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Patientenrecht und Patientensicherheit bei medizinischen Behandlungsfehlern

©2010 Diplomarbeit 70 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Wo immer Menschen arbeiten, geschehen Fehler. Es liegt in der menschlichen Natur, Fehler zu machen. Jedoch sollte die Kenntnis darüber nicht dazu verleiten, Fehler einfach zu akzeptieren, denn sie bleiben nicht ohne Folgen.
Noch heute herrscht häufig die Auffassung, dass Fehler eigentlich nicht passieren dürfen. Eine Folge daraus kann sein, dass aufgetretene Fehler vertuscht oder abgestritten werden. Wenn dieses Verhalten eintritt, besteht eine große Wiederholungsgefahr und das schöne Sprichwort: ‘Aus Fehlern lernt man’ kann nicht zum Einsatz kommen.
In den letzten Jahren hat ein Wandel im Bereich des Gesundheitswesens stattgefunden. Die Gesellschaft hat mehr und mehr Interesse an den erbrachten Gesundheitsleistungen entwickelt. Es entsteht das Bedürfnis nach mehr Transparenz und neuen Informationsmöglichkeiten. Weiterhin wachsen das Anspruchsdenken und die Erwartungshaltung. Die Folge aus dieser Wandlung ist eine offenere Diskussion von Problemen und Unklarheiten, auch im Bezug auf die ärztliche Behandlung. Ein weiterer wichtiger Grund für die genannte Wandlung ist die zunehmende Öffentlichkeitsarbeit und die Unterstützung, die die Patienten z.B. durch die Bundesregierung und die Krankenkassen erhalten.
Bis heute ist nicht bewiesen, dass die Zahl der Behandlungsfehler gestiegen ist. Jedoch ist festzustellen, dass sich das Bewusstsein der Menschen verändert hat – sie reagieren sensibler und bewerten die Qualität der erhaltenen Leistung sachverständiger. Die Klagebereitschaft der betroffenen Patienten bei der Vermutung eines Behandlungsfehlers ist gestiegen. Das für die frühere Zeit charakteristische Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird häufig ersetzt durch eine rein ‘geschäftsmäßige’ vertragliche Beziehung.
Seit der Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) (diagnosebezogene Fallgruppen zur Finanzierung oder Abrechnung von Krankenhausleistungen) in den Krankenhäusern müssen immer mehr Patienten, mit immer weniger Mitarbeitern, in immer kürzerer Zeit versorgt werden. Die Folge ist, dass das Fehlerpotential durch überforderte oder fehlende Mitarbeiter steigt. Hinzu kommt, dass ein zunehmender Kostendruck und Wettbewerb im Bereich des Gesundheitswesens herrscht. Durch fehlende finanzielle Mittel besteht das Risiko, dass der Arzt bzw. das Krankenhaus notwendige Maßnahmen zur Fehlervermeidung vernachlässigt.
Eine fehlerhafte Behandlung kann weit reichende Folgen für alle Beteiligten haben. Der Patient […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Problemstellung und Gang der Untersuchung

2 Allgemeine Grundlagen
2.1 Das Arzt-Patienten-Verhältnis
2.2 Der Behandlungsvertrag
2.3 Behandlungspflicht
2.4 Aufklärungs- und Dokumentationspflicht
2.5 Der Begriff des Behandlungsfehlers
2.6 Arten von Behandlungsfehlern

3 Allgemeine rechtliche Grundlagen
3.1 Beweislast
3.2 Haftungsgrundlage
3.2.1 Strafrecht
3.2.2 Zivilrecht
3.3 Verjährung
3.4 Durchsetzung von Ansprüchen
3.4.1 Strafrecht
3.4.2 Zivilrecht

