integration in das
Gesamtsystem der Familie. Dabei sinkt das Partnerschaftssystem auf den Rang eines
Subsystems ab, beispielsweise auf den des Mutter-Kind-, Vater-Kind-, oder Eltern-Kind-
Subsystems (vgl. Künzler, 1994).
Die Triade stellt ein instabileres Gebilde als eine Dyade dar. Das Dazukommen des dritten
Mitgliedes birgt die Gefahr in sich, den Zusammenhalt der Dyade aufzulockern oder gar
aufzulösen (vgl. Jellouschek, 2005).
Interessant ist hierbei die Untersuchung von Levy- Shiff (1994), in welcher sie belegen kann,
dass Männer mit der Partnerschaft umso unzufriedener sind, je intensiver ihre Partnerinnen in
der Betreuung und Pflege des Kindes eingebunden ist. Die Autorin kommt zum Schluss, dass
die Mütter durch die innige Beschäftigung mit dem Kind eine derart enge Nähe entwickeln,
die bedingt, dass sich die Partner als Außenseiter empfinden.

Theoretischer Teil
-15-
Es können schon sehr bald nach dem Übergang in die Elternschaft Koalitionsbildungen
innerhalb des Familiensystems möglich sein. Jellouschek (2005) beschreibt in diesem
Zusammenhang zwei mögliche Gefahren eines ,,Ausschlusses" für den Mann gegenüber der
Dyade Mutter-Kind. Durch die ausschließliche körperliche und emotionale Zuwendung der
Mutter zum Kind kann sich der Partner mit seiner Bedürftigkeit derart allein gelassen fühlen,
dass er sich nach außen wendet. Ein Fremdgehen der Männer in dieser sensiblen Phase ist
keine Seltenheit. Auch Precht (2009) beschrieb, dass die ,,Betrugsquote" der Männer genau
dann am höchsten sei, wenn die Partnerin schwanger ist oder ein kleines Kind habe.
Für die Frau bedeutet Untreue gerade in dieser Zeit eine ungeheure Verletzung, da sie durch
die emotionale Labilität besonders auf die Unterstützung des Partners angewiesen ist. Die
andere Gefahr sieht der Autor darin, dass der Partner zur Randerscheinung in dem System
wird. Er fühlt sich nicht direkt beteiligt an allem, was mit dem Kind, dessen Versorgung, den
Gefühlen und Beziehungen im Zusammenhang steht. Die Frau übernimmt diese Bereiche,
während der Partner seine Energien auf die Existenzsicherung verlegt. Beide Welten beginnen
sich auseinander zu bewegen. Es breitet sich zunehmend Entfremdung zwischen den Partnern
aus. Frühere Generationen akzeptierten diese Tendenzen, heutzutage jedoch führt es häufig zu
Unzufriedenheit mit dieser Rollenteilung. Oftmals wird sie als Auslöser zur Zerstörung der
partnerschaftlichen Liebe gewertet (vgl. Jellouschek, 2005).
2.4. Schritte des Übergangs zur Elternschaft
2.4.1. Phasenmodell nach Gloger - Tippelt
Die Lebensveränderungen infolge der Geburt eines Kindes und deren Bewältigung stellen ein
prozesshaftes Geschehen dar. Gloger - Tippelt (1988) leitete auf Grundlage von
psychologischen und soziologischen Untersuchungen ein differenziertes Prozessmodell her,
welches durch phasenspezifische psychische Aufgaben gekennzeichnet ist, die es zu
bewältigen gilt. Die acht Phasen unterscheiden sich qualitativ hinsichtlich der biologischen
Vorgänge, physischer Veränderungen und sozialer Anpassungen der Frau. Es sind jedoch
auch individuelle Abweichungen durch Schwankungen und Überlagerungen möglich (vgl.
Brüderl, 1989).
Im folgenden fasse ich die acht Phasen beim Übergang zur Elternschaft kurz zusammen (vgl.
Gloger-Tippelt, 1988, S.92-115).

Theoretischer Teil
-16-
4.1.1. Verunsicherungsphase (bis zur 12. Schwangerschaftswoche)
Die ersten psychischen Auseinandersetzungen mit einer Schwangerschaft kennzeichnen den
Beginn dieser ersten Phase. Sie beginnen unmittelbar, sobald Erwartungen oder auch
Befürchtungen über eine mögliche Schwangerschaft auftreten bzw. spätestens bei
Konfrontation mit einer positiv ausfallenden medizinischen Schwangerschaftsdiagnose.
Das Ausmaß der erlebten Verunsicherung ist abhängig von der Erwünschtheit und
biographischen Planung der Schwangerschaft. Die empfundene Verunsicherung ist in ihrer
Art unterscheidbar in Verunsicherung durch neue Informationen, Verunsicherung im
Selbstbild und der gefühlsmäßigen Bewertung sowie in Verunsicherung bezüglich der
verringerten Kontrollmöglichkeiten.
In dieser Phase der Verunsicherung kommt es zu einer starken Auseinandersetzung mit
Vorstellungen, Erwartungen und Wünschen. Das Selbstkonzept als Frau wird hinterfragt. Es
entwickelt sich ein neuer zeitlicher Planungshorizont, der die weit reichenden Veränderungen
in der Lebensplanung und auch im Alltag (Partnerschaft, Beruf, Ausbildung) mit einbezieht.
Die Frau ist mit zahlreichen ungewohnten körperlichen Signalen konfrontiert, die in der
Frühschwangerschaft überwiegend negativ bzw. ambivalent interpretiert werden (z.B.
Spannen der Brust, Überempfindlichkeit des Geruchssinnes).
Gloger-Tippelt verweist auf viele Untersuchungen, die belegen, dass gerade in der
Frühschwangerschaft vermehrt Ängste und Sorgen über körperliche Veränderungen, die
Sexualität, Veränderungen innerhalb der Partnerschaft, zukünftige berufliche Perspektiven
und materielle Absicherung auftreten.
Häufig kommt es durch die Verunsicherung zu einem sozialen Rückzug, da die Frau stark mit
ihrem inneren Erleben und Gedanken beschäftigt ist. Die Öffnung durch Mitteilung der
Schwangerschaft an das soziale Umfeld ist schließlich der nächste Schritt zur folgenden
Anpassungsphase.
4.1.2. Anpassungsphase ( ca. 12.-20. Schwangerschaftswoche)
Die eher krisenhaften ersten Wochen der Schwangerschaft werden abgelöst durch eine Phase
der Ruhe, in der es zu einer aktiven, kognitiven und emotionalen Anpassung kommt. Die
neuen Informationen und körperlichen Signale werden in ihrer Bedeutung für die persönliche
Lebenssituation reflektiert und bewertet. Eine zielgerichtete Verarbeitungsstrategie der Frau
stellt die Suche nach Informationen über Schwangerschaft, Geburt und kindliche Entwicklung
dar.
Die endgültige Entscheidung für das Kind ruft eine emotionale Akzeptanz der
Schwangerschaft hervor. Die körperlichen Beschwerden nehmen ab, was zu einer Steigerung

Theoretischer Teil
-17-
des Wohlbefindens der Frau führt. Sie konnte in der vergangenen Zeit ausreichend
Erfahrungen mit ihrem veränderten Körpergefühl sammeln, so dass es zu einer Gewöhnung
an das Gefühl, schwanger zu sein, kommt. Mögliche ambivalente Gefühle nehmen deutlich
ab.
Die Mitteilung an das soziale Umfeld führt zu Rückmeldungen. Diese können als positive
Bewertungen und Bekundungen der sozialen Erwünschtheit die Anpassung an das
Elternwerden erleichtern und somit unterstützend wirken. Es können sich jedoch auch
Anpassungskonflikte durch die Reaktionen der Umwelt ergeben, im Falle einer zu frühen oder
späten Schwangerschaft bzw. bei nicht akzeptierten Umständen.
4.1.3. Konkretisierungsphase ( ca. 20.-32. Schwangerschaftswoche)
Die Schwangerschaft wird deutlich wahrnehmbarer durch die gespürten Kindbewegungen.
Dadurch kommt es zu einer Vorstellung vom Kind als ,,selbständiges Wesen". Eine
differenzierte Vorstellung des Kindes entwickelt sich. Es wird als vom mütterlichen Körper
getrennte Person wahrgenommen, die Kindbewegungen gelten für die Frau als sicherer
Hinweis für das Leben in ihrem Bauch. Die psychosomatischen Beschwerden nehmen
weiterhin deutlich ab. Das psychische Wohlbefinden erreicht das höchste Niveau innerhalb
der Schwangerschaft und das Angstniveau ist sehr niedrig. Die Paarbeziehung wird meist als
harmonisch eingeschätzt. Häufig steigen die sexuellen Bedürfnisse der Frau wieder an.
Die Umwelt nimmt eine deutliche Kategorisierung der Frau als Schwangere vor.
Rückmeldungen des sozialen Umfeldes bestätigen und bestärken das Selbstkonzept als
werdende Mutter.
In dieser Phase der Konkretisierung beginnt die schwangere Frau mit dem Aufbau einer
komplexer werdenden Vorstellung von sich als zukünftiger Mutter (der Mann als werdender
Vater). Diese hypothetisch entworfenen Rollen werden meist idealistisch überhöht.
Es kommt oftmals zu einer aktiven Gestaltung und Kontrolle der Lebenssituationen, die auf
das erwartete Kind orientiert sind ( z. B. Umzug) bzw. auch unvereinbar mit einem Kind sind
und zuvor noch erlebt werden sollen ( z.B. Reisen, Abschluss der Berufsausbildung o.ä.).
4.1.4. Phase der Antizipation und Vorbereitung (ca. 32.-40. Schwangerschaftswoche)
Eine hohe körperliche Belastung vieler Frauen prägt diese letzte vorgeburtliche Phase. Es
kommt zu einem Wechsel der Zeitperspektive. Bislang wurde die Zeit am steten Fortschreiten
der Schwangerschaft bemessen, nun steht die verbleibende Zeit zum Geburtstermin im
Blickpunkt.

