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Change Management in der öffentlichen Verwaltung

Die Verwaltungsbeschäftigten im Fokus von IT-Veränderungsprozessen

©2010 Magisterarbeit 103 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
I, Einführung:
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich im Allgemeinen mit dem Umgang mit Wandel. Der Fokus liegt dabei auf den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern öffentlicher Verwaltungen. Im Speziellen wird ihre Bedeutung für den Erfolg von Veränderungen, welche durch Entwicklungen im Bereich der Informationstechnik (IT) hervorgerufen werden, betrachtet. Dies stellt insofern eine interessante Thematik dar, da die spezielle Mischung aus ‘Beschäftigten’, ‘IT’ und ‘öffentliche Verwaltung’ in der bisherigen Change Management-Literatur noch eine relativ dünn betrachtete Kombination ist.
Zu Beginn dieses Kapitels werden die Lesenden zunächst zum Thema hingeführt, bevor anschließend das mit dieser Arbeit verfolgte Ziel dargelegt wird. Die Einführung endet schließlich mit einem Überblick über den Aufbau der Arbeit.
1, Hintergrund und Aktualität:
Ob auf Messen für den Öffentlichen Sektor oder in aktuellen Verwaltungszeitschriften, ohne Change Management scheint in der öffentlichen Verwaltung nichts mehr zu gehen. In den letzten Jahren gewann dieser Begriff zunehmend an Bedeutung. Mittlerweile ist er nicht mehr nur in der Privatwirtschaft anzutreffen, sondern hält auch verstärkt im Bereich des Public Managements Einzug. Doch warum dieses neuerlich so starke Interesse am Management von Veränderungen?
Wie der Titel des 2008 erschienenen Buches mit den Briefen von Charles Darwin (1822-1859) treffend lautet, gibt es nichts Beständigeres als den Wandel. Und da Wandel also etwas Alltägliches ist, bedarf es auch der Fähigkeit, angemessen auf diesen reagieren zu können. Dies gilt nicht nur für Individuen, sondern auch für Organisationen.
Doch gerade im Hinblick auf eine immer dynamischer werdende Umwelt und der damit verbundenen stetig steigenden Veränderungsgeschwindigkeit wird der erfolgreiche Umgang mit Veränderungen noch bedeutsamer. Internationalisierung, aber auch die Globalisierung der Märkte führen zu einem verschärften Wettbewerb und damit zu einem höheren Anpassungsdruck von Organisationen. Doch nicht nur die Privatunternehmen müssen sich zunehmend mit Umwelteinflüssen und damit verbundenem Anpassungsdruck beschäftigen. Auch nimmt der Reformdruck auf die öffentliche Verwaltung weiter zu. So hat sich am negativen Image der öffentlichen Verwaltung nicht viel geändert. Sie gilt unter anderem immer noch als wenig fortschrittlich, kundenunfreundlich und allen voran als unwirtschaftlich.
Somit besteht auch für die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

I - Einführung
1 Hintergrund und Aktualität
2 Ziel der Arbeit
3 Aufbau der Arbeit

II - Theoretische Grundlagen
1 Informationstechnik und eGovernment
2 Wandel
2.1 Begriff und Arten des Wandels
2.2 Bedeutung des Wandels für die Verwaltungen
3 Change Management
3.1 Begriff und Konzeptionen von Change Management
3.2 Die Beschäftigten im Mittelpunkt von IT-Veränderungen
3.3 Objekte und Tiefe von Change Management
3.4 Phasen des Change Management

III - Widerstand gegen Veränderungen
1 Widerstand und seine Ursachen
1.1 Auf Ebene der Individuen
1.2 Auf Gruppenebene
1.3 Auf System- oder Organisationsebene
2 Widerstand in Abhängigkeit der IT-Einführungsstrategie
3 Anzeichen für Widerstand
4 Widerstand und die „Rolle“ der Führung
4.1 Widerstand als negatives „Label“
4.2 „Positiver“ Widerstand
4.3 Die Führung als Barriere

IV - Akzeptanz
1 Abgrenzung zu Widerstand
2 Akzeptanzmodell nach Venkatesh et al. (2003)
3 Nutzungsverpflichtung und Akzeptanz
4 Einteilung von Beschäftigten nach ihrer Akzeptanz

V - Die Rolle der Verwaltungskultur
1 Begriff Verwaltungskultur und ihre Entstehung
2 Veränderung der Kultur
2.1 Destabilisierung der Kultur
2.2 Stabilisierung der Kultur
3 Die Bedeutung einer lernförderlichen Verwaltungskultur

VI - Instrumente des Change Management
1 Qualifizierungsmaßnahmen
2 Beteiligung der Betroffenen
3 Kommunikation
4 Anreizsysteme

VII - Zusammenfassung

VIII - Schlussbemerkungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Darst. 1: Kräfteverteilung im Veränderungsprozess

Darst. 2: Die sieben Phasen der Veränderung

Darst. 3: Die Wirkung von Change Management auf die Veränderungsphasen

Darst. 4: Symptome des Widerstands

Darst. 5: Dreifaktorenmodell von Widerstand und Akzeptanz nach Haber (2007)

Darst. 6: Das „UTAUT“ nach Venkatesh et al. (2003)

Darst. 7: Segmentierung von Beschäftigten nach ihrer Akzeptanz

Darst. 8: Ebenen der Organisationskultur nach Schein (1985)

Darst. 9: System-, Organisations- und Kulturwandel im Zeitverlauf

I - Einführung

Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich im Allgemeinen mit dem Umgang mit Wandel. Der Fokus liegt dabei auf den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern öffentlicher Verwaltungen. Im Speziellen wird ihre Bedeutung für den Erfolg von Veränderungen, welche durch Entwicklungen im Bereich der Informationstechnik (IT) hervorgerufen werden, betrachtet. Dies stellt insofern eine interessante Thematik dar, da die spezielle Mischung aus „Beschäftigten“, „IT“ und „öffentliche Verwaltung“ in der bisherigen Change Management-Literatur noch eine relativ dünn betrachtete Kombination ist.

Zu Beginn dieses Kapitels werden die Lesenden zunächst zum Thema hingeführt, bevor anschließend das mit dieser Arbeit verfolgte Ziel dargelegt wird. Die Einführung endet schließlich mit einem Überblick über den Aufbau der Arbeit.

1 Hintergrund und Aktualität

Ob auf Messen für den Öffentlichen Sektor oder in aktuellen Verwaltungszeitschriften, ohne Change Management scheint in der öffentlichen Verwaltung nichts mehr zu gehen. In den letzten Jahren gewann dieser Begriff zunehmend an Bedeutung. Mittlerweile ist er nicht mehr nur in der Privatwirtschaft anzutreffen, sondern hält auch verstärkt im Bereich des Public Managements Einzug. Doch warum dieses neuerlich so starke Interesse am Management von Veränderungen?

Wie der Titel des 2008 erschienenen Buches mit den Briefen von Charles Darwin (1822-1859) treffend lautet, gibt es nichts Beständigeres als den Wandel (Darwin 2008). Und da Wandel also etwas Alltägliches ist, bedarf es auch der Fähigkeit, angemessen auf diesen reagieren zu können (vgl. Atkinson 2005: 15). Dies gilt nicht nur für Individuen, sondern auch für Organisationen.

Doch gerade im Hinblick auf eine immer dynamischer werdende Umwelt und der damit verbundenen stetig steigenden Veränderungsgeschwindigkeit[1] wird der erfolgreiche Umgang mit Veränderungen noch bedeutsamer (vgl. Brücher 2003: 11; Häring 2008: 66). Internationalisierung, aber auch die Globalisierung der Märkte führen zu einem verschärften Wettbewerb und damit zu einem höheren Anpassungsdruck von Organisationen[2] (vgl. Häring 2008: 66). Doch nicht nur die Privatunternehmen müssen sich zunehmend mit Umwelteinflüssen und damit verbundenem Anpassungsdruck beschäftigen. Auch nimmt der Reformdruck auf die öffentliche Verwaltung weiter zu (vgl. Brosch/Weiber 2005: 67). So hat sich am negativen Image der öffentlichen Verwaltung nicht viel geändert. Sie gilt unter anderem immer noch als wenig fortschrittlich, kundenunfreundlich (vgl. Riedel 2006: 128 ff.) und allen voran als unwirtschaftlich (vgl. Riedel 2006: 128 ff.; o.V. 2009; Kudra 2007: 32 f.).

Somit besteht auch für die öffentliche Verwaltung ein Zwang zur Veränderung. Innovative Lösungen sind hier in gleicher Weise gefragt wie in der Privatwirtschaft. Damit verbunden ist die nicht erst seit kurzem erhobene Forderung nach dem Einsatz betriebswirtschaftlicher Konzepte im Bereich des öffentlichen Sektors (vgl. o. V. 2009; Kückelhaus 1999: 5 ff.). So hielten insbesondere seit Anfang der 90er Jahre, mit dem von der KGSt aus dem New Public Management abgeleiteten Neuen Steuerungsmodell, zahlreiche betriebswirtschaftliche Instrumente verstärkt Einzug in die öffentliche Verwaltung. Dazu gehören unter anderem Doppelte Buchführung, Marketing, Controlling sowie Qualitätsmanagement (Plag 2007: 1 f. m. w. N.; vgl. Speier-Werner 2006: 7).

Doch ist es der technisch induzierte Wandel, der immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der rasante Fortschritt im Bereich der Informationstechnik und deren verstärkte Verbreitung und Nutzung erfordert eine ständige Anpassungsfähigkeit der Verwaltungen und der darin tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vgl. Brosch/Weiber 2005: 69, 93)[3]. Die Realisierung des vor zehn Jahren aufkommenden Themas Electronic Government (eGovernment) stellt die Verwaltungen vor eine enorme Herausforderung und wird dies auch noch einige Zeit tun. Denn dass in Deutschland noch Nachholbedarf bei der Einführung von eGovernment besteht, zeigt die aktuelle Studie von Capgemini (2009), wo Deutschland auf den 15. Rang von 31 untersuchten Ländern bei vollständig elektronisch verfügbaren Diensten und auf Platz 12 bei der Verfügbarkeit von Online-Diensten zurückfiel (Capgemini 2009). Mit der im Jahre 2006 beschlossenen EG-Dienstleistungsrichtlinie wurde die Umsetzung von eGovernment – zumindest auf dem Gebiet der unternehmensbezogenen eGovernment-Dienstleistungen – forciert. Auch wenn die Umsetzungsfrist bereits Ende 2009 auslief, so haben die Verwaltungen, wie aus einer Studie von MATERNA und der Hochschule Harz hervorgeht, noch einen weiten Weg vor sich (MATERNA/Hochschule Harz 2010). Die Realisierung der EG-Dienstleistungsrichtlinie und allgemein von „eGovernment“ stellt enorme Anforderungen an die Verwaltungen dar. So kommt eGovernment einem fundamentalen Wandel gleich und steht förmlich für ein neues Paradigma des Verwaltungshandelns (Plag 2007: 2 m. w. N.; Thomé 2003: 4).

