Die "Strukturierte Insolvenz"
Der Beitrag der Insolvenzordnung zur Rekonstruierung der Wirtschaftlichkeit und der Struktur von insolventen Unternehmen
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit trägt den Namen Die Strukturierte Insolvenz Der Beitrag der Insolvenzordnung zur Rekonstruierung der Wirtschaftlichkeit und der Struktur von insolventen Unternehmen. Die Motivation, sich mit diesem Thema umfassend auseinander zu setzen, ist seine permanente Aktualität.
Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Verabschiedung der Insolvenzordnung insbesondere auch ein Sanierungsinstrument in Kraft zu setzen, das die Weiterführung von insolventen Unternehmen ermöglicht und dafür vorzunehmende Umstrukturierungen erleichtert. Das Konzept Strukturierte Insolvenz versteht die Insolvenzordnung als solches und bedient sich ihrer Instrumente, um einen erfolgreichen Neustart in die Wege zu leiten. Die Strukturierte Insolvenz ist der Begriff für ein Konzept der Praxis, das unter Beachtung seiner Grundsätze nachweislich einen Neustart von insolventen Unternehmen ermöglichen kann. Aufgrund dessen stellen sich folgende Fragen: Funktioniert das Konzept Strukturierte Insolvenz nur unter bestimmten Voraussetzungen? Birgt das Insolvenzverfahren mehr Gefahren als Sicherheiten? Ist die Insolvenzordnung möglicherweise doch zu intransparent? Sind die Instrumente bzw. Sonderrechte doch zu ineffizient? Diese Fragen werden in dieser Arbeit durch ausgewählte Elemente der Insolvenzordnung beantwortet. Ein Grundsatz des Konzeptes Strukturierte Insolvenz ist, dass bei einer Krise, mit voraussichtlich unausweichlicher Insolvenz als Folge, das Insolvenzverfahren schnellstmöglich eingeleitet werden sollte vor allem aus dem Grunde der Liquiditätssicherung. Diesbezüglich werden die Insolvenztatbestände, deren Regelungen durch das MoMiG und FMStG zum Teil neu gefasst worden sind, hinsichtlich Transparenz und Nutzen in Frage gestellt. Dabei wird entsprechend dem Standpunkt der Gesetzgebung und des Konzeptes Strukturierte Insolvenz, das Insolvenzverfahren als fähige Sanierungsmethode zu sehen davon ausgegangen, dass das Insolvenzverfahren in Anbetracht der Umstände das ratsamste Mittel zur Existenzerhaltung darstellt und dementsprechend, durch gesetzliche Regelungen auch rechtzeitig aufgezwungen werden sollte. Im Anschluss daran wird untersucht, welche Erleichterungen die Insolvenzordnung zur Verfügung stellen kann, um die Wirtschaftlichkeit und die Struktur des Unternehmens zu rekonstruieren. Hierbei wird im Kontext zur Strukturierten Insolvenz insbesondere auf Disponibilität und Effizienz der Wahl- und Sonderrechte […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Modifikation der Ziele an ein Insolvenzverfahren mit Einführung der Insolvenzordnung
3. Begriffsbestimmung der „Strukturierten Insolvenz“
4. Grundlagen und –elemente des Insolvenzrechts
4.1 Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
4.2 Organe eines Insolvenzverfahrens
4.2.1 Der vorläufige Insolvenzverwalter
4.2.2 Der Insolvenzverwalter
4.2.3 Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss
4.3 Die einzelnen Gläubigergruppen
5. Der Beitrag der Insolvenzordnung zu einer rechtzeitigen Einleitung des Insolvenzverfahrens
5.1 Insolvenzantragsrecht und Insolvenzantragspflicht