4 Verfolgen eines Behandlungsfehlers
4.1 Statistiken und Entwicklung
4.1.1 Allgemein
4.1.2 Medizinischer Dienst der Krankenversicherung
4.1.3 Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen
4.1.4 Studie des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales
4.1.5 Ecclesia Versicherungsdienst
4.1.6 Entwicklung
4.2 Verhalten der Beteiligten
4.2.1 Verhalten des Patienten
4.2.2 Verhalten des Arztes
4.3 Unterstützung der betroffenen Patienten
4.3.1 Unterstützung durch die Krankenkasse
4.3.2 Unterstützung durch die Bundesregierung
4.4 Erstellen von Gutachten und deren Inhalt
4.4.1 MDK (am Beispiel des MDK Nordrhein)
4.4.2 Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen
4.4.3 Vergleich der beiden Parteien

5 Ansätze zur Prävention und Fehlerlösung
5.1 Standards
5.2 Patientensicherheit
5.3 Umgang mit Risiken – Risikomanagement
5.3.1 Definition und Abgrenzung des Risikomanagements zum Qualitätsmanagement
5.3.2 Risikomanagement als Mittel zur Gewährleistung von Patientensicherheit (am Bsp. des Krankenhauses)
5.3.3 Praktisches Risikomanagement
5.4 Die Notwendigkeit: aus Fehlern lernen

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wesentliche Arten von Behandlungsfehlern

Abbildung 2: Zustandekommen des Haftungsanspruches

Abbildung 3: Vergleich des Straf- und Zivilrechts

Abbildung 4: Tödliche Unfälle

Abbildung 5: Verhältnis von tatsächlichen Behandlungsfehlern und aktenkundig gewordenen Schäden

Abbildung 6: Aufträge und bestätigte Vorwürfe von Behandlungsfehlern

Abbildung 7: Anträge und Entscheidungen

Abbildung 8: Patientenvorwürfe

Abbildung 9: Antragsgegner und Behandlungsorte

Abbildung 10: Behandlungsfehler bejaht/verneint

Abbildung 11: Fachgebietsbeteiligung der Antragsgegner

Abbildung 12: Gesamtwert der erfassten Fälle bundesweit

Abbildung 13: Anlässe der untersuchten 4450 Ermittlungsverfahren

Abbildung 14: Verteilung der Vorwürfe auf die einzelnen medizinischen Fachgebiete

Abbildung 15: Klassifikation von Behandlungsfehlertypen

Abbildung 16: Ergebnisse der Behandlungsfehlerbegutachtung

Abbildung 17: Entwicklung der an die Ecclesia gemeldeten Behandlungsfehler

Abbildung 18: Schadenmeldungen der Ecclesia im Verhältnis zu den Behandlungsfällen

Abbildung 19: Verhalten bei vermutetem Behandlungsfehler

Abbildung 20: Gründe für Nicht-Meldung von vermuteten Behandlungsfehlern

Abbildung 21: Sicherheitsstrategien des Risikomanagements

Abbildung 22: Grundregeln sicherer verbaler Kommunikation

Abbildung 23: Das „Schweizer-Käse-Modell“

Abbildung 24: Risikomanagement-Prozess

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Problemstellung und Gang der Untersuchung

Wo immer Menschen arbeiten, geschehen Fehler. Es liegt in der menschlichen Natur, Fehler zu machen. Jedoch sollte die Kenntnis darüber nicht dazu verleiten, Fehler einfach zu akzeptieren, denn sie bleiben nicht ohne Folgen.

Noch heute herrscht häufig die Auffassung, dass Fehler eigentlich nicht passieren dürfen. Eine Folge daraus kann sein, dass aufgetretene Fehler vertuscht oder abgestritten werden. Wenn dieses Verhalten eintritt, besteht eine große Wiederholungsgefahr und das schöne Sprichwort: „Aus Fehlern lernt man“ kann nicht zum Einsatz kommen.

In den letzten Jahren hat ein Wandel im Bereich des Gesundheitswesens stattgefunden. Die Gesellschaft hat mehr und mehr Interesse an den erbrachten Gesundheitsleistungen entwickelt. Es entsteht das Bedürfnis nach mehr Transparenz und neuen Informationsmöglichkeiten. Weiterhin wachsen das Anspruchsdenken und die Erwartungshaltung. Die Folge aus dieser Wandlung ist eine offenere Diskussion von Problemen und Unklarheiten, auch im Bezug auf die ärztliche Behandlung. Ein weiterer wichtiger Grund für die genannte Wandlung ist die zunehmende Öffentlichkeitsarbeit und die Unterstützung, die die Patienten z.B. durch die Bundesregierung und die Krankenkassen erhalten.