Doch gelten gerade Reformen in der öffentlichen Verwaltung als schwer durchführbar. Aufgrund ernüchternder Erfahrungen werden Verwaltungen sogar teilweise als reformresistent dargestellt (vgl. Plag 2007: 2; Speier-Werner 2006: 7; Brunner-Salten 2003: 41 f.). Dabei wird doch eine Vielzahl von erfolgreich erscheinenden Strategien und Konzepten erarbeitet, wofür sogar hohe Summen an Beratungsunternehmen gezahlt werden (vgl. Schneider et al. 2007: 205). Doch warum bleiben dennoch zahlreiche Reformen erfolglos und was heißt überhaupt „erfolgreich“?

In aller Regel wird Erfolg an den gesetzten (Projektmanagement-)Zielen (z. B. veranschlagter Zeitrahmen, Budget und geplanter Umfang des Wandels) gemessen. Doch werden diese nicht immer wie gewünscht erreicht. Im schlimmsten Fall werden Reformprozesse während der Umsetzung oder bereits im Vorfeld abgebrochen, sodass sie sprichwörtlich scheitern. Doch ist Erfolg nicht nur an den kurzfristigen, im Vorhinein der Veränderung geplanten Projektmanagement-Zielen zu messen[4], sondern auch an langfristigen. Denn selbst wenn ein Veränderungsprojekt auf den ersten Blick erfolgreich durchgeführt wurde, kann sich im Nachhinein herausstellen, dass es dies tatsächlich überhaupt nicht oder nur teilweise der Fall war. Veränderungen können sogar im Nachhinein wieder rückgängig gemacht werden. Ebenfalls zu bedenkende, langfristige Ziele sind beispielsweise eine verbesserte Leistungsfähigkeit, die Zufriedenheit mit der eingeführten IT und die Akzeptanz dieser (vgl. Püttgen/Roe 2005: 148 f. m. w. N.). Diese drei eben genannten Ziele führen zu den Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung. So bleiben viele Reformen im öffentlichen Bereich erfolglos, da das Personal die Veränderungen nicht mitträgt (vgl. Thomé 2003: 4 f.). Gerade bei den im Rahmen von eGovernment und der Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie durchgeführten IT-Projekten wird über auftretende Widerstände seitens der Beschäftigten geklagt. Somit wird deutlich, dass es langfristig vor allem ihrer Akzeptanz (Hagen 2002; Püttgen/Roe 2005: 148 f. m. w. N.) und Nutzung der IT bedarf (Hagen 2002). Von der Leistungsfähigkeit der IT kann nur profitiert werden, wenn sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in ihrer täglichen Arbeit einsetzen. Daraus wird deutlich, dass sie bei Einführung und Veränderung von Informationstechnik von hoher Bedeutung sind.

2 Ziel der Arbeit

In der vorliegenden Arbeit wird deshalb auf die Rolle der Verwaltungsbeschäftigten für den Erfolg von IT-Veränderungsprozessen im Rahmen von eGovernment genauer eingegangen. Es geht somit nicht darum, wie IT selbst in Zukunft professioneller eingeführt werden kann. Vielmehr soll aufgezeigt werden, dass technische Veränderungen nur erfolgreich sein können, wenn auch die späteren Anwenderinnen und Anwender – hier die Beschäftigten der Verwaltung – die Veränderungen mittragen. Ziel ist es daher, die Bedeutung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter bei IT-Veränderungen herauszuarbeiten.

Doch ist gerade in diesem Zusammenhang häufig von „Widerständen“ die Rede, welche Veränderungen erschweren oder verhindern. Deshalb möchte der Verfasser den Lesenden ein besseres Verständnis über dieses Phänomen geben. Weiterhin soll ihnen die Arbeit Impulse zur möglichen Handhabung und Prävention liefern. Doch dazu bedarf es zunächst genauerer Kenntnisse über Widerstände. Hierbei stellt sich die Frage, ob diese nur auf die Beschäftigten selbst zurückzuführen sind oder auch organisatorisch bedingt sein können. Dies wird für diese Arbeit angenommen.

Doch um Anregungen darüber zu geben, wie die Beschäftigten zur Unterstützung der Veränderung bewegt werden können, reicht eine reine Betrachtung von Widerstand nicht aus. In dieser Arbeit soll daher auch aufgezeigt werden, dass es gleichzeitig ihrer Akzeptanz bedarf.

Wenn davon ausgegangen wird, dass fundamentale IT-Veränderungen stark veränderte Verwaltungsabläufe mit sich bringen und somit einen Paradigmenwechsel für die Verwaltung und deren Beschäftigte bedeuten, dann müssen sich diese ebenfalls verändern. Die Akzeptanz des neuen Paradigmas und das Handeln im Sinne der neuen Abläufe durch den Einsatz von IT erfordern nicht nur neue Verhaltensweisen, sondern auch eine neue Einstellung. Wenn sich Einstellungen und Verhaltensmuster von Beschäftigen nicht nur in der Kultur der Verwaltung niederschlagen, sondern auch umgekehrt, ihr Verhalten wiederum durch die Kultur geprägt wird, dann kann diese ebenfalls eine Barriere des Wandels sein. Stellt sie einen „Wegweiser“ für das Verhalten der Beschäftigten dar, dann bedarf es zur erfolgreichen Umsetzung von IT in der öffentlichen Verwaltung nicht nur einer Veränderung der Beschäftigten, sondern auch der Verwaltungskultur. Somit geht die vorliegende Arbeit von der These aus, dass erfolgreiche IT-Umsetzungen eine kulturelle Einbettung erfordern, d. h., dass die für den Einsatz von IT notwendigen Einstellungen und Verhaltensweisen in der Verwaltungskultur verankert sein müssen. Dies soll in dieser Arbeit untersucht werden.

3 Aufbau der Arbeit

Im Wesentlichen gliedert sich diese Arbeit in fünf Bereiche. Im Kapitel „II - Theoretische Grundlagen“ erfolgt zunächst eine Einführung in den Begriff der IT und deren Relevanz für die öffentliche Verwaltung. Anschließend wird im zweiten Abschnitt auf den Begriff des Wandels und dessen Bedeutung für die Verwaltungen näher eingegangen. Gegenstand des dritten Abschnittes stellt das Change Management dar. Den Inhalt bildet nicht nur der Begriff selbst. Es wird zudem ein Zusammenhang zu IT und den Verwaltungsbeschäftigten hergestellt.

Das dritte Kapitel widmet sich ausführlich dem Thema Widerstände im Rahmen von IT-Veränderungsprozessen. Dazu wird zunächst geklärt, was unter Widerstand zu verstehen ist und welche Ursachen es für dieses Phänomen gibt. Zudem soll der Frage nachgegangen werden, wie Widerstände zu erkennen sind. Inwieweit die Führung der Verwaltung zur Entstehung von Widerständen beiträgt, wird ebenfalls in diesem Kapitel beleuchtet.

Nach Abhandlung des Themas Widerstand widmet sich der Autor dieser Arbeit schließlich im vierten Kapitel dem Konstrukt der Akzeptanz. Dabei wird Akzeptanz zunächst dem Widerstandsbegriff gegenübergestellt. Anschließend folgt die Vorstellung und ausführliche Diskussion eines Akzeptanzmodells. Ebenfalls erfolgt in diesem Kapitel eine Unterteilung der Beschäftigten im Hinblick auf ihre potenzielle Unterstützung des Wandels.

Inhalt des fünften Kapitels bildet die Kultur der Verwaltung. Dabei wird vor allem die Rolle dieser für den Erfolg von Veränderungsprozessen beleuchtet. Daraufhin wird die Möglichkeit zur Veränderung der Kultur ausführlich thematisiert und zudem ein Zusammenhang zwischen Veränderung und Lernen hergestellt. Im Anschluss an das Thema der Kultur folgt im sechsten Kapitel eine nähere Vorstellung von (Kern‑)Instrumenten, welche für den Erfolg von Change Management bedeutend sind.

Im siebten Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassend dargestellt. Die Arbeit endet mit dem achten Kapitel. Darin resümiert der Verfasser noch einmal das Thema. Hierbei sollen abschließend die Grenzen des Change Management dargelegt werden.

II - Theoretische Grundlagen

Einführend in diese Arbeit werden die Grundlagen für das Management von IT-Veränderungen gelegt. Der Abschnitt beginnt mit Ausführungen zum IT-Begriff und dem Einsatz im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Anschließend folgt eine Annäherung an das Change Management, indem zunächst der Wandel im Allgemeinen beleuchtet wird. Im Mittelpunkt des dritten Abschnitts steht schließlich das Change Management selbst. Dabei wird die Bedeutung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen von Veränderungen herausgearbeitet. Wie breit und tief die Auswirkungen durch Einführung bzw. Veränderung von IT für die Verwaltung sind, soll ebenfalls in diesem Kapitel beleuchtet werden.

1 Informationstechnik und eGovernment

Unter Informationstechnik (engl. Information Technology) sind nach dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik „alle technischen Mittel zur Verarbeitung oder Übertragung von Informationen“ (§ 2 Abs. 1 BSI-Gesetz – BSIG) zu verstehen. Etwas präziser wird der Begriff, wenn das Verständnis nach Holzinger (2002) zugrunde gelegt wird. Da nach diesem Autor die IT aus den Bereichen der Elektrotechnik, der Elektronik und der Nachrichtentechnik hervorging, fasst er hauptsächlich den Bereich der Hardware unter den Begriff. Nach Holzinger stellt die IT die Basis für die Informatik dar. Diese Disziplin ging dagegen aus der Mathematik hervor und umfasst eher den Bereich der Software. Soft- und Hardware zusammen bilden wiederum die Grundlage für Anwendungen wie dem Internet. Holzinger macht jedoch darauf aufmerksam, dass sich die verschiedenen Begrifflichkeiten immer mehr annähern, weshalb auch die Trennschärfe zwischen ihnen gering ist. So ist mittlerweile auch beim Zusammenwachsen von Informationstechnik, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik von der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) die Rede (Holzinger 2002: 21). Eine etwas umfangreichere Definition bietet Datacom (Hrsg., 2008). Danach wird unter Informationstechnik ebenso der technische Umgang mit Informationen verstanden und steht dabei auch für die elektronische Informations- und Datenverarbeitung. Somit wird IT als eine Technologie (Hard- und Software) aufgefasst, mit welcher Informationen und Daten erfasst, gespeichert, verarbeitet und ausgegeben werden. Dabei ist Informationstechnik nicht nur eng mit der elektronischen Datenverarbeitung verbunden, sondern unter anderem auch mit der Computer-, Netzwerk- und Kommunikationstechnik sowie Telekommunikation (Datacom 2008). Dem Verständnis von Datacom (Hrsg.) wird sich in dieser Arbeit angeschlossen. Somit wird unter IT nicht nur Hard-, sondern auch Software zur Erfassung, Speicherung und Verarbeitung von Daten und Informationen verstanden (vgl. auch Hansen/Neumann 2005: 9). Als IT-Veränderungsprozess ist hierbei nicht nur die Ablösung bereits bestehender IT durch neue, sondern auch die erstmalige Einführung zu verstehen.[5]

Wenn über IT in der öffentlichen Verwaltung gesprochen wird, dann stößt man auf den Begriff eGovernment (vgl. Becker et al. 2007: 20; Hoch et al. 2005: 27). Dieser „steht für Verwaltungsmodernisierung mit informationstechnischer Unterstützung“ (Becker et al. 2007: 20). Daraus lässt sich ableiten, dass Informationstechnik die Grundlage zur Umsetzung von eGovernment darstellt (vgl. Bachkönig/Janisch o. J.: 5; Brosch/Weiber 2005: 68). Stember sieht eGovernment „als Dachbegriff für unterschiedlichste technologische Einsatzprofile [Fettdruck im Original] […]“ (Stember 2005: 12). Aus diesen Ausführungen kann zunächst festgehalten werden, dass es sich um einen neudeutschen Begriff für den Einsatz von Informationstechnik in der Verwaltung handelt (Wind 2006: 4). Etwas umfassender ist die Definition von der Gesellschaft für Informatik. Demnach handelt es sich um „die Durchführung von Prozessen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Politik, Staat und Verwaltung unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik“ (Fachausschuss Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik 2000: 3). Lucke/Reinermann (2002) verstehen darunter „die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien“ (Lucke/Reinermann 2002: 1). Dabei werden nicht nur die Beziehungen der Verwaltung zu ihren Kunden wie Bürgerinnen und Bürger (engl. Government to Citizen; G2C) und Unternehmen (engl. Government to Business; G2B), sondern auch zwischen den Verwaltungen selbst erfasst (engl. Government to Government; G2G) (vgl. Scheer et al. 2003: 28)[6].