5.2 Transparenz und Nutzen der Insolvenztatbestände
5.2.1 Die Zahlungsunfähigkeit
5.2.2 Die Überschuldung
5.2.3 Die drohende Zahlungsunfähigkeit
6. Die Wahl – und Sonderkündigungsrechte des Insolvenzverwalters bei synallagmatischen Verträgen des Schuldners
6.1 Schwebende synallagmatische Verträge
6.2 Die Disponibilität des Wahlrechts nach Art des Vertragsgegenstands
6.2.1 Gegenseitige Verträge des Schuldners mit Eigentumsvorbehalt an der Vertragssache
6.2.2 Fixgeschäfte und Finanztermingeschäfte
6.2.3 Miet- und Pachtverhältnisse
6.2.4 Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge
6.3 Arbeitsverhältnisse im Insolvenzverfahren
6.3.1 Die Behandlung von Arbeitnehmerentgelten
6.3.2 Die Kündigungsfrist bei Arbeitsverträgen
6.3.3 Der Interessenausgleich
6.3.4 Der Sozialplan
7. Der Insolvenzplan
7.1 Die Insolvenz als Antagonist des Insolvenzplans
7.2 Inhalt des Insolvenzplans
7.3 Vorlage des Insolvenzplans
7.4 Der Ablauf des Insolvenzplanverfahrens
8. Die Eigenverwaltung
8.1 Die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung
8.2 Der Sachwalter
8.3 Die Aufhebung der Eigenverwaltung
9. Resümee
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die grundsätzlichen Verwertungsalternativen des Insolvenzplans
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Unternehmensinsolvenzen stehen derzeit, mehr denn je, im Fokus der Medien und der Aufmerksamkeit der gesamten Bevölkerung. Die weltweite Finanzmarktkrise und der Strukturwandel zehren am Bestand vieler traditionsreicher und namhafter Unternehmen und führen sie in den Ruin; als letzter Ausweg bleibt ihnen nur die Anmeldung der Insolvenz.
Der Gang in die Insolvenz muss aber nicht zwangsweise die Zerschlagung des Unternehmens bedeuten. Die Fälle Grundig und Herlitz sind der beste Beweis, dass für insolvente Unternehmen durchaus eine Fortführung erreicht werden kann.[1] Die Insolvenzordnung wird in diesem Zusammenhang als wesentlicher Erfolgsfaktor suggeriert. Durch die Nutzung seiner konstruktiven Instrumente konnte der Fundus der Unternehmen neu untermauert werden und deren Strukturen so verändert werden, dass sie wieder erfolgversprechend am Kapitalverkehr teilnehmen konnten.
Solche Erfolge hatten in der Vergangenheit Seltenheitswert. Die der Insolvenzordnung vorangegangenen insolvenzrechtlichen Regelungen[2] verfolgten ausschließlich die Befriedigung der Gläubigerinteressen, was regelmäßig die Zerschlagung der Unternehmen bedeutete. Vor dem Hintergrund der stetig anwachsenden Unternehmensinsolvenzen in der damaligen Zeit bestand somit großer Handlungsbedarf seitens der Gesetzgebung.[3] Es musste ein Gesetz geschaffen werden, das neben der Zerschlagung die Fortführung von insolventen Unternehmen als gleichrangiges Ziel verfolgte, wenn die Basis dafür gegeben ist. Die Folge dieser Überlegungen war die Einführung der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999.
Trotz des nunmehr langjährigen Bestehens wird das Krisenbewältigungspotential der Insolvenzordnung leider immer noch nicht verstanden und nur von wenigen Experten genutzt.
Die gegenwärtige Finanzmarktkrise und der Strukturwandel lösen derzeit zwangsläufig einen Boom der Unternehmensinsolvenzen aus. Es besteht somit Grund genug, die Eignung der Insolvenzordnung als fähiges Sanierungsinstrument umfassen zu erläutern und kritisch zu würdigen.