Bis heute ist nicht bewiesen, dass die Zahl der Behandlungsfehler gestiegen ist. Jedoch ist festzustellen, dass sich das Bewusstsein der Menschen verändert hat – sie reagieren sensibler und bewerten die Qualität der erhaltenen Leistung sachverständiger. Die Klagebereitschaft der betroffenen Patienten bei der Vermutung eines Behandlungsfehlers ist gestiegen. Das für die frühere Zeit charakteristische Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird häufig ersetzt durch eine rein „geschäftsmäßige“ vertragliche Beziehung.

Seit der Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) (diagnosebezogene Fallgruppen zur Finanzierung oder Abrechnung von Krankenhausleistungen) in den Krankenhäusern müssen immer mehr Patienten, mit immer weniger Mitarbeitern, in immer kürzerer Zeit versorgt werden. Die Folge ist, dass das Fehlerpotential durch überforderte oder fehlende Mitarbeiter steigt. Hinzu kommt, dass ein zunehmender Kostendruck und Wettbewerb im Bereich des Gesundheitswesens herrscht. Durch fehlende finanzielle Mittel besteht das Risiko, dass der Arzt bzw. das Krankenhaus notwendige Maßnahmen zur Fehlervermeidung vernachlässigt.

Eine fehlerhafte Behandlung kann weit reichende Folgen für alle Beteiligten haben. Der Patient kann Gesundheitsschäden und psychische Störungen davontragen. Die Angehörigen müssen ggf. durch zusätzliche Pflege unterstützen. Der behandelnde Arzt kann an Ansehen verlieren und ihm drohen möglicherweise strafrechtliche Konsequenzen. Für alle Beteiligten bedeutet ein Behandlungsfehler aber vor allem zusätzliche Kosten, wie Verdienstausfall, Medikamente, Pflegeaufwand, etc.

Ziel meiner Arbeit ist es, die Möglichkeiten der Fehlervorsorge und Fehlervermeidung zur Erhöhung der Patientensicherheit auszuarbeiten. Vorab soll aber zunächst ein Grundverständnis für Behandlungsfehler sowohl im rechtlichen als auch im theoretischen und praktischen Sinne geschaffen werden.

Das Vorgehen meiner Ausarbeitung ist durch 4 Bereiche geprägt:

Nach anfänglicher Überlegung zum Arzt-Patienten-Verhältnis und dem daraus zustande kommenden Vertrag mit dessen Pflichten erfolgt in Kapitel 2 eine Definition zum Fehlerbegriff und Aufzeigung möglicher Fehlerarten.

Anschließend werden in Kapitel 3 die allgemeinen rechtlichen Grundlagen genannt, die bedeutend für die Verfolgung eines (vermuteten) Behandlungsfehlers sind.

Nach den rechtlichen Grundlagen folgen in Kapitel 4 die praktischen Maßnahmen zur Klärung eines Zwischenfalls. Zunächst wird hier auf die allgemeine Situation hingewiesen. Als nächstes wird auf das Verhalten der Beteiligten und die Unterstützung, die betroffene Patienten in Form von Gutachten oder Informationen erhalten können, eingegangen. Zum Schluss dieses Kapitels werden mögliche Gründe für die Entwicklung der Begutachtungspraxis erläutert.

Zum Abschluss geht es in Kapitel 5 darum, wie Fehler vermieden und die Patientensicherheit erhöht werden kann. Es geht aber auch darum, wie eingetretene Fehler als Chance gesehen werden können, aus ihnen zu lernen.

Hinweis: Der Einfachheit halber und wegen der sprachlichen Klarheit wird im Text nur die in Deutschland übliche männliche grammatikalische Wortform verwendet. Außerdem soll angemerkt werden, dass die Bezeichnung des „Arztes“ als Überbegriff für Ärzte, Arztgruppen, Krankenhaus, Krankenhausträger, Pflegekräfte, Arztgehilfe steht.