In der vollständig über das Internet[7] möglichen Abwicklung aller Verwaltungsverfahren liegt die Vision von eGovernment (Lucke/Reinermann 2002: 1; Beckert/Georgieff et al. 2004: 34). Vollständig meint dabei zum Beispiel auch die elektronische Aushändigung von Bescheiden sowie unter anderem auch die elektronische Bezahlung der Verwaltungsgebühren (vgl. Beckert/Georgieff et al. 2004: 34). Diese Form ist aber noch dahin gehend steigerbar, dass diese Transaktionen auch behördenübergreifend unabhängig der Zuständigkeit geschehen. Hierbei wird auch von der sog. Service-Integration gesprochen (vgl. Göbel/Stember 2008: 96). Die Erfüllung der EG-Dienstleistungsrichtlinie setzt eben eine solche Vernetzung aller Behörden untereinander bei Angelegenheiten bezüglich der Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit voraus. Wobei hier sogar noch die Abwicklung über eine einheitliche Stelle (einem sog. Einheitlichen Ansprechpartner) vorgeschrieben ist. Darüber haben die Unternehmerinnen und Unternehmer i. S. eines One-Stop-Shops die Gelegenheit, alle ihre Angelegenheiten abzuwickeln. Doch auch wenn vielleicht die eGovernment-Realisierung von einigen Verwaltungsmitarbeiterinnen und ‑mitarbeitern als lästige Aufgabe empfunden wird, so versprechen sich Befürwortende eine Vielzahl von Vorteilen. Ein solcher ist die Chance zur Automatisierung der bislang manuell durchgeführten Verwaltungsvorgänge (Prozesse). Gleichzeitig ermöglicht die Einführung bzw. Veränderung von IT-Systemen, Schwachstellen in der Organisation aufzudecken. Werden die Verfahren anschließend optimiert, so ist eine enorme Beschleunigung dieser möglich. Mit dem Einsatz von eGovernment werden somit Effizienz- und Effektivitätsgewinne (vgl. Mütter/Feldmüller 2008: 119; Kudra 2007: 33 f. m. w. N.) und damit verbunden, Kosteneinsparungen erwartet (vgl. Kudra 2007: 33 f. m. w. N.). Gerade im Hinblick auf die stetig steigenden Staatsausgaben und der anwachsenden Verschuldung stellt der letztgenannte Punkt einen immer bedeutender werdenden Aspekt dar. Allerdings ist es problematisch, wenn aufgrund geringerer Haushaltsbudgets auch die Mittel für die IT gekürzt werden. Denn genau dies ist der falsche Weg. Vielmehr gilt es, mithilfe des Einsatzes von IT und nicht durch deren Verzicht Kosten einzusparen (Stember 2005: 14). Zum Beispiel bietet die Implementierung von Dokumentenmanagement- und Vorgangsbearbeitungssystemen enormes Potenzial. Doch verlangt die Realisierung elektronischer Akten und die digitale Bearbeitung aller Verwaltungsvorgänge eine immense Neugestaltung der Geschäftsabläufe. Im Vergleich zur bisherigen, immer noch hauptsächlich auf Papier basierten Verwaltungstätigkeit, kommt die Veränderung hin zur vollständig elektronischen Arbeitsweise einem Umbruch in der Verwaltungspraxis gleich (vgl. Kubath 2009: 51). Um eine solche Herausforderung[8] bewerkstelligen zu können, ist deshalb ein professioneller Umgang mit solchen Veränderungen vonnöten.

2 Wandel

Nachfolgend werden den Lesenden zunächst der Begriff und mögliche Arten von Wandel aufgezeigt, bevor im zweiten Unterabschnitt auf die Bedeutung von Wandel für die öffentliche Verwaltung eingegangen wird.

2.1 Begriff und Arten des Wandels

Die in dieser Arbeit bislang verwendeten Begriffe „Wandel“ und „Veränderung“ stellen mögliche Übersetzungen des englischen Ausdrucks „change“ dar, welche im Folgenden aufgrund ihrer Neutralität als Synonyme bevorzugt werden (Plag 2007: 7 m. w. N.).[9] Auch wenn der Begriff der „Veränderung“ ein im Alltag viel verwendeter darstellt und die Basis für das Change Management bildet, so findet sich in der entsprechenden Literatur kaum eine Definition. So kann lediglich auf Seidenschwarz (2003) verwiesen werden, welcher darunter allgemein und kurz den Übergang von einem jetzigen in einen zukünftigen Zustand versteht (Seidenschwarz 2003: 16).

Dabei kann ein Übergang in verschiedenen Formen erfolgen. Einerseits kann Wandel in geplanter, aber auch in ungeplanter Form stattfinden. Eine geplante Veränderung liegt vor, wenn sie gezielt durch bewusstes Handeln erfolgt. Ungeplanter Wandel verläuft hingegen ohne Absicht und unerwartet (vgl. Staehle 1999: 899 ff.; Krüger 2009b: 23). Somit kann diese Form auch als passiver Wandel aufgeführt werden. Für diese Arbeit ist allerdings der geplante Wandel und damit die aktive Form von Interesse, da hier bewusst unter Einsatz von Change Management IT-Veränderungen durchgeführt werden sollen.

Neben „geplant“ und „ungeplant“ kann auch eine Unterscheidung in proaktiven bzw. antizipativen und reaktiven Wandel erfolgen. Proaktiv bedeutet frühes und vorausschauendes Handeln. Die Verwaltung wird also nicht zu einem Wandel gedrängt, sondern leitet freiwillig eine Veränderung ein. Im Gegensatz dazu bedeutet reaktiv abwartendes und zögerndes Verhalten und stellt damit eine Antwort auf andere Veränderungen dar (vgl. Krüger 2009b: 25 ff.). Am Beispiel von IT handelt die Verwaltung idealerweise proaktiv, wenn sie sich die IT frühzeitig zunutze macht und diese gewissermaßen auf die Erfordernisse der Verwaltung „zuschneidet“. Reaktiv wäre, wenn die technischen Entwicklungen Vorreiter sind und die Verwaltung zu einer Anpassung bewegen bzw. zwingen (vgl. Brosch/Weiber 2005: 72).

Neben den bereits genannten Formen ist darüber hinaus eine Einteilung hinsichtlich der Radikalität möglich. Diese ergibt sich aus der Intensität (Tiefe) und dem Ausmaß (Breite) sowie der Geschwindigkeit einer Veränderung (vgl. Reiß 1997a: 18 f.). Hinsichtlich der Tiefe kann nach Levy/Merry (1986: 9) in graduellen Wandel (auch häufig Wandel erster Ordnung genannt) und radikalen Wandel (auch als Wandel zweiter Ordnung bekannt) unterschieden werden. Die erstgenannte Form ist kaum gravierend und umfasst Anpassungsmaßnahmen von geringer Intensität. Dieser Wandel beschränkt sich hinsichtlich des Ausmaßes meist nur auf einzelne Teile einer Organisation. Beim radikalen Wandel handelt es sich demgegenüber um eine geplante Veränderung in tief greifender Form. Hier erfahren die Organisationen grundlegende und einschneidende Veränderungen. Es herrscht also eine hohe Differenz zwischen angestrebtem Zustand und der Realität, also dem Status quo. Vom radikalen Wandel sind meist die gesamte Organisation (z. B. Technologieveränderung in der gesamten Verwaltung) oder zumindest wesentliche Kernbereiche der Verwaltung betroffen. Diese Form der Veränderung kommt somit einem Umbruch gleich, weshalb sie auch transformativer Wandel genannt wird. In diesem Zusammenhang ist hier häufig von der sog. Organisationstransformation die Rede (vgl. Staehle 1999: 900 f.; Plag 2007: 9 f.). Plag macht darauf aufmerksam, dass in der Praxis eine Einteilung konkreter Fälle in diese beiden Arten nicht immer möglich ist. Sie können jedoch zumindest als Extrempole eines Kontinuums gesehen werden (Plag 2007: 10).

In Hinblick auf die Veränderungsgeschwindigkeit können Veränderungen in evolutionärer oder in revolutionärer Form stattfinden. Ob die Art des Wandels eher evolutionär, also eher in kleinen Schritten i. S. einer Organisationsentwicklung oder revolutionär (konsequenter Wandel im Ganzen) erfolgen sollte, ist von vielerlei Faktoren wie zum Beispiel von Ressourcen abhängig (Brunner-Salten 2003: 172 f.). Je weniger von der Ressource Zeit zur Verfügung steht, desto radikaler muss der Wandel vollzogen werden. Dies zeigt die Abhängigkeit zwischen den Kategorien Radikalität und Geschwindigkeit. Strategisch länger andauernde Vorgänge ermöglichen einen allmählichen Übergang vom Alten zum Neuen (Brosch/Weiber 2005: 75). Allerdings sollten auch diese Arten als Punkte eines Kontinuums gesehen werden, sodass es dazwischen weitere Varianten gibt (vgl. Cacaci 2006: 142).

Nach den bisherigen Ausführungen dieses Abschnitts sind nun verschiedene Arten von Wandel bekannt. Doch ob letztendlich in einer spezifischen Situation von Wandel gesprochen werden kann oder nicht und welche Form von Wandel vorliegt, unterliegt letztendlich der subjektiven Wahrnehmung eines einzelnen Individuums. Objektiv ist ein Wandel erst dann, wenn ein interpersonelles einheitliches Verständnis auf Basis derselben Kriterien vorliegt (vgl. Reiß 1997a: 13).