Theoretischer Teil
-18-
Die körperlichen Veränderungen der Frau erreichen in dieser Phase ihren Höhepunkt, sie
weichen am stärksten vom gewohnten Bild ab. Viele Frauen erleben diese Veränderungen
negativ, häufig fühlen sie sich emotional sehr labil. Dem Mann kommt die neue, indirekte
Aufgabe zu, seiner teilweise verunsicherten, auf Unterstützung angewiesenen Partnerin
behilflich zu sein. Zudem ist aufgrund der ungewohnten körperlichen Erscheinung der Frau
eine Erweiterung seines Frauenbildes erforderlich.
Fast alle Alltagstätigkeiten werden von nun an durch das bevorstehende Geburtsereignis
geprägt. Die Grundstimmung ist durch den Einfluss von Geburtsängsten, Angst vor
Schmerzen und Kontrollverlust durch Ambivalenz gekennzeichnet und häufig durch negative
Gefühle bestimmt.
Die Frauen verspüren körperliche Bedürfnisse nach Schutz und Zärtlichkeit, hingegen sinken
sexuelle Bedürfnisse stark.
Eine Antizipation der Mutter- bzw. Vaterrolle und die bestehende Unsicherheit in diesen
Rollen führen zu einem verstärkten Bedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit, welcher mit
Teilnahme an Geburtsvorbereitungskursen, verstärkter partnerschaftlicher Kommunikation
u.ä. begegnet wird.
Die Geburt wird als Höhepunkt bzw. Endpunkt eines Prozesses gesehen, der erreicht und
sicher bewältigt werden muss. Retrospektiv beurteilen viele Paare die überwiegende
Fokussierung auf das Geburtsereignis als Einschränkung ihrer Vorstellung bezogen auf die
täglichen Anforderungen der Betreuung eines Säuglings bzw. Kleinkindes.
Innerhalb der Kommunikation des Paares spielt die Antizipation der Beteiligung des Vaters
an der Säuglingspflege eine wichtige Rolle. Nach Fthenakis (1985) stimmen jedoch die vor
der Geburt von den Vätern geäußerten Zeitvorstellungen für ihren Anteil an der Versorgung
des Säuglings mit der späteren Beteiligung oftmals nicht überein.
4.1.5. Geburtsphase
Die Geburtsphase ist ein autonom ablaufender Prozess, dem sich die Frau einerseits wie
einem Naturvorgang überlassen muss, den sie aber andererseits auch physisch und psychisch
beeinflussen kann. Dem Partner kommt in dieser Phase eine wichtige Unterstützungsfunktion
zu. Für die Verarbeitung des Geburtserlebnisses ist die Qualität der Geburtserfahrung
entscheidend, bei der mehrere Faktoren wie Schmerzempfindung, Partnerunterstützung und
Grad der Vorbereitung zusammenwirken.
Eine Studie von Entwisle Doering (1981) konnte zeigen, dass der Grad der Bewusstheit
sowie des Schmerzerlebens, die Beteiligung des Partners als auch das Vorbereitungsniveau
der Frau die Qualität des Geburtserlebens maßgeblich beeinflussen.

Theoretischer Teil
-19-
Die Beteiligung des Vaters an der Geburt ist im engen Zusammenhang zu sehen mit seiner
Beteiligung am Schwangerschaftserleben und dem Ausmaß der späteren Pflege des Kindes.
Die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt erwies sich zudem als Prädiktor für einen innigen
Umgang mit dem Kind (vgl. Fthenakis, 1985).
Viele weitere Studien belegen die positive Wirkung der Vateranwesenheit, sofern diese von
beiden erwünscht war. Beide Partner teilen das beeindruckende Erlebnis des Geburtsprozesses
und können sich in der folgenden Zeit gemeinsam daran erinnern. Den Höhepunkt der Geburt
stellt für die Eltern die erste Begegnung mit ihrem Baby direkt nach der Entbindung dar.
4.1.6. Phase der Überwältigung und Erschöpfung (4 Wochen bis 2 Monate nach der
Geburt)
Der Beginn der Elternschaft beinhaltet einen absoluten Bruch beider Partner mit dem
vorherigen Alltagsleben, welcher zuvor lediglich antizipiert, jedoch nicht direkt erfahren
worden ist. Die ersten Wochen nach der Geburt erfordern deshalb eine umfassende kognitiv-
emotionale Neuorientierung (ähnlich der Phase der Verunsicherung zu Beginn der
Schwangerschaft) und außerdem parallel dazu ein aktives Handeln. Zahleiche
Untersuchungen belegen die große Sorge, Nervosität und Anspannung beider Partner in den
ersten Wochen nach der Geburt, die sich auf das Befinden des Babys richten.
Für die Paarbeziehung der Eltern ergeben sich neue Anforderungen, da sie das Baby in ihre
Partnerschaft integrieren müssen. Die ungewohnte Triade sowie die unverkennbar engere
Symbiose zwischen Mutter und Kind muss kennen gelernt und neu bewertet werden.
Vielfach kommt es zu euphorischen, intensiven Glücksgefühlen über das gesunde Kind (so
genannte ,,Baby-Flitterwochen"), es überwiegen jedoch in den Studien Klagen der Paare
bezüglich starker körperlicher Überanstrengung, andauernder Müdigkeit mit
Erschöpfungszuständen sowie über Schwächung der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Hervorgerufen werden diese Auswirkungen durch den völlig veränderten Tages- und
Nachtrhythmus sowie durch die aufwendige Versorgung und die Kontaktbedürfnisse des
Säuglings. Die Frauen erleben diese Belastungen wesentlich intensiver, da sie größtenteils für
die Bedürfnisse des Kindes zuständig sind.
Emotionale Überwältigung und Erschöpfung beider Partner führt zu einem Rückgang der
partnerschaftlichen Zufriedenheit in dieser Phase. Verschiedene Studien konnten belegen,
dass die Partnerschaftszufriedenheit und Dominanz in Konfliktsituationen der Frauen in den
ersten drei Monaten nach der Geburt abnahmen. Dieses wird unter anderem auch auf ihre
soziale Isolierung mit dem Baby zurückgeführt, welche häufig einher geht mit der Aufgabe
der Berufstätigkeit.

