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Die US-Präsidentschaftswahlen 2008 und der Bradley-Effekt

Rasse als Strukturelement der US-Politik

©2010 Diplomarbeit 146 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
‘A huge challenge for Obama, insiders say, is simply determining how much skin color will matter in November. Race is nearly impossible to poll – no one ever says ‘I’m a racist’ (…)’.
143 Jahre nach der Ratifizierung des 13. Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika hatte im Jahr 2008 mit dem Demokraten Barack Obama erstmals in der Geschichte der USA ein Afroamerikaner realistische Chancen auf das Präsidentenamt. Aufgrund der besonderen Kandidatenkonstellation von schwarz gegen weiß waren die Wahlen des Jahres 2008 aus politikwissenschaftlicher Sicht eine Besonderheit: Die Kandidatur von Barack Obama lieferte im Vorfeld Raum für allerhand Vermutungen über den möglichen Einfluss der Rasse Obamas auf das Wahlverhalten der mehrheitlich weißen Bevölkerung und damit auf die Chancen eines Afroamerikaners auf das höchste Staatsamt. Es war schwer, eine Vorhersage darüber zu treffen, wie das Elektorat bei der ersten Präsidentschaftswahl mit einem schwarzen Kandidaten reagieren wird. Die zentralen Fragen waren: Sind die USA im 21. Jahrhundert bereit für einen afroamerikanischen Präsidenten? Wie offen wird eine eventuelle Ablehnung in Wahlumfragen geäußert? Im Vorfeld der Wahl äußerten in Umfragen 92 % der Amerikaner, dass sie bereit wären, einem geeigneten schwarzen Kandidaten ihre Stimme zu geben. In wie weit spiegeln diese Umfrageergebnis die politische Realität wieder?
Der sogenannte ‘Bradley-Effekt’ (BE) ist definiert als die Diskrepanz zwischen Umfrage- und Wahlergebnis begründet durch unehrliche Angaben weißer Wähler in Umfragen, benannt nach dem schwarzen Politiker Tom Bradley, der 1982 in Kalifornien für das Gouverneursamt kandidiert hatte, im Umfragen vorne lag, die Wahl dann aber doch verlor. Professor Charles Henry, der den Bradley-Effekt 1982 erstmals bei US-Wahlen messen konnte, war sich im Bezug auf dessen Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen 2008 unsicher: ‘If it’s close (…) the Bradley effect could make a difference. (…) Because we’re talking about not a mayor or a governor, but a president, a president who can ‘push the button,’and there’s no precedent for this. And it’s got to make some folks nervous.’ Auch Joe Trippi, Kampagnen-Manager der Bradley-Kampagne von 1982 äußerte sich auf die Frage nach der gegenwärtigen Existenz des Bradley-Effekts und die Wählbarkeit von Afroamerikanern in nationale Staatsämter eher verhalten: ‘The country has come a hell of long way. I think it´s a mistake […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Michael Schüller
Die US-Präsidentschaftswahlen 2008 und der Bradley-Effekt
Rasse als Strukturelement der US-Politik
ISBN: 978-3-8428-0720-4
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2010
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2011

2
,,Im Leben gibt es etwas Schlimmeres als keinen Erfolg zu haben:
Das ist, nichts unternommen zu haben."
Franklin D. Roosevelt

3
Danksagung
Diese Diplomarbeit entstand am Institut für Politikwissenschaft der Universität
Hamburg unter der Leitung von Dr. Christian Martin.
Besonders möchte ich mich bei Herrn Dr. Martin für die Möglichkeit bedanken,
trotz seiner Stellung als Visiting Assistant Professor am Department of Political Science
der Northwestern University in Evanston, Illinois die Diplomarbeit unter seiner
Betreuung anfertigt haben zu können. Nicht zuletzt durch die freundliche und
engagierte Betreuung hat mir diese Arbeit viel Freude bereitet. Mit Prof. Dr. Schnapp
stand mir an der Universität Hamburg ein engagierter Betreuer zur Verfügung.
Eine Diplomarbeit ist mit einem Marathon vergleichbar: Eine gute Vorbereitung ist
elementar, Hoch- und Tiefphasen wechseln sich ab!
Ich möchte mich bei denjenigen bedanken, die mich bei diesem Lauf unterstützt haben:
Mein Dank gilt meinem Vater, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand und mir im
Umgang mit Excel-Tabellen eine tolle Hilfe war. Bei Roland Heintze möchte ich mich
für die hilfreichen Anmerkungen und Diskussionen bedanken. Kerstin Staudte und
Holger de Vries gilt mein Dank für das Korrekturlesen dieser Arbeit. Marion Sievers
von der Datenbank LexisNexis gilt mein Dank für die Unterstützung bei der Recherche.
Darüber hinaus möchte ich mich bei meinem New Yorker Freund Gary Mazur
bedanken, der mir in vielen tiefgründigen Diskussionen die amerikanische Sichtweise
näher gebracht und mein Interesse für US-Politik geweckt hat.
Ich danke der Familie Marquardt, die mir in einer für mich nicht ganz einfachen Zeit
Halt gegeben hat!
Über allem stehen natürlich meine lieben Eltern und mein Großcousin Wilfried Raab,
ohne die dieses Studium nicht möglich gewesen wäre. Durch ihre moralische und
finanzielle Unterstützung ermöglichten sie mir eine schöne Zeit an der Universität
Hamburg.
Hamburg, im August 2010

Inhaltsverzeichnis
4
1.
Einleitung ... 7
1.1
Thematik ... 7
1.2
Grundannahmen ... 9
1.3
Abgrenzung der Untersuchungsgegenstände ... 10
1.4
Fragestellung und Ziel der Untersuchung ... 10
1.5
Verlauf und Vorgehensweise der Untersuchung ... 10
1.6
Zur Untersuchung herangezogener Quellen und Zitierweise ... 11
2
Rasse als Strukturelement der US-Politik ... 12
2.1
E pluribus unum? ... 12
2.1.1
Ethnische Zusammensetzung der US-Gesellschaft ... 12
2.1.2
Afroamerikaner als ethnische Gruppe der US-Gesellschaft ... 14
2.1.3
Der ,,racial gap", Rasse und das Wahlverhalten ... 16
2.2
Afroamerikaner als politische Kraft ... 18
2.2.1
Afroamerikanische Mandatsträger in der US-Politik ... 18
2.2.2
Kriterien des Wahlentscheids weißer US-Bürger ... 20
2.2.3
Das Wahlverhalten der Afroamerikaner ... 22
2.3
,,Rasse" als Thema im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 ... 24
2.4
Barack Obama zum Thema ,,Rasse" ... 29
2.5
Zusammenfassung ... 32
3
Der Bradley-Effekt ... 35
3.1
Definition Bradley-Effekt ... 35
3.2
Der Bradley-Effekt bei US-Wahlen ... 36
3.2.1
Gouverneurswahlen Kalifornien 1982, Tom Bradley ... 36
3.2.2
Bürgermeisterwahlen Chicago 1983, Harold Washington ... 40
3.2.3
Bürgermeisterwahlen New York 1989, David Dinkins ... 42
3.2.4
Gouverneurswahlen Virginia 1989, Douglas Wilder ... 44
3.2.5
Vorwahlen Demokraten New Hampshire 2008, Barack Obama ... 47
3.3
Der Bradley-Effekt in der theoretischen Diskussion ... 51
3.3.1
Analyse der Wahlergebnisse in Kalifornien 1982, Charles Henry ... 51
3.3.2
Analyse von Daniel J. Hopkins 1989 bis 2008 ... 53
3.3.3
Analyse von David Strömberg 1998 bis 2006 ... 57
3.4
Was spricht gegen den Bradley-Effekt? ... 59
3.5
Zusammenfassung ... 62
4
Zusammenfassung Teil I ... 65
Teil II:
Untersuchung ... 68
5
Ausgangslage ... 68
5.1
Obamas Kampagne ... 68
5.2
Negatives Campaigning gegen Obama ... 71
6
Vorgehensweise ... 73

Inhaltsverzeichnis
5
6.1
Ziele der Analyse ... 73
6.2
Begründung der Methode ... 74
6.3
Die 4 Faktoren des Bradley-Effekts ... 75
6.3.1
Faktor 1 ,,Umfragewerte" ... 76
6.3.2
Faktor 2 ,,frontrunner" ... 77
6.3.3
Faktor 3 ,,Unentschlossene" ... 78
6.3.4
Faktor 4 ,,Bevölkerungsanteil Afroamerikaner" ... 78
6.4
Grundgesamtheit ... 79
6.5
Auswahl der Bundesstaaten ... 80
6.5.1
Kalifornien ... 82
6.5.2
Ohio ... 83
6.5.3
Virginia ... 84
6.6
Beobachtungszeitraum ... 85
7
Untersuchung ... 85
7.1
Kalifornien ... 85
7.1.1
Faktoren ... 85
7.1.1.1
Faktor 1 ,,Umfragewerte" ... 85
7.1.1.2
Faktor 2 ,,frontrunner" ... 86
7.1.1.3
Faktor 3 ,,Unentschlossene" ... 87
7.1.1.4
Faktor 4 ,,Bevölkerungsanteil Afroamerikaner" ... 87
7.1.2
Zusammenfassung Kalifornien ... 89
7.2
Texas ... 89
7.2.1
Faktoren ... 89
7.2.1.1
Faktor 1 ,,Umfragewerte" ... 89
7.2.1.2
Faktor 2 ,,frontrunner" ... 90
7.2.1.3
Faktor 3 ,,Unentschlossene" ... 91
7.2.1.4
Faktor 4 ,,Bevölkerungsanteil Afroamerikaner" ... 91
7.2.2
Zusammenfassung Texas ... 93
7.3
Ohio ... 93
7.3.1
Faktoren ... 93
7.3.1.1
Faktor 1 ,,Umfragewerte" ... 93
7.3.1.2
Faktor 2 ,,frontrunner" ... 94
7.3.1.3
Faktor 3 ,,Unentschlossene" ... 95
7.3.1.4
Faktor 4 ,,Bevölkerungsanteil Afroamerikaner" ... 95
7.3.2
Zusammenfassung Ohio ... 97
7.4
Virginia ... 97
7.4.1
Faktoren ... 97
7.4.1.1
Faktor 1 ,,Umfragewerte" ... 97
7.4.1.2
Faktor 2 ,,frontrunner" ... 98
7.4.1.3
Faktor 3 ,,Unentschlossene" ... 99
7.4.1.4
Faktor 4 ,,Bevölkerungsanteil Afroamerikaner" ... 99