2.2 Bedeutung des Wandels für die Verwaltungen

Vielleicht stellt sich den Lesenden die Frage, ob der Umgang mit Wandel in öffentlichen Verwaltungen überhaupt so bedeutend ist – schließlich unterstehen doch öffentliche Dienstleistungen nur einem eingeschränkten oder keinem Markt und unterliegen folglich auch keiner Konkurrenz. Aufgrund des fehlenden Wettbewerbsdrucks müssen die Verwaltungen auch nicht um ihre Existenz fürchten (vgl. Kudra 2007: 1 m. w. N.; Meijer/Zouridis 2004: 565 ff.; Brunner-Salten 2003: 43 f.). Im Gegensatz dazu werden aufgrund der Konkurrenz von Teilnehmenden eines Marktes in der Privatwirtschaft langfristig nur diejenigen erfolgreich sein, die den Umweltanforderungen entsprechen oder fähig sind, sich diesen anzupassen. Dies erfordert einen professionellen Umgang mit Veränderungen, um frühzeitig und angemessen auf Umweltereignisse reagieren zu können (vgl. Kudra 2007: 1 m. w. N.; o. V. 2009; Speier-Werner 2006: 7). Die Ziele der Gewinnmaximierung und das langfristige Bestehen am Markt erzeugen dabei bei Privatunternehmen eine intrinsische Motivation zum Wandel (vgl. Nolte 2008: 96 f.). Der öffentlichen Verwaltung hingegen mangelt es weitgehend an innerem Veränderungsdruck (vgl. Nolte 2008: 104). Selbst ineffizientes Arbeiten und unwirksame Problemlösungen lassen sie dauerhaft bestehen. Seibel spricht in diesem Zusammenhang auch vom erfolgreichen Scheitern von Organisationen des Dritten Sektors (Seibel 1994). Vor diesem Hintergrund braucht die Verwaltung also selbst keine Veränderung.

Meist sind es deshalb die externen Umweltfaktoren, welche die treibende Kraft zur Veränderung darstellen (vgl. Häring 2008: 66), was insbesondere auf die öffentliche Verwaltung zu trifft (vgl. Nolte 2008: 104). Der Änderungsdruck öffentlicher Verwaltungen entsteht also nicht vorwiegend von innen heraus, sondern wird vielmehr zu einem Großteil in der Außenwelt der Verwaltung, insbesondere in Politik (z. B. EG-Dienstleistungsrichtlinie) und der Öffentlichkeit (z. B. erhöhte Anforderungen der Verwaltungskunden an die Verwaltung durch eBusiness im privaten Bereich) produziert (vgl. Nolte 2008: 96 f.). Hinzu kommt, dass trotz fehlendem Existenzrisiko auch die Verwaltungen in Konkurrenz zueinander stehen. Gerade die stetig steigenden Ansprüche, die (Un-)Zufriedenheit sowie die zunehmende Mobilität der Verwaltungskundschaft können ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage im internationalen Standortwettbewerb um Unternehmen sein (vgl. Brunner-Salten 2003: 43 f.). Gerade der Bereich der IT wird zunehmend, auch für die öffentliche Verwaltung, zu einem entscheidenden Standortfaktor (Kudra 2007: 32 m. w. N.).[10]

Wie die Ausführungen zeigen, unterliegen die Verwaltungen ebenfalls einem Veränderungsdruck. Nach Klimecki et al. (1994) ist das Nicht-Gerechtwerden des öffentlichen Auftrages ebenfalls als Versagen – wenn auch nicht als klassisches Marktversagen – zu werten (vgl. Klimecki et al. 1994: 9 f.). Unter dem Gesichtspunkt der Gemeinwohlorientierung ist es Aufgabe der Verwaltung, sich zum Wohle der Allgemeinheit zu verändern. Dies bedeutet, auch die Steuergelder sinnvoll und wirtschaftlich einzusetzen. Deshalb stehen öffentliche Verwaltungen besonders unter Beobachtung. Und gerade wenn Veränderungen von außen gefordert und aufgezwungen sind,[11] also nicht von innen heraus als notwendig gesehen werden, dann scheint der Umgang mit Veränderungen und das professionelle Management dieser bei Verwaltungen bedeutungsvoller, als in der Privatwirtschaft zu sein.[12] Zudem verändern sich die Verwaltungen selbst bei Druck aus der externen Umwelt nicht immer wie gefordert. So ist nach Nolte (2008) der äußere Druck nicht immer ausreichend genug, um interne Veränderungen auszulösen (vgl. Nolte 2008: 104).

3 Change Management

Wie aus dem vorherigen Unterabschnitt hervorging, ist das Management des Wandels im Bereich der öffentlichen Verwaltung mindestens ebenso bedeutsam wie bei privaten Unternehmen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob der Umgang mit Wandel in der Verwaltung wegen zahlreicher Besonderheiten auch anders zu betreiben ist. Nach Ansicht des Psychologen und Change Management-Beraters Berner (2009) gelten die Change Management-Grundsätze des privaten Bereichs im Wesentlichen auch für die öffentliche Verwaltung. Er ist der Ansicht, dass trotz aller Unterschiede zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft die Gemeinsamkeiten bei der Durchführung überwiegen (Berner 2009: o. S.). Damit soll den Lesenden von Beginn an verdeutlicht werden, warum die Ausführungen dieser Arbeit zum Change Management sehr allgemein verfasst sind. Wo es dennoch Besonderheiten bei Anwendung in der Verwaltung zu beachten gilt, wird an entsprechender Stelle darauf hingewiesen.

Was nun genau unter Change Management zu verstehen ist, soll im ersten Unterabschnitt ausführlich betrachtet werden. Im Anschluss daran wird die Rolle der Beschäftigten bei der Umsetzung von IT-Veränderungen verdeutlicht. Im Weiteren soll zudem das Gestaltungsfeld des Change Management ausgeleuchtet werden und ferner eine Einordnung von IT-induzierten Wandlungsprozessen in dieses erfolgen. Zum Ende geht der Autor auf den Verlauf von Veränderungen näher ein.

3.1 Begriff und Konzeptionen von Change Management

Die Suche nach einer geeigneten Definition zu diesem Begriff endet schnell in Ernüchterung. So existiert, wie auch bei Capgemini (Hrsg., (2005) deutlich wird, kein allgemeingültiges Begriffsverständnis (vgl. Capgemini 2005: 15 ff.). Weitgehende Einigkeit besteht jedoch zumindest darin, dass Change Management mit Veränderungsmanagement übersetzt werden kann. Für dessen Einsatz im öffentlichen Sektor wird von einigen Autoren der englische Begriff „Public Change Management“ verwendet (Speier-Werner 2006; Brunner-Salten 2003).

Kamiske/Brauer (2008) verbinden mit Change Management einen „Prozess der Planung und Realisierung von tief greifenden Veränderungen in Organisationen“ (Kamiske/Brauer 2008: 19). Ähnlich ist die Definition von Al-Ani/Gattermeyer (2001), auch wenn sie Change Management nicht auf fundamentale Wandlungsprozesse beschränken. Die Autoren verstehen unter dem Begriff „alle Maßnahmen […], die zur Initiierung und Umsetzung von neuen Strategien, Strukturen, Systemen und Verhaltensweisen notwendig sind [Kursiv im Original]“ (Al-Ani/Gattermeyer 2001: 14). Aus diesen beiden Definitionen geht verallgemeinernd hervor, dass sich Change Management auf alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Handhabung von Veränderungen jeglicher Art in Organisationen bezieht.[13] Diesem Verständnis schließt sich die Erklärung von Doppler/Lauterburg (2008) an. Demnach handelt es sich bei Change Management um einen in der Umgangssprache verwendeten modernen Sammelbegriff für alle, Veränderungen betreffenden Angelegenheiten in Organisationen (Doppler/Lauterburg 2008: 100).

Wie einige Autoren verdeutlichen, ist Change Management nicht als ein einmaliges Projekt anzusehen. Denn vielmehr müssen Organisationen permanent in der Lage sein, Veränderungen zu betreiben (Kraus et al. 2006: 19 f.; Bachert/Vahs 2007: 284 ff.). Somit ist das Management der Veränderungen im Gegensatz zum temporären Projektmanagement als eine stetige Aufgabe zu fassen, die es dauerhaft zu institutionalisieren gilt (vgl. Kraus et al. 2006: 20; Krüger 2009b: 12 f.).

Die Aufgabe von Change Management wird dabei durch sog. Change Agents (auch: Veränderungsmanagerinnen bzw. -manager, Change Manager) übernommen. Diese steuern und begleiten Veränderungsprozesse bis der Wandel stabilisiert ist (Kirsch et al. 1979: 279; Brunner-Salten 2003: 157). Nach Mohr (1997) können Change Agents in einem engeren und einem weiteren Sinn verstanden werden. Nach der weiteren Auffassung werden im Laufe der Veränderung alle Betroffenen des Wandels zu Change Agents, da sie alle eine Veränderungsrolle einnehmen und damit am Wandel beteiligt sind. Im Folgenden ist jedoch bei der Verwendung des Begriffs „Change Agent“ immer vom engeren Sinne die Rede. Demnach werden diese Personen als Beratende des Wandels (die verwaltungsinterner oder externer Natur sein können) verstanden (Bodenburg 2005: 12; Bochmann 2002: 4 ff.).[14]

Doch ist Change Management nicht, wie vielleicht vermutet, als eigener Ansatz aufzufassen (Doppler/Lauterburg 2008: 100). Vielmehr speist sich das Management des Wandels aus diversen Konzepten zur Gestaltung und Steuerung von Veränderungen. Deshalb kann der Begriff als ein übergeordneter Rahmen professionellen Veränderungsmanagements aufgefasst werden. Es handelt sich somit nicht um ein alleiniges Managementkonzept, sondern es umfasst mehrere völlig verschiedene Konzepte zum Umgang mit Veränderungen in Organisationen (vgl. Kraus et al. 2006: 14 f.; Schridde 2004: 10).

Wie in Abschnitt „2.2 Bedeutung des Wandels für die Verwaltungen“ dieses Kapitel deutlich wurde, kann in verschiedene Ausprägungen von Wandel unterteilt werden. Aus diesem Grund haben sich auch diverse Konzepte hinsichtlich des Umgangs mit Veränderungen entwickelt (vgl. Brosch/Weiber 2005: 77 f.). Generell können Ansätze auf einem Kontinuum zwischen radikalen (Business Reengineering) und evolutionären (Organisationsentwicklung) Formen unterschieden werden (vgl. Thom 1998: 4 ff.)[15]. Evolutionäre Konzepte beteiligen die Verwaltungsbeschäftigten am Veränderungsprozess, während der Grad der Partizipation in Richtung der radikalen Formen zugunsten der Verwaltungsführung abnimmt (vgl. Thom 1998: 4). Weiterhin existieren neben revolutionären und evolutionären Modellen auch reaktive und proaktive Ansätze. Ziel von reaktiven Modellen (z. B. Turnaround-Management[16] ) ist es, ein veränderungsfreundliches Umfeld in der Organisation aufgrund bereits vorliegender Probleme aus der Umwelt zu schaffen und Krisen zu meistern.[17] Bei proaktiven Konzepten (z. B. Innovationsmanagement) sollen hingegen mögliche Veränderungen bereits im Vorfeld erkannt werden, um rechtzeitig zu agieren und so Krisen zu vermeiden oder zumindest zu mildern (Brücher et al. 2003: 11).