2. Die Modifikation der Ziele an ein Insolvenzverfahren mit Einführung der Insolvenzordnung
Mit Einführung der Insolvenzordnung hat der Gesetzgeber auch seine Erwartungen an ein Insolvenzverfahren neu definiert. Gem. § 1 InsO dient ein Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Die Insolvenzordnung benennt neben der Zwangsverwertung zur Gläubigerbefriedigung erstmalig auch den Erhalt des Unternehmens zum Ziel eines Insolvenzverfahrens. Gleichwohl bleibt die Gläubigerbefriedigung vorrangiges Ziel jedes Insolvenzverfahrens; für den Erhalt des Unternehmens werden lediglich rechtliche Mittel offeriert. Es wäre ja auch nicht gerecht bzw. wirtschaftlich tragbar, schlecht wirtschaftende Unternehmen auf Kosten anderer am Leben zu erhalten.[4]
3. Begriffsbestimmung der „Strukturierten Insolvenz“
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird die Insolvenz als letzte Phase einer irreversiblen Unternehmenskrise gesehen.[5] Aus finanzwirtschaftlicher Sicht gilt ein Unternehmen als insolvent, wenn es nach einer lang anhaltenden Durststrecke in die vollkommene Dürre verfällt und jegliche Chance auf Wiedererlangung der Liquidität nicht mehr vorhanden ist.[6] Die Gesetzgebung versteht die Insolvenz als den Zustand, in dem ein Unternehmen die Insolvenztatbestände erfüllt, die zu der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vonnöten sind.[7]
Die „Strukturierte Insolvenz“ ist davon abzugrenzen. Sie beschreibt nicht die Form einer Krise, sondern den Prozess der Krisenbewältigung bei insolventen Unternehmen.[8]
4. Grundlagen und –elemente des Insolvenzrechts
Bevor es an die Behandlung der Kernthemen dieser Arbeit geht, wird in diesem Kapitel zunächst das Basiswissen rund um das Thema Insolvenzverfahren vermittelt. Es wird erläutert, wann es überhaupt zu einem Insolvenzverfahren kommt bzw. welche Voraussetzungen daran geknüpft sind und welche Organe und Personenkreise im Regelfall involviert sind.
4.1 Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass
- die Insolvenzfähigkeit gegeben ist,
- ein Insolvenzantrag gestellt worden ist,
- ein Insolvenztatbestand gegeben ist und
- ausreichend Insolvenzmasse vorhanden ist, um die Verfahrenskosten zu decken.
Das Insolvenzverfahren kann nur über das Vermögen eines insolvenzfähigen Subjekts eröffnet werden. Auf Unternehmensebene sind alle juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit insolvenzfähig.[9]
Der Insolvenzantrag wird nicht von Amts wegen gestellt. Berechtigt für einen Insolvenzantrag sind die Gläubiger des Schuldnerunternehmens und der Schuldner selbst.[10] Die Ausnahme bildet der Insolvenztatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Hierbei ist nur der Schuldner antragsberechtigt.[11] Wird der Antrag von Gläubigerseite gestellt, muss dieser einen handelsrechtlichen Verstoss vorweisen und diesen durch stichfeste Beweise belegen können.[12]
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann nur durch Gegebenheit eines Insolvenztatbestandes geschehen.[13] Das Insolvenzrecht kennt drei Insolvenztatbestände:
- Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO
- Drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO
- Überschuldung nach § 19 InsO
Gem. § 26 wird das Insolvenzverfahren auch nur dann eröffnet, wenn das Vermögen des Schuldners ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken. Die Verfahrenskosten umfassen die Gerichtskosten des Verfahrens sowie die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.[14] Demgemäss wird ein Insolvenzverfahren auch dann eröffnet, wenn die Forderungen der Gläubiger nicht beglichen werden können.[15] Zur Insolvenzmasse gehört das gesamte Vermögen des Schuldners, das er im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung besitzt und das er während des Insolvenzverfahrens erwirtschaftet.[16]