2 Allgemeine Grundlagen

2.1 Das Arzt-Patienten-Verhältnis

Sucht der Patient einen Arzt auf und lässt sich durch ihn medizinisch behandeln, hat er nach Duprè die Erwartungshaltung, dass der Arzt bei der Behandlung den hohen Standard der medizinischen Wissenschaft anwendet, einem besonderen ethischen Anspruch genügt und sich an diesen gebunden fühlt. Das Verhältnis zwischen Patient und seinem behandelnden Arzt beruht daher auf einem sehr persönlichen Vertrauen.[1]

Oftmals werden Ärzte heute noch als „Halbgötter in weiß“ bezeichnet. Ärzte sind bemüht, die Gesundheit ihrer Patienten wiederherzustellen bzw. Beschwerden zu lindern, jedoch sind ihre Fähigkeiten weder unbegrenzt noch göttlich.[2]

Der Erfolg der Behandlung hängt nicht nur von den Fähigkeiten eines Arztes ab, sondern auch von dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten.

Es ist zu berücksichtigen, dass Patienten oftmals ganz individuell auf eine Behandlung reagieren, bedingt durch den Gesundheitszustand, Vorerkrankungen, Alter, etc. Daher kann das gewünschte Ergebnis einer Behandlung nicht immer garantiert werden.[3]

Es kann vorkommen, dass der Patient sich über die rechtliche Beziehung zwischen dem Arzt und ihm keine Gedanken macht. Er wird mit dieser dann erst konfrontiert, wenn seiner Ansicht nach ein Fehler bei der Behandlung unterlaufen ist.[4]

2.2 Der Behandlungsvertrag

Der Patient hat das Recht, seinen Arzt frei zu wählen. Er darf eine Behandlung jederzeit abbrechen oder sich eine ärztliche Zweitmeinung einholen.[5]

Beim Besuch des Patienten in der Sprechstunde, durch telefonische Beratung, beim Hausbesuch des Arztes, durch Vergabe eines Termins, mit Abgabe der Versichertenkarte oder bei der Notfallaufnahme im Krankenhaus kommt automatisch ein Behandlungsvertrag zustande.[6]

Es handelt sich bei dem Arzt-Patienten-Vertrag um einen Dienstvertrag nach §§611 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der nicht den Erfolg, sondern nur eine Behandlung nach ärztlichem Standard schuldet.[7]

Der Arzt hat folgende Aufgaben aus dem Behandlungsvertrag zu erfüllen:

- Behandlungspflicht,
- Einhaltung des medizinischen Standards,
- Aufklärungspflicht,
- Besuchspflicht,
- Dokumentationspflicht.

Die Hauptaufgabe besteht jedoch darin, die Gesundheit seines Patienten zu erhalten bzw. wiederherzustellen.[8]

Wird der Patient hingegen stationär in einem Krankenhaus behandelt, kommt regelmäßig kein Vertrag zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt zustande. Vielmehr schließt hier der Patient mit dem Krankenhausträger einen Behandlungsvertrag (totaler Krankenhausaufnahmevertrag).[9]

Bei dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag ist ein Arztzusatzvertrag möglich. Hierbei ist der Vertragspartner sowohl der Klinikarzt, mit dem ein privater Zusatzvertrag geschlossen wird, als auch der Klinikträger, soweit nachgeordnetes Personal eingesetzt wird.[10]

2.3 Behandlungspflicht

Der Arzt ist gegenüber dem Patienten zur Hilfeleistung verpflichtet. Unter besonderen Umständen kann er jedoch die Behandlung versagen. Diese besonderen Umstände liegen z.B. vor, wenn das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Patienten nicht besteht oder verletzt wurde. Der Arzt muss jedoch zuvor sicherstellen, dass die ärztliche Versorgung des Patienten durch einen anderen Arzt gewährleistet ist. In dringenden Notfällen muss ein Arzt sofort handeln und hat keine Möglichkeit, die Behandlung abzulehnen.