Inhaltsverzeichnis
6
7.4.2
Zusammenfassung Virginia ... 100
8
Zusammenfassung Teil II ... 101
Teil III:
Der Bradley-Effekt in den US-Präsidentschaftswahlen 2008 ... 104
9
Der Bradley-Effekt in den US-Präsidentschaftswahlen 2008 ... 104
9.1
Anzeichen in den ausgewählten US-Bundesstaaten ... 104
9.2
Einfluss auf das Wahlergebnis ... 106
9.3
Einfluss auf die politikwissenschaftliche Diskussion ... 106
9.4
Welche Faktoren überdeckten den Bradley-Effekt? ... 107
9.5
Ist die nationale Wahl eines Schwarzen wiederholbar? ... 108
Teil IV:
Gesamtfazit ... 111
V.
Abbildungsverzeichnis ... 116
VI.
Tabellenverzeichnis ... 116
VII.
Diagrammverzeichnis ... 116
VIII.
Abkürzungsverzeichnis ... 117
IX.
Quellenverzeichnis ... 119
XI.
Appendix ... 128

Einleitung
7
1.
Einleitung
1.1 Thematik
"A huge challenge for Obama, insiders say, is simply determining how much skin color
will matter in November. Race is nearly impossible to poll ­ no one ever says `I'm a
racist' [...]." (Silver 2008).
143 Jahre nach der Ratifizierung des 13. Zusatzartikels
1
zur Verfassung der Vereinigten
Staaten von Amerika hatte im Jahr 2008 mit dem Demokraten Barack Obama erstmals
in der Geschichte der USA ein Afroamerikaner realistische Chancen auf das
Präsidentenamt. Aufgrund der besonderen Kandidatenkonstellation von schwarz gegen
weiß waren die Wahlen des Jahres 2008 aus politikwissenschaftlicher Sicht eine
Besonderheit: Die Kandidatur von Barack Obama lieferte im Vorfeld Raum für
allerhand Vermutungen über den möglichen Einfluss der Rasse Obamas auf das
Wahlverhalten der mehrheitlich weißen Bevölkerung und damit auf die Chancen eines
Afroamerikaners auf das höchste Staatsamt. Es war schwer, eine Vorhersage darüber zu
treffen, wie das Elektorat bei der ersten Präsidentschaftswahl mit einem schwarzen
Kandidaten reagieren wird. Die zentralen Fragen waren: Sind die USA im 21.
Jahrhundert bereit für einen afroamerikanischen Präsidenten? Wie offen wird eine
eventuelle Ablehnung in Wahlumfragen geäußert? Im Vorfeld der Wahl äußerten in
Umfragen 92 % der Amerikaner, dass sie bereit wären, einem geeigneten schwarzen
Kandidaten ihre Stimme zu geben (Wilson 2008: 89). In wie weit spiegeln diese
Umfrageergebnis die politische Realität wieder?
Der sogenannte ,,Bradley-Effekt" (BE) ist definiert als die Diskrepanz zwischen
Umfrage- und Wahlergebnis begründet durch unehrliche Angaben weißer Wähler in
Umfragen, benannt nach dem schwarzen Politiker Tom Bradley, der 1982 in
Kalifornien für das Gouverneursamt kandidiert hatte, im Umfragen vorne lag, die Wahl
dann aber doch verlor. Professor Charles Henry, der den Bradley-Effekt 1982 erstmals
bei US-Wahlen messen konnte, war sich im Bezug auf dessen Einfluss auf die
1
Der 13. Zusatzartikel der USVerfassung hatte die Abschaffung der Sklaverei zum Gegenstand
(http://www.loc.gov/rr/program/bib/ourdocs/13thamendment.html: 05.07.2010).

Einleitung
8
Präsidentschaftswahlen 2008 unsicher: "If it's close[...]the Bradley effect could make a
difference. [...] Because we're talking about not a mayor or a governor, but a
president, a president who can `push the button,'and there's no precedent for this. And
it's got to make some folks nervous." (Bergman 2008). Auch Joe Trippi, Kampagnen-
Manager der Bradley-Kampagne von 1982 äußerte sich auf die Frage nach der
gegenwärtigen Existenz des Bradley-Effekts und die Wählbarkeit von Afroamerikanern
in nationale Staatsämter eher verhalten: ,,The country has come a hell of long way. I
think it´s a mistake to think that there´ll be any kind of big surprise like there was in the
Bradley campaign in 1982. But I also think it'd be a mistake to say it's all gone."
(Whitaker 2008).
Von Gleichheit zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen kann nicht
gesprochen werden. Rassismus ist in den USA nach wie vor existent: Afroamerikaner
sind politisch unterrepräsentiert und sozioökonomisch benachteiligt. Kann den
Umfragen Glauben geschenkt werden?
In den Fokus der wissenschaftlichen Debatten zu den Wahlen geriet der Effekt durch
die Überbewertung des Stimmenanteils Barack Obamas während der Vorwahlen der
Demokratischen Partei im Bundesstaat New Hampshire (NH). Diskutiert wurde,
inwieweit bei dieser Kandidatenkonstellation den Umfragewerten getraut werden und
ob der Bradley-Effekt 2008 einen Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen kann.
In den 1980er Jahren stellte der Effekt bei US-Wahlen eine entscheidende Einflussgröße
dar: Bei den Gouverneurswahlen in Kalifornien 1982 und Virginia 1989, den
Bürgermeisterwahlen in Chicago 1983 und New York 1989 konnte eine erhebliche
Diskrepanz zwischen Umfrage- und Wahlergebnis gemessen werden. Schwarze
Kandidaten erhielten deutlich weniger Stimmen, als ihnen im Vorfeld in Umfragen
prognostiziert wurden, Kandidaten verloren überraschend ihre Wahlen, obwohl sie
bereits als sichere Sieger galten.
Der Effekt sorgte im Hinblick der Frage nach seiner Aktualität für kontroverse
Meinungen: Die Politikwissenschaftler Daniel J. Hopkins und David Strömberg
beschäftigten sich im Vorfeld der Wahlen 2008 unabhängig voneinander mit dem
Bradley Effekt: In ihren Untersuchungen erzielten beide hinsichtlich der gegenwärtigen

Einleitung
9
Existenz unterschiedliche Ergebnisse: Hopkins konnte in der für mich im Vergleich zu
Strömberg schlüssigeren Analyse und Begründung den Effekt bei US-Wahlen nur bis in
das Jahr 1996 nachweisen, David Strömberg auch darüber hinaus. Hopkins und
Strömberg schlossen ihre Untersuchungen im Jahr 2008 vor dem Hauptwahlkampf
zwischen Barack Obama und John McCain ab und konnten keine Aussage darüber
treffen, in welchem Maße der Bradley Effekt bei den Präsidentschaftswahlen 2008
Einflussfaktor war.
Die Wahl Barack Obamas zum ersten afroamerikanischen US-Präsidenten 2008 und
sein mit 52,87 % gegenüber John McCain mit 45,60 %
2
der abgegebenen Stimmen
klares Wahlergebnis schließen die Existenz des BE nicht grundsätzlich aus.
Sollte der Bradley Effekt in der US-Politik keine Einflussgröße mehr darstellen, so ist
die Wahl eines Afroamerikaners kein Unikum und gehört nunmehr zur politischen
Kultur des Landes.
Möglich ist darüber hinaus, dass obwohl der Bradley Effekt keinen Einflussfaktor
darstellte, die Bedingungen für eine Existenz gegenwärtig in den USA gegeben sind und
andere Faktoren den Effekt überlagerten bzw. die Wahl Barack Obamas zum US-
Präsidenten begünstigten.
1.2 Grundannahmen
1.)
Die Bevölkerungsgruppe der Afroamerikaner wird in dieser Arbeit nicht
segmentiert. Zwischen Afroamerikanern mit Sklavenhintergrund, ,,Mischlingen"
und afrikanischen Einwanderern wird nicht differenziert.
2.)
Barack Obama wird in dieser Arbeit losgelöst von der Diskussion in der black
community (vgl. 2.3) als Afroamerikaner definiert.
2
Auf Barack Obama entfielen 69.499.428 Stimmen auf John McCain nur 59.950.323. Ausgehend vom
USamerikanischen Wahlmännersystem war der Vorsprung Barack Obamas gegenüber John McCain
deutlicher: Obama gewann 365 gegenüber 173 Wahlmänner, das entspricht einem Verhältnis von 67,8
% zu 32,2 % (http://www.uselectionatlas.org/RESULTS: 04.07.2010).

