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Transformation von Vietnam

Reformpolitik, Herausforderungen und Transformationswege

©2009 Diplomarbeit 129 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit der politischen Wende im ehemaligen Einflussbereich der Sowjetunion und der Auflösung des Rates für gegenseitige Hilfe (RGW) in den 80er Jahre sind die Staaten des östlichen Mitteleuropas sowie des östlichen und südöstlichen Europas, aber auch viele Staaten in Südostasien mit unterschiedlich ausgeprägtem Reformwillen bestrebt, die sozialistische Planwirtschaft zu überwinden und marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Dies gilt ebenfalls für Vietnam.
Nach der Wiedervereinigung Süd- und Nordvietnams im Jahr 1975 wurde im ganzen Land die zentrale Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild eingeführt. Dieser Planwirtschaft hatte zusammen mit den Folgen des Krieges und mit den Auswirkungen der Außenpolitik Vietnams zur Wirtschaftskrise des Landes Anfang der 80er Jahre geführt: Geringe Produktivität, galoppierende Inflation, Armut, massive Arbeitslosigkeit, Hungersnot und Nullwachstum kennzeichneten die damalige Situation. So sah sich die vietnamesische Regierung gezwungen, einige Lockerungen in der Wirtschaft vorzunehmen (z.B. das Vertragssystem in der Landwirtschaft, die Erhöhung der Betriebsautonomie in der Industrie und Veränderungen in der Währungs-, Lohn-, und Preispolitik), um die Wirtschaftslage und damit die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern.
Obwohl es dadurch zu Produktions-, insbesondere zu Reisproduktionssteigerungen kam und die Wirtschaft sich etwas erholen konnte, verbesserte sich die gesamte wirtschaftliche und soziale Situation jedoch im Wesentlichen nicht. Vielmehr führten die Währungs- und Preispolitik mit den Verzerrungen der zentralen Planwirtschaft im Rahmen der Wirtschaftlockerungen zu einer noch tieferen Krise, so dass die vietnamesische Regierung zu einem Umsteuern keine Alternative sah. 1986 wurde die wirtschaftspolitische Reformpolitik (Erneuerungspolitik, auf Vietnamesisch ‘Doi Moi’) eingeleitet, mit der Vietnam den Transformationsprozess von einer sozialistischen Planwirtschaft zu einer freien Marktwirtschaft begonnen hat, der bis heute andauert.
Ziel der Arbeit ist es, die Transformation in Vietnam darzustellen. Dabei werden die wichtigsten Reformschritte bzw. -maßnahmen und deren Ergebnisse dargestellt sowie gegenwärtige Probleme aufgezeigt. Darüber hinaus werden für die zukünftige Entwicklung Vietnams – insbesondere unter dem Aspekt der internationalen Integration – wichtige Herausforderungen, erzielte wirtschaftliche Erfolge sowie bestehende Defizite aufgezeigt und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Danksagung
Zuerst möchte ich Herrn Prof. Tamás Bauer meinen besonderen Dank aus-
sprechen. Nur durch seine Aufnahmebereitschaft war es für mich möglich,
mein Ziel, später zu promovieren, zu verfolgen und somit mein Studium in
Frankfurt zu beginnen. Durch seine Ermutigungen zu Beginn meines Vor-
habens motivierte er mich, mein Vorhaben nicht wegen anderweitiger
Schwierigkeiten aufzugeben. Mit Hilfe seines Einsatzes während des Studi-
ums konnte ich das Studium am Schluss noch rechtzeitig beenden. Zudem
hatte er durch die Betreuung meiner Diplomarbeit meine akademische
Laufbahn ein Stück weiter begleitet. In diesem Zusammenhang danke ich
ihm für seinen Vorschlag hinsichtlich des Themas der vorliegenden Arbeit.
Ohne seine Anregung wäre ich nicht auf so ein interessantes und aktuelles
Thema gekommen.
An dieser Stelle danke ich auch all jenen, die mir im Laufe der Erstellung
dieser Arbeit als Dialogpartner zur Seite standen und mich somit unterstützt
haben. Ebenfalls danke ich diejenigen, die sich bereit erklärten, das Korrek-
turlesen zu übernehmen und somit große Hilfe für die Vollendung der Ar-
beit geleistet haben.
Tam Nguyen
Frankfurt, im September 2009

Inhaltsverzeichnis Seite I
Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...III
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...IV
TABELLENVERZEICHNIS... V
1
EINLEITUNG ... 1
1.1 P
ROBLEMSTELLUNG
...1
1.2 G
ANG DER
U
NTERSUCHUNG
...2
2
THEORETISCHE GRUNDLAGEN ... 3
2.1 B
EGRIFFSDEFINITION
...3
2.2 N
OTWENDIGKEIT DER
T
RANSFORMATION
...3
2.3 W
ICHTIGE
R
EFORMSCHRITTE
...5
2.3.1
Reform im Preissystem...6
2.3.2
Stabilisierung des Geldwertes...7
2.3.3
Reform im Finanzwesen...8
2.3.4
Unternehmensreform und Privatisierung ...9
2.3.5
Reform der Außenwirtschaft ...10
3
WIRTSCHAFT VIETNAMS VOR DER REFORM ... 12
3.1 D
IE
W
IRTSCHAFTSKRISE
V
IETNAMS UND IHRE
U
RSACHEN
...12
3.1.1
Folgen des Krieges ...14
3.1.2
Folgen der zentralen Planwirtschaft ...15
3.1.3
Auswirkungen der Außenpolitik...18
3.2 W
IRTSCHAFTSLOCKERUNGEN VON
1981
BIS
1986...19
4
TRANSFORMATION IN VIETNAM ... 24
4.1 R
EFORM DER
L
ANDWIRTSCHAFT
...25
4.2 L
IBERALISIERUNG DES
P
REISSYSTEMS
...31
4.3 S
CHAFFUNG DER
G
ELDWERTSTABILITÄT
...35
4.3.1
Bekämpfung der Inflation ...35
4.3.2
Reform des Finanzsystems ...38
4.4 U
NTERNEHMENSREFORM UND
P
RIVATISIERUNG
...43
4.4.1
Reform der staatlichen Unternehmen ...43

Inhaltsverzeichnis Seite II
4.4.2
Förderung der Privatwirtschaft ...50
4.5 R
EFORM DER
A
USSENWIRTSCHAFT
...54
4.5.1
Liberalisierung des Außenhandels und Exportförderung...54
4.5.2
Aufbau der Wirtschaftsbeziehungen mit ,,nichtsozialistischen"
Ländern und weltwirtschaftliche Integration ...56
4.5.3
Förderung ausländischer Investitionen ...61
5
ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN ... 64
5.1 H
ERAUSFORDERUNGEN
...65
5.1.1
Landwirtschaft ...65
5.1.2
Armut und Einkommensunterschiede...69
5.1.3
Bildung, Gesundheitswesen und Soziale Sicherung...72
5.1.4
Infrastruktur...76
5.1.5
Industriepolitik...78
5.2 E
RFOLGE
, D
EFIZITE UND
T
RANSFORMATIONSWEGE
...81
6
ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSBEMERKUNG ... 90
ANHANG ... VII
LITERATURVERZEICHNIS... XXIII
INTERNETQUELLEN ... XXIX