4.2 Organe eines Insolvenzverfahrens
4.2.1 Der vorläufige Insolvenzverwalter
Der vorläufige Insolvenzverwalter hat die Aufgabe eines Gutachters und kann vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom zuständigen Insolvenzgericht bestellt werden.[17] Er stellt fest, ob der Insolvenztatbestand gegeben ist, und ist insbesondere für die Erfassung, Bewertung und Sicherung der Insolvenzmasse verantwortlich.[18] Hinsichtlich der Befugnis wird zwischen einem starken und schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter unterschieden. Die Berufung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters bedeutet für die Geschäftsführung den Kontrollverlust über das Unternehmen. Sämtliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über.[19] Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter erhält nur eingeschränkte Befugnis. Er ist ausschließlich für die Pflichten verantwortlich, die ihm durch das Insolvenzgericht auferlegt worden sind.[20] Die Führung des Unternehmens obliegt jedoch weiterhin der Unternehmensleitung.[21] Besteht der Wille der Interessensgruppen nach einer Sanierung des Unternehmens, können auch die Prüfung der Sanierungsfähigkeit und die Ausarbeitung eines Sanierungskonzeptes zu den Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters gehören.[22] Aus diesem Grunde ist die Person, die diese Stellung einnimmt, bewusst zu wählen. Bestehet der Verdacht der Untauglichkeit, ist dies dem Insolvenzgericht vorzutragen und um zweckgemäße Besetzung zu bitten. Denkbar wäre auch die Hinzuziehung von externen Beratern mit langjähriger Erfahrung in diesem Metier als Unterstützung für den vorläufigen Verwalter.[23]
4.2.2 Der Insolvenzverwalter
Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO ergeht mit Beschluss zur Verfahrenseröffnung auch die Ernennung des Insolvenzverwalters. Sämtliche Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Unternehmen geht ab diesem Zeitpunkt auf den Insolvenzverwalter über. Als solcher ist eine geeignete und geschäftskundige Person zu bestimmen, die nicht von persönlicher Befangenheit zum Schuldner und zu den Gläubigern betroffen ist.[24] Sollte die Person nicht den Anforderungen an das geplante Vorhaben genügen, kann von der Regelung des § 57 InsO Gebrauch gemacht werden: Demnach können die Gläubiger durch mehrheitlichen Beschluss in der ersten Gläubigerversammlung eine andere, geeignetere Person für dieses Amt ernennen. Sollte das Gericht anderer Auffassung sein, kann es dem widersprechen. Der Insolvenzverwalter steht stets unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts.[25] Kommt der Insolvenzverwalter seinen Verpflichtungen nicht nach, kann das Gericht Sanktionen verhängen.[26] Der Insolvenzverwalter hat stets die Sorgfaltspflicht seines Amtes zu wahren.[27] Praktizierende der „Strukturierten Insolvenz“ sehen eine Sanierung mit einer unerfahrenen Person in diesem Amt schon von vornherein als zum Scheitern verurteilt. Auch die Erfahrung der Helfer des Insolvenzverwalters sei essentieller Natur.[28]
4.2.3 Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss
Gem. § 29 Inso ergeht mit Eröffnungsbeschluss der Termin zur ersten Gläubigerversammlung. Inhalt des Termins sind der Fortgang des Insolvenzverfahrens und die Anmeldung der Forderungen. Die Gläubigerversammlung umfasst somit alle Gläubiger, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Forderungen gegenüber dem Schuldner aufweisen können. Das Insolvenzgericht kann schon vor der ersten Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss einsetzen.[29] Dem Gläubigerausschuss sollen Vertreter der absonderungsberechtigten Gläubiger, Vertreter der Insolvenzgläubiger mit den höchsten Ansprüchen, aber auch Vertreter der Kleingläubiger sowie der Arbeitnehmer angehören, wenn deren Forderungen nicht unerheblich sind.[30] Auch Außenstehende können Mitglieder des Gläubigerausschusses sein.[31] Dies betrifft insbesondere Fachleute oder Bürgen des Schuldners bzw. Kapitalgeber, die für die Fortführung des Unternehmens finanzielle Mittel oder Sicherheiten bereitgestellt haben.[32] Die letztendliche Entscheidung über den Einsatz eines Gläubigerausschusses obliegt der Gläubigerversammlung.[33] Wurde der Gläubigerausschuss durch das Insolvenzgericht bestellt, entscheidet die Gläubigerversammlung über dessen Beibehalt.[34] Wird der Gläubigerausschuss beibehalten, steht es der Gläubigerversammlung zu, die Mitglieder zu selektieren und andere Personen zu bestimmen.[35] Die Aufgabe des Gläubigerausschusses besteht im Wesentlichen in der Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters und im permanenten Dialog mit diesem, um über sämtliche Unternehmensaktivitäten informiert zu sein.[36]
4.3 Die einzelnen Gläubigergruppen
Im folgenden werden die verschiedenen Gläubigergruppen vorgestellt. Die Differenzierung ist vorzunehmen, da sie jeweils eine unterschiedliche Rechtstellung im Verfahren besitzen. Die Gläubigergemeinschaft eines Insolvenzverfahrens setzt sich im Regelfall aus den
- Insolvenzgläubigern,
- den nachrangigen Insolvenzgläubigern,
- den aussonderungsberechtigten Gläubigern,
- den absonderungsberechtigten Gläubigern und den
- Massegläubigern
zusammen.
Die Insolvenzgläubiger sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegenüber dem Schuldner besitzen.[37] Um ihre Forderungen zu erhalten, müssen sie diese gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 InsO im Eröffnungsbeschluss schriftlich beim Insolvenzverwalter anmelden. Der Anmeldung sind Belege beizufügen, die die Höhe der Forderungen nachvollziehbar machen.[38] Meldet ein Insolvenzgläubiger seine Forderungen für das laufende Insolvenzverfahren nicht an, so sind diese nur für das betreffende Insolvenzverfahren verloren. Die Ansprüche können in einem darauf folgenden Insolvenzverfahren wieder in voller Höhe geltend gemacht werden. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger werden aus der Insolvenzmasse bedient. Sie erhalten im besten Falle ihre Forderungen in voller Höhe zurück, im Regelfall aber nur eine Quote, die im späteren Verlauf des Verfahrens bestimmt wird. Ist nur genügend Insolvenzmasse vorhanden, um die Verfahrenskosten zu decken, erhalten sie keine Befriedigung.
Nachrangige Insolvenzgläubiger i.S.d. § 39 InsO sind dadurch bestimmt, dass sie nachrangige Forderungen gegenüber dem Schuldner besitzen. Nachrangige Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO sind:
- Zinsen und Säumniszuschläge, die seit Verfahrenseröffnung auf die Forderungen der Insolvenzgläubiger angefallen sind,
- Kosten, die den Gläubigern durch die Teilnahme am Insolvenzverfahren entstanden sind,
- Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten, oder
- Forderungen auf Rückgewähr des Kapital ersetzenden Darlehens eines Gesellschafters oder gleichgestellte Forderungen.
Die Ansprüche der nachrangigen Gläubiger werden nur befriedigt, wenn die Forderungen der Insolvenzgläubiger in voller Höhe befriedigt worden sind und genügend Insolvenzmasse vorhanden ist, um auch die nachrangigen Forderungen zu vergüten. Da die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger i.d.R. nur eine Quote ihrer Forderungen erhalten, werden die Forderungen der nachrangigen Insolvenzgläubiger regelmäßig erlassen.