Einleitung
10
3.)
Die Verwendung der Begrifflichkeit Bradley-Effekt schließt die
Begrifflichkeiten ,,Wilder- und Dinkins-Effekt" mit ein.
1.3 Abgrenzung der Untersuchungsgegenstände
Neben der Falschaussage weißer Wähler in Umfragen, die Grundlage des BE ist,
können auch Fehler in Umfragen, ein falsches Sample, eine fehlerhafte Durchführung
der Umfrage etc. für die Diskrepanz zwischen Umfragewerten und Endergebnis
ursächlich sein.
Aufgrund des begrenzten Kapazitätsrahmens einer Diplomarbeit wird in dieser Arbeit
nicht auf den Themenbereich der Umfrageerhebung und ­auswertung sowie mögliche
empirische Fehlerquellen eingegangen. Diese Arbeit legt ihren Fokus auf den Einfluss
von Rasse auf das Wahlverhalten und als Strukturelement der US-Politik.
1.4 Fragestellung und Ziel der Untersuchung
Die dieser Arbeit zugrunde liegende Fragestellung lässt sich in folgendem
Fragekomplex verdichten: War der Bradley-Effekt bei den US-Präsidentschaftswahlen
2008 ein Einflussfaktor? Ist die erfolgreiche nationale Wahl eines schwarzen Bewerbers
wiederholbar?
Ziel der geplanten Untersuchung ist eine Aussage darüber zu treffen, ob der Bradley-
Effekt bei zukünftigen nationalen Wahlen mit schwarzer Beteiligung einen
Einflussfaktor darstellen kann und ob die Wahl eines Afroamerikaners zum US-
Präsidenten wiederholbar bzw. grundsätzlich möglich ist und nicht aufgrund besonderer
Umstände 2008 ein Einzelfall war.
1.5 Verlauf und Vorgehensweise der Untersuchung
Teil I dieser Arbeit zeigt, dass im 21. Jahrhundert in den USA mit der ethnischen
Vielfalt, der sozioökonomischen Ungleichheit zwischen den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen und den ausgeprägten Wahlmustern Bedingungen für die

Einleitung
11
Existenz des Bradley-Effekt gegeben sind und der Bradley-Effekt vor allem in den
1980er Jahren in der US-Politik einen großen Einflussfaktor bei Wahlen mit schwarzer
Beteiligung darstellte.
Im Gegensatz zu den Analysen von Daniel J. Hopkins und David Strömberg, die in Teil
I dieser Arbeit dargestellt und bewertet werden, überprüft diese Untersuchung in Teil II
nicht ausschließlich das Verhältnis von Umfrage- und Endergebnissen, sondern
untersucht auch andere Faktoren, die Grundlage für den Bradley-Effekt sind: Die
Medienberichterstattung im Vorfeld der Wahl, die Zusammensetzung des Elektorats
und der Anteil der im Vorfeld der Wahl Unentschlossenen am Elektorat begünstigen
den Effekt (Hopkins 2008: 4).
Vorteil: Die Analyse lässt im Gegensatz zu Hopkins und Strömberg eine Aussage über
die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Bradley Effekts bei zukünftigen US-Wahlen
zu. Die Untersuchung der Fallauswahl in Teil II zeigt für Barack Obama keinerlei
negative Diskrepanz zwischen Umfrage- und Wahlergebnis auf, der Bradley-Effekt war
bei der Präsidentschaftswahl 2008 nicht existent. Dabei bezog Teil II der Analyse neben
der Überprüfung der Faktoren die Rolle des Themas ,,Rasse" im Wahlkampf 2008 und
die Kampagne Obamas mit in die Erhebung ein.
In drei der vier Bundesstaaten konnte für Obama ein positiver Bradley-Effekt
festgestellt werden, d.h. eine Unterbewertung Obamas tatsächlichen Stimmenanteils in
Umfragen. Auf Grundlage der Ergebnisse der durchgeführten Analyse kann die
Aussage getroffen werden, dass in den USA gegenwärtig die Bedingungen für eine
Existenz des Bradley-Effekt gegeben sind und sich die Obama-Kampagne bei den
Präsidentschaftswahlen 2012 und zukünftige nationale Kampagnen schwarzer Bewerber
ggf. auf den Bradley-Effekt einstellen müssen.
1.6 Zur Untersuchung herangezogener Quellen und Zitierweise
Die Theorie des Bradley-Effekts stützt sich im Wesentlichen auf die Arbeit von Daniel
J. Hopkins ,,No More Wilder Effet, Never a Whitmann Effect: When and why
polls mislead about Black and Female Candidates" aus dem Jahr 2008 sowie auf die
Untersuchung der Gouverneurswahlen 1982 durch Charles Henry. Datengrundlage der

Rasse als Strukturelement der USPolitik
12
Analyse in Teil II bilden Daten der Datenbanken LexisNexis, www.uselectionatlag.org
sowie der Zensus aus dem Jahr 2000 des U.S. Zensus Bureau.
In dieser Arbeit wird nach dem Harvard-System zitiert. Zitate werden, wenn sie in
Englisch vorliegen, in Originalsprache wiedergegeben, um durch eine Übersetzung
keine ungewollten Veränderungen in der Sinnhaftigkeit zu produzieren.
2 Rasse als Strukturelement der US-Politik
2.1 E pluribus unum?
2.1.1
Ethnische Zusammensetzung der US-Gesellschaft
Die US-Gesellschaft wird vor dem Hintergrund der Verschmelzung verschiedener
Nationalitäten und ethnischer Gruppen oft mit der Metapher des ,,Melting Pot", dem
Schmelzziegel der Völker beschrieben (Avery/Steinisch 2004: 88). Gegründet durch
Einwanderer als britische Kolonie ist die ethnische Zusammensetzung der
amerikanischen Gesellschaft bis heute durch den Faktor Einwanderung geprägt: Waren
es im 17. bis 19. Jahrhundert vor allem weiße Europäer
3
und von ihnen verschleppte
Afrikaner, so bilden im 21. Jahrhundert vor allem Lateinamerikaner und Asiaten die
größten Einwanderungsgruppen (Fluck 2004: 712). Das U.S. Census Bureau zählte im
Jahr 2008 in den Vereinigten Staaten 304.059.724 Einwohner, das entspricht einem
Wachstum von 8 % gegenüber der letzten großen Volkszählung aus dem Jahr 2000.
4
Die größte Bevölkerungsgruppe bilden nach wie vor mit einem Anteil von 79,8 % die
weißen Amerikaner
5
. Im Jahr 2008 waren noch 65,6 % der Amerikaner weißen
europäischen Ursprungs, die sogenannten Non-Hispanics Whites. Die zweitgrößte
3
Auf eine ,,weibliche" Grammatik wird in dieser Arbeit mit Rücksicht auf die Lesbarkeit verzichtet. Die
Leserinnen bitte ich um Verständnis für dieses Konstrukt.
4
Bei der Volkszählung gab es erstmals für die Befragten die Möglichkeit sich als Angehörige von mehr
als einer Rasse zu bezeichnen. Die Frage nach der Rasse bestand aus den sechs Hauptkategorien:
weiß oder kaukasisch; schwarz, afroamerikanisch oder negrid; Ureinwohner Amerikas oder Alaskas,
asiatisch, von Hawaii oder einer anderen pazifischen Insel stammend und ,,andere
Rassenzugehörigkeit" (Singer 2005). Gegenwärtig führt das U.S. Census Bureau wieder eine große
Volkszählung durch. Die Daten sind jedoch noch nicht verfügbar
(http://2010.census.gov/2010census: 22.03.2010).
5
Hispanics mit eingerechnet.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
13
Gruppe stellen mit einem Anteil von 15,5 % Hispanics und Lateinamerikaner. 12,8 %
der Bevölkerung entfallen auf Afroamerikaner
6
und 4,5 % auf die Gruppe der Asiaten
(U.S. Census Bureau, State and County QuickFacts). Im Jahr 1960 waren die
Afroamerikaner mit einem damaligen Bevölkerungsanteil von 10,5 % die noch mit
Abstand größte Minderheit in den USA. Hispanics und Latinos wurden damals in keiner
eigenen Kategorie geführt, die USA wurden im Grunde in schwarz und weiß eingeteilt
(Berg 2005: 65). Aufgrund der hohen Einwanderungszahlen und der enormen Vielfalt
der Immigration nimmt der Anteil der Minderheiten an der US-Bevölkerung rasant zu:
Es gibt wachsende Bevölkerungsteile hispanischer und asiatischer Amerikaner wie auch
einen wachsenden Anteil von Menschen, die sich in ihrer Identifizierung als multi-
ethnisch der Einordnung in eine spezifische ethnische Gruppenzugehörigkeit entziehen
(Wolfe 2005: 233). Gegenüber dem großen Zensus aus dem Jahr 2000 stieg der Anteil
der Asiaten um 0,9 %, der hispanische Bevölkerungsanteil überholte mit einem
Wachstum von 3 % die Afroamerikaner als zweitgrößte US-Bevölkerungsgruppe (U.S.
Census Bureau, Census 2000).
Die Zusammensetzung der US-Gesellschaft wandelt sich stark: Das Amerika des 21.
Jahrhunderts wird in demographischer Hinsicht grundlegend anders aussehen als das
Amerika des 20. Jahrhunderts: Aufgrund der circa 3.000 Kilometer langen Grenze zu
Mexiko und bedingt durch die Einkommensunterschiede zwischen Mexiko und den
USA gehen Schätzungen davon aus, dass die Gruppe der Menschen mit hispanischem
Hintergrund im Jahr 2040 einen Anteil von 40 % an der US-Gesamtbevölkerung
ausmachen wird (Huntington 2004: 284).
Den Minderheiten wird vor dem Hintergrund der sich wandelnden US-Gesellschaft ein
steigendes politisches Gewicht zugemessen. Die Gründe hierfür sind die steigenden
Bevölkerungszahlen der einzelnen Gruppen, die angesprochene Einwanderung und die
im Vergleich zu euroamerikanischen Frauen höheren Geburtenraten, zum Vergleich:
·
Euroamerikanischen Frauen: 1,8 Kinder/ Frau
·
Afroamerikanischen Frauen: 2,2 Kinder/ Frau
·
Hispanischen Frauen: 3,2 Kinder/ Frau
(Berg 2005: 72)
6
In dieser Arbeit werden für die Bevölkerungsgruppe der Afroamerikaner gleichberechtigt die
Begrifflichkeiten ,,Afroamerikaner" sowie auch ,,Schwarze" benutzt.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
14
2.1.2
Afroamerikaner als ethnische Gruppe der US-Gesellschaft
Der letzte große Zensus zählte im Jahr 2000 34.658.190 Millionen Afroamerikaner, die
einen Anteil von zwölf Prozent an der US-Bevölkerung haben.
Im Vorfeld der Wahlen 2008 wurde in den Medien und den schwarzen Gemeinden die
Diskussion geführt, ,,wie schwarz Obama ist" (vgl. 2.3), denn Obama ist kein direkter
Nachfahre der aus Westafrika stammenden früheren amerikanischen Sklaven. Er hat
einen kenianischen Vater und eine weiße Mutter aus Kansas (Berg 2005: 66). Seine
Herkunft ist nicht unüblich unter den Afroamerikanern: Um die 10 % der schwarzen
Bevölkerung in den USA sind Immigranten oder Kinder von Immigranten aus Afrika
oder West-Indien (Wilson 2008: 68). Die Rassenproblematik in den USA lässt sich
zeitlich in drei verschiedene Perioden einteilen (Smith/King 2009: 28):
1.) Die Sklavenzeit 1780 bis 1865: Der Großteil der Schwarzen Amerikas sind
Nachkommen der gegen ihren Willen in das Land gebrachten Sklaven, die mit ihrer
erzwungenen Arbeit zum Aufbau der US-Wirtschaft beigetragen haben (Reed 2010:
373).
2.) Rassentrennung und Diskriminierung (Jim Crow): Nach Ende des Bürgerkrieges
wurde der Sklaverei mit der Ratifizierung der Verfassungszusätze 13 bis 16 im Jahr
1865 ein Ende gesetzt: Den ehemaligen Sklaven wurden mit diesen Zusätzen
verfassungsrechtlich Bürgerrechte, d.h. Gleichheit vor dem Gesetz und das Wahlrecht
7
garantiert. Trotz Abschaffung der Sklaverei gab es vor allem im Süden der USA keine
(Chancen-)Gleichheit und Gerechtigkeit. Rassentrennung und Diskriminierung waren
immer noch an der Tagesordnung. Erst weitere Gesetze, verabschiedet durch den Druck
der Bürgerrechtsbewegung
8
, wie 1963 der Civil Rights Act und der Voting Rights Act
aus dem Jahr 1965, verboten die bis dato vor allem im Süden noch praktizierte
Rassentrennung im öffentlichen Raum und übertrugen Bundesbehörden das Recht, die
Wählerregistrierung zu überwachen.
7
Das Wahlrecht galt ausschließlich für Männer, das allgemeine Frauenwahlrecht wurde erst im Jahr
1920 mit Ratifizierung des 19. Verfassungszusatzes in den USA eingeführt: The right of citizens of the
United States to vote shall not be denied or abridged by the United States or by any State on account
of sex. Congress shall have power to enforce this article by appropriate legislation (Avery/Steinisch
2004: 95).
8
Es demonstrierten u.a. im August 1963 250.000 schwarze und weiße Amerikaner in Washington für die
Gleichberechtigung der Rassen (Berg 2004: 165).