Trotz der Vielzahl an Veränderungskonzepten gibt es bislang keines, welches auch den Ansprüchen von eGovernment genügt. So ist nach Thomé (2003) eGovernment einerseits eher im Rahmen evolutionärer Ansätze zu realisieren. Dies liegt daran, dass die Einführung digitaler Verwaltungsprozesse ein eher langfristiger Prozess ist. eGovernment wird nicht nur von derzeit aktuellen (u. a. technischen) Entwicklungen beeinflusst, sondern auch von zukünftigen. Das Leistungspotenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft (Thomé 2003: 6). Gleichzeitig bedarf es für Change Management im eGovernment auch reaktives Handeln. Denn die Realisierung von eGovernment als Strategie hat bereits begonnen. Zudem ist die Realisierung in einigen Bereichen sogar vorgeschrieben (wie durch die EG-Dienstleistungsrichtlinie). Andererseits reicht in Bezug auf Widerstände ein vorbeugendes Handeln nicht mehr aus. So hat die Verwaltung bereits jetzt mit Widerständen und Akzeptanzproblemen bei der Einführung zu kämpfen. Proaktive Ansätze sind daneben ebenso gefragt, da es nicht nur darum gehen sollte, auf Veränderungen und bereits bestehende Widerstände zu reagieren. So verbreitet sich eGovernment häufig nur durch „Abkupfern“ von anderen Verwaltungen. Haben beispielsweise eine Vielzahl von Verwaltungen die elektronische Vergabe (eVergabe) eingeführt, so stehen die anderen quasi in Zugzwang. Vielmehr sollte es jedoch auch darum gehen, Vorreiter beim eGovernment zu sein. Darüber hinaus gilt es, die Verwaltung nicht nur einzelfallbezogen, sondern auch allgemein veränderungsfähig zu machen. Denn dies wird sich wiederum günstig auf die Akzeptanz von spezifischen Veränderungen auswirken.

Aus diesen Ausführungen wurde deutlich, dass bei eGovernment mehrere Formen des Wandels und damit verschiedene bisherige Veränderungskonzepte angesprochen sind. Wie einige Autoren darauf hinweisen, sind extreme Formen der einzelnen Konzepte eher weniger geeignet für die öffentliche Verwaltung. Thom/Ritz (2006) sehen zum Beispiel, dass radikale Modelle in der öffentlichen Verwaltung schwieriger anzuwenden sind. Als einen Grund nennen sie allgemein starre Rahmenbedingungen (wie der Vielzahl an rechtlichen Vorgaben). Zudem sei die sehr autoritäre Führung bei radikalen Konzepten bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unerwünscht (Thom/Ritz 2006: 94). Nach Brücher et al. (2003) eignen sich neben revolutionären (radikalen) Formen auch extreme Ausprägungen des reaktiven und proaktiven Wandels weniger für die öffentliche Verwaltung. Sie begründen dies ebenfalls mit starren Strukturen sowie mit vielen Hierarchieebenen und damit verbundenen langen Entscheidungswegen. Dadurch werden zügige, aber auch antizipierte Veränderungen sowie Reaktionen auf Krisen erschwert. Daraus folgt, dass eher der evolutionäre Ansatz in Erwägung zu ziehen ist (Brücher et al. 2003: 11). Jedoch ist auch eine Beschränkung hierauf nicht zielführend. Denn allgemein kann es nicht – wie teilweise proklamiert – ein richtiges Konzept für den Wandel geben. Denn alle Konzepte weisen Vor- und Nachteile auf. Aufgrund der Heterogenität von Organisationen, aber auch wegen der nicht vollständigen Vorhersehbarkeit von Veränderungen sind Vorgehensweise und Instrumente nicht generalisierbar (Cacaci 2006: 41 f.; Brücher et al. 2003: 11; Bachkönig/Janisch: 3 f. m. w. N.). Deshalb ist je nach Situation auf verschiedene Ansätze zurückzugreifen. Somit ist die Wahl eher in Abhängigkeit von Kriterien, wie beispielsweise dem jeweiligen Erfordernis des Wandels sowie der Bereitschaft zur Veränderung zu wählen (vgl. Schridde 2004: 10; Kraus et al. 2006: 21). In der Praxis kann es eher sinnvoll sein, die unter den Begriff des Change Management fassenden Konzepte miteinander zu kombinieren (vgl. Bachkönig/Janisch: 3 f. m. w. N.; Brücher et al. 2003: 11; Schridde 2004: 52), da sie sich untereinander ergänzen können. Gleichzeitig müssen die Konzepte allerdings nicht überschneidungsfrei sein, weshalb eine vollständige Trennung zwischen den Konzepten nicht immer möglich ist. Jedoch ist auch darüber hinaus zu beachten, dass Widersprüche zwischen den Ansätzen anzutreffen sind (Kraus et al. 2006: 14 f.; vgl. Reiß 1997a: 12 f.).

Wie mehrere Autoren anmerken, unterliegen auch Veränderungskonzepte gewissen Trends (vgl. Thom 1998: 4 ff.; Bachkönig/Janisch: 3 f. m. w. N.; Cacaci 2006: 41 f.; Reiß 1997b: 89 f.). Für Veränderungen selbst gilt dies allerdings nicht. Denn Wandel gibt es immer – und diese Tatsache unterstützt die ganzheitliche Betrachtungsweise des Change Management (vgl. Bachkönig/Janisch: 3 f. m. w. N.). Nach diesem weit gefassten, quasi universellen Verständnis, sind nun jegliche Veränderungen unter ein- und demselben Oberbegriff möglich (vgl. Bungard 2005: 28), welcher weitestgehend unabhängig von modischen Managementkonzepten ist.

Noch einmal auf den Punkt gebracht, wird Change Management in dieser Arbeit als ein übergeordneter Rahmen, der alle Aktivitäten zum Umgang mit Veränderungen in Organisationen umfasst, gesehen. Auf was sich diese Tätigkeiten beziehen können, soll in den nächsten beiden Abschnitten auf den Grund gegangen werden.

3.2 Die Beschäftigten im Mittelpunkt von IT-Veränderungen

Allgemein betrachtet gibt es in einer Organisation nichts, was nicht verändert werden könnte. Somit kann auch das Change Management an verschiedenen Punkten ansetzen. Was die Themenstellung dieser Arbeit anbelangt, so stellt zunächst die IT ein naheliegender Hebel dar. Doch greift eine alleinige Veränderung der IT zu kurz, um die angestrebten Vorteile zu erzielen. Denn insbesondere technische Veränderungen im Rahmen von eGovernment wirken sich auch auf andere Dimensionen aus, sodass eine rein technische Betrachtung hierbei nicht ausreicht. So dürfen die anderen Faktoren ebenfalls nicht vernachlässigt werden (vgl. Scheer et al. 2003: 13; Hahlen 2007: 15; Thomé 2003: 4; Böske 2006: o. S.). Nach dem sozio-technischen Ansatz sind Organisationen sozio-technische Systeme, wobei unter das technische Subsystem die IT-Infrastruktur und die dazu notwendigen Arbeitstechniken, welche zur Nutzung notwendig sind, fallen. Zum sozialen Subsystem zählen die Verwaltungsbeschäftigten und deren Einstellungen und Handlungsweisen (Engel 2008: 23). Da zwischen den Subsystemen abhängige Beziehungen herrschen, sind die soziale und die technische Komponente gleichzeitig zu optimieren. Doch ist es nicht die Technologie, welche den Ausgangspunkt von Veränderungsprozessen darstellt (Mütter/Feldmüller 2008: 122 f.). Vielmehr gilt es, vor Optimierung des technischen Subsystems zunächst das soziale anzupassen (vgl. Staehle 1999: 684 f.), wozu eben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen. Nicht nur für die Realisierung von eGovernment sind sie von hohem Stellenwert. So werden sie in der Literatur allgemein sogar als der zentrale Punkt der Change Management-Tätigkeit angesehen (Zaugg 2003: 9 f.; Böske 2006, o. S.; Brunner-Salten 2003: 44, 222). Diese Ansicht unterstreicht die Meinung vom Vorrang des Personals vor dem Einsatz von Technik. Denn im Gegensatz zu „hochrationalisierten Produktionsbetrieben“ wird die Leistung in der öffentlichen Verwaltung vorwiegend durch sie und nicht durch Maschinen erbracht (Althoff/Thielepape 2000: 101). Doch obwohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mittelpunkt der Veränderung stehen sollten, werden sie in der Praxis häufig zu wenig berücksichtigt. Nach Hofmann (2009) sind viele Misserfolge auf diesen Fehler zurückführbar (Hofmann 2009: 24). Dabei sind sie für den Ausgang des Wandels von zentraler Bedeutung, da sie diejenigen sind, welche jegliche Veränderungen durchführen und deshalb mittragen müssen (Böske 2006: o. S.; Brunner-Salten 2003: 44; vgl. Kudra 2007: 4; Atkinson 2005: 14 ff.). Ohne deren Unterstützung kann die Verwaltung das Potenzial der IT auch nicht nutzen. Voraussetzung ist also die Akzeptanz und die Anwendung der IT durch die Beschäftigten (vgl. Kohnke et al. 2005: 110; Brosch/Weiber 2005: 73; Böske 2006: o. S.). Somit wird deutlich, dass die Beschäftigten die für den Erfolg letztendlich entscheidende Größe darstellen (vgl. Thomé 2003: 4; Fernis 2006: 1; Häring 2008: 68). Rüttiger/Hüllen (2008) sprechen im Zusammenhang mit Fokus auf den Beschäftigten von ‚Human Change Management‘, wobei es hier „um die umfassende Betrachtung aller nicht direkt IT-bezogenen erfolgskritischen Faktoren rund um die beteiligten Menschen in den Veränderungsprozessen“ geht (Rüttiger/Hüllen 2008: 7).[18]

In diesem Abschnitt wurde aufgezeigt, dass IT-Veränderungen nur erfolgreich sein können, wenn die späteren Anwendenden dieser auch ausreichend berücksichtigt werden. Neben der bereits angesprochenen Technik und den Beschäftigten gibt es auch noch weitere Objekte, die von Veränderungen betroffen sein können.

3.3 Objekte und Tiefe von Change Management

Auch wenn Change Management generell an allen Kontextfaktoren ansetzen kann, so gibt es in der Literatur einige, als wesentlich erachtete Veränderungsobjekte, die häufig genannt werden oder sich stark ähneln. Im Folgenden soll auf Brosch/Weiber (2005) eingegangen werden, die sich an Krüger (1994: 358 ff.)[19] orientieren. Die Besonderheit der Einteilung Krügers liegt darin, dass die Stellschrauben der Veränderung zugleich hinsichtlich ihrer Tiefe geordnet wurden. Krüger unterscheidet in Restrukturierung, Reorientierung, Revitalisierung und Remodellierung. Diesen vier Ebenen fügen Brosch/Weiber (2005) die der Rehabitualisierung hinzu. Nachfolgend sollen diese eben genannten Tiefenebenen näher betrachtet und auf IT-Veränderungen bezogen werden.

Bei der Rehabitualisierung geht es zunächst um die Einführung neuer IT-Anwendungen, neuer technischer Geräte, der Einführung neuer Software usw., die eher unproblematisch und weniger tief greifend verlaufen. Dennoch können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Kenntnisse nicht ohne Weiteres übertragen und müssen sich neu einarbeiten. Mit der Umgewöhnung geht unter anderem Stress und Mühe einher, sodass es vielfach zur Abwehrhaltung kommt (vgl. Brosch/Weiber 2005: 76 f.). Mit zunehmendem Umsetzungsgrad von eGovernment nehmen auch die Anforderungen an die Beschäftigten zu (vgl. Göbel/Stember 2008: 97 f.). Dadurch ist von deren Seite auch mit höheren Widerständen zu rechnen.