Aussonderungsberechtigte Gläubiger sind dadurch geprägt, dass sie das Recht haben, ihre Ansprüche[39] aus der Insolvenzmasse auszusondern. Gem. § 47 Satz 1 InsO gehören sie deshalb auch nicht zu den Insolvenzgläubigern, denn diese werden aus der Insolvenzmasse bedient. Voraussetzung für die Aussonderung eines Gegenstandes ist, dass der Gläubiger ein persönliches und dingliches Recht an diesem Gegenstand besitzt und dies auch glaubhaft geltend machen kann. Das Recht auf Aussonderung ist im Eröffnungsbeschluss beim Insolvenzverwalter zu stellen.[40]
Absonderungsberechtigte Gläubiger gem. §§ 49 – 52 InsO sind alle Personen, auf deren Forderungen Sicherheiten[41] bestellt worden sind. Sie haben somit das Recht auf besondere bzw. vorzugsweise Befriedigung aus einem Gegenstand, der zur Insolvenzmasse gehört. Absonderungsberechtigte Gläubiger haben kein Recht auf Aussonderung der Gegenstände, jedoch das Recht, dass der Erlös an diesem Gegenstand vorzugsweise für die Befriedigung der Besicherung verwendet wird.[42] Bei Ausfall ihrer Forderungen sind sie den Insolvenzgläubigern gleich zu stellen, und sie können darauf hoffen, aus der Insolvenzmasse bedient zu werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sie auf Recht zur Absonderung verzichten und dass der Schuldner ihnen gegenüber persönlich haftet.[43]
Der Insolvenzverwalter hat das Unternehmen zumindest bis zum Berichtstermin nach § 159 InsO fortzuführen, in dem über den weiteren Verlauf des Unternehmens bestimmt wird. Entsprechend dieser Vorgabe ist er dazu verpflichtet, Rechtsgeschäfte einzugehen und Arbeitsverhältnisse aufrechtzuerhalten.[44] Der Insolvenzverwalter verursacht durch diese Rechtsgeschäfte sog. Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO. Diese sind gem. § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen. Die Massegläubiger erhalten demnach, sofern keine unvorhergesehenen Umstände[45] entstehen, die volle Befriedigung ihrer Ansprüche. Der Insolvenzverwalter ist bei Zuwiderhandlungen zum Schadensersatz verpflichtet.[46] Ist ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden, stellen auch seine Rechtsgeschäfte Masseverbindlichkeiten dar.[47]
5. Der Beitrag der Insolvenzordnung zu einer rechtzeitigen Einleitung des Insolvenzverfahrens
Praktizierende der „Strukturierten Insolvenz“ sehen den Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als massgeblichen Faktor für den Sanierungserfolg. Ein zu spät eingereichter Antrag sei wahrlich immer noch der größte „Sanierungskiller“.[48] Bestimmend für den Zeitpunkt des Insolvenzantrags sind die Insolvenztatbestände. Da sich die Insolvenztatbestände der der Insolvenzordnung vorangegangenen Gesetze als ungeeignet für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung erwiesen haben[49], bestand somit größte Sorgfaltspflicht seitens der Gesetzgebung bei deren Neufassung. Ob dies wirklich gelungen ist, wird in diesem Kapitel untersucht. Das Hauptaugenmerk ist dabei auf den Insolvenztatbestand der Überschuldung, da dieser durch FMStG und MoMiG modifiziert worden ist, und auf den in der Insolvenzordnung neu implementierten Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu richten. Es wird dabei insbesondere Bezug genommen auf die Feststellung bzw. Transparenz für den Schuldner sowie auf die sanierungsfördernden Charakteristika.
5.1 Insolvenzantragsrecht und Insolvenzantragspflicht
Bevor es an die nähere Untersuchung der Insolvenztatbestände geht, gilt es zunächst festzustellen, welche Personen bei Eintreten eines Insolvenztatbestands überhaupt zum Antrag berechtigt oder sogar zum Antrag verpflichtet sind.