Rasse als Strukturelement der USPolitik
15
Die Zahl der schwarzen Wähler im Süden stieg daraufhin sprunghaft an.
3.) 1970er Jahre bis heute: Durch Gesetze wurden Rahmenbedingungen für Gleichheit
und gegen Diskriminierung geschaffen. Rassismus in den USA des 21. Jahrhunderts ist
nicht mehr durch Rassentrennung, Diskriminierung und biologischer Überlegenheit
gekennzeichnet. Er besteht heutzutage aus der sozioökonomischen Ungleichheit unter
den Bevölkerungsgruppen (Dwyer/Stevens/Sullivan/Allen 2008: 223): In den Bereichen
Gesundheit, Wohlstand, Grundbesitz, Bildung, und Straftaten gibt es deutliche
Unterschiede, es existiert eine Zweiteilung zwischen schwarz und weiß:
So ist die Armutsrate unter den Afroamerikanern mit 24,5 % gegenüber 8,2 % bei den
Non-Hispanic Whites dreimal so hoch. 11,2 % der Afroamerikaner leben in tiefer
Armut, das Durchschnittseinkommen liegt in dieser Bevölkerungsgruppe bei 62 % des
Durchschnittseinkommens der Gruppe der Non-Hispanic Whites.
Im Bereich der Gesundheit ist die schwarze Bevölkerung deutlich schlechter
abgesichert: Im Vergleich zur weißen Bevölkerung haben doppelt so viele
Afroamerikaner Lücken in ihrer Krankenversicherung. Die Kindersterblichkeitsrate ist
mit 13,7 % pro 1.000 Geburten gegenüber 5,7 % mehr als doppelt so hoch wie unter
weißen US-Bürgern. In den USA haben Weiße deutlich mehr Grundbesitz, so besitzen
48 % der Afroamerikaner ein Eigenheim, unter der weißen Bevölkerung sind es 75 %.
Im Bereich der Bildung, Basis für den sozialen Aufstieg, schaffen nur zwölf Prozent der
schwarzen Männer einen College-Abschluss unter den Weißen schließen mit 30 % fast
dreimal so viele erfolgreich das College ab. Im Bereich der Kriminalität spiegelt sich
eine deutliche Kluft zwischen schwarz und weiß nieder: Im Jahr 2005 waren von
100.000 schwarzen Männern rund 4.682 in Gefängnissen inhaftiert, zum Vergleich: 709
weiße Männer saßen zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis (Smith/King 2009: 26-28).
Cheryl R. Kaiser beschreibt in Distributing Prejudice Unequally: Do Whites Direct
Their Prejudice Toward Strongly Identified Minorities 2009, dass Weiße gegenüber
Afroamerikanern, die selbstbewusst auftreten, mehr Ablehnung zeigen: "[...] whites
may be picking up cues from more highly identified African Americans, which results
Whites reacting more negative toward these African Americans" (Kaiser 2009: 432).