Theoretischer Teil
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In dieser ersten Zeit nach der Geburt wurde oftmals über ausgeprägte ambivalente
Stimmungen, Ängstlichkeit und Unsicherheit gegenüber dem Kind bei gleichzeitigen
Glücksgefühlen über dessen Anwesenheit berichtet.
Eine erlebte innige, intime Nähe zum Partner kann das Stresserleben nach der Geburt deutlich
vermindern.
4.1.7. Phase der Herausforderung und Umstellung ( ca. 2 bis 4 Monate nach der
Geburt)
Zwei Monate nach der Geburt tritt eine Phase der körperlichen und psychischen Erholung
beider Partner ein. Im Anschluss an die Neugeborenenzeit stellt das Baby neue
Anforderungen an die Eltern, welche zu regelmäßigen Pflege- und Versorgungsgewohnheiten
führen. Das Baby vermittelt den Eltern, inwieweit sie die für sie selbst neuen elterlichen
Aufgaben (Versorgung des Kindes und ein angemessener Umgang mit ihm) bewältigen.
Nach längerer Erfahrung (sechs Monate) in der Interaktion mit dem Baby gaben in einer
Studie von Grossmann (1980) die überwiegende Anzahl befragter Frauen an, sich erst jetzt
,,richtig als Mutter" zu fühlen.
Im Anschluss an die ersten Wochen, welche von emotionaler Überwältigung sowie
Erschöpfung bestimmt sind, setzt durch die Alltagsroutine mit dem Baby eine emotionale
Ernüchterung ein. Viele Untersuchungen belegen ein starkes Absinken der
Partnerschaftszufriedenheit in diesem Zeitraum. Frauen erleben dieses Abfallen intensiver.
Nach Belsky et al. (1984) wird dieses als Folge der zuvor vertretenen romantischen
Vorstellungen von der Geburt und der davon abweichenden künftigen Familiensituation
ausgelegt. Ferner erleben die Frauen die soziale Isolierung und die Abhängigkeit vom Partner
oft als emotional belastend.
Die Paarbeziehung erfährt eine grundlegende Umstrukturierung, welche sich in einem
geänderten Geschlechtsrollenverständnis, einer differenzierten Arbeitsteilung und veränderter
partnerschaftlicher Anpassung zeigt. Beide Partner sehen sich vor besondere Anforderungen
im Hinblick auf die kognitive Verarbeitung der neuen Familiensituation gestellt. Der
Traditionalisierung der Geschlechtsrollen mit der konkreten Arbeitsteilung kommt hierbei
eine wesentliche Bedeutung zu.
Bedeutsam in dieser Phase ist häufig die Wiederaufnahme sexueller Kontakte nach der
Geburt, wobei das oftmals eingeschränkte, veränderte Bedürfnis nach Zärtlichkeit der Frau
eine erhebliche Rolle spielt. Zudem ist auch die Akzeptanz des Stillens durch den Partner ein
wesentlicher Punkt.

Theoretischer Teil
-21-
4.1.8. Phase der Gewöhnung ( ca. 6 bis 12 Monate nach der Geburt)
In dieser letzten Phase des Übergangsprozesses entwickeln die Eltern eine gewisse Sicherheit,
sie reagieren auf Probleme und Hindernisse weniger ängstlich und es kommt zu einer
relativen Entspannung. Es bildet sich eine Alltagsroutine heraus, welche mit einem geringeren
Stressempfinden einhergeht. Die Partner bewerten die veränderte Partnerschaft mit dem Kind
erneut und streben eine Übereinstimmung ihrer partnerschaftlichen Situation zu bisherigen
Zielen bezüglich des Familienlebens an. Die Gewöhnung zeigt sich in der immer deutlicher
werdenden veränderten Kommunikation und traditionellen Rollenaufteilung. Die dauerhaft
eingeschränkte gemeinsame Zeit und mit ihr die abgenommene persönliche Freizeit werden
subjektiv neu bewertet. Des weiteren werden die Zunahme der organisatorischen Aufgaben,
die größer werdenden Zeitanteile, die jeweils mit dem Kind verbracht werden, in das
veränderte Rollenbild integriert. Dabei kann es zu einer Ernüchterung über die Elternschaft
kommen (vgl. Brüderl, 1989), denn die Bewertung variiert sehr in Abhängigkeit von der
jeweiligen Lebensplanung, der Arbeitsteilung und dem gewählten Lebensstil beider Partner.
In dieser Phase der Gewöhnung treffen viele Frauen Entscheidungen über eine
Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit. Auch die weitere Familienplanung wird häufig in den
Partnerschaften thematisiert.
4.2. Anmerkungen zu diesem Modell
Besonders kritische Phasen stellen der Beginn der Schwangerschaft und die ersten Monate
nach der Geburt dar, wenn beide Partner mit den dauerhaften ­ zuvor lediglich antizipierten-.
Anforderungen durch das Neugeborene zu Hause allein zurechtkommen müssen.
Dieses Phasenmodell kann dabei eine mittlere Orientierung geben. Es kann für die Beratung
oder Hilfestellung bei Paaren von Bedeutung sein (vgl. Gloger- Tippelt, 1999).
Dem Phasenmodell nach Gloger- Tippelt wurden jedoch auch zu Recht Kritikpunkte entgegen
gesetzt.
Es beansprucht Gültigkeit für beide Partner, in den Phasen sind die wichtigen Kriterien
vorrangig auf das Erleben der Frau abgestimmt (vgl. Gauda, 1990).
Die Phasen werden durch unterschiedliche Merkmale aus dem physiologischen und
psychologischen Befinden der Frau sowie mit Umgebungsbedingungen beschrieben,
unerwähnt bleibt die Mehrschichtigkeit der Übergange auf emotionaler, sozialer und
biologischer Ebene (ebenda).

Theoretischer Teil
-22-
Die Individuumsorientiertheit des gesamten Modells kritisiert Grant (1992) neben der
fehlenden Bezugnahme auf die wichtigen Interaktionen beider Partner. Die reziproke
Abhängigkeit beider findet keine Beachtung.
Das Modell beginnt mit seiner ersten Phase bereits nach Feststellung der Schwangerschaft,
wichtige Prozesse vor ihr sind jedoch ebenfalls relevant beim Übergang zur Elternschaft und
finden in diesem Modell keine Berücksichtigung (vgl. Gauda, 1990).
4.3. alternative Modelle
Eine ähnliche Phaseneinteilung wie die von Gloger -Tippelt, welche sich ebenso an
kognitiven, behavioralen und emotionalen Veränderungen der Mutter orientiert, beschrieb
Mercer (1986) . Er bezog sich darin auf das erste Lebensjahr des Kindes. In beiden Modellen
geht es um die Bewältigung des normalen Lebensereignisses der Geburt des ersten Kindes.
Die Phasen werden begrenzt durch die Bearbeitung der unterschiedlichen Effekte der
Lebensveränderungen der Mutter (vgl. Reichle, 1994).
Auch andere Einteilungen sind möglich, beispielsweise wenn andere Entwicklungsaufgaben
in den Fokus gerückt werden oder die Bewältigung in andere Abschnitte gegliedert wird. So
entwarfen La Rossa und La Rossa (1981) ein Prozessmodell der Rollenneuverteilung, in dem
andere Aspekte in ebenfalls prozesshafter Abfolge beschrieben werden (Verfügbarkeit der
Eltern für das Kind, Ausmaß elterlicher Freizeit, Konflikte bezüglich der Interessen zwischen
den Eltern, offene Konflikte zwischen den Eltern).
Das kontextualistische Rahmenmodell nach Schneewind (1999) differenziert die
verschiedenen Einflussfaktoren auf die Verarbeitung und Anpassung an die Elternschaft. Die
wesentlichen Komponenten dieses Modells stellen einen individuellen Vergangenheits-,
Gegenwarts-, sowie Zukunftsbezug her. Erfasst werden:
-
die vergangene Erfahrungs- und Beziehungsgeschichte
-
gegenwärtig: die Persönlichkeiten beider Partner ( Selbstbild, Einstellungen usw.), die
Paarbeziehung (Kommunikation, Aufgaben- und Rollenteilung usw.), Merkmale des Kindes,
aktuelle Lebensumstände (Wohnsituation, soziales Netz usw.)
-
zukünftig: die antizipierte Entwicklung und daraus folgend subjektive Entscheidungs- und
Begründungsmuster (vgl. Schneewind, 1999).
2.5. Auswirkungen und Veränderungen in Folge des Übergangs zur Elternschaft
Im Zusammenhang mit der Geburt des ersten Kindes kommt es in unserem Kulturkreis zu
universellen Lebensveränderungen, welche potentiell belastend sind. Zu ihnen zählen
hauptsächlich biologische und soziale Veränderungen, wie die biologischen Geburtsfolgen,

