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Die Auswirkungen von Solvency II auf Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit

©2010 Bachelorarbeit 37 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Kaum ein Thema beschäftigte die europäische Wirtschaft in den letzten beiden Jahren mehr, als die Finanzmarktkrise. Ausgelöst wurde diese, da sich nicht alle Akteure an die grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft hielten. Anstatt sich für transparente Kapitalmarktkommunikation stark zu machen, hofften einige Akteure, dass die Folgen eigener Handlungen ungesehen und vor allem unbestraft blieben. Die Folgen waren zu geringe Anforderungen an Eigenkapital, Liquidität und Transparenz. Dadurch hat das Vertrauen der Menschen in das Bankensystem gelitten, dabei spielt gerade dieses in der Finanzdienstleistungsbranche eine große Rolle. Ähnlich verhält es sich in der Versicherungsbranche. Schließlich vertrauen die Menschen dem Versicherer ihr Geld in der Hoffnung an, dieser könne den entstandenen Schaden am versicherten Risiko später auch regulieren. Um den Versicherten dieses Vertrauen zu sichern, künftige Zahlungen zu gewährleisten und die Ruinwahrscheinlichkeit der Versicherer zu minimieren, drängt die Europäische Union (EU) auf eine Neugestaltung der Versicherungsaufsicht. Dabei geht es um die o.g. Anforderungen an Eigenkapital und Transparenz. Diese Neugestaltung - bekannt unter dem Projektnamen ‘Solvency II’ - birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Versicherer. Aber nicht alle Versicherungsunternehmen (VU) sind gleich. Neben den bekannteren Formen der Versicherungs-Aktiengesellschaft (AG) und der Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts, gibt es die traditionsreiche Rechtsform der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG). Diese Arbeit soll veranschaulichen, was diese Rechtsform so besonders macht, wie gerade sie von der erwähnten Neugestaltung der Versicherungsaufsicht betroffen ist und welche Auswirkungen Solvency II auf kurz- und mittelfristige Sicht für die Gegenseitigkeitsversicherer hat. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob die Größe des Versicherungsunternehmens einen Einfluss auf diese Auswirkungen haben kann. Zu Beginn der Arbeit sollen die Rechtsform und die daraus resultierenden Besonderheiten des VVaG erklärt werden. Im Anschluss daran werden die Kernpositionen von Solvency II kurz vorgestellt. Der Fokus wurde dabei auf die für die nachfolgende Diskussion relevanten Kernpositionen gelegt. Das folgende Kapitel führt die Vorangestellten zusammen und erörtert die Auswirkungen der Kernpositionen unter Beachtung der rechtsformspezifischen Besonderheiten der VVaG. Abschließend […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
2.1 Wirtschaftliche Bedeutung
2.2 Grundlegende Charakteristika
2.3 Organe
2.3.1 Oberstes Organ
2.3.2 Aufsichtsrat
2.3.3 Vorstand
2.4 Eigenmittelbeschaffung
2.5 Rechnungslegung

3 Die Neugestaltung der Versicherungsaufsicht: Solvency II
3.1 Quantitative Anforderungen
3.2 Qualitative Anforderungen

4 Die Auswirkungen von Solvency II auf die Gegenseitigkeitsversicherer
4.1 Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze
4.1.1 Klassifizierung und Limitierung der Eigenmittel
4.1.2 Diversifikation vs. Spezialisierung
4.1.3 Bewertung der Versicherungstechnischen Rückstellungen
4.1.4 Governance-Anforderungen
4.1.4.1 Transparenz der Organisationsstruktur
4.1.4.2 Qualität des Risikomanagementsystems
4.1.4.3 Interne Beurteilung des Risikos und der Solvabilität
4.2 Chancen für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit

5 Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Kaum ein Thema beschäftigte die europäische Wirtschaft in den letzten beiden Jahren mehr, als die Finanzmarktkrise. Ausgelöst wurde diese, da sich nicht alle Akteure an die grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft hielten. Anstatt sich für transparente Kapitalmarktkommunikation stark zu machen, hofften einige Akteure, dass die Folgen eigener Handlungen ungesehen und vor allem unbestraft blieben. Die Folgen waren zu geringe Anforderungen an Eigenkapital, Liquidität und Transparenz[1]. Dadurch hat das Vertrauen der Menschen in das Bankensystem gelitten, dabei spielt gerade dieses in der Finanzdienstleistungsbranche eine große Rolle. Ähnlich verhält es sich in der Versicherungsbranche. Schließlich vertrauen die Menschen dem Versicherer ihr Geld in der Hoffnung an, dieser könne den entstandenen Schaden am versicherten Risiko später auch regulieren. Um den Versicherten dieses Vertrauen zu sichern, künftige Zahlungen zu gewährleisten und die Ruinwahrscheinlichkeit der Versicherer zu minimieren, drängt die Europäische Union (EU) auf eine Neugestaltung der Versicherungsaufsicht[2]. Dabei geht es um die o.g. Anforderungen an Eigenkapital und Transparenz. Diese Neugestaltung - bekannt unter dem Projektnamen "Solvency II" - birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Versicherer. Aber nicht alle Versicherungsunternehmen (VU) sind gleich. Neben den bekannteren Formen der Versicherungs-Aktiengesellschaft (AG) und der Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts, gibt es die traditionsreiche Rechtsform der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG).[3] Diese Arbeit soll veranschaulichen, was diese Rechtsform so besonders macht, wie gerade sie von der erwähnten Neugestaltung der Versicherungsaufsicht betroffen ist und welche Auswirkungen Solvency II auf kurz- und mittelfristige Sicht für die Gegenseitigkeitsversicherer hat. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, ob die Größe des Versicherungsunternehmens einen Einfluss auf diese Auswirkungen haben kann. Zu Beginn der Arbeit sollen die Rechtsform und die daraus resultierenden Besonderheiten des VVaG erklärt werden. Im Anschluss daran werden die Kernpositionen von Solvency II kurz vorgestellt. Der Fokus wurde dabei auf die für die nachfolgende Diskussion relevanten Kernpositionen gelegt. Das folgende Kapitel führt die Vorangestellten zusammen und erörtert die Auswirkungen der Kernpositionen unter Beachtung der rechtsformspezifischen Besonderheiten der VVaG. Abschließend erfolgt eine zusammenfassende Bewertung der einzelnen Auswirkungen begleitet von einem Ausblick auf die Zukunftsperspektiven der Gegenseitigkeitsversicherer.

2 Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit

2.1 Wirtschaftliche Bedeutung

Bevor der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit detaillierter betrachtet werden kann, ist es sinnvoll im Voraus dessen wirtschaftliche Bedeutung etwas zu verinnerlichen.

Im Jahr 2008 standen 624 Versicherungsunternehmen unter Bundesaufsicht, von denen 20 keine Geschäftstätigkeit ausübten und die sich auf die Rechtsformen wie folgt verteilen[4]:

313 Aktiengesellschaften, 273 Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und 18 sonstige Versicherer, dazu gehören unter Anderem die öffentlich rechtlichen Anstalten oder Niederlassungen von ausländischen Versicherungsunternehmen (siehe Abb. 1). Von diesen 273 VVaG sind 185 kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Versicherungsunternehmen (unter Bundesaufsicht) nach Rechtsform, 2008

Quelle: eigene Darstellung nach BaFin (2008a), Anhang A, Tabelle 010.

Im Vergleich dazu stehen die Beitragseinnahmen der Versicherungsunternehmen aufgegliedert nach Rechtsform des Jahres 2008:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Beitragseinnahmen der Versicherungsunternehmen (u. BA) nach Rechtsform, 2008

Quelle: eigene Darstellung nach BaFin (2008a), Anhang A, Tabelle 010.