Rasse als Strukturelement der USPolitik
16
2.1.3
Der ,,racial gap", Rasse und das Wahlverhalten
Das amerikanische Wahlverhalten ist nicht uniform, es kann nach verschiedenen
Mustern eingeteilt werden (Tomz/Van Houweling 2002:1): Ethnische Charakteristika,
Geschlecht, Generationslagen, den sozioökonomischen Status und konfessionelle
Orientierungen. Anhand von Wahlanalysen zurückliegender Abstimmungen kann
pauschal abgeleitet werden, dass Republikanische Kandidaten mehrheitlich mit der
Unterstützung weißer, männlicher protestantischer Wähler rechnen können. Kandidaten
der Demokraten hingegen können sich auf die überragende Mehrheit
afroamerikanischer, relative Mehrheiten hispanischer und asiatischer Wähler, auf
jüdische Wähler, auf Stimmen niederer Einkommensschichten und gewerkschaftlich
organisierter Arbeiter verlassen (Filzmaier/Plasser 2005: 275).
Man spricht bei den Wahlmustern von sogenannten gaps, den Kluften, wie
beispielsweise dem sogenannten marriage
9
oder gender gap
10
.
Der racial gap oder auch black-white gap beschreibt die Kluft zwischen den
verschiedenen ethnischen Gruppen bzw. zwischen Afroamerikanern und weißen
Amerikanern im Abstimmungsverhalten bei Wahlen (vgl. 2.2.3) (Tomz/Van Houweling
2002: 1). Tabelle 1 mit Exit-Poll-Daten
11
aus den Jahren 1992 bis 2004 zeigt den gap
zwischen Demokraten und Republikanern bei Stimmenanteilen von Schwarzen und
Weißen und zwischen der Bevölkerungsgruppe der Hispanics und Asiaten bei den
jeweiligen Präsidentschaftswahlen. Afroamerikaner sind treue Demokratische Wähler,
von 1992 bis 2004 erhielten die Demokratischen Präsidentschaftsbewerber mehrheitlich
die Stimmen aus der schwarzen Bevölkerung, in keiner der Wahlen erzielten
Demokratische Kandidaten weniger als 80 %. Das Wahlverhalten der Afroamerikaner
wird in Kapitel 2.2.3 näher
skizziert.
9
Der marriage gap beschreibt eine sich vertiefende Kluft im Wahlverhalten zwischen verheirateten und
unverheirateten Personen.
10
Der gender gap erläutert die Kluft zwischen den Geschlechtern, die Unterschiede zwischen Frauen
und Männern bei Abstimmungen.
11
Für die Jahre 19922000 verwendeten Peter Filzmaier und Fritz Plasser Daten vom Voter News
Service, die Daten aus 2004 stammen vom National Election Pool: Edison Meida and Research
Mitofsky International.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
17
Tabelle 1: Wahlverhalten bei Präsidentschaftswahlen nach Rasse 19922004.
Abkürzungen: R= Republikaner, D= Demokraten, I= Unabhängige
Anmerkung: 1992: R=Bush, D=Clinton, I=Perot; 1996: R=Dole, D=Clinton, I=Perot;
2000: R= Bush jr., D= Gore; R= Bush jr., D= Kerry
Quelle: Filzmaier/Plasser 2005: 278
Weiße Wähler tendierten in den aufgezeigten US-Präsidentschaftswahlen von 1992 bis
2004 mehrheitlich zu den Republikanern. Bei der Kandidatenkonstellation schwarze
gegen weiße Kandidaten sind weiße Wähler im Vergleich zum schwarzen Elektorat
nicht definitiv festgelegt (vgl. 2.2.2). Schwarze Kandidaten können sich nicht
mehrheitlich, allerdings in der Praxis auf eine gewisse Prozentzahl von Stimmen aus der
weißen Bevölkerung stützen (Sheffield/Hadley 1984: 461).
Die Gruppe der Hispanics kann eher dem demokratischen Lager zugeordnet werden, so
erreichten Demokratische Kandidaten in den vergangenen Präsidentschaftswahlen in
dieser Gruppe einen Stimmenanteil von über 60 % (vgl. Tabelle 1). Einzig die Gruppe
der Exilkubaner in Florida bilden eine Ausnahme: Diese Gruppe wählt mehrheitlich
Republikanisch (Berg 2005: 72). Das Abstimmungsverhalten der asiatischen Minderheit
ist ausgeglichen und tendiert nicht mehrheitlich zu einer der beiden Parteien
(vgl. Tabelle 1).
Das öffentliche Urteil gegenüber schwarzen Kandidaten hat sich im Vergleich zu den
1950er Jahren verändert: Waren es im Jahr 1958 ausschließlich 37 % der Amerikaner,
die sich vorstellen konnten für einen qualifizierten schwarzen Bewerber zu stimmen, so
äußerten sich in Meinungsumfragen im Vorfeld der Wahlen 2008 92 % der Amerikaner
positiv bzw. neutral hinsichtlich eines schwarzen Kandidaten . Sechs Prozent lehnte dies
hingegen kategorisch ab (Keeter/Samaranayke 2007).

Rasse als Strukturelement der USPolitik
18
2.2 Afroamerikaner als politische Kraft
2.2.1 Afroamerikanische Mandatsträger in der US-Politik
Mit Barack Obama wurde erstmals ein Afroamerikaner in das höchste amerikanische
Staatsamt gewählt. Auch andere schwarze Kandidaten erzielten in der Vergangenheit
beachtliche Erfolge: Harold Washington und David Dinkins wurden in den 1980er
Jahren Bürgermeister der Großstädte Chicago und New York, Douglas Wilder 1989 der
erste schwarze Gouverneur der US-Geschichte (vgl. 3.2). Ungeachtet dessen sind
Afroamerikaner auf politischer Ebene gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil
unterrepräsentiert: 1870 wurde mit dem Republikaner Hiram R. Revels, Senator des
Bundesstaates Mississippi und Mitglied des 41. US-Kongresses, erstmals ein Schwarzer
in den US-Kongress gewählt. 138 Jahre später gab es in der US-Geschichte, Barack
Obama als Senator von Illinois im 109. Kongress eingerechnet, bisher nur fünf
afroamerikanische Senatoren (Congressial Research Service Report: Black Members of
the U.S. Congress, 1780-2001). Der 109. US-Kongress umfasste insgesamt 435
Mitglieder, darunter nur 41 Afroamerikaner, unter ihnen lediglich einer der insgesamt
102 Senatoren. Insgesamt stellten Afroamerikaner 9,4 % aller Kongressabgeordneten.
Proportional zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 12,3 % (vgl. 2.1.1) sind
Schwarze in den USA in der Legislative unterrepräsentiert (von Marschall 2008: 113).
Was sind die Hauptgründe für diese Unterrepräsentation? Zum einen macht es das
amerikanische System des relativen Mehrheitswahlrechts Minderheiten außerordentlich
schwer eigene Kandidaten durchzubringen. Weiße Wähler sind weniger bereit für
schwarze Bewerber zu stimmen (vgl. l 2.2.2). David Strömberg fand 2008 in einer
Untersuchung heraus, dass schwarze Kandidaten in Umfragen durchschnittlich zwei bis
drei Prozent weniger Stimmen erhalten (Strömberg 2008: 2). Afroamerikaner konnten
in der Vergangenheit vor allem in Wahlbezirken mit schwarzen Mehrheiten Wahlsiege
erringen: Zwischen 1966 und 1996 konnten schwarze Kandidaten lediglich insgesamt
35 Wahlen in Bezirken mit weißer Mehrheit gewinnen, das entspricht einem Anteil von
0,52 % (Highton 2004: 1). Um der Unterrepräsentation entgegenzuwirken, wurden seit
den 1980er Jahren Wahlkreise, sogenannte majority black districts mit mehrheitlich
schwarzer Bevölkerung gebildet. Nach der Volkszählung 1990 setzte das
Justizministerium die Bildung von majority black districts auch in den Südstaaten
durch, die Staaten mit dem höchsten Grad der Unterrepräsentation der Afroamerikaner.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
19
Grundlage der majority black districts: Schwarze sind meistens ausschließlich in
schwarzen Wahlbezirken erfolgreich. Ergebnis einer Untersuchung von County-Wahlen
in Georgia mit schwarzer Beteiligung im Jahr 1975 durch Charles S. Bullock III war
eine lineare Beziehung zwischen dem Anteil von Schwarzen am Elektorat in einem
Wahlbezirk und dem Prozentsatz schwarzer Amtsträger (Bullock III. 1975: 738). Die
Neueinteilung von Wahlbezirken war erfolgreich: Bei den Wahlen 1992 wurden
dreizehn neue afroamerikanische Abgeordnete in den Kongress gewählt. Alle siegten in
mehrheitlich schwarzen Wahlkreisen.
Die Ziehung von Wahlkreisen auf Grundlage des Rassenproporz wurde jedoch für
gesetzeswidrig erklärt: Zahlreicher weißer Klagen wurde beginnend mit dem Urteil
Shaw vs. Reno aus dem Jahr 1993 durch den Supreme Court stattgegeben (Berg 2005:
69).
Zum anderen wird es primär in weißen Bezirken den schwarzen Bewerbern innerhalb
ihrer Parteien schwerer gemacht erfolgreich zu sein: ,,At the same time, it is important
to examine factors beyond the behavior of white voters that may play an important role
of influencing African American candidate success. For instance, in white districts,
African Americans not only rarely win elections, they rarely emerge as candidates. [...]
Potential black candidates may be discouraged by party leaders, campaign donors and
other political activists" (Highton 2004: 17).
Vernachlässigen darf man nicht die Tatsache, dass die meisten schwarzen Bewerber auf
dem demokratischen Ticket stehen und daher im Süden des Landes insgesamt
schlechtere Chancen auf einen Wahlsieg haben, denn weiße konservative Wähler neigen
dazu, gegen alle demokratischen Kandidaten zu sein (Sonensheim 1990: 220).
Die afroamerikanische Minderheit ist unterrepräsentiert, angemerkt werden muss jedoch
ein positiver Trend: Im Jahr 2005 wurden insgesamt fünfzig Städte in den USA mit
mehr als 50.000 Einwohnern von einem schwarzen Bürgermeister regiert. Die Zahl der
gewählten afroamerikanischen Amtsträger lag bei 9.000 und erreichte damit einen
historischen Höchststand (Berg 2005: 70).