Der Arzt ist von der Behandlungspflicht befreit, wenn der Patient notwendige ärztliche Maßnahmen ablehnt.[11]

2.4 Aufklärungs- und Dokumentationspflicht

Jede Maßnahme des Arztes bedarf der Zustimmung des Patienten. Der Patient kann der geplanten Maßnahme jedoch nur zustimmen, wenn er genauestens über diese aufgeklärt ist. Daher hat der Arzt den Patienten vor der Behandlung über das geplante Vorgehen, die Erfolgsaussichten und die möglicherweise auftretenden Gefahren zu informieren.[12]

Die Aufklärung muss – von Notfällen abgesehen – so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient noch ausreichend Zeit hat, die Vor- und Nachteile der Behandlung abzuwägen und dem Eingriff zuzustimmen oder ihn abzulehnen.

Die Aufklärung des Patienten muss mündlich erfolgen. Das der Behandlung vorausgehende Gespräch darf nicht durch einen Aufklärungsbogen ersetzt werden. Außerdem ist eine sorgfältige Dokumentation der Aufklärung erforderlich.[13]

Der Arzt ist nicht nur verpflichtet, die Aufklärung zu dokumentieren, ferner ist er verpflichtet, Aufzeichnungen über den Behandlungsablauf und die wichtigsten Daten der Krankengeschichte seines Patienten zu machen.[14]

Die Dokumentation des Behandlungsverlaufes dient als Grundlage für die Sicherheit des Patienten bei der Behandlung. Sie beruht ausschließlich auf medizinischen Gründen und zielt nicht auf die Beweissicherung für einen eventuellen Haftungsprozess ab.

In der Krankenakte sind folgende Angaben festzuhalten:

- Anamnese
(Vorgeschichte des Patienten im Bezug auf aktuellen Beschwerden),
- Diagnose,
- Therapie,
- Untersuchungen,
- Zeiten der Behandlung,
- Ergebnisse und Befunde,
- Pflegeanweisungen,
- alle Verlaufsdaten
(Aufklärung, Operationsberichte, Narkoseprotokolle),
- besondere Zwischenfälle,
- therapeutische Besonderheiten.[15]

Verletzungen der Dokumentationspflicht begründen nicht automatisch einen Behandlungsfehler. Sie können jedoch bei einem möglichen Prozess dafür sprechen, dass erforderliche Maßnahmen nicht bzw. nicht fachgerecht erfolgt sind.[16]

2.5 Der Begriff des Behandlungsfehlers

„Der früher übliche Begriff „Kunstfehler“ wurde allmählich ersetzt durch den auch von der Rechtsprechung übernommenen Begriff des „Behandlungsfehlers“. Dieser Begriff wird auch in den Behandlungsfehlerstudien in einem umfassenden Sinne verstanden als jedes ärztliche Verhalten, das nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft unsachgemäß ist. Es soll keine Rolle spielen, ob es sich um ein Tun oder Unterlassen handelt, sich das Verhalten als Vornahme eines indizierten oder als Nichtvornahme eines gebotenen Eingriffs darstellt. Sämtliche Fehlermaßnahmen diagnostischer oder therapeutischer Art sollen erfasst werden.“[17]

Ein „beinahe Behandlungsfehler“ (oder auch Beinahezwischenfall) stellt hingegen ein Ereignis dar, welches ohne negative gesundheitliche Auswirkungen aufgrund glücklicher Umstände bleibt, durch rechtzeitiges, korrigierendes Eingreifen.

2.6 Arten von Behandlungsfehlern

Ein ärztlicher Behandlungsfehler kann sowohl bei der Behandlung des Patienten selbst, als auch bei der therapeutischen Aufklärung, bei der Organisation von Abläufen oder als Diagnosefehler auftreten.[18]

Abbildung 1: Wesentliche Arten von Behandlungsfehlern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an Krauskopf/Marburg (2001), S. 80.

Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die möglichen Arten von Behandlungsfehlern. Sie stellt nur einen Teil der auftretenden Fehler dar. Auf alle möglichen Fehlerarten und dessen Auswirkungen kann in dieser Arbeit wegen des vorgegebenen Umfanges nicht eingegangen werden.