Die Ergebnisse des Vergleiches sind eindeutig. Hinsichtlich Anzahl der Versicherungsunternehmen bewegen sich die AG und der VVaG im gleichen Rahmen. Jedoch treten große Differenzen zwischen diesen beiden Rechtsformen auf, wenn man sich die eingenommenen Beiträge anschaut. Die Beitragseinnahmen aller Versicherungsaktiengesellschaften sind fast dreimal so groß, wie die der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Die Ursache für diese unproportionalen Zahlen ist einfach zu erklären. Fast alle Versicherungsaktiengesellschaften sind bundesweit tätig. Sie haben einen großen Pool von Mitgliedern, was ein hohes jährliches Beitragsaufkommen nach sich zieht. So zum Beispiel[5] hat die "AXA Kranken" Versicherungs-AG am 31. Dezember 2007 einen Bestand von 520 189 Versicherten gezählt und Beitragseinnahmen von rund 2 Milliarden Euro verbucht. Im Gegensatz dazu wird der "LIGA Kranken"-VVaG aus Bayern betrachtet. Er hat 4171 versicherte Mitglieder, welche für ein Beitragsaufkommen von rund 13 Millionen Euro in 2008 gesorgt haben. Dieser Versicherungsverein a.G. ist ein durchschnittlich großer deutscher Versicherungsverein[6]. An diesem Vergleich sieht man deutlich, dass sich die Beitragseinnahmen pro Kopf bei beiden Rechtsformen angleichen, aufgrund der Größe des Versichertenkollektives die Aktiengesellschaften (im Durchschnitt) aber höhere Umsätze aufweisen. Die Ursache für diese unterschiedliche hohen Mitgliederzahlen liegt darin, dass Versicherungsvereine entweder regional oder im Hinblick auf die angebotenen Versicherungsprodukte stark spezialisiert sind.

Ergänzend muss gesagt werden, dass sich zu den 624 unter Bundesaufsicht stehenden VU noch 903 unter Landesaufsicht stehende Versicherer addieren. Von diesen sind neun öffentlich-rechtliche Anstalten, die restlichen 894 sind kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, welche in die oben aufgeführten Berechnungen nicht mit eingeflossen sind.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Gesamtzahl der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit die der Aktiengesellschaften übersteigt. Jedoch können die AG aufgrund ihres Wirkungskreises größere Versichertenkollektive realisieren. Nur wenige der vorhandenen VVaG können ebenfalls solche Mitgliederzahlen aufweisen. Daraus ergeben sich durchschnittlich geringere Umsätze für die Versicherungsvereine. Trotzdem fallen rund ein Viertel aller Prämien der Versicherungswirtschaft auf die VVaG, was einem Anteil von rund 1,2% am Bruttoinlandsprodukt[7] entspricht. Angesichts der überschaubaren Anzahl der Versicherungsvereine ist dies eine beachtliche Dimension[8].

2.2 Grundlegende Charakteristika

Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist eine "Rechtsform eigener Art für Versicherungsunternehmen"[9]. Unterschieden werden zum einen die "Großen VVaG" von den "Kleineren VVaG"[10]. Kleinere Versicherungsvereine a.G. haben gemäß § 53 I 1 VAG "bestimmungsgemäß einen sachlich, örtlich oder dem Personenkreis nach eng begrenzten Wirkungskreis". Regelfall ist nach Gesetz und wirtschaftlichem Stellenwert der große VVaG. Eine weitere Unterscheidung findet sich in der Frage, wer versichert wird. Neben dem "reinen VVaG"[11], der nur Mitglieder versichert, gibt es auch den "gemischten VVaG". Dieser bietet zusätzlich eine Nichtmitgliederversicherung an, jedoch muss dies die Satzung des Vereins ausdrücklich erlauben (§ 21 II VAG).

Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit wird als Sonderform des wirtschaftlichen Vereins im Sinne des § 22 BGB angesehen[12]. Ebenso unterliegt er dem Handelsrecht
(§ 16 VAG). Fraglich ist jedoch, ob der VVaG ein Kaufmann im Sinne des § 1 HGB ist. Handelt es sich um einen "reinen VVaG", so ist die Antwort auf diese Frage umstritten[13]. Die Literatur bietet dazu vielfältige Standpunkte. Die herrschende Meinung sieht den reinen VVaG nicht als Kaufmann an. Er gelte auch nicht als einer, werde lediglich in mancher Hinsicht als einer behandelt[14]. Handelt es sich um einen kleineren Versicherungsverein a.G., sollte dieser die Kaufmannseigenschaft nicht erwerben können, da er die Nichtmitgliederversicherung nicht betreiben darf[15]. Bei "gemischten Versicherungsvereinen a.G." gleichen sich die Positionen deutlich an. Die Versicherung von Nichtmitgliedern zieht die Kaufmannseigenschaft gemäß § 1 HGB nach sich[16].

Der VVaG hat seine Rechtsgrundlagen in folgenden bundesgesetzlichen Vorschriften[17]:

- §§ 15 bis 52 VAG hinsichtlich Unternehmens- und Aufsichtsrecht;
- Vorschriften des Aktiengesetzes, aus die in §§ 15 bis 52 VAG hingewiesen wird;
- §§ 55a bis 59 VAG hinsichtlich Rechnungslegung und Prüfung des Jahresabschlusses;
- einige Vorschriften des Genossenschaftsrechts und des BGB über den Verein[18].

Gemäß § 15 VAG ist der VVaG ein Verein, der die Versicherung seiner Mitglieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit betreiben will und der dadurch rechtsfähig wird, dass ihm die Aufsichtsbehörde erlaubt als "Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit" Geschäfte zu betreiben. Diese Legaldefinition enthält zwei wichtige Aspekte. Zum einen wird der Zweck des VVaG umschrieben, nämlich der Betrieb der Versicherung nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit, welches für das Verständnis der Unternehmensform von herausragender Bedeutung ist[19]. Eine genaue Festlegung des Prinzips der Gegenseitigkeit sieht das Gesetz nicht vor[20]. Auch gibt es diverse Interpretationen des Begriffs. Gegenseitigkeit als gemeinschaftliches Tragen des Risikos[21] ist im Zuge der Entwicklung der Märkte weitgehend bedeutungslos geworden[22], vielmehr wird der Begriff Gegenseitigkeit zum Beschreiben der Wechselbeziehung zwischen dem Mitglied und dem VVaG als juristische Person verwendet[23]. Der VVaG übernimmt gegen Zahlung eines Beitrages ein bestimmtes Risiko, das Mitglied beteiligt sich durch Zahlung des Beitrages an der Finanzierung des Vereins - Farny definiert diese als die "versicherungsvertragsrechtliche und wirtschaftliche" Beziehung. Da es sich um eine Wechselbeziehung handelt, ist ihr Gegenstück die "mitgliedschaftliche"[24] Beziehung, worauf der Begriff "Mitglied" in der o.g. Interpretation bereits hin deutet. Somit bestehen zwischen dem VVaG und seinem Mitglied zwei mit einander verflochtene Verhältnisse: das Versicherungs- und das Mitgliedschaftsverhältnis[25]. Diese Ansicht wird ebenfalls im § 20 VAG durch den Gesetzgeber unterlegt. Formalrechtlich basiert die wirtschaftliche Beziehung auf der mitgliedschaftlichen, da die Zugehörigkeit zum VVaG Voraussetzung für eine Versicherung ist. In der Praxis dominiert für den Versicherungsnehmer jedoch das Versicherungsverhältnis: Er möchte sich von ein bestimmtes Risiko versichern lassen und wird zu diesem Zweck Mitglied des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit[26]. Der zweite wichtige Aspekt dieser Legaldefinition ist, dass der VVaG erst durch die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb durch die Aufsichtsbehörde zu einer juristischen Person wird[27]. Bei der Zulassung durch die Aufsichtsbehörde muss dieser ein vollständiger Geschäftsplan vorgelegt werden (§ 5 II 1VAG). Als Teil des Geschäftsplans versteht sich für den VVaG die Satzung (§ 5 III Nr. 1 VAG), welche die Verfassung des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit bestimmt (§17 I VAG) und somit von großer Bedeutung ist[28]. Das Gesetz erlaubt es dem VVaG sein Organisationsrecht zwar autonom zu gestalten, trotzdem muss die Satzung eine gewisse Grundordnung aufweisen[29]. Das Versicherungsaufsichtsgesetz bestimmt für den notwendigen Inhalt der Satzung sowohl Vorschriften, welche zwingend enthalten sein müssen, als auch Vorschriften, welche enthalten sein sollten oder können. So hat die Satzung zwingend ihren Firmennamen und -sitz anzugeben (§18 VAG). Ob das Versicherungsgeschäft nur unmittelbar oder zugleich auch mittelbar betrieben wird, ist jedoch gemäß
§ 9 VAG eine Satzungsbestimmung, die lediglich enthalten sein sollte[30]. Die gesetzlichen Vorschriften zur Gestaltung der Satzung lassen erkennen, dass sich der Gesetzgeber bei der Rechtsform des VVaG von den Vorstellungen der Aktiengesellschaft leiten lassen hat[31].