Rasse als Strukturelement der USPolitik
20
2.2.2 Kriterien des Wahlentscheids weißer US-Bürger
In Kapitel 2.3.1 wurde bereits aufgezeigt, dass die Bevölkerungsgruppe der Schwarzen
in den USA politisch unterrepräsentiert ist, hierfür wurden bereits einige
Erklärungsansätze dargelegt, die in diesem Abschnitt vertieft werden sollen. Die Frage
nach der Bereitschaft in der weißen US-Bevölkerung für schwarze Bewerber für ein
Amt oder Mandat zu stimmen ist gleichzeitig die Frage nach der Aktualität und nach
dem Grad von Rassismus in den USA.
Realität ist, dass die überwiegende Mehrheit afroamerikanischer Amtsinhaber in
Wahlbezirken mit einem großen afroamerikanischen Bevölkerungsanteil gewählt
wurden (Highton 2004: 1). Eine Umfrage von CCN/Opinion Research Corporation im
Dezember 2006 ergab, dass sich 65 % der Weißen vorstellen konnten von einem
schwarzen Präsidenten regiert zu werden (Wilson 2008: 58). Die Frage nach den
Erfolgsaussichten schwarzer Kandidaten, Gründe ihrer Ablehnung durch das weiße
Elektorat und ihre Unterrepräsentation waren Gegenstand verschiedenster
Untersuchungen: Raphael J. Sonensheim beschäftigte sich 1990 in seinem Aufsatz
,,Can black candidates win statewide elections?" mit der Fragestellung nach den
Erfolgsaussichten afroamerikanischer Kandidaten. Sonensheim machte keine
statistische Auswertung, er untersuchte Kampagnen nach den Gründen für ihr Scheitern.
Sonensheim differenziert zwischen kommunalen und landesweiten Wahlen: Schwarze
waren in der Vergangenheit auf kommunaler Ebene erfolgreicher. Gründe hierfür: Die
demographische Struktur, Schwarze können sich unter anderem in Großstädten auf ein
großes schwarzes Elektorat stützen und eine andere Struktur des Parteienwettbewerbs.
Sonensheim fand in den Kampagnen Indikatoren für den Einfluss von Rasse auf den
Wahlausgang: Die Erfolgsaussichten eines schwarzen Bewerbers sind demnach von
zwei Faktoren abhängig: 1.) dem rassischen Verhalten, d.h. Meinungsumfragen und die
Sozialgeschichte des Bundesstaates und 2.) von der politischen Situation in dem
jeweiligen Staat. Ein schwarzer Erfolg ist nach Sonensheim bei günstigem Verlauf der
Wahl möglich, entscheidend ist die Strategie des Kandidaten und der Kontext der Wahl.
Als Beispiel führt er die Wahl Douglas Wilders in Virginia 1989 an (vgl. Kapitel 3.2.4),
der es schaffte, sich gegen die konservative Prägung in dem Bundesstaat durchzusetzen
(Sonensheim 1990: 219- 237).

Rasse als Strukturelement der USPolitik
21
Auch er unterstreicht die Wichtigkeit des Anteils der Schwarzen am Elektorat (vgl.
2.1.1): ,,Only a state where blacks are in a majority [...] could substain a truly black
identified victory" (Sonensheim 1990: 238).
Caitlin E. Dwyer, Daniel Stevens, John L. Sullivan und Barbara Allen untersuchten die
Auswirkungen von Rassismus bei der Bewertung von Kandidaten der Präsidentenwahl
2008. In ihrem Aufsatz ,,Racism, Sexism, and Candidate Evaluations in the 2008 U.S.
Presidential Election" schlussfolgern sie, dass Rassismus in den Wahlen 2008 in Form
eines "subtilen, modernen Rassismus", den sie wie folgt definieren: ,, [...] the racism
that exists in modern society is no longer about segregation, discrimination, and
biological superiority, but instead encompasses beliefs about Blacks` lack of effort and
the extent to which they are undeserving", existent war. (Dwyer/Stevens/Sullivan/Allen
2009: 225). Sie konnten eine Beziehung zwischen Barack Obama und Sarah Palin
herstellen, denn sie fanden heraus, dass Wähler die negativ gegenüber Obama
eingestellt waren, ein positives Bild von Palin hatten. Amerikaner mit rassistischen
Denkweisen ärgerten sich über die Anstrengungen der Obama-Kampagne, die
Rassensituation in den USA zu verbessern. Sie verstanden die Position Obamas als
Präsidentschaftskandidaten als eine unverdiente Folge von Begünstigungen
12
in seiner
politischen Karriere und seiner Ausbildung aufgrund seines Minderheitenstatus. Dwyer,
Stevens, Sullivan und Allan fanden heraus, dass Obama weniger von den Amerikanern
unterstützt wurde, die negative Meinungen über Afroamerikaner in ihre Entscheidung
einbezogen, als von denen, die diese Meinungen nicht hatten. Rassismus existiert in den
USA des 21. Jahrhunderts und spielte Dwyer, Stevens, Sullivan und Allan zur Folge
eine beachtliche Rolle bei den Wahlen 2008: Obwohl Rassismus Obamas
Zustimmungswerte minderte, gewann er.
In der Untersuchung von Dwyer, Stevens, Sullivan und Allan kristallisierte sich durch
Befragungen ein Muster von Wählern, die negativ gegenüber schwarzen Kandidaten
eingestellt sind, heraus: Rassismus in den USA ist vornehmlich in der älteren
Bevölkerung zu finden. Durchschnittlich negativ gegenüber schwarzen Kandidaten
waren auf Republikanischer Seite eingestellt: weiße Männer, um die 53 Jahre alt,
konservativ, mit durchschnittlicher Bildung, einem Einkommen von 50.000 bis 60.000
US$, einem High School-Abschluss und Sympathie in der Vergangenheit für George
12
Gemeint ist hiermit Affirmative Action, Antidiskriminierungsgesetze zum Schutz von Minderheiten.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
22
W. Bush. Demokratische Wähler hatten die gleichen Merkmale, waren jedoch Bush-
Gegner und in ihrer Ideologie ein wenig liberaler eingestellt.
Auch andere Analysen lassen auf die Komplexität schwarzer Kandidaten mit dem
weißen Elektorat schließen: Stephen D. Voss und David Lublin untersuchten 90
Kongresswahlen aus den Jahren 1992 bis 1998 und stellten fest, dass weiße Kandidaten
durchschnittlich zehn Prozent mehr Stimmen erhielten (Highton 2004: 5). Benjamin
Highton schlussfolgerte in seiner Analyse von Exit-Poll-Daten aus den Jahren 1996 und
1998, dass: ,,[...] white harbor anti-black beliefs and attitudes that make them less
likely to support African American candidate for elective office. In short, white voters
discriminate against black candidates" (Highton 2004: 3).
Auch Cheryl R. Kaiser konnte einen aktuell in den USA existierenden Rassismus
nachweisen, dessen Ausmaß sich nach dem Grad des Auftretens
13
der Schwarzen richtet
(Kaiser 2009: 432).
2.2.3 Das Wahlverhalten der Afroamerikaner
Wie in Kapitel 2.1.3 erwähnt, lassen sich in dem Wahlverhalten der verschiedenen
ethnischen Gruppen, Konfessionen, Geschlechter, Generationslagen und
sozioökonomischen Statuen Wahlmuster bei US-Präsidentschaftswahlen feststellen
(Filzmaier/Plasser 2005: 275).
Afroamerikaner verfügen aufgrund höherer Geburtenraten und einem Anteil von 12,8 %
an der Gesamtbevölkerung über ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotential.
Afroamerikaner kennzeichnet eine hohe Parteiidentifikation mit den Demokraten: Seit
den Wahlen 1963 erhielten alle demokratischen Präsidentschaftskandidaten zwischen
82 und 94 % der schwarzen Stimmen (Berg 2005: 71). John F. Kerry erhielt zwar im
Jahr 2004 im Vergleich zu Al Gore 2000 zwei Prozentpunkte weniger, doch bewegte er
sich mit einem Stimmenanteil von 88 % im Durchschnitt vergangener Wahlen (vgl.
Tabelle 2).
13
Gemeint sind hiermit Stereotypen und Art und Weise des Auftretens von Schwarzen gegenüber der
black community.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
23
Tabelle 2: Wahlverhalten der Afroamerikaner bei den Präsidentschaftswahlen 1974
2008
Abkürzungen: AA= Afroamerikaner, R= Republikaner, D= Demokraten, I= Unabhängige
Anmerkung: 1976: R=Ford, D= Carter; 1980: R=Reagan, D= Carter, I= Anderson; 1984: R= Reagan, D=
Mondale; 1988: R=Bush, D= Dukakis; 1992: R=Bush, D=Clinton, I=Perot; 1996: R=Dole, D=Clinton,
I=Perot; 2000: R= Bush jr., D= Gore; R= Bush jr., D= Kerry
Quelle: Filzmaier/Plasser 2005: 278
Was ist Ursache für die starke Parteibindung zu den Demokraten? Für die Mehrheit der
Afroamerikaner stehen die Demokraten als liberale Partei seit Jahrzehnten exemplarisch
für den Schutz von Minderheiten und den Sozialstaat. Die Republikaner, obwohl die
Partei Abrahm Lincolns
14
, werden mit großem Misstrauen betrachtet (Berg 2005: 71).
Die Gruppe der Afroamerikaner stellt eine wichtige Machtbasis für die Demokratische
Partei dar, da sie zuverlässig auf ihre Unterstützung zählen kann. Einziges Problem, die
geringe Wahlbeteiligung: Bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000, George W.
Bush gegen Al Gore, stimmten zwar 90 % der schwarzen Männer und 94 % der
schwarzen Frauen für Al Gore, jedoch lag ihre Wahlbeteiligung nach eigenen Aussagen
lediglich bei 55 %. Das entspricht bei der Wahl 2000 einer Differenz von sechs Prozent
gegenüber der weißen Bevölkerung. Die tatsächliche Wahlbeteiligung wird als noch
niedriger eingeschätzt (Berg 2005: 70). Das Center for Political and Economic Studies
stellt in seinem Bericht The Black Vote 2004 für die Wahlen George W. Bush gegen
John F. Kerry im Jahr 2004 einen leichten Anstieg der Wahlbeteiligung fest. Diesem
Bericht zur Folge gaben im Jahr 2004 14,6 Millionen Afroamerikaner im Vergleich zu
10,5 Millionen in den vorherigen Wahlen ihre Stimme ab (Joint Center for Political and
Economic Studies 2005).
14
Abraham Lincoln, Republikaner und von 1860 bis zu seiner Ermordung im Jahr 1865 der 16. Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Sezessionskrieg 18611865 kämpfte die Union gegen die
sich abgespaltenen Konföderierten Staaten erst für die Einheit der Nation und später für die
Abschaffung der Sklaverei. Die Union Party, so der neue Name der Republikanischen Partei nach
1862, und die sogenannten Peace Democrats bildeten in dieser Zeit gemeinsam eine Koalition
(Nagler 2004: 62).