Abkürzungsverzeichnis Seite III
Abkürzungsverzeichnis
ADB
Asian Development Bank
ADI
Ausländische Direktinvestitionen
AHK Außenhandelskammer
AFTA
Asian Free Trade Agreement
APEC
Asian Pacific Economy Community
ASEAN
Association of Southeast Nation
BIP Bruttoinlandsprodukt
BSP Bruttosozialprodukt
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
ca. circa
CEIC
Census and Economic Information Center
DDR Deutsche
Demokratische
Republik
d.h. das
heißt
EU Europäische
Union
FEER
Far East Economic Review
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GIC
German Industry & Commerce
GTAI
Germany Trade and Invest
HCMS Ho-Chi-Minh-Stadt
HDI-Ranking
Human Development Index-Ranking
i.d.R.
in der Regel
i.e.S.
im engeren Sinne
IMF International
Monetary
Fund
IWF Internationale
Währungsfonds
i.w.S.
im weiteren Sinne
Kfz Kraftfahrzeug
Kg Kilogramm
KPV
Kommunistische Partei Vietnams
km
2
Quadratkilometer
kWh Kilowattstunde
NAFTA
North American Free Trade Agreement
Mio. Millionen
MPI
Ministry of Planning and Investment

Abbildungsverzeichnis Seite IV
MNC Multinational
Cooperation
Mrd. Milliarden
p.a. per
Anno
PERC
Property and Environment Research Center
RGW
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe
S.
Seite
SOAa Südostasien
aktuell
SOE
Special Operations Executive
sog. Sogenannte
TCDD Tetrachlordibenzodioxin
u.a. unter
anderem
UNIDO
United Nations of Industrial Development Organization
USA
United State of America
US United
State
USD US-Dollar
usw.
und so weiter
Vgl. Vergleiche
VND Vietnam
Dong
VR Volksrepublik
WDI
World Development Indicators
WTO World
Trade Organisation
www. worldwideweb
z.B. zum
Beispiel
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gute sekundäre, schlechte tertiäre Ausbildung...XVIII
Abbildung 2: Englischkenntnisse besser als die vielen Nachbarn...XVIII
Abbildung 3: Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind selten...XIX
Abbildung 4: Wasserkraft als Hauptenergiequelle...XIX
Abbildung 5: Entwicklungsstufe der Industrialisierung
ausgewählter Länder...XX
Abbildung 6: In derselben Wachstumsliga wie Indien und China...XX
Abbildung 7: Wachstumsrate nur noch von China übertroffen...XXI
Abbildung 8: Inflationsrate (in %)...XXI

Tabellenverzeichnis Seite V
Abbildung 9: Eine Auswahl geplanter Equitisierungen...XXII
Abbildung 10: Noch sehr schwacher Investorenschutz
Index (höhere Werte bedeuten einen besseren
Schutz)...XXII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Veränderung des Einzelhandelspreisindex nach Produkt-
gruppen 1977 - 1990...VII
Tabelle 2:
Collectivezation of agriculture by Province...VII
Tabelle 3:
Veränderung der Preisindexe nach der Preisfreigabe...VIII
Tabelle 4:
Veränderung der Preise für Konsumgüter von 1987
bis
1991...VIII
Tabelle 5:
Entwicklung des Konsumentenpreisindexes bis
August
2008...VIII
Tabelle 6:
Veränderung der Devisenkurse...IX
Tabelle 7: Veränderung der Zinsen und Preise (1986-1993)...IX
Tabelle 8: Geldmenge und Kreditschöpfung (Veränderung im
Vergleich zum Vorjahr in %)...IX
Tabelle 9: Ausgewählte Zinsen im Bankensystem (in % pro Jahr)...X
Tabelle 10: Staatlicher und nichtstaatlicher Anteil am BIP
nach
Wirtschaftssektoren...X
Tabelle 11: Beschäftigte im staatlichen und nichtstaatlichen
Sektor (in 1.000)...XI
Tabelle 12: Registrierte staatliche und private Unternehmen...XI
Tabelle 13: Anteile an der Industrieproduktion nach
Unternehmenstypen
(in
%)...XI
Tabelle 14: Die wichtigsten Handelspartner...XII
Tabelle 15: Außenhandel nach Ländern (2005-2007)...XII
Tabelle 16: Handelsbilanz in konvertiblen Währungen...XIII
Tabelle 17: Defizit der Handelsbilanz...XIII
Tabelle 18: Die wichtigsten vietnamesischen Importprodukte...XIII
Tabelle 19: Hauptlieferländer (in Mio. USD); Veränderung im
Vergleich zum Vorjahr in %)...XIII
Tabelle 20: Die wichtigsten vietnamesischen Exportprodukte...XIV
Tabelle 21: Ausländische Direktinvestitionen nach
Herkunftsländern...XIV

Tabellenverzeichnis Seite VI
Tabelle 22: Realisierte Investitionssumme...XV
Tabelle 23: Volkswirtschaftliche Investitionsquote (in % des BIP)...XV
Tabelle 24: Die zehn führenden Investitionsländer mit
der Gesamtsumme (in US$ Mio.)...XV
Tabelle 25: Ausländische Direktinvestitionen nach Sektoren in
den ersten Jahren nach der Öffnung Vietnams...XVI
Tabelle 26: Führende Auslandsinvestoren in Vietnam...XVI
Tabelle 27: Strukturveränderung der Wirtschaft (1986-2001)
in % des BIP...XVII
Tabelle 28: Bevölkerungsentwicklung Vietnams...XVII

Einleitung Seite 1
1
Einleitung
1.1
Problemstellung
Seit der politischen Wende im ehemaligen Einflussbereich der Sowjetunion
und der Auflösung des Rates für gegenseitige Hilfe (RGW
1
) in den 80er
Jahre sind die Staaten des östlichen Mitteleuropas sowie des östlichen und
südöstlichen Europas, aber auch viele Staaten in Südostasien mit unter-
schiedlich ausgeprägtem Reformwillen bestrebt, die sozialistische Planwirt-
schaft zu überwinden und marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Dies
gilt ebenfalls für Vietnam.
Nach der Wiedervereinigung Süd- und Nordvietnams im Jahr 1975
wurde im ganzen Land die zentrale Planwirtschaft nach sowjetischem Vor-
bild eingeführt. Dieser Planwirtschaft hatte zusammen mit den Folgen des
Krieges und mit den Auswirkungen der Außenpolitik Vietnams zur Wirt-
schaftskrise des Landes Anfang der 80er Jahre geführt: Geringe Produktivi-
tät, galoppierende Inflation, Armut, massive Arbeitslosigkeit, Hungersnot
und Nullwachstum kennzeichneten die damalige Situation.
So sah sich die vietnamesische Regierung gezwungen, einige Locke-
rungen in der Wirtschaft vorzunehmen
(z.B. das
Vertragssystem in der
Landwirtschaft, die Erhöhung der Betriebsautonomie in der Industrie und
Veränderungen in der Währungs-, Lohn-, und Preispolitik), um die Wirt-
schaftslage und damit die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbes-
sern. Obwohl es dadurch zu Produktions-, insbesondere zu Reisproduktions-
steigerungen kam und die Wirtschaft sich etwas erholen konnte, verbesserte
sich die gesamte wirtschaftliche und soziale Situation jedoch im Wesentli-
chen nicht. Vielmehr führten die Währungs- und Preispolitik mit den Ver-
zerrungen der zentralen Planwirtschaft im Rahmen der Wirtschaftlockerun-
gen zu einer noch tieferen Krise, so dass die vietnamesische Regierung zu
einem Umsteuern keine Alternative sah. 1986 wurde die wirtschaftspoliti-
sche Reformpolitik (Erneuerungspolitik, auf Vietnamesisch ,,Doi Moi") ein-
1
Der Rat für gegenseitige Hilfe (RGW) war der wirtschaftliche Zusammenschluss der
sozialistischen Staaten (wie z.B. Sowjetunion, Tschechien, DDR, Ungarn usw.) unter
Führung der Sowjetunion.