3 Allgemeine rechtliche Grundlagen

Im vorherigen Kapitel wurde auf die ärztliche Behandlung eines Patienten und die daraus möglicherweise resultierenden Fehler eingegangen. Hat ein Patient den Verdacht, dass dem Arzt ein Fehler unterlaufen ist, werden im Folgenden die Möglichkeiten zur Klärung des Sachverhaltes aufgezeigt.

3.1 Beweislast

„Im Arzthaftungsprozess gilt wie in anderen Rechtsbereichen der Grundsatz, dass der Anspruchsteller die Beweislast für alle Anspruchs begründenden Behauptungen trägt. Der Patient hat daher grundsätzlich einen Behandlungsfehler und den Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und dem geltenden Gesundheitsschaden zu beweisen.“[19]

Der Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehler und dem geltenden Gesundheitsschaden wird auch als Kausalitätsnachweis bezeichnet. Der Nachweis der Kausalität ist nach Wiese im Allgemeinen schwieriger zu erbringen als der Nachweis des Behandlungsfehlers. Die meisten Verfahren scheitern daran, dass die Betroffenen den Zusammenhang zwischen Ursache und Schaden nicht beweisen können.[20]

Von großer Bedeutung ist daher für viele Patienten, dass es unter bestimmten Umständen zu einer Erleichterung oder sogar zu einer kompletten Umkehr der Beweislast kommen kann. Dem Anspruchsteller werden bei der Beweiserleichterung wesentliche Zugeständnisse eingeräumt.

Bei der Umkehr der Beweislast muss die beklagte Partei nachweisen, dass sie nicht ursächlich für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist.

Folgende Gründe können dazu führen, dass es zu einer Erleichterung oder zu einer Umkehr der Beweislast kommt:

- Es wird davon ausgegangen, dass einige Risiken voll beherrschbar sind. Kommt es dennoch zu einer Schädigung des Patienten, muss normalerweise der Arzt den Beweis erbringen, das Ereignis nicht schuldhaft verursacht zu haben.
- Der Patient hat das Recht auf Herausgabe der Behandlungsakten. Kam es jedoch vorab zu Dokumentationsmängeln, also ist die Dokumentation lückenhaft oder fehlt sie ganz, wird dadurch die Beweisführung des Anspruchstellers erschwert. In diesen Fällen kann es zu einer Erleichterung oder auch Umkehr der Beweislast kommen.
- Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn die elementaren ärztlichen oder pflegerischen Grundsätze verletzt wurden. Wird vom Gericht ein grober Behandlungsfehler anerkannt, kehrt sich die Beweislast um.
- Auch ein grober Organisationsfehler kann zu einer Erleichterung oder einer Umkehr der Beweislast führen. Dieser kann z.B. in der fehlenden Koordination innerhalb eines Krankenhauses liegen.[21]

3.2 Haftungsgrundlage

3.2.1 Strafrecht

Der Staat hat für den Schutz seiner Bürger Sorge zu tragen. Früher wurden Regeln aufgestellt, um wichtige Rechtsgüter zu schützen. Verstöße gegen diese Regeln wurden mit Strafen belegt. Die logische Konsequenz bestand später darin, diese Regeln als Gesetz zu fixieren.

Das Strafgesetzbuch (StGB) ist Grundlage des Strafrechtes. In dem StGB sind sowohl die einzelnen Straftatbestände als auch das jeweils dazugehörige Strafmaß beschrieben. Der Staat ist verpflichtet, bei Verletzungen besonders wichtiger Rechtsgüter tätig zu werden.[22]

3.2.2 Zivilrecht

„Im Gegensatz zum Strafrecht, in dem das Rechtsverhältnis zwischen Staat und den Bürgern reglementiert wird, ist es Zweck des Zivilrechts, das Zusammenleben zwischen den Bürgern zu regeln.“[23]

Grundlage für das Zivilrecht ist das BGB. Es gibt keinen besonderen Haftungstatbestand für ärztliche Behandlungsfehler. Schadenersatzansprüche müssen hier nach den allgemeinen Grundsätzen beurteilt werden.[24]