Wie bereits unter Punkt 4.1 angeführt, sind die Gläubiger des Schuldnerunternehmens und der Schuldner selbst zu einem Insolvenzantrag berechtigt. Dass mit dem Terminus Schuldner keine einzelne Person gemeint sein kann, steht außer Frage. Nach § 15 Abs. 1 InsO ist zu einem Insolvenzantrag über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit neben den Gläubigern jedes Mitglied des Vertretungsorgans und jeder Abwickler, bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien außerdem noch jeder persönlich haftende Gesellschafter berechtigt. Der Kreis der antragsberechtigten Personen bei juristischen Personen ist zudem durch das MoMiG quantitativ ausgeweitet worden. Nach geltendem Recht ist im Falle der Führungslosigkeit bei einer juristischen Person zudem jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft außerdem noch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt.[50]
Das Hauptaugenmerk ist jedoch auf die Antragspflicht zu richten, denn diesbezüglich bestehen zwischen juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit – zumindest bei solchen, die eine bestimmte Gesellschafterkonstellation aufweisen – erhebliche Unterschiede. Ist das Schuldnerunternehmen eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist[51], und tritt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, ist der Schuldner – dieser Begriff umfasst alle antragsberechtigten Personen bei einer juristischen Person gem. § 15 Abs. 1 InsO – ohne schuldhaftes Zögern binnen drei Wochen nach Eintreten der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zur Antragstellung verpflichtet.[52] Der antragsberechtigte Kreis im Falle der Führungslosigkeit ist gem. § 15 Abs. 3 InsO nur bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zum Antrag verpflichtet. Nach Beschluss des AG Hamburg[53] liegt Führungslosigkeit erst dann vor, wenn der organschaftliche Vertreter rechtlich oder tatsächlich nicht mehr existiert. Die bloße Unauffindbarkeit des organschaftlichen Vertreters genügt nicht; Führungslosigkeit ist nur dann gegeben, wenn der organschaftliche Vertreter verstorben ist oder sein Amt abgelegt hat.
Wird der Antrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gestellt, oder wird fahrlässig gehandelt, drohen den antragsberechtigten Personen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von einem bis zu drei Jahren (Straftatbestand der Insolvenzverschleppung).[54]
Für eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, besteht selbst bei Eintreten von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung grundsätzlich keine Insolvenzantragspflicht.[55] Die Rechtsprechung war wohl der Auffassung, dass eine Insolvenzantragspflicht für Personengesellschaften mit mindestens einer natürlichen Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter überflüssig sei, da die unbeschränkte persönliche Haftung einer natürlichen Person und – ferner – die Möglichkeit, den Insolvenzantrag von Gläubigerseite zu stellen, genügend Gläubigerschutz biete. Folglich lässt sich den Gesellschaftern auch nicht der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung anlasten. Sollten die Gesellschafter ungedeckte Rechtsgeschäfte abschließen, begehen sie aber einen sog. Eingehungsbetrug nach § 263 StGB, der ebenfalls nicht minder bestraft wird.
[...]
[1] Vgl. Weniger, S., [Unternehmenssanierung], 2006, S. 181.
[2] Die Insolvenzordnung löste am 1. Januar 1999 die Konkursordnung (KO), die Vergleichsordnung (VerglO) und die Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) ab. Vgl. Schmidt, K.; Uhlenbruck, W., [Sanierung], 1999, S. V und Vgl. Ritter, W., [Unternehmenssanierung], 1999, S. 23.
[3] Vgl. Ritter, W., [Unternehmenssanierung], 1999, S. 23.
[4] Vgl. Lixfeld, S., [Liquidität], 2010, S. 1, 2.
[5] Vgl. Brandstätter, J., [Sanierungsfähigkeit], 1993, S. 37.
[6] Vgl. Lixfeld, S., [Liquidität], 2010, S. 79.
[7] Vgl. Braun, E.; Uhlenbruck, W., [Unternehmensinsolvenz], 1997, S. 37.
[8] Vgl. Weniger, S., [Unternehmenssanierung], 2006, S. 181.
[9] Vgl. § 11 Abs. 1 InsO.
[10] Vgl. § 13 Abs. 1 InsO.
[11] Vgl. Heyer, H., [Insolvenzrecht], 2005, S. 11.
[12] Vgl. § 14 Abs. 1 InsO.
[13] Vgl. § 16 InsO.
[14] Vgl. § 54 InsO.