Einleitung Seite 2
geleitet, mit der Vietnam den Transformationsprozess von einer sozialisti-
schen Planwirtschaft zu einer freien Marktwirtschaft begonnen hat, der bis
heute andauert.
Ziel der Arbeit ist es, die Transformation in Vietnam darzustellen. Da-
bei werden die wichtigsten Reformschritte bzw. -maßnahmen und deren
Ergebnisse dargestellt sowie gegenwärtige Probleme aufgezeigt. Darüber
hinaus werden für die zukünftige Entwicklung Vietnams ­ insbesondere
unter dem Aspekt der internationalen Integration ­ wichtige Herausforde-
rungen, erzielte wirtschaftliche Erfolge sowie bestehende Defizite aufge-
zeigt und analysiert. In diesem Zusammenhang werden auch Entwick-
lungsmöglichkeiten für Vietnam aufgezeigt. Dabei wird auf die Transforma-
tionswege näher eingegangen. Somit ist der Transformationsprozess eben-
falls Gegenstand der Untersuchung. Bei dieser Untersuchung geht es auch
darum aufzuzeigen, ob die seit der Reformpolitik 1986 eingeleitete Trans-
formation von Vietnam auch wirklich eine Transformation darstellt, oder ob
es sich nur um eine unvollständige Transformation handelt.
1.2
Gang der Untersuchung
Diese Arbeit ist in vier Teile (Kapitel 2, 3, 4 und 5) unterteilt. In dem ersten
theoretischen Teil werden neben der Begriffsdefinition die Notwendigkeit
der Transformation und wichtige Reformschritte dargestellt.
In dem zweiten Teil wird auf die Wirtschaft Vietnams vor der Reform
näher eingegangen. Hierbei werden die Ursachen der tiefgreifenden Wirt-
schaftskrise Vietnams und einige Lockerungsmaßnahmen für die Wirtschaft
im Zeitraum von 1981 bis 1986 aufgeführt.
Der dritte Teil befasst sich mit der Transformation in Vietnam. Dabei
werden die wichtigsten Reformschritte bzw. -maßnahmen und deren Ergeb-
nisse sowie gegenwärtige Probleme in der Landwirtschaft, im Preissystem,
in der Geld- und Finanzpolitik, in den Staatsunternehmen und in der Privati-
sierung sowie in der Außenwirtschaft dargestellt.
Im letzten Teil der Arbeit werden wichtige Herausforderungen mit glo-
balem Bezug, erzielte wirtschaftliche Erfolge sowie bestehende Defizite im
Hinblick auf die zukünftige Entwicklung Vietnams aufgezeigt und analy-

Theoretische Grundlagen Seite 3
siert und damit im Zusammenhang stehende Entwicklungsmöglichkeiten
dargestellt. Dabei wird auf die Transformationswege näher eingegangen.
Abgerundet wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung und einer
Schlussbemerkung.
2
Theoretische Grundlagen
2.1
Begriffsdefinition
Im Vergleich zu den Begriffen ,,Evolution" und ,,Wandel" bezieht sich der
Begriff ,,Transformation" auf den Übergang von einer sozialistischen Plan-
wirtschaft zu einer Markwirtschaft, also auf ,,Übergänge", ,,Umwälzungen"
von ,,Formationen", von ,,Systemen" (,,Trans" und ,,Formationen" als die
beiden Metaphern der Kategorie ,,Transformation").
2
Darunter sind Modernisierungsprozesse mit dem Ziel der Auflösung
des Systems der zentralen Wirtschaftsplanung und des Aufbaus von moder-
nen marktwirtschaftlichen Elemente und Institutionen zu verstehen.
3
Zu unterscheiden ist, ob mit dem wirtschaftlichen Transformations-
prozess auch eine politische Transformation, d.h. ein Übergang von einem
totalitären bzw. autoritären zu einem demokratischen System einhergeht wie
in den westeuropäischen Ländern, oder ob das politische System (nahezu)
unverändert bleibt wie beispielsweise in der VR China, in der in erster Linie
die wirtschaftlichen Reformen in den Vordergrund rückten.
4
In diesem Fall
handelt es sich um eine unvollständige bzw. eine nicht wirkliche Transfor-
mation.
2.2
Notwendigkeit der Transformation
Die Notwendigkeit der Transformation einer Wirtschaft von dem zentralen
Plansystem zur Marktwirtschaft ist in allen sozialistischen Ländern auf fol-
2
Vgl. Reißig (1994), S. 323.
3
Vgl. Reißig (1994), S. 323.
4
Vgl. Reißig (1994), S. 323.

Theoretische Grundlagen Seite 4
gende Probleme der zentralen Planwirtschaft zurückzuführen:
5
­
Der materielle und kulturelle Konsumbedarf kann nicht rechtzeitig
unterstützt und realisiert werden.
­
Die Wirtschaft funktioniert nicht nach einer einfachen Gestaltung ei-
nes Regelwerkes zwischen den Betrieben und den Planbehörden,
sondern vielmehr nach bestimmten objektiven Prinzipien, die beach-
tet werden müssen. Dabei geht es insbesondere um das Angebots-
und Nachfragesignal und um die Sicherung des Gleichgewichts die-
ser Mechanismen als zentrale Forderung einer Wirtschaft, welche
das Funktionieren der dafür erforderlichen Vorbedingungen, wie
z.B. Menge, Produktqualität, Preis und Handel, ermöglicht sowie ei-
ne effiziente Allokation von knappen Ressourcen (dadurch kann der
Konsumbedarf auch optimal gedeckt werden) herbeiführt.
­
Innovation und Eigenverantwortung der Menschen wurden durch die
zentralgeleiteten Befehlspläne des wirtschaftlichen und politischen
Systems in großem Maße ignoriert. Motivationen und Eigeninitiati-
ven der Menschen sind durch das politische System nur verzerrt ge-
fördert worden.
­
Ein sozialistisches, zentrales Plansystem erfüllt erfahrungsgemäß
wesentliche Wirtschaftssystemfunktionen, insbesondere die Informa-
tions-, Leistungsmotivations-, Plankoordinierungs- und Kontroll-
funktion, nur unzureichend. Dies liegt grundsätzlich an dem zu kom-
plizierten System, in dem Informationen gewollt verzerrt weiter
vermittelt werden und so Plan- und Kontrollfunktion so gut wie nicht
möglich ist. Die Betriebe vermeiden sogar leistungsorientiert zu ar-
beiten, da sie dann befürchten, in den Folgeperioden noch mehr
Aufgaben von ,,oben" zu erhalten.
­
Keine zentrale Planbehörde bringt es fertig, mittels mengenmäßiger
Bilanzierung eine komplexe Volkswirtschaft völlig durchzuplanen,
weil sie dann Güterbilanzen in der Größenordnung von vielen Milli-
onen aufstellen und verarbeiten müsste. Zudem ist es kaum möglich,
5
Vgl. Truong (1996), S. 17.