Voraussetzung für eine Haftung ist, dass durch den Behandlungsfehler ein materieller und/oder immaterieller Schaden entstanden ist. Die Rechtsgrundlage für die Ansprüche aus Behandlungsfehlern ist die Vorschrift der unerlaubten Handlung (deliktische Haftung) gemäß §§ 823 ff. BGB und die Vorschrift der Vertragsverletzung (vertragliche Haftung) gemäß § 280 BGB.[25]

Die Anwendung der deliktischen Haftung setzt voraus, dass Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt. Der behandelnde Arzt muss also entweder eine Tat begangen haben, die er bewusst ausgeübt hat oder bei der er die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Bei den meisten gerichtlichen Verfahren liegt ein fahrlässiges Verhalten des Arztes vor.[26] Die vertragliche Haftung setzt einen wirksamen Behandlungsvertrag zwischen Arzt bzw. Krankenhausträger und Patienten voraus.[27]

Der Anspruch aus vertraglicher Haftung richtet sich ausschließlich gegen den Vertragspartner (siehe hierzu Punkt (Pkt.) 2.2). Im Rahmen der deliktischen Haftung sind auch Klagen gegen die Erfüllungsgehilfen (Krankenhausmitarbeiter) möglich. In der Praxis werden häufig parallel Verstöße der deliktischen und vertraglichen Haftung geltend gemacht.[28]

Hat die Krankenkasse der geschädigten Person Leistungen infolge des Behandlungsfehlers erbracht, geht der Schadensersatzanspruch für diese Leistungen auf die Krankenkasse im Wege des gesetzlichen Forderungsüberganges nach § 116 Sozialgesetzbuch (SGB) X über.[29]

Dritte können in folgenden Fällen Anspruchsberechtigte sein: Hinterbliebene bei Tötung des Patienten hinsichtlich der Beerdigungskosten und wegen des entgangenen Unterhaltes oder gesetzlich geschuldeter Dienste.[30]

Abbildung 2: Zustandekommen des Haftungsanspruches

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an Paula (2007), S. 154.

3.3 Verjährung

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB drei Jahre. Diese allgemeine Verjährungsfrist gilt auch für Schadensersatzansprüche aus ärztlichen Behandlungsfehlern, sowohl für die deliktische, als auch für die vertragliche Haftung.

Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.[31]

Diese Verjährungsfrist gilt auch für die nach § 116 SGB X übergegangenen vertraglichen Ersatzansprüche der Krankenkassen. Die Verjährungsfrist beginnt hier also mit Ablauf des Jahres, in dem die Krankenkasse bzw. der Sachbearbeiter Kenntnis über den ärztlichen Behandlungsfehler erlangt.[32]

Bei schwebenden Verhandlungen zwischen dem Gläubiger und dem Beschuldigten über den zu leistenden Schadensersatz, so ist die Verjährung gehemmt.[33]

3.4 Durchsetzung von Ansprüchen

Im Strafrecht erhebt der Staat, vertreten durch den Staatsanwalt, die Klage. Im Zivilrecht stehen sich weitestgehend gleichberechtigte Parteien gegenüber (wie die folgende Abbildung 3 zeigt).[34]

Abbildung 3: Vergleich des Straf- und Zivilrechts

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: in Anlehnung an Paula (2007), S. 153.

3.4.1 Strafrecht

In den Fällen, in denen ein Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung besteht, wird ein Ermittlungsverfahren entweder durch eine Anzeige des Patienten ausgelöst oder durch die Polizei bzw. Staatsanwaltschaft, wenn diese Kenntnis von einem möglichen Gesetzesverstoß erhalten haben (z.B. durch eine Todesbescheinigung).[35]

Die Staatsanwaltschaft ist nach § 152 Abs. 2 StGB nur bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat berechtigt und verpflichtet, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten.