2.3 Organe

Analog zur AG bestimmt bei den Versicherungsvereinen a.G. die Satzung "wie ein Vorstand, ein Aufsichtsrat und eine oberste Vertretung [...] zu bilden sind" (§ 29 VAG). Der VVaG verfügt damit über die drei klassischen Elemente jeder Unternehmensorganisation[32]: die Mitgliedervoll- bzw. Mitgliedervertreterversammlung, den Aufsichtsrat und den Vorstand. Diese abstrakten Institutionen werden handlungs- und willensfähig[33], indem sie mit natürlichen Personen besetzt werden. Die natürlichen Personen werden in den meisten Fällen durch einen körperschaftlichen Akt in ihr Amt berufen.

2.3.1 Oberstes Organ

Die Gestaltung des Obersten Organs wird in der Satzung festgelegt. Speziell muss diese determinieren, ob es sich um eine Mitgliedervollversammlung oder um eine Mitgliedervertreterversammlung handelt. In der Praxis dominiert die Mitgliedervertreterversammlung, da mit wachsender Anzahl der Mitglieder eine Vollversammlung entweder schwer realisierbar oder die Präsenz sehr gering wäre. Nur bei sehr kleinen Versicherungsvereinen kann man diese noch antreffen[34].

Bei der Mitgliedervertreterversammlung handelt es sich um ein Repräsentativorgan, die nach einem bestimmten Verfahren zu bilden sind. Hierbei haben sich drei Verfahren in der Praxis durchgesetzt: das Kooptationsprinzip, das Urwahlsystem und ein Mischsystem, in dem in bestimmten zeitlichen Abständen Urwahlen stattfinden und sich die Mitgliedervertreterversammlung zwischenzeitlich selber durch Kooptation ergänzt[35]. Im Folgenden sollen die zwei Verfahren kurz erläutert werden.

Bei VVaG, die nach dem Kooptationsprinzip ihre Mitgliedervertreter wählen, ist die erste Mitgliedervertreterversammlung aus einer Urwahl hervorgegangen. Im weiteren Verlauf wählt die Vertreterversammlung weiter Mitgliedervertreter selbst. Dieses Wahlsystem hat sich in der Praxis bewährt[36]. Es erreicht einen repräsentativen Querschnitt des Mitgliederkollektivs und ist zudem ein kostengünstiges Verfahren.