Theoretische Grundlagen Seite 5
die individuellen Bedürfnisse von Millionen von Wirtschaftssub-
jekten herauszufinden und zu berücksichtigen.
6
­
Das Gemeineigentum an Produktionsmitteln in zentralgeleiteten Pro-
duktionswirtschaften führt dazu, dass eine private Gewinnerzielung
als Leistungsansporn wegfällt und statt dessen eine kollektive Ver-
antwortungslosigkeit für den verstaatlichten Produktionsapparat um
sich greift.
7
Um die zentralen Aufgaben der Transformation und die dazu gehörenden
notwendigen Reformmaßnahmen exakt bestimmen zu können, sollte er-
kannt werden, worin diese Probleme der zentralen Planwirtschaft liegen und
wie sie zu verändern sind.
2.3
Wichtige Reformschritte
Ausgehend von den Problemen der zentralen Planwirtschaft, wird die
Durchführung der Transformation durch folgende zentrale Aufgaben be-
stimmt:
8
­
Abschaffung des ineffektiven Systems der staatlichen Planung und
Kontrolle der Produktion sowie der staatlichen Verteilung der Pro-
dukte. Gleichzeitig sollen marktwirtschaftliche Institutionen geschaf-
fen werden.
­
Mobilisierung und Entwicklung aller sozioökonomischen Faktoren
des Landes, um den Lebensstandard der Bevölkerung deutlich zu er-
höhen.
Konkret soll der Transformationsprozess folgende Aufgaben erfüllen
9
:
­
Übertragung der Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel auf
die bestgeeignetsten Dispositionsträger, um eine optimale Ressour-
6
Vgl. Peters (1990), S. 384.
7
Vgl. Peters (1990), S. 385.
8
Vgl. Truong (1996), S. 17.
9
Vgl. Peters (1990), S. 384.

Theoretische Grundlagen Seite 6
cenallokation und bestmögliche Bedarfsdeckung zu gewährleisten.
­
Zutreffende Informationen über Güterknappheiten und andere rele-
vante ökonomische Fakten geben, um die Wirtschaftssubjekte in die
Lage zu versetzen, rationelle Wirtschaftspläne zur bestmöglichen
Verminderung der Güterknappheit aufzustellen.
­
Schaffung von Anreizen, damit die Wirtschaftssubjekte mit den Pro-
duktionsmitteln, einschließlich der Umweltgüter, sorgfältig sowie
mit den Rohstoffen im Produktionsprozess sparsam umgehen und
letztlich qualitativ hochwertige Güter erzeugen können.
­
Koordination der Planungen und Handlungen der Wirtschaftssub-
jekte im arbeitsteiligen Wirtschaftsgeschehen, um eine bedarfsge-
rechte Produktion zu steuern und
­
Kontrolle der zweckgerichteten Planungen und Handlungen der
Wirtschaftssubjekte sowie Ahndung von Fehlplanungen, damit künf-
tig sorgfältiger und ökonomisch rationeller gewirtschaftet wird.
Um diese Aufgaben erfüllen und eine erfolgversprechende Marktwirtschaft
einführen zu können, müssen alle Transformationsländer Reformen in allen
Wirtschaftsbeziehungen konsequent durchführen. Dabei geht es insbesonde-
re um die gleichzeitig durchzuführenden Reformen in der Preis-, Geld- und
Finanzpolitik, in dem Unternehmensbereich, in der Privatisierung und in der
Außenwirtschaft, von denen der Erfolg der Transformation im entscheiden-
den Maße abhängt. Im Folgenden soll auf die verschiedenen Reformen nä-
her eingegangen werden.
2.3.1
Reform im Preissystem
Bei der Preisreform geht es insbesondere um die Liberalisierung der Preise,
die in der zentralen Planwirtschaft vielfach durch politisch motivierte Ent-
scheidungen festgesetzt wurden (z.B. die äußerst niedrigere Preise für
Wohnraum und Grundnahrungsmittel).
Demnach wird im Zuge des Transformationsprozesses das Preisfixie-
rungssystem abgeschafft, um den marktwirtschaftlichen Prozess der Preis-
bildung in Gang zu setzen. Dies ermöglicht, dass Angebot und Nachfrage

Theoretische Grundlagen Seite 7
auf Preissignale reagieren. Durch die Preisfreigabe wird erreicht, dass sich
einstellende Preisrelationen die relativen Knappheiten von Gütern und
Dienstleistungen wiedergeben und eine effiziente Allokation der verfügba-
ren Ressourcen ermöglichen.
10
Da es sich bei den staatlich festgesetzten Preisen i.d.R. um Preise un-
terhalb des Markträumungsniveaus handelt, führt die Preisliberalisierung
meist zu einem deutlichen Preisanstieg, somit zu einem Anstieg der Inflati-
on, der die Signalfunktion der relativen Preise beeinträchtigt.
So sollte im Rahmen der Preisliberalisierung eine restriktive Haushalts-
politik betrieben werden, in der die Finanzierung des Haushaltsdefizits
durch Geldschöpfung abzuschaffen ist. Die Kreditvergabe und die Ausga-
ben der öffentlichen Haushalte sollten möglichst nach Kriterien der Liquidi-
tätssicherung und der effizienten Verwendung der Mittel erfolgen und re-
gelmäßig kontrolliert werden, um nach der Aufhebung der Preiskontrollen
ein anhaltender Inflationsanstieg zu vermeiden.
11
Ziel bzw. Aufgabe der Preisreform ist daher, Preis- und Geldwert-
stabilität zu schaffen und diese zu sichern, damit langfristig die Konvertibi-
lität der einheimischen Währung erreicht werden kann.
12
2.3.2
Stabilisierung des Geldwertes
Bei der Stabilisierung des Geldwertes geht es zu Beginn der Transformation
vor allem um die Bekämpfung der galoppierenden Inflation, die in einigen
Transformationsländern (z.B. Russland, Ukraine, Polen usw.) vor der Trans-
formation besonders hoch ist.
Festzustellen ist, dass in einigen sozialistischen Planwirtschaften ein
chronischer Warenmangel und unzureichende Erwerbsmöglichkeiten von
Konsumgütern existieren und damit ein Ansammeln vom beträchtlichen
Zwangssparkapital bei den Sparkassen (nur in Osteuropa) verursacht. Da es
keinen Geld- und Kapitalmarkt gibt, der angesammelte Geldbeträge absor-
10
Vgl. Diehl (1993), S. 225.
11
Vgl. Truong (1996), S. 18.
12
Vgl. Truong (1996), S. 18.

Theoretische Grundlagen Seite 8
biert, entsteht ein potentieller Kaufkraftüberhang.
13
Aufgrund der Finanzierung von Subventionen und Staatshaushaltsdefi-
zite durch Geldschöpfung erhöht sich die Geldmenge ständig. Dieser mit
den Jahren wachsende Geldüberhang, der nicht durch ein entsprechendes
Warenangebot gedeckt ist, mündet regelmäßig in einer zurückgestauten In-
flation.
14
Die Bekämpfung der Inflation sollte einerseits durch die Verbesserung
der Warenversorgung und andererseits durch die Konsolidierung des Staats-
budgets erfolgen.
15
Die Verbesserung der Warenversorgung kann im Prinzip durch die Zu-
lassung der privaten Produktion, durch die Liberalisierung des Außenhan-
dels oder durch die aus der Verbesserung des Managements in staatlichen
Betrieben einhergehende Produktion erreicht werden.
16
Der Beitrag der Konsolidierung des Staatsbudgets zur Inflationsbe-
kämpfung erfordert, dass der Staat die Finanzierung der Haushaltsdefizite
durch Geldschöpfung abschafft und eine restriktive Haushaltspolitik an-
strebt.
17
2.3.3
Reform im Finanzwesen
Die Reform im Finanzwesen erfordert eine umfassende Umstrukturierung
des Staatshaushaltes, insbesondere der Struktur der Haushaltseinnahmen
(z.B. Verbesserung des Steuersystems, da Steuern die Haupteinnahmequelle
des Staatshaushaltes in einer Marktwirtschaft darstellen) und -ausgaben
(sollten sich in erster Linie auf produktiver Investitionen konzentrieren)
sowie im Bankensystem.
Das Bankensystem in der Planwirtschaft ist i.d.R vom Staat abhängig
und hat nur im Rahmen der Staatspläne zu funktionieren. So hat die Staats-
bank, die Zentralbank- und Geschäftsbankfunktionen in sich vereinigt, als
einzige Aufgabe die Finanzierung des Staatshaushaltes und der Staatsunter-
13
Vgl. Peters (1990), S. 338.
14
Vgl. Peters (1990), S. 338.
15
Vgl. Diehl (1993), S. 215.
16
Vgl. Diehl (1993), S. 216.
17
Vgl. Diehl (1993), S. 216.