Mit der Einführung von IT-Verfahren können auch organisatorische Veränderungen notwendig werden. Die Ebene der Restrukturierung betrifft dabei die Umgestaltung von Strukturen, Prozessen und Systemen (vgl. Brosch/Weiber 2005: 76 f.). Bei der Prozessgestaltung ist darauf zu achten, dass eGovernment über eine reine Digitalisierung der bisherigen Prozesse hinaus geht. Es geht nicht darum, innovative IT-Systeme über die früher (vor der Digitalisierung) zwar „optimalen“, aber mittlerweile meist nicht mehr zeitgemäßen Prozesse überzustülpen, sondern die Chance zur Verbesserung und Neugestaltung zu ergreifen (vgl. Scheer et al. 2003: 13; Hahlen 2007: 15). Anschließend gilt es, auf Grundlage der neu modellierten Prozesse die Organisationsstrukturen anzupassen (vgl. Meijer/Zouridis 2004: 565 ff.). Nach Becker et al. (2007) hat die Organisation[20] Vorrang vor dem Einsatz der Technik. Da die IT lediglich als Unterstützung der Organisation dient, sind zunächst auch erst die Prozesse zu optimieren (vgl. Becker et al. 2007: 24). Allerdings wird diese Reihenfolge nicht immer von den Entscheidenden erkannt. So sieht Lenk (o. J.) eGovernment häufig als „technikgetrieben“ an. Zudem kritisiert Bungard (2005) diesbezüglich die Vorstellung, dass alle Veränderungen nach der Technik auszurichten sind (Bungard 2005: 22). Nach der bisherigen Darstellung setzen IT-Veränderungen jedoch eine vorherige Veränderung der Organisation voraus. Im Gegenzug bedeutet dies aber auch, dass eine Veränderung der Organisation zwangsläufig Auswirkungen auf die bestehende IT und die davon unterstützten Prozesse zur Folge hat, sodass hierfür wiederum Anpassungen nötig sind (vgl. Mütter/Feldmüller 2008: 122). Damit können also Restrukturierungen umgekehrt auch neue IT-Systeme erfordern (vgl. Brosch/Weiber 2005: 76 f.). Diese Ausführungen verdeutlichen, dass IT und Organisation in einem engen Verhältnis stehen und aufgrund ihrer Abhängigkeit nicht voneinander losgelöst verändert werden können.[21]

Die dritte Tiefenebene stellt die Reorientierung dar, welche Anpassungen der aktuell verfolgten strategischen Ausrichtung zum Inhalt hat (vgl. Brosch/Weiber 2005: 76 f.). Ein Beispiel für eine neue Positionierung in Bezug auf eGovernment können zum Beispiel Kooperationen (z. B. Public-Private-Partnerships oder Shared-Service-Center) sein, die einer wirtschaftlicheren Aufgabenerfüllung dienen.

Die nächste Ebene (Revitalisierung) betrifft nicht mehr vordergründig nur technische oder organisatorische, sondern auch Änderungen hinsichtlich des Verhaltens der Verwaltungsbeschäftigten. Letzteres auf Dauer zu verändern, stellt auch wegen der Widerstände, eine viel größere Herausforderung dar. Der Umgang mit neuer IT kann zwar relativ leicht und kurzfristig erlernt werden, jedoch geht es bei der Revitalisierung um mehr. So betrifft diese Ebene die Aneignung sozialer Kompetenzen und die Veränderung von Verhaltensweisen (vgl. Brosch/Weiber 2005: 77.). Krüger (2009) nennt neben den persönlichen Fähigkeiten ausdrücklich das Führungs- und Kooperationsverhalten in Organisationen (wie in Hinblick auf Partizipation) (Krüger 2009c: 57). Wie schon erwähnt, erfordert die Umstellung von Papier- auf digitale Akten und die gesamte Online-Verfahrensabwicklung durch die Einführung elektronischer Dokumentenmanagement- und Vorgangsbearbeitungssysteme eine große Umstellung der Arbeitsweise aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Mit den Verhaltensweisen der Beschäftigten ist auch die Dimension der Kultur eng verknüpft, welche es zur Realisierung von eGovernment ebenfalls anzupassen bzw. zu modernisieren gilt (Collm/Schedler 2008: 61; vgl. Meijer/Zouridis 2004: 565 ff.; o. V. 2010). Bei der tiefsten aller Ebenen, der Remodellierung, geht es um die Veränderung der in der Organisationskultur verankerten Werte, Überzeugungen und Einstellungen (vgl. Brosch/Weiber 2005: 76 f.). Da im fünften Kapitel eine ausführliche Betrachtung der Kultur folgt, wird hierauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen.

Insgesamt wird aus der Darstellung der eben betrachteten Ebenen deutlich, welche tief greifende Veränderung eGovernment darstellt. Die Realisierung elektronischer Verwaltungsverfahren erfordert nicht nur eine gleichzeitige Anpassung von Strukturen und Prozessen, sondern auch des Verhaltens der Beschäftigten. Darüber hinaus ist die Kultur der Verwaltung ebenfalls vom Wandel betroffen. Somit erfordert es nicht nur neuer Verhaltensweisen, sondern auch einer Veränderung auf Ebene der Einstellungen. Damit kann bei eGovernment zu recht von einem neuen Paradigma gesprochen werden. Dies lässt erahnen, welch hohe Anforderungen an die Verantwortlichen der Umsetzung gestellt werden. Um nun eine solche Aufgabe professionell meistern zu können, bedarf es zunächst grundlegender Kenntnisse über den typischen Verlauf von Veränderungen. Im nächsten Abschnitt werden den Lesenden deshalb die Phasen eines solchen Prozesses beschrieben.

3.4 Phasen des Change Management

Als Ausgangspunkt des heutigen Change Management wird häufig Kurt Lewin gesehen. Er machte sich unter anderem Gedanken zu den Phasen von Veränderungen und prägte mit seinen Forschungen die Organisationsentwicklung, aus der sich später das Change Management herauskristallisierte (vgl. dazu im Einzelnen z. B. Plag 2007: 38 ff.).

Nach Lewin (1947) sind in jeder Situation des Wandels sowohl drängende (akzelerierende) als auch behindernde (retardierende) Kräfte anzutreffen. Sind die Summen beider Kräfte gleich groß, so befindet sich eine Organisation im Gleichgewicht. Voraussetzung zur Veränderung des Status quo ist, dass ein Übergewicht der akzelerierenden Kräfte vorliegt. Andernfalls würde ein Wandel behindert oder verhindert werden, was häufig auch als Widerstand bezeichnet wird. Doch sind selbst sehr starke akzelerierende Kräfte nicht immer als positiv zu werten. Denn ein zu dauerhafter Instabilität führendes Übergewicht würde eine Organisation ständig in Bewegung halten. Um jedoch auf Dauer überlebensfähig zu sein, streben Systeme nach der Wiederherstellung eines Gleichgewichtszustands (Staehle 1999: 591 f.). Dieses Phänomen ist auch als Homöostase bekannt, wonach Systeme bei Änderungen von Systembestandteilen mit Änderungen anderer Teile reagieren, um wieder eine Stabilität herzustellen (Landau 2007: 25).

Um nun ein System verändern zu können, muss zunächst der Status quo aus dem Gleichgewicht geraten. Dies kann mittels dreier Möglichkeiten geschehen. Zum einen können die akzelerierenden Kräfte verstärkt werden. Allerdings ist zu bedenken, dass ein Übergehen der am Status quo festhaltenden Kräfte nicht zielführend ist, wie an anderer Stelle in dieser Arbeit noch deutlich wird. Besser sei es hingegen, die retardierenden Kräfte vorübergehend zu verringern. Gerade das Veränderungsmanagement setzt vor allem an diesem Punkt an, indem häufig versucht wird, Widerstände auszuräumen bzw. zu verhindern. Die dritte Möglichkeit ist, zu versuchen, die hemmenden Kräfte positiv zu nutzen, indem die Energie dieser bewusst in eine positive umgelenkt wird (Staehle 1999: 591 f.).

Auf Grundlage der sog. Kräftefeld-Analyse kann nun nach Lewin (1947) das Veränderungsmanagement in drei Phasen eingeteilt werden: „Unfreezing“ (Auftauen), „Moving“ (Verändern) und „Refreezing“ (Einfrieren). In der ersten Phase wird zunächst die Starre des Systems aufgehoben und die Bereitschaft zur Veränderung hergestellt. Dabei werden durch Destabilisierung eingefahrene Handlungsweisen und Wertvorstellungen auf den Prüfstand gestellt und letztendlich neue vorgezogen. Im zweiten Schritt folgt die Übernahme der neuen Handlungen und Werte, die sich dann in der dritten Phase stabilisieren. Ziel ist es, einen Rückfall in die alten Verhaltensmuster zu verhindern (Plag 2007: 17). Um einen Wandlungsprozess voranzutreiben, ist es notwendig, Widerstände und andere Hindernisse zu überwinden. Zur Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung des anvisierten neuen Zustands müssen die treibenden Kräfte daher vorübergehend größer als die verhindernden Kräfte sein (vgl. Witte 1973: 14 ff.). In der nachfolgenden Abbildung ist nun die Organisationsleistung im Verlauf der Veränderung unter Berücksichtigung der Verteilung der Kräfte dargestellt. Die Länge der Pfeile gibt dabei die Stärke der jeweiligen Kräfte an. Wie erkennbar ist, fällt die Leistung zunächst nach dem Auftauen etwas ab, bevor sie dann wieder zunimmt und sich schließlich auf einem im Vergleich zum Ausgangszustand höheren Niveau einpendelt.

Darst. 1: Kräfteverteilung im Veränderungsprozess

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Staehle (1999: 592), modifiziert um die drei Phasen Lewins.

Da die Dreiteilung von Veränderungsprozessen in Phasen nach Lewin allerdings relativ grob ist und eine Abgrenzung in der Praxis nicht immer möglich ist, wurden eine Reihe weiterer Phasenmodelle entwickelt.[22] Eine häufig anzutreffende Modifikation ist die sog. Veränderungskurve, welcher eine Einteilung in sieben Phasen zu Grund liegt (vgl. hier und im Folgenden Fatzer 1993, entn. aus Fatzer 1999a: 33; Schmidt-Tanger 1994: 9 ff.; Kraus et al. 2006: 116 ff.). Die nachfolgende Darstellung soll zunächst einen Überblick über die Phasen geben.

Darst. 2: Die sieben Phasen der Veränderung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fatzer (1993), modifiziert um die Phasen nach Lewin.