Beim Urwahlsystem hat jedes Mitglied das Recht, seine Stimme bei der Wahl abzugeben. Die Praxis hat gezeigt, dass bei diesem Wahlverfahren die gleichen Probleme auftreten, wie bei der Mitgliedervollversammlung: geringes Interesse der Mitglieder an der Wahlbeteiligung, hoher Aufwand und die Gefahr der Beeinflussung durch organisierte Minderheiten. Aus diesem Grund führen viele Unternehmen die Urwahl nach dem Einspruchsprinzip durch. Der VVaG unterbreitet den Mitgliedern Wahlvorschläge mit der Bestimmung, dass die vorgeschlagenen Personen als gewählt gelten, wenn nicht eine gewisse Zahl von Mitgliedern Einspruch gegen diese erhebt. Gelegentlich wird das Einspruchsprinzip als eigenständiges Wahlverfahren bezeichnet[37]. Sowohl das Urwahlsystem als auch das Einspruchsverfahren haben eine bedeutende Eigenschaft: die Wahlvorschläge werden von den Organen des Versicherungsvereins unterbreitet. Die Satzung der einzelnen Vereine regelt, welche Organe genau vorschlagsberechtigt sind. Einige nennen hier den Aufsichtsrat, andere bestimmen einen Wahlausschuss, welcher sich wiederum aus Mitgliedern aller drei Organe zusammensetzt, zur Benennung wählbarer Kandidaten. Dazu kommt, dass man davon ausgehen kann, dass ein zur Wahl Aufgestellter im Allgemeinen auch gewählt wird. Der Sache nach handelt es sich also bei beiden Verfahren um "verdeckte Kooptation"[38].

[...]


[1] Vgl. zu Guttenberg (2009), S. 416.

[2] Vgl. Görg (2005), S. 368.

[3] Vgl. Farny (2006), S. 180.

[4] Vgl. hier und im Folgenden BaFin (2008a), Anhang A, Tabelle 010.

[5] Vgl. BaFin (2008) S. 245; BaFin (2008a), S. 93.

[6] Der "LIGA Kranken"-VVaG wird zwar als kleiner VVaG geführt, liegt aber aufgrund der Berechnungen mit seinen Beintragseinnahmen genau im Durchschnitt.

[7] Vgl. Statistisches Bundesamt (2009); S. 7: Höhe des BIP 2008: rund 2489 Milliarden Euro.

[8] Vgl. Völker (1995), S. 102.

[9] Farny (2006), S. 196.

[10] Vgl. Hier und im Weiteren Großfeld (1995), S. 107.

[11] Farny, (2006), S. 201.

[12] Vgl. Farny (2006), S. 196; Benkel (2002), S. 59.

[13] Zur ausführlichen Diskussion siehe Benkel (2002), S. 60ff.

[14] Vgl. Benkel (2002), S. 62.

[15] § 16 I VAG.

[16] Vgl. Benkel (2002), S. 61.

[17] Vgl. Farny (2006), S. 196; Benkel (2002), S. 40.

[18] Ernst Bruck bezweifelt die Richtigkeit der Anwendung des bürgerrechtlichten Vereinsrechts auf die VVaG in "Das Privatversicherungsrecht", 1930, Mannheim/Berlin/Leipzig.

[19] Vgl. Müller-Wiedenhorn (1993), S. 19.

[20] Vgl. Büchner (1965), S. 435.

[21] Vgl. Koch

[22] Vgl. Hübner (1995), S. 160.

[23] Vgl. Farny (2006) S. 199.

[24] Farny (2006) S. 199.

[25] Das Mitgliedschaftsverhältnis entfällt selbstverständlich, sobald es sich im Rahmen von "gemischten VVaG" um eine Nichtmitgliederversicherung handelt.

[26] Vgl. Farny (2006), S. 200.

[27] Vgl. Farny (2006) S. 196.

[28] Vgl. Müller-Wiedenhorn (1993), S. 14.

[29] Vgl. Benkel (2002), S. 69f.

[30] Siehe hierzu ausführlich Benkel (2002), S. 70f; Farny (2006), S. 197f.

[31] Vgl. Benkel (2002), S. 71.

[32] Vgl. Benkel (2002), S. 72.

[33] Vgl. Frels (1995), S. 130.

[34] Vgl. Farny (2006), S. 205.

[35] Vgl. hier und im Folgenden Frels (1995), S. 134.

[36] Vgl. Frels (1995), S. 135.

[37] So bei Benkel (2002), Großfeld (1995).

[38] Vgl. Benkel (2002), S. 79; Frels (1995) S. 135.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842804852
DOI
10.3239/9783842804852
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Wirtschaftswissenschaft, Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2010 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
versicherungswirtschaft solvency versicherungsvereine vvag gegenseitigkeit
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