Theoretische Grundlagen Seite 9
nehmen. Zudem operiert die Staatsbank als einziger Kreditgeber für den
staatlichen Wirtschaftssektor, da es keinen freien Kapital- und Kreditmarkt
gibt. Die Kreditvergabe an die Unternehmen unterliegt dem zentralen Kre-
ditplan ohne Berücksichtigung von Risiken und Kreditlaufzeiten.
18
Daher
spielt die Sicherung der Kreditliquidität in der Gewährung der Kredite durch
die Zentralbank keine Rolle und die Zinsrate ist niedrig.
Die Bankenreform sollte daher ­ im Zuge der Einführung der Markt-
wirtschaft ­ den unabhängigen Status der Zentralbank ermöglichen, um das
Bedienen der Notenpresse durch den Staat für seine Finanzwirtschaft und
Sozialpolitik zu verhindern.
19
Auch sollte die Bankenreform u.a. die effiziente Kreditversorgung
(auch nichtstaatliche Unternehmen sollten Zugang zu Krediten haben) und
die Mobilisierung vom ungenutzten Kapital von privaten Haushalten für die
Wirtschaft ermöglichen.
20
2.3.4
Unternehmensreform und Privatisierung
Im Mittelpunkt der Unternehmensreform stehen einerseits die Reformen der
staatlichen Betriebe und andererseits die Förderung der privaten Unterneh-
men bzw. der Privatwirtschaft.
Die Staatsunternehmen sind in der zentralen Planwirtschaft u.a. die do-
minierende Organisationsform. Den Kern der Staatsunternehmen machen
die zentralgeleiteten Unternehmen aus, die den einzelnen Fachministerien
unterstehen, die unmittelbar die Unternehmen kontrollieren. Die zentrale
Planung bezieht sich auf wichtige produktionsbezogener Plankennziffern
und auf die Bereitstellung subventionierter Inputs.
21
Die Reform der Staatsunternehmen sollte zunächst die Reduzierung der
Planvorgaben und eine wachsende Autonomie des Managements ermögli-
chen. Auch sollte sie das Staatsbudget, das den staatlichen Betrieben zur
Verfügung steht, entlasten, die Effizienz der Betriebe erhöhen sowie mehr
18
Vgl. Wolff et al. (1995), S. 25 f.
19
Vgl. Nunnenkamp (1995), S. 104.
20
Vgl. Nunnenkamp (1995), S. 104.
21
Vgl. Wolff (1997), S. 51.

Theoretische Grundlagen Seite 10
Transparenz in Bezug auf Eigentumsrechte am Vermögen der Unternehmen
(wem gehört das ,,eigene", also das selbst akkumulierte Kapital der Betrie-
be) schaffen.
22
Dies kann i.d.R. durch die Privatisierungen erfolgen. Die Privatisierung
sollte grundsätzlich für die wirtschaftlich überlebensfähigen Staatsunter-
nehmen gelten, denn nur für diese Betriebe besteht zumeist eine Aussicht,
private Investoren zu finden. Durch die Privatisierungen kann ein marktge-
steuerter wettbewerblicher Allokationsprozess in Gang gesetzt werden, wel-
cher eine Erhöhung der Produktion, der Produktivität sowie die Beschaffung
von Arbeitsplätzen ermöglicht.
23
Demnach ist es sinnvoll die Privatwirtschaft zu fördern bzw. die Rah-
menbedingungen der privaten Unternehmen zu verbessern. So sollte die zur
Förderung ergriffenen Maßnahmen die verschiedenen, administrativen Hin-
dernisse (z.B. umfangreiche Genehmigungsverfahren, kein Zugang zur
langfristigen Landnutzungsrechte usw.), die die Entwicklung der Privatwirt-
schaft belasten, abgebaut und eine Wettbewerbsneutralität erzeugt werden.
Das dürfte die konsequente Ausführung des Grundsatzes der Gleichbehand-
lung der privaten und staatlichen Betriebe nach sich ziehen.
24
2.3.5
Reform der Außenwirtschaft
Die Außenwirtschaftsreform beinhaltet die Liberalisierung des Außenhan-
dels sowie die Exportförderung.
25
Ziel der Exportsteigerung ist die Erhöhung von Deviseneinnahmen zur
Finanzierung dringend benötigter Importe und die Attrahierung ausländi-
scher Direktinvestitionen. Mit letzteren soll modernste Technologie und vor
allem Know-how eingeführt werden.
26
In der Planwirtschaft sozialistischer Ländern liegen die Außenwirt-
schaft bzw. die Außenhandelsbeziehungen ausschließlich in der Hand des
22
Vgl. Wolff (1997), S. VI.
23
Vgl. Truong (1996), S. 10.
24
Vgl. Truong (1996), S. 10.
25
Vgl. Kirschner (1995), S. 12-41.
26
Vgl. Kirschner (1995), S. 41 und 43.