Zuerst ist die Sachverhaltsschilderung der Strafanzeige auf Plausibilität zu prüfen. Als zweites wird überprüft, ob das öffentliche Interesse an der Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungen zu bejahen ist. Bei der Feststellung des öffentlichen Interesses kommt es auf die Schwere der Verletzung, die Folgen für den Geschädigten und das Maß der feststellbaren Sorgfaltspflichtverletzung an.

Liegen alle Voraussetzungen vor, bekommt der beschuldigte Arzt die Gelegenheit zur Stellungnahme. Wenn dieser bzw. sein Verteidiger sich gar nicht äußert oder durch seine Darstellung der Vorwurf nicht entkräftet wird, muss ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden.

Liegt nach Abschluss der Ermittlungen zum Sachverhalt und Vorliegen der erforderlichen Sachverständigengutachten ein hinreichender Tatverdacht einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung vor, sind die Voraussetzungen einer Anklageerhebung gegeben.[36] Das Verfahren geht nun an ein Gericht über, das zunächst prüft, ob ein Hauptverfahren eröffnet werden soll. Danach wird ein Verhandlungstermin festgesetzt, zu dem der Angeklagte und die Zeugen vorgeladen werden.[37]

Beim Strafverfahren geht es um die Frage, ob der Angeklagte für sein Verhalten bestraft werden sollte und nicht darum, Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Man sollte daher ein Strafverfahren nur anstreben, wenn man den begründeten Verdacht einer besonders schweren Form des Fehlverhaltens hat.[38]

[...]


[1] Vgl. Duprè (1989), S. 13.

[2] Vgl. Wiese (1995), S. 63.

[3] Vgl. Meißner/Kaatsch (2009), S. 13.

[4] Vgl. Duprè (1989), S. 13.

[5] Vgl. Duprè (1989), S. 16.

[6] Vgl. Wiese (1995), S. 67.

[7] Vgl. Meißner/Kaatsch (2009), S. 13.

[8] Vgl. Wiese (1995), S. 64f.

[9] Vgl. Seifert (2008), S. 20.

[10] Vgl. Krauskopf/Marburger (2001), S. 18.

[11] Vgl. Wiese (1995), S. 69.

[12] Vgl. Duprè (1989), S. 23.

[13] Vgl. Laum/Smentkowski (2006), S. 102f.

[14] Vgl. Wiese (1995), S. 75.

[15] Vgl. Uebbert/Brinkmann/Stegers (2002), S. 15.

[16] Vgl. Laum/Smentkowski (2006), S. 109f.

[17] Dettmeyer/Preuß/Madea (2007), S. 65f.

[18] Vgl. Frahm (2009), S.169.

[19] Frahm (2009), S. 173f.

[20] Vgl. Wiese (1995), S. 92.

[21] Vgl. Paula (2007), S. 156f.

[22] Vgl. Paula (2007), S. 148f.

[23] Paula (2007), S153.

[24] Vgl. Krauskopf/Marburg (2001), S. 23.

[25] Vgl. Arbeitsgruppen Ü1-MedJur, Forum MedJur (2007), S. 9.

[26] Vgl. Krauskopf/Marburger (2001), S. 23

[27] Vgl. Seifert (2008), S. 18.

[28] Vgl. Paula (2007), S. 156.

[29] Vgl. Arbeitsgruppen Ü1-MedJur, Forum MedJur (2007), S. 9.

[30] Vgl. Krauskopf/Marburger (2001), S. 21f.

[31] Vgl. Laum/Smentkowski (2006), S.120.

[32] Vgl. Arbeitsgruppen Ü1-MedJur, Forum MedJur (2007), S. 17f.

[33] Vgl. Krauskopf/Marburger (2001), S. 28.

[34] Vgl. Paula (2007), S. 153.

[35] Vgl. Paula (2007), S. 149.

[36] Vgl. Nentwig (2009), S. 148ff.

[37] Vgl. Paula (2007), S.150.

[38] Vgl. Wiese (1995), S. 112f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842803060
DOI
10.3239/9783842803060
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Köln – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2010 (August)
Note
1,3
Schlagworte
gesundheitsmanagement behandlungsfehler patientenrecht gesundheitswesen arztfehler
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