Den ersten Abschnitt bildet die sog. Schockphase (auch Überraschung). Hierbei erfolgt eine Konfrontation der Betroffenen mit der Veränderung. Nach Bekanntwerden des Wandels sind sie zunächst verwirrt. Dies kann auf den Unterschied zwischen den Erwartungen und der anzutreffenden Realität zurückgeführt werden. Da die eigene Kompetenz deshalb geringer beurteilt wird, fällt die Kurve auch ein wenig ab. Wie aus der Darstellung entnehmbar, steigt daraufhin die Kurve wieder leicht an und zwar über das Ausgangsniveau. In der sog. Verneinungsphase wird der Wandel als riskant oder als negativ beurteilt. Dies führt zu einem überhöhten Sicherheitsgefühl. Zur Verneinung kann es kommen, wenn sich die mit dem Wandel konfrontierten Personen selbst nicht vom Wandel betroffen sehen oder meinen, dass sich im Vergleich zur bisherigen Situation nichts verändern wird oder aber auch, dass der alte Zustand in Kürze wieder herstellbar sei. Deshalb ist auch wieder ein Ansteigen der wahrgenommenen Kompetenz zu verzeichnen. In der dritten Phase kommt es zur rationalen Einsicht. Dabei wird von den Beschäftigten das allgemeine Erfordernis des Wandels erkannt. Allerdings herrscht Verunsicherung, da die Betroffenen nicht wissen, welche Auswirkungen der Wandel konkret mit sich bringt. Durch die mit dem Wandel einhergehende Unsicherheit kommt es zu einem weiteren Absinken der wahrgenommenen Kompetenz. Der Tiefpunkt dieser wird in der Phase der emotionalen Akzeptanz erreicht. Dass nun auch die eigene Person betroffen ist und der Status quo nicht aufrecht erhalten werden kann, bringt negative Emotionen wie Resignation, Trauer und Frustration mit sich. Die Betroffenen finden sich mit dem Wandel ab und lösen sich nun von den bisherigen Gewohnheiten. In der fünften Phase kommen die Betroffenen erstmals mit der neuen IT in Berührung. Indem sie diese ausprobieren, steigt die wahrgenommene Kompetenz wieder an, sofern sich herausstellt, dass die Veränderung doch nicht so schwer wie gedacht ist. Durch Experimentieren und der Suche nach neuen angebrachten Verhaltensweisen kommt es zu Erfolgen und Misserfolgen, was die kleineren Auf- und Abwärtsbewegungen der Kurve verdeutlichen. Die letzten beiden Phasen bilden die Erkenntnis und die Integration. Hier wird erkannt, wieso bestimmte Verhaltensweisen zum Erfolg führen und andere nicht. Durch zunehmende Erfahrung steigt schließlich das Vertrauen in das neue IT-System. Zeigt sich durch häufige und nun leichter fallende Nutzung des Systems eine Vereinfachung und Verbesserung der täglichen Arbeit, steigt die wahrgenommene Kompetenz über den Wert zu Beginn der Veränderung an. Im Laufe der Zeit kommt es zur Integration, was bedeutet, dass sich die erfolgreichen Verhaltensweisen stabilisieren und damit quasi zur Gewohnheit werden.

Allgemein wird aus den Abwärtsbewegungen der Veränderungskurve ersichtlich, dass Veränderungen mit negativen[23] Emotionen einhergehen, welche wiederum zu Widerständen führen können. Bungard (2005) bemerkt, dass insbesondere in den ersten drei Phasen (Schock, Verneinung, Rationale Akzeptanz) mit erheblichen Widerständen der Betroffenen zu rechnen ist. Es sei deshalb hilfreich, zu erkennen, in welcher Phase sich die Betroffenen befinden (Bungard 2005: 27). Würde der Start des neuen IT-Systems beispielsweise in der Phase der Ablehnung (Verneinung) erfolgen, so mangelt es an der rationalen Einsicht des Wandels. Der Grund des Widerstands liegt darin, dass die Betroffenen noch „mit sich selbst beschäftigt“ sind und deren Aufmerksamkeit sich auf Unsicherheiten verbunden mit einer Vielzahl offener Fragen richtet. Sie sollten sich deshalb beim Systemstart in der emotionalen Akzeptanzphase befinden. Erst wenn sie das Erfordernis des Wandels verstanden und akzeptiert haben, sind sie in der Lage sich uneingeschränkt mit den Neuerungen und deren Bewältigung zu befassen (Rüttiger/Hüllen 2008: 5 f.).

Für die Verantwortlichen des Wandels besteht allgemein gefasst die Aufgabe darin, die Betroffenen so schnell wie möglich durch die verschiedenen Phasen zu führen (Bungard 2005: 27). Hier kommt dem Change Management eine besondere Bedeutung zu. Bezug nehmend auf Cacaci (2006) besteht der Unterschied von einem durch Change Management begleiteten Wandel zu einem, ohne solche Begleitung, darin, dass bei ersterem mit einer gewissen Professionalität zu Werke gegangen wird (vgl. Cacaci 2006: 39). Somit kann ein Management des Wandels dazu beitragen, dass diese eben beschriebenen Phasen zum Beispiel aufgrund einer möglicherweise höheren Mitarbeiterzufriedenheit sowie -motivation schneller durchlaufen werden. Auch werden schnellere Lernerfolge erwartet, sodass die Widerstände geringer als bei Veränderungen ohne Change Management ausfallen. Wegen der Zeitersparnis verläuft die Kurve damit kürzer (siehe Delta t) und aufgrund der höheren wahrgenommenen Kompetenz zugleich oberhalb der Ursprungskurve (siehe Delta K). Da Kompetenz und Leistung in einem engen Zusammenhang stehen, kann höhere Kompetenz auch zu einer höheren Leistung führen. Wenn dem so ist, ist davon auszugehen, dass Veränderungsmanagement zu einem geringeren Leistungsverlust und zugleich zu einem erhöhten -gewinn im Vergleich zur ursprünglich wahrgenommenen Leistung führt (vgl. Rüttiger/Hüllen 2008: 6). Die nachfolgende Darstellung veranschaulicht noch einmal diese erwarteten Effekte.

Darst. 3: Die Wirkung von Change Management auf die Veränderungsphasen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schwarz/Cokbudak (2007: 51).

Im Allgemeinen gilt es, nach der Annahme von Phasenmodellen, alle Stadien zu durchlaufen. Allerdings ist es auch denkbar, dass Betroffene „stecken bleiben“ oder in eine Phase zurückfallen, die bereits absolviert wurde.[24] Zudem laufen die eben kurz beschriebenen Phasen individuell unterschiedlich ab (vgl. Schmidt-Tanger 1994: 9 ff.; Kraus et al. 2006: 116 ff.). Beispielsweise durchschreiten einige Beschäftigte die Phasen schneller als andere. Der Verlauf ist jedoch nicht nur von der jeweiligen Persönlichkeit, sondern auch vom Wandel selbst abhängig. So sind nach Brücher et al. (2003) Veränderungsprozesse regelmäßig einzigartig (Brücher et al. 2003: 12), weshalb die Verläufe auch nicht jedes Mal gleich sein müssen. Zudem ist bei Anwendung der oben dargestellten Kurve zu bedenken, dass Individuen (aber auch Gruppen und Organisationen) gleichzeitig mehreren Veränderungen ausgesetzt sind. Demnach befinden sie sich auch je nach Kontext auf einem unterschiedlichen Level (vgl. Plag 2007: 406 f.; Streich 1997: 240).

Allgemein gehen Phasenmodelle auf Basis von Lewin davon aus, dass es einen Wechsel zwischen Veränderung und Stabilität gibt. Demnach ist es Aufgabe einen bestehenden Gleichgewichtszustand aufzuheben und ein Gleichgewicht auf höherer Ebene anzustreben. Doch gibt es eine Reihe von Autoren, welche die Gleichgewichtsvorstellung kritisieren. Diese Vorstellung sei mit einer dynamischen Sicht des Wandels nicht vereinbar (Nolte 2008: 103; Schreyögg/Noss 2000: 33 ff.). So nimmt beispielsweise Krüger (2009) in der Realität keine länger andauernde Statik (abgesehen von kleineren Veränderungen) wahr, die ab und zu durch Transformationsphasen unterbrochen wird. Vielmehr befinden sich Organisationen in einem dauerhaften Veränderungszustand (vgl. Krüger 2009b: 24). Auch wenn die Realität anders aussehen mag, so weist Zaugg (2003) darauf hin, dass das ständige und tief greifende Reformieren von Organisationen nicht förderlich ist. Nur durch gewisse Ruhephasen können Veränderungen langfristig und kontinuierlich sichergestellt werden (Zaugg 2003: 8).

Dem Kritikpunkt, dass sich Organisationen ständig verändern und so gesehen, es keine Ruhephasen gibt, stimmt der Autor dieser Arbeit zu. Dies gilt jedoch nur insofern die Organisation mitsamt aller ablaufenden Veränderungen zusammen betrachtet wird. Liegt jedoch der Bezugspunkt nicht auf alle Veränderungen im Allgemeinen, sondern auf jeweils spezifischen Veränderungen, so kann es doch Gleichgewichte geben. Dass es immer Wandel gibt ist unstrittig, allerdings gilt es zu bedenken, dass er immer an anderen Stellen stattfindet. Nach einem Beispiel von Plag (2007) folgt nach erfolgreicher Einführung einer neuen Software eine Phase der Stabilität und zwar so lang, bis sie durch eine neue Software ersetzt wird oder die bisherige ein Update erfährt (vgl. Plag 2007: 24). Auch wenn eine alleinige Umstellung einer Software nicht unbedingt als fundamental zu betrachten ist, so kann diese Sichtweise auch auf solche Beispiele übertragen werden. So wird die Doppik derzeitig auch erst nach langer Stabilität der Kameralistik eingeführt. Auch wird es nach Einführung der Doppik sicher wieder eine längere Gleichgewichtsphase geben, bis wieder in diesem Bereich ein fundamentaler Wandel erfolgt. Im Zuge dieser Arbeit wird Wandel immer im Einzelfall betrachtet, sodass auch von einem zwischenzeitlichen Gleichgewicht ausgegangen wird.

Auch wenn die drei vorgestellten Phasen nach Lewin als sehr einfach und modellhaft erscheinen, so bestechen sie doch gerade durch ihre Einfachheit. Dadurch wird der grundlegende Mechanismus sehr gut sichtbar. Aus diesem Grund soll auch im Laufe der Arbeit noch einmal darauf zurückgekommen werden.

Zusammenfassend wurde den Lesenden in diesem Abschnitt aufgezeigt, dass es immer Kräfte gibt, die für oder gegen den Wandel sind. Wird nun ein Wandel angestrebt, so sind die hemmenden Kräfte wegen ihres Widerstandspotenzials zu verringern. Dabei ist gerade zu Veränderungsbeginn mit hohen Widerständen zu rechnen. Erst nach deren Abklingen kann mit der tatsächlichen Umsetzung und damit der Einführung der IT begonnen werden. Doch passiert dies nicht automatisch. Vielmehr gilt es darauf extern einzuwirken. Wer also etwas verändern will, muss sich auch mit dem Thema des Widerstands beschäftigen. Was nun genau Widerstände sind und warum sie auftreten, damit wird sich das nächste Kapitel befassen.

III - Widerstand gegen Veränderungen

Der Umgang mit Widerstand wird als relevant für den Erfolg von Wandlungsprozessen gesehen. Deshalb ist dieser Begriff bei Veränderungen aufseiten der Verantwortlichen in aller Munde. Obwohl dies bekannt sei, so kritisiert Haber (2007), befasse sich die Forschung eher mit der Akzeptanz als mit dem Widerstand (vgl. Haber 2007: 1 f.). Eine reine Betrachtung der Akzeptanz ist allerdings nicht ausreichend. So weist Königstorfer (2008) darauf hin, dass es nicht nur die Akzeptanzfaktoren, sondern auch die der Widerstände zu betrachten gilt (vgl. Königstorfer 2008: 227). Deshalb werden in dieser Arbeit Widerstände ausführlich betrachtet. Zudem wird sich in einem gesonderten Kapitel auch der Akzeptanz gewidmet.

Wann spricht man nun genau von Widerstand und warum tritt er auf? Dies sind die Fragen, mit welchen sich der erste Abschnitt dieses Kapitels beschäftigt. Daraufhin folgt eine Betrachtung von IT-Einführungsstrategien unter dem Gesichtspunkt der Ausprägung von Widerstand. Welche Symptome auf Widerstände hinweisen, wird Gegenstand des dritten Abschnitts sein. Schließlich endet das Kapitel mit einer Betrachtung der Führung und deren Rolle beim Entstehen von Widerstand.