Theoretische Grundlagen Seite 11
Staates und werden von diesem selbst durchgeführt.
27
Diesem Zweck dient
ein spezielles und zentrales Staatsorgan, das sog. Ministerium für Außen-
handel
28
, welches u.a. mit der Plankommission auch die zentralen Planvor-
gaben im Außenhandel bestimmt und dadurch jegliche Außenhandelsaktivi-
täten (Importe und Exporte) regelt.
29
Der damalige DDR-Minister für Außenhandel, Heinrich Rau, begründe-
te das "Gesetz über den Außenhandel der DDR" vom 9. Januar 1958 aus-
drücklich mit der Notwendigkeit des Außenhandelsmonopols wie folgt:
,,...Nur auf der Grundlage des staatlichen Außenhandelsmonopols können
die außenwirtschaftlichen Beziehungen entsprechend den Erfordernissen
unseres Staates geplant, gelenkt, kontrolliert und mit dem höchsten volks-
wirtschaftlichen Nutzeffekt geleitet und durchgeführt werden."
30
Das staatliche Außenhandelsmonopol hat aber zur Folge, dass es zu
einer ökonomischen und organisatorischen Trennung von Industrie und Au-
ßenhandel (bzw. der heimischen Produzenten und Konsumenten von aus-
ländischen Lieferanten, Kunden und Konkurrenten), von ,,Innen" und ,,Au-
ßen" führt, was praktisch eine künstliche Isolierung der zentralistischen
Planwirtschaft von den äußeren Märkten bedeutet. Es hält so die vom
Weltmarkt kommenden Einflüsse zur Einführung bspw. neuer Technik von
der staatlichen Planwirtschaft fern und erschwert auch unmittelbare Kontak-
te zwischen staatlichen Produktionsbetrieben und westlichen Firmen.
31
Die freiwillige Beschränkung des Außenhandelsvolumens hat zur Fol-
ge, dass die Vorteile/Gewinne aus einer internationalen Integration nur ein-
geschränkt genutzt werden können (z.B. keine vollständige Nutzung der
komparativen Kostenvorteile und damit geringere Wohlfahrtsgewinne).
32
27
Vgl. Seiffert (1988), S. 11.
Die Einschränkung der Außenwirtschaftsbeziehungen resultiert aus zweierlei Gründen:
Der ,,praktische" Grund zielt auf die Furcht, in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Aus-
land zu geraten; der marxistische, ideologische Grund sah im internationalen Handel ein
Werkzeug der Reichen zur Ausbeutung der Armen; vgl. Jung (1992), S. 38 und Louven
(1988a), S. 32.
28
Vgl. Seiffert (1983), S. 517-540.
29
Vgl. Kirschner (1995), S. 14.
30
Vgl. Seiffert (1988), S. 14.
31
Vgl. Seiffert (1988), S. 15.
32
Vgl. Kirschner (1995), S. 19.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
12
Demnach muss die Außenwirtschaftsreform bzw. die Liberalisierung des
Außenhandels die Effizienz der wirtschaftlichen Tätigkeiten in allen Berei-
chen verbessern, die direkt und indirekt am Austausch mit dem Ausland
beteiligt sind. Auf diese Weise soll die strukturell bedingte Exportschwäche
der Wirtschaft beseitigt (bzw. der Export gefördert) und der Import an die
tatsächlichen Bedürfnisse des Landes besser angepasst werden, um dadurch
letzten Endes das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz zu erreichen.
33
Das bedeutet nichts anderes, als die Isolierung der inländischen Produ-
zenten von den Auslandsmärkten zu durchbrechen, welche zur Abschaffung
des staatlichen Außenhandelsmonopols, zur Einführung der konvertiblen
Währung sowie zur Zulassung von Direktinvestitionen führt. Der Druck,
sich an den Bedingungen und Entwicklungen der Auslandsmärkten anzu-
passen, soll nicht nur die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und
in Richtung Handelsbilanzausgleich wirken, sondern auch die Produktions-
effizienz und ­qualität der gesamten Binnenwirtschaft steigern.
34
3
Wirtschaft Vietnams vor der Reform
3.1
Die Wirtschaftskrise Vietnams und ihre Ursachen
Nach der Unabhängigkeit Vietnams vom französischen Kolonialregime
1954 und der Teilung des Landes durch die Genfer Konferenz im selben
Jahr gingen die beiden Landesteile, Süd- und Nordvietnam, politisch und
wirtschaftlich getrennte Wege. Der Norden war durch Ho Chi Minh (1945)
einem auf sowjetischen Planungsprinzipien beruhenden System der Zentral-
verwaltungswirtschaft gefolgt. Der Süden folgte damals ökonomisch -
marktwirtschaftlichen Prinzipien (im kapitalistischen Sinne).
Nach jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen mit den USA
(1964-1975)
35
, gelang es Nordvietnam 1975 den ganzen Süden (dieser war
33
Vgl. Machowski (1988), S. 45.
34
Vgl. Grosser (1988), S. 145.
35
Durch den Eingriff der US-Armee 1965 entwickelte sich der Bürgerkrieg zwischen Süd-
und Nordvietnam zu einem brutalen Stellvertreterkrieg, in dem auch viele Zivilisten zu
Opfern wurden.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
13
bis 1975 demokratisch) zu erobern und mit Nordvietnam zu vereinen.
Unter Führung der Kommunistische Partei Vietnams (KPV) wurde die
Entwicklung der vietnamesischen Wirtschaft durch den Weg zum Sozialis-
mus bestimmt. Mit dieser Bestimmung wurde die zentrale Planwirtschaft im
ganzen Land eingeführt.
Nach drei Jahrzehnten der Wirtschaftentwicklung, mit dem Konzept der
sozialistischen Planwirtschaft im Norden und von 1975 bis Ende 1985 im
ganzen Land, war die Wirtschaft Vietnams durch folgende Merkmale ge-
kennzeichnet:
36
­
Es herrschte in allen Wirtschaftszweigen Staatseigentum an Produk-
tionsmitteln und an Grund und Boden.
­
Die Wirtschaft war nie in der Lage, den Grundbedarf der Bevölke-
rung an Nahrungsmitteln und Konsumgütern genügend zu decken.
­
Das System der zentralwirtschaftlichen Planung der Produktion und
Verteilung der erzeugten Produkte durch den Staat funktionierte in-
effizient, da der wirtschaftliche Plan der betrieblichen Produktion
nicht auf realistische Marktdaten, sondern auf Vorgaben der zentra-
len, staatlichen Organe aufgebaut war und überhaupt nicht realisiert
wurde. Dieses System führte zu einer globalen wirtschaftlichen Ver-
zerrung der Allokation und zugleich zur Verschwendung knapper
Ressourcen der gesamten Wirtschaft.
­
Im Industriebereich dominierten staatliche Betriebe. Sie arbeiteten
mit hohen Verlusten und erhielten trotzdem Subventionen vom Staat.
In der Landwirtschaft forcierte der Staat die Kollektivierungen.
­
In allen Wirtschaftsbranchen war die Produktionstechnik und- tech-
nologie sehr rückständig und die Arbeitsproduktivität sehr niedrig.
So befand sich Vietnam Anfang der 80er Jahre in einer Krise der Wirtschaft
und Gesellschaft. Die ganze Wirtschaft stand vor der Stagnation und dem
Bankrott. Es herrschten große Mängel an Rohstoffen und Konsumgütern.
Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln geriet immer mehr in
36
Vgl. Vo (1990), S. 38 ff.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
14
große Schwierigkeit. Geringe Produktivität, hohe Inflation, massive Arbeits-
losigkeit, Hungersnot, Nullwachstum und absolute Armut kennzeichneten
die damalige Situation.
37
Die Ursachen der Wirtschaftkrise Vietnams ­ wie die folgenden Ab-
schnitten darstellen ­ lagen nicht nur in den Folgen der zentralen Planwirt-
schaft, sondern auch in den Auswirkungen der Außenpolitik und in den Fol-
gen des Krieges.
3.1.1
Folgen des Krieges
Der jahrelang andauernde Krieg mit der USA hatte das ganze Land fast völ-
lig zerstört. Seine Folgen konnte die vietnamesische Wirtschaft nur schwer
verkraften und sind bis heute immer noch zu spüren.
Im Norden wurden durch den Krieg Hauptindustriezentren und funda-
mentale Infrastrukturen zerstört, die seit 1964 durch Aufbauprozesse der
Wirtschaft entstanden waren. Sämtliche Industriebetriebe wurden vernich-
tet. Drei der sechs größten Städte, 12 von 29 Provinzhauptstädten, 2/3 der
Dörfer waren zerstört. Total zerstört waren auch sämtliche Elektrizitätswer-
ke, Bahnhöfe, Häfen, Brücken, Straßen und das gesamte Bahnnetz. Im Sü-
den waren 2/3 der Dörfer zerstört, 5 Mio. Hektar Wald wurden vernichtet
und 20 Mio. Bauern verloren ihre Häuser. Es gab 362.000 Kriegsinvaliden,
1 Mio. Witwen.
38
Die schlimmste Folge war die Verseuchung großer Flächen mit Gift.
Trotz Rekultivierungsmaßnahmen konnte diese noch nicht beseitigt werden.
In Zentral- und Südvietnam hatte die US-Armee die Bäume durch Agent-
Orange entlaubt, die Felder mit Flächenbombardements zerstört.
Heute sind Krankheiten wie z.B. die Missbildung der Kinder durch ,,O-
range Agent", inklusive dem Kampfstoff TCDD (Dioxin), keine Seltenheit.
Während sich die Dioxinbelastung der Böden mittlerweile normalisiert hat,
ist das Dioxin in die Nahrungskette eingedrungen. Wo einst Regenwälder
und reiche Fauna vorhanden waren, wachsen heute nur noch Gräser und Bü-
37
Vgl. Truong (1996), S. 26.
38
Vgl. Nguyen (1986), S. 12.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
15
sche. Die Folgen sind Erosionen und gewaltige Überschwemmungsschä-
den.
39
3.1.2
Folgen der zentralen Planwirtschaft
Nach der nationalen Wiedervereinigung wurde zum ersten Mal ein umfas-
sender, wirtschaftlicher Plan für die Entwicklung des ganzen Landes auf
dem IV. Parteitag der KPV im Dezember 1976 entworfen. Damals wurden
folgende, wichtige und langfristige Hauptzielsetzungen der Wirtschaftspoli-
tik beschlossen:
40
­
Den Sozialismus von einer unterentwickelten Gesellschaft ausge-
hend aufzubauen.
­
Alle Kräfte, die eine immense Verbesserung der Agrarproduktion,
eine Forcierung der Forst- und Fischereiwirtschaft sowie eine stärke-