Theoretischer Teil
-23-
das Hinzukommen der komplexen Elternaufgaben, die Erweiterung der Beziehungsdyade von
vorgeburtlich zwei Erwachsenen zu einer Triade mit einem Säugling und neue
Aufgabenverteilungen zwischen den Partnern (vgl. Reichle, 1994).
Wichtig ist die differenzierte Betrachtung, bei der auch die Unterschiede im Eintreten, der
Interpretation und der Bewältigung dieser Veränderungen einbezogen werden. Im Folgenden
werde ich anhand des Modells der Analyse kritischer Lebensereignisse als Bezugsrahmen die
spezifischen Auswirkungen der Erstkindgeburt darstellen.
2.5.1. Modell der Analyse kritischer Lebensereignisse (nach Filipp)
Basierend auf Filipps (1981) ,,Allgemeinem Modell für die Analyse kritischer
Lebensereignisse", kommt es grundsätzlich bei Lebensereignissen zu Auswirkungen auf
Seiten der betroffenen Person (personseitige Effekte), des Kontextes sowie zu interaktionalen
Effekten (vgl. Reichle, 1994).
Als eindeutig personseitiger Effekt ist das verstärkte Erleben von Belastung und Anspannung,
in Form des krisenhaften Umbruchs und emotionaler Belastung einzuordnen. Ferner zählen zu
den personseitigen Effekten die spezifischen Erfahrungen einer drastischen Einschränkung
der individuellen Freiheit und ein Gefühl des permanenten Zeitdrucks. Als weiterer
personseitiger Effekt ist im Zusammenhang mit der Aufgabenneuverteilung zwischen den
Ersteltern sehr häufig die Aufgabe der Berufstätigkeit bzw. Ausbildung der Frau festzustellen.
Eine Traditionalisierung in der Aufgabenverteilung kann zu anhaltender Unzufriedenheit mit
der vorgenommenen Verteilung führen. Auch einzelne Aspekte der neuen Rollen können als
belastend erfahren werden. Verletzte Erwartungen der Frauen bezüglich der Beteiligung der
Väter an der Kindversorgung und auch Hausarbeit schlagen sich vielfach in negativen
Gefühlen ihren Männern gegenüber nieder (vgl. ebenda).
Einkommensreduktion und daraus resultierende materielle Sorgen lassen sich als
Kontexteffekte einordnen. Sie fallen besonders gravierend aus, wenn sich die
Rollenkonstellation von einer Familie mit zwei Erwerbstätigen zur Familie mit einem
Alleinverdienenden verändert (vgl. ebd.).
Ferner können ungünstige Wohnverhältnisse (vgl. Müller 1991), häufig fehlende kindgerechte
Spielräume in der Wohnumgebung, finanzielle Sorgen (vgl. Walper, 1991) sowie der häufig
separierte Lebensvollzug in Kleinfamilien zu Konflikten innerhalb der partnerschaftlichen
Dyade führen.
Das am häufigsten untersuchte interaktionale Effektmerkmal ist das Merkmal der
Partnerschaftszufriedenheit. Im Allgemeinen wird mit dem Hinzukommen eines Kindes eine
Verschlechterung der elterlichen Partnerschaft erwartet. Nur wenige Untersuchungen stützen

Theoretischer Teil
-24-
die Annahme, dass diese Verschlechterung eher eine natürliche Erosion in der Entwicklung
von Partnerschaften zu sein scheint, welche man zu Unrecht auf die Familienwerdung
attribuiert (vgl. Reichle, 1994).
Hingegen zeigen andere Vergleiche zwischen Ersteltern und kinderlosen Paaren mit gleicher
Beziehungsdauer deutliche Verschlechterungen der Partnerschaftszufriedenheit bei den
Ersteltern gegenüber einer stabilen Zufriedenheit in der Partnerschaft bei den Kinderlosen
(vgl. Cowan et al,1985).
Folgende interaktionale Effekte bei Ersteltern konnten festgestellt werden:
Reduktion von Gemeinsamkeiten der Eltern infolge der Aufgabenverteilung
Gefühle der Entfremdung vom Partner
Verteilungskonflikte
Belastungen durch das Aushandeln neuer Rollenverteilungen
deutliche Verschlechterung der Kommunikation der Eltern
Reduktion der gemeinsam verbrachten Zeit und des sexuellen Kontaktes
Veränderung der Machtbalance zugunsten der Männer (vgl. ebenda).
2.5.2. Folgen der Erstelternschaft für die Partnerschaft (personseitig und interaktional)
Im Folgenden werde ich mich auf die personseitigen Folgen für die Ersteltern und
interaktionalen Folgen zwischen den Partnern konzentrieren sowie ihr Zustandekommen
anhand ausgewählter Literatur zum Thema erläutern. Da personseitige und interaktionale
Folgen eng miteinander verknüpft sind und sich wechselseitig bedingen, werde ich sie in ihrer
Verbundenheit darstellen. Es entstehen beispielsweise viele Streitigkeiten an Themen der
Aufgabenneuverteilung. Diese Auseinandersetzungen basieren auf einer individuellen
veränderten Erwartungshaltung an sich oder den anderen (=personseitiger Effekt) und wirken
wiederum auf die Partnerschaftszufriedenheit beider Partner (= interaktionaler Effekt).
2.5.2.1. Belastungserleben
Die Geburt des ersten Kindes scheint eine schwere Belastungsprobe für die Beziehung zu
sein. Besonders in der ersten Zeit nach der Geburt stehen Ermüdung, Erschöpfung und
Überlastung auf der Tagesordnung.
Einerseits sind die Partner durch die gemeinsame Verantwortung verstärkt aufeinander
angewiesen, andererseits bringt das Hinzukommen des Kindes gleichzeitig den Verlust der
Zweisamkeit mit sich (vgl. Kalicki et al., 1999).
Um den vielen neuen Aufgaben gerecht zu werden, muss es zu einer veränderten Aufteilung
der Zeit- und auch Energieressourcen zwischen beiden Partnern kommen. Der Alltag muss

Theoretischer Teil
-25-
völlig neu organisiert und strukturiert werden. Kontakte zu Freunden sowie Freizeitaktivitäten
werden oftmals drastisch reduziert. Ebenso ist der Raum, für sich selbst Ruhe zu finden,
deutlich eingeschränkt. Zum einen sind die erforderlichen Umstrukturierungen oftmals
verknüpft mit dem Verlust belohnender Rollen, zum anderen bedeutet die Abhängigkeit und
Hilfsbedürftigkeit des Babys eine starke Beanspruchung, welche mit Schlafmangel sowie
Erschöpfung verbunden ist. Dieses wird besonders als Beschwernis erlebt und wirkt sich
häufig sehr belastend auf die Partnerschaft aus (vgl. ebenda).
Auch Cowan Cowan (1994) stellten geschlechtspezifische Unterschiede im Erleben des
Übergangs fest. Frauen bemerken die nachteiligen Folgen der Elternschaft früher und leiden
auch stärker unter den Veränderungen als ihre Partner. Sie erleben sich und die Partnerschaft
deutlich stärker belastet als ihre Männer, da sich ihre Lebensgestaltung einschneidender
verändert und sie hauptsächlich die Kind- und Haushaltsversorgung übernehmen (vgl. Graf,
2002).
Nach Cowan Cowan (1994) bringt die Elternschaft die Partner nicht näher zusammen,
sondern lässt vorher bestehende Unterschiede viel deutlicher werden. So nehmen die Partner
die zueinander bestehenden Differenzen in zahlreichen Bereichen intensiver wahr, wie z.B.
Vorstellungen zu Familie, Erziehung, Aufgabenteilung usw.
Ein großes Ausmaß an subjektiv wahrgenommenem Verzicht hat sich als
belastungsverstärkend herausgestellt. In der Studie von Reichle (1994) wird postuliert, dass
Frauen sich umso stärker belastet fühlten, je mehr persönliche Einschränkungen sie
empfanden. Erschwerend kam das Ausmaß der negativen Emotionen wie Ärger oder Trauer
über diese Einschränkungen hinzu (vgl. Reichle, 1994).
2.5.2.2. Zeit ­ eine knappe Ressource
Für befriedigende Interaktionsprozesse innerhalb und zwischen den Subsystemen ist das
familiäre Zeitbudget von entscheidender Bedeutung. Mit der Geburt des ersten Kindes
verändert sich der gesamte Zeithaushalt (vgl. Bauer, 1992).
Das relativ großzügige Zeitkontingent in der Paarkonstellation geht im Familiengefüge in eine
chronische und drastische Zeitknappheit über. Beim Umverteilen des individuellen
Zeitbudgets dient meist hauptsächlich das Partnerschaftssubsystem als verfügbare
Zeitressource. Die Partner verbringen dann weniger gemeinsame Zeit sowohl im alltäglichen
Lebensvollzug als auch während der Erholungszeiten miteinander. Die gemeinsame
Gesprächszeit des Paares verringert sich insofern, als das das Kind bei der Unterhaltung stört
oder ein Partner wegen des Kindes nicht zur Verfügung stehen kann. Jedoch nimmt gerade in
dieser Phase des Umbruchs der Abstimmungs- und Kommunikationsbedarf erheblich zu. Die