[15] Vgl. Foerste, U., [Insolvenzrecht], 2006, S. 66 und Heyer, H., [Insolvenzrecht], 2005, S. 21.
[16] Vgl. § 35 InsO.
[17] Vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
[18] Vgl. Foerste, U., [Insolvenzrecht], 2006, S. 52, 53.
[19] Vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO.
[20] Vgl. § 22 Abs. 2 InsO.
[21] Vgl. Heyer, H., [Insolvenzrecht], 2005, S. 16.
[22] Vgl. Bittmann, V., [Insolvenzstrafrecht], 2004, S. 638.
[23] Vgl. Weniger, S., [Unternehmenssanierung], 2006, S. 182.
[24] Vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO.
[25] Vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 InsO.
[26] Vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 InsO.
[27] Vgl. § 60 InsO.
[28] Vgl. Weniger, S., [Unternehmenssanierung], 2006, S. 182.
[29] Vgl. § 67 Abs. 1 InsO.
[30] Vgl. § 67 Abs. 2 InsO.
[31] Vgl. § 67 Abs. 3 InsO.
[32] Vgl. Heyer, H., [Insolvenzrecht], 2005, S. 31.
[33] Vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 InsO.
[34] Vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 InsO.
[35] Vgl. § 68 Abs. 2 InsO.
[36] Vgl. § 69 InsO.
[37] Vgl. § 38 InsO.
[38] Vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 174 Abs. 1 Satz 1, 2 InsO.
[39] z.B. Leasingfahrzeuge.
[40] Vgl. § 28 Abs. 1, 2 InsO.
[41] z.B. Pfandrechte, Hypotheken, Grundschulden oder Sicherungsübereignungen an Gegenständen, die zur Insolvenzmasse gehören.
[42] Vgl. Bittmann, F., [Insolvenzstrafrecht], 2004, S. 277, 278.
[43] Vgl.. § 52 Satz 1, 2 InsO.
[44] Vgl. Bittmann, F., [Insolvenzstrafrecht], 2004, S. 638.
[45] Ein solcher Umstand ist z.B., eine plötzlicher Defekt einer Maschine des Unternehmens, die voll funktionsfähig zu einem guten Preis hätte verkauft werden können. Vgl. Heyer, H., [Insolvenzrecht], 2005, S. 17.
[46] Vgl. § 61 InsO.
[47] Vgl. Bittmann, V., [Insolvenzstrafrecht], 2004, S. 638.
[48] Vgl. Weniger, S., [Unternehmenssanierung], 2006, S. 183.
[49] Vgl. Ritter, W., [Unternehmenssanierung], 1999, S. 108.
[50] Vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 9 Nr. 2 MoMiG.
[51] Dies muss nicht direkt eine juristische Person sein. Diese Regelung umfasst auch sämtliche Gesellschaften, bei denen keine natürlichen Personen unbeschränkt haften und mit dem betreffenden Unternehmen in einem Gesellschafterverhältnis stehen. Sollte in der späteren Ausführung der Arbeit von dieser Thematik die Rede sein, ist dies entsprechend zu berücksichtigen.
[52] Vgl. § 15 a Abs. 1, 3 InsO i.V.m. Art. 9 Nr. 3 MoMiG.
[53] Vgl. AG Hamburg, Beschluss v. 27.11.2008.
[54] Vgl. § 15 a Abs. 4, 5 i.V.m. Art. 9 Nr. 3 MoMiG.
[55] Vgl. § 15 a Abs. 1 InsO i.V.m. Art. 9 Nr. 3 MoMiG.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (eBook)
- 9783842804159
- DOI
- 10.3239/9783842804159
- Dateigröße
- 484 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule Fulda – Wirtschaft, Studiengang BWL
- Erscheinungsdatum
- 2010 (September)
- Note
- 2,3
- Schlagworte
- unternehmensinsolvenz zahlungsunfähigkeit überschuldung insolvenzplan eigenverwaltung
- Produktsicherheit
- Diplom.de