re Entwicklung der Leicht- und Lebensmittelindustrie herbeiführen
können, müssen mobilisiert werden, um die Lebensmittelversorgung
und ständige Verbesserung der materiellen und kulturellen Lebens-
bedingungen der Bevölkerung zu ermöglichen.
­
Die vorhandenen Anlagen der Schwerindustrie müssen voll ausge-
nutzt und neue Schwerindustrieanlagen aufgebaut werden. Es sind
vor allem die Energiewirtschaft, der Metall- und Maschinenbau und
das Transportwesen auszubauen. Der Ausbau der Schwerindustrie
muss bevorzugt werden, da sie als Basis für die Entwicklung der
Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie die Leichtindustrie die-
nen soll.
­
Das sozialistische Produktionssystem im Norden soll verbessert
werden, im Süden muss die kapitalistische Privatwirtschaft in einer
kurzen Zeit verstaatlicht und in sozialistische Produktionsformen
umgewandelt werden.
Konkret wurden folgende Ziele für den ersten Fünfjahresplan von 1976 bis
39
Quelle: http://www.tdh.de.
40
Vgl. KPV (1977), S. 63ff.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
16
1980 festgelegt:
41
­
Schaffung einer Großproduktion aller Industrieprodukte, landwirt-
schaftliche Industrierohstoffe und Ölindustrie.
­
Forcierung der Unterstützung seitens der Schwerindustrie für die
Lebensmittel- und Konsumgüterproduktion, d.h. stärkere Produktion
von Werkzeugen, Werkzeugmaschinen, Generatoren, Traktoren,
Pumpen, Landmaschinen, Fischerbooten, Kleinturbinen usw.
­
Stärkere Entwicklung der Energiewirtschaft nach dem Motto "Die
Energie muss allen Wirtschaftszweigen einen Schritt voraus sein."
Dabei sollen neue Energiequellen errichtet werden, insbesondere
hydroelektrische Kraftwerke im Hochland.
­
Intensivierung der Landwirtschaft durch Verbesserung des Mechani-
sierungs- und Bewässerungssystems und stärkere Entwicklung der
Lebensmittelproduktion (Mais, Süßkartoffeln, Sojabohnen, Kartof-
feln, Maniokwurzeln) sowie stärkere Betonung der Viehzucht.
­
Groß- und Einzelhandelsmärkte sowie Marktpreise müssen im Süden
zügig unter staatliche Kontrolle gebracht werden.
­
Staatliche und kooperative Wirtschaftsformen müssen schnell durch-
gesetzt werden.
All diese Ziele demonstrierten den Willen der KPV, eine sozialistische
Großproduktion mit der vollständigen Industrialisierung der Wirtschaft im
ganzen Land zu erreichen, ohne die wirkliche Wirtschaftslage richtig einzu-
schätzen und somit einen für das Land entsprechenden Entwicklungsweg
herauszufinden.
42
Mit diesen Zielen wurden alle privaten Kleinunternehmer und privaten
Händler im ganzen Land zwangsweise in sozialistische Wirtschaftsformen
eingegliedert oder enteignet. In der Agrarwirtschaft im Süden wurde die
Produktion nach sozialistischen Produktionsverhältnissen mit den Arbeits-
formen und Methoden des Nordens errichtet: Teams zum Austausch der Ar-
41
Vgl. KPV (1977), S. 209 ff.
42
Vgl. Truong (1996), S. 28.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
17
beit, Produktionskollektive und Kooperativen, Bezahlung der Arbeit nach
dem Arbeitspunktsystem usw. (siehe Kapitel 4.1).
43
Diese sozialistische Produktionsverhältnisse haben nicht die erwarteten
Wirkungen gebracht, also die Entstehung der "sozialistischen Großproduk-
tion". Sie führte nicht zur Produktivitätssteigerung, da individuelle Initiati-
ve, Motivation und Verantwortung des Einzelnen in der Wirtschaft und Ge-
sellschaft praktisch nicht gefördert, sondern in großem Maße eliminiert
wurden.
44
In der Landwirtschaft war die Agrarproduktion wegen Missmanage-
ment und Zwangskollektivierung zurückgegangen. Es wurden 1980 nur
rund 14 Mio. Tonnen Reis produziert.
45
Jedoch wurden rund 16 Mio. Ton-
nen Reis jährlich für die Deckung des Grundnahrungsmittelbedarfs der Be-
völkerung gebraucht. Vietnam musste im Zeitraum des zweiten Fünfjahres-
plans (1976-1980) schon acht bis neun Mio. Tonnen Reis und andere Nah-
rungsmittel importieren.
46
Aufgrund der unzureichenden Versorgung mit Rohstoffen, Energie,
Materialien und Ersatzteilen, insbesondere von Ersatzteilen für Maschinen
aus westlichen Ländern im Süden, stagnierte die Industrieproduktion Ende
der 70er Jahre. Im ganzen Zeitraum von 1976 bis 1980 gab es keine Produk-
tionssteigerung im gesamten Industriesektor.
47
Die staatliche Industriepro-
duktion ging sogar um mehr als 10% zurück (1976: 100%, 1980: 89,9%).
48
Die Außenhandelsbilanz litt ständig unter einem Defizit. Seit Anfang
der 80er Jahre geriet der Außenwirtschaftssektor wegen des Verbots des
privaten Außenhandels noch mehr in Schwierigkeiten. Es gab keine Mög-
lichkeit, die Handelsbilanz zu verbessern. Im Jahr 1981 konnten Exporterlö-
se nur 27% der Importkosten decken.
49
Ziel der Wirtschaftspolitik Vietnams in der Zeit nach dem Krieg war,
nicht nur die gesamte Wirtschaft wieder aufzubauen (Schaffung von ele-
43
Vgl. Truong (1996), S. 28.
44
Vgl. Truong (1996), S. 28.
45
Vgl. General Statistical Office (1990), Tabelle 27, S. 33.
46
Vgl. Vo (1990), S. 84.
47
Vgl. Truong (1996), S. 29.
48
Vgl. General Statistical Office (1990), Tabelle 57, S. 73.
49
Vgl. Nguyen (1986), S. 20.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
18
mentare Entwicklungsbasis der Wirtschaft), sondern sie auch durch die
Wiederaufbau- und Förderungsmaßnahmen zur Wohlstandsverbesserung
der Bevölkerung (Deckung von Grundbedürfnisse) zu entwickeln. Die
Durchführung der zentralen Planwirtschaft hat allerdings nicht zur erwarte-
ten Wirtschaftsverbesserung des Landes geführt, sondern zum Bankrott.
50
3.1.3
Auswirkungen der Außenpolitik
Neben dem Embargo der Vereinigten Staaten von Amerika nach dem US-
Vietnam Krieg
51
, das 1964 gegen Nordvietnam und 1975 gegen das ganze
Land erhoben wurde, war die Stationierung vietnamesischer Soldaten in
Kambodscha (1978-1989), die der Wirtschaft und den Menschen Vietnams
enorm viel gekostet haben, die Hauptursache dafür, dass Vietnam bis zum
Jahr 1986 gegenüber der kapitalistischen Welt absolut und in Südostasien
weitgehend isoliert blieb.
52
Vietnam integrierte sich deshalb sehr stark in die
RGW-Länder, die wirtschaftlich verhältnismäßig stärker sind, um im Rah-
men der sozialistischen, ökonomischen Integration wirtschaftliche und un-
entgeltliche Unterstützung zu erhalten.
Seitdem waren die Außenwirtschaftsbeziehungen mit nichtsozialisti-
schen Ländern und internationalen Finanzinstitutionen abgebrochen. Viet-
nam bekam keine finanzielle Entwicklungshilfe mehr. Der Weg, über dem
Vietnam schnell Kapital und fortgeschrittene Technologien für die Erneue-
rung der rückständigen Wirtschaft (bzw. für den Wiederaufbau des Landes
nach dem Krieg) erhalten konnte, war verschlossen. Es gab nur noch Hilfe
aus den damaligen, sozialistischen Ländern des Ostblocks, mit der Vietnam
jedoch die Wirtschaft kaum über Wasser halten konnte.
53
Angesichts dieser Ursachen der Wirtschaftskrise sah sich die Regierung
gezwungen, einige Lockerungen in der Wirtschaft vorzunehmen, um die
Wirtschaftslage und damit die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu ver-
bessern.
50
Vgl. Truong (1996), S. 29.
51
Die USA drängten auch andere Staaten Vietnam zu boykottieren.
52
Vgl. Truong (1996), S. 29.
53
Vgl. Truong (1996), S. 29.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
19
3.2
Wirtschaftslockerungen von 1981 bis 1986
Ziel der Wirtschaftslockerungen war es, eigene Initiativen und die Eigen-
verantwortung der Staatsbeamten, Arbeiter und Bauern sowie der intellektu-
ellen Schichten durch materielle Anreize besser zu fördern, um die Arbeits-
produktivität und somit die industrielle und landwirtschaftliche Produktion
zu erhöhen.
54
Folgende Veränderungen wurden demnach durchgeführt:
­
Im Agrarsektor wurde der "Stücklohn'' oder das Auftragszahlungs-
system nach Qualität und Quantität der Produkte bei gleichzeitiger
Fixierung der Zulagen in Naturalien wie Reis und Konsumgütern
gegenüber dem Arbeitspunktsystem eingeführt.
55
Die Stärkung der materiellen Anreize sowie der politischen und
ideologischen Bewusstseinsbildung sollte zu einer Differenzierung
des Lohnsystems je nach Arbeitsleistung führen, welche die Fähig-
keit und Produktivität der Wirtschaft erhöhen sollte.
­
Auf der Plenarsitzung der KPV im Juni 1984 wurden im Industriebe-
reich ­ nachdem über die verschlechterte Produktion und Betriebs-
führung der Staatsbetriebe berichtet wurde ­ auch Veränderungen
beschlossen. Es wurden jedoch lediglich einige Lockerungsmaß-
nahmen beim Abschluss von Produktionsplänen festgelegt, die der
Betriebe hinsichtlich der Versorgung von Materialien und des Ver-
kaufs der Produkte mehr Selbständigkeit verschafft. Demnach durfte
der Betriebsdirektor erstmalig die Beschäftigten selbst einstellen o-
der entlassen.
56
Der Betrieb ist für den Gewinn und Verlust selbst verantwort-
lich. Über die Verwendung überplanmäßiger Gewinne konnte der
Betrieb selbst entscheiden. Beispielsweise hat der Staat den Betrie-
ben erlaubt, Gewinne durch die Produktion aus "Abfallprodukten"
oder aus "Abfallmaterialien" (Produkte und Materialien werden in
54
Vgl. Wolff (1997), S. 10.
55
Das Arbeitspunktsystem wurde in den 70er Jahren eingeführt und fand anfangs in eini-
gen Provinzen im Norden und später im ganzen Land Anwendung.
56
Vgl. Nguyen (1986), S. 18.