Theoretischer Teil
-26-
Verknappung der Interaktionszeiten innerhalb der Dyade erschwert also die
Auseinandersetzung mit den intrapsychischen und interpersonellen Anforderungen dieser
Übergangszeit (vgl. Oerter Montada, 1998).
Cowan Cowan (1994) stellten ebenso in ihren Untersuchungen eine deutliche
Einschränkung der gemeinsam verbrachten Freizeit fest. Zudem sinkt auch die für die Partner
allein zur Verfügung stehende Zeit. Belsky, Ward Rovine (1986) stellten dar, dass es
sowohl zu einer starken Abnahme der Beschäftigung beider Partner miteinander als auch zu
einer gesteigerten Unzufriedenheit mit interpersonellen Aktivitäten und gemeinsam
verbrachter Zeit kommt.
Mit dem Übergang zur Elternschaft erfährt auch das Freizeitverhalten deutliche
Veränderungen. Die Elternschaft führt nach Buba Vaskovics (1994) zu einer
,,Verhäuslichung" der Freizeit. Aktivitäten zu Hause werden beibehalten, außerhäusliche
hingegen deutlich reduziert.
In der weiteren Elternschaftserfahrung kommt es zu unterschiedlichen Verhaltenstendenzen.
So stellte Werneck (1997) fest, dass in den drei Jahren nach der Geburt bei den Vätern das
Gefühl der Einengung in den Kontakten zu Freunden und Bekannten und damit der Wunsch
nach häufigeren Treffen stark zunahm. Dieses stellte eine Konfliktquelle dar, welche durch
den gegenteiligen Wunsch der Mütter nach dem Alleinsein intensiviert wurde.
Entscheidungen, welche die Zeitverwendung und die neu zu verteilenden Aufgaben betreffen,
zählen nach Cowan Cowan (1994) sogar zu den Hauptkonfliktquellen, die die
Partnerschaftszufriedenheit beeinträchtigen.
Im Alltag mit einem Kind bleibt wenig echte ,,Qualitätszeit", die ausschließlich der
Beziehungspflege dient, denn das Ausmaß an Energie und Zeit, welches für die Versorgung
des Kindes benötigt wird, reduziert das, was für gemeinsame Aktivitäten mit dem Partner
erübrigt werden kann (vgl. Graf, 2002).
Die Studie von El-Giamal (1999) zeigt, dass Partner nicht weniger Zeit miteinander
verbringen, sondern nur anders gestalten, indem sie weniger Zeit für Gespräche und
Zärtlichkeit miteinander aufbringen. Das für die Aufrechterhaltung der
Partnerschaftszufriedenheit nötige Miteinander gerät somit leicht in den Hintergrund.
Der erhöhte Kommunikationsbedarf dieser Phase des Umbruchs und der Neuorganisation
erfordert ausreichend Zeit, welche ebenso wenig wie die Muße dazu vorhanden ist.
Eskalationen und dysfunktionales Streitverhalten sind oftmals die Folge, da die Konflikte
mangels Zeit nicht konstruktiv gelöst werden können (vgl. Kalicki et al., 1999).

Theoretischer Teil
-27-
Bauer (1992) wies ferner darauf hin, dass Streitigkeiten, Wut sowie Gefühle des
Getrenntseins durch das Kind vor allem dann auftreten, wenn es den Partnern nicht gelingt,
einen effektiven Ausgleich für die Verringerung der Zeit zu finden. Die Autorin stellte dar,
dass die Bewertung und Interpretation dieser veränderten Situation weitaus bedeutsamer ist
als die Tatsache des Zeitverlustes an sich. Innerhalb der Elternschaft kommt es also eher zu
ungleichzeitigem, alleinigem Handeln und zu einem weniger gemeinsam verbrachten Alltag.
Hiervon sind die Mütter weitaus stärker betroffen. Diese kompensieren jedoch
möglicherweise die Einbußen der Partnerzeit durch die Zeit mit dem Kind (vgl. ebenda).
Olbrich und Brüderl (1995) stellten fest, dass Frauen zusätzlich zu der geringeren Zeit, die
ihnen persönlich zur Verfügung steht, häufig sogar auf solche Aktivitäten verzichten, die ihr
Wohlbefinden steigern könnten. Sie zeigen somit wenig Kompetenzen, ihrer eigenen
schlechten Befindlichkeit und Unzufriedenheit entgegenzusteuern.
2.5.2.3. Kommunikation und Konfliktstile
Die Kommunikations- und Problemlösefertigkeiten beider Partner sind in dieser schwierigen
Phase des Übergangs, in welcher der Lebensalltag gänzlich neu strukturiert werden muss, von
ganz besonderer Bedeutung.
Gerade die Einstellungen und Kommunikationsfertigkeiten der Männer scheinen
außerordentlich wichtig zu sein. Shapiro et al. (2000) fanden heraus, dass, je mehr kognitiven
Raum die Partnerschaft vor der Schwangerschaft bei den Männern eingenommen hatte und je
klarer sie ihrer Partnerin Wertschätzung und Anerkennung mitteilten, desto zufriedener war
diese mit der Partnerschaft in den zwei Jahren nach Geburt des gemeinsamen Kindes. Ein
stabiles freundschaftliches Band kann somit eine sehr wichtige Hilfe im Umgang mit den
Belastungen beim Übergang zur Elternschaft darstellen. Der Anteil der kommunikativen
Zuwendung der Männer ist deshalb ein unverzichtbarer Ausgleich für die den Übergang
begleitenden Belastungen, von denen die Frauen zumeist viel stärker betroffen sind (vgl. Graf,
2002).
Eine andauernde, schwelende Unzufriedenheit schlägt sich häufig in der Kommunikation mit
dem Partner nieder. Besonders dann, wenn genau das Verhalten des Partners einen Teil des
Problems darstellt. Dieses ist häufig aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeit beider
Partner voneinander gegeben. Es kommt in dieser schwierigen Phase des Übergangs oftmals
zu einer Zunahme dysfunktionaler Interaktionsformen im Streitverhalten zwischen beiden
Partnern, welche dann zu Konflikteskalationen führen können (vgl. Kalicki et al., 1999).
Auch zu Missverständnissen kommt es häufig, da die Partner die Situation des jeweils
anderen nur wenig kennen bzw. sich nur erschwert in diese hineinversetzen können. Zeit- und

Theoretischer Teil
-28-
Entscheidungsdruck sowie fehlende Distanz zu den zahlreichen Problemlagen erschweren
zusätzlich konstruktive Problemlösungen. Zudem ist neben den äußeren Bedingungen auch
Muße erforderlich, um sich den Konflikten zuzuwenden und eine konstruktive Lösung
anzustreben. Jedoch sind üblicherweise diese erforderlichen Bedingungen zur erfolgreichen
Kommunikation nach der Geburt des Kindes nicht gegeben (ebenda, 1999).
Eine weitere Erklärung der veränderten Kommunikation zwischen den Partnern nach der
Geburt des ersten Kindes fand Reichle (1994). Sie vermutete, dass die Tatsache der
Veränderung von Dyade zur Familientriade die Exklusivität und Zeit der Kommunikation
zwischen den Partnern einschränkt. In der wenigen Zeit werden nur unbedingt nötige
Informationen ausgetauscht. Informationen über Befindlichkeiten und dergleichen werden
nicht kommuniziert, da sie für die Bewältigung der alltäglichen Aufgaben nicht relevant sind.
So kommt es unter Umständen zur Entfremdung beider Partner (vgl. Reichle, 1994).
Die durch die Geburt des ersten Kindes veränderten Kommunikationsbedingungen
beschrieben Worthington und Buston (1987). Folgende vier folgenden Prozesse sahen sie als
ursächlich für Probleme in der Partnerschaft an:
Erstens reduziert sich die Anzahl der positiven Interaktionen zwischen den Eltern sehr stark
nach Hinzukommen eines neuen Familienmitglieds. Da eine zufrieden stellende Beziehung
auf dem Austausch sozialer Verstärker beruht, wird die Partnerschaft zunehmend belasteter
empfunden.
Zweitens ist die Kommunikation zwischen den Partnern insgesamt erschwert und wird durch
das Kind oftmals gestört. Die Kommunikationsinhalte verändern sich ebenso wie angewandte
Problemlösestrategien, welche überdies auch noch viel schneller zu Lösungen führen müssen.
Drittens kommt es häufiger zu Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten aufgrund
getroffener dringender Entscheidungen, die ohne eine vorherige gegenseitige Einigung bzw.
Absprache gefällt wurden.
Viertens wird der Stress durch die Elternschaft oft als intern verursacht angesehen, was eine
dysfunktionale Attribution darstellt.
Graf (2002) beschreibt in ihrer Untersuchung, dass das Ausmaß der dysfunktionalen
Konflikte bis zum fünften Jahr der Elternschaft abhängig ist von der vorgeburtlich erlebten
Selbständigkeit der Frauen, bei den Männern zusätzlich von der vorgeburtlichen
Zugewandtheit. Die Autorin vermutet hier, dass die Partner das unangenehm erlebte
Verhalten ihres Partners bewerten. Vermissen die Frauen die Zugewandtheit ihres Partners,
reagieren sie häufig mit Vorwürfen, was der Partner meist besonders dysfunktional einschätzt.
Fühlen sich Männer hingegen zu sehr in der Beziehung eingeengt, reagieren sie oftmals