1 Widerstand und seine Ursachen

Dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zentraler Bedeutung für den Ausgang von Veränderungen sind, wurde bereits erwähnt. Allgemein bei Wandel und somit auch im Speziellen bei der Einführung von IT-Systemen oder anderer neuer Technologien reagieren die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig reserviert oder verängstigt. Nicht selten ist in diesem Zusammenhang vom Mensch als „Gewohnheitstier“ die Rede, welcher Veränderungen kritisch gegenübersteht. Dabei sind Widerstände in Organisationen im Rahmen von Veränderungen nichts Ungewöhnliches. Sie gelten auch in der Literatur, vor allem bei grundlegenden Veränderungen als natürlich (Thom/Ritz 2008: 95; vgl. Häring 2008: 79; Atkinson 2005: 15). Doch was genau ist unter Widerstand zu verstehen?

Wie Haber (2007) aufzeigt, existiert kein einheitliches Verständnis über den Begriff des Widerstands (auch als Resistenz bezeichnet). So gibt es Autoren, die in Widerstand lediglich ein Verhalten sehen. Andere Autoren fassen nicht nur ein bestimmtes Verhalten, sondern auch gleichzeitig eine negative Einstellung als Widerstand auf. Zudem wird Widerstand auch als Einstellung, Intention und Verhalten gesehen (Haber 2007: 17).[25] Haber favorisiert die letztere Ansicht, sodass nach ihm „Resistenz […] grundsätzlich als eine negative Einstellung (Einstellungsebene) gegenüber einer Innovation sowie der Verhaltensintention, diese Innovation nicht zu kaufen bzw. zu nutzen (intentionale Ebene), verstanden (passive Resistenz)“ wird (Haber 2007: 58). Nach Haber beinhaltet Widerstand neben Einstellung und Handlungsintention außerdem noch eine Verhaltensebene. So kann sich Resistenz also auch in aktivem Verhalten, wie beispielsweise in Beschwerden äußern (Haber 2007: 58). Diese Definition wird dieser Arbeit zugrunde gelegt.

Nach Piderit (2000) setzt sich Einstellung aus einer emotionalen, einer kognitiven und einer intentionalen Ebene zusammen (Piderit 2000: 418 ff.). Da in dieser Arbeit Intention gesondert von Einstellung betrachtet wird, werden unter Widerstand auf Einstellungsebene sowohl gefühlsmäßig ausgelöste negative Reaktionen als auch negative Kognitionen umfasst. Letztere betreffen Gedanken (bzw. Vorstellungen oder Meinungen) gegenüber der Veränderung auf Basis wahrgenommener Informationen. Die Intention hingegen beschreibt die Verhaltenstendenzen und drückt sich bei Widerstand durch eine beabsichtigte Nichtunterstützung des Wandels aus. Auf Ebene des tatsächlichen Verhaltens wird die gegen den Wandel gerichtete Reaktion umgesetzt, sodass von aktivem Widerstand gesprochen werden kann. Nach Cacaci (2006) wird mit dem Verhalten darauf abgezielt, den Wandel zu blockieren und damit den Status quo aufrecht zu erhalten (vgl. Cacaci 2006: 46).

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[1] Pirker (2007) spricht auch von expotenziellem Wandel, d. h. es findet zunehmend mehr Wandel pro Zeit statt. Damit nimmt die Steigung immer weiter zu (vgl. Pirker 2007: 24).

[2] „Organisation“ wird in dieser Arbeit, sofern nicht anders gekennzeichnet oder sich aus dem Sinnzusammenhang anders ergibt, als institutioneller Begriff verstanden. Demnach ist eine öffentliche Verwaltung eine auf Dauer angelegte Organisation. Diese besteht aus Individuen und Gruppen, die bestimmte individuelle oder kollektive Ziele anstreben (vgl. Plag 2007: 8 f.).

[3] Unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (oder synonym: Beschäftigte) werden im Rahmen dieser Arbeit alle weisungsgebundenen Personen in der Verwaltung verstanden. Dazu zählen einerseits Beschäftigte der Sachbearbeiterebene als auch solche der mittleren Führungsebene. Hiervon abgegrenzt wird die Ebene der Verwaltungsführung, welche für die Initiierung und Koordination der Veränderungen verantwortlich ist.

[4] Anmerkung: Eine reine Beurteilung des Erfolges an den Zielen birgt Gefahren. Gerade Projektmanagement-Ziele können undurchdacht sein oder einfach unreflektiert von anderen (Projekten) übernommen werden. Zudem besteht eine gewisse Unsicherheit in der Zukunft, sodass nicht alle Entwicklungen vorhersehbar sind.

[5] Hansen/Neumann (2005) zählen als IT-Veränderung auch die Ablösung bereits bestehender IT-unterstützter Prozesse durch optimierte Prozesse ohne eine Ablösung der IT selbst (Hansen/Neumann 2005: 9). In dieser Arbeit wird IT-Veränderung jedoch immer im Zusammenhang mit einer tatsächlichen Veränderung der IT aufgefasst. Dafür spricht auch, dass einer IT-Einführung i. d. R. eine Prozessoptimierung voraus- bzw. mit ihr einhergehen sollte.

[6] Lucke/Reinermann (2002) unterteilen außerdem noch in die Schnittstelle von Verwaltung zu Non-Profit/Non-Government Organisationen (NGO) (vgl. Lucke/Reinermann 2002: 1).

[7] In Bezug auf die Abwicklung der Verwaltungsangelegenheiten über das Internet soll noch einmal kurz das IT-Verständnis nach Holzinger (2002) aufgegriffen werden. Wie erwähnt, versteht er unter IT hauptsächlich den Hardwarebereich. Im Zusammenhang mit dem Internet schreibt er, dass sowohl die Hard- als auch die Software die Grundlage für das Internet bilden. Im Umkehrschluss kann das dieser Arbeit zugrunde gelegte Verständnis, dass IT im Rahmen von eGovernment beides erfasst, bekräftigt werden, da eGovernment über das Internet abgewickelt wird.

[8] Doch auch wenn informationstechnische Veränderungen zunächst als Herausforderung und damit als eine Aufgabe gesehen werden, so ist auch deren unterstützende Funktion bei der Bewältigung von Veränderungsprozessen nicht zu vergessen. Wissensdatenbanken können z. B. dabei helfen, das Wissen stets aktuell zu halten und anderen zugänglich zu machen. Daneben bietet IT-unterstütztes Lernen (eLearning) neue Möglichkeiten der Wissensvermittlung. Nicht zuletzt stellen Web 2.0-Instrumente wie Wikis, Blogs und soziale Netzwerke neue Informations- und Kommunikationsinstrumente dar (vgl. auch Brosch/Weiber 2005: 93 ff.). Zudem kann IT beim Prozessmanagement helfen. So ist mittels geeigneter Software die Aufdeckung von Schwachstellen bei Strukturen und Prozessen sowie die Ableitung von Verbesserungen möglich (vgl. Bundesministerium des Innern 2007: 49 f., 53 f.).

[9] Daneben werden in der Literatur weitere Möglichkeiten diskutiert, wie „change“ sinnvoll übersetzt werden kann. Als Beispiele werden hier zum Beispiel „Wechsel“ und „Umbruch“ genannt (vgl. Speier-Werner 2006: 23; Plag 2007: 7).

[10] Neben den bisherigen Ausführungen können außerdem Sanktionen den notwendigen Veränderungsdruck verleihen (vgl. Staehle 1999: 905). So kann bei der EG-Dienstleistungsrichtlinie die Europäische Kommission Sanktionen gegen die Mitgliedstaaten wegen nicht erfolgter Umsetzung verhängen. Der Bund würde dann intern, die Kosten verursachungsgerecht einfordern (z. B. von den jeweiligen Ländern und Kommunen).

[11] Vgl. z. B. auch Rosenstiel 1997: 203 ff., dass es in der öffentlichen Verwaltung besonders externer Anstöße zur Veränderung bedarf.

[12] Meijer/Zouridis (2004) sehen dabei den Wandel im öffentlichen Sektor im Vergleich zum privaten Bereich als schwieriger realisierbar (Meijer/Zouridis 2004: 565 ff.).

[13] Nach Steinmann/Schreyögg (2000: 6) kann der Management-Begriff ebenso wie der Begriff der Organisation als institutionell oder funktional aufgefasst werden. Change Management bezieht sich hier auf das funktionale Management-Verständnis. Demnach sind die Handlungen der Steuerung und nicht die Personen und Gruppen, welche die Tätigkeiten ausführen, angesprochen.

[14] Auf die exakte Rolle und die spezifischen Anforderungen an Change Agents soll in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden.

[15] Zu verschiedenen Ansätzen im Change Management siehe zum Beispiel Kraus et al. 2006: 21 ff.

[16] Auch als Krisenmanagement bekannt.

[17] Doch hat nach Kraus et al. (2006) die Reaktion auf Krisen nichts mit Change Management im direkten Sinne zu tun, sondern eher mit Krisenmanagement (vgl. Kraus et al. 2006: 14). Hier zeigt sich die unterschiedliche Auffassung über den Change Management-Begriff.

[18] Die beiden Autoren grenzen damit, ebenso wie Mütter/Feldmüller (2008), Change Management von der Bedeutung aus dem Bereich der Informatik ab. Dort wird es als „Management an technischen Konfigurationen und Versionen“ bei IT-Applikationen im Rahmen von ITIL verstanden (Mütter/Feldmüller 2008: 118).

[19] Hierzu und im Folgenden auch Krüger 2009c: 65 ff.

[20] Hier ist Organisation als instrumentaler Begriff (i. S. v. die Verwaltung hat eine Organisation) gemeint (Peters et al. 2005: 65 f.).

[21] Vgl. hierzu auch ausführlich Markus (2004).

[22] Im Buch von Plag (2007) lässt sich eine Synopsis über bisherige Modelle finden (Plag 2007: 19 ff.).

[23] Regelmäßig wird davon ausgegangen, dass der Veränderungsverlauf von negativen Emotionen und auch Widerständen begleitet wird. Grundlage dessen bildet die Annahme, dass Veränderungen nicht kommuniziert oder die Erwartungen der Betroffenen nicht erfüllt werden. Findet dagegen eine ausreichende Kommunikation statt, dann können bis zur vierten Phase auch positive Emotionen wie Begeisterung bis hin zur Euphorie freigesetzt werden. Im Extremfall kann bei Überbewertung, also bei zu hohen und eher unrealistischen Erwartungen, von einem „Hype“ gesprochen werden (Dobiéy/Wagin 2001: 32).

[24] Werden beispielsweise überhöhte oder unrealistische Erwartungen an neue IT-Systeme gestellt, die sich beim Ausprobieren als eher enttäuschend herausstellen, so ist es möglich, dass ex post an der Notwendigkeit des Wandels gezweifelt und eine Rückkehr zum alten System gefordert wird.

[25] Ein sehr guter Überblick über Widerstandsmodelle findet sich bei Haber (2007: 17 ff.).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842805262
DOI
10.3239/9783842805262
Dateigröße
998 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Nordhausen – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Public Management & Governance
Erscheinungsdatum
2010 (Oktober)
Note
1,1
Schlagworte
informationstechnik widerstand akzeptanz organisationsebene verwaltungskultur
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Titel: Change Management in der öffentlichen Verwaltung
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