Wirtschaft Vietnams vor der Reform Seite
20
,,Abfälle,, umgewandelt) selbst zu verwenden. Diese Maßnahme hat-
te zum Ziel, den sparsamen Umgang der Betriebe mit Rohstoffen
und Materialien zu stimulieren.
57
Ebenfalls durften die Betriebe einen "Dritten Produktionsplan"
vornehmen, um mehr finanzielle Möglichkeiten zu erhalten. So er-
möglicht dieser Produktionsplan den Betrieben, neben dem staatlich
vorgegebenen, zusätzliche Produktion und die zusätzlichen Produkte
zu den frei verhandelten Preisen zu verkaufen.
58
Allerdings waren die Produktionsmenge und -wert, Produktionsgewinne,
Abführungen an den Staat, Lohnsumme, staatliche Investitionsfonds, zu
liefernde Materialien, Geräte, Waren sowie die Preise der meisten Waren
und Produkte weiterhin vorgegeben. Es wurden zwar einige freie Märkten
für Agrarprodukte erlaubt, aber in sehr begrenztem Umfang. Erzeugte Pro-
dukte wurden weiterhin durch den Staat verteilt.
59
Die Einführung der ,,Stücklohn-" oder Auftragszahlung wirkten sich in
der Landwirtschaft besonders positiv aus. Die individuelleren Verantwort-
lichkeit und Eigeninitiative führten dazu, dass die Reisproduktion von 15
Mio. Tonnen (Jahr: 1981) auf 18,3 Mio. Tonnen (Jahr: 1986) gestiegen ist,
während Vietnam 1976 nur 13,4 Mio. Tonnen Reis geerntet hat.
60
Infolge
der Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen der Betriebe stieg in
der Industrie die Bruttoproduktion (in Preisen) im Jahr 1982 von 73,46 Mrd.
Dong auf 111,75 Mrd. Dong im Jahr 1986.
61
Die Wirtschaftslockerungen in der Landwirtschaft waren jedoch im
Allgemeinen nicht wirkungsvoll, auch wenn die Bauern dadurch wesentlich
motivierter waren. Der Grund lag darin, dass eine volle Entscheidungsfrei-
heit der Bauern über ihre Produktionspläne und über die freie Verwendung
der Produkte nicht möglich war. Dagegen konnten in der Industrie die Ver-
änderungen durchaus als wirkungsvoll betrachtet werden, da die Betriebe
57
Vgl. Le (1993), S. 113.
58
Vgl. Le (1993), S. 113.
59
Vgl. Nguyen (1986), S. 18.
60
Vgl. General Statistical Office (1990), Tabelle 31, S. 37.
61
Vgl. General Statistical Office (1990), Tabelle 56, S. 72.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2009
ISBN (eBook)
9783842805293
Dateigröße
3.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Wirtschaftswissenschaften, Studiengang Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,7
Schlagworte
transformation vietnam reformpolitik marktwirtschaft
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