Theoretischer Teil
-29-
zynisch oder mit Rückzug, was wiederum die Partnerin als besonders dysfunktional erachtet
(vgl. Graf, 2002).
2.5.2.4. Aufgabenneuverteilung und Traditionalisierung
Mit der veränderten Aufgabenverteilung in Berufs-, Hausarbeits-, und Freizeitbereich sowie
innerhalb der Kindversorgung gehen auch Veränderungen in der Erfüllung von Bedürfnissen
einher, welche vor der Geburt des Kindes uneingeschränkt möglich waren (vgl. Reichle,
1994).
Auch wenn vor der Geburt des Kindes eine Gleichverteilung der Aufgaben im Haushalt
angestrebt bzw. praktiziert wurde, führt der Übergang zur Elternschaft meistens zu einer
traditionellen Verteilung von Aufgaben und Rollenmustern. In den meisten Fällen
unterbrechen die Mütter ihre Berufstätigkeit oder geben diese auf, um hauptsächlichen
Verantwortung zur Betreuung und Pflege des Kindes zu übernehmen. Später gehen die Frauen
die vielfältigsten arbeitsbiographischen Kompromisse ein und übernehmen die Alltagsarbeit
mit den Kleinkindern. Zusätzlich kommt es häufig zu einer dauerhaften Verschiebung der
Aufgabenverteilung im Haushalt zu ihren Lasten (vgl. Sieverding, 1992).
Reichle (1994) weist ebenso darauf hin, dass es häufig die Frauen sind, die nach der Geburt
eines Kindes eine umfänglichere Aufgabenübernahme neben einer stärkeren Einschränkung in
ihrer Bedürfniserfüllung aufweisen als ihre Partner.
Diese Auffassung teilen auch Rost Schneider (1998), indem sie feststellten, dass die
Lebensgestaltung der Frauen durch die Geburt eines Kindes deutlich stärker beeinflusst wird
als die der Männer. Sie erfahren nach der Geburt meist eine tief greifende Umgestaltung ihrer
Lebensumstände, hingegen besteht bei den Männern kaum ein Zusammenhang zwischen ihrer
Berufstätigkeit und dem Übergang zur Elternschaft (vgl. Rost Schneider, 1998).
Zudem stimmten nach Fthenakis (1985) die vor der Geburt von den Vätern geäußerten
Zeitvorstellungen für ihren Anteil an der Versorgung des Säuglings mit der späteren
Beteiligung oftmals nicht überein.
Diese in der Literatur bezeichnete Traditionalisierung der Rollen untersuchte Reichle (1994)
bei Elternpaaren drei und 58 Monate nach Geburt ihres ersten Kindes. Die Männer
reduzierten bei unverändertem Ausmaß ihrer Erwerbstätigkeit ihren Anteil an der Hausarbeit
und übernahmen nur einen sehr geringen Anteil bei der Versorgung des Kindes. Die Frauen
hingegen reduzierten sowohl ihre Erwerbstätigkeit als auch ihre Freizeit, während sie ihren
Anteil an der Hausarbeit erhöhten und zugleich die Hauptlast der Kindversorgung
übernahmen (vgl. Reichle, 1994).

Theoretischer Teil
-30-
Im Zusammenhang mit der Traditionalisierung ist die Beziehungsform vor der Elternschaft
von Belang. So fanden Grossmann et al. (1980), dass bei bereits traditionellen
Beziehungsformen der Übergang zur Elternschaft weniger belastend verlaufen kann.
Konflikte hingegen, welche aus dem Wandel von gleichberechtigter zu traditioneller
Rollenteilung resultieren, nehmen mit Beginn der Elternschaft zu. Zu ihnen zählen
Spannungen bezüglich der Arbeitsteilung im Haushalt und im Umgang mit dem Kind, die von
beiden Partnern große Anpassungsleistungen erfordern (vgl. ebenda).
Der Wechsel von vormals unabhängigen und gleichberechtigten Rollen zu traditionellen
Rollen kann besonders für berufsorientierte Frauen einen Stressfaktor bedeuten (vgl. Cowan
Cowan, 1994).
Interessanterweise beschrieb Bleich (1996) jedoch größere Anpassungsschwierigkeiten bei
nichtberufstätigen Frauen nach dem ersten Lebensjahr des Kindes als bei erwerbstätigen
Müttern. Die Autorin vermutete, dass die Belohnungen, welche mit der Erwerbstätigkeit
verbunden sind, möglicherweise die mit der Mutterschaft verbundenen Schwierigkeiten
ausgleichen (ebenda, 1996).
Männer und Frauen nehmen die Aufgabenverteilung und ­erledigung sowie die
Zeitverwendung ganz unterschiedlich wahr (Belsky, Spanier Rovine, 1983). Daraus
resultiert nach den Autoren eine ungleiche Zufriedenheit zwischen den Geschlechtern. So
empfinden die Mütter die zahlreichen Veränderungen durch die Elternschaft weitaus
gravierender als ihre Partner. Männer schätzen ihren Anteil geleisteter Unterstützung höher
ein als ihre Partnerinnen. Zudem sind sie deutlich zufriedener mit der Verteilung der
Aufgaben.
Bei einer größeren Aufgabenlast und gleichzeitig geringerer Beteiligung der Männer im
Haushalt und an der Versorgung des Kindes kommt man zwangsläufig zur Einschätzung, dass
sich die Auswirkungen des Übergangs zur Elternschaft für Frauen massiver und
einschneidender erweisen als für die Partner (vgl. Belsky, Spanier Rovine 1983).
Einen anderen Aspekt beleuchten Feierfeil Gutmann (1994): Vom erwerbstätigen
Familienmitglied wird die Familie häufig zum Ausgleich beruflicher Spannungen in
Anspruch genommen. Die Beziehungs- und Hausarbeit der Frauen innerhalb der Familie wird
hingegen als selbstverständlich erachtet. Ihnen bleibt dieser Ausgleich innerhalb der Familie
versagt. Einen weiteren bedeutsamen Punkt stellt die sog. soziale Nivellierung dar, welche
sich in der finanziellen Abhängigkeit vom Partner durch den Ausstieg aus der Berufstätigkeit

Theoretischer Teil
-31-
und in der sozialen Isolierung durch verringerte soziale Kontakte widerspiegelt. Wichtige
außerfamiliäre Befriedigungsquellen bleiben ihnen im Vergleich zum Partner verschlossen.
(vgl. ebenda, 1994).
Die offensichtlich ungleichen Konsequenzen des Übergangs (Stabilisierung traditionell
komplementärer Geschlechterrollen, Verlust der ökonomischen Unabhängigkeit sowie
Einschränkungen der Freizeitaktivitäten für die Frauen) bezeichneten Rost Schneider
(1994) treffend als ,,differentielle Elternschaft".
Die subjektive Bewertung der Veränderungen kann in Abhängigkeit von der Lebensplanung
und dem gewählten Lebensstil der Partner sehr stark variieren (vgl. Gloger-Tippelt, 1988). Ob
die Verteilung aller Verpflichtungen und Aufgaben als gerecht oder ungerecht empfunden
wird, hängt besonders von den ursprünglichen Erwartungen der Partner ab, die sie vor der
Elternschaft entwickelt hatten (vgl. Kalicki et al., 1999).
Verstärkt wird der Traditionalisierungseffekt durch das Aufleben der alten Rollenbilder aus
den Herkunftsfamilien, auf welche die Partner -häufig unbewusst- zurückgreifen. Von den
eigenen Eltern vorgelebte Modelle bestimmen die Erwartungen aneinander bzw. beeinflussen
die Vorstellungen. Oftmals stehen diese Rollenbilder (Vater = Alleinernäher, Mutter =
häusliche Fürsorge) im Widerspruch zum bewussten Beziehungsideal, werden jedoch auch
voneinander erwartet. Hierin liegt häufig die Ursache für gegenseitige Vorwürfe,
Frustrationen und Auslöser für endlose Streitigkeiten (vgl. Jellouschek, 2005).
Nave-Herz (2008) beschrieb einen Gegensatz der Mutterrolle innerhalb der Familie
gegenüber der Arbeitswelt. In dieser ist die Frau oftmals diejenige, die vor allem Hilfs- oder
Assistenzdienste leistet, in der Familie ist es genau umgekehrt. Die Autorin begründet es unter
anderem auch damit, dass sich die Frauen häufig als deutlich kompetenter bezeichnen und
Aufgaben selbst übernehmen, beispielsweise wenn das Kind schreit, so dass der Vater sehr
schnell wieder ausgegrenzt wird. Der Mann bleibt der Assistent seiner Frau. In ihrer
Untersuchung (aus 13 west- und osteuropäischen Staaten) stellte sich heraus, dass den Frauen
am meisten geholfen wurde, die im Schichtdienst tätig waren. Der Vater war dann allein, er
konnte nicht an die Mutter weiter delegieren und war somit auch ganz selbständig
verantwortlich für den häuslichen Aufgabenbereich. Es müssen nicht nur einfach Arbeiten
aufgeteilt werden, sondern auch Verantwortungen (vgl. Nave- Herz, 2008).