Rasse als Strukturelement der USPolitik
24
Ziel der Demokraten muss eine möglichst hohe Wahlbeteiligung unter den schwarzen
Wählern sein. Vor allem im Süden liegt diese deutlich unter dem Schnitt der Weißen.
Ihr nicht zu unterschätzender Anteil von 12,8 % an der Gesamtbevölkerung spiegelte
sich in den Wahlen bisher nicht wider. Barack Obama sah im Vorfeld der Wahlen 2008
in der Mobilisierung dieser Gruppen den Schlüssel zum Erfolg: ,,I guarantee you
African American turnout, if I am the nominee, goes up 30 percent around the country,
minimum. [...] So we are in a position to put states in play that haven't been in play
since Lyndon Baines Johnson
15
"(Walker 2008: 1097). Demoskopen errechneten
Obama-Siege in den Bundesstaaten Carolina und Georgia, sollten die Afroamerikaner
gemäß ihrem Bevölkerungsanteil und ihrer Parteiidentifikation mit den Demokraten
abstimmen (von Marschall 2008: 113).
Das Abstimmungsverhalten nach Rasse betrachtet, lässt sich feststellen, dass
Afroamerikaner überwiegend schwarz stimmen. Charles S. Bullock III. konnte in seiner
Analyse ,,The Election of Blacks in the South, Preconditions and Consequences" von
Wahlen im Süden der USA eine lineare Beziehung zwischen dem Anteil von
Schwarzen am Elektorat und in einem Wahlbezirk und dem Prozentsatz schwarzer
Amtsträger feststellen (Bullock 1975: 738).
2.3 ,,Rasse" als Thema im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008
Im Vorfeld der Wahlen 2008 erhielt das Thema ,,Rasse" bzw. Rassismus aufgrund der
erstmaligen Kandidatenkonstellation von schwarz gegen weiß bei US-
Präsidentschaftswahlen einen völlig neuen Stellenwert: Denn, im Vorfeld war unklar
und schwer abzuschätzen, welchen Einfluss die Thematik auf den Wahlkampf nehmen
wird, inwieweit ,,Rasse" Gegenstand der medialen Berichterstattung und der
Kampagnen sein wird.
Der Einfluss des Themas ,,Rasse" in der Wahlkampfzeit bzw. eine Diskussion kann in
vier verschiedenen Bereichen dargestellt werden: 1.) Diskussion in der Wissenschaft,
15
36. Präsident der USA von 19631969
(http://www.whitehouse.gov/about/presidents/lyndonbjohnson: 26.03.2010).

Rasse als Strukturelement der USPolitik
25
2.) ,,Rasse" als Gegenstand der Kampagnen 3.) Debatte in der black community darüber
,,wie schwarz Obama ist" und 4.) die kontroverse Diskussion um die Beziehung
Obamas zu Referent Wright.
In den Kapiteln 2.1.2 und 2.2.2 konnte die Veränderung des Rassismus in den USA
herausgearbeitet werden. Gegenwärtig besteht ein neuer, ,,subtiler" Rassismus, der sich
vor allem in den sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen widerspiegelt. Auch im Wahlkampf wurden rassische
Botschaften ausschließlich implizit geäußert (Dwyer/Stevens/Sullivan/Allan 2009: 227).
In der Wissenschaft löste der Aufstieg Barack Obamas eine Debatte nach einer ,,post-
racial" Ära und Politik mit der Frage nach dem gegenwärtigen Einfluss von Rassismus
aus (Smith/King 2009: 26). Barack Obama betonte ebenfalls, dass seine Kandidatur
nicht das Symbol einer post-racial-society sei:"[...] I have never been so naive as to
believe that we can get beyond our racial divisions in a single election cycle, or with a
single candidacy [...]" (http://constitutioncenter.org/amoreperfectunion/: 02.04.2010).
Caitlin E. Dwyer, Daniel Stevens, John L. Sullivan und Barbara Allen zogen in ihrer
Analyse über den Einfluss von Rassismus im Präsidentschaftswahlkampf ,,Racism,
Sexism, and Candidate Evaluations in the 2008 U.S. Presidential Election" die
Schlussfolgerung, dass das Thema ,,Rasse", obwohl sie 2008 Rassismus und einen
Einfluss auf die Zustimmungswerte Obamas nachweisen konnten, keinen übermäßig
großen Effekt auf die Kandidaten hatte. Ihre Ergebnisse begründeten sie dadurch, dass
1.) Obama nicht hauptsächlich als schwarz wahrgenommen wurde, denn Weiße
projizieren ihre Vorurteile nicht auf alle Mitglieder von Minderheiten und 2.) beide
Kampagnen ,,Rasse" nicht zum Thema in ihrem Wahlkampf machten
(Dwyer/Stevens/Sullivan/Allan 2009: 226):
Denn, Barack Obama strebte nach Unterstützung aus beiden Lagern und versuchte eine
möglichst breite Wählerkoalition aus vielen verschiedenen Wählerschichten und
Bevölkerungsgruppen zu formen (Smith/King 2009: 26). Der politische Gegner übte
implizit Kritik an der Herkunft Obamas: Die McCain-Kampagne stigmatisierte gegen
Ende des Wahlkampfes die Figur ,,Joe the Plumber", Joe Wurzelbacher, einen
Klempner aus Ohio als Metapher des klassischen middle-class Amerikaners (Troy
2008). Die Figur stellte einen Angriff auf Obamas ungewöhnlichen Lebenslauf dar.
Auch die Wahlwerbespots der McCain-Kampagne mit Werbeslogans wie ,,Vote for the
the real American, John McCain" sollten unterschwellig vermitteln, dass John McCain
im Gegensatz zu Barack Obama als weißer Amerikaner, der seinem Land im Krieg

Rasse als Strukturelement der USPolitik
26
gedient hat, per Definition ein wahrer Amerikaner ist. Es wurde versucht Ängste zu
schüren, beispielsweise darüber, dass es bei einer Wahl Obamas zum Präsidenten zu
einer Bevorzugung der schwarzen Minderheit kommen würde (Smith/King 2009: 30).
Barack Obama äußerte zu der Stellung des Themas ,,Rasse" im Wahlkampf am 18.
März 2008 in seiner Rede im National Constitution Center: ,,This is not to say that race
has not been an issue in the campaign. At various stages in the campaign, some
commentators have deemed me either "too black" or "not black enough." We saw racial
tensions bubble to the surface during the week before the South Carolina primary. The
press has scoured every exit poll for the latest evidence of racial polarization, not just
in terms of white and black, but black and brown as well. And yet, it has only been in
the last couple of weeks that the discussion of race in this campaign has taken a
particularly divisive turn" (http://constitutioncenter.org/amoreperfectunion/:
02.04.2010).
Die Diskussion der Rasse Obamas in der breiten Öffentlichkeit wurde nicht durch den
politischen Gegner, sondern durch die black community selbst ausgelöst:
Bereits während der Vorwahlen wurde eine Debatte darüber geführt, ,,wie schwarz
Barack Obama ist". Hintergrund war die Frage, ob Obama aufgrund seiner Herkunft
ohne direkte Sklavenabstammung Teil der black community sein kann? Das Time
Magazine titelte am 01. Februar 2007: ,,Is Obama Black Enough?" (Coates 2007). Die
Mehrheit der Schwarzen teilte zu Beginn diese Meinung, denn laut Umfragen erreichte
Hillary Clinton bei der schwarzen Bevölkerung einen Zustimmungswert von 60 %,
Barack Obama hätten zu diesem Zeitpunkt etwa 20 % ihre Stimme gegeben (von
Marschall 2008: 53). Das New Media Journal schrieb: ,,Wenn Afroamerikaner ihm
misstrauen, dann nicht, weil seine Haut Kaffeebraun statt tiefschwarz sei, sondern weil
er fähig, erfolgreich und klug ist. Und das stehe im Vordergrund zum Bild des Rappers
und Schlägers, der die Ausbildung, gutes Benehmen und Karriere gering schätzt. Dieses
Klischee dient auch dem Selbstschutz" (von Marschall 2008: 108).
Die Diskussion, ausgelöst vor dem Hintergrund der Abstammung Barack Obamas,
seiner guten Ausbildung (Harvard-Abschluss) und seinem Aufstieg in die Oberschicht,
wurde vorherrschend in den Medien geführt und nahm paradoxe Züge an (Wilson 2008:
54): In in einem Interview in der CBS-Show 60 Minutes antwortete Barack Obama auf
die Frage "There are African Americans who don't think that you're black enough, who
don't think that you have had the required experience." von Moderator Steven Kroft:

Rasse als Strukturelement der USPolitik
27
"When I'm walking down the South Side of Chicago and visiting my barbershop and
playing basketball in some of these neighborhoods, those arent's questions I get asked. I
also notice when I'm catching a cab. Nobody's confused about that either."
Kroft stellte Barack Obama während des Interviews die Frage nach dem Zeitpunkt
seiner Entscheidung "schwarz zu sein". Eine ungewöhnliche Interviewfrage, es ist
schwer vorstellbar, dass ein Journalist einen weißen Kandidaten danach gefragt hätte,
,,wann er sich entschieden hat, weiß zu sein". Obama antwortete mit dem Verweis
darauf, dass Rassismus sich nicht auf die Herkunft, sondern auf die Hautfarbe bezieht:
,,If you look African American in this society, you're treated as an African American,
and when you're a child, in particular, that is how you begin to identify yourself. It's
interesting enough, that now I feel very comfortable and confident in terms of who I am
and where I take my ground. But I notice that... I've become a focal point for a racial
debate" (Wilson 2008: 53).
Barack Obama nahm in seiner bekannten Rede vom 18. März 2008 ,,We the people, in
order to form a more perfect union" Stellung zu der Thematisierung von "Rasse" im
Wahlkampf und zu der Diskussion über seine Herkunft: "Despite the temptation to view
my candidacy through a purely racial lens, we won commanding victories in states with
some of the whitest populations in the country. In South Carolina, where the
Confederate Flag still flies, we built a powerful coalition of African Americans and
white Americans. This is not to say that race has not been an issue in the campaign. At
various stages in the campaign, some commentators have deemed me either "too black"
or "not black enough." We saw racial tensions bubble to the surface during the week
before the South Carolina primary. The press has scoured every exit poll for the latest
evidence of racial polarization, not just in terms of white and black, but black and
brown as well. And yet, it has only been in the last couple of weeks that the discussion
of race in this campaign has taken a particularly divisive turn"
(http://constitutioncenter.org/amoreperfectunion/: 02.04.2010).
Politisch attackiert wurde Barack Obama aufgrund seiner Freundschaft zu Jeremiah A.
Wright, Jr., dem ehemaligen Pastor der ,,Trinity United Church of Christ", einer großen
Kirchengemeinde in Chicago. Die Diskussion über Referent Wright wurde vor dem
Hintergrund des Themas ,,Rasse" und der Tatsache, dass sich der schwarze Referent
während eines Gottesdienstes zu den Themen Diskriminierung, Rassentrennung und
Sklaverei äußerte, geführt: ,,God damn America for treating our citizens a less than
human. God damn America for so long as she acts like she is God and she is supreme',

Rasse als Strukturelement der USPolitik
28
and spoke of the `US of KKK A
16
'." Pastor Wright war eng mit der Familie Obama
verbunden, er brachte Barack Obama das Christentum näher, taufte seine Kinder und
traute ihn und seine Ehefrau. Zu diesem Zeitpunkt war Barack Obama erstmals
gezwungen, sich explizit zum Thema ,,Rasse" zu äußern: Er musste sich von der
Meinung Jeremiah Wrights distanzieren, um nicht den Eindruck zu erwecken diese zu
teilen. Die bereits erwähnte Rede ,,We the people, in order to form a more perfect
union" war die direkte Antwort auf die Kritik an seiner Freundschaft mit Pastor Wright.
Er stellte heraus, dass Wrights Meinung nicht unbedingt falsch, jedoch kontrovers ist,
die Gesellschaft spaltet und nicht zu seiner Kampagne von ,,Unity" (vgl. 4.1) passte:
,,Did I know him to be an occasionally fierce critic of American domestic and foreign
policy? Of course. Did I ever hear him make remarks that could be considered
controversial while I sat in church? Yes. Did I strongly disagree with many of his
political views? Absolutely - just as I'm sure many of you have heard remarks from your
pastors, priests, or rabbis with which you strongly disagreed. But the remarks that have
caused this recent firestorm weren't simply controversial. They weren't simply a
religious leader's effort to speak out against perceived injustice. Instead, they expressed
a profoundly distorted view of this country - a view that sees white racism as endemic,
and that elevates what is wrong with America above all that we know is right with
America; a view that sees the conflicts in the Middle East as rooted primarily in the
actions of stalwart allies like Israel, instead of emanating from the perverse and hateful
ideologies of radical Islam. As such, Reverend Wright's comments were not only wrong
but divisive, divisive at a time when we need unity; racially charged at a time when we
need to come together to solve a set of monumental problems - two wars, a terrorist
threat, a falling economy, a chronic health care crisis and potentially devastating
climate change; problems that are neither black or white or Latino or Asian, but rather
problems that confront us all" (http://constitutioncenter.org/amoreperfectunion/:
02.04.2010).
16
KKK steht für den KuKluxKlan, ein rassistischer Geheimbund im Süden der USA.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
29
2.4 Barack Obama zum Thema ,,Rasse"
Die Obama-Kampagne war darauf bedacht, das Thema ,,Rasse" nicht zu einem
zentralen Element im Wahlkampf werden zu lassen. Ziel war es, auf eine möglichst
breite Wählerkoalition zu bauen (vgl. 2.2). Dies bedeutete jedoch nicht, dass Barack
Obama das Thema vollkommen ausklammerte: Er nahm Stellung zu der
Rassenproblematik und verwies immer wieder auf seine eigene Herkunft.
Bereits lange vor der Bekanntgabe der Kandidatur für das Präsidentenamt nutzte Obama
seine Lebens- und Familiengeschichte als Metapher für den ,,amerikanischen Traum".
In seiner gefeierten Rede als Keynote-Speaker
17
auf dem Nominierungsparteitag der
Demokraten (DNC) im Jahr 2004 erzählte er die Geschichte seiner Familie erstmals
einer breiten Öffentlichkeit: Als Einstieg in seine Rede wählte er seine eigene
Lebensgeschichte und den gemeinsamen ,,amerikanischen Traum" seiner Eltern: ,,
[...]My father was a foreign student, born and raised in a small village in Kenya. He
grew up herding goats, went to school in a tin- roof shack. His father, my grandfather,
was a cook, a domestic servant to the British. [...]My parents shared not only an
improbable love; they shared an abiding faith in the possibilities of this nation. They
would give me an African name, Barack, or "blessed," believing that in a tolerant
America, your name is no barrier to success. [...] I stand here knowing that my story is
part of the larger American story, that I owe a debt to all of those who came before me,
and that in no other country on Earth is my story even possible"
(http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A19751-2004Jul27.html:
05.04.2010). Barack Obama weiß seine Familiengeschichte gekonnt als den
,,amerikanischen Traum" einzusetzen: Mit der Publikation "Dreams from My Father. A
Story of Race and Inheritance" widmet er ihr ein ganzes Buch. Obama hat persönliche
Erfahrungen mit Rassismus machen müssen: In "Dreams from My Father" beschreibt
er Szenen täglichen Rassismusses, mit dem auch er in der Vergangenheit konfrontiert
wurde: ,, [...] white couples who toss me their key cars as I stand outside the restaurant
waiting for the valvet [...] I know what it´s like to have people tell me I can´t do
17
Der KeynoteSpeaker gibt in seiner Rede die Grundtonalität
des Parteitages wieder und fasst die die
Kernbotschaft zusammen.

Rasse als Strukturelement der USPolitik
30
something because of my color, and I know the bitter swell of swallowed-back-anger"
(Wilson 2008: 58).
Obama sieht sich selbst, obwohl er von einer weißen Mutter und einem afrikanischen
Austauschstudenten abstammt, als Afroamerikaner (vgl. Diskussion in Kapitel 2.3) und
betont dies auch in der Öffentlichkeit: ,,My view has always been that I´m African
American. African American by definition, we´re hybrid people. One of things I loved
about my mother was not only did she not feel rejected by me defining myself as an
African American, but she recognized that I was a black man in the United States and
my experiences were going tob e different than hers" (Wilson 2008: 55).
Im Wahlkampf 2008 nahm Barack Obama in seiner Rede vom 18. März 2008 explizit
Stellung zu dem Thema ,,Rasse": Die Rede im National Constitution Center am 18.
März 2008 ist Obamas Reaktion auf die Kritik an seiner Verbindung zu Referent
Jerimiah Wright (vgl. 2.3). Zentrale Aussage der Rede war: Die Thematik darf nicht
länger ignoriert werden, eine Debatte darf seiner Meinung nach jedoch auch nicht
spalten. Es darf nicht weiter auf rassischen Missverständnissen beharrt werden: ,,But
race is an issue that I believe this nation cannot afford to ignore right now. We would
be making the same mistake that Reverend Wright made in his offending sermons about
America - to simplify and stereotype and amplify the negative to the point that it distorts
reality. The fact is that the comments that have been made and the issues that have
surfaced over the last few weeks reflect the complexities of race in this country that
we've never really worked through - a part of our union that we have yet to perfect. And
if we walk away now, if we simply retreat into our respective corners, we will never be
able to come together and solve challenges like health care, or education, or the need to
find good jobs for every American."
Neben seiner Stellungnahme zu der Diskussion um Referent Wright stellte Obama in
der Rede die Ideale der amerikanischen Verfassung und die Gründe für Rassismus und
soziökonomische Ungleichheit heraus. Er übt Kritik an der black community, indem er
betont, dass auch weiße Familien mit Problemen wie Arbeitsplatzverlust, Kosten für die
Krankenversicherung etc. zu kämpfen haben. Der Ärger der black community über die
sozioökonomische Ungleichheit, wenn auch teilweise berechtigt, ist nach Obama
kontraproduktiv und stellt keine Lösung der Probleme dar: "Just as black anger often
proved counterproductive, so have these white resentments distracted attention from the
real culprits of the middle class squeeze - a corporate culture rife with inside dealing,
questionable accounting practices, and short-term greed; a Washington dominated by

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842807204
Dateigröße
5.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Sozialwissenschaften, Politische Wissenschaft
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,15
Schlagworte
barack obama präsidentschaftswahlen rasse präsident wähler
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Titel: Die US-Präsidentschaftswahlen 2008 und der Bradley-Effekt
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