Theoretischer Teil
-32-
2.5.2.5. Sexualität
Bereits in der Schwangerschaft unterliegt der Bereich der Sexualität gewissen Veränderungen.
In der Studie von Herff (1990) stellte der Autor eine Abnahme des sexuellen Interesses und
der sexuellen Zufriedenheit fest, die lediglich für die Männer seiner untersuchten Zielgruppe
bestand. Die Unzufriedenheit der Männer mit dem eingeschränkten oder fehlenden
Sexualleben lässt sich darauf zurückführen, dass in den letzen Monaten der Schwangerschaft
das Interesse an Sexualität bei Frauen deutlich stärker sinkt als bei den Männern. Dieses
verstärkte Absinken bei den Frauen lässt sich in diesem letzten Stadium der Schwangerschaft
möglicherweise durch Ängste, dem ungeborenen Kind zu schaden oder auch vermehrte
physische Beschwerden erklären (vgl. Bleich, 1996).
Auch Gloger ­Tippelt (1999) wies darauf hin, dass Paare, die ihr erstes Kind bekommen,
während der Schwangerschaft oftmals äußerst verunsichert und voller Sorgen über eine
mögliche Beeinträchtigung ihres Kindes durch Sexualität sind.
Jellouschek (2005) beobachtete weitere mögliche Veränderungen der Paarsexualität während
der Schwangerschaft: Die fortschreitenden körperlichen Veränderungen der Frau erwecken
bei den Partnern bisweilen körperliche Aversionen. Diese führen bei den schwangeren Frauen
oft zu starken seelischen Kränkungen oder auch Verletzungen. Hinzu kommt, dass der Autor
im Gegensatz zu den o.g. Autoren feststellte, dass das sexuelle Bedürfnis der Frauen in der
Schwangerschaft vielfach auch zunehmen kann, so dass sie dann die ablehnende Haltung des
Partners besonders deutlich als Ablehnung ihrer Weiblichkeit empfinden (vgl. Jellouschek,
2005).
Ferner stellen Schwangerschaft und Geburt für das Empfinden des weiblichen Körpers
einschneidende Ereignisse dar. Einerseits kann sich das Gefühl für ,,Weiblichkeit" bei den
Frauen verstärken, andererseits aber auch zu Unzufriedenheit mit dem Körperbild und
Aussehen führen. Die Partner erfahren diese sehr bedeutsamen Veränderungen indirekt. Die
vorherige ,,Geliebte" wird nun zur ,,Mutter". Diese veränderte soziale Kategorisierung der
eigenen Partnerin erfordert von ihm umfassende Verarbeitungsprozesse sowie eine
modifizierte Gewichtung der Kriterien für die Attraktivität der Frau (vgl. Gloger-Tippelt,
1999).
Nach Herff (1990) stellt die Zeit des Übergangs zur Elternschaft für viele Paare auch eine
Phase der belasteten sexuellen Beziehungen dar. Die Liebesgefühle und emotionale
Verbundenheit zum Partner werden geringer, instrumentelle Funktionen treten in den

Theoretischer Teil
-33-
Vordergrund (vgl. Schneewind, 1999). Es kommt zur Abnahme zärtlicher Gefühle und
sexueller Initiativen, was beide Partner zunehmend problematisch erleben (vgl. Graf, 2002).
Gloger ­Tippelt (1999) wies ebenso darauf hin, dass nach der Geburt des ersten Kindes die
aktive Zärtlichkeit auch in Form der sexuellen Begegnung beider Partner erheblich abnimmt.
Die Ergebnisse der Studie von Engfer, Heinig und Gavranidou (1988) zeigten, dass aus der
Sicht der befragten Frauen in den vier Jahren nach der Erstkindgeburt die Konflikte in den
Bereichen ,,mangelnde Zärtlichkeit und Zuwendung" sowie ,, Erwartungen und Wünsche im
sexuellen Bereich" deutlich zunahmen.
Die sexuelle Beziehung verschlechtert sich langfristig bei einem Drittel aller Paare, weil die
Intensität der Probleme in Bezug auf die Sexualität und Zärtlichkeit zunimmt. Diese ist drei
bis vier Jahre nach der Geburt besonders ausgeprägt (vgl. Engfer et al., 1988).
Sexuelle Probleme nach der Geburt zeigen sich nach Sydow (1999) häufig vor allem in den
großen Diskrepanzen im Wunsch nach sexuellem Kontakt zwischen den Partnern. Meist
erscheint die Frau sexuell lustlos, der Mann ,,drängt" oder zieht sich resigniert, mitunter auch
beleidigt zurück. Es handelt sich bei den unterschiedlichen sexuellen Wünschen innerhalb der
Partnerschaft oftmals hintergründig um teilweise schwelende Partnerschaftsprobleme, welche
in sexueller Unlust ihren Ausdruck finden (vgl. Sydow, 1999).
Lothrop (2002) beschrieb die Sexualität als einen sehr feinen Gradmesser für die subtilen
Probleme in der Partnerbeziehung, welche dann im Prozess der neuen Rollenfindung verstärkt
zum Ausdruck kommen.
Des Weiteren sind stillende Mütter oftmals übersättigt durch den ständigen Körperkontakt
zum Baby. Es entsteht häufig das starke Bedürfnis, nur für sich zu sein, ohne dass Ansprüche
an sie gestellt werden. Zudem weist die Autorin darauf hin, dass sexuelle Probleme meist
durch Unzufriedenheit mit der Beziehung begründet sind. So fühlen sich viele Frauen nach
der Geburt überfordert und enttäuscht von der mangelnden Unterstützung durch ihre Partner.
Derartige Konflikte führen zur sexuellen Unlust (vgl. Sydow, 1999).
Die Paartherapeutin Welter-Enderlin (1995) bezeichnet dieses als ,,Verkühlungen" in
Paarbeziehungen. Als weiteren Aspekt beschreibt sie, dass sich die Partner häufig
ausgeschlossen von der engen, zärtlichen Beziehung zwischen Mutter und Kind fühlen, was
zu Verunsicherung oder auch unbewusster Eifersucht führen kann. Um sich rückzuversichern,
nach wie vor geliebt zu werden, ,,bedrängen" sie in sexueller Hinsicht ihre Partnerinnen.
Dieses führt schnell zu schwelenden Paarkonflikten (vgl. ebenda).

Theoretischer Teil
-34-
Nach Jellouschek (2005) kann sich nach der Geburt leicht ein Teufelskreis innerhalb der
Partnerschaft entwickeln. Dieser kann entstehen, wenn die Frau kein Bedürfnis nach
Sexualität verspürt und beispielsweise aufgrund der permanenten Übermüdung oder
Inanspruchnahme durch das Kind die sexuelle Annäherung des Partners abwehrt. Sexuelle
Abwehr kann häufig die Funktion einer Autonomie- Wahrung haben, die Frau ist durch
zahlreiche Anforderungen nicht mehr zum Geben bereit, möchte eher bei sich sein. Die
sexuelle Annäherung des Partners kann dann als Bedrohung erlebt werden, welche das
Bedürfnis nach gemeinsamer Sexualität immer weiter reduziert. Daraus kann ein sich
verfestigendes Muster des unbewussten Drucks auch bei Paaren entstehen, die vor der Geburt
eine unproblematische Sexualität verband (vgl. ebenda).
Jurgan, Gloger-Tippelt und Ruge (1999) beschrieben als deutlichsten Indikator für eine
ungünstige verlaufende Entwicklung der Partnerschaftszufriedenheit die reduzierte
körperliche Zärtlichkeit und fehlende Kommunikation sexueller Wünsche an den Partner. Sie
stellten in ihrer Studie einen gravierenden Rückgang der sexuellen Aktivitäten und auch
Zärtlichkeiten schon von Beginn der Schwangerschaft bis sogar zu fünf Jahren nach Geburt
des ersten Kindes fest. Die Autoren verweisen auf zahlreiche ihr Ergebnis bestätigende
Studien, welche ebenso ein deutliches Absinken der zärtlichen und sexuellen Interaktionen
innerhalb der Partnerschaft in den ersten drei Lebensjahren des Kindes belegen.
Des Weiteren wurde in der Untersuchung von Jurgan et al. (1999) deutlich, dass aus der Sicht
der Männer der zunehmend geringer werdende Austausch von Zärtlichkeiten mit ihrer
Partnerin einhergeht mit einer deutlichen Abnahme der eigenen Zufriedenheit mit der
Partnerschaft. Bei den Frauen hingegen waren die Zufriedenheit und das Glücksgefühl nicht
beeinträchtigt durch die Reduzierung der ausgetauschten Zärtlichkeiten.
In der Studie von Bauer (1992) kam es bei allen befragten Paaren bis zu vier Monate nach der
Geburt zu keiner Sexualität, anschließend nahmen die Hälfte aller befragten Paare die
Sexualität wieder auf. Ein Drittel der Elternpaare beschrieben jedoch eine deutliche
Reduktion gegenüber der Zeit vor der Schwangerschaft (vgl. ebenda).
Einen wesentlichen weiteren wichtigen Aspekt merkt Gloger- Tippelt (1999) an: Der zumeist
zeitweilige Rückgang der sexuellen Aktivitäten von Paaren, die ihr erstes Kind bekommen
haben, kann möglicherweise auch im Zusammenhang mit einer anderen Gewichtung und
womöglich einer Umorientierung der Werte gesehen werden. Anstelle der verbindenden
Gefühle der sexuellen Attraktion füreinander treten nun Gefühle der Zusammengehörigkeit
und Verbundenheit durch das Kind.

Theoretischer Teil
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2.4.2.6. Zufriedenheit mit der Partnerschaft
Das sehr häufig untersuchte interaktionale Effektmerkmal ist das Merkmal der
Partnerschaftszufriedenheit. Generell wird mit dem Hinzukommen eines Kindes meist eine
Verschlechterung der elterlichen Partnerschaft erwartet.
Wenige Arbeiten stützen die Annahme, dass diese Verschlechterung eher eine natürliche
Erosion in der Entwicklung von Partnerschaften zu sein scheint. So zeigte sich in
vergleichenden Untersuchungen von kinderlosen Paaren und Paaren mit einem Kind, dass
auch für die Paare ohne Kind die Partnerschaftszufriedenheit über einen längeren Zeitraum
hinweg sinkt. Erklärt werden kann dieses Absinken der Zufriedenheit durch den Rückgang
,,romantischer" Gefühle, die Gewöhnung an das Zusammenleben mit dem Partner und das
Erleben der Beziehung als Zweckgemeinschaft (vgl. McHale Huston, 1985).
Hingegen zeigen andere Vergleiche zwischen Ersteltern und kinderlosen Paaren mit gleicher
Beziehungsdauer deutliche Verschlechterungen der Partnerschaftszufriedenheit bei den
Ersteltern gegenüber den kinderlosen Paaren (vgl. Reichle, 1994).
Cowan Cowan (1994) beobachteten in ihren Untersuchungen deutliche
Geschlechtsunterschiede bezüglich der Veränderung der Partnerschaftszufriedenheit innerhalb
der ersten zwei Jahre als Ersteltern: Sie sank bei Müttern nach der Geburt sehr viel schneller
und auf ein viel tieferes Niveau als bei den Vätern. Gloger-Tippelt (1999) wies ebenfalls auf
Geschlechtsunterschiede in der Partnerschaftszufriedenheit hin. Nach ihren
Längsschnittstudien spüren Frauen die Unzufriedenheit mit der Partnerschaft früher als ihre
Partner. Die Zufriedenheit der Frauen nimmt bis zum sechsten Monat nach der Geburt
besonders stark ab und sinkt danach weiterhin. Bei den Männern hingegen war nur ein
langsameres und zudem geringeres Absinken der Partnerschaftszufriedenheit feststellbar.
Besonders Entscheidungen, welche die Zeitverwendung und die neu zu verteilenden Arbeiten
und Aufgaben betreffen, zählen nach Cowan Cowan (1994) zu den Hauptkonfliktquellen,
die die Partnerschaftszufriedenheit beeinträchtigen. Wichtiger als das Ausmaß der erlebten
Konflikte war eine mangelnde Übereinstimmung bezüglich der Bedeutung des Konfliktstoffes
für die Paarbeziehung, was zu großer Unzufriedenheit führte. Ferner führen Unterschiede
hinsichtlich der Prioritätensetzung sowie der Stimmungen und Gefühle zu einer Distanzierung
zwischen den Partnern. Ein Übermaß im Bestreben nach Gemeinsamkeit bzw. nach großer
Verbundenheit ist häufig eine Ursache für Spannungen innerhalb der Partnerschaft (vgl.
ebenda, 1994).
Barbara Reichle (1994) zeigte in ihrer Studie, dass negative Gewinn- und Verlust-
gewichtungen meist mit sehr starken Ungerechtigkeitsempfindungen und auch

Theoretischer Teil
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Verantwortlichkeitszuschreibungen dem Partner gegenüber zusammenhängen. So führt die
enttäuschend erlebte Mithilfe des Partners innerhalb der Familienarbeit zu negativen
Emotionen ihm gegenüber. Die Partnerschaftsunzufriedenheit ist am stärksten, wenn die
Einschränkungen mit Ärger, Enttäuschung oder auch Wut über den Partner verbunden sind,
als ungerecht empfunden und dem Partner zugeschrieben werden. Die gesamte
Partnerschaftsbeziehung wird zunehmend unbefriedigender erlebt. Vorwürfe und
Rückzugsverhalten sind häufig die Folge (vgl. Reichle, 1994).
Je deutlicher die Verteilung der Aufgaben den traditionellen Rollen entspricht, desto größer
ist die Gefahr, dass die Partnerschaftszufriedenheit sinkt, Konflikte zunehmen und
Kommunikation sowie Zärtlichkeit nachlassen, vor allem, wenn sich die Frauen weniger
typisch weibliche Eigenschaften zuschreiben (vgl. Kalicki et al., 1999). Allerdings scheint für
die Verringerung der Partnerschaftszufriedenheit weniger die tatsächlich praktizierte
Aufgabenverteilung bestimmend zu sein, als vielmehr die Bewertung dieser Rollenaufteilung
(vgl. Cowan Cowan, 1994). Demnach ist der Umgang mit den Veränderungen entscheidend
und nicht die Veränderungen an sich (vgl. Reichle, 1999).
Jedoch konnten zahlreiche Studien bestätigen, dass grundsätzlich ein väterliches Engagement
bei Hausarbeit und Kindbetreuung eine Pufferfunktion für die Zufriedenheit der Mutter
erfüllen kann (vgl. Gloger-Tippelt, 1999).
Als weiteren wichtigen Aspekt im Zusammenhang mit der Partnerschaftszufriedenheit
betonten Cowan Cowan die Bedeutsamkeit der Erfahrungen in der eigenen
Herkunftsfamilie. Stammen beide Partner oder zumindest die Männer aus harmonischen
Familien, erleben die Partner im Übergang zur Elternschaft einen deutlich geringeren
Rückgang der Zufriedenheit. Männer aus konfliktreichen Familien tendieren hingegen zur
Fortsetzung der bekannten dysfunktionalen Muster (vgl. Cowan Cowan, 1994).
Interessanterweise trifft dieses nicht für Frauen zu.
Ähnliches fanden Cox et al. (1998) in ihrer Studie heraus: Paare können leichter ihre
Partnerschaftszufriedenheit aufrechterhalten, wenn die Männer eine sichere Bindung an die
eigenen Eltern entwickelt oder eine gestörte Beziehung zu diesen überwunden hatten.
2.6. Dauer der nachteiligen Veränderungen für die Paarbeziehung
Die Geburt des ersten Kindes kann ­ wie beschrieben- mit zahlreichen nachteiligen
Veränderungen der Partnerschaft der Eltern einhergehen. Diese Einbußen der ersten Jahre der
Elternschaft widerspiegelt nicht nur die natürliche Erosion der Beziehung im Laufe der Zeit,
denn der Vergleich mit kinderlosen Paaren zeigt, dass diese zwar ebenfalls Einschränkungen
erleben, jedoch längst nicht in diesem Ausmaß. Jenes für werdende Eltern recht ernüchternde

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783842807327
DOI
10.3239/9783842807327
Dateigröße
1.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Psychologie
Erscheinungsdatum
2010 (November)
Note
1,0
Schlagworte
partnerschaft konflikt krise kind schwangerschaft
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Titel: "Das hatten wir uns aber anders vorgestellt!"
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